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ID1500503700

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    9. CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Eichel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! Während des Wahlkampfs und nach dem Wahlkampf
    haben Sie versucht, insbesondere die Finanz- und Steuer-
    politik der vergangenen vier Jahre abzuqualifizieren, und
    gehofft, damit in politischer Hinsicht Land gewinnen zu
    können.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben nicht die Wahrheit gesagt!)


    Meine Damen und Herren, heute ist der Zeitpunkt, über
    diese Frage zu reden. Ich werde Ihnen die Widersprüch-
    lichkeit und die völlig falschen Behauptungen


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ihres Konzepts!)

    Ihrer Thesen vorhalten.

    Erstens. Lassen Sie uns vergleichen, was Sie in den
    letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit und was wir in
    den ersten vier Jahren der Regierung Schröder finanzpo-
    litisch zuwege gebracht haben. Ich halte fest, dass Sie da-
    mals in vier Jahren 230 Milliarden Euro neue Schulden
    gemacht haben. Wir haben in derselben Zeitspanne – da-
    bei habe ich die UMTS-Lizenzen schon herausgerechnet
    und einen Zuschlag für dieses Jahr, dessen Höhe mir noch
    nicht genau bekannt ist, einbezogen – die Neuverschul-
    dung um weit mehr als 50 Prozent unter den Betrag ge-
    drückt, den Sie in den vier Jahren davor erreicht hatten.
    Das ist die finanzpolitische Bilanz.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben das trotz der hohen Zinsbelastung, die wir
    nach Ihren Regierungsjahren vorgefunden haben, erreicht.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Wiedervereinigung!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    208


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    – Ja, die Wiedervereinigung. Sie hätten sie aber auf andere
    Weise finanzieren müssen.


    (Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Mein Gott, jetzt geht das wieder los!)


    Sie haben die Staatsverschuldung um 20 Prozent-
    punkte erhöht, nämlich von 40 Prozent des Bruttoinlands-
    produkts auf 60 Prozent. Wir haben unter wesentlich
    schwierigeren Bedingungen regieren müssen. 1994 zum
    Beispiel gingen noch 48 Prozent der Steuereinnahmen an
    den Bund. Jetzt sind es noch ganze 43 Prozent – so viel
    übrigens zu der Mär, dass wir den Bund auf Kosten der
    Länder und Kommunen entlastet hätten.

    Folgendes macht den Erfolg deutlich: Als ich Finanz-
    minister wurde, wurde fast jede vierte Steuermark, die wir
    einnahmen, sofort wieder für Zinsen ausgegeben. Zurzeit
    ist es nur jede fünfte Steuermark. Es ist zwar ein mühse-
    liger Prozess, aber es ist der in vier Jahren erzielte Fort-
    schritt, der dieses Land und diesen Staat wieder hand-
    lungsfähiger macht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben dann – anders, als Sie es als Märchen in die
    Welt setzen – über die Ausgabenseite konsolidiert, übri-
    gens bei einer Steuerquote, die einen historischen Tief-
    stand erreicht hat. Eine weitere Senkung ist nicht möglich.
    Darüber werden wir noch zu reden haben, wenn es um die
    Strategie für die Jahre 2003 bis 2006 geht.

    Wir liegen in diesem und im nächsten Jahr mit unseren
    Ausgaben unter dem, was wir uns 1999 in dem 30-Milli-
    arden-Paket, dem jährlich 5 Milliarden hinzugefügt wur-
    den, für 2002/2003 vorgenommen hatten, und zwar trotz
    des Anti-Terror-Pakets.

    Wir haben zudem die Qualität unserer Staatsausgaben
    nachdrücklich verbessert. Das, was Sie zum Beispiel
    fälschlicherweise als Sparbüchse bzw. als Kürzungsmög-
    lichkeit genutzt haben, nämlich die Ausgaben für For-
    schung und Bildung, haben wir in demselben Zeitraum
    um 2 Milliarden bzw. um fast 28 Prozent erhöht. Das ist
    eine entscheidende Zukunftsinvestition.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben die Verkehrsinvestitionen auf einen histo-
    rischen Höchststand gebracht, auf dem wir sie nicht nur
    verstetigen, sondern auf dem es, allerdings in kleinen
    Schritten, weitergeht. Wir haben die Energiewende mit
    hohen Investitionen finanziert. Ich sage an dieser Stelle
    allerdings auch – das gilt für alle Investitionen –, dass man
    sie so zielgerichtet einsetzt, dass die neuen Energien wirk-
    lich marktfähig werden.

    Wir haben – ich führe das an, weil Sie am liebsten auf
    den Spitzensteuersatz verweisen – den Mittelstand durch
    Steuersenkungen ordentlich entlastet.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

    1998 lag die obere Grenzsteuerbelastung des selbststän-
    digen Mittelstandes bei 69 Prozent. Diese Zahl erhält
    man, wenn man den Spitzensteuersatz, der damals bei
    53 Prozent lag, den Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent

    und 13 Prozent Gewerbesteuer addiert. Jetzt liegt die
    obere Grenzsteuerbelastung des selbstständigen Mittel-
    standes bei 51 Prozent. Sie ist also im Vergleich zu 1998
    um 18 Prozentpunkte gesunken. Das war möglich, weil
    inzwischen die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuer
    verrechnet werden kann und weil der Spitzensteuersatz
    auf 48,5 Prozent gesunken ist.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Fragen Sie die mit mittlerem Einkommen, wo ihr Grenzsteuersatz liegt!)


    Eine Senkung der oberen Grenzsteuerbelastung des
    selbstständigen Mittelstandes um 18 Prozentpunkte haben
    Sie in 30 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit in der Bundes-
    republik nie zuwege gebracht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zur Entlastung der Arbeitnehmer möchte ich Fol-
    gendes sagen: Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer, der
    Alleinverdiener ist und eine Familie mit zwei Kindern
    zu ernähren hat, zahlte während Ihrer Regierungszeit
    6,5 Prozent Lohnsteuer. Wir haben dafür gesorgt, dass er
    im Jahr 2001 nur noch 5,1 Prozent zahlen musste. Das ist
    die tatsächliche Nettoentlastung der Arbeitnehmer. Es ist
    ja nicht verwunderlich, dass die Staatskassen leer sind. Sie
    sind schließlich auch wegen der Steuerreform leer. Ir-
    gendwo muss sich natürlich auch die Entlastung bemerk-
    bar machen. Allerdings so leer, wie sie jetzt sind, sollten
    sie eigentlich nicht sein. Das liegt an der konjunkturellen
    Entwicklung.


    (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)


    Aber ich wiederhole: Die Steuerquote hat einen histori-
    schen Tiefstand erreicht.

    Herr Merz, man kann ja über die Senkung der Staats-
    quote diskutieren. Auch ich möchte sie senken. Wenn sich
    der Staat aber immer höher verschuldet und die Staats-
    quote gesenkt wird, dann kann man ihn auch gleich ab-
    schaffen. Die Senkung der Staatsquote macht doch nur
    Sinn – das ist eine grundlegende Voraussetzung – im
    Rahmen einer Strategie der Entschuldung des Staates. Nur
    dann kann er – schließlich brauchen wir ihn für die Ga-
    rantie der inneren und der äußeren Sicherheit sowie zur
    Förderung der Bildung und zum Ausbau der Infrastruk-
    tur – handlungsfähig bleiben. Etwas anderes können Sie
    doch ernsthaft nicht wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben das alles – das ist der große Unterschied zu
    Ihrer Regierungszeit – nicht in einer Phase eines andau-
    ernden Aufwärtstrends der Weltkonjunktur, vor allem
    der Konjunktur in den Vereinigten Staaten, sondern – das
    spüren wir jetzt schmerzlich – in einer Phase eines starken
    Abschwungs, der seit dem Sommer 2000 anhält, und in ei-
    ner Situation erreicht, in der das Wachstum in den Verei-
    nigten Staaten unter dem Deutschlands liegt. Übrigens
    möchte ich an dieser Stelle eine kleine Anmerkung zu der
    Frage machen, wie stark Deutschland in der Welt ei-
    gentlich ist. Als wir das Jahr 2001 bilanziert haben, kam

    Bundesminister Hans Eichel




    Bundesminister Hans Eichel
    Folgendes heraus: Ein Wachstum von 0,6 Prozent in
    Deutschland ist weiß Gott kein Grund zum Prahlen. Das
    ist wahr. Aber damit ist das Wachstum in Deutschland
    noch immer doppelt so hoch wie das in den Vereinigten
    Staaten, der größten und so gepriesenen Volkswirtschaft
    der Erde. Dort liegt es nämlich bei ganzen 0,3 Prozent.
    Das Wachstum in Japan ist sogar negativ. Das sind die
    weltwirtschaftlichen Zusammenhänge, in denen wir ar-
    beiten müssen. Wie eng die Verflechtung mit der Welt-
    wirtschaft ist, hat der Sachverständigenrat gerade in
    seinem vorletzten Gutachten mit unüberbietbarer Deut-
    lichkeit klar gemacht.

