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ID1500602200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers . . . 295 B Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 295 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 297 D Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 A Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 301 D Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 305 C Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . 306 C Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 308 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 312 C Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 316 C Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C Birgitt Bender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 318 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 320 B Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 322 A Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 324 C Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 326 D Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 331 B Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 336 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 339 A Plenarprotokoll 15/6 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 I n h a l t : (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 295 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
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    (A) (C) 338 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 339 (C)(A) Blank, Renate CDU/CSU 31.10.2002 Fahrenschon, Georg CDU/CSU 31.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Haupt, Klaus FDP 31.10.2002 Kolbow, Walter SPD 31.10.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Lietz, Ursula CDU/CSU 31.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 31.10.2002 Niebel, Dirk FDP 31.10.2002 Nolting, Günther FDP 31.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 31.10.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 31.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Schröter, Gisela SPD 31.10.2002 Dr. Stadler, Max FDP 31.10.2002 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 DIE GRÜNEN Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Margareta DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich

    liegen nicht vor.
    Wir kommen schließlich zu den Themenbereichen

    Soziales und Gesundheit. Ich erteile das Wort der Bun-
    desministerin Ulla Schmidt.

    Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
    soziale Sicherung:

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum fliehen die denn alle, Frau Schmidt?)

    – Die fliehen nicht, die wechseln nur die Plätze. – Am
    22. September haben die Wählerinnen und Wähler uns
    den Auftrag gegeben, unsere Reformpolitik fortzusetzen.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und am 31. Oktober bedauern sie das schon wieder!)


    Die Menschen wissen, dass wir eine Politik der Erneue-
    rung, der sozialen Gerechtigkeit und der Nachhaltigkeit
    machen.

    Wir sind es gewesen, die in den letzten vier Jahren
    dafür gesorgt haben, dass in Zukunft keine Rentnerin und
    kein Rentner zum Sozialamt gehen muss, weil die Rente
    nicht ausreicht. Wir haben dafür gesorgt, dass Rentnerin-
    nen und Rentner, die unseren Wohlstand jahrzehntelang
    mit erarbeitet haben, künftig Anspruch auf eine soziale
    Grundsicherung haben, auch wenn sie keine ausreichen-
    den Rentenansprüche erworben haben, weil sie Famili-
    enarbeit geleistet haben oder geringfügig beschäftigt wa-
    ren. Dieses Vorhaben wird ab dem 1. Januar 2003
    umgesetzt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir sind es gewesen, die dafür gesorgt haben, dass bei
    der Rente zukünftig eine private Säule die gesetzliche er-
    gänzt. Damit haben wir die Altersvorsorge zukunftsfest
    gemacht. Wir sind es gewesen, die dafür gesorgt haben,
    dass schwerbehinderte Frauen und Männer wieder neue


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    308


    (A)



    (B)



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    (D)






    Chancen am Arbeitsmarkt erhalten und ihre Leistungsfä-
    higkeit anerkannt wird.


    (Beifall bei der SPD)

    Wir sind es gewesen, die dafür gesorgt haben, dass die

    medizinische Versorgung in Zukunft verbessert wird, ins-
    besondere für chronisch kranke Menschen. Wir sind es
    gewesen, die von den Wählerinnen und Wählern den Auf-
    trag erhalten haben, in den nächsten vier Jahren unsere
    Reformpolitik der sozialen Sicherung bei der Rente und
    bei der Gesundheit konsequent fortzusetzen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Für uns ist klar: Eine starke soziale Sicherung und wirt-

    schaftliches Wachstum sind keine Gegensätze, sondern
    sie gehen Hand in Hand.

    Deutschland ist auch im internationalen Vergleich mit
    seinem solidarischen System der sozialen Sicherung in
    den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich gut gefahren. Unser
    ökonomischer Erfolg basiert zu einem guten Teil auf einer
    starken sozialen Sicherung. Es sollte nie vergessen wer-
    den: Solidarität macht Leistungsfähigkeit erst möglich.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dies ist auch der Grund dafür, warum viele Menschen
    uns um unseren Sozialstaat, um unser Rentensystem und
    um unser Gesundheitswesen beneiden. Weil dies so ist,
    werden wir den Sozialstaat für die Zukunft sichern.

    Wir wissen alle, dass Handlungsbedarf besteht, Hand-
    lungsbedarf, der sich aus der demographischen Entwick-
    lung ergibt, der sich auch aus der erfreulichen Entwick-
    lung ergibt, dass die Menschen heute älter werden als
    früher, der sich aus dem medizinischen Fortschritt und
    veränderten Erwerbsbiografien ergibt. Handlungsbedarf
    ergibt sich auch aus der aktuellen konjunkturellen Situa-
    tion, die mit einem Einbrechen der Einnahmen einher-
    geht. Dadurch werden die sozialen Sicherungssysteme
    zusätzlich herausgefordert.

    Das neu geschaffene Bundesministerium fürGesund-
    heit und soziale Sicherung ist eine Antwort auf diese
    Herausforderungen. Es eröffnet Chancen, die Kräfte zu
    bündeln, Chancen, die Reformen der sozialen Siche-
    rungssysteme künftig aus einer Hand auf den Weg zu brin-
    gen. Wir werden diese Chancen nutzen. Wir werden Sy-
    nergieeffekte nutzen, um deutlich mehr Effizienz in die
    – seien wir einmal ehrlich – manchmal auch schwerfäl-
    ligen Systeme zu bringen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Detlef Parr [FDP]: Das ist ein gutes Stichwort! Meinen wir es mal ehrlich, Frau Ministerin!)


    – Wenn ich Ihren Reden zuhöre, habe ich manchmal das
    Gefühl, die Größe von manchen zeigt sich auch darin, wie
    sie in der Lage sind, eine Niederlage zu verarbeiten.


    (Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie standen ja schon auf der Abschussliste!)


