Rede:
ID1500500900
ID1500500900
insert_comment
Metadaten- insert_drive_fileAus Protokoll: 15005
- date_rangeDatum: 30. Oktober 2002
- access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr
- av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:28 Uhr
- fingerprintRedner ID: 11002318
- perm_identityRednertyp: Präsident
- short_textOriginal String: Präsident Wolfgang Thierse: info_outline
- record_voice_overUnterbrechungen/Zurufe: 1
- subjectLänge: 10 Wörter
-
sort_by_alphaVokabularVokabeln: 10
- Ich: 1
- erteile: 1
- das: 1
- Wort: 1
- dem: 1
- Kollegen: 1
- Friedrich: 1
- Merz,CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
- Wolfgang: 1
- Clement\n: 1
-
tocInhaltsverzeichnisErweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
-
folderAnlagen(A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
-
insert_commentVorherige Rede als Kontext
Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zur Ab-
stimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
und der FDP zur Bestimmung des Verfahrens für die Be-
rechnung der Stellenanteile der Fraktionen auf Drucksa-
che 15/18. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stim-
men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.
Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen zur Bestimmung des
Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak-
tionen auf Drucksache 15/17. Wer stimmt für diesen An-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag
ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDPangenommen.
Abstimmung über den interfraktionellen Antrag zur
Einsetzung von Ausschüssen auf Drucksache 15/19. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur
Fortsetzung der Aussprache zur Regierungs-
erklärung des Bundeskanzlers
Ich erinnere noch einmal daran, dass wir gestern für die
heutige Aussprache neun Stunden beschlossen haben.
Wir kommen zu den Themenbereichen Wirtschaft
und Arbeit. Das Wort hat der Bundesminister für Wirt-
schaft und Arbeit, Wolfgang Clement.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich mich sehr
freue, dass ich ab heute die Möglichkeit habe, wenn auch
ohne Mandat als Bundestagsabgeordneter, mit Ihnen zu
diskutieren, zu debattieren, mich auseinander zu setzen
und zu sprechen. Das Feld, auf dem ich mich in der nächs-
ten Zeit zu tummeln beabsichtige, gehört sicherlich zu den
wichtigsten Aufgabenfeldern, die wir gemeinsam zu be-
ackern haben.
Ich habe das Amt, das mir der Bundeskanzler angebo-
ten hat, angenommen, weil ich mich der Aufgabe, für
mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen, verpflich-
tet fühle. Ich habe mich dieser Aufgabe verschrieben, weil
ich sie schon in Nordrhein-Westfalen, einem wunderba-
ren und dem größten Land der Bundesrepublik Deutsch-
land – es ist nicht überall bekannt, dass das so ist –, wahr-
genommen habe und sie jetzt in größerer Verantwortung
für die Bundesrepublik wahrnehmen möchte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sicher wird Sie, sofern Sie noch nicht oft in Nordrhein-
Westfalen gewesen sind, mein Nachfolger gerne einladen
und Ihnen das Ergebnis der Entwicklung dieses Landes
von einem klassischen Industrieland hin zu einem Land
der industriellen Dienstleistungen zeigen. Es wird be-
stimmt sehr beeindruckend für Sie sein, das zu sehen.
(Beifall bei der SPD)
Sie können davon ausgehen, dass ich dieses Amt über-
nommen und mein Herz über die Hürde geworfen habe,
weil ich überzeugt bin, dass wir auf diesem Feld Erfolg
haben müssen, Erfolg haben können und Erfolg haben
werden.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na!)
Die Lage ist nicht einfach. Aber ich denke, wir haben
keinen Grund zur Schwarzmalerei. Um das einmal klar zu
sagen: Die meisten Völker auf der Welt beneiden uns um
die Probleme, die wir haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die meisten Völker auf der Welt, all diejenigen, die uns na-
tional wie international beobachten, bewundern die Leis-
tung, die wir in Deutschland vollbringen, um unter schwie-
rigen weltwirtschaftlichen Bedingungen die deutsche
Einheit herzustellen, und zwar mit aller Kraft, die dazu
nötig ist, und ohne irgendeinen Abstrich. Wir, das deut-
sche Volk, die deutschen Unternehmen, die deutschen
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, leisten zur Zu-
sammenführung der beiden Teile Deutschlands mehr, als
irgendwo sonst auf der Welt geleistet werden muss.
Dies tun wir allerdings in einer Stimmungslage in Wirt-
schaft und Gesellschaft, die – das ist meine Wahrneh-
mung – durch hohe Unsicherheit gekennzeichnet ist. Hier
spielen, wie schon oft gesagt, die Ereignisse des 11. Sep-
tember 2001 wie auch andere geopolitische Risiken hi-
nein. Sicherlich ist die Kriegsgefahr in Nahost eines der
Hauptmomente, die die weltwirtschaftliche Stimmungs-
lage nachteilig beeinflussen. Diese weltwirtschaftlichen
Entwicklungen, mit denen wir es zu tun haben, wirken
sich natürlich auch auf das deutsche Wirtschaftsgesche-
hen aus. Dies zeigen der Kurssturz an den Börsen, die
hartnäckige Bodenhaftung der Aktienkurse bei uns und all
die Punkte, die auch gestern in den Debatten angespro-
chen wurden.
Rainer Funke
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
Wolfgang Clement
Hierzulande allerdings wird die Stimmungslage nach
meinem persönlichen Eindruck noch zusätzlich belastet
durch den bemerkenswerten Hang bei uns, die Welt grau
in grau zu malen, durch eine Sorge um die Zukunft, die
nicht begründet ist, wie ich empfinde, und gelegentlich
sogar fast durch Zukunftspessimismus. Verstärkt wird all
dies durch die Dauerdiskussion im politischen Raum, die
sich – Sie erlauben, dass ich das sage; ich bin schließlich
neu hier – nach meinem Eindruck nach der Wahl genauso
anhört wie vor der Wahl und die damit nicht sehr viel wei-
ter führt.
Dies ist keine Kritik an der Kritik als solcher; es ist
vielmehr eine Kritik an der Art, wie man Kritik übt, an ei-
ner Kritik, die einzureißen droht und die keine sachliche
Basis hat.
(Beifall bei der SPD)
Ich will ein Beispiel nennen. Der Wirtschaftsprofessor
Sinn erklärte, ohne auf irgendeine konkrete Einzelheit
einzugehen, das Hartz-Konzept kürzlich für unseriös,
nicht umsetzbar und jenseits von gut und böse. Er ist da-
mit in Deutschland flächendeckend in die Schlagzeilen
gekommen. Diese Art der Kritik kritisiere ich.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Majestätsbeleidigung!)
Hier ist auch die unzutreffende Behauptung zu nen-
nen, die in der letzten Legislaturperiode beschlossenen
Steuerentlastungen für die Jahre 2004, 2005 ff. benach-
teiligten den Mittelstand. Ich will einmal darauf hin-
weisen, dass der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Herr
Professor Wiegard – das Jahresgutachten ist ja mehrfach
angesprochen worden –, kürzlich in der „Zeit“ deutlich
gemacht hat, dass das letzte Jahresgutachten die These
gründlich widerlegt hat, Personenunternehmen würden in
Deutschland im Vergleich zu Kapitalgesellschaften steu-
erlich benachteiligt. Sie sollten diese Behauptung verges-
sen. Das war der Wahlkampf. Der ist vorbei.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, die uns vorliegenden ob-
jektiven Daten in Deutschland zeigen, dass es uns nicht so
schlecht geht, wie die Stimmung es vermuten lässt. Nach
allen Prognosen, die uns vorliegen, werden wir im Verlauf
des nächsten Jahres zu einer – natürlich noch zu schwa-
chen –Wachstumsbelebung der Konjunktur kommen und
damit zu etwas mehr Spielraum für mehr Beschäftigung
und weniger Arbeitslosigkeit.
Sie kennen das aktuelle Prognosespektrum für das
Wirtschaftswachstum, das 2003 zwischen 1,4 Prozent –
dies sagen einige Institute – und 1,7 Prozent – dies hat der
IWF soeben gesagt – liegen wird. Die Herbstprojektion
der Bundesregierung wird morgen im interministeriellen
Arbeitskreis „Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzun-
gen“ abschließend erörtert. Ich stelle sicherlich keine
allzu wagemutige Prognose, wenn ich sage, dass sich die
Eckpunkte in dem genannten Spektrum bewegen wer-
den. Das gilt auch für die erwartete Arbeitslosigkeit um
4,1 Millionen. Die Prognosen besagen allerdings, dass
sie im Verlauf des Jahres 2003 abnehmen wird. Um es
klar zu sagen: Es geht zwar zu langsam, aber es geht ber-
gauf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)
Ich finde die Bewertung, die der IWF gestern abgege-
ben hat, bemerkenswert. Er hat über Deutschland nämlich
gesagt, dass es sich in einem Zustand der zerbrechlichen
Erholung befinde. Ich glaube, dass diese Bewertung rich-
tig ist, und ich meine, dass wir in Deutschland in dieser
Situation eine Allianz für Erneuerung brauchen, eine Al-
lianz, die in unserer Gesellschaft eine stärkere Bereit-
schaft zur Erneuerung in allen Teilen unserer Gesellschaft
weckt und die in der Lage ist, eine Aufbruchstimmung
zu entwickeln.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, wir müssen vermitteln – Sie
als Opposition mögen sich da heraushalten –, dass Wandel
Fortschritt und nicht Risiko ist und dass die soziale Verant-
wortung Teil der Eigenverantwortung ist. Das ist bei uns
zurzeit offensichtlich alles andere als selbstverständlich.
