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ID1500504700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joachim Poß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die bis-

    herige Debatte hat gezeigt, dass SPD und Grüne mit der
    Koalitionsvereinbarung als einzige der politischen Wett-
    bewerber ein konkretes, an den wirtschaftlichen, sozialen


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    222


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    und finanziellen Realitäten orientiertes und langfristig an-
    gelegtes Politikkonzept vorlegen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das glaubt er selbst nicht!)


    Bei aller Berechtigung mancher Einwände – der letzte
    Hinweis des Kollegen Rexrodt, dass der gesellschaftliche
    und demographische Wandel ein ganz wichtiges Thema
    ist, war ja nicht unberechtigt –: Von Ihnen – egal, ob von
    FDP oder CDU/CSU – ist kein vergleichbares Konkur-
    renzangebot gekommen. Das heißt, bei allen vermeintli-
    chen Schwächen, die unsere Koalitionsvereinbarung an
    dieser oder jener Stelle haben soll: Sie sind für den politi-
    schen Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland
    nach wie vor geistig nicht gerüstet. Das ist die zutreffende
    Beschreibung Ihrer Situation.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Problem Ihrer Wahrnehmung!)


    Frau Merkel hat vom Reich gesprochen und sich an Bi-
    belzitaten versucht. Sie, ob Herr Austermann, Frau
    Merkel oder Herr Merz heute Morgen, bewegen sich nach
    wie vor in einer virtuellen Welt. Das Reich der CDU/CSU
    – das der FDP sowieso – ist wahrlich nicht von dieser
    Welt;


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    denn Sie ignorieren die konkrete ökonomische, finan-
    zielle und soziale Realität, die vorzufinden ist. Wir be-
    finden uns in der Situation, dass wir noch eine lange Zeit
    in einem Land leben werden, in dem wir die Folgen der
    Teilung auf all den Gebieten, die ich genannt habe, über-
    winden müssen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Was Sie versäumt haben!)


    Das wird auch von vielen so genannten Sachverständi-
    gen leider oftmals ausgeblendet. Wir können uns nicht
    auf irgendeinem Reißbrett bewegen. Wir leben in einer
    konkreten Realität. Realitätstüchtig ist nur der, der kon-
    krete Vorschläge, die in die richtige Richtung gehen
    müssen, zur Veränderung dieser Realität macht. Mit un-
    serer Koalitionsvereinbarung machen wir solche Vor-
    schläge.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von der Opposition gibt es dazu nichts außer Gemecker!)


    Beschäftigen wir uns deswegen nun also ein wenig mit
    der Realität. Es ist schon erwähnt worden, dass bereits
    jetzt vorauszusehen ist, dass die nächste Steuerschätzung
    in zwei Wochen im Ergebnis besagen wird, dass alle öf-
    fentlichen Haushalte, also nicht nur der Bund, sondern
    auch die Länder und Kommunen, mit erheblich weniger
    Steuereinnahmenwerden rechnen müssen, als sie es bis-
    her getan haben.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Dank Ihrer Politik!)


    Als Folge davon wird in den meisten Bundesländern vo-
    raussichtlich die Gefahr bestehen, dass die Länderhaus-
    halte in die Verfassungswidrigkeit rutschen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    Der Bund wird voraussichtlich gezwungen sein, für die-
    ses Jahr einen Nachtragshaushalt vorzulegen und die
    Schuldenaufnahme zu erhöhen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    Nach der Steuerschätzung in zwei Wochen wird sich

    zwingend ergeben, dass weder der Bund noch die Länder
    daran vorbeikommen, für die Folgejahre Konsolidie-
    rungspakete zu schnüren. Das derzeitige Hauptproblem
    der staatlichen Haushaltspolitik ist damit nicht in erster
    Linie die Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes,
    liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielmehr geht es zual-
    lererst darum, dass zumindest eine Reihe von Ländern
    kurzfristig erst einmal die Verfassungsmäßigkeit ihrer
    Haushalte sicherstellen müssen. Das ist der Hintergrund,
    vor dem auf absehbare Zeit nicht nur der Bund, sondern
    auch die Länder und die Kommunen ihre Politik betreiben
    müssen.

    Das heißt, jeder politische Vorschlag, der in dieser Zeit
    vorgebracht wird, egal von welcher Seite, ist unter
    Berücksichtigung dieser äußerst schwierigen Haushalts-
    lage auf allen Ebenen zu bewerten. Dieser Maßstab muss
    eingehalten werden. Weder beim Bund noch bei den Län-
    dern noch bei den Kommunen gibt es derzeit offensicht-
    lich irgendwelche Spielräume für zusätzliche Ausgaben
    oder für Steuersenkungen, die über das bisher beschlos-
    sene Maß hinausgehen. Deswegen ist alles, was Sie hier
    vorgetragen haben, Schall und Rauch und hat mit der Rea-
    lität nichts zu tun. Das muss den Bürgerinnen und Bürgern
    klar sein.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – CarlLudwig Thiele [FDP]: Wer hat denn vier Jahre lang regiert und die Körperschaftsteuer in den Sand gesetzt?)


    An dieser Stelle möchte ich kurz auf die von vielen
    – nicht nur im Lager der Opposition – geäußerte Be-
    hauptung zu sprechen kommen, man müsse nur genü-
    gend öffentliche Mittel in die Hand nehmen, dann sei es
    ein Leichtes, Deutschland wieder in eine Aufschwung-
    phase zu bringen, sozusagen isoliert von der europä-
    ischen und der weltweiten Situation. Selbst wenn – ich
    bin da sehr skeptisch – durch weitere zusätzliche Steuer-
    senkungen oder auch durch spezielle Ausgabenpro-
    gramme Konsumenten und Investoren aus ihrer Zurück-
    haltung herausgeholt werden könnten: Solange Bund,
    Länder und Kommunen an der Grenze zu verfassungs-
    widrigen Haushalten stehen, können sie es sich allein aus
    rechtlichen Gründen nicht erlauben, darauf zu warten, ob
    ein solcher zusätzlicher expansiver Impuls wirklich er-
    folgreich wäre.