    In der heutigen Arbeitswelt sind Flexibilität und Mobi-
    lität gefordert. Die wenigsten Arbeitnehmerinnen und Ar-
    beiternehmer sind heute lebenslang in einem Beruf tätig,
    geschweige denn bei einem Arbeitgeber beschäftigt. Ein-
    mal erworbene Qualifikationen reichen immer weniger
    für das ganze Berufsleben aus. Von den Menschen wird
    sehr viel Mut zur Veränderung gefordert. Ich sage aber
    auch deutlich: Wer diesen Mut zur Veränderung fordert,
    der muss gleichzeitig dafür sorgen, dass niemand auf sich
    allein gestellt bleibt, sondern dass die Solidargemein-
    schaft da ist, um ihn, wenn es nötig ist, aufzufangen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Deswegen modernisieren wir den Arbeitsmarkt. Wir si-
    chern gleichzeitig den sozialen Rückhalt für die Men-
    schen. Wir stehen dafür, dass Risiken wie Krankheit, Un-
    fall oder Behinderung auch in Zukunft vom Sozialstaat
    abgesichert sind. Wir stehen dafür, dass der Sozialstaat ein
    Leben im Alter in Würde und sozialer Sicherheit garan-
    tiert. Wir stehen dafür, dass unsere Gesellschaft ihr sozia-
    les Gesicht behält.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist denn eigentlich die Bundesregierung bei diesem wichtigen Thema?)


    Die Bundesregierung wird die notwendigen Struktur-
    reformen am Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen
    durchführen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist die denn? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Kanzler interessiert sich nicht für das Thema!)


    Bei der Rente werden wir das Besteuerungsurteil sozial
    und gerecht umsetzen. Auch dies ist eine Strukturreform,
    die weit in die Zukunft weist.

    Unsere Ausgangsposition ist gut. Wir haben in
    Deutschland in den letzten 50 Jahren ein hervorragen-
    des soziales Netz geschaffen. Wir müssen den Sozial-
    staat nicht neu erfinden, aber wir müssen das Haus der
    sozialen Sicherung in Deutschland dort, wo es notwen-
    dig ist, ausbauen, modernisieren und zukunftsfähig ma-
    chen.

    Wir haben mit der Rentenreform in der letzten Legis-
    laturperiode den Grundstein dafür gelegt, dass mit dem
    Aufbau der kapitalgestützten Säule neben der umlagefi-
    nanzierten Säule eine Antwort auf die demographische
    Entwicklung gegeben wird, die auch in Zukunft die Rente
    sicher machen wird.

    Wir werden mit der Gesundheitsreform im kommen-
    den Jahr eine Strukturreform auf den Weg bringen, die
    sich vorrangig mit der Ausgabenentwicklung im Gesund-
    heitswesen befasst und dafür sorgt, dass wir über Effi-
    zienz- und Effektivitätssteuerung dahin kommen, dass in
    diesem System jeder Euro zielgenau ausgegeben wird.
    Dies ist notwendig für die Menschen und für die Akzep-
    tanz.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Bundesministerin Ulla Schmidt




    Bundesministerin Ulla Schmidt

    Langfristig werden wir uns mit der Sicherung der Ein-
    nahmesituation in allen sozialen Sicherungssystemen
    auseinandersetzen müssen.


    (Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Arbeitsplätze!)


    Deshalb werde ich eine Kommission einsetzen, die die
    langfristigen Finanzierungsgrundlagen der sozialen Si-
    cherungssysteme an den vielfältigen Anforderungen des
    gesellschaftlichen, des sozialen Wandels und auch des
    Wandels in der Arbeitswelt und in den Erwerbsbiografien
    orientiert, sie aber auch daran orientiert, dass wir ein
    Europa wollen, in dem die Freizügigkeit für die Bürge-
    rinnen und Bürger in ihrem Alltagsleben gilt, insbeson-
    dere bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
    Diese Freizügigkeit soll im Alltag tatsächlich spürbar und
    erfahrbar werden. Die Kommission wird uns Vorschläge
    unterbreiten. Wir werden nach einer breiten Diskussion,
    hoffentlich auch hier im Hause, die notwendigen Konse-
    quenzen daraus ziehen.

    Wir werden das Haus der sozialen Sicherung für die
    Zukunft gut ausrüsten, indem wir Qualität und Effizienz
    in der sozialen Sicherung voranbringen. Für die Rente
    heißt das: Wer jahrelang gearbeitet und Beiträge gezahlt
    hat, hat im Alter Anspruch auf ein anständiges Auskom-
    men. Junge Beitragszahler werden nicht über Gebühr be-
    ansprucht. Wir haben dafür gesorgt – wir werden das auch
    in Zukunft tun –, dass die Lasten gerecht zwischen den
    Generationen verteilt werden, weil nur so die Rente zu-
    kunftsfähig bleiben kann. Für die Gesundheit heißt das:
    Wer krank wird, hat einen Anspruch auf das medizinisch
    Notwendige und Angemessene, unabhängig von seinem
    Geldbeutel. Auch morgen muss gelten, dass die Jungen für
    die Alten einstehen; die, die mehr verdienen, für die, die
    weniger verdienen; die Gesunden für die Kranken. Nur so
    bleibt auch die Gesundheitsversorgung zukunftsfähig.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Und die Kranken für die Todkranken!)


    Bei allen Reformen halten wir an der Solidarität fest.
    Wir werden sie stärken, in der Renten- wie in der Kran-
    kenversicherung. Aber eines ist ebenfalls klar: Solidarität
    funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Wir wollen, dass
    möglichst viele Menschen erwerbstätig sind und ihren Le-
    bensunterhalt selbst bestreiten. Wir wollen, dass aus Men-
    schen, die heute arbeitslos sind, morgen wieder Steuer-
    und Beitragszahler werden.


    (Zuruf von der FDP: Ihr hattet vier Jahre Zeit!)

    Das ist das Ziel unserer Arbeitsmarktreform und das ist
    auch die Grundlage für die Zukunft der sozialen Siche-
    rungssysteme.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Neben kurzfristig greifenden Maßnahmen bei der
    Rente und im Gesundheitswesen werden wir strukturelle
    Erneuerungen vornehmen, die die Zukunft sichern.


    (Ina Lenke [FDP]: Welche? Was denn? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hätten wir jetzt gern gehört!)