Der französische Gesellschaftskritiker Frédéric
Beigbeder hat in der Beobachtung des gesellschaftlichen
Zustandes – nicht nur in Deutschland – kürzlich gesagt,
dass heute die Nichtteilnahme das Entscheidende ist. Ich
meine – damit knüpfe ich an das an, was der Bundes-
kanzler gestern in der Regierungserklärung gesagt hat –,
dass es gilt, diese Zeitströmung, wenn es sie denn gibt,
umzudrehen. Das Entscheidende – vor allen Dingen in
Deutschland – ist die Teilnahme.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Lammert [CDU/ CSU]: Die Arbeitslosen sind es auch!)
Um es klar zu sagen: Deshalb werden wir auch im
Kampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze jetzt in die
Offensive gehen.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Deshalb werden wir versuchen, mit den Vorlagen, die aus
dem Hartz-Konzept resultieren, an alle verantwortlichen
Kräfte in der Gesellschaft zu gehen.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Das sagt einer, der als Ministerpräsident gescheitert ist!)
Deshalb werden wir mit dem Start am 13. November in
Wolfsburg, dort, wo es nicht zuletzt durch den Einsatz von
Herrn Hartz gelungen ist, die Arbeitslosigkeit zu halbie-
ren, ein Signal setzen mit der Bitte, mit der Aufforderung
und dem Appell an alle, die in unserer Gesellschaft Ver-
antwortung tragen – auf der kommunalen Ebene, auf der
Länderebene, in den Verwaltungen, in den Betrieben, in
den Betriebsräten sowie in allen Organisationen und Insti-
tutionen –, sich in den Kampf um Arbeits- und Ausbil-
dungsplätze einzuschalten und nicht eine Politik zu betrei-
ben, die sich darin erschöpft, die Arbeitslosenstatistiken
vorzulesen. Damit muss Schluss sein. Es ist meine Haupt-
aufgabe, dazu beizutragen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
(A)
(B)
(C)
(D)
178
(A)
(B)
(C)
(D)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 179
Ich kann nur vor der Hoffnung warnen, irgendjemand
würde bei dieser Diskussion ausgespart. Wir werden alle
gesellschaftlichen Gruppen ansprechen. Die Parteien mö-
gen sich verhalten, wie sie sich verhalten wollen. Ich
werde es jedenfalls nicht zulassen, dass diese Politik mit
irgendwelchen oberflächlichen Handbewegungen und
mit genereller Polemik untergraben und abgebremst wird.
Wir müssen die Menschen wieder erreichen, wir dürfen
nicht nur die Statistiken im Auge haben und wir müssen
es schaffen, dass das Problem der Arbeitslosigkeit von al-
len angegangen wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Das Hartz-Konzept ist ja von allen gesellschaftlichen
Gruppen unterschrieben worden. Es ist ein seit 20 Jahren
einmaliger Vorgang, dass es gelungen ist, das Lager- und
Interessendenken in diesem Feld des Arbeitsmarktes zu
überwinden. Ich erinnere daran, dass Hartz und seine
Kommission in ihrem Papier – in einer Arbeit, die wirk-
lich bahnbrechend ist und Dank verdient – die „Profis der
Nation“ angesprochen haben. Das sind über sechs Milli-
onen Menschen, die aus ihren beruflichen, politischen und
administrativen Funktionen heraus dazu beitragen können,
die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dies muss durch ganz
konkretes Handeln geschehen, beispielsweise indem man
sich um einen Ausbildungsplatz in seinem eigenen Umfeld
bemüht. Ich appelliere von hier aus an diejenigen, die sich
als Profis der Nation verstehen, an die Mutmacher in un-
serem Land, nicht die Miesmacher, mit anzupacken, damit
wir diese gesellschaftliche Aufgabe bewältigen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Die Leitidee dessen, worum es auf dem Arbeitsmarkt
geht, ist klar. Es geht darum, Eigenaktivitäten auszulösen
und dafür Sicherheit einzulösen. Im Zentrum muss natür-
lich die eigene Integrationsleistung des oder der Arbeitslo-
sen stehen, das Bemühen um eine Beschäftigung, die An-
nahme einer angebotenen Beschäftigung, die Bereitschaft,
eine Zeitarbeit zu übernehmen, die Teilnahme an Weiter-
qualifizierungen. Dies alles wird gestützt und abgesichert
durch Dienstleistungs- und Förderangebote, durch Bera-
tung, durch Betreuung, durch materielle Absicherung. Es
gilt, das, was gesagt worden ist, aus der Phrase in die Pra-
xis umzusetzen, das Prinzip des Förderns und des For-
derns. Initiative wird belohnt, Passivität wird und kann
von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn uns das gelingt, was der Grundgedanke des
Hartz-Konzeptes ist – es wird bisher immer viel zu ober-
flächlich beurteilt;
(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch der Oberflächlichste!)
ich hoffe, diese vorsichtige Bemerkung ist mir erlaubt, ich
habe mich vor Kurzem etwas gröber geäußert, ich bitte
dafür um Entschuldigung, aber ich meine immer das
Gleiche
(Michael Glos [CDU/CSU]: Was haben Sie denn konkret gesagt?)
– ich bin sicher, Sie werden dabei mitmachen, Herr
Glos –, dann werden wir nicht nur die Arbeitsvermitt-
lung, sondern auch die Arbeitsmarktstruktur revolutio-
nieren. Deshalb ist es Unsinn, zu schreiben, das, worum
es Hartz gehe, sei ein dritter Arbeitsmarkt oder Ähnli-
ches. Wenn wir vom Dienstleistungsstandort sprechen,
dann geht es natürlich um den ersten Arbeitsmarkt in
Deutschland. Dort hinein müssen die Arbeitslosen ge-
bracht werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ein Erfolg des Konzeptes, um den wir uns bemühen
werden, wird nicht nur die Arbeitslosigkeit reduzieren.
Wenn wir es wirklich gemeinsam anpacken, dann wird
über diesen Prozess auch die Gesellschaft wieder enger
zusammenrücken, dann werden – um das klar zu sagen –
Outsider zu Insidern,
(Michael Glos [CDU/CSU]: Kommen Sie zur Sache, Herr Landtagsabgeordneter!)
dann wird die Teilnahme am Arbeitsmarkt honoriert und
nicht die Alimentierung von Arbeitslosen finanziert. Das
ist ein Stück mehr soziale Teilhabe und spart öffentliche
Mittel, weil unterstützte Menschen in Arbeit weniger Zu-
schüsse als Arbeitslose benötigen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was haben Sie die letzten vier Jahre gemacht?)
Hier liegt mittelfristig ein erhebliches Einspar- und
Konsolidierungspotenzial. Dieses Potenzial, Herr Glos,
gibt mittelfristig Raum für eine Senkung der Beitrags-
sätze zur Arbeitslosenversicherung und damit zur Sen-
kung der Lohnnebenkosten.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist so wahr wie alles andere! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist das Wetter heute?)
– Sind Sie aus Bayern?
(Michael Glos [CDU/CSU]: Jawohl, Herr Landtagsabgeordneter!)
Wir werden mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes
sofort beginnen. Bereits morgen werden der Bundes-
finanzminister und ich gemeinsam mit der Kreditanstalt
für Wiederaufbau ein neues Programm, Kapital fürArbeit,
bisher unter dem Namen Job-Floater bekannt, auf den
Weg bringen. Dieses Programm gibt namentlich mittel-
ständischen Unternehmen Anreize, bisher nicht Erwerb-
stätige einzustellen. Pro eingestellten Arbeitslosen erhält
das Unternehmen Mittel in einer Größenordnung bis zu
100 000 Euro, von denen 50 000 Euro zur Stärkung der
Eigenkapitaldecke von kleinen und mittleren Unterneh-
men genutzt werden können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dies ist das erste Angebot, mit dem wir das, was die
Hartz-Kommission erarbeitet hat, in die Tat umsetzen,
und zwar 1 : 1. Die gesetzgeberischen Umsetzungsschritte
müssen – das ist meine Bitte an das Hohe Haus, das wird
auch meine Bitte an den Bundesrat sein – unverzüglich
Wolfgang Clement
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
Wolfgang Clement
folgen. All diejenigen, die sich für den Arbeitsmarkt in
Deutschland verantwortlich oder mitverantwortlich füh-
len, sind gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Gesetzge-
bung so rasch als möglich erfolgen kann, damit eine Ab-
senkung der Arbeitslosigkeit gelingt.
Worum es geht, ist, Jobcenter einzurichten, die eine
einheitliche Anlaufstation für alle arbeitsfähigen Perso-
nen und stärker als bisher auch Dienstleister für Unter-
nehmen sein werden.
