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ID1500415500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Paziorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

    Müller, es war sehr interessant, was Sie zum Schluss an-
    gesprochen haben.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Richtig vor allem!)


    Aber ich hatte auch den Eindruck, dass Sie den untaugli-
    chen Versuch unternommen haben, von all den Schwä-
    chen in Ihrer Umweltpolitik in den letzten vier Jahren ab-
    zulenken und vor allem von einer konkreten Diskussion
    darüber, was Sie in der Koalitionsvereinbarung nebulös
    und oberflächlich formuliert haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP] – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Jetzt fängt er schon wieder an!)


    – Herr Müller, zunächst zur Klimaschutzpolitik. Da ha-
    ben Sie in den letzten vier Jahren


    (Rudolf Bindig [SPD]: Wieder rückwärts gewandt!)


    – zu dem Vorwärtsgewandten komme ich noch – einen
    Abbau um zusätzlich 3 Prozent gegenüber 15 Prozent aus
    der Zeit der CDU/CSU-FDP-Regierung erreicht.

    In der letzten Koalitionsvereinbarung haben Sie fest-
    gelegt, dass Sie ein neues Gesetz zur Kreislaufwirtschaft
    und zur Abfallwirtschaft in Deutschland vorlegen wollen.


    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Machen wir auch! – Gegenruf der Abg. Birgit Homburger [FDP]: Wo denn?)


    Das Gesetz haben Sie in der letzten Legislaturperiode
    nicht vorgelegt. Sie haben gekniffen, obwohl Sie das ver-
    einbart hatten.

    Sie haben in der Koalitionsvereinbarung vor vier Jahren
    festgelegt, ein Fluglärmschutzgesetz vorzulegen. Dies-
    bezüglich hat sich Herr Trittin mit Herrn Bodewig gestrit-
    ten. Herr Trittin hat sich nicht durchgesetzt. Das Fluglärm-
    schutzgesetz ist in der Versenkung verschwunden.

    Sie haben in der letzten Koalitionsvereinbarung fest-
    gelegt, ein Konzept zur so genannten Entsiegelung des
    Bodens vorzulegen. Wir warten bis heute auf dieses Kon-
    zept.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    166


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Herr Müller, ich wollte all das gar nicht schildern. Ich
    hatte es schon gestrichen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hätten Sie es mal so gelassen!)


    Nur, als Sie gerade anfingen, großartig zu philosophieren
    – ich bin gern bereit, mit Ihnen bei Stiftungen über diese
    Themen zu diskutieren –, habe ich das wieder hervorge-
    kramt. Philosophisch hört sich das alles großartig an, in
    der konkreten Formulierung der Aufgaben in der Um-
    weltpolitik aber haben Sie in den letzten vier Jahren ver-
    sagt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie werden auch bei der Umsetzung der neuen Koali-

    tionsvereinbarung versagen. Sie hatten zum Beispiel an-
    gekündigt, ein Umweltgesetzbuch vorzulegen. Sie sind
    gescheitert,


    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: An Bayern und Baden-Württemberg!)


    weil Sie angeblich die wasserrechtlichen Kompetenzen
    nicht haben. Sie haben das Vorhaben jetzt wieder einge-
    baut. Ich will nur sagen: groß angekündigt, nichts erreicht.

    Ich kann durchaus verstehen, dass die „Berliner Zei-
    tung“ heute getitelt hat: „Koalition sucht klaren Kurs“.
    Das bezog sich auf die Wirtschafts- und auf die Sozialpo-
    litik. Nach der Koalitionsvereinbarung und nach dem,
    was Sie, Herr Müller, gerade gesagt haben, kann ich nur
    feststellen: Es ist klar, dass das nicht nur für die Wirt-
    schafts- und für die Sozialpolitik gilt, sondern leider auch
    für die Umweltpolitik in Deutschland. Das liegt an der
    schlechten Koalitionsvereinbarung, die Sie getroffen ha-
    ben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist offenkundig: Nachdem aus Ihrer Sicht das große

    Thema Atomausstieg – eigentlich ist es kein Atomaus-
    stieg; aber ich übernehme einmal Ihr Vokabular – erledigt
    ist, kommt nun die große umweltpolitische Leere; deshalb
    werden Sie nebulös.