    Lassen Sie mich eines klarstellen – das wird ja wohl
    niemand bezweifeln; ich sage das noch einmal an die
    Adresse der Kollegin Hasselfeldt –: Die Riester-Rente ist
    ein Erfolg.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie ist ein Erfolg, weil wir mit der Riester-Rente etwas ge-
    schafft haben, wozu Sie 16 Jahre lang nicht in der Lage
    waren, nämlich den Menschen die Möglichkeit zu eröff-
    nen, sich neben der umlagefinanzierten Rente eine kapi-
    talgestützte Säule der Altersversorgung aufzubauen.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warum ist er denn dann nicht hier? Einen erfolgreichen Minister setzt man doch nicht ab! Wo ist er denn?)


    Die jungen Menschen von heute sollen wissen, dass sie
    dann, wenn sie in Rente gehen, eine ihren Lebensstandard
    sichernde Altersversorgung haben und ein ausreichend
    hohes Einkommen erhalten werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das glaubt Ihnen kein Mensch!)


    Wir haben mit diesen beiden Säulen einen Weg eröff-
    net, der es möglich macht, dass diejenigen, die Hilfe nötig
    haben, sie durch staatliche Unterstützung bekommen. Wir
    werden am Ende dieses Jahres Bilanz ziehen müssen.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das wird eine schreckliche und traurige Bilanz werden!)


    Denn es gibt viele Tarifverträge, in denen die Riester-
    Rente abgesichert worden ist. Viele Menschen werden
    sich noch im Dezember dazu entscheiden, für sich die ka-
    pitalgestützte Säule aufzubauen.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei Ihnen ist das Prinzip Hoffnung und dann passiert nichts!)


    Es bringt überhaupt nichts, wenn man Erfolge kaputt-
    redet. Wir werden die Entwicklung am Ende dieses Jah-
    res und auch darüber hinaus weiter beobachten müssen.
    Wir wollen die zweite, die kapitalgestützte Säule als tra-
    gendes Element der Alterssicherung der Zukunft auf-
    bauen. Wir werden die notwendigen Begleitmaßnahmen
    auf den Weg bringen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir stehen dafür, dass die über 50-Jährigen nicht zum
    alten Eisen gehören werden. Wir brauchen ihre Kompe-
    tenz und Fähigkeiten dringender denn je. Ich finde es be-
    klagenswert, dass viele Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen
    in dieser Frage viel zu kurzfristig denken. Wir sind uns
    in diesem Hause alle darüber einig, dass wir alles dafür
    tun müssen, dass das faktische Renteneintrittsalter mit
    dem gesetzlichen Renteneintrittsalter übereinstimmt. Wir
    müssen dafür sorgen, dass diejenigen, die 50, 55 oder
    58 Jahre alt sind, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter
    erwerbsfähig sein können und Arbeitsplätze finden.


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Einverstanden!)



    (A)



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    (C)



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    310


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Deswegen appelliere ich von dieser Stelle aus an diejeni-
    gen aus dem Unternehmerlager, die immer wieder danach
    rufen, dass wir eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit
    brauchen, endlich dafür zu sorgen, dass die Frauen und
    Männer, die bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig sein
    wollen, dies auch sein können. Das muss zunächst ange-
    gangen werden, bevor man sich weitergehenden Forde-
    rungen zuwendet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe dieses Jahr schon einen 51-Jährigen eingestellt!)


    Darüber sind wir uns einig. Wir sehen ja in diesem Hause:
    Mit 50 gehört niemand zum alten Eisen. Wenn hier gelten
    würde, was in der Wirtschaft gilt, wäre ein Großteil von
    uns überhaupt nicht mehr hier.


    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb, meine Damen und Herren, wird mein Kollege

    Clement bei der Arbeitsmarktreform meine Unterstützung

    (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er ist gar nicht da! Wo ist er denn?)

    und die Unterstützung des Hauses haben. Es muss unsere
    gemeinsame Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass Men-
    schen in Arbeit kommen und so zu Beitragszahlern und
    Beitragszahlerinnen werden.

    In der Gesundheitspolitik fördern wir die Eigenver-
    antwortung der Menschen. Wir definieren Eigenverant-
    wortung aber etwas anders, als es manchmal von der rech-
    ten Seite dieses Hause zu hören ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Eigenverantwortung bedeutet für uns nicht, dass die Men-
    schen immer mehr Geld privat auf den Tisch legen müs-
    sen. Eigenverantwortung bedeutet für uns, die Kompe-
    tenz der Menschen, für ihre eigene Gesundheit sorgen zu
    können, zu stärken sowie Anreize für Prävention und für
    Vorsorge zu setzen. Den Menschen muss bewusst sein: Je-
    der hat nur dieses eine Leben. Wer fit ins Alter gehen will,
    der muss früh anfangen, vorzusorgen und Verantwortung
    für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Das ist Eigen-
    verantwortung im besten Sinne des Wortes.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben hierzu mit der Stärkung der Patientenrechte,
    den strukturierten Behandlungsprogrammen für chro-
    nisch Kranke und dem Ausbau von Prävention und Ge-
    sundheitsförderung die Voraussetzungen geschaffen. Die-
    sen Weg werden wir in den nächsten vier Jahren fortsetzen
    und wir werden die Möglichkeiten ausbauen.

    Selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
    sind weitere strukturelle Veränderungen im Gesund-
    heitswesen nötig. Die Leistungsseite muss dabei in den
    Mittelpunkt rücken. Qualität und Wirtschaftlichkeit, Steu-
    erungseffizienz und Transparenz, solidarischer Wettbe-
    werb um die besseren Behandlungskonzepte, das sind die
    Ziele, um die es gehen muss.

    Jeder muss auch in Zukunft die Behandlung bekom-
    men, die medizinisch angemessen und notwendig ist. Wir

    werden aber genau prüfen müssen, was wir uns im Inte-
    resse der Patientinnen und Patienten leisten müssen und
    was wir uns nicht leisten sollten.


    (Ina Lenke [FDP]: Was denn? Sagen Sie es uns!)