    Zusätzlich hohe Schulden zu machen, wie das in den
    Jahren der Kohl-Regierung üblich war, und nur auf das
    Prinzip Hoffnung zu setzen, dass dabei wirtschaftlich
    etwas Positives herauskommt, wäre ein Risiko, das

    Joachim Poß




    Joachim Poß
    verantwortliche Politik nicht eingehen darf. Wir in die-
    ser Koalition machen verantwortliche Politik.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wer – wie es Frau Merkel gestern hier getan hat – be-
    hauptet, die Altlasten der 16 Jahre Kohl-Regierung seien
    schon abgetragen und vergessen, der will nicht nur seine
    eigene Verantwortung leugnen. Er zeigt auch, dass ihm
    die Dimensionen dieser Altlasten der Regierung Kohl
    noch immer nicht bewusst sind. Liebe Frau Merkel, auch
    wenn Sie jetzt nicht in diesem Raum sind: Alle in
    Deutschland werden von Ihren Hinterlassenschaften
    – leider, muss man hinzufügen – noch viele Jahre betrof-
    fen sein.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! – Heuchler!)


    Deshalb hat der Solidarpakt II eine Laufzeit bis 2019.
    Diese zeitliche Reichweite macht die Aufgabe deutlich,
    vor der wir stehen. Wegen der historischen Vorbelastung
    und der Auswirkungen der weltweiten Wirtschafts-
    schwäche sind in Deutschland die Verschuldungsspiel-
    räume auf allen staatlichen Ebenen in diesem und zumin-
    dest auch im nächsten Jahr mittlerweile so weit
    ausgereizt, dass für Illusionen, ökonomische Träumereien
    und fromme Wünsche kein Platz mehr ist. Deswegen ha-
    ben wir darauf verzichtet, in unsere Koalitionsvereinba-
    rung Illusionen, Träumereien oder fromme Wünsche hi-
    neinzuschreiben. Unser Platz ist mitten in dieser Welt. Wir
    wollen mit den Fährnissen dieser Situation fertig werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Schöne neue Welt!)


    Wenn Herr Rexrodt den Eindruck erweckt, als seien wir
    mit unserer Situation isoliert, alles sei hausgemacht und
    habe mit der Weltwirtschaft nichts zu tun, dann lesen Sie
    einmal das Herbstgutachten. Darin ist davon die Rede, dass
    der Aktienkursverfall, die Risiken des steigenden Ölpreises
    und die internationale Krisenlage als Hauptursachen für die
    derzeitige gedrückte Stimmung anzusehen sind.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da steht was ganz anderes drin!)


    Das Finanzpaket der Koalitionsvereinbarung ist eine
    angemessene, realistische und vernünftige Reaktion auf
    diese Lage,


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


    auch wenn es die Opposition und vom Wahlausgang zu-
    tiefst enttäuschte Verbandsvertreter und Meinungsmacher
    anders darstellen. Was Herrn Austermann angeht, weiß
    ich nicht, was er morgens nach dem Aufstehen macht. Ich
    kann mir vorstellen, dass er Übungen macht, um seinen
    Ärger darüber abzureagieren, dass er keine Chance be-
    kommen hat, auf die Regierungsbank zu kommen.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ach, Herr Poß!)


    Man merkt Ihnen doch körperlich an, Herr Austermann,
    wie wenig Sie mit dieser Situation klarkommen, dass Sie
    auch in den nächsten Jahren noch auf den Oppositions-
    bänken sitzen müssen.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie sind der Letzte, der andere bzw. den Bundesfinanzmi-
    nister zeihen könnte, fahrlässig mit der Wahrheit umzu-
    gehen. Die Kollegen Diller und Wagner haben Ihnen im
    Deutschen Bundestag schon oft nachgewiesen, dass Sie
    ein gebrochenes Verhältnis zur Wahrheit haben. Dem
    brauche ich kein Beispiel hinzuzufügen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Auch wenn es die Opposition und die Verbandsvertre-
    ter also anders darstellen: Das Finanzpaket der Koalitions-
    vereinbarung ist kein willkürlich zusammengestelltes
    Sammelsurium von irgendwelchen schikanösen Geldein-
    treibungen. Wir haben uns vielmehr nach klaren Kriterien
    und Zielen gerichtet. So war es das Ziel der Überlegungen
    – Herr Eichel hat es bereits ausgeführt –, dass das Paket
    nicht nur die Haushaltslage des Bundes verbessert, son-
    dern auch die der Länder und der Kommunen. Aus diesem
    Grunde erfolgt die Schwerpunktsetzung auf den Abbau
    von Steuervergünstigungen und Steuervorteilen, von
    dem alle Ebenen profitieren.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das schwächt die Nachfrage der Bürger und Unternehmen!)


    Das stärkt die Investitionsfähigkeit von Ländern und
    Kommunen und auch darauf kommt es an, nicht nur auf
    die Investitionsfähigkeit des Bundes.

    Mit dem von uns zusammengestellten Paket würden
    die Länder bereits im Jahr 2003 zusätzliche Einnahmen in
    Höhe von etwa 2 Milliarden Euro erhalten, die sie drin-
    gend benötigen. Entsprechendes gilt für die Kommunen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Staatsquote steigt!)