    Wir haben außerdem den Aufbau Ost auf hohem Ni-
    veau verstetigt und in diesem Jahr mit dem Stadtumbau-
    programm sogar ein neues Programm aufgelegt. Das alles
    zeigt, dass wir in den letzten vier Jahren mit großen An-
    strengungen ordentlich vorangekommen sind.

    Jetzt möchte ich auf Ihren Vorwurf eingehen, dass ich
    alles, was ich jetzt ankündige, vor der Wahl hätte sagen
    sollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    – Ich bin mir sicher, dass die Debatte noch spannend
    wird. – Ich möchte nicht nur über dieses Jahr, sondern
    auch über die Jahre reden, in denen Sie regiert haben.
    Nicht nur Deutschland – das haben Sie vorhin falsch dar-
    gestellt – sieht sich das zweite Jahr mit einem sehr schwa-
    chen Wachstum konfrontiert. Im europäischen Vergleich
    liegen zurzeit Italien und die viel gepriesenen Niederlande
    beim Wachstum hinter Deutschland. Das ist die Wahrheit.
    Das zweite Jahr mit sehr schwachem Wachstum haben wir
    2001 haushaltspolitisch noch gut bewältigt; denn trotz
    2 Prozent weniger Wachstum, als alle Institute vorausge-
    sagt hatten, haben wir 2001 eine Punktlandung hingelegt.
    Im zweiten Jahr eines so schwachen Wachstums ist das in
    der Tat nicht mehr zu machen. Als ich den Haushalt ein-
    brachte, habe ich hier an diesem Pult und in der Bundes-
    pressekonferenz gesagt: Dieser Haushalt ist auf Kante
    genäht, es gibt keine Reserve mehr, wenn es konjunktu-
    rell anders läuft. Das habe ich gesagt, als ich den Haushalt
    einbrachte.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Nicht auf Kante, auf Löcher genäht!)


    Wir haben noch eine Menge beherrscht, zum Beispiel
    mit den Rückflüssen aus Brüssel in Höhe von fast 5 Mil-
    liarden Euro. Die haben Sie übrigens im Sommer immer
    noch ausgeben wollen, obwohl ich Ihnen bereits im Früh-
    jahr gesagt habe, dass sie bei der weiteren Abschwächung
    der Konjunktur im Haushalt bleiben müssen, weil an-
    dernfalls die Probleme gar nicht zu lösen sind.

    Spannend wurde es im Sommer; Sie sagen ja, Sie hät-
    ten das alles vorher gewusst. Darauf komme ich gleich
    noch zurück. Den ganzen Sommer über lagen alle Insti-
    tute mit Ausnahme des DIW mit ihren Prognosen über
    unseren. Die erste Korrektur nach unten fand im Septem-
    ber statt; da senkte ein Institut seine Prognose auf 0,4 Pro-
    zent. Gleichzeitig verbesserten sich im Juli und August

    die Steuereinnahmen. Das stand noch vor dem Hinter-
    grund aller Prognosen eines richtig dynamischen Auf-
    schwungs im zweiten Halbjahr, der nicht gekommen ist.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Daran haben doch nur Sie geglaubt!)


    – Daran haben wir alle geglaubt. Alle Institute haben den
    ganzen Sommer über genau das geschrieben.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ich bitte Sie, wer hat denn die Verantwortung?)


    – Darauf komme ich gleich.
    Für mich war eines klar: Darüber darf man als Finanz-

    minister nur dann reden, wenn man sicher ist. Dann aller-
    dings kamen die Steuereingänge im großen Steuermonat
    September, die ganz anders ausfielen als im Juli und im
    August.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ah! – CarlLudwig Thiele [FDP]: Überraschung!)


    Bevor ein Finanzminister verlässliche Zahlen hat, darf er
    über so etwas nicht reden, egal ob Wahl ist oder nicht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Jetzt komme ich zu einer spannenden Frage an Sie. Die
    Zahlen kannten wir alle – übrigens die Länder und auch
    Herr Faltlhauser früher als ich, weil die Steuereinnahmen
    in den Ländern eingehen und erst später an uns gemeldet
    werden. Wenn Sie das schon vorher gewusst haben, wie
    Sie sagen, möchte ich Sie doch eines fragen: Warum ha-
    ben Sie denn ein Wahlprogramm geschrieben, in dem
    Sie den Menschen Steuersenkungen zwischen 10 und
    35 Milliarden Euro – bei der FDP sind es dann gleich über
    70 Milliarden Euro – versprechen?


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nein, nein!)

    – Es kommt darauf auch gar nicht an.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Verantwortung können Sie jetzt nicht auf andere abschieben!)


    Warum haben Sie denn, obwohl Sie doch angeblich al-
    les gewusst haben, den Aufbau in den Flutkatastrophen-
    gebieten noch im September mit Schulden finanzieren
    wollen? Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie damit glatt die
    3 Prozent überschreiten würden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Warum haben Sie denn ein Sofortprogramm aufgestellt,
    das in den ersten 100 Tagen der neuen Wahlperiode ir-
    gendwo zwischen 10 und 20 Milliarden Euro – ich will
    über die Zahl gar nicht streiten – gekostet hätte? Sie ha-
    ben doch, so sagen Sie, alles gewusst. Ich sage Ihnen: Ich
    hatte große Sorgen.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das haben Sie aber gut verschleiert! Eichels Schleiertanz!)


    Ich habe deswegen eine Haushaltssperre verhängt. Ich
    habe deswegen zusammen mit dem Bundeskanzler dafür


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    210


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    gesorgt, dass wir den Wiederaufbau in den Flutkatastro-
    phengebieten nicht über Schulden, sondern durch Ver-
    schiebung der Steuersenkungen finanzieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Alles andere müssen Sie sich selbst überlegen. Sie sind
    offenbar in Ihrer Wahlkampfstrategie nicht klar gekom-
    men. Sie wussten nicht, ob Sie nun sagen sollten, die Fi-
    nanzen seien im Eimer, oder ob Sie die Leute mit all Ihren
    Wahlversprechungen beglücken sollten, die Sie jetzt alle
    zurücknehmen müssten, wenn Sie an der Regierung wären.
    Deswegen lasse ich mir an der Ecke von Ihnen überhaupt
    nichts erzählen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Jetzt reden Sie doch mal von sich!)


    Eines ist klar: Nach den Steuereinnahmen im Septem-
    ber musste man sagen, dass wir die 3 Prozent nicht halten
    werden, und das habe ich dann auch sofort gesagt.


    (Lachen bei der CDU/CSU – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das hätten Sie auch vor der Wahl sagen können! Das wäre glaubwürdiger gewesen!)


    Ein anderes Verhalten des Finanzministers wäre unver-
    antwortlich gewesen.

    Ich will auch etwas zum europäischen Stabilitäts- und
    Wachstumspakt sagen. Er hat nämlich sehr wohl die zu
    Recht eingeforderte Flexibilität, auf konjunkturelle Situa-
    tionen auch angemessen zu reagieren. Sie hätten mit Ihrer
    Politik die Entscheidung getroffen, dieses Rahmenwerk
    zu brechen. Das gibt es mit uns nicht.

    Deswegen sage ich Ihnen: Ja, wir werden einen Nach-
    tragshaushalt auf den Tisch legen, wenn die Steuerschät-
    zung im November da ist, weil man vernünftigerweise erst
    dann über die Zahlen reden kann, um die es wirklich geht.