    Das wird die Aufgabe sein. Ich bin entschieden dafür,
    dass die Krankenkassen nur noch die Leistungen bezah-
    len, die wirklich, wissenschaftlich nachgewiesen, nut-
    zen,


    (Ina Lenke [FDP]: Welche?)

    um eine Krankheit zu erkennen und zu bekämpfen oder
    Schmerzen zu lindern.

    Ich bin entschieden dafür, dass die Krankenkassen die
    Qualität der erbrachten Leistungen zur Voraussetzung für
    Verträge machen und nicht Gewohnheitsrecht. Ich sage
    hier ganz klar: Ich akzeptiere, dass hochwertige medizi-
    nische Leistungen ihren Preis haben. Leistungen müssen
    ihren Preis aber auch wert sein. In unserem Gesundheits-
    wesen muss durchgängig auf qualitätsgesicherter Basis
    und effizient gearbeitet werden.


    (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wenn das bei der Regierung nur auch so wäre!)


    Leistungen müssen aufeinander abgestimmt werden.
    Doppel- und Parallelbehandlungen müssen vermieden
    werden. Nur so können wir auch in Zukunft Gesundheit
    für alle bezahlen. Nur so kann jeder eine hoch stehende
    medizinische Versorgung erhalten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Letztlich geht es bei unserer Gesundheitsreform um
    die Lebensqualität der Menschen, um den Verbraucher-
    schutz und um das Kostenbewusstsein. Die konse-
    quente Prüfung des Nutzens von Therapien, Technolo-
    gien und Arzneimitteln, die Fortbildungsverpflichtung
    für Ärztinnen und Ärzte und die Behandlungsleitlinien
    für die großen chronischen Volkskrankheiten werden
    dynamische Qualitätsstandards setzen, die Lebens-
    qualität der Menschen erhöhen und gleichzeitig die
    Kosten senken.

    Wir werden den Rahmen für eine Wettbewerbsordnung
    um die beste Versorgungsqualität schaffen, die alle im Ge-
    sundheitswesen Tätigen anspornt, qualitätsgesichert und
    effizient zu arbeiten. Mit der Möglichkeit, Informatio-
    nen über die Qualität zu erhalten, werden wir dafür sor-
    gen, dass der Qualitätswettbewerb angeregt und intensi-
    viert wird. Damit ermöglichen wir es den Patienten und
    Patientinnen, mit ihren Füßen abzustimmen; sie wissen
    nämlich, wo sie Qualität erhalten.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sie laufen Ihrer Politik davon!)


    Der Ausbau der integrierten Versorgung, die Stärkung
    der Hausärzte als Lotsen, die verbesserte Abstimmung
    zwischen Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern und
    Gesundheitszentren und die flächendeckende Einführung
    der elektronischen Gesundheitskarte – all dies wird den

    Bundesministerin Ulla Schmidt




    Bundesministerin Ulla Schmidt
    Patienten nutzen, die Kosten senken und die Beiträge sta-
    bil halten.


    (Einige Abgeordnete der SPD-Fraktion betreten den Plenarsaal – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die wollen alle Seehofer hören!)


    Wir werden diese Strukturreformen angehen und durch
    ein Vorschaltgesetz kurzfristig erste Schritte unterneh-
    men, damit wir Luft schaffen, um diese Reformen umzu-
    setzen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir wollen etwas Anständiges hören! – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Sie nehmen erst 1 Milliarde heraus, um dann Luft hineinzustecken!)


    Dieses Vorschaltgesetz wird von allen Leistungserbrin-
    gern einen Beitrag zum Sparen einfordern. Es wird aber
    kein Gesetz sein, durch das notwendige Behandlungen
    und Strukturmaßnahmen blockiert werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es wird zum ersten Mal ein Vorschaltgesetz erlassen – das
    steht im Gegensatz zu den Vorhaben während Ihrer Re-
    gierungszeit –, durch das Sparpotenziale erschlossen wer-
    den, ohne medizinisch notwendige Leistungen für die
    Versicherten zu kürzen oder sie über Zuzahlungen zur Fi-
    nanzierung dieser Sparbeiträge heranzuziehen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das warten wir einmal ab!)


    Meine Damen und Herren, den Weg, den wir in der
    Behindertenpolitik eingeschlagen haben, werden wir
    weitergehen. Wir sind nämlich der Meinung, dass es allen
    Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden muss,
    an allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens
    gleichberechtigt und selbstbestimmt teilzuhaben. Dies
    wird mit dem SGB IX, dem Sozialgesetzbuch – Neuntes
    Buch –, gesetzlich geregelt.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Es ist unredlich, erst Geld aus dem System herauszunehmen und dann den Leuten mehr Geld zu versprechen!)


    Es wird darauf ankommen, dafür zu sorgen, dass das, was
    wir gesetzlich geregelt haben, im Alltag auch überall um-
    gesetzt wird. Das wird auch in der Behindertenpolitik die
    Hauptaufgabe sein.

    Wir werden eine Sozialhilfereform auf den Weg brin-
    gen, durch die das Konzept von „Fördern und Fordern“
    auch in der Sozialhilfe umgesetzt wird und durch die den
    Menschen die Möglichkeit gegeben wird, ihr Leben
    selbstbestimmt zu gestalten. Damit geben wir ihnen die
    Chance, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

    Wir haben in den kommenden vier Jahren viel vor.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr! In den letzten vier Jahren haben Sie nichts erreicht!)


    Ich hoffe, dass wir – jenseits von aller Wahlkampfrheto-
    rik – in diesem Hause über die für Deutschland sehr wich-
    tigen Fragen der sozialen Sicherung und der sozialen Ge-

    staltung unseres Gemeinwesens gemeinsam beraten und
    zu gemeinsamen Beschlüssen kommen werden.

    Vielen Dank. Ich glaube, gemeinsam schaffen wir das.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Viele, die jetzt klatschen, waren beim Großteil der Rede gar nicht da!)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Horst Seehofer,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Seehofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! Zu allererst ist es bemerkenswert, dass ein größerer
    Teil der SPD-Bundestagsfraktion den Saal wieder betre-
    ten hat, nachdem sich abzeichnete, dass Frau Schmidt mit
    ihrer Rede zum Ende kommt.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Oh!)