    Sie sprechen in der Koalitionsvereinbarung davon,
    dass die Ökoeffizienz die Jobmaschine von morgen ist.


    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Sehr richtig!)


    Ich habe mir gedacht: Großartig! Jetzt bin ich einmal ge-
    spannt, wie ihr für Ökoeffizienz sorgen wollt. In einem
    zentralen Satz der Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie
    Netzwerke fördern wollen, um Ihr Ziel zu erreichen. Ist
    das denn alles, was Ihnen zu diesem Thema einfällt?


    (Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])

    Was dort steht, ist doch nur Romanformuliererei. Ihre
    ganze Umweltpolitik enthält nichts Konkretes.

    Des Weiteren sprechen Sie – das haben Sie, Herr
    Müller, und auch Minister Trittin heute Abend getan – von
    der ökologischen Modernisierung. Wer einmal konkret
    überprüft, was Sie darunter verstehen, der wundert sich,
    wie wenig konkret Ihre Politik ist. Es ist auch darauf hin-
    gewiesen worden – ich glaube, es waren Frau Mehl und

    der Minister –, in der Koalitionsvereinbarung sei das Ziel
    der Energieeinsparung festgelegt. In der Koalitionsver-
    einbarung steht:

    Zur Fortentwicklung der Energieeinsparung im Ge-
    bäudebereich werden ein Förderprogramm zur Er-
    richtung von Passivhäusern mit

    – jetzt kommt eine sensationelle Zahl –
    30 000 Wohneinheiten

    (Beifall der Abg. Michaele Hustedt [BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN])

    und ein Anschlussprogramm zur energetischen Mo-
    dernisierung des Gebäudebestandes aufgelegt, das
    anstelle von zinsvergünstigten Krediten Zuschüsse
    oder Sonderabschreibungen beinhaltet.

    Das hatten wir doch schon einmal. Das ist beim letzten
    Mal doch schon einmal gescheitert.


    (Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen!)


    Dieses Programm ist doch gar nicht erfolgreich gewesen.
    Es war verdammt kompliziert.

    Mittlerweile haben Sie daraus natürlich gelernt und
    wollen es verbessern. Warum haben Sie denn nicht in die
    Koalitionsvereinbarung geschrieben, wie Sie das machen
    wollen? Ich kann Ihnen sagen: Ihnen ist dazu bis heute
    Abend nichts Neues eingefallen. Sie argumentieren ne-
    bulös, nur um von den tatsächlich vorhandenen schwarzen
    Löchern Ihrer Umweltpolitik abzulenken.

    Aus diesem Grunde wird es natürlich notwendig sein,
    in den nächsten vier Jahren ganz konkrete Fragen zu stel-
    len, zum Beispiel: Wie soll es in der Klimaschutz- und
    Energiepolitik weitergehen? Wie sehen Ihre Konzepte für
    eine nachhaltige Energiepolitik wirklich aus?

    Sie sprechen die erneuerbaren Energien an. Ich sage
    noch einmal ganz deutlich – ich will das fortsetzen, was
    der Kollege Lippold hier angesprochen hat –: Sie werden
    die Union immer an Ihrer Seite finden, wenn es darum
    geht, die erneuerbaren Energien sinnvoll zu fördern. Bei
    all den Problemen, die wir in der Klimaschutzpolitik ha-
    ben, sind auch wir der Ansicht, dass es darauf ankommen
    wird, die erneuerbaren Energien als eine wesentliche
    Säule unserer Energie- und Klimaschutzpolitik auszu-
    bauen. Deshalb sind auch wir dafür, darüber nachzuden-
    ken, im Rahmen des EEG die Offshoreförderung zeitlich
    zu verlängern. Darüber werden wir uns höchstwahr-
    scheinlich einigen.