    Ich will auch etwas zur europäischen Situation sagen
    und festhalten: Von den zwölf Staaten der Eurozone wer-
    den – da kommen wir ans Problem – mindestens sechs
    Länder stärkere, zum Teil wesentlich stärkere Abwei-
    chungen vom Stabilitätsprogramm haben als Deutsch-
    land. Das ist dort zum Teil nicht so ein Problem, weil man
    dort, jedenfalls in einigen dieser Länder, bisher Über-
    schusshaushalte hatte. Unser Problem ist, dass wir auf
    halbem Weg zum ausgeglichenen Haushalt von der Kon-
    junkturschwäche erwischt worden sind. Den Schuh ziehe
    ich mir nicht an und den zieht sich auch diese Bundesre-
    gierung nicht an.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist aber Ihr Schuh!)


    – Nein. Sie hätten schon ein bisschen früher mit der rich-
    tigen Politik anfangen müssen. Sie hätten den anderen Eu-
    ropäern nicht nur den Stabilitätspakt einreden dürfen, son-
    dern hätten selbst die Politik danach machen müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Unglaublich!)


    Ganz schlicht: Sie hätten die Wiedervereinigung seriös fi-
    nanzieren müssen und nicht so finanzieren dürfen, wie Sie
    es gemacht haben. Daran werden wir noch lange arbeiten
    müssen.

    Zur Diskussion um den Stabilitätspakt will ich noch et-
    was anderes sagen. Ich finde es falsch, dass wir die Dis-
    kussion, die sein muss, allein über das Defizit führen. Wer
    sich die Kriterien von Maastricht und die Zugangsbe-
    rechtigung zur Wirtschafts- und Währungsunion ansieht,
    wer sich die wirtschaftliche Situation in Europa und die
    Möglichkeiten der Geldpolitik vor Augen führt – ich
    nehme hier die EZB ausdrücklich in Schutz –, der kommt
    zu anderen Ergebnissen, nämlich dazu, dass wir im Inte-
    resse unserer gemeinsamen Währung auch darüber reden
    müssen, ob denn andere Länder ihre völlig überhöhte
    Staatsverschuldung so zurückführen, wie das im Pro-
    gramm vorgesehen ist.

    Wir müssen aber auch darüber reden, wie es denn in an-
    deren Ländern mit dem Beitrittskriterium Inflation aus-
    sieht. Es gibt eine ganze Reihe von Ländern, einschließ-
    lich Spanien, die Inflationsraten von bis zu 4,5 Prozent
    haben. Man muss sich fragen, wie eine gemeinsame eu-
    ropäische Geldpolitik für den Euroraum insgesamt wirkt,
    wenn Deutschland der Stabilitätsanker in der Union mit
    der niedrigsten Inflationsrate ist – wir haben übrigens
    auch die niedrigste Steigerungsrate bei den Lohnstückkos-
    ten – und wenn sich andere an alle diese Kriterien nicht
    halten. Angesichts dessen müssen wir im Rahmen des Sta-
    bilitätspakts noch ein paar andere Fragen stellen als nur
    die nach diesem Defizit. Die Frage nach dem Defizit muss
    gestellt werden, aber ein paar andere Fragen müssen auch
    gestellt werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir müssen zu anderen Mechanismen der wirtschafts-
    politischen Koordinierung kommen. Die müssen dann in
    der Tat wesentlich verbindlicher werden. Ich bin aus-
    drücklich der Meinung: Die Kommission soll ein Recht
    haben, Early-Warning-Systeme und Excessive Deficit
    Procedure selbst einzuleiten.


    (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Können Sie das noch einmal sagen?)


    – So steht das nun einmal im Vertrag. Den haben nicht wir,
    sondern Sie ausgehandelt. Das soll aber keine Beschimp-
    fung sein.

    Insofern kann und sollte die Kommission eine stärkere
    Position haben. Die Grundzüge der Wirtschaftspolitik al-
    lerdings müssen, weil es nämlich nationale Verantwor-
    tung bleibt, Wirtschafts- und Finanzpolitik zu machen,
    weiter vom Ecofin-Rat mit qualifizierter Mehrheit be-
    schlossen werden. Alles andere macht keinen Sinn.

    Damit, meine Damen und Herren, komme ich zur
    Perspektive 2003 bis 2006. Dass uns dieses Jahr im Ergeb-
    nis sehr unbefriedigt lässt, dass man darauf hinweisen kann,
    die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen, dass wir
    in dieser Phase nicht in die Investitionen eingreifen – das
    wäre der Crashkurs, den man noch machen könnte, der
    aber in dieser wirtschaftspolitischen Lage keinen Sinn
    macht und auch von niemandem gewollt wird, auch in

    Bundesminister Hans Eichel




    Bundesminister Hans Eichel
    Brüssel nicht; das ist richtig so –, heißt doch aber nicht,
    dass wir die Hände in den Schoß legen können. Das heißt
    vielmehr, dass wir im Sinne unserer verabredeten Politik
    und im Sinne der Glaubwürdigkeit des Paktes handeln
    müssen. Dahinter steht übrigens noch etwas ganz anderes,
    nämlich das Problem der demographischen Verschie-
    bung, der Alterung unserer Gesellschaft. Der Pakt ist nicht
    einmal das zentrale Thema; er ist ein Paragraphenwerk.
    Zentrales Thema ist, dass uns die Alterung unserer Ge-
    sellschaft in Zukunft große Lasten aufbürdet und wir bis
    dahin die Schulden aus der Vergangenheit einigermaßen
    abgetragen haben müssen, damit wir die neuen Aufgaben
    überhaupt schultern können. Das ist der Hintergrund.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das passiert aber nicht!)


    – Doch! Ich habe es Ihnen doch gerade vorgetragen: Wir
    haben in vier Jahren noch nicht einmal halb so viele
    Schulden gemacht wie Sie. Es passiert also, wenn es auch
    mühselig ist.

    Wie gehen wir jetzt vor? Erste Antwort des Koalitions-
    vertrags: Wir bleiben bei unserer Zusage: 2006 Bundes-
    haushalt ausgeglichen und gesamtstaatlicher Haushalt na-
    hezu ausgeglichen. Da hat die Kommission übrigens sehr
    vernünftig reagiert, indem sie vor dem Hintergrund der
    konjunkturellen Schwäche nicht realisierbare Termine in
    die Zukunft geschoben hat, von 2004 auf 2006. Damit hat
    die Kommission deutlich gemacht, dass man den Pakt
    nicht mechanistisch, sondern ökonomisch vernünftig an-
    wendet. Entscheidend ist also das Jahr 2006.

    Die zweite Antwort heißt: Anpassungsmaßnahmen
    beginnen im Jahr 2003; denn der Weg dahin muss schließ-
    lich gegangen werden. Mittlerweile habe ich gesagt, was
    wir tun. Ich frage Sie, wie Ihre Alternativen aussehen.


    (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das wäre interessant! – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das würde uns auch interessieren!)


    Angesichts eines seit zwei Jahren schwachen Wachstums
    müssen wir zuallererst die ganze Finanzplanung für die
    nächsten vier Jahre auf ein niedrigeres Tableau setzen. Das
    heißt auch, dass wir das Thema Einsparungen über Subven-
    tionsabbau noch einmal intensiv erörtern müssen. Genau
    das haben wir gemacht und es sorgt für viel Ärger im Lande.

    Ein Teil der von uns vorgenommenen Einsparungen
    geht auf Kürzungen im Bereich der Arbeitslosenhilfe und
    auf Kürzungen der Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit
    zurück. Übrigens, darüber redet fast keiner. Ich finde es
    ziemlich spannend, zu beobachten, wer in diesem Land
    die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und wer mit
    seinen Interessen die Meinungslage zu beeinflussen ver-
    sucht. Ich wiederhole: Dieser Teil interessiert fast nie-
    manden, obwohl er eine massive Verringerung der Vertei-
    lung von Geldern bedeutet. Dies wird bestenfalls unter der
    Überschrift „Man muss Subventionen abbauen oder man
    muss bei den konsumtiven Ausgaben ansetzen“ abgehan-
    delt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich halte das, was
    wir tun, für richtig. Ich bin mit dem Kollegen Clement völ-
    lig einer Meinung. Wir werden sehr eng zusammenarbeiten.

    Ich sage das, damit niemand auch nur einen Moment lang
    glaubt, es könnte zwischen uns Differenzen geben.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Kein Papier passt dazwischen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Lafontaine!)


