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ID1500502900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Wend


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Herr Merz, vielen Dank – so viel Zeit muss sein – für
    Ihre Fürsorglichkeit gegenüber der SPD-Fraktion im Zu-
    sammenhang mit Ministerernennungen. Wir wissen diese
    Fürsorglichkeit sehr zu schätzen. Sie rührt uns deshalb so
    besonders an, weil sie von einem Mann kommt, der am
    besten weiß, wie es ist, wenn persönliche Blütenträume
    nicht in Erfüllung gehen.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das war ja etwas ganz Tolles!)


    Lassen Sie mich aber in der Sache auf folgende zwei
    Probleme hinweisen. Ich weiß – das ist an unsere Adresse
    gerichtet –, wie schwierig es sein wird, zwei Dinge – und
    dann auch noch gleichzeitig – in den Griff zu bekommen.
    Das eine ist das Thema Haushaltskonsolidierung, das an-
    dere der Versuch, gleichzeitig im Rahmen unserer Wirt-
    schafts- und Finanzpolitik Impulse für Wachstum und Be-
    schäftigung zu setzen. Ist es überhaupt möglich, in einer
    solchen Situation, in der wir uns jetzt befinden, diese bei-
    den Ziele, die Haushaltskonsolidierung und das Setzen
    von Impulsen für Wachstum, miteinander zu verbinden?

    Ich beginne mit der Thematik „Bekämpfung des
    strukturellen Haushaltsdefizits“. Ich glaube, unter uns
    ist unstreitig, dass wir uns dies vornehmen müssen, übri-
    gens auch aus ökonomischen Gründen. Denn dauerhaft
    niedrige Zinsen sind Voraussetzung für Wachstum und
    Beschäftigung. Wir müssen es natürlich auch aus Grün-
    den der Generationengerechtigkeit tun.

    In diesem Zusammenhang hat uns Frau Merkel gestern
    vorgeworfen, wir würden bei der Haushaltskonsolidie-
    rung Vermieter, Mieter, Häuslebauer, Unternehmer, Ar-
    beitnehmer und Arbeitslose belasten. Die bittere Wahrheit
    ist: All das stimmt; das werden wir tun müssen. Deswe-
    gen habe ich drei Bemerkungen in Richtung CDU/CSU.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hätten Sie das doch vor der Wahl gesagt!)


    Erste Bemerkung. Sie haben im Wahlkampf und auch
    heute in Person von Herrn Merz vorgeschlagen, die
    Staatsquote auf 40 Prozent zu reduzieren. Das bedeutet,
    dass der Staat jedes Jahr etwa 170 Milliarden Euro weni-
    ger ausgeben müsste als bisher.


    (Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


    Das ist weit mehr als das Zehnfache des Betrages, den wir
    im Rahmen der Haushaltskonsolidierung einsparen wol-
    len, was mit schmerzhaften Maßnahmen für viele Bürge-
    rinnen und Bürger verbunden ist. Deswegen frage ich Sie:
    Wie wollen Sie es schaffen, nicht nur den Konsolidie-
    rungsbetrag, den wir anstreben, sondern die von Ihnen ge-
    nannten 170 Milliarden Euro jährlich einzusparen, ohne
    gleichzeitig die Menschen in diesem Land zu belasten?
    Mir ist es ein Rätsel, wie Sie das schaffen wollen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die zweite Bemerkung. Ja, es ist wahr, wir werden
    ganz vielen Menschen – beispielsweise Unternehmern,
    Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Vermietern und Mietern –
    etwas zumuten müssen. Glauben Sie uns: Die Menschen
    wissen, dass sich in diesem Lande etwas bewegen muss
    und dass jede und jeder Einzelne seinen Beitrag dazu leis-
    ten muss. Jeder Leitartikler macht es sich zu leicht, wenn
    er auf der einen Seite schreibt, dass durch unser Land ein
    Ruck gehen muss und dass jeder seinen Beitrag dazu leis-
    ten muss, damit in diesem Land etwas bewegt werden
    kann. Wenn es aber konkret wird und die Konsolidie-
    rungsmaßnahmen auf dem Tisch liegen, sodass man sehen
    kann, an welcher Stelle jeder Einzelne belastet wird, dann
    zieht man auf der anderen Seite regelmäßig den Schwanz
    ein und schreibt, dass diese Maßnahmen falsch seien. Da-
    mit erzeugt man bei den Bürgerinnen und Bürger das Ge-
    fühl, als ginge eine Haushaltskonsolidierung ohne Ein-
    schnitte und ohne Belastung der Menschen vonstatten.
    Wer so redet, der sagt den Menschen in unserem Land
    nicht die Wahrheit. Auch das muss ich Ihnen vorwerfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So war die SPD vor der Wahl!)