    Wir sind nicht prinzipiell gegen die Anwendung der
    Windkraft; allerdings fragen wir uns, ob es richtig war
    – Sie haben das in den letzten vier Jahren gemacht –, mit
    – aus unserer Sicht – überzogenen Fördersätzen zu versu-
    chen, an ungeeigneten Standorten im Binnenland Wind-
    kraftanlagen anzusiedeln. Sie haben dabei die Proteste der
    Bevölkerung ignoriert. Am schlimmsten war, dass Sie
    überhaupt keine Rücksicht darauf genommen haben, dass
    es an vielen Stellen zu großen Konflikten mit dem Natur-
    schutz und dem Landschaftsschutz gekommen ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dr. Peter Paziorek




    Dr. Peter Paziorek
    Sie als Umweltpolitiker haben diese Sichtweise einfach
    vernachlässigt. Das ist keine gute und sinnvolle Art und
    Weise, die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern.

    Es gibt im Rahmen erneuerbarer Energien Alternati-
    ven: Biomasse und Biogas. Man kann Biomasse- und
    Biogasanlagen landschaftsgerecht bauen. Man kann da-
    durch der Landwirtschaft helfen, wie Sie es im Zuge der
    Förderung der Nutzung der Windkraft wollten. Man muss
    feststellen, dass Sie die Anreizförderung im letzten Jahr
    gestrichen haben. Seitdem Sie diese Streichung im letzten
    Jahr durchgeführt haben, ist das Wirtschaften mit Bio-
    masse- und Biogasanlagen nicht mehr rentabel. Jetzt lie-
    gen Förderanträge und Baugenehmigungsanträge auf
    Halde, weil die Antragsteller sagen: Wir können das, was
    wir vorhatten, nur deswegen nicht mehr realisieren, weil
    Rot-Grün die Förderung gestrichen hat.

    Vor diesem Hintergrund müssen Sie doch unsere Skep-
    sis verstehen, die sich darin ausdrückt, dass wir sagen: Sie
    formulieren immer alles nebulös; aber wenn es darum
    geht, Biomasse- und Biogasanlagen ganz konkret zu för-
    dern, dann tauchen Sie ab. Ihre Politik war sogar gegen
    diese Anlagen gerichtet. Das war unverantwortlich, weil
    Sie damit nicht dafür gesorgt haben, dass zum Beispiel
    auch in interessanten Naturräumen erneuerbare Energien
    gefördert werden. Sie waren bei der Förderung erneuer-
    barer Energien ideologisch einseitig ausgerichtet. Eine
    solche Haltung lehnen wir ab.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie reden immer so groß von Nachhaltigkeit. Herr

    Müller, Ihre Rede enthielt einen interessanten Ansatz. Sie
    wissen, dass ich mit Ihnen über prinzipielle Fragen der
    Nachhaltigkeit immer sehr gerne diskutiere. Jetzt tun Sie
    so, als ob wir im Bundestag wirklich darüber diskutieren
    müssen. Schauen Sie sich doch einmal den Gang der Be-
    ratung des Berichts des Rats für Nachhaltigkeitsfragen in
    der letzten Legislaturperiode an. Die Beratung ist doch
    vollständig am Parlament und an seinem Umwelt-
    ausschuss vorbeigegangen. Uns wurde vom zuständigen
    Staatsminister gesagt, es müsse erst einmal auf der Staats-
    sekretärebene ein Papier zusammengebastelt werden,
    dann könne man darüber diskutieren.


    (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: So ist das!)