Worum es geht, ist die Förderung von Zeit- und Leih-
arbeit in Deutschland durch den flächendeckenden Auf-
bau von Personalserviceagenturen für eine vermitt-
lungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung. Dies ist eines
der wichtigsten Instrumente, das die Hartz-Kommission
erarbeitet hat, um den deutschen Arbeitsmarkt in Ordnung
zu bringen.
Es ist nicht zu übersehen, dass die Bundesrepublik hin-
sichtlich des Umfangs der Zeit- und Leiharbeit hinter allen
anderen hoch entwickelten Volkswirtschaften zurückliegt.
Diesen Rückstand müssen wir aufholen. Der Vorschlag der
Hartz-Kommission bietet dafür eine hervorragende Vor-
lage.
Es muss und es wird uns gelingen, das, was an Zeit-
und Leiharbeit in Deutschland nach meinem Eindruck ge-
wissermaßen in der Schmuddelecke steht, aus dieser Ecke
herauszuholen.
(Widerspruch bei der CDU/CSU)
Dies wird uns gemeinsam mit den Arbeitgebern und den
Gewerkschaften gelingen. Daran arbeiten wir und dafür
werden wir einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Dies wird gelingen, indem wir für entliehene Arbeitneh-
mer beim entleihenden Unternehmen – –
(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch auch entliehen! Sie sind doch aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen entliehen!)
– Wenn Sie ein Interesse an Sachfragen haben, Herr Glos,
dann halten Sie sich jetzt zurück. Hören Sie einfach zu
und beschäftigen Sie sich anschließend mit dieser Frage!
Das ist besser, als dauernd dazwischenzureden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich bin dabei, wichtige Sachfragen zu erörtern. Sie sollten
sich das einfach zu Gemüte führen. So viel Ruhe werden
Sie wohl aufbringen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Majestätsbeleidigung!)
Wir werden es schaffen, die Zeit- und Leiharbeit in
Deutschland aus der Schmuddelecke herauszuholen.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie Leiharbeiter!)
Wir werden dies schaffen, wenn wir den entliehenen
Arbeitnehmern in dem übernehmenden wie auch im ent-
leihenden Unternehmen eine Sicherheit für Lohn- und
Arbeitszeit bieten, wenn wir das Prinzip des Equal Pay auf
diesen beiden Feldern vorsehen und eine tarifliche Si-
cherheit bieten.
Wenn wir dies umsetzen – ich gehe davon aus, dass wir
dafür die Zustimmung von Arbeitgebern wie Arbeitneh-
mern finden –, dann können wir alle einschränkenden Re-
gulierungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die
es mit dem Synchronisationsverbot, dem besonderen Be-
fristungsverbot, dem Wiedereinstellungsverbot und dem
Abwerbeverbot heute noch gibt, streichen. Damit können
wir die Bürokratisierung und Überregulierung in diesem
Sektor beenden und in einen Prozess eintreten, in dessen
Verlauf wir in einem nennenswerten Umfang Leih- und
Zeitarbeit in Deutschland schaffen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Des Weiteren wird der Vermittlungsprozess von Ar-
beitslosen in den Arbeitsmarkt beschleunigt, indem die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Kündi-
gung bedroht sind oder diese bereits erhalten haben, auf-
gefordert werden, sich umgehend der Arbeitsvermittlung
zur Verfügung zu stellen. Wir werden die Arbeitgeber an-
halten, den gekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmern ausreichend Zeit für die Arbeitsuche zur Ver-
fügung zu stellen, damit sie so rasch wie möglich gelingt.
Wir werden die Regeln der Zumutbarkeit neu inter-
pretieren. Insbesondere junge und ledige Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer sind aufgefordert, einen Ausbil-
dungs- oder Arbeitsplatz unabhängig davon anzunehmen,
wo er angeboten wird. Wir werden die berufliche Weiter-
bildung neu ausrichten, insbesondere durch die Verbes-
serung des Wettbewerbs unter den Dienstleistern der Ar-
beitsförderung.
Wir werden uns besonders um die älteren Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer kümmern und sie durch eine
Lohnversicherung und eine Erleichterung hinsichtlich der
bisherigen Regelungen der befristeten Beschäftigung för-
dern.
Wir werden des Weiteren Mini-Jobs in Privathaus-
halten fördern. Wir arbeiten derzeit zusammen mit dem
Bundesfinanzminister an der Ausgestaltung einer entspre-
chenden steuerlichen Förderung. Wir werden durch die
Erhöhung der Verdienstgrenze auf 500 Euro im Bereich
der haushaltsnahen Dienstleistungen zusätzliche Marktpo-
tenziale für die in diesem Bereich bereits tätigen Unter-
nehmen, aber auch für Newcomer, zur Verfügung stellen.
Wir sehen nicht zuletzt ein etwas unterschätztes In-
strument vor, nämlich die Erleichterung des Starts in die
Selbstständigkeit durch die so genannten Ich-AGs oder
Familien-AGs. In diesem Zusammenhang sind wir mit
dem Bundesfinanzminister dabei, das Steuerrecht für
Kleinstunternehmer zu überprüfen mit dem Ziel, es so un-
bürokratisch wie möglich zu gestalten, um gewissermaßen
vom Start an ohne bürokratische Belastungen dem Grün-
der oder der Gründerin einer Ich-AG oder einer Familien-
AG einen Spielraum zu bieten.
Wir werden auf all diesen Feldern alle Regulierungen
abbauen, die bürokratisch bzw. überflüssig sind. Ich sage
(A)
(B)
(C)
(D)
180
(A)
(B)
(C)
(D)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 181
dies ausdrücklich auch mit Blick auf das Handwerk und
die Handwerksordnung. Als jemand, der zu denjenigen
gehört, die die Kammerorganisation im Industrie- und
Handelskammerbereich genauso wie im Handwerksbe-
reich ernst nehmen, sage ich: Wir brauchen mehr Flexibi-
lität im Handwerksrecht; denn sie ist notwendig, damit
wir den Gründerinnen und Gründern, die aus der Arbeits-
losigkeit kommen und eine Ich-AG aufbauen wollen,
ohne Behinderung durch die Handwerksordnung den not-
wendigen Spielraum für ihre berufliche Selbstständigkeit
geben können.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich bitte das Handwerk schon jetzt um Verständnis für
diese Maßnahme und um Mitwirkung.
Nach der Vorlage des Berichts der Kommission zur Re-
form der Gemeindefinanzen beim Bundesfinanzminister
werden wir endgültig die im Hartz-Konzept – auf das stüt-
zen wir uns – vorgesehenen Voraussetzungen für die Zu-
sammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
schaffen. Das Ziel dieser Maßnahme ist völlig klar – wir
werden es voraussichtlich zum 1. Januar 2004 erreichen –:
Wir werden auf diese Weise ineffektive und unbegründ-
bare Doppelstrukturen und Verschiebebahnhöfe endgültig
beseitigen sowie eine neue, einheitliche Leistung für alle
erwerbsfähigen Menschen einführen. Dieses so genannte
Arbeitslosengeld II muss materiell zwischen der bisheri-
gen Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe angesiedelt sein.
Es ist klar, dass auch die Anrechnungsmodi etwa für
Vermögen oder für das Einkommen des Partners – ich
nehme damit Bezug auf einige Pressemeldungen, die ich
heute gelesen habe – entsprechend angepasst werden
müssen. Um allen Horrormeldungen und Sorgen schon
vorab entgegenzutreten, versichere ich: Niemand wird
durch die geplanten Veränderungen aus der bisherigen Ar-
beitslosenhilfe in die Sozialhilfe abgedrängt werden. Nie-
mand wird auf Sozialhilfe angewiesen sein! Wir werden
dafür die notwendigen Vorkehrungen treffen. Aber wir
müssen den bisherigen sachlich nicht begründbaren Wi-
derspruch zwischen der Behandlung arbeitsfähiger So-
zialhilfeempfänger und der von Arbeitslosenhilfeempfän-
gern überwinden. Darauf zielt einer der Vorschläge der
Hartz-Kommission ab. Er ist vernünftig und liegt dem zu-
grunde, was wir als Arbeitslosengeld II bezeichnen. Wir
werden diesen Vorschlag in die Tat umsetzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich vermute, dass auf diesem Feld eine der wichtigsten
Aufgaben liegt.
Wir werden mit all dem, was ich hier darzustellen ver-
suche – es gibt sicherlich noch einige Aspekte, die über
die von mir angesprochene Fragestellung hinaus gehen –,
einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung des Haus-
halts der Bundesanstalt für Arbeit genauso wie der Ar-
beitslosenversicherung leisten. Dies muss und wird ge-
schehen. Wir werden insbesondere durch die rasche
Realisierung dessen, was an praktischen und konkreten
Maßnahmen im Hartz-Konzept vorgesehen ist, erhebliche
Entlastungen bei der Arbeitslosenversicherung und der
Bundesanstalt für Arbeit bewirken. Das ist die Aufgabe
und das Ziel. Ich stütze mich bei all dem, was das Hartz-
Konzept betrifft, auf die Vorarbeiten, die mein Kollege
Walter Riester und das bisherige Ministerium für Arbeit
und Sozialordnung geleistet haben. Ich habe hohen Res-
pekt vor dieser Arbeit. Ich bin in diese Arbeit eingestiegen
und werde sie mit voller Kraft verwirklichen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Die Umsetzung des Hartz-Konzepts – um das gleich
deutlich zu sagen – ist die wichtigste Aufgabe im Kampf
gegen die Arbeitslosigkeit, die wir jetzt zu lösen haben.