    Der andere Teil unserer Sparmaßnahmen erfolgt über
    den Abbau von Steuersubventionen. Dazu möchte ich
    Ihnen zunächst eines sagen: Wir machen doch nur das,
    was auch Sie in Ihren Parteiprogrammen fordern. In Ihren
    Parteiprogrammen steht – den Extremfall stellen die For-
    derungen von Herrn Kirchhof dar –: Sämtliche Steuer-
    subventionen müssen abgeschafft und die Steuersätze
    müssen deutlich verringert werden. Die FDP plädiert für
    Stufentarife, während die CDU – Herr Merz, ich hoffe,
    dass ich es richtig sehe – einen linear-progressiven Tarif
    bevorzugt. Der Kern ist aber derselbe: Sämtliche Steuer-
    subventionen müssen abgeschafft werden.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Aber Steuersenkungen!)


    – Verehrter Herr Thiele, Ihre Pläne sehen Steuersenkun-
    gen nur für die oberen Einkommensklassen vor.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nein!)

    Wenn Sie den Eingangssteuersatz nicht senken – das Ge-
    setz schreibt eine Höhe von 15 Prozent vor –, aber die Zu-
    schläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit – ich
    nenne einmal das bekannteste Beispiel –


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    – ich weiß, Sie mögen es nicht hören – von der Steuer-
    freiheit ausnehmen, dann schaffen Sie eine massive Steu-
    erbelastung derjenigen mit geringem Einkommen. Das ist
    der Sachverhalt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bestreite nicht, dass das, was wir tun, Belastungen
    mit sich bringt, und zwar auf beiden Seiten des Haushalts.
    Wenn man bei der Bundesanstalt für Arbeit oder bei der
    Arbeitslosenhilfe Kürzungen vornimmt, etwa dadurch,
    dass man dieselben Anrechnungsvorschriften wie bei der
    Sozialhilfe anwendet, dann nimmt man Menschen Geld
    weg. Wenn man steuerliche Ausnahmetatbestände besei-
    tigt, weil man der Auffassung ist, dass sie ökonomisch gar
    nicht gerechtfertigt sind, da andere Leute sie bezahlen


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Eigenheimzulage!)


    – auf die komme ich gleich zu sprechen, Herr Thiele –,
    dann nimmt man Menschen in der Tat Geld weg oder man
    zwingt sie, mehr zu zahlen.

    Die Änderung der Eigenheimzulage ist übrigens ein
    anderer Fall. Das, was da passiert, finde ich spannend.
    Wenn Sie über dieses Thema reden, erfährt man nie etwas
    Konkretes. Wenn es um den Subventionsabbau geht, dann
    fallen Ihnen immer nur die Subventionen für den Stein-
    kohlebergbau ein. Die Subventionen für den Steinkohle-
    bergbau werden jedes Jahr um 250 Millionen Euro
    zurückgeführt. Im Koalitionsvertrag steht, dass diese
    Rückführung weitergeht.


    (Elke Wülfing [CDU/CSU]: Darüber haben Sie doch nicht verhandelt!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    212


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ich habe mir angesehen, wie Sie es mit den Finanzhil-
    fen und mit den Subventionen gehalten haben. In den Jah-
    ren von 1994 bis 1998, in denen Sie regierten, ist der Um-
    fang der Subventionen, der Steuervergünstigungen und
    anderer Finanzhilfen von 18,1 Milliarden Euro auf 21,2
    Milliarden Euro gestiegen. Wenn man dieselbe Bemes-
    sungsgrundlage für die Jahre 1998 bis 2002, also für die
    Zeit, in der wir die Regierung gestellt haben, anwendet –
    die Ökosteuer lasse ich bei dieser Berechnung außen vor,
    denn sie stellt ein Problem dar; ich komme gleich auf die
    Ökosteuer zu sprechen –, dann stellt man ein Absinken
    des Umfangs der Subventionen, der Steuervergünstigun-
    gen und anderer Finanzhilfen von 21,2 Milliarden Euro
    auf 16,8 Milliarden Euro fest.


    (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt die Oppostion denn dazu?)


    Das ist ein schwieriges Kapitel. Ich erinnere an sämtliche
    im Steuerentlastungsgesetz 1999 beseitigten Ausnahme-
    tatbestände. Der künftige Umfang staatlicher Finanzhil-
    fen wird genau das berücksichtigen, was wir hier vorge-
    schlagen haben.

    Ich will nur wenige Beispiele nennen. Man muss den
    Menschen im Lande schon erklären, warum wir es mit ei-
    nem steuerlichen Privileg versehen, wenn man privat statt
    eines Privatwagens einen Dienstwagen nutzt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Übrigens, wir schaffen dieses Privileg gar nicht ab, son-
    dern wir schränken es nur ein bisschen ein.

    Man muss den Menschen schon erklären, warum die
    Bahn bisher den vollen Mehrwertsteuersatz gezahlt hat –
    das wird auch bis 2005 so sein –, der Flugverkehr aber
    nicht. Was hat das denn mit der Gleichbehandlung der
    Verkehrsträger zu tun?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, Sie müssen den Menschen
    schon erklären – das ist gar nicht so bekannt geworden –,
    warum denn diejenigen, die Kunstgegenstände kaufen,
    mit dem halben Mehrwertsteuersatz bedacht werden, wo-
    bei der halbe Mehrwertsteuersatz die soziale Komponente
    der Mehrwertsteuer war.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Was haben Sie eigentlich in den letzten vier Jahren gemacht?)


    Sie können übrigens bei dieser Gelegenheit studieren,
    wie über Lobbyismus ein ganzes Steuersystem kaputt-
    gemacht wird. Das ist nämlich das Problem der Ein-
    kommensteuer und auch das Problem der Mehrwert-
    steuer.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wir haben das angepackt, wir packen das jetzt auch wie-
    der an.

    Wenn Sie übrigens sagen, das müsse man mit Steuer-
    senkungen kombinieren, muss ich erwidern: Das meiste
    davon wird erst im Jahr 2004 wirksam werden. Dann

    kommt die nächste Steuersenkung, also dann, wenn wir
    dies machen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Steuerreform schieben Sie doch auf! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Jahrhundertreform!)


    Also wird Ihnen diese Ausrede auch nicht zur Verfügung
    stehen.

    Im Übrigen: Alles, was wir im Koalitionsvertrag ver-
    einbart haben, steht in diesem Rahmen. Da sollte sich kei-
    ner täuschen. Das heißt nicht, dass keine konkrete Ge-
    setzgebungsarbeit mehr notwendig sei. Wir haben ja keine
    Gesetze beschlossen, sondern diese sind noch im Einzel-
    nen auszuarbeiten. Deshalb wird es von mir so lange, bis
    der Gesetzentwurf im Kabinett eingebracht ist, auch keine
    öffentlichen Äußerungen dazu geben, weil das keinen
    Sinn machen würde. Danach wird das alles sehr sorgfäl-
    tig in den Beratungen dieses Hauses und des Bundesrates,
    wo dies erforderlich ist, behandelt werden können. Dann
    wird man sehen, wie sich jeder verhält.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Vor der Hessenwahl oder nachher?)


    – Nein, alles wird vor der Hessenwahl eingebracht, ver-
    ehrter Herr, weil wir auch gerne vor der Hessenwahl wis-
    sen wollen, wie es weitergeht. Wir haben es sorgfältig aus-
    tariert, damit es sozial gerecht zugeht und damit es in das
    Konzept des Abbaus von Steuervergünstigungen und
    Subventionen passt. Das ist nämlich der Satz, der dahin-
    ter steht.

    Wir tun das auch, um all das durchhalten zu können,
    was wir immer gewollt haben – Fortsetzung des Konsoli-
    dierungskurses, ausgeglichener Haushalt im Jahr 2006 –,
    um das, was wir bisher zu Schwerpunkten gemacht ha-
    ben – Bildungspolitik, Familienpolitik, Verkehrsinvesti-
    tionen, Aufbau Ost, Energiewende – auch wirklich so, wie
    zugesagt, finanzieren zu können, um die Steuern in den
    Jahren 2004 und 2005 senken zu können. Und das alles
    – das ist schon wahr – in einer schwierigen Zeit.

    Ich habe dazu gegen Ende meiner Rede bei der Ein-
    bringung des Haushalts am 12. September gesagt:

    Meine Damen und Herren, wir haben die Staatsver-
    schuldung eingedämmt. In Zukunft wird die Verfol-
    gung dieses Zieles nicht leichter; das lässt keine
    Schönwetterpolitik zu, sondern erfordert unter je-
    weils veränderten Rahmenbedingungen immer wie-
    der neue schwierige Entscheidungen. Die Situation
    ist schwierig: Es gibt Zusatzbelastungen, die aber,
    wenn wir uns anstrengen, beherrschbar sind.