    Wo war denn Ihr Versuch, Nachhaltigkeit ins Plenum
    zu bringen und die große öffentliche Diskussion zu die-
    sem Thema zu führen? Sie sind dieser Diskussion ausge-
    wichen und wundern sich danach, dass Ihre Politik nicht
    dazu geführt hat, dass der Begriff der Nachhaltigkeit ein
    wesentlicher Begriff auch unserer Umwelt- und Sozialpo-
    litik geworden ist. Sie haben in dieser Frage versagt und
    wir können nur sagen: Man sollte nicht die großen Reden
    schwingen, sondern dafür sorgen, dass wir hier im Ple-
    num über diese wesentlichen Fragen diskutieren. Das
    wäre ein wichtiger Ansatz zur Nachhaltigkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Sie davon sprechen, dass wir im Naturschutz

    weitermachen müssen, stimmen wir zu. Nur sage ich wie
    bei der Nachhaltigkeit: Über die Zielvorstellungen sind

    wir uns gar nicht so uneins. Aber eines ist doch klar: Sie
    meinen, Naturschutzpolitik könne im heutigen Zeitalter
    nur hoheitlich, von oben gemacht werden. Sie meinen,
    Naturschutzpolitik solle nicht mehr auf Instrumente
    zurückgreifen, die sich in vielen Regionen unseres Lan-
    des bewährt haben, etwa das Kooperationsprinzip: mit
    den Nutzern tatsächlich reden, freiwillige Vereinbarungen
    schließen.

    In den letzten Tagen sind Pressemeldungen von meh-
    reren interessierten Verbänden erschienen – nicht aus der
    Landwirtschaft, sondern zum Beispiel von der Wasser-
    wirtschaft. Es wird dafür geworben, eine Allianz zwi-
    schen Wasserwirtschaft, Umweltschutz und Landwirt-
    schaft zustande zu bringen. Wenn ich sehe, wie es bei
    Ihnen, Herr Göppel, in Bayern läuft und wie es bei mir in
    Westfalen läuft, dass wir vor Ort diese Allianzen haben,
    frage ich mich: Wo ist denn dieser wesentliche Grundsatz
    bei Ihnen in der Koalitionsvereinbarung? Warum sagen
    Sie nicht, wir wollen das Kooperationsprinzip im Natur-
    schutzbereich stärken, wir wollen die Allianzen stärken,
    wir wollen die Menschen mitnehmen? Nein, Ihre Koali-
    tionsvereinbarung ist immer noch geprägt von einem ho-
    heitlichen, obrigkeitsstaatlichen Ansatz. Und dann wun-
    dern Sie sich, wenn die Leute vor Ort sagen, wir fühlen
    uns überfahren. Sie schaden den Prinzipien, und deshalb
    sage ich: Schon vom Ansatz her ist Ihre Koalitionsverein-
    barung falsch, meine Damen und Herren.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


    Zur Frage der verantwortungsbewussten Politik: Es ist
    sehr schade, dass Sie wieder nicht den Mut hatten, zum
    Bereich Endlager und Entsorgung eine klare Aussage
    zu treffen, unabhängig davon, wer nun die friedliche Nut-
    zung der Kernenergie in Deutschland eingeführt hat, ob es
    Sozialdemokraten oder Christdemokraten waren. Wir alle
    waren in den 60er-Jahren begeistert davon. Wir haben
    eine gemeinsame Verantwortung.


    (Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht alle, wir nicht!)


    – Die Grünen gab es damals als politische Kraft noch
    nicht, Frau Hustedt. – Wir müssen uns jetzt darum küm-
    mern, wohin mit dem so genannten Atommüll.


    (Ulrike Mehl [SPD]: Tun wir ja!)

    Wenn ich mir vor Augen führe, wie Sie sich in den letzten
    vier Jahren um eine klare Standortaussage gedrückt haben
    und jetzt wieder nebulös formulieren, kann ich nur sagen:
    Bei Ihnen scheint wiederum die Verantwortungslosigkeit
    um sich zu greifen. Auch das werden wir Ihnen nicht
    durchgehen lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb zum Schluss: Meine Damen und Herren, Sie

    haben in den letzten Jahren Ihre Koalitionsvereinbarung
    nicht sauber abgearbeitet. Warum sollen wir davon aus-
    gehen, dass Sie es jetzt besser machen? Es spricht, da Sie
    jetzt wieder vieles nebulös formuliert haben, alles dafür,
    dass Sie wieder wegtauchen werden. Die Bundesregie-
    rung hat mit der Koalitionsvereinbarung der sie tragenden
    Parteien zur Umweltpolitik die Chance vertan, die Wei-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    168