Ich lese immer wieder, dass das noch nicht ausreiche. Ich
warte interessiert und gespannt auf die Beiträge zur Rea-
lisierung des Hartz-Konzepts, die sicherlich von allen Sei-
ten kommen werden. Es werden gewaltige Schritte sein,
die tiefer gehen werden, als die meisten öffentlichen Dis-
kussionen bisher erkennen lassen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem müssen Arbeitsplätze da sein!)
Ich werde auch im Bundesrat mit jedem einzelnen meiner
bisherigen Kollegen Ministerpräsidenten öffentlich de-
battieren. Meine Bitte ist, dass jeder und jede mitmacht
und dass sich niemand dem entzieht. Niemand hat nach
meinem Verständnis das Recht, sich aus der Lösung der
von mir skizzierten Hauptaufgabe herauszustehlen. Dies
werde ich jedenfalls nicht hinnehmen. Ich werde jeden zur
Diskussion zwingen. Ich bin jetzt alt genug, um meine
Zeit darauf zu konzentrieren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Die Umsetzung des Hartz-Konzepts ist das Wichtigste,
was wir jetzt anpacken werden. Es ist aber natürlich nur
ein Baustein in der gesamten Wirtschaftspolitik, die wir in
der vor uns liegenden Zeit machen werden. Der zweite
Schwerpunkt – ich muss mich in meiner Rede auf
Schwerpunkte beschränken – konzentriert sich auf den
Mittelstand. Das Klima für den Mittelstand, für kleine
und mittlere Unternehmen in Deutschland, ist offensicht-
licher rauer geworden.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Ja! Denken Sie mal darüber nach, warum!)
Dabei spielt nicht Ihre Polemik, sondern der konjunkturelle
Gegenwind, der den Absatz beeinträchtigt, eine Rolle. Die
Konsolidierung, die viele Großunternehmen aus Gründen
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit vornehmen,
dünnt bestehende Lieferverbindungen für kleine und mitt-
lere Unternehmen aus. Gleichzeitig gibt es zunehmende
Probleme bei der Finanzierung und es gibt, gerade für
kleine und mittlere Unternehmen, zweifellos auch eine zu
hohe bürokratische Belastung.
Die Großbanken sind nach wie vor, ganz vorsichtig ge-
sagt, zögerlich mit der Kreditvergabe an kleine und mitt-
lere Unternehmen.
(Michael Glos [CDU/CSU]: Ich sage nur: Westdeutsche Landesbank!)
Die Klärung der Finanzfragen ist überlebenswichtig für den
Mittelstand. Wir sehen darin eine unserer Hauptaufgaben.
Wolfgang Clement
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
Wolfgang Clement
Ich sehe darin eine meiner Hauptaufgaben und ich fühle
mich in der Verantwortung, zu einer ausreichenden Fi-
nanzierung des Mittelstands beizutragen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich kann jetzt nur einige Einzelmaßnahmen nennen,
meine Damen und Herren. Ich nenne die Unterstützung
der Hausbanken durch eine teilweise Haftungsentlastung
und durch bessere Anreize zur Durchleitung von Förder-
krediten, damit die Hausbanken ihre Aufgabe, den Mittel-
stand ausreichend mit Krediten zu versorgen, besser
wahrnehmen können. Ich nenne die Zusammenlegung der
Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Aus-
gleichsbank, die der Bundesfinanzminister und ich ge-
meinsam in aller Kürze vornehmen werden. Dort werden
wir die Förderprogramme für den Mittelstand bündeln
und straffen und durch eine Mittelstandsbank des Bundes
den Mittelstand maßgeblich und wesentlich unterstützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich nenne eine Öffnung des EKH-Programms mit
staatlichem Risikokapital, das bisher auf Gründerinnen
und Gründer konzentriert ist und das wir für kleinere Mit-
telständler in reiferen Unternehmensphasen öffnen soll-
ten, um insbesondere so genannte Sprunginvestitionen
möglich zu machen und zu fördern. Ich nenne die Nut-
zung der Erfahrungen, die wir mit den Beteiligungskapi-
talmodellen von KfW und DtA haben, um anlagebereites
privates Kapital auch dem breiten Mittelstand über spezi-
elle Fonds zur Verfügung zu stellen. Oder ich nenne das
Beteiligungskapitalprogramm der BTU, mit dem wir in-
novative Gründungen auf den Weg bringen und Instru-
mente zur Anschlussfinanzierung entwickeln müssen.
Auch die Außenwirtschaftsförderung werden wir
insbesondere zugunsten des Mittelstandes, der kleinen
und mittleren Unternehmen, nutzen. Das Auslandsge-
schäft wird auch für den Mittelstand in Deutschland im-
mer wichtiger. Jedes dritte mittelständische Unternehmen
bei uns ist im Auslandsgeschäft aktiv. Wir haben gute
Chancen für eine Ausweitung des Auslandsengagements
in den nächsten Jahren. Diese Chancen ergeben sich aus
der Einführung des Euro, mit dem Wechselkursrisiken im
Euro-Raum weggefallen sind, was den Handelsaustausch
und Investitionen in anderen Euro-Staaten erleichtert. Ich
nenne die Erweiterung der Europäischen Union, für die
jetzt die Tür geöffnet worden ist und mit der sich zahlrei-
che neue Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten bie-
ten werden.
Um dem Mittelstand die Nutzung seiner Chancen im
Globalisierungsprozess und im erweiterten europäischen
Binnenmarkt zu erleichtern, werden wir Instrumente der
Außenwirtschaftsförderung noch stärker auf den Mittel-
stand ausrichten, zum Beispiel bei der Abwicklung der
Zollverfahren, zum Beispiel bei der Beratung durch die
Außenhandelskammern, zum Beispiel durch die Aus-
landsmesseförderung und selbstverständlich durch Her-
mes-Exportbürgschaften und durch Investitionsgarantien.
Wir bereiten zudem eine umfassende Initiative „Inno-
vation und Zukunftstechnologien im Mittelstand“ vor, die
die Innovationskomponente der kleinen und mittleren
Unternehmen stärken wird. Das ist überaus wichtig. Un-
ser Ehrgeiz muss sein, dass wir auf den Feldern, die für
den Weltmarkt der Zukunft entscheidend sein werden
– das sind die Kommunikationsbranche, die Biotechnolo-
gie, die Medizintechnologie, die Energietechnologie, die
Verkehrstechnologie, die Mikrostruktur- und Mikrosys-
temtechnologie –, in Deutschland auf Platz 1 kommen.
Wir sind auf etlichen dieser Felder auf einem sehr guten
Weg und wir werden diesen Weg fortsetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Weil Investitionen der Humus für künftige Innovatio-
nen und Wachstumsimpulse sind, werden wir gerade in
den neuen Ländern die Investitionsförderung auf hohem
Niveau fortführen. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-
rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bleibt Eckpfeiler
der Investitionsförderung in den neuen Ländern. Die
Mittel des Investitionsfördergesetzes werden wir zur Er-
leichterung auch der kommunalen Investitionen weiterhin
ungebunden zur Verfügung stellen.
Ich gehe davon aus – wir haben guten Grund, davon aus-
zugehen, denn wir haben dies so vorgesehen –, dass die er-
folgreiche Umsetzung des Hartz-Konzepts, die ja bedeutet,
dass arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger aus der Sozialhilfe
in die Arbeitsvermittlung kommen, weitere kommunale
Mittel für Investitionen freistellt und dass diese kommuna-
len Mittel tatsächlich für Investitionen genutzt werden.
Hinzu kommt, dass wir mit einem Masterplan Büro-
kratieabbau wuchernde Bürokratie und Verwaltungs-
überbau zurückschneiden müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Das ist eine wichtige Aufgabe, um so die Arbeit der kleinen
und mittleren Unternehmen in unserem Land zu fördern.
Der Mittelstand muss Kraft und Energie in die Erschließung
neuer Märkte, in die Entwicklung neuer Produkte und in die
Schaffung neuer Arbeitsplätze stecken, statt sie in Ämtern
und bürokratischen Prozeduren zu verplempern. Wir wer-
den dazu innerhalb der Landesregierung auf allen Feldern
die Initiative ergreifen.
(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: „Der Landesregierung“?)
– Der Bundesregierung. Ich bitte um Entschuldigung. Sie
werden mir das sicherlich nachsehen. Ich bin diesem wun-
derbaren Amt des Ministerpräsidenten noch etwas verhaftet.
Zumindest Einzelne unter Ihnen werden Verständnis dafür
haben. Einige sollen sich ja auch schon einmal um ein sol-
ches Amt bemüht haben. Ich habe es jetzt aber abgegeben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich selbst werde jeden Vorschlag zum Bürokratieabbau
prüfen, der mir genannt wird. Ich werde für die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter jedenfalls des Bereichs, für den
ich jetzt Verantwortung trage, Boni aussetzen, um um-
setzbare Vorschläge zum Bürokratieabbau, zum Abbau
überflüssiger Regularien und Bürokratien zu erhalten und
durchzusetzen.