    Nun, meine Damen und Herren, kommt die spannende
    Frage an Sie: Wir haben ein Konzept auf den Tisch gelegt,
    mit dem diese Wahlperiode mit den Schwerpunkten, die
    ich eben genannt habe, mit all dem, was der Kollege
    Clement heute Morgen zum Thema Arbeitsmarkt darge-
    stellt hat, gestaltet werden kann. Dieses Konzept ist im
    Bereich des Abbaus der Steuersubventionen für diejeni-
    gen, die Subventionen verlieren – ich wiederhole das –,
    eine Belastung.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Steuererhöhungen!)


    Bundesminister Hans Eichel




    Bundesminister Hans Eichel
    – Diese Definition ist neu. Solange Sie, Herr Thiele, das
    in Ihrem Programm stehen hatten, nannten Sie es nicht so.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Doch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Steuererhöhungen sind das!)


    Deswegen sage ich Ihnen nur: Das ist auch ein Ange-
    bot an die Länder und Gemeinden. Denn wenn die
    Steuerschätzung im November auf dem Tisch liegt, wird
    sich erweisen, dass die große Mehrzahl der Entwürfe der
    Länderhaushalte für 2003 verfassungswidrig ist.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer ist daran schuld?)


    Das heißt, es ist eine Menge zu tun im Gesamtstaat. Es ist
    ja nicht nur eine Veranstaltung des Bundes. Die Länder
    haben darauf bestanden, dass sie bei der Möglichkeit, De-
    fizite zu machen, 55 Prozent des gesamtstaatlichen Defi-
    zits eingeräumt bekommen. Das heißt, sie haben auch
    55 Prozent der Verantwortung für diese Veranstaltung.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das sind die Auswirkungen Ihrer Politik!)


    Das heißt, sie werden die Frage beantworten müssen
    – hier im Bundestag kommen Sie vielleicht so durch, aber
    nicht in den Ländern und nicht im Bundesrat, in dem Sie
    jetzt die Mehrheit stellen –, wie sie mit dieser Situation
    umgehen. Ein Angebot des Bundes, das auch den Ländern
    hilft, das auch die Kommunalfinanzen stärkt, liegt auf
    dem Tisch – nicht bequem, nicht unbedingt populär, das
    bestreite ich nicht. Es gibt auch kein bequemes, kein po-
    puläres Angebot in einer solchen Situation.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber Sie und die von Ihnen regierten Länder werden ge-
    fragt werden, wie Sie damit umgehen. Ich fürchte, Sie wer-
    den sich überlegen, die Antworten erst nach dem 2. Fe-
    bruar 2003 zu geben.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich auch!)


    Unsere liegen auf dem Tisch.
    Ich sage Ihnen: Alles, was Sie vor der Wahl in Ihr Pro-

    gramm geschrieben haben, können Sie glatt vergessen.
    Familiengeld würde es, wenn Sie an der Macht wären,
    nicht geben. Steuersenkungen über die hinaus, die in un-
    serem Gesetz stehen, würde es zu keinem Zeitpunkt ge-
    ben. Die Eigenheimzulage, die Sie, sehr verehrter Herr
    Thiele, völlig nach oben öffnen wollten, würde es nicht
    geben. Sie müssten Ihre gesamten Wahlprogramme in die
    Tonne werfen. In der Situation, meine Damen und Herren,
    befänden Sie sich, wenn Sie regierten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


    Das alles ist nur insofern tragisch, als es zeigt, dass Ihre
    Antworten in keinem Fall zu einer Lösung der Probleme
    geeignet waren. Dagegen gibt das, was wir jetzt auf den
    Tisch gelegt haben – auch wenn die Umsetzung schwie-
    rig ist –, Antworten auf die Probleme dieses Landes und
    darauf, wie wir uns den Weg in die Europäische Union

    und unsere Verantwortung für die Stabilität der gemeinsa-
    men Währung vorstellen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Staatsquote steigt! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Staatsquote und Steuern erhöht!)


    Sie, verehrter Herr Thiele, haben gestern und heute
    nicht eine einzige Antwort auf die Frage gegeben, was Sie
    tun würden.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keine Erhöhung!)


    Ich prophezeie Ihnen: Damit kommen Sie bis zum 2. Fe-
    bruar nicht durch. Sie werden zumindest in den Ländern,
    in denen Sie regieren, gezwungen sein, zu sagen, was Sie
    machen wollen, damit trotz der Situation, die wir heute
    haben, die Zukunft gewonnen werden kann. Unser Kon-
    zept liegt auf dem Tisch.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Staatsquote steigt! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die Steuerlastquote, die Staatsquote, die Abgabenquote steigen!)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nächster Redner in der Aussprache ist der Kollege

Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dietrich Austermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat sel-

    ten einen Finanzminister gegeben, der mit den Zahlen of-
    fensichtlich so auf dem Kriegsfuß steht wie der, der vor
    mir gesprochen hat.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh!)


    Ich muss feststellen, dass keine einzige Zahl von denen, die
    Sie, Herr Eichel, bezüglich der Beschreibung der Vergan-
    genheit und der gegenwärtigen Situation genannt haben,
    zutreffend ist. Ich könnte Ihnen das jetzt dezidiert anhand
    eines ganzen Katalogs von Feststellungen deutlich machen.


    (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bitte nicht!)


    Das würde allerdings mein Konzept, das ich mir für heute
    erstellt habe, ein bisschen durcheinander bringen.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade aber auch!)


    Ich möchte allerdings das eine oder andere doch im Rah-
    men dieser Rede aufgreifen.

    Zunächst möchte ich feststellen, dass Sie die Person
    sind, an der die Wähler festmachen, dass sie bei dieser
    Wahl offensichtlich getäuscht worden sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Vor der Wahl sagten sie: Wenn es jemanden gibt, von dem
    ich erwartet hätte, dass er die Wahrheit sagt, dann dürfte


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    214


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    das Hans Eichel sein. Sie mussten dann aber feststellen,
    dass all das, was Sie vor der Wahl zum wirtschaftlichen
    Wachstum, zu den Steuereinnahmen, zur Neuverschul-
    dung und zur Perspektive des Defizitkriteriums gesagt ha-
    ben, falsch und gelogen war. Ich habe angenommen, Sie
    kommen ganz klein hierher und sagen: Liebe Leute, es tut
    mir Leid, ich muss mich entschuldigen; ich habe euch alle
    getäuscht, das war weder Absicht noch Dummheit. – Etwas
    Derartiges hätten Sie heute meines Erachtens sagen müssen.

    Es kann nicht angehen, dass jemand, der eine Armee
    von Mitarbeitern – 2 100 Mitarbeiter – befehligt, sagt, er
    habe das alles nicht gewusst, da er sich auf die Sachver-
    ständigen beziehen und auf das vertrauen musste, was die
    sagen. So werden Sie sich wahrscheinlich auch bezüglich
    der Steuerschätzung im November verhalten: Wenn die
    nicht mit den vorherigen übereinstimmt, sind dann wohl
    wieder die anderen schuld. Ich habe zwei Mitarbeiter, Sie
    haben 2 100. Diese zwei sind ehemalige Mitarbeiter des
    Finanzministeriums. Ich habe den Eindruck, dass, als sie
    dort weggegangen sind, mit ihnen auch der Sachverstand
    verschwunden ist.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Diese Mitarbeiter und ich haben seit zwei Jahren ge-
    warnt. Im November 2000 habe ich gesagt, es ziehen dun-
    kle Wolken am Konjunkturhimmel auf. Da haben Sie ge-
    lacht. Als Sie von Ihrer Steuerreform als der größten
    Steuerreform des Jahrhunderts gesprochen haben, haben
    wir gesagt: falsch angelegt, bestraft den Mittelstand. Wir
    haben vor einem Jahr gesagt, dass die Weichen in die
    falsche Richtung gestellt sind und genau das eintreten
    wird, was auch Sie heute beklagen, nämlich dass die
    Steuereinnahmen wegbrechen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Genau so!)

    All das kanzelten Sie als falsch und unseriös ab.