    Die dritte Bemerkung. Vielleicht täusche ich mich und
    Sie schaffen es, 170 Milliarden Euro weniger auszugeben
    und gleichzeitig keinen einzigen Menschen in unserer
    Gesellschaft zu belasten. Dann haben Sie den Nobelpreis
    für Wirtschaft verdient.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch eine reine Rechtfertigungsrede!)


    Aber Sie konnten in diesem Hause noch nicht einmal eine
    einzige Maßnahme nennen, mit der Sie auch nur einen
    Bruchteil dieser 170 Milliarden Euro, die Sie als Einspar-
    potenzial bezeichnen, einsparen. Dazu ist heute Morgen
    aus Ihrem Munde nichts, aber auch gar nichts gekommen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich sage, dass Einsparungen, auch bittere Einsparun-
    gen, sein müssen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben die Leute angelogen!)


    Gleichzeitig aber müssen wir Impulse für Wachstum und
    Beschäftigung setzen. Der neue Minister hat einige inter-
    essante Maßnahmen genannt, was die Mittelstandsförde-
    rung angeht. Ich nenne als Stichwort „Entbürokratisie-
    rung“. Warum kommen wir mit der Entbürokratisierung
    nicht genügend voran?


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    202


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ich weiß, wie schwierig es ist, in diesem Bereich Fort-
    schritte zu erzielen. Daher habe ich in diesem Zusam-
    menhang eine Bitte an die Opposition. Wenn von Ent-
    bürokratisierung die Rede ist, dann beschränken Sie sich
    bitte nicht auf die Wiederholung der immer gleichen Phra-
    sen wie Einschränkung der Betriebsverfassung, der Tarif-
    autonomie und der Teilzeitarbeit.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Alles Fehlentwicklungen!)


    Bekämpfung der Bürokratie heißt für die SPD nicht
    Bekämpfung von Arbeitnehmerrechten.


    (Beifall bei der SPD)

    Das muss Ihnen klar sein. Wir haben schon die Erwartung,
    dass Sie mitarbeiten, wenn es um die Frage geht, wie wir
    Genehmigungsfristen und die Zeitdauer, die die Institu-
    tionen für Entscheidungen brauchen, verkürzen können
    und wie wir Mehrfachprüfungen von Behörden ein-
    schränken und verhindern können. All das sind schwie-
    rige Aufgaben, denen wir uns zu stellen haben.

    Man kann sich über viele Punkte in der Rede von Frau
    Kopp streiten. Aber ich bin ihr dankbar, dass sie ein paar
    Anregungen für die Bekämpfung der Bürokratie gegeben
    hat, die wir aus meiner Sicht in die Prüfung einbeziehen
    sollten.

    Meine Damen und Herren, ich will sagen: Wir wissen,
    wie schwierig diese Aufgabe ist. Wir werden die Aufga-
    ben nicht schultern können, wenn wir nur sagen, was
    nicht geht. Wir werden sie aber schultern können, wenn
    wir den Menschen sagen, was geht, und uns dabei auf un-
    sere Stärken stützen. Wir haben eine starke Exportwirt-
    schaft und sind ein attraktives Land für ausländische In-
    vestoren.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Trotz Rot-Grün!)


    Wir nehmen nach wie vor Spitzenstellungen in unseren
    angestammten Märkten ein und erobern neue Märkte. Un-
    sere Forscher und Erfinder melden immer mehr Patente
    an, inzwischen sind wir bei diesem Thema wieder Welt-
    spitze. Das sind unsere Stärken, darauf wollen wir unsere
    Reformen aufbauen, damit ein Wettstreit um die besten
    Ideen entstehen kann.