    Der zweite Punkt. Es ist ärgerlich: Die deutsche Sozi-
    alversicherung befindet sich in der größten Krise seit
    ihrem Bestehen und Frau Schmidt speist das deutsche
    Parlament mit nichts sagenden Allgemeinplätzen ab.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir werden es in den nächsten Tagen erleben: In Wahr-

    heit plant sie drastische, schamlose Eingriffe in das deutsche
    Sozialsystem.


    (Erika Lotz [SPD]: Und das sagt Seehofer! – Peter Dreßen [SPD]: Sie sind ein guter Lehrmeister!)


    Drastisch und dreist, weil ich vor gut einem Monat noch
    ganz andere Töne von Frau Schmidt gehört habe. Ich habe
    mit ihr etliche Fernsehdiskussionen bestritten. Ich habe
    auf die wahre dramatische Lage der deutschen Sozialver-
    sicherung hingewiesen. Frau Schmidt hat auch in der Öf-
    fentlichkeit immer geantwortet: Das alles ist Panikmache.
    Die Krankenversicherung wird Ende des Jahres einen
    ausgeglichenen Haushalt haben.

    Jetzt sind vier Wochen vergangen. Die deutsche Kran-
    kenversicherung schwebt in akuter Lebensgefahr. Nun
    kann es nicht schnell genug gehen. In der nächsten Woche
    soll ein Gesetz eingebracht werden, das noch im Novem-
    ber verabschiedet werden soll. Das ist bei einem so erns-
    ten Thema ein schamloses Verfahren gegenüber dem
    deutschen Parlament. Bevor der Gesetzentwurf überhaupt
    eingebracht ist, bittet man uns, Sachverständige für eine
    Anhörung zu benennen, obwohl wir gar nicht wissen, was
    in dem Gesetzentwurf steht. Das ist ein reines Tollhaus.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Es ist dreist, Frau Schmidt, dass Sie noch vor gut vier
    Wochen gesagt haben: Die Finanzen der Krankenver-
    sicherung sind ausgeglichen. Jetzt müssen Sie Milliar-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    312


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    dendefizite einräumen. Lügen haben kurze Beine. Sie
    wussten um die Situation der deutschen Krankenversi-
    cherung. Sie haben die deutsche Öffentlichkeit wider bes-
    seres Wissen angelogen. Sie haben sich moralisch dis-
    qualifiziert. Sie haben den Menschen vor der Wahl die
    Unwahrheit gesagt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das müssen gerade Sie sagen!)


    Deshalb, Frau Schmidt, glauben wir Ihnen kein Wort
    mehr. Keine Prognose von Ihnen trifft zu. Ihre Auffassun-
    gen zu den Dingen drehen sich schneller als ein Ventila-
    tor. Es ist schamlos, was Sie jetzt vorhaben. Man muss
    sich einmal vergegenwärtigen, worauf die Probleme des
    deutschen Gesundheitswesens zurückzuführen sind.


    (Zuruf von der SPD: Dass Sie 16 Jahre an der Regierung waren!)


    Es ist nicht das Unvermögen der Bevölkerung, wie uns der
    Kanzler einreden wollte, die nicht leistungsbereit sei und
    zu wenig für unser Land tue. Es ist nicht das Unvermögen
    der Beteiligten des Gesundheitswesens. Die aktuellen Pro-
    bleme des deutschen Gesundheitswesens sind alleine auf
    das Unvermögen dieser Bundesregierung zurückzuführen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Spitzenverbände der deutschen Krankenversiche-

    rungen haben vor wenigen Tagen erklärt: Die in der Ver-
    gangenheit praktizierte Schwächung der Finanzen der
    GKV zur Entlastung anderer Sozialversicherungszweige
    bzw. der öffentlichen Haushalte – das sind die berühmten
    Verschiebebahnhöfe, mit denen sich die Bundesregierung
    zulasten der deutschen Krankenversicherung entlastet –


    (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein völlig unbekanntes Verfahren für die CDU/CSU!)


    schwächt die gesetzlichen Krankenkassen in den Jahren
    2002 und 2003 bereits mit 4,5 Milliarden Euro. So die
    deutschen Krankenkassen.


    (Klaus Kirschner [SPD]: Das kennen sie von Ihnen!)


    Die deutschen Krankenkassen haben festgehalten: Ohne
    diese Belastung hätten die Beitragssätze in der Kranken-
    versicherung stabilisiert werden können.

    Jetzt aber folgt die Kontinuität im Irrtum. Mit diesen
    Verschiebebahnhöfen geht es nämlich weiter. Das meiste,
    was Herr Clement hier gestern vorgestellt hat,


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist er denn eigentlich?)


    ist ein Verschiebebahnhof zulasten der Kranken- und Ren-
    tenversicherung. Die Einnahmeschwächung, die Frau
    Schmidt beklagt hat, ist zuallererst darauf zurück-
    zuführen, dass diese Regierung die Beiträge für die
    Arbeitslosenhilfebezieher an die Krankenversicherung
    drastisch gesenkt hat. Das hat nicht nur dazu geführt, dass
    diese Menschen später eine niedrigere Rente haben wer-
    den, insbesondere in den neuen Bundesländern, sondern
    auch dazu, dass die Einnahmen der Krankenversicherun-
    gen drastisch vermindert wurden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Auf diesem fehlerhaften Weg wird fortgefahren. Der
    neue Verschiebebahnhof nach den neuen politischen
    Maßnahmen wird die Krankenversicherung erneut mit
    weit über 1 Milliarde Euro belasten.

    Ich halte fest: Erste politische Ursache für die akute
    Finanznot der gesetzlichen Krankenversicherung sind die
    politischen Fehler, die Rot-Grün in den letzten Jahren und
    in der Gegenwart gemacht hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Hinzu kommt, dass allein zwei Leistungsbereiche

    durch politisches Unvermögen in den Sand gesetzt wor-
    den sind. Den einen Fehler haben Sie persönlich zu
    verantworten, Frau Schmidt. Sie haben die Arzneimittel-
    budgets aufgehoben, ohne gleichzeitig eine Struktur-
    reform im Gesundheitswesen durchzuführen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Das hatte zur Folge, dass die Arzneimittelausgaben in Ih-
    rer Regierungsverantwortung um 30 Prozent oder um
    annähernd 9 Milliarden DM gestiegen sind.