(Beifall bei der SPD)
(A)
(B)
(C)
(D)
182
(A)
(B)
(C)
(D)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 183
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich eine ganz
klammheimliche Sympathie, Herr Bundeskanzler, für ei-
nen Vorschlag habe, den Helmut Schmidt kürzlich ge-
macht hat, nämlich die verfassungsrechtliche Grenze für
innovative Experimente in den Ländern zu öffnen und
eine Experimentier- und Innovationsklausel für die neuen
Länder ins Grundgesetz zu übernehmen. Ich sage dies
sehr vorsichtig. Wir haben auf der Landesebene – das ist
im Moment die letzte Bemerkung als Ministerpräsident –
solche Experimentierklauseln für die kommunale Ebene
geschaffen. Nach unserer Erfahrung bewähren sie sich
sehr. Davon wird sehr sorgfältig Gebrauch gemacht. Es ist
ein Instrument, um Kräfte freizusetzen. Auf diese Weise
könnte man für eine überschaubare Zeit gesonderte ge-
setzliche Regelungen in einem Land oder auch in mehre-
ren Ländern zulassen. Wir können daraus für weitere Pro-
zeduren lernen; denn wir müssen den Prozess der
Überwindung von Überbürokratie in Deutschland wirk-
lich mit neuen Ideen voranbringen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Der Wettbewerb der Ideen ist eröffnet, auch auf diesem
Feld. Wir sollten uns nicht allzu lange mit Einzeldiskus-
sionen aufhalten, weil uns die Zeit davonläuft. An der Al-
lianz für Erneuerung teilzunehmen heißt auch, Neues zu
probieren. Nein gesagt worden ist jetzt genug in Deutsch-
land. Jetzt muss auf diesem Feld im Sinne dessen, was der
Bundeskanzler gestern deutlich gemacht hat, gesagt wer-
den, was geht. Wir werden sagen, was geht, und das wer-
den wir realisieren.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was geht, ist beispielsweise zum Thema Bürokratieab-
bau eine Vereinheitlichung von Bescheinigungen im Ar-
beits- und Sozialbereich. Was geht, ist eine stärkere Nut-
zung der elektronischen Datenübermittlung, insbesondere
zur zentralen Speicherung von Arbeitsbescheinigungen
durch die Einführung einer Jobcard. Was geht, ist die Ver-
einheitlichung von Fristen und ist die Anhebung von
Grenzen für die Buchführungspflicht im Steuerrecht. Was
geht, ist eine deutliche Reduzierung statistischer Melde-
pflichten, insbesondere durch eine stärkere Nutzung vor-
handener Verwaltungsdaten. Das haben wir uns vorge-
nommen. Was geht, ist die flächendeckende Einführung
einer einheitlichen Wirtschaftsnummer unmittelbar nach
erfolgreichem Abschluss der Erprobung. All dies müssen
und werden wir jetzt in die Tat umsetzen
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Donnerwetter!)
und damit neue Kräfte freisetzen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Die Umsetzung des Hartz-Konzepts und die Mittel-
standsinitiative werden in ein wirtschaftspolitisches Ge-
samtkonzept für mehr Wachstum und mehr Beschäf-
tigung eingebettet sein. Sie werden in eine flexible
Konsolidierungspolitik für die öffentlichen Finanzen
eingebettet sein, die den dringend notwendigen Schul-
denabbau mit bevorstehenden weiteren Steuerentlastun-
gen in den Jahren 2004 und 2005 für Unternehmen und
Bürger, aber auch mit verstärkten Zukunftsinvestitionen
für Infrastruktur, für Bildung, für Forschung und für Fa-
milie verbindet – so wie wir es im Koalitionsvertrag vor-
gesehen haben. Sie sollten in eine Tarifpolitik eingebun-
den sein, die die Arbeitsmarktlage berücksichtigt und
– wie es bereits in Tarifverträgen geschieht, jedenfalls in
all denen, die ich kenne – die flexible Regelungen zuguns-
ten betrieblicher Lösungen zulässt. Sie sollten in eine
Geldpolitik eingebettet sein, die sich am Stabilitätsziel
orientiert und dabei ihre Möglichkeiten zur Förderung
von Wachstum und Beschäftigung nutzt.
Sie sollte und wird eingebunden sein in weitere – ich
füge ausdrücklich hinzu: überlegte – Fortschritte bei der
Öffnung der Telekommunikations-, der Post-, der Energie-
und der Bahnmärkte. Sie wird eingebunden sein in eine
stärkere Berücksichtigung industrieller Interessen in Brüs-
sel. Ich denke dabei etwa an die Chemikaliensicherheit und
anderes. Außerdem sollte sie in die Beschleunigung des
Strukturwandels hin zur Entwicklung der Informationsge-
sellschaft in unserem Land eingebunden sein. Ich verweise
in diesem Zusammenhang beispielsweise auf das neue Pro-
gramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“.
Es ist mir ein wichtiges Anliegen, ein in der Bundesre-
publik Deutschland verbreitetes Unsicherheitsgefühl zu
überwinden: die Neigung zum Pessimismus, die Neigung
dazu, grau in grau zu malen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei der Regierung kein Wunder!)
Das mögen Sie, die Abgeordneten der Opposition, jetzt
halten, wie Sie es für richtig halten. Wir dürfen nicht zu-
lassen, dass sich in Deutschland eine Grau-in-grau-Stim-
mungslage verbreitet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Ich jedenfalls werde meine Kraft dazu einsetzen. Um dieser
Stimmungslage entgegenzuwirken, brauchen wir selbstver-
ständlich konkrete Maßnahmen. Ich habe Ihnen heute
eine Reihe von konkreten Maßnahmen genannt. Es han-
delte sich um diejenigen Maßnahmen, die wir als erste an-
packen werden.
Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir auch ein
bisschen mehr Mut und ein bisschen mehr Zuversicht in
die Zukunft; deshalb ist das, was ich als „Allianz für
Erneuerung“ bezeichne, so wichtig. Mir ist es wichtig,
dass die „Allianz für Erneuerung“ gerade auf dem Feld in
Gang kommt, das uns und mir am Herzen liegt, nämlich
auf dem Arbeitsmarkt. Der Verbesserung der Situation auf
dem Arbeitsmarkt werden wir uns ab sofort mit noch mehr
Kraft widmen. Ich bin überzeugt: Wir können und wir
werden Erfolg auf diesem Felde haben, wenn wir es ge-
meinsam anpacken. Das zu tun ist meine Bitte an alle. Ich
setze auf den Willen zum Erfolg.
Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Friedrich Merz,
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wolfgang Clement
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
-
insert_commentNächste Rede als Kontext
Rede von Friedrich Merz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Herr Clement, wir heißen Sie in Berlin herzlich
willkommen, wo Sie Ihrer neuen Aufgabe nachgehen.
Sie übernehmen eine wichtige, vielleicht die wichtigste
Aufgabe in dieser Bundesregierung. Sie übernehmen das
traditionsreiche Ministerium von Ludwig Erhard, das
mit wegweisenden politischen Entscheidungen in die-
sem Lande verbunden ist. Auf Ihnen und Ihrer Arbeit
ruht die Hoffnung vieler Menschen in Deutschland, dass
es nach vier Jahren rot-grüner Politik in diesem Lande
auch und gerade auf dem Arbeitsmarkt wieder besser
wird. Dabei begleiten Sie, wenn man so will, alle unsere
Sympathien.
(Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich gewissermaßen als Fußnote auf Fol-
gendes hinweisen: Sie hätten hier nicht unbedingt Nord-
rhein-Westfalen als Referenzwert nennen sollen;
(Beifall bei der CDU/CSU)
denn Sie kommen aus dem Bundesland mit der höchsten
Arbeitslosigkeit aller westdeutschen Flächenstaaten, mit
einer der niedrigsten Investitionsquoten und mit einer der
höchsten Pleitenzahlen in Westdeutschland.
(Wolfgang Clement, Bundesminister: In Bayern höher!)
Herr Clement, das ist kein Ausweis für eine gute Politik
für ganz Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber Sie tragen nun Verantwortung weit über dieses
Land hinaus. Wenn Sie dieser Verantwortung gerecht wer-
den wollen, dann gehört dazu, dass Sie die Ausgangslage,
in der wir stehen, richtig beschreiben und daraus auch die
richtigen Konsequenzen ziehen. Herr Clement, es ist
wahr, dass es uns in Deutschland besser als den Menschen
in vielen anderen Ländern dieser Welt geht.
(Gerd Andres [SPD]: Ja, das ist wahr!)
Es ist wohl wahr, dass es uns in Deutschland immer noch
besser geht als den Menschen in der Sahelzone oder den
Menschen in Papua-Neuguinea. Das ist alles wahr.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Arrogant wie immer!)