    Beteiligen Sie sich an diesem Wettstreit und kommen
    Sie aus der Ecke der Gemütskrankheit heraus, wenn es um
    die Beschreibung unseres Landes geht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Karl-Josef

Laumann für die CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl-Josef Laumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

    Damen und Herren! In den letzten vier Jahren wurden uns
    von Rot-Grün im Bundestag schon viele Superpro-
    gramme zum Abbau der Arbeitslosigkeit vorgestellt. Zu

    Beginn der letzten Wahlperiode war es das so genannte
    JUMP-Programm, das alle unsere Probleme auf dem Aus-
    bildungsmarkt lösen sollte. Dann war es das Job-AQTIV-
    Gesetz, danach die Umgestaltung der Bundesanstalt für
    Arbeit und es hieß, allein Herr Gerster sei Garant dafür,
    dass es auf dem Arbeitsmarkt weitergeht.

    Tatsache ist: Rot-Grün ist es in der letzten Wahlperiode
    gelungen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland bei gut
    4 Millionen Menschen zu stabilisieren. Nach dem, was
    ich gestern und heute Morgen gehört und in Ihrem Koali-
    tionsvertrag gelesen habe, befürchte ich, dass Sie in der
    vor uns liegenden Wahlperiode das Ziel, die Arbeitslosig-
    keit auf hohem Niveau zu stabilisieren, glatt erreichen
    werden.

    Das Problem ist doch, dass Ihre Koalitionsvereinba-
    rung zu einem großen Vertrauensverlust unter den arbei-
    tenden Menschen führt, und zwar egal ob sie selbststän-
    dig oder als Arbeitnehmer tätig sind. Denn Sie haben in
    Ihrer Koalitionsvereinbarung schlicht und ergreifend eine
    weitere Verteuerung des Faktors Arbeit vorgeschlagen
    und öffnen die Schere zwischen Brutto- und Nettolöhnen
    in weiten Bereichen der Beschäftigten immer weiter.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das führt dazu, dass die Inlandsnachfrage abnimmt.

    Man muss sich nur einmal die schlechten Einschätzungen
    der Institute bezüglich der Konjunkturaussichten des Ein-
    zelhandels ansehen. Die allermeisten Einzelhändler quer
    durch Deutschland sagen Schlimmes voraus.

    Sie müssen aufpassen, dass Sie durch die Veränderun-
    gen bei der Eigenheimzulage nicht in der Bauwirtschaft
    mehr Arbeitsplätze verlieren, als Sie durch die Umsetzung
    der Vorschläge der Hartz-Kommission auf der anderen
    Seite überhaupt wieder gewinnen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ich vertrete einen ländlichen Wahlkreis. Ich kann Ihnen
    sagen, was in den Rathäusern meines Wahlkreises los ist:
    Die Leute kommen ins Rathaus und sagen: Bitte, Herr
    Bürgermeister, sorgen Sie dafür, dass ich noch vor Weih-
    nachten irgendwo ein Baugrundstück in Ihrer Gemeinde
    bekomme; ich muss den Bauantrag noch in diesem Jahr
    stellen, weil ich ansonsten nicht mehr bauen kann. – Sie
    müssen darauf achten, dass Sie am Ende nicht mehr ka-
    puttschlagen als Sie durch großartige Reden aufzubauen
    versuchen.

    Wissen Sie, was Ihre Stärke ist? Sie können in neudeut-
    schem Beraterslang mit neuen Ausdrücken Gewaltiges
    ankündigen. Da ist die Rede vom neuen Bridgesystem.
    Manch einer wird sich gefragt haben: Ist das ein neues
    Kartenspiel aus Wolfsburg? Aber altdeutsch ausgedrückt
    ist das Bridgesystem eigentlich nichts anderes, als dass
    55-jährigen Arbeitslosen in den Personal-Service-Agen-
    turen die Möglichkeit zum Ausstieg gegeben werden soll.
    Anschließend würden sie in keiner Statistik mehr stehen,
    obwohl niemand in Beschäftigung gekommen ist.


    (Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: So ist das!)

    Da ist die Rede vom Jobfloater.Man kann sich fragen:

    Sind das schwimmende Arbeitsplätze? Dabei geht es um
    riesige Subventionen für Arbeitsplätze.

    Dr. RainerWend




    Karl-Josef Laumann

    Dann kommt die Ich-AG: der Sohnemann als Haus-
    meister und vielleicht die Mutti als Aufsichtsratsvorsit-
    zende.


    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Was heißt denn AG?)