    Noch wenige Tage vor der Wahl, am 12. September,
    haben Sie hier gesprochen und fast die gleiche Rede ge-
    halten; eigentlich hätten Sie nur das Datum ändern müs-
    sen. Da sagten Sie, alles das, was die Union vorschlägt,
    koste viel Geld und sei falsch. Nein, Herr Eichel, Sie ha-
    ben die Menschen belogen.

    Im Zusammenhang mit dem Thema Wirtschaft ist ges-
    tern von Bilanzfälscherei die Rede gewesen. Die Bundes-
    regierung hat im Juni eine Broschüre versendet. Diese
    Broschüre hat sie „Geschäftsbericht der Bundesregie-
    rung“ genannt und damit so getan, als sei Deutschland
    eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft. Nach den in die-
    sem Geschäftsbericht angegebenen wirtschaftlichen Eck-
    daten müssten Sie angesichts dessen, was ich Ihnen gleich
    vorrechnen werde, in diesem Jahr Konkurs anmelden.
    Natürlich müsste man dabei auch darüber nachdenken
    – leider ist es dafür jetzt zu spät; wir werden vier Jahre
    darauf warten müssen –, so schnell wie möglich das
    Führungspersonal auszuwechseln, und zwar Sie, Herr
    Eichel, an erster Stelle.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte Ihnen jetzt darstellen, weshalb die Neuver-

    schuldung die genannten Konsequenzen haben müsste.
    Statt der für dieses Jahr erwarteten Neuverschuldung von

    21Milliarden Euro oder 42Milliarden DM – in Euro klin-
    gen die Beträge immer so niedlich, vor allem dann, wenn
    man die jetzigen Eurobeträge mit den DM-Beträgen der
    Vorjahre vergleicht – wird die tatsächliche Neuverschul-
    dung 35 Milliarden Euro betragen. Das sind rund 14 Mil-
    liarden Euro mehr Neuverschuldung, als im Haushalt vor-
    gesehen. Zur Größenordnung der Neuverschuldung hat
    der Finanzminister übrigens keinen einzigen Satz gesagt.
    Die Neuverschuldung wird sich in diesem Jahr also auf
    70 Milliarden DM – den Betrag von 35 Milliarden Euro
    kann man ja grob im Verhältnis von 1 : 2 in D-Mark um-
    setzen – belaufen. Das wird die höchste Neuverschuldung
    der Nachkriegszeit sein. Für den Fall, dass dieser Betrag
    vielleicht früher doch schon einmal überschritten worden
    sein sollte, müsste mich der Kollegen Carstens korrigieren.

    Wenn Sie in dieser Situation sagen, das, was die Op-
    position wolle, führe zu höherer Neuverschuldung, die
    jetzige Opposition habe in früheren Jahren zu viele Schul-
    den gemacht, dann ist das bei 35 Milliarden Euro Neu-
    verschuldung in diesem Jahr geradezu blamabel.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Zuruf von der CDU/CSU: Primitiv ist das!)


    Man kann auch die anderen Angaben in dem „Ge-
    schäftsbericht der Bundesregierung“ nehmen, um das zu
    zeigen.

    Natürlich wird die Nettokreditaufnahme deutlich über
    der Investitionssumme liegen.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    Der Haushalt ist also verfassungswidrig.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    Das alles sagen wir Ihnen schon seit einem Dreiviertel-
    jahr. Ist das etwa unseriös gewesen?

    Dabei haben wir übrigens auch dargelegt, dass sich die
    Steuereinnahmen so entwickeln werden, wie sie sich
    jetzt tatsächlich entwickelt haben. Bei Ihnen gibt es of-
    fenbar nur die Steuereinnahmen von September, nicht die
    von Januar, Februar, März, April, bei denen diese Ent-
    wicklung auch schon festzustellen war.

    Als wir rechtzeitig darauf hingewiesen haben, dass im
    letzten und in diesem Jahr bei der Körperschaftsteuer ein
    Loch entstehen werde, haben Sie auch das als falsch dar-
    gestellt und gesagt, das alles werde sich ändern, auch der
    Sachverstand Ihres Hauses sage, dass das in diese Rich-
    tung gehe. Ich möchte Ihre Mitarbeiter nicht beleidigen.
    Darunter sind viele gute Leute, auch Unionsmitglieder. Es
    müssen also auch gute Leute sein. Aber wenn Sie verhin-
    dern, dass diese Leute ihren Sachverstand in die Arbeit
    einbringen, dann brauchen Sie sich über das Ergebnis
    nicht zu wundern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das gilt speziell für das Thema der Neuverschuldung.

    Sie sind der Finanzminister, der in diesem Jahr einen
    verfassungswidrigen Haushalt zu verantworten hat. So,
    wie sich die Dinge entwickeln, wird sich das im nächsten
    Jahr wiederholen. Die Investitionen gehen ja zurück.

    Dietrich Austermann




    Dietrich Austermann
    Dann kommt Herr Müntefering und sagt: Wir machen ein
    Investitionsprogramm mit 90 Milliarden Euro – nicht ge-
    sagt hat er, ob das in zehn, 20 oder 50 Jahren sein soll.

    Im letzten Jahr unserer Regierungszeit – der Vergleich
    zwischen 1998 und heute ist ja interessant – gab es Inves-
    titionen in der Größenordnung von 29 Milliarden Euro
    und bei Ihnen sind es in diesem Jahr 25 Milliarden Euro.
    Das sind 4 Milliarden Euro oder 8 Milliarden DM weni-
    ger. Wenn das im nächsten Jahr unter Berücksichtigung
    der Inflationsrate auf dem gleichen Niveau bleibt, dann
    werden Sie zugeben müssen, dass die Investitionen bei Ih-
    nen ständig zurückgegangen sind bzw. zurückgehen.

    Die jetzige Regierung setzt auf höhere Neuverschul-
    dung und stärkere Belastung der Bürger. Wir haben ein-
    mal ausgerechnet, welche Belastungen die Festlegungen
    in dem Koalitionsvertrag für Bürger und Betriebe mit sich
    bringen. Unter Berücksichtigung der vorgesehenen Kür-
    zungen bei den Zuschüssen an die Bundesanstalt für Ar-
    beit, der Entwicklung bei den Steuereinnahmen usw.
    kommen wir auf eine Größenordnung von 103 Milliar-
    den Euro an zusätzlichen Belastungen von Bürgern und
    Betrieben in den kommenden vier Jahren.

    Die Regierung ist nicht in der Lage – das ist der ent-
    scheidende Fehler, den die Regierung macht –, ein Kon-
    zept vorzulegen, das die Perspektive erkennen lässt – der
    Kollege Merz hat bereits darauf hingewiesen –, dass es
    mehr wirtschaftliches Wachstum geben könnte. Jede Dy-
    namik wird totgetrampelt,


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    jede Möglichkeit, das wirtschaftliche Wachstum zu stär-
    ken, wird trotz der bestehenden schwierigen Situation ne-
    giert. Angesichts dessen kann gar nichts anderes als eine
    pessimistische Zukunftserwartung eintreten. Das ist das
    entscheidende Problem: Wie soll die Wirtschaft bei immer
    höheren Steuern, höheren Sozialabgaben und höheren Be-
    lastungen von Bürgern und Betrieben in Gang kommen?
    Da Sie das genau so machen, ist es unpassend, wenn Sie
    sechs Wochen nach der Wahl jetzt Hilfe suchend fragen,
    was die Union meint, wie deren Alternative aussieht.

    Die Alternative hat sich übrigens nicht geändert.
    Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen: Wir haben

    vorgeschlagen, zur Finanzierung der Fluthilfe den
    Bundesbankgewinn zu verwenden. Auch im nächsten
    Jahr wird es einen Bundesbankgewinn geben. Dazu haben
    Sie gesagt: Wenn wir diesen Gewinn einsetzen, haben wir
    400 Millionen Euro mehr für Zinsen zu zahlen. – Allein
    die zusätzlichen Schulden in Höhe von 14,5 Milliarden
    Euro, die Sie in diesem Jahr machen, bedeuten im nächs-
    ten Jahr und bis zum Ende der Rückzahlung zusätzliche
    Zinsen in Höhe von 800 Millionen Euro. Das ist das Dop-
    pelte von dem, was wir einsetzen wollten, um im Rahmen
    der Flutkatastrophe zu helfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie sagen, das sei ein kleines Konjunkturprogramm.
    Jedermann ist doch klar, dass Sie das, was Sie in den
    neuen Bundesländern mit unserer Unterstützung ausge-
    ben, an anderer Stelle abziehen. Dieser Konjunkturimpuls
    fehlt woanders. Im Moment fragen doch die Bürger

    beängstigt: Was wird denn aus unserer Ortsumgehung?
    Was passiert an dieser oder jener Stelle? Was wird mit den
    Einnahmen der Gemeinden?