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    chen für eine wirklich nachhaltige Umweltpolitik in
    Deutschland zu stellen. Das, was Sie sich in der Koali-
    tionsvereinbarung umweltpolitisch vorgenommen haben,
    lässt leider keine klare Handschrift erkennen, hat leider
    große Textlücken und wird den Umweltschutz in
    Deutschland leider nicht voranbringen.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ich erteile dem Kollegen Winfried Hermann, Bünd-

nis 90/Die Grünen, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Winfried Hermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir

    leider nicht vergönnt, all das abzuräumen, was uns in lan-
    gen Redezeiten aufgetischt wurde, vor allem das, was Sie,
    Herr Paziorek, gesagt haben. Ich kann also nur das eine
    oder andere aufgreifen.


    (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Im Ausschuss diskutieren wir weiter darüber!)


    Ich hatte mir für heute vorgenommen, zu Beginn einer
    neuen Legislaturperiode mir selber, der Regierung, den
    Koalitionsfraktionen, aber auch der Opposition einige
    grundsätzliche und auch kritische Fragen zur Orientie-
    rung in der Politik zu stellen. Für mich stellen sich fol-
    gende Fragen: Erstens. Haben wir auf die wirklich großen
    Herausforderungen, auf die globalen Herausforderungen
    mit unseren Politikansätzen die richtige Antwort?

    Zweitens. Wie schaffen wir es, das allgemeine Konzept
    der Nachhaltigkeit und des integrierten ökologischen An-
    satzes konkret zu machen?

    Drittens. Schaffen wir es, eine mehr bürgerfreundliche
    und bürgerbeteiligungsorientierte Umweltpolitik zu ma-
    chen?

    Viertens. Ist unser Ansatz strategisch geradlinig oder
    widersprüchlich?

    Ich sage dies bewusst nicht nur als Herausforderung an
    die Regierung, sondern diese Fragen muss sich auch die
    Opposition stellen. Man kann hier nicht nur von der Re-
    gierung einen klaren Kurs fordern. Man muss diese Maß-
    stäbe dann auch bei sich selber anlegen und seinen Stand-
    punkt einhalten. Einerseits wirft man uns vor, wir wären
    nicht radikal genug, und andererseits sagt man zu unseren
    Vorschlägen zur Reduktion des CO2-Verbrauchs, sie seienviel zu radikal und würden die Wirtschaft und bestimmte
    Gruppen schädigen Diese Widersprüchlichkeit halten
    Sie konsequent durch. Ich finde, diese paradoxe Logik ist
    nur schwer erträglich.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie haben – jetzt werde ich konkret – die große He-
    rausforderung Klimaschutz genannt. Das haben Sie zu
    Recht als wichtiges Thema angesprochen. Wir haben es
    im Koalitionsvertrag ganz vornean gestellt. In diesem Be-
    reich haben wir sehr konkrete Vorschläge gemacht. Sie
    haben Recht, nicht in allen Punkten ist der Koalitionsver-

    trag konkret. Aber in manchen Punkten ist er sehr konkret:
    Im Hinblick auf Energiepolitik und Klimaschutz haben
    wir klare Ziele und Vorschläge. Das ist weit konkreter als
    das, was Sie von der Opposition in den letzten vier Jahren
    produziert haben.


    (Birgit Homburger [FDP]: Das stimmt aber nicht, Herr Hermann!)


    Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen – auch die große
    Volkspartei FDP muss dies tun –: Sie sind immer sehr
    großzügig mit Kritik. Aber wenn man Sie nach Ihren kon-
    kreten Plänen und Gegenkonzepten fragt, dann werden
    Sie sehr allgemein.


    (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das kommt ja noch! Heute ist Regierungserklärung!)