    Na ja. Auf jeden Fall ist es komisch, dass auf der einen
    Seite Herr Eichel, Herr Schröder und Herr Clement die
    menschliche Arbeit in Deutschland durch ihre Koalitions-
    vereinbarung wieder verteuern und Sie auf der anderen
    Seite auf bestimmten Feldern riesige Subventionen geben,
    um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern und Be-
    schäftigung bezahlbar zu machen. Worin der Sinn dabei
    liegen soll, bleibt zumindest mir bis heute verschlossen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommen Ihre konstruktiven Vorschläge!)


    – Darauf komme ich noch.
    Herr Clement, ich wünsche Ihnen für die Erfüllung Ih-

    rer Aufgabe, einen Beitrag zur Absenkung der Arbeitslo-
    sigkeit in Deutschland zu leisten, viel Glück. Ich hoffe,
    dass sich durch die Zusammenführung von Wirtschaft
    und Arbeit in einem Ressort und auch in einem Bundes-
    tagsausschuss Gegensätze zwischen Sozial- und Wirt-
    schaftspolitik, die uns bisher vielleicht ein bisschen
    gelähmt haben, politisch besser klären lassen, als dies in
    der Vergangenheit der Fall war.

    Aber angesichts dessen, was Sie sich in Nordrhein-
    Westfalen alles vorgenommen und nicht eingehalten ha-
    ben, sollte man zumindest sehr kritisch beobachten, ob es
    Ihnen gelingen wird, die Messlatte, die Sie sich selbst ge-
    legt haben, zu erreichen. Ich weiß nur, dass Sie im Jahre
    2000 in Nordrhein-Westfalen erklärt haben: Wir wollen
    die Arbeitslosigkeit in den kommenden fünf Jahren deut-
    lich senken. Damals haben Sie gesagt: Untersuchungen
    zeigen uns, es sei möglich, die Arbeitslosigkeit innerhalb
    von fünf Jahren landesweit auf unter 500 000, also auf
    etwa 6 Prozent, zu drücken. Als Sie dies gesagt haben,
    hatten wir in Nordrhein-Westfalen 760 000 arbeitslose
    Menschen. Heute haben wir 800 000.


    (Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommen Ihre konstruktiven Vorschläge, oder?)


    Jetzt zurück zu Hartz: Aus meiner Sicht gibt es einige
    Hartz-Vorschläge, die vernünftig sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Diese betreffen die schnellere Vermittlung von Arbeitlo-
    sen, die Reformschritte bei der Organisation der Bundes-
    anstalt für Arbeit in Nürnberg und zumindest im Grund-
    satz die Zusammenführung bzw. Angleichung von Sozial-
    und Arbeitslosenhilfe.

    Bevor wir jetzt über weitere Bestandteile des Hartz-
    Konzepts sprechen, möchte ich etwas zu diesem Poli-
    tikspiel sagen.


    (Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommen Ihre konstruktiven Vorschläge!)


    Es ist schon komisch, dass bei einem Skandal betreffend
    die Bundesanstalt für Arbeit der zuständige Minister kalt-

    gestellt wird, eine Kommission einberufen wird und dann
    hier im Bundestag von der Bundesregierung gesagt wird,
    dass das, was dort erarbeitet worden ist, 1 : 1 umgesetzt
    wird.

    Ich möchte auch unseren neuen Ausschussvorsitzen-
    den, Herrn Dr. Wendt, ansprechen.


    (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Der ist nicht mehr da! Der ist schon gegangen!)


    Was sollen denn eigentlich Beratungen im Ausschuss,
    wenn man das Konzept 1 : 1 umsetzen soll? Dazu kann ich
    nur sagen: Wenn wir uns hier nicht weiterhin lächerlich
    machen wollen, sorgen Sie im Ausschuss dafür, dass Ex-
    pertenanhörungen nicht zur reinen Farce werden. Zwi-
    schen erster Lesung und der Einladung von Experten
    muss so viel Zeit liegen, dass man sich nach Kenntnis-
    nahme des Gesetzentwurfes Gedanken darüber machen
    kann, welche Experten man überhaupt einladen möchte.


    (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt die Reform verzögern?)


    Auch die Frist zur Abgabe der Gutachten muss ausrei-
    chend lang sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe schon viele andere Sachen erlebt. Auch nach der
    Anhörung der Gutachter müssen wir Zeit haben, um die
    Ergebnisse auswerten zu können.


