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ID1500409200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jerzy Montag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

    ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir
    zu Beginn kurz einige persönliche Worte. Dies ist meine
    erste Rede im Deutschen Bundestag und ich verhehle
    nicht, dass mich dieser für mich einmalige und erstmalige
    Vorgang tief berührt.

    Es war mir wahrlich nicht in die Wiege gelegt worden,
    einmal als frei gewählter Abgeordneter für ein demokra-
    tisches Deutschland zu stehen. Meine Eltern und nur we-
    nige meiner Familie haben durch Zufall und Glück das
    schlimmste Unrechtsregime, das je von Deutschland aus-
    gegangen ist, überlebt. Deshalb gilt in diesem Moment
    mein erster Gedanke ihnen.

    Für mich und sicherlich für uns alle gilt es, die besten
    Lehren, die Deutschland aus seiner dunklen Vergangen-
    heit ziehen konnte, nämlich die unbedingte Achtung der
    Menschenrechte und die Errichtung eines Rechtsstaats, zu
    verteidigen, zu festigen und auszubauen.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren nach

    der Regierungserklärung des Bundeskanzlers jetzt die In-
    nen-, Rechts- und Kulturpolitik. Ich halte es für richtig,
    auch von der Kultur des Rechts zu sprechen. In einem
    Rechtsstaat hat niemand das Recht, sich über das Recht zu
    stellen. Das gilt auch für Prominente, welcher Sparte auch
    immer, und auch für die so genannten besser Betuchten.
    Weder Ruhm noch Geld entbinden von der Bindung an
    das Recht. Dies gilt aber auch und, wie ich meine, vor al-
    lem für uns, die Politikerinnen und Politiker auf allen
    Ebenen der Politik. Es gilt selbstverständlich für gemeine
    Rechtsbrecher und auch für selbst ernannte Erlöser und
    Befreier. Es gilt aber auch für die Staatsdiener in den Be-
    reichen der Exekutive, die das Recht zu schützen haben.
    Vor Recht und Gesetz müssen alle gleich sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Aber auch die Gesetzgebung selbst – und damit wir, die
    sie gestalten – darf sich nicht über das Recht stellen. Die
    Grundrechte und die Menschenrechte bestimmen, welche
    Gesetze und Verordnungen in diesem guten Sinne Recht
    oder eben Unrecht sind.

    Wir Grüne wollen in der 15. Legislaturperiode des
    Bundestags einer solchen Kultur des Rechts Gestalt und
    Kraft geben. War die Rechtspolitik in den vergangenen
    vier Jahren noch da und dort von der Abwehr von Be-
    schädigungen einer solchen Kultur des Rechts bestimmt,
    so wollen wir Grüne in den nächsten vier Jahren die
    Rechte der Bürgerinnen und Bürger und die Menschen-
    rechte aller in Deutschland lebenden Menschen festigen
    und ausbauen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir werden damit einen Beitrag zu einer Kultur des
    Rechts in Deutschland leisten.

    Herr Röttgen, Sie haben in Ihrem Beitrag ausgeführt,
    dass Sie in Zukunft zum Beispiel gern die Gesetzesfolgen-
    abschätzung und auch die Befristung von Gesetzen dis-
    kutieren würden. Ich persönlich meine dazu, das ist ein guter

    Gedanke, der aber der CDU/CSU bzw. der Opposition in
    vielen Jahrzehnten der Gesetzgebung nie eingefallen ist.


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wir werden immer klüger! – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Die Kronzeugenregelung!)


    Sie haben es sich von uns abgeschaut. Es ist auch ein gutes
    Vorhaben. Wir werden in Zukunft noch über die Befris-
    tung von Gesetzen und die Gesetzesfolgenabschätzung
    diskutieren können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Joachim Stünker [SPD]: Das haben wir schon gemacht!)


    Meine Damen und Herren, das Gesetz über die Ein-
    getragene Lebenspartnerschaft für homosexuelle Paare
    stellt die konkrete Bekämpfung von Diskriminierung dar.
    Das Bundesverfassungsgericht hat uns mit seiner Ent-
    scheidung in dieser Richtung in vollem Umfang Recht ge-
    geben. Jetzt wollen wir dieses Gesetz weiterentwickeln
    und auch den Schutz von Menschen in nicht ehelichen Le-
    bensgemeinschaften verbessern;


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    denn wir Grünen wollen die Menschen schützen und stär-
    ken,


    (Jörg Tauss [SPD]: Wir auch!)

    die Verantwortung füreinander und für Kinder überneh-
    men. Wir wollen den Menschen nicht vorschreiben, wie
    sie dies zu machen haben. Aber wir wollen sie fördern,
    wenn sie es machen.