    Die noch einmal gegebene Zusicherung einer schnellen
    Gemeindefinanzreform mit einer dauerhaften Stärkung
    der kommunalen Finanzkraft, die beabsichtigte Abschaf-
    fung der gewerbesteuerlichen Organschaft, die Einbezie-
    hung erwerbsfähiger Sozialhilfebezieher in ein einheitli-
    ches Leistungsrecht für Nichtbeschäftigte und ein Ertrag
    aus der Abschaffung von Steuerprivilegien und Subven-
    tionen, ansteigend auf einen Betrag von etwa 4 Milliar-
    den Euro, stellen substanzielle Verbesserungen für die
    Kommunen in Deutschland dar. Deswegen haben auch
    die kommunalen Spitzenverbände – einschließlich der
    schwarzen Vertreter in diesen Verbänden – diese Koaliti-
    onsvereinbarung begrüßt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Substanzielle Verschlechterungen für die Bürger und die Unternehmen!)


    Der Bundesrat trägt die große politische und gesell-
    schaftliche Verantwortung, als Verfassungsorgan die Zu-
    stimmung zu diesem Paket zu ermöglichen, wohl wis-
    send, vor welchem Hintergrund sich das Verfahren


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    224


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    abspielt. Das habe ich vorhin bereits eingehend geschil-
    dert.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Welches Paket denn? Das wird doch täglich geändert!)


    Des Weiteren gehen wir mit dem Paket einen großen
    Schritt weiter in Richtung einer gerechteren und gleich-
    mäßigeren Besteuerung. Haben Sie etwas dagegen, Herr
    Thiele? Durch den Abbau von Steuersubventionen, die
    stärkere Einbeziehung von privaten Veräußerungsgewin-
    nen in die Besteuerung und eine Mindestgewinnbesteue-
    rung bei großen Kapitalgesellschaften verbreitern wir die
    steuerliche Bemessungsgrundlage. Das ist eine alte For-
    derung aller im Deutschen Bundestag vertretenen Par-
    teien. Sie aber reden von Steuererhöhungen und argu-
    mentieren gegen Ihre eigenen Konzepte, die Sie hier in
    der Vergangenheit vorgelegt haben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


    Mit diesem Paket verstetigen wir die Steuereinnahmen für
    Bund, Länder und Kommunen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sie belasten die Bürger!)


    Wenn ich die Einlassungen von Repräsentanten der
    Union im Wahlkampf und auch in den vergangenen Tagen
    richtig verstanden habe, ist die Union bereit, uns hierbei
    die Hand zu reichen. Ich bin gespannt, wie das konkret
    aussieht.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ich auch!)

    Es scheint vernünftigerweise Konsens darüber zu beste-
    hen, dass auch große Unternehmen, die Gewinne aufwei-
    sen, ein Mindestmaß an Steuern zahlen und damit zur Fi-
    nanzierung des Gemeinwesens beitragen müssen.
    Genauso müsste doch im Deutschen Bundestag Konsens
    darüber bestehen, dass wir alle in der Verantwortung ste-
    hen, die Finanzierungsfähigkeit des Staates zu erhalten,
    das heißt zu gewährleisten, dass jede Ebene die ihr über-
    antworteten Aufgaben finanzieren und damit erfüllen
    kann. Sie stehen in dieser Frage in der gleichen Verant-
    wortung wie wir, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Auch vor diesem Hintergrund ist es absolut notwendig
    und sehr begrüßenswert, dass die Koalitionsvereinba-
    rung mit einer effektiven Bekämpfung des Umsatzsteu-
    erbetrugs und der besseren Durchsetzung der Steuer-
    pflicht bei Kapitaleinkommen weitere Schritte zu einem
    konsequenteren Vollzug des geltenden Steuerrechts
    aufweist. Steuerhinterziehung bedeutet im Endeffekt
    auch eine Umverteilung von den Ehrlichen zu den Un-
    ehrlichen und ist ein massiver Verstoß gegen das Ge-
    rechtigkeitsprinzip.


    (Beifall bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Stimmt!)


    Die Finanzpolitiker aller Fraktionen sollten deshalb in
    den nächsten Jahren im Kampf gegen die Steuerhinterzie-

    hung einen Schwerpunkt ihrer Arbeit sehen. Ich bin auf
    die Beiträge der FDP, Herr Thiele, und auch auf die der
    CDU/CSU gespannt. Zumindest die Teile der Koalitions-
    vereinbarung, die sich klar gegen Steuerhinterziehung
    aussprechen, müssten unmissverständlich und einhellig
    von der Opposition, den Verbänden und auch vom Bund
    der Steuerzahler begrüßt werden.


    (Zurufe von der SPD: Richtig!)

    Mit den finanzpolitischen Elementen der Koalitions-

    vereinbarung halten wir Kurs

    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist kein Kurs! Das ist doch Chaos!)

    und setzen systematisch unsere langfristig angelegte
    haushalts- und steuerpolitische Strategie fort,


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Oh Gott!)

    die wir seit der Übernahme der Regierungsverantwortung
    vor vier Jahren begonnen haben. Wir bleiben konsequent
    bei der Haushaltskonsolidierung, auch wenn wir in den
    nächsten Jahren – das ist der konjunkturellen Situation ge-
    schuldet – die Neuverschuldung leicht modifizieren. Wir
    bleiben konsequent, indem wir zukunftsrelevante Berei-
    che wie etwa die Familienförderung, Forschung und Bil-
    dung sowie die Infrastruktur stärken. Es ist ökonomisch
    vernünftig,


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nein!)

    wenn wir die Investitionen verstärken und die Neuver-
    schuldung ein wenig anpassen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ein wenig anpassen!)


    In der Steuerpolitik kombinieren wir seit 1998 das
    Schließen von Schlupflöchern und die Beseitigung von
    Ausnahmetatbeständen mit einer langfristig angelegten
    Senkung der Steuersätze insbesondere für Arbeitnehme-
    rinnen und Arbeitnehmer sowie für Familien, aber auch
    für Unternehmen. Sie reden doch nur vom Spitzensteuer-
    satz. Von unserer Steuerpolitik haben Millionen Familien,
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Mittel-
    stand profitiert, und zwar real.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir setzen diese Linie fort. Es bleibt bei den Steuer-
    entlastungsstufen 2004 und 2005.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wer es glaubt!)