    (Hubertus Heil [SPD]: Sagen Sie einmal, was Sie inhaltlich wollen!)


    Ich kann Ihnen nur sagen: Ich halte es für sehr bedenk-
    lich, wenn Sie Ihre Mehrheit im Bundestag dazu miss-
    brauchen wollen, im Schweinsgalopp und der Verfassung
    sowie der Geschäftsordnung des Parlamentes gerade noch
    Genüge tuend etwas im Verhältnis 1 : 1 umzusetzen, was
    im nicht parlamentarischen Raum entwickelt worden ist.

    Das Hartz-Konzept sagt, dass man mit diesen Vor-
    schlägen die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Jahren
    um 2 Millionen Menschen senken kann.


    (Zuruf von der FDP: Das geht gar nicht!)

    Wie dies geschehen soll, weiß ich nicht. Herr Clement
    sagt: Für das Jahr 2003 prognostiziere ich euch im Jah-
    resdurchschnitt 4,1 Millionen Arbeitslose. – Also bleiben
    nur noch die Jahre 2004 und 2005, um dieses Ziel zu er-
    reichen. Dies bedeutet, dass wir jedes Jahr 1 Million Be-
    schäftigte mehr brauchen, die aus der Arbeitslosigkeit in
    den Arbeitsmarkt kommen.

    Ich glaube, dass Sie versuchen werden, die Statistiken
    und Zählweisen zu ändern. Jetzt wollen wir einmal zu-
    sammen die Vorschläge durchgehen, die Sie allen Ernstes
    unterbreiten. Zum einen sollen die Statistiken an das in-
    ternationale System angeglichen werden, wodurch schon
    einmal 1 Prozent der Arbeitslosen weg wären. Zum ande-
    ren wird man die so genannten älteren Arbeitslosen über
    das Bridgesystem aus der Vermittlung, aus dem Arbeits-
    markt und damit aus der Statistik herausnehmen.

    Ich habe mich gestern bei der Bundesanstalt erkundigt.
    Wir haben zurzeit 564 000 Menschen über 55 Jahre in der
    Arbeitslosenstatistik. Der Bundeskanzler hat gestern in


    (A)



    (B)



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    seiner Regierungserklärung über die Würde des Alters ge-
    sprochen, davon, dass das Rentenalter von 65 Jahren er-
    reicht werden muss und dass wir darüber nachdenken
    müssen, wie älter werdende Menschen auf der Höhe ihrer
    beruflichen Entwicklung, ihres beruflichen Könnens wei-
    ter tätig bleiben können. Gleichzeitig wird hier ein
    Bridgesystem vorgeschlagen, das die Herausnahme von
    55-jährigen Arbeitslosen aus den Jobcentern vorsieht.
    Hartz sagt selber, wegen der demographischen Entwick-
    lung müsse das irgendwann wieder zurückgeführt wer-
    den. Das ist nicht mit dem in Einklang zu bringen, was wir
    gestern vom Bundeskanzler in dieser Frage gehört haben.
    Das sind vor allen Dingen nicht die richtigen Antworten
    auf die demographischen Herausforderungen, die in un-
    serem Land nun einmal zu bewältigen sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen.

    Wir schauen sehr kritisch auf die neuen Möglichkeiten
    der Zeitarbeitsvermittlung, die die Personal-Service-
    Agenturen erhalten sollen. Sehen Sie einmal die andere
    Seite: Wir haben in Deutschland 6 000 Zeitarbeitsfirmen,
    die im letzten Jahr 800 000 Menschen beschäftigt haben.
    250 000 davon sind in den Entleihbetrieben in unbefristete
    Arbeitsverhältnisse übernommen worden. Das ist eine gi-
    gantische Leistung. Wir wissen alle, dass dieser Integra-
    tionsprozess ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarkt-
    politik ist. Das kostet den Staat nichts; denn das wird über
    private Firmen geregelt, die damit ihr Geld verdienen und
    die den regionalen Arbeitsmarkt oft sehr gut kennen.

    Meine Sorge ist, dass jetzt wieder sehr viel Geld und
    sehr viel öffentliches Personal bei der Bundesanstalt
    benötigt werden, um das zu organisieren, was über die
    Zeitarbeitsfirmen schon wunderbar läuft.