Wir gehören zu den führenden Industrienationen und es
geht uns im Vergleich zu vielen anderen Menschen auf
dieser Welt immer noch relativ gut, und zwar nicht wegen,
sondern trotz Rot-Grün.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Entscheidende aber ist doch, dass wir im Vergleich
zu vielen anderen Industrienationen in Europa und außer-
halb Europas in den letzten Jahren nicht nach vorn ge-
kommen, sondern zurückgefallen sind. Die Bundesrepu-
blik Deutschland war einst Wachstumslokomotive in
Europa und währungspolitisch ein Stabilitätsanker.
Heute, vier Jahre nachdem die Bundesregierung, der Sie
nun angehören, Verantwortung übernommen hat, ist
Deutschland im europäischen Vergleich Schlusslicht
beim Wachstum
(Gerd Andres [SPD]: Das war es vor vier Jahren auch schon!)
und durch die Politik des Finanzministers zu einem ernst-
haften Stabilitätsrisiko für unsere gemeinsame europä-
ische Währung geworden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gerd Andres [SPD]: Was war denn 1994, Herr Merz?)
In Ihre Verantwortung, Herr Clement, fällt nun wieder
die Zuständigkeit für die Wirtschaftsforschungsinstitute.
Sie haben nach vier Jahren richtigerweise wieder die
Grundsatzabteilung übernommen, die sozusagen die
Seele des Bundeswirtschaftsministeriums ist und die einst
durch Oskar Lafontaine in das Haus des Bundesfinanzmi-
nisters übertragen wurde. Sie sind der Auftraggeber für
die Gutachten der Sachverständigen. Diese Gutachten,
für die immerhin jeweils rund 600 000 Euro pro Jahr ge-
zahlt werden und zu denen sich die wirtschaftspolitisch
und wirtschaftswissenschaftlich Besten dieses Landes zu-
sammenfinden, die von Ihnen mit ausgewählt werden, be-
sagen doch genau das, was wir Ihnen seit langer Zeit vor-
tragen.
Nach wie vor ist das trendmäßige Wachstum in
Deutschland
– so heißt es im letzten Gutachten –
niedriger als in fast allen Ländern des Euroraums.
Der Abstand zu den USAist noch größer. Auch ist die
Arbeitslosigkeit nach wie vor sehr hoch. Diese bei-
den Probleme bestehen seit langem und bisher hat
die Wirtschaftspolitik wenig zu ihrer Lösung beige-
tragen.
Diese Analyse schließt ein, dass die Probleme der Bun-
desrepublik Deutschland von der weltwirtschaftlichen
Entwicklung nicht völlig unabhängig sind. Aber die we-
sentlichen Probleme in Deutschland haben mit der Welt-
wirtschaft wenig zu tun, sie sind hausgemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn Sie aus diesen Problemen herausfinden wollen,
müssen Sie sich die richtigen Ziele setzen. Zu den richti-
gen Zielen in einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört
eine klare Zielbestimmung über die Abgrenzung dessen,
was der Staat aus der erwirtschafteten Leistung der Men-
schen und Betriebe für sich beanspruchen darf, kann und
soll und was die Menschen für sich behalten dürfen und
müssen. Dies verbindet sich in der Wirtschaftspolitik mit
der Staatsquote, also mit der Frage: Wie hoch ist der An-
teil des Verbrauchs der staatlichen Systeme, der Steuer-
haushalte, der Haushalte der sozialen Sicherungssysteme
an der wirtschaftlichen Leistungskraft einer Volkswirt-
schaft?
Die Staatsquote ist unter der Verantwortung der Regie-
rung, der Sie jetzt angehören, Herr Clement, nicht gesun-
ken, sondern tendenziell weiter gestiegen. Das, was jetzt
an Regierungsprogrammen vorgelegt worden ist und was
(A)
(B)
(C)
(D)
184
(A)
(B)
(C)
(D)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 185
der Bundeskanzler hier gestern lustlos vorgetragen hat
– im Vergleich dazu war Ihre Rede eine Rede voller Dy-
namik –,
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
deutet in allen wesentlichen wirtschaftspolitischen Be-
standteilen darauf hin, dass die Staatsquote in diesem
Lande wieder über 50 Prozent steigen wird. Wenn ein
Land eine Staatsquote von 50 Prozent oder mehr hat, gibt
es aber keine soziale Marktwirtschaft mehr. Dann ist es
vielmehr eine Staatswirtschaft mit einem abnehmenden
privaten Sektor.
(Zuruf von der SPD: Dafür waren Sie ja verantwortlich!)
– Um diesem Zwischenruf gleich zu entgegnen: Die
Staatsquote ist in den 90er-Jahren, nach der deutschen
Wiedervereinigung, kurzfristig auf über 50 Prozent ange-
stiegen, nachdem sie vorher bei 46 Prozent gelegen hat.
Helmut Schmidt hat eine Staatsquote von weit über
50 Prozent hinterlassen, ohne Wiedervereinigung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wir sind in den 90er-Jahren in der Lage gewesen, mit den
Wiedervereinigungskosten und -lasten die Staatsquote in
Deutschland wieder auf 48 Prozent abzusenken. Die
Staatsquote muss noch weiter herunter. Herr Clement, ich
hätte erwartet, dass Sie in Ihrer ersten wirtschaftspoliti-
schen Rede in neuer Funktion hinsichtlich dieser wesent-
lichen, vielleicht der wichtigsten makroökonomischen
Größe unserer Volkswirtschaft ein Ziel bestimmen, das
Sie mit Ihrer Politik erreichen wollen, damit es in
Deutschland wieder mehr Dynamik, mehr Wachstum und
mehr Arbeitsplätze gerade in den von Ihnen zu Recht ge-
nannten mittelständischen Unternehmen gibt. Hierzu hät-
ten Sie heute Morgen etwas sagen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ihr Vorgänger Werner Müller hat immerhin den Mut
gehabt – wenigstens in der ersten Hälfte der vergangenen
Wahlperiode –, eine solche Zielbestimmung von 40 Pro-
zent zu verfolgen, so zum Beispiel hat er sie in den Wirt-
schaftsbericht des Jahres 2000 aufgenommen. Das hat,
wenn ich die Reaktionen damals richtig verstanden habe,
auch die beifällige Zustimmung des Herrn Bundeskanz-
lers gefunden. Wie sieht Ihre Zielbestimmung bezüglich
der künftigen Staatsquote in Deutschland aus? Dazu ha-
ben Sie nichts gesagt. Wenn Sie jedoch zulassen, dass
durch die Politik dieser Bundesregierung die Staatsquote
noch weiter erhöht wird, dann sind all Ihre Ziele, die Sie
heute hier zum Mittelstand, zur Wirtschaft, zu Wachstum
und Beschäftigung formuliert haben, Makulatur. Diese
werden Sie dann nicht erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
In diesen Zusammenhang gehört natürlich die Frage,
wie sich denn die Steuerlastquote und die Belastungen
durch die Sozialversicherungsbeiträge entwickeln sol-
len. Wir haben vor vier Jahren – damals noch in Bonn –
von der damals neuen Bundesregierung gehört, dass sie
mit dem Konzept einer so genannten ökologisch-sozialen
Steuerreform die Belastungen durch Sozialversicherungs-
beiträge senken wollte. Wir haben dem, was Sie damals
versprochen haben, aus, wie sich heute herausstellt, sehr
guten Gründen nie geglaubt. Heute, vier Jahre später, er-
leben wir sowohl eine weitere Steigerung der Steuerbelas-
tung der Menschen in Deutschland als auch ein Steigen
der Sozialversicherungsbeiträge, nicht zuletzt zur Ren-
tenversicherung, die doch durch die Ökosteuer subventio-
niert werden sollte. Welche Konzeption verfolgt unser
neuer Wirtschaftsminister bei diesem Thema?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Clement, Sie sind ja jetzt auch für die Wettbe-
werbspolitik zuständig. Ich habe es sehr zustimmend auf-
genommen, dass Sie für mehr Wettbewerb eintreten.
Gestern hat sich hier der Bundesaußenminister, wohl in
seiner Eigenschaft als Übervorsitzender der Grünen, zur
Wirtschaftspolitik zu Wort gemeldet und sich als Kassen-
patient geoutet. Ich stelle die Frage, meine Damen und
Herren, und konkret Ihnen, Herr Clement: Sind Sie der
Meinung, dass Wettbewerb zu einem tragenden Element
unserer sozialen Sicherungssysteme werden soll? Als
Bundeswirtschaftsminister müssen Sie zu zentralen wirt-
schaftspolitischen Themen dieses Landes etwas sagen.