    Vor diesem Hintergrund ist es schlichtweg Unsinn, uns
    eine Steuererhöhungsstrategie bzw. eine Steuerehöhungs-
    politik zu unterstellen. Die Steuerentlastungsstufen 2004
    und 2005 werden kommen.

    Jede Maßnahme zur Stabilisierung der staatlichen Ein-
    nahmebasis gleich als Steuererhöhung zu brandmarken ist
    keine verantwortliche Finanzpolitik.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ihre auch nicht!)

    Selbst von Fachleuten und Fachjournalisten wird viel zu
    selten darauf hingewiesen, dass die volkswirtschaftliche

    Joachim Poß




    Joachim Poß
    Steuerquote derzeit nicht höher ist als in den 60er-Jahren
    des letzten Jahrhunderts.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie nähern sich der 23,5-Prozent-Marke!)


    Das scheint also nicht unser Problem zu sein.
    Denjenigen, die dem Koalitionsvertrag und insbeson-

    dere seinem finanzpolitischen Teil Wachstumsschädlich-
    keit unterstellen,


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Alle tun das!)

    ist Folgendes entgegenzuhalten: Bei Verzicht auf das be-
    schlossene Finanzpaket würde Deutschland auch im
    nächsten Jahr Probleme mit der Einhaltung der im Maas-
    trichter Vertrag vereinbarten 3-Prozent-Marke bekom-
    men. Ein restriktiverer geldpolitischer Kurs der EZB wäre
    fast zwangsläufig. Es bleibt zudem unbestreitbar: Die öf-
    fentlichen Schulden von heute sind die Steuererhöhungen
    von morgen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Stimmt! Also erhöhen Sie morgen die Schulden und die Steuern!)


    In einer Phase, in der es darauf ankommt, das Vertrauen
    der Wirtschaftssubjekte zu stärken, kann das nicht der
    Weg sein. Es kann aber auch nicht hingenommen werden,
    dass Sie weiter Horrormeldungen in die Welt setzen und
    Schwarzmalerei betreiben, wie Sie das bisher getan ha-
    ben. Auch das, was Sie in den letzten zwei Tagen an
    Beiträgen geleistet haben, ist unverantwortlich.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – CarlLudwig Thiele [FDP]: Wer hat denn die Koalitionsvereinbarung gemacht? Das waren doch Sie!)


    Die Lage ist schwierig, bietet aber keinen Grund für
    Untergangsszenarien. Wo sind eigentlich Ihre konkreten
    Alternativen? Von denen war weder gestern noch heute et-
    was zu hören. Wo sind Ihre konkreten Konsolidierungs-
    vorschläge?


    (Zuruf von der CDU/CSU: Da haben Sie nicht zugehört!)


    Sie können nicht Konsolidierung einfordern

    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wer regiert eigentlich? Sie oder die Opposition!)


    und gleichzeitig jeden unserer Vorschläge madig machen
    und keinen einzigen Alternativvorschlag vorlegen. So
    geht das nicht.

    Dann versprechen Sie auch noch – das wird oben
    draufgesattelt – milliardenschwere Steuer- und Abgaben-
    senkungen. Sie haben mit Ihrem Gerede über das, was
    möglich ist und was nicht, über Monate die bundesdeut-
    schen Wählerinnen und Wähler systematisch getäuscht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


    Oder schwenken Sie jetzt auf den Kurs von Roland Koch
    ein, der zusätzliche Schulden machen will?

    Wie halten Sie es eigentlich mit den „3 mal 40“ in
    Ihrem Programm? Wollen Sie sozialen Kahlschlag und
    Einschränkungen bei den Mitteln für Forschung, Bildung
    und öffentliche Investitionen? Wo sind überhaupt die kon-
    kreten Vorschläge zur Umsetzung des Programms „3 mal
    40“, mit dem Sie im Wahlkampf durch alle Städte und
    Dörfer gezogen sind? Sie wollten nicht nur die Staats-
    quote unter 40 Prozent senken – die FDP sogar auf 35 Pro-
    zent, das war aber mehr eine Nummer für den Zirkus –,
    sondern auch den Spitzensteuersatz bei der Einkommen-
    steuer und den gesamtem Sozialversicherungsbeitrag. Wo
    steht denn, wie Sie das konkret und detailliert machen
    wollen? Solange Sie darauf keine Antwort geben – ich
    wiederhole mich –, sind Sie politisch nicht konkurrenz-
    fähig in der Bundesrepublik Deutschland.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Welche Ziele haben Sie eigentlich?)


    Wir packen die notwendigen Strukturreformen an. Das
    haben wir mit unserer Koalitionsvereinbarung deutlich
    gemacht. Wir halten Kurs bei der Konsolidierung der öf-
    fentlichen Haushalte, auch wenn es unpopulär ist. Wir si-
    chern die Einnahmebasis des Staates. Es bleibt bei den
    beschlossenen Steuerentlastungen, insbesondere für Ar-
    beitnehmer, Familien und Mittelstand. Wir stellen uns den
    notwendigen Sozialreformen ohne einen sozialen Kahl-
    schlag und ohne massive Umverteilung von unten nach
    oben. Meine Damen und Herren, wir halten Kurs. Die
    Menschen können sich auf uns verlassen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Menschen sind bei Ihnen verlassen!)