    Damit bin ich bei einem weiteren Punkt, bei der Situa-
    tion der Länder und Gemeinden. Auch hierzu haben Sie,
    Herr Eichel, falsche Zahlen genannt. Die Steuerverteilung
    hat sich in den letzten vier Jahren so verändert, dass der
    Anteil des Bundes immer fetter geworden ist und der
    Anteil von Ländern und Gemeinden immer kleiner. Jetzt
    wollen Sie den Gemeinden ein Geschenk machen, indem
    Sie sagen: Was bei der Hartz-Kommission eingespart
    wird, das dürft ihr behalten. – Das heißt, in nächster Zeit
    bessert sich bei den Gemeinden überhaupt nichts.


    (Vorsitz: Vizepräsidentin Susanne Kastner)

    Sie stellen weiterhin fest, dass wahrscheinlich eine

    große Zahl von Ländern – übrigens meist SPD-regierte
    Länder – im nächsten Jahr verfassungswidrige Haushalte
    vorlegen werden.


    (Wolfgang Clement, Bundesminister: Fragen Sie mal in Hessen nach!)


    – Herr Clement, das gilt natürlich in besonderem Maße für
    Nordrhein-Westfalen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er ist ja noch Ministerpräsident!)


    Sie haben ja offensichtlich viel von dem, was Sie dort hin-
    terlassen haben, abgestreift. Der Frohmut, der in Ihren
    Gesichtszügen zu erkennen ist, zeigt, an welcher Dyna-
    mik es gefehlt hat.

    Meine Damen und Herren, ich möchte etwas dazu sa-
    gen, was es bedeutet, dass wir die Gemeinden so schlecht
    behandeln und sich ihre finanzielle Situation so schlecht
    entwickelt hat. Das macht sich bei der Jugendförderung,
    der Kultur, den Volkshochschulen und dergleichen mehr
    bemerkbar. Es ist kein Geld mehr vorhanden; freiwillige
    Leistungen gibt es nicht mehr. Die Gemeinden sind nicht
    mehr in der Lage – übrigens auch die Länder –, ihren ei-
    genen Anteil aufzubringen, um Hilfen des Bundes und der
    EU in Anspruch zu nehmen.

    Wozu führt das? Das führt dazu, dass Sie, Herr Eichel, die
    Strukturhilfe der EU, die für die neuen Bundesländer vor-
    gesehen war – dies war in diesem Jahr eine Größenordnung
    von etwa 4,5 bis 5 Milliarden Euro –, in den Sack stecken.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Skandal!)

    Sie verringern damit die Neuverschuldung. Akzeptiert!
    Aber dies bedeutet doch zunächst einmal, dass den neuen
    Ländern diese Strukturhilfe, diese Unterstützung, in einer
    solchen Größenordnung fehlt.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Ganz falsch!)

    Das ist übrigens ein Betrag, der höher ist als das, was im
    Rahmen der Fluthilfe wieder ausgeschüttet wird. Das
    heißt, die strukturschwachen Länder werden doppelt be-
    trogen: einmal durch Ihre saumäßige Politik und zum an-
    deren dadurch, dass Sie ihnen die Mittel, die ihnen ei-
    gentlich zustehen, entziehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Unglaublich!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    216


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    – Ich glaube nicht, dass bei dem Wust von Verdrehungen,
    von falschen Zahlen, von dem, was den Bürgern über Mo-
    nate hinweg vorgegaukelt worden ist,


    (Joachim Poß [SPD]: Sie haben doch getäuscht! Sie haben doch den Bürgern jeden Tag im Wahlkampf etwas versprochen!)


    irgendeine Wortwahl zu drastisch sein könnte, um die Si-
    tuation zu beschreiben. Sie müssten lange darum betteln,
    dass wir das vergessen. Aber wir werden es nicht ver-
    gessen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Sie sind ein gemeiner Lügner!)


    – Herr Poß, das wäre einen Ordnungsruf wert. Aber ich
    nehme Sie als Experten in diesem Bereich sowieso nicht
    mehr ernst.

    Ich möchte etwas zu dem Thema „3-Prozent-Krite-
    rium“ sagen. Es wird davon gesprochen, dass wir bei der
    Einhaltung des europäischen Stabilitätspaktes mehr
    Flexibilität benötigen. Flexibilität ist vorhanden. Die Län-
    der der EU sind berechtigt, sich pro Jahr bis zu 3 Prozent
    des Bruttoinlandsproduktes neu zu verschulden. Das be-
    deutet für Deutschland 60 Milliarden Euro. Das heißt,
    ich habe in Höhe von 60 Milliarden Euro Luft, kann also
    flexibel sein.

    Sie haben aber einen wesentlichen Teil nicht nur dazu
    beigetragen, dass diese 60 Milliarden überschritten wor-
    den sind, sondern auch dazu, dass die Länder zum Teil
    nicht in der Lage waren, ausgeglichene Haushalte vorzu-
    legen. Sie haben mit Ihrer Politik dazu beigetragen, dass
    sich die Sozialkassen, deren Ausgaben in diesem Zusam-
    menhang hinzuzurechnen sind, in einer ähnlichen Situa-
    tion befinden. Wenn Sie das alles addieren, kommen Sie
    auf ein Defizit von etwa 70 Milliarden Euro in diesem
    Jahr. Das sind mindestens 3,5 Prozent. Diese Zahl habe
    ich Ihnen zu Beginn des Jahres genannt. Sie haben sie da-
    mals aber als unseriös bezeichnet, weil Ihre Mitarbeiter sie
    noch nicht bestätigt hatten oder nicht bestätigen durften.

    Angesichts der Tatsache, dass wir, die wir vor Jahren
    den Stabilitätspakt im Interesse einer stabilen Währung
    und der Menschen durchgesetzt haben, von Ihnen vor
    sechs Wochen dafür noch kritisiert worden sind und dass
    Sie dieses Kriterium jetzt verletzen, können Sie sich nicht
    herausreden, es habe bisher an Flexibilität gefehlt. Sie be-
    gehen einen Kardinalfehler, wenn Sie die Verschuldung
    so hochtreiben, weil dadurch in der Tat die nachfolgenden
    Generationen in der Zukunft belastet werden.

    Das Stichwort Nachhaltigkeit taucht im Koalitions-
    vertrag schätzungsweise 40- bis 50-mal auf.


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: 82-mal!)

    Ist es eine nachhaltige Finanzpolitik – Sie haben immer
    davon gesprochen, dass Sie eine solche machen würden –,
    wenn man die Schulden dermaßen erhöht und die Kon-
    junktur belastet?


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist eine gefälschte Finanzpolitik! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist nachhaltiger Betrug!)


    Konjunktur ist ein gutes Stichwort. Es wird immer da-
    von gesprochen, dass die Weltkonjunktur auf unser Land
    hereingebrochen sei. Aber merkwürdigerweise gilt das in
    dem gleichen Maße nicht für andere Länder.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht wahr!)


    – Es wird doch immer gesagt, dass die Weltkonjunktur
    uns besonders belastet. Warum belastet sie nicht gleicher-
    maßen andere Länder innerhalb der EU?


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Sie belastet auch andere! Frankreich!)


    Wir haben das Glück, dass wir aufgrund eines relativ ho-
    hen Exports noch gut dastehen. Aber die Probleme haben
    ihre Ursachen im Inland; sie sind hausgemacht. Dafür
    trägt die rot-grüne Regierung die Verantwortung.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Verschlechterung der Konjunktur ist im Wesent-

    lichen auf eine Entwicklung zurückzuführen, die durch
    die Verschlechterung der Rahmenbedingungen in Gang
    gesetzt wurde. Insofern trägt die Regierung eine Mitver-
    antwortung für die Konjunktur. Da hilft Ihnen auch nicht,
    dass Sie auf uns zeigen und uns fragen, wo unsere Vor-
    schläge sind.


    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir immer noch nicht!)