    Bevor Sie von Rot-Grün diesen Gedanken weiterver-
    folgen, denken Sie bitte einmal über das Angebot der
    deutschen Zeitarbeitsfirmen nach, das der Bundesanstalt
    für Arbeit seit einigen Wochen vorliegt. Das Angebot lau-
    tet, eine Zertifizierung vorzunehmen, damit die Spreu, die
    es in den Firmen vielleicht noch gibt, noch besser vom
    Weizen getrennt werden kann. Wenn die Leute nicht ent-
    liehen werden können, wollen die Zeitarbeitsfirmen ver-
    stärkt Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen anbie-
    ten. Denken Sie einmal darüber nach, ob wir nicht mit
    einem Beitrag, von den Privaten organisiert, viel weiter
    kämen, als es unter Umständen über staatliche oder
    halbstaatliche Strukturen möglich wäre. Dadurch könnten
    wir im Verwaltungsbereich, in der Bürokratie sehr viel
    Geld einsparen.

    Bei einem weiteren Punkt fragen wir kritisch nach: der
    Ich-AG. Wenn ein arbeitsloser Handwerker seine Ar-
    beitskraft demnächst mit 10 Prozent pauschaler Versteue-
    rung in der Ich-AG anbieten können soll, dann muss man
    doch wenigstens überlegen, was das für den Handwerks-
    meister bedeutet. Nehmen Sie als Beispiel einmal einen
    Malermeister mit seinem Gesellen. In diesem Bereich
    braucht man keine sehr große Ausstattung. Wie soll die-
    ser Malermeister mit seinem Gesellen, für den er Ur-
    laubsgeld, Krankengeld, 20 Prozent für die Systeme der
    sozialen Sicherung bezahlen muss, gegenüber einem zur-
    zeit arbeitslosen ausgebildeten Malergesellen, der seine

    Arbeitskraft mit 10 Prozent pauschaler Versteuerung an-
    bieten kann, konkurrenzfähig bleiben?

    Diese Frage müssen wir uns stellen, weil die Hand-
    werksmeister uns zu Recht fragen werden, wie sie das
    durchhalten können sollen, wie sie mit diesem Konkur-
    renzdruck fertig werden sollen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es kann doch nicht am Ende so sein, dass der Hand-
    werksmeister seinen Malergesellen entlässt, damit dieser
    lange genug arbeitslos sein kann, um eine Ich-AG grün-
    den zu können, und das benötigte Material vielleicht bei
    seinem ehemaligen Handwerksmeister kauft.

    Da müssen wir also nachdenken, ob diese Entwicklung
    richtig sein kann, ob wir sie verantworten und zulassen
    können.

    Dann schlagen Sie vor, dass für haushaltsnahe
    Dienstleistungen 500 Euro mit 10 Prozent Versteuerung
    verdient werden dürfen. Sie beschränken das mehrfach:
    Die Leute müssen haushaltsnahe Dienstleistungen erbrin-
    gen und sie müssen vorher arbeitslos sein, sonst gilt diese
    Regelung nicht. Warum schaffen Sie eigentlich nicht ei-
    nen Bereich, in dem unkompliziert Aushilfen organisiert
    werden? Diesen dürfen Sie dann nicht auf den Haushalts-
    bereich beschränken. Folgen Sie doch einfach unserem
    Vorschlag eines 400-Euro-Vertrages. Man kann über den
    Betrag auch noch einmal reden. Die FDP hat im Wahl-
    kampf 500 Euro vorgeschlagen. Dies sollte dann aber für
    alle Branchen gelten und mit 20 Prozent pauschal ver-
    steuert werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dann sind übrigens auch die Einnahmeverluste bei der So-
    zialversicherung nicht so hoch wie bei nur 10-prozentiger
    Besteuerung, wovon 5 Prozent in die Rentenkasse und
    5 Prozent in die GKV fließen. Allein bei den Kranken-
    kassen werden wahrscheinlich Einnahmeausfälle in Höhe
    von 800 Millionen Euro zu verzeichnen sein. Überlegen
    Sie, ob nicht wir den besseren Vorschlag vorgelegt haben.
    Lehnen Sie ihn nicht nur einfach deswegen ab, weil er von
    uns kommt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Ich komme zu einem weiteren Punkt. 50 Prozent der
    Arbeitslosen in unserem Land haben keine Berufsausbil-
    dung. Wir können uns noch so viel Mühe geben, viele von
    ihnen sind nicht in der Lage, mit den Anforderungen der
    heutigen Zeit in Sachen Theorie mitzuhalten. Für diese
    Menschen brauchen wir einfache Tätigkeiten, und zwar
    in allen Branchen. Deswegen lautet unser Vorschlag: Wir
    müssen bis zu einer Höhe von 800 oder 900 Euro – die
    FDP hat von 1 000 Euro gesprochen – die Sozialversi-
    cherungslasten absenken, damit diese Menschen netto
    mehr in der Tasche haben als mit Sozialhilfe, um so das
    Lohnabstandsgebot zu erfüllen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ist unser Vorschlag wirklich so schlecht? Ich kann nur