    Ich denke, dass nach gewissen Irritationen in den
    letzten Tagen, die ja nicht zu leugnen sind,


    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    zu denen Sie aber kräftig beitragen, weil Sie das als Ihre
    Oppositionsaufgabe verstehen,


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Entschuldigung, machen wir die Regierungserklärung oder Sie?)


    sich bei den Bürgerinnen und Bürgern mehr und mehr set-
    zen wird, dass es zu unserer Politik, deren Grundzüge ich
    hier versucht habe


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Über einen Versuch ist es auch nicht hinausgekommen!)


    noch einmal zu beschreiben, keine reale Alternative gibt.

    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Aber sehr wohl!)


    Es gibt in diesem Haus eine zunehmend verantwortungs-
    lose Opposition, aber keine reale Alternative zu unserer
    Politik.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP– Manfred Grund [CDU/CSU]: Verfolgungswahn! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Armes Deutschland! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Setzen, 5!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    226


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)








Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb,

CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Bartholomäus Kalb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

    Herren! Wenn man sich die gestrigen Ausführungen des
    Bundeskanzlers und die heutigen Aussagen des Finanz-
    ministers und von Herrn Poß zum Thema Staat, zum
    Verständnis vom Staat und zu den Aufgaben des Staates
    vor Augen führt, kann das im Ergebnis nur bedeuten:
    mehr Schulden, höhere Steuern, höhere Abgaben, mehr
    Staatsquote, insgesamt mehr Staat. Sie trauen den Men-
    schen nicht zu, dass sie zunächst einmal ihre Aufgaben in
    eigener Verantwortung lösen, dass sie in Freiheit und Ei-
    genverantwortung ihr Leben und ihre Zukunft gestalten
    wollen und sollen. Sie haben ein Bild vom Betreuungs-
    staat, vom Vorschriftenstaat, der regelt, der reglementiert,
    der zwangsbeglückt und in dem es nicht erwünscht ist,
    dass die Menschen und Bürger ihre Ideen, ihre Kräfte und
    ihre Fähigkeiten frei entfalten. Aber genau das braucht
    diese Gesellschaft.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben
    nur vier Jahre gebraucht, um ein Land aus einem starken
    Aufwärtstrend an die Wand zu fahren, um den wirt-
    schaftlichen Abschwung zu gewährleisten. Wir haben
    Ihnen vor vier Jahren diese Regierung übergeben


    (Zuruf von der SPD: Freiwillig?)

    mit einem starken Wirtschaftswachstum, mit einer stei-
    genden Beschäftigung, mit einer sinkenden Arbeitslosig-
    keit, mit steigenden Steuereinnahmen, mit sinkenden
    Ausgaben und mit einer stabilen Währung. So war die
    Übergabebilanz.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben es bis heute fertig gebracht, dass dieses Land
    wirtschaftlich an der Wand steht. Meine sehr verehrten
    Damen und Herren, in dieser wirtschaftlich problemati-
    schen Situation, in dieser fragilen und labilen Lage wäre
    es dringend geboten, alles zu unterlassen, was irgendwie
    die Gefahr in sich trägt, die Wirtschaft und die Konjunk-
    tur weiter abzuwürgen. Es wäre dringend geboten, alles zu
    tun, was geeignet wäre, Wachstum zu initiieren und
    Beschäftigung zu schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie tun aber genau das Gegenteil. Über diese Koalitions-
    vereinbarung herrscht bei allen Betroffenen und bei allen
    Fachleuten das blanke Entsetzen. Sie tun genau das Ge-
    genteil von dem, was notwendig wäre. Wissen Sie denn
    eigentlich, wie die Lage draußen ist? Telefonieren Sie
    überhaupt mit den Menschen und den Unternehmen
    draußen? Die stehen alle mit dem Rücken zur Wand.

    Ich sage Ihnen ein Beispiel. Mein Sohn steht vor dem
    Berufsanfang. Die Berufsberaterin sagt: Was die Meldung
    von Ausbildungsplätzen angeht, so haben die Unterneh-

    mer vor der Wahl gesagt, sie müssten sehen, wie die Wahl
    ausgeht. Jetzt sagen die Unternehmer, sie müssten erst
    sehen, wie sie über den Winter kommen. – Viele wissen
    nicht, wie sie mit ihren Betrieben über den Winter kom-
    men!


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Daran ist die Koalitionsvereinbarung schuld?)


    Sie wursteln vor sich hin. Sie bringen die Wirtschaft
    nicht in Fahrt. Sie verunsichern. Statt klare Wachstums-
    impulse zu geben, pflastern Sie die Wege mit Steuererhö-
    hungen und mit Androhungen: Ökosteuer, Schwefel-
    steuer, Versicherungsteuer, Tabaksteuer, Verschiebung
    der nächsten Stufe der Steuerreform und neu natürlich die
    Änderungen bei den Bemessungsgrundlagen, die Sie so
    schön verkleistern. In Wirklichkeit ist das auch nichts an-
    deres als Steuererhöhung. Außerdem denken Sie über
    Tobinsteuer, Europasteuer, Vermögensteuer nach.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Wasser!)

    Da sollen die Leute noch Mut haben, ihr Geld in die-

    sem Land zu lassen und in diesem Land zu investieren!
    Die Koalitionsvereinbarung ist ein Sammelsurium von

    Steueränderungsvorschlägen, aber eine Linie ist nicht er-
    kennbar. Die „FAZ“ und andere Zeitungen weisen Ihnen
    nach, dass Familien durch Ihre Vorschläge im Durch-
    schnitt mit 300 Euro monatlich negativ betroffen sein
    werden.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

    Selbst der „Stern“ schreibt in seiner jüngsten Ausgabe
    – ich zitiere –:

    Katzenfutter und Zahnprothesen – nichts steht besser
    für die politische Kleingärtnerei, in die sich die Ko-
    alitionäre verrannt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich kann nur sagen: Und der Vereinsschatzmeister ist der
    Herr Eichel.