Mehr Wettbewerb stellt aus unserer Sicht die einzige
Chance dar, die notwendige Effizienz in den sozialen Si-
cherungssystemen herbeizuführen, die wir alle wollen
und brauchen, damit die Abgabenbelastung nicht weiter
steigt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Nun haben Sie sehr intensiv noch einmal das Hartz-
Konzept erläutert. Wir sind auf die konkreten Gesetze ge-
spannt, die Sie zur Umsetzung dieses Konzepts vorschla-
gen und dem Deutschen Bundestag vorlegen. Ich möchte
Ihnen übrigens raten, wenn ich das tun darf, die öffentli-
che Debatte über Sinn und Unsinn Ihrer Gesetze nicht nur
mit den von Ihnen so apostrophierten Profis der Nation im
öffentlichen Raum zu führen, sondern bitte Sie darum, die
Debatte auch hier im Deutschen Bundestag zu führen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Hier ist das Forum der Nation, wo die grundlegenden Dis-
kussionen über die Zukunft unseres Landes geführt wer-
den müssen. Ich sage das deshalb, Herr Clement, weil wir
uns bei Ihrem Vorgänger zwangsläufig daran gewöhnen
mussten, dass er im Deutschen Bundestag so gut wie nie
anwesend war, außer dann, wenn im Rahmen unmittelba-
rer Wirtschaftspolitik einmal große politische Debatten
stattgefunden haben. Obwohl auch Sie kein Bundestags-
mandat haben, sollten Sie gleichwohl häufig dabei sein,
damit diese Debatte hier vor den Augen der gesamten
deutschen Öffentlichkeit und nicht nur im Kreis des Vor-
standes der Volkswagen AG geführt werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich will Ihnen zu den Vorschlägen der Hartz-Kommis-
sion, die Sie übernehmen wollen, Folgendes sagen: Es
mag das eine oder andere dabei sein – ich komme in an-
derem Zusammenhang noch darauf zu sprechen –, was
durchaus richtig ist. Insgesamt gilt aber doch, dass die von
vielen Seiten, nicht nur vonseiten der Opposition am
Hartz-Konzept geäußerte Kritik unverändert richtig ist.
Mit einer besseren Vermittlung der Arbeitslosen kann man
Friedrich Merz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
Friedrich Merz
vielleicht eine höhere Beschäftigungsquote erreichen,
aber ganz bestimmt nicht mehr Arbeitsplätze in Deutsch-
land schaffen. Das ist doch der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Clement, Sie sind heute Morgen bei Ihrer ersten
Rede hier auf viele Details eingegangen. Alle diese De-
tails mögen mehr oder weniger richtig sein. Auch die
Frage, welche Förderung für welche Unternehmen durch
die öffentliche Hand gewährt wird und welche nicht, mag
uns im Detail beschäftigen. Der entscheidende Punkt ist
aber, dass unserer Volkswirtschaft seit längerer Zeit die
notwendige Dynamik fehlt, aus sich selbst heraus die Ar-
beitsplätze zu schaffen, die wir brauchen, ohne dass sie
auf staatliche Subventionen angewiesen ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf das letz-
te Sachverständigengutachten zu sprechen kommen.
Darin heißt es wörtlich:
Gleichwohl erscheint die Hoffnung der Hartz-Kom-
mission, durch Umsetzung ihrer Vorschläge in den
nächsten drei Jahren 2Millionen Arbeitslose in Lohn
und Brot zu bringen, als illusorisch. Die Probleme
des deutschen Arbeitsmarkts resultieren nur in gerin-
gem Maße aus einer ineffizienten Arbeitsvermittlung
und unzureichenden Instrumenten.
Herr Clement, auf dieser Basis sollten wir uns darauf ver-
ständigen, die Vorschläge der Hartz-Kommission objektiv
zu bewerten. Manches zeigt durchaus in die richtige Rich-
tung, aber der große Wurf ist das nicht, wenn Sie die Ziele
erreichen wollen, die Sie heute Morgen hier zu Recht
apostrophiert haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich möchte Ihnen jetzt einige konkrete Fragen stellen.
Mit großer Aufmerksamkeit habe ich vernommen, dass
Sie die Tarifpolitik angesprochen haben. Herr Clement,
sind Sie bereit, gegen den anhaltenden Widerstand der
deutschen Gewerkschaften, jedenfalls großer Teile von
ihnen, dafür zu sorgen, dass das Tarifvertragsgesetz und
möglicherweise auch das Betriebsverfassungsgesetz so
geändert werden, dass betriebliche Bündnisse für Arbeit
in Deutschland,
(Zurufe von der SPD: Nein!)
abweichend auch von Flächentarifverträgen,
(Zurufe von der SPD: Nein!)
möglich sind, ja oder nein? Das ist eine entscheidende
Frage für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)
– Nicht alle Zurufe von Ihnen sind zu hören, aber aus
manchen Reihen höre ich hier ein lautes Nein.
(Hans-Werner Bertl [SPD]: Das gibt es ja heute schon! Das ist Unsinn, was Sie da sagen! Sie müssen zuhören! – Weitere Zurufe von der SPD)
Entscheidend ist doch, dass gesetzliche Regelungen
getroffen werden, sodass Sie nicht vom Wohlwollen von
Einzelgewerkschaften in Deutschland abhängig sind.
(Beifall bei der FDP)
Entscheidend ist, dass die Gesetze geändert werden und
nicht der Goodwill einzelner Gewerkschaften in
Anspruch genommen werden muss.
Herr Clement, sind Sie bereit, in den Ausbildungsord-
nungen von Theorie entlastete Berufsbilder zuzulassen,
(Zuruf von der SPD: Übersetzen Sie das mal!)
sodass Jugendliche, die weniger theoretische Fähigkeiten,
dafür aber mehr praktische Fähigkeiten haben, im Rah-
men einer verkürzten Ausbildungszeit einen Berufsab-
schluss erreichen und anschließend auch eine qualifizierte
Beschäftigung finden können?
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Das gibt es doch schon! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Ich höre gerade, dass sogar der Präsident mit dem Be-
griff nichts anfangen kann. Vielleicht sollte ich ihn des-
halb erläutern.
Die Gewerkschaften in Deutschland wehren sich seit
Jahren dagegen, dass solche Berufsbilder etabliert wer-
den, weil sie der Meinung sind, dass nur eine auch in
vollem theoretischen Umfang herbeigeführte Ausbildung
auf Dauer zu Beschäftigung führt. Wir sind anderer Mei-
nung. Es muss solche Berufsbilder geben.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch längst gängige Praxis!)
Sie, Herr Clement, haben es in der Hand, solche Berufs-
bilder zu ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie haben die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe
angesprochen. Seit vier Jahren schlagen wir Ihnen vor,
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenzulegen
(Zurufe von der SPD: Jetzt verheddern Sie sich aber!)
und daraus ein neues Instrument zu schaffen, mit dem ins-
besondere auf kommunaler und regionaler Ebene Ar-
beitsmarktpolitik wieder möglich gemacht wird. Was wir
in den letzten Tagen dazu gehört haben, Herr Clement,
stimmt uns nicht sehr optimistisch dahin gehend, dass Sie
das wirklich so umsetzen wollen.
Der entscheidende Punkt ist doch – lassen Sie mich
einmal sagen, wie es wirklich ist –, dass das System un-
serer Arbeitslosenhilfe in früheren Jahren eine Wieder-
eingliederungshilfe für diejenigen gewesen ist, die schon
einen Beruf oder eine neue Beschäftigung in Aussicht hat-
ten. Daraus ist über die Jahre – das ist nicht erst mit dem
Regierungswechsel im Jahre 1998, sondern lange vorher
geschehen – eine vollständige Lohnersatzleistung gewor-
den, die unter bestimmten Bedingungen sogar bis ans
Lebensende gezahlt wird. Dies ist ein Fremdkörper im
System. Wenn wir neben der Versicherungsleistung des
Arbeitslosengeldes eine Sozialleistung brauchen, dann ist
(A)
(B)
(C)
(D)
186
(A)
(B)
(C)
(D)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 187
die Sozialhilfe die richtige. Diese Leistung ist im Sinne
von Subsidiarität – ein tragendes wirtschaftspolitisches
Ordnungsprinzip – auf kommunaler Ebene richtig ange-
siedelt. Wenn wir dieses Prinzip effizient ausgestalten
wollen, dann muss dies so geschehen, dass arbeitsfähige
Sozialhilfeempfänger Sozialhilfe nur dann bekommen,
wenn sie ihrerseits vorher einen aktiven Beitrag dazu
geleistet haben, dass man sie wieder in den Arbeitsprozess
eingliedern kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Franz Müntefering [SPD]: Das hätten Sie mal Herrn Blüm sagen sollen!)
Wir haben dazu sehr konkrete Vorschläge gemacht. Wir
haben gesagt, dass arbeitslosen Sozialhilfeempfängern in
Zukunft Leistungen nur noch dann gewährt werden
sollen, wenn sie entweder eine zumutbare Beschäftigung,
wobei die Zumutbarkeitsregeln erheblich korrigiert wer-
den müssten, bzw. eine gemeinnützige Beschäftigung an-
nehmen oder bereit sind, eine gezielte, auf die schnelle
Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt aus-
gerichtete Fortbildung oder Umschulung zu machen. Die
Umkehr der Beweislast, dass also nicht der Staat be-
weisen muss, dass diese Menschen etwas schaffen kön-
nen, sondern dass sie dies umgekehrt beweisen und sie
dafür Hilfe brauchen, ist eine zentrale Forderung der
Union, damit dieses System wieder vom Kopf auf die
Füße gestellt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Clement, Sie haben in den letzten Tagen
angekündigt, das Thema der Entbürokratisierung zur
Chefsache machen zu wollen.
(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr gut!)