    (Peter Dreßen [SPD]: Bei Ihnen auch!)

    Sicherlich wird niemand behaupten, dass der Bedarf an
    medizinischer Versorgung in diesem Sektor in demselben
    Umfang gestiegen ist.

    Sie haben den weiteren Fehler begangen, die von uns
    eingeführte Selbstbeteiligung so zu ändern, dass in der
    gesetzlichen Krankenversicherung derjenige der Dumme
    ist, der sich nicht die größte Packung verordnen lässt. Für
    eine kleine Packung mit 25 Pillen sind vier Euro Zuzah-
    lung zu leisten, für eine große Packung mit 100 Pillen fünf
    Euro – in unserer Regierungsverantwortung war die
    Spreizung wesentlich größer –; das hat zur Folge, dass
    verständlicherweise niemand mehr bereit ist, bei nur ei-
    nem Euro Unterschied auf die 75 Pillen in der größeren
    Packung zu verzichten. Das war ein verheerender politi-
    scher Fehler, der zu der Explosion der Arzneimittelausga-
    ben geführt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – GötzPeter Lohmann [Neubrandenburg] [SPD]: Die Pillen hat er geschluckt!)


    Die Verwaltungskosten innerhalb der gesetzlichen
    Krankenversicherung sind in Ihrer Regierungsverantwor-
    tung um 15 Prozent oder annähernd 2 Milliarden gestie-
    gen, und zwar nicht, weil die Krankenkassen unwirt-
    schaftlich arbeiten, sondern weil Sie durch Paragraphen,
    Reglementierung, Gesetze und planwirtschaftliche Maß-
    nahmen die Bürokratie in den Krankenkassen verstärkt
    haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Beides zusammengenommen – die politisch indizierte
    Arzneimittelexplosion plus der explosionsartige Anstieg der
    Bürokratie und der Verwaltungskosten – belastet die gesetz-
    liche Krankenversicherung gegenwärtig mit 10 Milliarden

    Horst Seehofer




    Horst Seehofer
    DM bzw. 5 Milliarden Euro. Das heißt, wenn Sie diese po-
    litischen Fehler nicht begangen hätten, würde die gesetzli-
    che Krankenversicherung trotz der schwierigen Wirt-
    schaftslage im Moment kein Defizit schreiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die akute Finanznot der gesetzlichen Krankenversiche-
    rung ist Ausdruck des Unvermögens dieser Regierung.
    Das ist die Folge Ihres Verschiebebahnhofs und politisch
    falscher Maßnahmen.

    Was ist zu tun? Es muss vor allem mit dem Irrglauben
    Schluss gemacht werden, dass soziale Gerechtigkeit,
    hohe Qualität in der medizinischen Versorgung und wirt-
    schaftliche Effizienz durch Reglementierung und staatli-
    che Bürokratie gewährleistet werden können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Die Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit durch eine
    staatlich kontrollierte Verteilungsorganisation hat sich
    endgültig als wirklichkeitsblind erwiesen.


    (Peter Dreßen [SPD]: Dann sagen Sie doch mal, was Sache ist!)


    Das Ergebnis Ihrer Politik ist, dass die Menschen in unse-
    rem Lande so hohe Krankenversicherungsbeiträge zahlen
    wie nie zuvor und gleichzeitig die Versorgungsqualität so
    schlecht geworden ist wie nie zuvor. Beitragserhöhungen
    und Leistungssenkungen sind das Ergebnis Ihrer verfehl-
    ten Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Schwachsinn! – Erika Lotz [SPD]: Sie Schwarzmaler!)


    Was ist zu tun? – Wir sagen es seit Jahren. Wir haben
    es auch im Wahlkampf gesagt und haben im Gegensatz zu
    Ihnen keinen Anlass, unsere Position nach der Wahl zu än-
    dern. Die erste und wichtigste Aufgabe ist eine andere
    Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik, um in
    Deutschland eine wirtschaftliche Dynamik auszulösen
    und mehr Arbeitsplätze zu schaffen; denn dies ist das A
    und O für die Einnahmen der Krankenversicherung. An
    dieser Stelle müssen Sie ansetzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Das Zweite, was Sie tun müssen, Frau Schmidt, ist, die
    neuen Verschiebebahnhöfe zugunsten des Ministers für
    Wirtschaft und Arbeit zu verhindern. Es wäre richtig und
    ein Ausdruck von Tapferkeit, die Fehler im eigenen Laden
    zu vermeiden, statt die Öffentlichkeit zu beschimpfen,
    dass sie sich angeblich falsch verhalte.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    In der Strukturreform haben Sie den großen Fehler ge-
    macht, unsere Gesundheitsreform zurückzunehmen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Welche Reform?)

    Wenn Sie die Gesundheitsreform des Jahres 1997 nach
    der Bundestagswahl nicht aufgehoben hätten, dann hät-
    ten Sie gegenwärtig weder die Finanzierungs- noch die

    Qualitätsprobleme in der gesetzlichen Krankenversiche-
    rung.


    (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Wenn die Kranken das bezahlen, Herr Seehofer!)


    Das war ein kolossaler politischer Fehler. Hinzu kommen
    noch Ihre eigenen Fehler in den vergangenen vier Jahren.

    Bei einer Strukturreform müssen Sie von den planwirt-
    schaftlichen Elementen Abschied nehmen und im Kern
    drei oder vier Punkte realisieren, die zu mehr Qualität und
    zu einer höheren wirtschaftlichen Effizienz führen als Ihre
    Ansätze der Bürokratie und Reglementierung. An erster
    Stelle muss gerade mittel- und langfristig
    stehen, das deutsche Gesundheitswesen aus dem Repara-
    turbetrieb herauszuholen und in der Bundesrepublik
    Deutschland mehr Prävention durch finanzielle Anreize
    zu realisieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Karsten Schönfeld [SPD]: Es ist unglaublich, was Sie da erzählen!)