    – Das sage ich Ihnen gleich, Frau Scheel.

    (Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Da bin ich gespannt!)

    Ihr Finanztableau stimmt nicht. Unsere Rezepte müssen
    nicht geändert werden. Wir müssen durch mutige Schritte
    unsere Ziele erreichen.


    (Joachim Poß [SPD]: Das war sehr konkret!)

    Ich hätte der Regierung zunächst einmal Mut zur Wahr-

    heit gewünscht. Sie sollten zugeben, was in der Vergan-
    genheit falsch gelaufen ist.


    (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie mal an! Das ist eine lange Liste!)


    Sie müssen jetzt sagen, wohin die Entwicklung führen
    soll. Eine Haushalts- und Finanzpolitik, die sich in der Er-
    höhung von Steuern und Abgaben erschöpft, ist nicht ge-
    eignet, wirtschaftliches Wachstum zu fördern und mehr
    für Beschäftigung zu tun.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

    Mit diesem Programm wird die Regierung nicht die
    Kräfte entfesseln, die für den Schub, den dieses Land so
    dringend braucht, nötig wären.

    Wir haben vor der Wahl unsere Alternative am Beispiel
    der Fluthilfe deutlich gemacht. Ich möchte sie wiederho-
    len: Auch im nächsten Jahr wird ein Bundesbankgewinn
    in erheblichem Umfange anfallen. Ich denke, dass man-
    che Debatte, die wir in der Vergangenheit geführt haben,
    wieder aufgenommen werden muss.

    Dietrich Austermann




    Dietrich Austermann

    Ich möchte einen Punkt erwähnen, der sicherlich für
    die nächste Zeit von erheblicher Bedeutung ist: Wir müs-
    sen wirklich einmal anfangen zu sparen.


    (Joachim Poß [SPD]: Fangen Sie in Ihrer Partei mal an mit den Vorschlägen! Setzen Sie sich mal in Ihrer Fraktion durch!)


    Ich bin ein bisschen darüber erstaunt, wie lange Ihnen die
    Menschen geglaubt haben, dass Sie es mit dem Sparen
    ernst meinen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Sparen hat zunächst einmal mit der Reduzierung von Aus-
    gaben zu tun. Haben Sie in den letzten dreieinhalb Jahren,
    in denen Sie Finanzminister sind, Ausgaben in der Summe
    reduziert? Wenn ich den Vergleich von 1998 zu 2002
    ziehe, dann stelle ich fest, dass der Staatskonsum ausge-
    weitet worden ist


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    und die Investitionen zurückgegangen sind. Wenn ich das
    Koalitionspapier betrachte, dann kann ich keine Stelle
    entdecken, an der Ausgaben begrenzt werden. Die Ausga-
    ben der Bundesanstalt für Arbeit betreffen ja nicht direkt
    den Bundeshaushalt.

    Sie erhöhen Steuern und nennen das Subventions-
    abbau.


    (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Subventionsabbau! – Joachim Poß [SPD]: Sie doch auch in Ihrem Konzept!)


    Sie denken sich, Gott sei Dank kann die Staatskasse sa-
    niert werden, weil die Weihnachtsbäume, Zahnprothesen
    und Strohballen teurer werden. Besser kann man nicht
    verdeutlichen, wie kleinkariert eine Politik ist, die auf
    solche Steuererhöhungen setzt. Wenn die Mitbürger in
    sechs Wochen ihren Weihnachtsbaum kaufen, dann müs-
    sen sie wissen, dass Herr Eichel mit einem Euro dabei ist.
    Das ist Ihre Zukunftspolitik.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Eichel, der Weihnachtsmann!)


    Wir fordern Sie auf, tatsächlich mit dem Sparen zu
    beginnen. Das bringt nach unserer Schätzung 2 Mil-
    liarden Euro. Wir fordern eine drastische Senkung der
    Steuern und eine Begrenzung der Abgaben.

    Ich will Ihnen einmal vorrechnen, wie sich das Steuer-
    experiment mit den Kapitalgesellschaften ausgewirkt hat.
    Im Jahre 2000 wurden 44 Milliarden DM an Körper-
    schaftsteuern eingenommen. Im Jahr 2001 waren es
    0 DM. Das bedeutet ein Minus von 44 Milliarden DM. In
    diesem Jahr betragen die Einnahmen aus der Körper-
    schaftsteuer ebenfalls 0 DM. Das bedeutet noch einmal
    ein Minus von 44 Milliarden DM. Das ergibt in der
    Summe ein Minus von fast 100 Milliarden DM. Das ist
    fast so viel wie der Betrag, den Sie beim Verkauf der
    UMTS-Lizenzen erzielt haben.

    Diesen Betrag, 100 Milliarden DM oder fast 50 Milli-
    arden Euro, hat man durch eine falsch angelegte Steuer-
    reform verplempert. Wenn jemand anfängt, eine Alterna-

    tive aufzubauen, muss er eine Steuerreform machen, die
    dazu beiträgt, dass der Mittelstand entlastet wird und
    Investitionen ermöglicht werden. Die Menschen müssen
    wieder Mut zum Investieren finden. Wir brauchen aber
    keine Steuerreform, die Lasten nur einseitig verschiebt.

    Ein ganz wesentlicher Aspekt: Wir sagen, die Steuern
    müssen gesenkt werden. Es gilt eine alte Erfahrung: Je
    niedriger die Steuern sind, umso mehr nimmt der Staat ein.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hätten keine Probleme, wenn das stimmen würde!)


    – Wenn Sie es denn machten, wäre es in Ordnung; aber Sie
    machen es nicht.

    Das kann man doch berechnen: Wie viel Steuern haben
    wir 1998 eingenommen und wie viel werden wir voraus-
    sichtlich in diesem Jahr einnehmen? Von diesem Betrag
    müssen wir den Anteil der Körperschaften abziehen, dann
    müssen wir uns fragen: Wer hat denn die Steuern aufge-
    bracht, die die Körperschaften nicht bezahlt haben? Das
    müssen doch die Bürger und Betriebe gewesen sein.


    (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

    Wenn das Steueraufkommen nicht gesunken ist, dann

    muss doch einer die Differenz bezahlt haben. Die Kör-
    perschaften waren es nicht; also waren es der Mittelstand,
    die normalen Bürger, die Arbeitnehmer. Genau sie haben
    die Steuern bezahlt und darin liegt das Problem.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen über neue Wege

    nachzudenken; der Kollege Laumann hat das bereits aus-
    geführt. Das betrifft die Annäherung der Arbeitslosenhilfe
    an die Sozialhilfe, die Begrenzung der Sachleistungen auf
    Pauschalbeträge und mehr soziale Gerechtigkeit; denn
    viele erhalten Unterstützungen, die sie eigentlich nicht
    brauchen.

    Ein weiterer Punkt unserer Alternative: Wir müssen die
    Strukturhilfe der EU, wenn sie denn zurückfließt, auch de-
    nen zukommen lassen, die darauf Anspruch haben, weil
    sie in strukurschwächeren Regionen wohnen.

    Zu diesem Bündel von konkreten Maßnahmen – ein paar
    habe ich genannt – müssen noch schnelle Schritte zum Ab-
    bau bürokratischer Hemmnisse kommen. Wir brauchen
    die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und
    mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Das kostet nichts.
    Der Kollege Merz hat bereits darauf hingewiesen: Diese
    Schritte können wir in diesem Jahr schnell machen.

    Was wir aber nicht schnell durchziehen werden und
    nicht wieder durchgehen lassen, ist, dass Sie eine Haus-
    haltsberatung für den Haushalt des kommenden Jahres
    durchführen, die auf falschen Daten basiert und mit der
    Sie wieder einmal versuchen, das Parlament zu übertöl-
    peln. Nein, Sie müssen bei der Wahrheit bleiben oder
    – wie in diesem Fall – zur Wahrheit zurückkehren.

    Mehr oder weniger offen klagen auch SPD-geführte
    Bundesländer über falsche Weichenstellungen im Koali-
    tionsvertrag. Der ganze Vertrag ist unbrauchbar, er ist kein
    Wegweiser in die Zukunft. Ohne Korrekturen verschlech-
    tern sich Beschäftigungsmöglichkeiten, Wachstumser-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    218


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    wartungen und Investitionsbereitschaft. Kehren Sie um,
    damit unser Land nicht weiter Schaden nimmt!

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)