Wir sind – das wissen Sie wahrscheinlich – in dieser
Beziehung etwas vorgeprägt. Wenn jemand sagt, ein be-
stimmtes Thema zur Chefsache machen zu wollen, dann
müssen das die Betroffenen nach den Erfahrungen, die
wir in diesem Zusammenhang gemacht haben, eher als
eine Drohung empfinden.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Wenn Sie es gleichwohl tun wollen, haben Sie eine
große Aufgabe vor sich. Bundeskanzler Gerhard Schröder
hat in seiner Regierungserklärung zur rot-grünen Koali-
tionsvereinbarung des Jahres 1998 im Deutschen Bun-
destag erklärt:
Wir wollen einen effizienten und bürgerfreundlichen
Staat. Deswegen werden wir Bürokratie abbauen.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Ich habe das einmal nachsehen lassen: Das Ergebnis
der vierjährigen rot-grünen Regierungszeit von 1998 bis
2002 zum Thema „Bürokratieabbau“ war, dass wir in
Deutschland nach diesen vier Jahren – jetzt hören Sie
genau zu; diese Zahlen haben selbst mich überrascht bzw.
schockiert – 391 Gesetze und sage und schreibe
973 Rechtsverordnungen des Bundes mehr haben.
(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Herr Clement, da haben Sie sich eine Aufgabe vorgenom-
men, im Hinblick auf deren Bewältigung ich Ihnen nur
gute Reise und viel Glück wünschen kann. Wenn Sie das
schaffen, haben Sie sich um die Zukunft unseres Landes
wirklich verdient gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Gehen Sie also ans Werk! Wir machen Ihnen ganz
konkrete Vorschläge, wie Sie das tun können. Der erste
Schritt wäre – da Sie ja schnell arbeiten wollen, wie wir
zumindest hören, können wir das unter Verzicht auf
sämtliche Fristen sofort innerhalb weniger Stunden
erledigen –: Schaffen wir gemeinsam das Gesetz zur
Scheinselbstständigkeit ab!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Typisch!)
Das wäre ein erster guter Schritt auf dem Weg hin zum
Abbau von Bürokratie. Dann sollten wir bitte auch gleich
das Gesetz zur Betriebsverfassung, das zu einer völlig
überflüssigen Bürokratisierung geführt hat und den Mit-
telstand in diesem Land belastet, beseitigen.
(Lachen bei der SPD)
Wir sind sofort bereit, mit Ihnen ein erhebliches Stück an
Bürokratieabbau zu betreiben.
Beschränken wir doch gemeinsam den Anspruch auf
Teilzeitarbeit auf diejenigen, die Beruf und Familie wirk-
lich miteinander vereinbaren müssen! Beseitigen wir
diesen wirtschaftspolitisch falschen Rechtsanspruch auf
Teilzeit für jedermann in den deutschen Betrieben! Das
können Sie mit uns sofort umsetzen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Herr Clement, Sie haben das Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetz angesprochen. Die in diesem Gesetz vorge-
sehenen Bedingungen sind in der letzten Wahlperiode
mehrfach geändert und verschärft worden.
(Klaus Brandner [SPD]: Das ist ein Quatsch! Der Mann weiß ja gar nicht, worüber er redet!)
Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber vermutlich wurde
es im Bundesrat auch mit Zustimmung des Landes Nord-
rhein-Westfalen verabschiedet. Wenn Sie dieses Gesetz
korrigieren wollen, können wir damit in der nächsten
Woche anfangen. Wir werden zustimmen, wenn Sie hier
entsprechende Korrekturen vornehmen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Sie haben das Wort „Experimentierklauseln“ ver-
wendet.
(Ulrich Heinrich [FDP]: Klingt gut!)
– Es klingt in der Tat gut. – Entsprechende Gesetze,
beispielsweise zum Thema „Anwendung der Sozialhilfe
in den Bundesländern nach unterschiedlichen Vor-
stellungen“, haben sowohl im Bundesrat als auch im Bun-
destag bereits vorgelegen. Sie alle sind von der rot-grünen
Mehrheit abgelehnt worden.
(Beifall der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])
Friedrich Merz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002
Friedrich Merz
Wenn Sie Ihre Meinung geändert haben sollten, beglück-
wünschen wir Sie dazu. Unsere Zustimmung zu einer
entsprechenden Öffnung und zu zusätzlichen Kompeten-
zen der Länder in der Anwendung und Ausführung von
Bundesgesetzen werden Sie erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang, darauf
hinzuweisen, dass wir jenseits aller Detaildiskussionen in
der Steuerpolitik, in der Sozialpolitik und der Wirtschafts-
politik die grundlegende Notwendigkeit sehen, im föderalen
Staat zu einer Neuordnung derZuständigkeiten zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden zu kommen. Sie haben sich
viel vorgenommen. Aber Sie werden es nicht schaffen, Herr
Clement, wenn nicht gleichzeitig im besten Sinne des Wett-
bewerbsföderalismus auch die Länder in Deutschland
wieder mehr Zuständigkeiten und mehr Kompetenzen auch
und gerade in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
bekommen. Wenn Sie die Experimentierklauseln in diesem
Sinne verstehen und wenn Sie sie einführen wollen, werden
Sie die Zustimmung der Unionsfraktionen für ein solches
Vorhaben mit Sicherheit finden.
Abschließend sei mir erlaubt, einen Hinweis auf einen
Sachverhalt zu geben, der nach meinem Gefühl in den letz-
ten 24 Stunden im Deutschen Bundestag eine zu geringe
Rolle gespielt hat, nämlich die weitere demographische
Entwicklung unseres Landes. Sowohl in der Regierungs-
erklärung des Bundeskanzlers vom gestrigen Tag als auch
in Ihrer Rede ist dieses Thema zu kurz gekommen. Auf-
grund der Entwicklung des Bevölkerungsaufbaus der
Bundesrepublik Deutschland stehen wir vor sehr schwer
wiegenden und grundlegenden Problemen in den öf-
fentlichen Haushalten, in der gesamten Volkswirtschaft
und in der Infrastruktur. Die schrumpfende Zahl der
Bevölkerung wird erhebliche Auswirkungen auf das
Zusammenleben der Menschen in diesem Lande haben.
Von einem Bundeswirtschaftsminister und allemal von
einem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland,
die gemeinsam ein rot-grünes Jahrzehnt ausgerufen haben
und einen so umfassenden Gestaltungsanspruch für dieses
Land erheben, müsste man eigentlich erwarten, dass sie
zu diesem zentralen demographischen Problem unseres
Landes mehr zu sagen haben als nur ein paar Floskeln und
ein paar Fußnoten.
Bei der Neuausrichtung der Infrastrukturpolitik, der
Technologiepolitik und der Bildungspolitik ist es nicht
damit getan, dass Sie auf der einen Seite den Familien das
Geld aus der Tasche ziehen, indem Sie die Eigenheimzu-
lage kürzen, und auf der anderen Seite 4 Milliarden Euro
für vier Jahre für die Ganztagsbetreuung zur Verfügung
stellen. Wie müssen sich die Familien vorkommen, die
jetzt keine Häuser mehr bauen können, aber dafür für ihre
Kinder eine Ganztagsbetreuung angeboten bekommen?
Das ist doch keine Antwort auf diese Fragen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Neben dem Problem der langfristigen Sicherung der
sozialen Sicherungssysteme stellt uns die Demographie
vor – jedenfalls vor Jahren – ungeahnte Herausforderun-
gen und Probleme.
(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Mit Ihrer Polemik werden sie auch nicht geringer!)
Wenn sich die Bundesregierung nach vier Jahren rot-
grüner Wirtschaftspolitik, die unser Land nicht nach vorn
gebracht, sondern weiter zurückgeworfen hat, unter Ihrer
Mitverantwortung, Herr Clement, eines Besseren beson-
nen hat, dann sind wir die Letzten, die das kritisieren wer-
den. Denn nach wie vor gilt das, was wir in den letzten
Wochen und Monaten gesagt haben – nach der
Regierungserklärung des gestrigen Tages ist es noch deut-
licher und klarer geworden –: Dieses Land hat eine
bessere Politik und auch eine bessere Regierung verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich komme zum Schluss. Herr Clement, ich wünsche
Ihnen für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe einen guten
Start. Die SPD stellt vier neue Minister.
(Zuruf von der SPD)
– Ich kann gut verstehen, dass es Ihnen nicht gefällt, wenn
ich dieses Thema anspreche. Da sitzen vier neue Minister
von der SPD auf der Regierungsbank, aber kein einziger
aus den Reihen Ihrer Fraktion. Das lässt gewisse
Rückschlüsse darauf zu, was der Bundeskanzler von Ihrer
Bundestagsfraktion hält.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wie jeder neue Minister haben Sie Anspruch auf eine
gewisse Schonfrist. Wenn ich es richtig ausgerechnet
habe, enden die ersten 100 Tage von Wolfgang Clement
im Amt des Bundeswirtschaftsministers am 30. Januar,
einem Donnerstag. Ich schlage vor, dass wir an diesem
Tag die Debatte, die wir heute begonnen haben, fortset-
zen. Ich sage Ihnen schon jetzt: Wenn es bei Ankündi-
gungen bleibt und wenn die Politik der Bundesregierung
weiter rückwärts führt, dann wird die Stimmung etwas an-
ders sein als heute Morgen.
Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)