    Sie jammern zum Beispiel, indem Sie sagen, wir würden
    jetzt von dem CO2-Minderungsziel von minus 25 ProzentAbstriche machen. Aber bitte schön, wo sind denn Ihre
    Vorschläge? Warum sagen Sie nicht, dass Sie ein konkre-
    tes Konzept haben? Fehlanzeige! Wo sind Ihre langfristi-
    gen Orientierungen? Wir haben uns zu dem ambitionier-
    ten Ziel von minus 40 Prozent und auf EU-Niveau von
    minus 30 Prozent durchgerungen. Das ist ein wirklich am-
    bitioniertes Ziel angesichts der EU-Erweiterung.


    (Birgit Homburger [FDP]: Und wie kriegen Sie die EU dazu?)


    Sie sind jetzt aufgefordert, einmal zu sagen, wie man da-
    hinkommt.


    (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ihr seid an der Regierung! Ihr müsst das vorlegen!)


    Sie dürfen nicht nur jammern, wir hätten keine präzisen
    Ziele. Sie selber haben nämlich keine.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Im Übrigen haben Sie den Vertrag nicht genau gelesen. Es
    wird ausdrücklich das Klimaschutzprogramm aus dem
    Jahre 2000 betont, in dem das 25-Prozent-Ziel steht.

    Frau Homburger und Herr Lippold haben davon ge-
    sprochen, der Kanzler habe nicht viel zur Ökologie und
    zur Nachhaltigkeit gesagt.


    (Birgit Homburger [FDP]: Nichts!)

    Das stimmt übrigens nicht. Haben Sie einmal registriert,
    wie viel Frau Merkel zu dem Thema gesagt hat? Einen
    Satz. Da würde ich an Ihrer Stelle den Mund nicht so voll
    nehmen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Kommen wir zum Thema Hochwasser. Sie haben es

    auch angesprochen. Wir setzen dieses Regierungspro-
    gramm mit den Ländern und mit den Kommunen um. Das
    wird uns viel Arbeit kosten. Dazu müssen wir harte Ziele
    formulieren und schwierige Wege gehen, etwa wenn man
    Gewerbegebiete in Talauen nicht mehr realisieren möchte.
    Da werden wir auf allen Ebenen gemeinsam kämpfen
    müssen. Das ist ein Feld, auf dem wir uns klar zu einem
    konkreten Konzept bekannt haben und nicht nur allge-
    mein herumschwadroniert haben.

    Sie haben zu Recht den Bodenschutz angesprochen.
    Die Senkung des Boden- und Flächenverbrauchs ist ein

    Dr. Peter Paziorek




    Winfried Hermann
    wichtiges Ziel. Das stand schon im letzten Koalitionsver-
    trag. Das ist übrigens ein schwieriges Ziel. Wer ist der
    Erste, der sagt, es gehe nicht? Stichwort Eigenheimzu-
    lage. Das waren Sie! Unser Vorschlag ist ökologisch be-
    gründet, weil es nicht klug ist, dass man Eigenheime auf
    der grünen Wiese mehr fördert als die Sanierung von Ei-
    genheimen in der Stadt. Wir setzen das gleich. Schon
    kommt wieder das Argument: Aber das schadet dem
    Häuslebau. Wenn man ökologisch argumentiert und wenn
    man in diesem Bereich wirklich etwas erreichen möchte,
    dann muss man diesen Weg auch beschreiten.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten im Bereich
    Lärmschutz nichts getan. Sie haben Recht, wir sind mit
    diesem Versuch gescheitert. Wir haben dieses Thema aber
    wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Aber seien Sie ein-
    mal ehrlich: Das Fluglärmgesetz wird alle Länder betref-
    fen. Da wird man nur erfolgreich sein, wenn auch Sie und
    Ihre Länderregierungen mitmachen. Da können Sie nicht
    einfach sagen: Nichts erreicht. Da muss man Sie schon
    fragen: Was haben Sie unternommen und was werden Sie
    unternehmen, um ein Fluglärmgesetz hinzubekommen?
    Auch das ist eine große Herausforderung, der wir uns stel-
    len.

    Der Präsident zeigt mir an, dass ich zum Schluss kom-
    men muss. Ich kann leider viele Punkte nicht mehr abar-
    beiten.