    Sie nennen das jetzt alles – so haben wir gestern
    gehört – intelligentes Sparen. Marc Beise von der „Süd-
    deutschen Zeitung“ hat Ihnen schon am 19. Februar ge-
    sagt, dass intelligentes Sparen notwendig sei. Er erhob
    dann die Frage:

    Ob der Minister Eichel dieses Kunststück be-
    herrscht, hat er noch nicht bewiesen. Alle seine bis-
    herigen Operationen waren ziemlich einfallslos.

    Das ist es!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)

    Jetzt will Bundeskanzler Schröder von einigen der Re-

    gelungen, die in der Koalition vereinbart wurden, nichts
    mehr wissen und hat öffentlichkeitswirksam Abmilde-
    rung versprochen. Rot-Grün arbeitet nämlich nach der
    Methode: zwei Schritte vor und einen Schritt zurück. Un-
    ter dem Strich bleibt es bei erheblichen Steuermehr-
    belastungen für die Bürger. Bis 2006 werden es selbst
    nach Ihren Berechnungen insgesamt 67 Milliarden Euro




    Bartholomäus Kalb
    sein. Nicht in der Koalitionsvereinbarung, aber auf der
    Homepage des Bundesfinanzministers kann der Bürger
    sehen, was ihn erwartet. Dort ist die 21-seitige Giftliste
    eingestellt. Mehr als 50 Steuervorschriften sollen gestri-
    chen werden. Angekündigt ist das als Abbau von schädli-
    chen Steuersubventionen. Doch unter dem Strich wird das
    verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der
    individuellen Leistungsfähigkeit mit Füßen getreten.
    Bereits heute beschäftigen zahlreiche Regelungen das
    Bundesverfassungsgericht: die Mindeststeuer, der halbe
    Steuersatz bei Veräußerungen usw. So viel ist sicher: Die
    Richter in Karlsruhe werden dank Rot-Grün auch in Zu-
    kunft viel zu tun haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das scheint das Einzige an Kontinuität zu sein, auf das
    sich der Steuerzahler verlassen kann.

    Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der einzel-
    nen Vorschläge wurden anscheinend nicht untersucht.
    Wie sonst lässt sich erklären, dass Hans Eichel mit 40 sei-
    ner 50 Vorschläge den Betrieben direkt ans Leder will? Da
    wundert es nicht, dass Herr Piech dem Bundeskanzler die
    Freundschaft kündigt, weil – so sagt er – „ich den Ärger
    mit der Schröder-Regierung für die Wirtschaft habe kom-
    men sehen“; so in der „Passauer Neuen Presse“ vom
    14. Oktober dieses Jahres nachzulesen.


    (Zuruf von der SPD: Passau? Ob der Bundeskanzler das mitgekriegt hat?)


    – Das war auch noch woanders nachzulesen.
    Mit allen diesen Maßnahmen ist das Ende der Fahnen-

    stange noch nicht erreicht. Es ist schon wiederholt darauf
    hingewiesen worden: Vieles wurde von Ihnen erst nach
    dem 22. September bekannt gegeben – Sie haben sich an-
    geblich vorher nicht dazu in der Lage gesehen –; so ähn-
    lich wird es auch nach den Wahlen in Hessen und Nieder-
    sachsen sein. Die Steuerzahler dürfen gespannt sein,
    welche Botschaften am 3. und 4. Februar nächsten Jahres
    bekannt gegeben werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ich komme auf Ihre Regelungen zur Verstärkung von
    Investitionen – Änderung der Eigenheimzulage usw. – zu
    sprechen. Im Koalitionsvertrag ist von einer verstärkten
    Ausrichtung auf Familien die Rede.


    (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist Kürzung!)


    99 Prozent der Bürgerinnen und Bürger werden durch die
    Änderung der Eigenheimzulage schlechter als bisher ge-
    stellt. Hinzu kommt, dass Sie die Regelungen zur Ab-
    schreibung von Investitionen in Gebäude verschlechtern
    und dass Sie Spekulationsgewinne besteuern wollen. Dies
    alles führt doch dazu, dass die Familien und die Mieter in
    Zukunft schlechter gestellt werden; denn sie werden die
    Zeche zu zahlen haben.

    Das alles ist für die Bauwirtschaft katastrophal.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie liegt bereits am Boden. Sie treten denen, die schon am
    Boden liegen, mit den Stiefeln ins Gesicht. Ich wieder-
    hole, was ich bereits vorhin gesagt habe: Viele Betriebe
    wissen nicht, wie sie in Zukunft überhaupt noch existie-
    ren können.

    Wenn Sie nie in einem Betrieb Verantwortung getragen
    haben, wenn Sie also nie dafür verantwortlich waren, für
    treue Mitarbeiter ausreichend Beschäftigung zu schaffen,
    indem Sie dem Betrieb zu einer ausreichenden Anzahl
    von Aufträgen verholfen haben, dann haben Sie vielleicht
    nicht den richtigen Zugang. Wer sich aber über viele Jahre
    der eigenen Existenz und der Existenz der Arbeitnehmer
    im eigenen Betrieb verpflichtet gefühlt hat, der weiß, wie
    bitter es ist, wenn man nicht mehr weiß, ob der eigene Be-
    trieb im nächsten Monat noch besteht, weil er womöglich
    zahlungsunfähig geworden ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


    Das Gleiche, was Sie im Zusammenhang mit Immobi-
    lien vorhaben, sehen Sie auch für die Wertpapierbe-
    steuerung vor. Genauso wie Gewinne aus Immobilienbe-
    sitz sollen Aktiengewinne unabhängig von Fristen
    besteuert werden. Vor drei Jahren meinte Hans Eichel dazu
    noch im „Stern“ – das ist mittlerweile ein guter Fundus –:

    Wir haben die Spekulationsfrist gerade auf ein Jahr
    verlängert. Dabei soll es bleiben. Wir dürfen den Fi-
    nanzplatz Deutschland nicht schwächen. Dabei geht
    es um Arbeitsplätze.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Hört! Hört!)