    sagen: Sie mit Ihren 500-Euro-Jobs im haushaltsnahen
    Bereich werden Ihr Ziel nicht erreichen. Denn wie werden

    Karl-Josef Laumann




    Karl-Josef Laumann
    die Menschen reagieren? Die Aushilfe, die heute beim
    Gastwirt arbeitet und deren Lohn pauschal mit 20 Prozent
    besteuert wird, wird demnächst bei demselben Gastwirt
    als Gärtner arbeiten, wird pauschal 10 Prozent an Steuern
    zahlen, wird aber im Grunde die gleiche Tätigkeit ausü-
    ben. Das werden Sie nicht kontrollieren können.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie werden ähnlich wie bei der Riester-Rente komplizier-
    teste Fördermöglichkeiten entwickeln. Die Menschen
    werden mehr darüber nachdenken, wie sie in den Genuss
    der Förderung kommen, als etwa darüber nachzudenken,
    wie sie sich beruflich weiterentwickeln können, und ir-
    gendwelche Geschäftsideen zu entwickeln. Das ist in
    sich, wie ich finde, ein falscher Ansatz von Politik.

    Ich hoffe, dass wir in den Beratungen bei Ihnen in ei-
    nigen Punkten Nachdenklichkeit hervorrufen können.
    Mir kommt das Hartz-Konzept so vor, als dass es aus der
    Sicht eines sicherlich erfahrenen Arbeitsmarktspezialis-
    ten eines Großunternehmens erarbeitet worden ist, der
    aber die Vielfältigkeit gerade in den kleineren Struktu-
    ren nicht im Auge hatte.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zum Schluss möchte ich noch einen Satz zu Ihrer Ko-

    alitionsvereinbarung sagen. An dieser hat die Wirtschafts-
    politik nur einen Anteil von zweieinhalb Seiten. Sie haben
    dort nicht viel geschrieben, wie Sie sich im steuerlichen
    Bereich, im Arbeitsrecht und bei den Regelungen, von de-
    nen Sie wissen, dass sie den Mittelstand sehr belasten,
    Entlastungen vorstellen.

    Ich kann nur wiederholen: Überdenken Sie, wenn Sie
    die Ich-AG wirklich wollen, Ihre Haltung zur Schein-
    selbstständigkeit. Überlegen Sie, wenn Sie Privilegien
    im haushaltsnahen Bereich einführen wollen, ob Ihr kom-
    pliziertes 630-Mark-Gesetz aus damaliger Zeit noch pas-
    send ist.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Überlegen Sie mit uns einmal frei von jeder Ideologie, ob
    man betriebliche Bündnisse für Arbeit nicht auf eine
    rechtlich einwandfreie Gesetzesgrundlage stellen muss,
    um aus der Grauzone herauszukommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Überlegen Sie mit uns, ob wir Entscheidungsprozesse, die
    mit der tollen Möglichkeit der Mitbestimmung in
    Deutschland zusammenhängen – ich meine toll im positi-
    ven Sinne –, von den Zeitabläufen her nicht berechenba-
    rer machen können, indem wir mit mehr Fristen arbeiten,
    bis wann entschieden werden muss, was Einigungsstel-
    lenverfahren nicht ausschließt. Ich glaube, wenn wir die-
    sen Weg gehen würden, würden wir in Deutschland eine
    gute Entwicklung einleiten. Wenn Sie weiterhin den ideo-
    logischen Weg gehen, der auch in weiten Teilen im Hartz-
    Konzept steht, befürchte ich, dass Sie Ihr Ziel erreichen
    werden, die Arbeitslosigkeit auch in den nächsten Jahren
    bei 4 Millionen zu stabilisieren.

    Schönen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)