    Zweitens. Das deutsche Gesundheitswesen muss aus
    der Dunkelkammer heraus. Bisher weiß niemand der Be-
    teiligten, was dort stattfindet. Es ist höchste Zeit, dass die
    Versicherten eine Rechnung bekommen, aus der sich er-
    gibt, was geleistet und wie abgerechnet worden ist. Es ist
    höchste Zeit, dass die Ärzte eine Gebührenordnung be-
    kommen, anhand derer sie zum Zeitpunkt der Leistungs-
    erbringung wissen, was sie für ihre Leistungen erhalten.


    (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU] – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen!)


    Es ist schlimm, dass die Ärzte der einzige Berufsstand
    sind, der zum Zeitpunkt der Dienstleistung nicht weiß,
    was er für seine Leistung erhält.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Drittens. Besinnen Sie sich endlich auf ein tragendes
    Element der sozialen Marktwirtschaft, nämlich auf den
    Wettbewerb. Dezentralisieren Sie das deutsche Gesund-
    heitswesen. Geben Sie den Ärzten, den Krankenhäusern,
    den Apothekern und den anderen vor Ort Tätigen durch
    Wettbewerb und freie Vertragsgestaltung – nicht durch
    staatliche Bevormundung – die Chance, die bestmögliche
    Versorgung der Patienten vor Ort sicherzustellen. Ent-
    scheiden Sie nicht alles zentralistisch, einheitlich und hin-
    ter verschlossenen Türen in Berlin.


    (Peter Dreßen [SPD]: Sie glauben selber nicht, was Sie da erzählen!)


    Geben Sie den Beteiligten im Gesundheitswesen viel-
    mehr die Gestaltungsmacht, in einen Wettbewerb um die
    bestmögliche Versorgung der kranken Menschen einzu-
    treten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Viertens. Diejenigen, die die Krankenversicherung mit

    ihren Beiträgen finanzieren, also die Beitragszahler, ha-
    ben bisher so gut wie kein Mitspracherecht, wenn es um
    die Gestaltung der Krankenversicherung geht. Deshalb


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    314


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    halten wir es für ein wichtiges Gestaltungselement, die
    deutsche Sozialversicherung ein Stück weit zu demokra-
    tisieren, also auch denjenigen, die Beiträge zahlen, ein
    Mitspracherecht zu geben.


    (Zuruf von der SPD: Das fällt Ihnen aber früh ein! – Peter Dreßen [SPD]: Warum ist Ihnen das nicht vor fünf oder sechs Jahren eingefallen?)


    Den Gedanken des Gemeinsinns mit dem der Freiheit und
    den Gedanken der Eigenverantwortung mit dem der
    freien Entscheidungsmöglichkeit des Bürgers zu verbin-
    den sind Elemente eines freiheitlichen Gesundheitswe-
    sens. Räumen Sie den Versicherten endlich ein Mitgestal-
    tungsrecht bei den Versicherungskonditionen und beim
    Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung
    durch Wahlmöglichkeiten ein! Das heißt, wer sich selbst
    finanziell stärker an den Leistungen beteiligt, der hat ei-
    nen geringeren Beitragssatz.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Lassen wir das die Menschen und nicht die Bürokraten
    entscheiden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Führen Sie endlich Mitentscheidungsmöglichkeiten

    von chronisch kranken Menschen in der gesetzlichen
    Krankenversicherung ein. Machen wir Schluss damit, dass
    Funktionäre über die Köpfe der chronisch kranken Men-
    schen hinweg entscheiden. Beziehen wir die chronisch
    kranken Menschen und ihre Selbsthilfegruppen vielmehr
    in die Politikberatung und in die Entscheidungen der ge-
    setzlichen Krankenkassen mit ein. Das wäre die richtige
    Antwort in der deutschen Gesundheitspolitik.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP!)


    Sie fallen in die Zeiten der Reglementierung zurück.
    Sie verordnen Nullrunden und wollen den Menschen
    weismachen, dass damit keine Qualitätseinbußen in der
    Gesundheitsversorgung verbunden seien. Nullrunden für
    die deutschen Krankenhäuser bedeuten aber in Wahrheit,
    dass die Krankenhäuser im nächsten Jahr nur noch zwei
    Möglichkeiten haben: Entweder entlassen sie Personal
    oder sie schränken Leistungen ein. Die meisten Kranken-
    häuser werden beides tun müssen. Frau Schmidt, Sie tra-
    gen die Verantwortung dafür, dass in Deutschland noch
    nie so viel Zweiklassenmedizin realisiert wurde wie der-
    zeit. Diese Entwicklung wird sich auch noch fortsetzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Sie sollten bei der Wahrheit bleiben!)


    Dann gibt es noch einen Scherbenhaufen, den Rot-Grün
    angerichtet hat. Das ist die Rentenreform. Ich habe einmal
    herausgesucht, was bei der Verabschiedung dieser angebli-
    chen Jahrhundertreform vor einem Jahr von diesem Red-
    nerpult aus gesagt worden ist. Walter Riester sagte damals:

    Wir werden sicherstellen, dass in einem Zeitraum
    von zehn Jahren der Rentenversicherungsbeitrag
    nicht über 19 Prozent und in einem Zeitraum von
    20 Jahren nicht über 20 Prozent steigen wird.

    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leere Verspre chungen!)


    Ein Kollege aus meiner Fraktion hat damals dazwi-
    schengerufen: „Daran werden wir Sie erinnern!“


    (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immer wieder!)

    Das tun wir heute.

    Ich habe schon vor einigen Monaten gesagt – ich wie-
    derhole es, auch wenn Herr Müntefering nicht hier ist –:
    Der Rentenversicherungsbeitrag von 19,1 Prozent ist
    nicht zu halten, obwohl die Menschen jetzt ab 1. Januar
    mehr als 15 Milliarden Euro Ökosteuer an der Tankstelle
    sozusagen als Rentenbeitrag zahlen.


    (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Bei Ihnen wäre es noch höher!)