    Gilt das jetzt alles nicht mehr?


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das gilt alles nicht mehr!)


    Herr Finanzminister, gerade durch die Erlöse aus der Ver-
    steigerung der UMTS-Lizenzen haben Sie dazu beigetra-
    gen, dass die Kleinaktionäre kräftig zur Kasse gebeten
    worden sind, da der Wert ihrer Aktien gesunken ist. Im
    Übrigen haben Sie nicht gemerkt, dass auch die von Ihnen
    so hoch gelobte Riester-Rente von der Neuregelung der
    Wertpapierbesteuerung betroffen ist. Mit dieser Neurege-
    lung gehen Sie den Kleinaktionären ans Portemonnaie.

    Der Finanzminister verspricht die Abschaffung von
    20 000 Steuervorschriften. Herr Finanzminister, das ist
    ziemlich unglaubwürdig. Mit Ihnen hat man wirklich den
    Bock zum Gärtner gemacht. Wer ist denn für dieses über-
    aus komplizierte Steuerrecht, wie es in den letzten vier
    Jahren entwickelt worden ist, verantwortlich? – Das wa-
    ren niemand anders als Sie und Ihre Koalitionäre.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    In den letzten vier Jahren hat Hans Eichel mit fast
    60 Gesetzen steuerliche Vorschriften geändert bzw. neue
    Steuerregelungen eingeführt. Den Steuerzahlern stand im
    Durchschnitt fast alle drei Wochen ein neues Gesetz ins
    Haus. Der Finanzminister hat sich bei der Benennung sei-
    ner neuen Folterinstrumente wirklich Mühe gegeben. So
    hießen die einzelnen Vorhaben: Steuerentlastungsgesetz,


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    228


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Steueränderungsgesetz, Steuerbereinigungsgesetz, Steu-
    ersenkungsgesetz, Steuersenkungsergänzungsgesetz und
    Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz. Das letzte Werk
    war dann das Flutopfersolidaritätsgesetz. Jetzt sind wir
    alle darauf gespannt, welchen schönen Namen Sie sich für
    Ihr „Giftlistengesetz“ einfallen lassen.


    (Horst Schild [SPD]: Machen Sie einmal Vorschläge!)


    Auf die Landwirtschaft haben Sie es ganz besonders
    abgesehen. Neben der Anhebung der Mehrwertsteuer, der
    Abschaffung der Ökosteuerermäßigungen, der Abschaf-
    fung der Vorsteuerpauschale, der Abschaffung der Ge-
    winnermittlungen nach Durchschnittssätzen, wie sie in
    § 13 a EStG geregelt ist, kommen auf die Landwirtschaft
    erhebliche Belastungen zu, und zwar nicht nur finanziel-
    ler, sondern vor allen Dingen auch bürokratischer Art. Sie
    verursachen bei den kleineren landwirtschaftlichen Be-
    trieben Beratungskosten, die zu tragen sie in dieser
    schwierigen Zeit nicht mehr in der Lage sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    All das wird dazu führen, dass es in der Landwirtschaft
    zur beschleunigten Aufgabe von Betrieben kommt. Wenn
    Sie schon sonst mit der Landwirtschaft nichts am Hut
    haben, dann sollten Sie zumindest in der schwierigen
    wirtschaftlichen Lage, in der wir uns mit Blick auf den
    Arbeitsmarkt befinden, hier nicht zusätzlich Existenzen
    vernichten und Menschen in die Arbeitslosigkeit
    schicken.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wissen, dass Sie von der SPD eine geradezu tief

    sitzende Abneigung gegen die Landwirtschaft haben. Da-
    her verwundert es nicht, wenn sich eine SPD-Bundes-
    tagsabgeordnete vor Ort beklagt: In Berlin will keiner
    über Landwirtschaft reden.

    Jetzt hat die Koalition angeblich erkannt, dass bei der
    Ausgestaltung der Steuerreform Fehler gemacht worden
    sind. Trotz negativem Körperschaftsteueraufkommen hat
    man dort bisher jeglichen Reparaturbedarf bestritten. Die
    Steuerreform mit der Änderung des Körperschaftsteuer-
    systems war insgesamt falsch konzipiert; dies unterstrich
    Professor Sinn vor kurzem in einem Beitrag für eine nam-
    hafte Zeitung sehr deutlich. Jetzt erkennen Sie die Fehler-
    haftigkeit und reagieren wiederum falsch. Die System-
    umstellung haben Sie falsch angelegt. Vor allen Dingen
    haben Sie die wirklichen Probleme des Eigenkapitalaus-
    tauschs nicht erkannt und keine entsprechende Vorsorge
    getroffen.

    In die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten
    wird jetzt elementar eingegriffen. Kleine wie große Kapi-
    talgesellschaften sollen faktisch eine Mindeststeuer zah-
    len, unabhängig davon, was am Jahresende tatsächlich er-
    zielt wurde. Das belastet nicht nur die Liquidität, sondern
    auch die Substanz der Unternehmen bei einer insgesamt
    zu geringen Eigenkapitaldecke der deutschen Betriebe.
    Auch die zeitliche Begrenzung des bisher unbefristeten
    Verlustvortrags auf sieben Jahre zielt in diese Richtung.
    Auf der Strecke bleiben gerade Existenzgründer, die in

    den ersten Jahren erhebliche Verluste machen. Der jetzige
    Vorschlag ist schärfer als das, was Lafontaine damals ein-
    geführt hat.

    Hinter all dem steckt noch das verzerrte Unternehmer-
    bild von Rot-Grün aus der sozialistischen Mottenkiste.


    (Joachim Poß [SPD]: Oh!)

    Wann wird diese Regierung endlich erkennen, dass es
    ohne Unternehmer keine Unternehmen und ohne Unter-
    nehmen keine Arbeitsplätze gibt?


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Risikobereitschaft, Kreativität und Arbeitsbereitschaft

    unserer deutschen Unternehmerpersönlichkeiten müssen
    besser genutzt und für mehr Wachstum und Beschäfti-
    gung eingesetzt werden. Wir brauchen Leute mit Ideen,
    Leute, die bereit sind, Leistung zu erbringen und die Ent-
    wicklung sozusagen mit dem Hirn anzuschieben. Man
    darf ihnen aber nicht gleichzeitig ständig auf den Kopf
    schlagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum 1. Ja-

    nuar 2003 wird die nächste Ökosteuererhöhung kom-
    men, so viel ist sicher. Aber damit nicht genug. Denn in
    der Koalitionsvereinbarung heißt es im Kapitel „Ökologi-
    sche Finanzreform“ wörtlich:

    Im Jahr 2004 werden wir im Hinblick auf die Emis-
    sion klimaschädlicher Gase den Ölpreis, die gesamt-
    wirtschaftliche Entwicklung, die Wettbewerbsfähig-
    keit der deutschen Wirtschaft und die soziale
    Verträglichkeit überprüfen, ob und wie die Besteue-
    rung unter ökologischen Gesichtspunkten weiterzu-
    entwickeln ist.

    Dies steht im Gegensatz zu der Verkündung des Kanzlers,
    dass nach der Ökosteuererhöhung im Jahr 2003 keine
    weiteren Stufen folgen werden. Die Bürger müssen sich
    also auf weitere Erhöhungen der Ökosteuer einstellen. Ich
    erinnere daran, dass es Schröder war, der einmal gesagt hat:
    Sechs Pfennig sind genug. Auf die Versprechungen des
    Bundeskanzlers darf sich jedenfalls niemand verlassen.

    Immer größere Lasten werden den Kommunen vom
    Bund aufgebürdet, ohne dass ihnen ausreichende Finanz-
    mittel zur Verfügung gestellt werden. Das hat natürlich
    Auswirkungen auf die kommunalen Investitionen, beson-
    ders im Baubereich. Beharrlich weigert sich die Koali-
    tion, diesen Zustand durch Verzicht auf die nicht mehr
    gerechtfertigte Erhöhung der Gewerbesteuerumlage auf-
    zufangen.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Länder geben auch nichts ab!)


    Inhaltlich wollten Sie ja während des ganzen Bundes-
    tagswahlkampfes keine Themen, die originär den Bund
    betreffen, behandeln. Darum haben Sie sich dem Thema
    Kinderbetreuung zugewendet. Diese ist eigentlich eine
    Aufgabe der Länder und Gemeinden. Sie tun so, als ob Sie
    jetzt für die Erfüllung dieser Aufgabe die Länder und Kom-
    munen in den Genuss eines Geldsegens kommen lassen.
    Sie versprechen 4 Milliarden, im alten Haushaltsentwurf

    Bartholomäus Kalb




    Bartholomäus Kalb
    haben Sie gerade einmal 300 Millionen Euro für 2003 ein-
    gestellt. Das sind, wenn man diese Zahl und die 10 000 er-
    forderlichen Stellen, die Sie ansetzen, nimmt,
    30 000 Euro pro Einrichtung. Wissen Sie, wie weit man
    damit kommt? Das hat doch wieder den Effekt, dass die
    Kommunen zunächst unter Zugzwang gesetzt und hinter-
    her mit der Finanzierung allein gelassen werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Kümmern Sie sich doch als Bundesregierung um die Auf-
    gaben des Bundes, die Sie hier zu erfüllen haben, und stat-
    ten Sie die Kommunen ordentlich aus. In eigener Verant-
    wortung werden die Kommunen ihre Aufgaben besser
    lösen können, als wenn Sie sie wieder an das Gängelband
    legen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon
    viel über den Umgang mit dem europäischen Stabilitäts-
    und Wachstumspakt gesagt worden. Hierbei handelt es
    sich geradezu um ein Trauerspiel. Die Art und Weise, wie
    Sie ihn jetzt neu interpretieren, stellt eigentlich eine Ab-
    kehr von ihm dar. Die Bürger in unserem Lande erwarten
    aber, dass unsere Währung stabil bleibt und nicht zum
    Spielball für Sie oder für andere Kräfte wird. Es ist schon
    hochinteressant, wie Sie, Herr Bundesfinanzminister, da
    vorgegangen sind. Ihre Meldungen zu den Defizitzahlen
    haben ja das Zeug, um daraus eine Tragödie zu schreiben.

    Dezember 2001: Zwei Alternativen werden nach Brüs-
    sel gemeldet, eine für gutes und eine für schlechtes Wirt-
    schaftswachstum.

    Februar 2002: Mit politischem Druck hat Kanzler
    Schröder den blauen Brief aus Brüssel verhindert und da-
    bei ziemlich viel Porzellan zerschlagen.

    September 2002: Im Wahlkampf wurde die Einhaltung
    der 3-Prozent-Grenze immer wieder versprochen. Die
    zum 1. September vorgeschriebene Meldung aktualisier-
    ter Defizitzahlen nach Brüssel wurde aus fadenscheinigen
    Gründen bis nach dem Wahltag verzögert. Am 24. Sep-
    tember wurde dann ein Wert von 2,9 Prozent gemeldet.

    Oktober 2002: Der Finanzminister erklärt bei einem
    Fernsehinterview, dass er mit dem Überschreiten der
    3-Prozent-Grenze in diesem Jahr rechnet.

    Letzter Akt: Gegen Deutschland wird in Brüssel ein
    Verfahren wegen Überschreitung der 3-Prozent-Grenze
    eingeleitet.