    Wenn Sie ehrlich mit dem Thema umgehen,

    (Karsten Schönfeld [SPD]: Was Sie nie gemacht haben! – Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    müssen Sie die Beiträge von 19,1 Prozent auf minde-
    stens 19,8 Prozent erhöhen. Weil ich zum Optimismus
    aufgefordert worden bin, habe ich zugunsten der Regie-
    rung sogar noch optimistisch gerechnet, nämlich nur mit
    einer Steigerung von 19,1 Prozent auf 19,5 Prozent. Frau
    Schmidt, mindestens werden es aber 19,8 Prozent sein.

    Sie gehen jetzt auf 19,3 Prozent und versuchen die Dif-
    ferenz durch einen schamlosen Griff in die Rentenreser-
    ven auszugleichen. Das wird dazu führen, dass im nächs-
    ten Herbst, also im Herbst 2003, zum ersten Mal in der
    Geschichte der deutschen Rentenversicherung die Rente
    auf Pump finanziert werden muss. Das zerstört das Ver-
    trauen in die Rentenversicherung und ist des deutschen
    Sozialstaats unwürdig.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Außerdem erhöhen Sie die Beitragsbemessungs-

    grenze. Diese beiden systemwidrigen Eingriffe werden
    aber nicht ausreichen, um die Einnahmendifferenz bei
    dem von Ihnen angepeilten Rentenversicherungsbeitrag
    von 19,3 Prozent und dem tatsächlich notwendigen von
    19,8 Prozent auszugleichen.

    Deshalb prognostiziere ich heute wieder:

    (Zuruf von der SPD: Kassandra!)


    Entweder korrigieren Sie das schon jetzt, also noch bevor
    Sie den Gesetzentwurf einbringen, und gehen auf einen
    höheren Satz als 19,5 Prozent – das wäre nichts Neues;
    jeder zurzeit handelnde Minister dieser Regierung hat
    sich seit der Vereidigung in diesem Haus, also seit gut ei-
    ner Woche, in seiner Meinung, die öffentlich gemacht
    wird, mindestens einmal korrigiert –


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    oder Sie machen es später, aber Sie werden es – das ist
    bombensicher – machen müssen, und dies bei der Aus-
    sage: Wir garantieren der deutschen Öffentlichkeit, dass
    der Rentenversicherungsbeitrag über zehn Jahre hinweg
    nicht über 19 Prozent steigen wird.

    Herr Riester sagte dann noch:
    Deswegen ist diese Reform

    Horst Seehofer




    Horst Seehofer
    – gemeint ist die, die vor Jahresfrist verabschiedet wurde –

    die größte Sozialreform, die in der Nachkriegszeit
    gemacht worden ist.

    (Erika Lotz [SPD]: Das ist auch so! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Verfallsdatum: ein Jahr!)


    Man glaubt es nicht, wenn man hört, dass die größte
    Nachkriegsreform aller Zeiten, die am 1. Januar mit der
    Riester-Rente in Kraft getreten ist – nicht irgendwann,
    sondern am 1. Januar dieses Jahres –, im Oktober völlig
    aufgehoben wird, und zwar dadurch, dass der Bundes-
    kanzler erklärt: Jetzt werden wir eine Kommission einset-
    zen, die eine echte Rentenreform macht.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dass eine Jahrhundertreform nach zehn Monaten am
    Ende ist, ist eine Welturaufführung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage ganz freimütig: Wir haben auch nicht immer

    Reformen gemacht, die ein Jahrhundert gehalten haben,
    aber sie haben wenigstens einige Jahre gehalten. Eine Re-
    form, die als Jahrhundertreform gepriesen worden ist, hält
    nur Monate. Was sollen sich eigentlich all die Kommen-
    tatoren denken, die diese Reform gepriesen haben, weil
    sie der Propaganda des Ministers geglaubt haben? Was
    sollen die 2 Millionen Menschen denken, die einen Ver-
    trag zur Riester-Rente abgeschlossen haben und jetzt fest-
    stellen, dass sich alle Rahmenbedingungen ändern wer-
    den?


    (Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch nicht wahr! Erzählen Sie keinen Blödsinn! Das ist doch dummes Zeug!)


    Es ist ein Treppenwitz der Sozialgeschichte: Nach zehn
    Monaten ist eine große Reform am Ende und es wird eine
    Kommission eingesetzt, um die nächste Reform vorzube-
    reiten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Das ist verantwortungslos!)


    Das deutsche Sozialversicherungssystem war in Eu-
    ropa über viele Jahrzehnte Modellfall. Es war ein Vorzei-
    gemodell.


    (Karsten Schönfeld [SPD]: Und Sie haben es zugrunde gerichtet!)


    Es hat vieles überstanden und bewältigt, Millionen Ver-
    triebene und Flüchtlinge mit guten Renten- und Gesund-
    heitsleistungen sozial integriert, viele wirtschaftliche Re-
    zessionen überdauert und die deutsche Einheit sozial
    gestaltet. Es war eines der schönsten Ereignisse: die in-
    nere Einheit im sozialen Bereich mit den Renten und der
    schnellen Übertragung des Gesundheitswesens, das opti-
    mal funktioniert hat.


    (Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Aber alles auf Pump!)


    Das alles hat das gute deutsche Sozialsystem bewältigt.
    Vier Jahre Rot-Grün haben genügt, um dieses Sozialsys-

    tem zum Kollaps zu bringen. Das ist das Ergebnis Ihrer
    Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Schmidt, für Ihre Planwirtschaft bestand und be-

    steht keine Zukunft. Sie müssen einen grundlegenden
    Richtungswechsel in Ihrer Politik herbeiführen: mehr Ei-
    genverantwortung, mehr Flexibilität und freiheitliche
    Muster. Dadurch werden mehr Qualität und Versorgungs-
    sicherheit gewährleistet als durch Ihre Bürokratie und Re-
    glementierung. Wenn Sie das nicht tun, werden Sie in der
    deutschen Sozialgeschichte nicht als Superministerin in
    Erinnerung bleiben, sondern Sie werden als die Ministe-
    rin in die deutsche Sozialgeschichte eingehen, die dieses
    Sozialsystem auf dem direkten Weg in den Supergau ge-
    führt hat.

    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)