    Wir wollen außerdem ein Gentestgesetz schaffen, das
    die Autonomie der Menschen über ihre Gendaten, die ein
    integraler Bestandteil ihrer Persönlichkeit sind, wahrt,
    Diskriminierungen aufgrund genetischer Dispositionen
    unterbindet, ein Recht auf Nichtwissen anerkennt und Zu-
    griffe von Dritten auf Gendaten ausschließt.

    Wir werden des Weiteren den gesetzlichen Schutz vor
    Diskriminierungen im Alltag weiter ausbauen; denn nie-
    mand soll wegen seines Geschlechts, seiner Herkunft, sei-
    ner Religion und Weltanschauung im öffentlichen Raum
    benachteiligt werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    DieKorruption – Herr Kollege Hacker hat dies schon
    angesprochen – wollen wir verstärkt bekämpfen. Union
    und FDP haben in der letzten Wahlperiode im Bundesrat
    die Schaffung eines Korruptionsregisters blockiert. Wir
    wollen es in einem zweiten Anlauf einbringen.


    (Zuruf von der FDP: Aber diesmal besser!)

    Unternehmen, die wegen Korruption von der Vergabe öf-
    fentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, dürfen zu-
    mindest auf längere Zeit keine zweite Chance erhalten;
    denn auch Korruption, Bestechung und Untreue sind
    keine Kavaliersdelikte.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Max Stadler [FDP]: Sie müssen nachgewiesen sein!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    136


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    – Aber, Herr Kollege, sie müssen nachgewiesen sein. Von
    einem Verdacht habe ich nicht gesprochen. Ich hoffe, dass
    Sie das so gehört haben.


    (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist der Punkt, um den gestritten wird!)


    Herr Kollege Röttgen hat in seiner Rede beklagt, dass das
    Schuldrecht und die Reform der Zivilprozessordnung schon
    wieder nachzubessern seien. Ich erkenne durchaus an, dass
    es sinnvoll ist, eine Überprüfung nach einiger Zeit vorzu-
    nehmen. Ich schlage aber vor, dass auch Sie von der Oppo-
    sition dem großen Reformwerk des Schuldrechts und der
    Zivilprozessordnung eine Zeit der Bewährung einräumen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wir können nach vier oder acht Jahren immer noch
    darüber diskutieren, ob das eine oder andere nicht noch
    einmal verbessert werden kann.

    Wir wollen nach dem Zivilverfahren auch den Straf-
    prozess modernisieren. Er soll bürgernäher, schneller und
    effektiver werden. Aber wir werden dabei die verfas-
    sungsmäßigen Rechte der Beschuldigten,


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Täterfreundlich!)


    ihrer Verteidiger sowie auch die der Nebenkläger, der Op-
    fer und ihrer Vertreter nicht zur Disposition stellen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Bereits in der letzten Legislaturperiode wurden in der Ko-
    alition Eckpunkte einer Reform der Strafprozessord-
    nung verabredet. Ich finde, diese stellen eine gute Grund-
    lage dar. Wir Grünen werden weitergehende Vorschläge in
    die Diskussion über die Reform der Strafprozessordnung
    einbringen.

    Ich wollte eigentlich zur Kronzeugenregelung nichts
    sagen; denn sie ist nicht verabredet. Aber nachdem schon
    Vorredner darauf eingegangen sind, will ich es doch tun.
    Wenn hinter dem Rücken des Gerichts für bestimmte Aus-
    sagen, die nicht überprüft sind und die manchmal nicht
    überprüft werden können, Zusagen auf Straferlass ge-
    macht werden, dann ist dies ein schlechter Deal und hat in
    einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu suchen.


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wer schlägt das vor?)


    Wenn dies unter Kronzeugenregelung verstanden wird,

    (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Moment!)

    dann können wir uns sicherlich darauf einigen, dass wir
    das nicht wollen.


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das hat zwar keiner vorgeschlagen, aber in Ordnung!)


    Was wir wollen, steht in der Koalitionsvereinbarung. Wir
    wollen die Strafmilderungsgründe in § 46 StGB in denje-
    nigen Fällen erweitern, in denen Täter für das Gericht
    nachweisbar zur Aufklärung beigetragen haben.


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist doch schon heute Praxis!)


    – Das ist heutige Praxis. Sie haben völlig Recht. Des-
    wegen haben wir festgelegt, dass wir die Möglichkeiten
    der Strafminderung erweitern wollen.

    Dies ist für uns keine Kronzeugenregelung.

    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Für uns auch nicht!)

    Das, was wir von Rot-Grün gemeinsam festgelegt haben,
    können wir ja alle gemeinsam angehen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen, die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und
    Bündnis 90/Die Grünen ermöglicht eine moderne, den
    Grundrechten verpflichtete Rechtspolitik. Wir Grünen
    werden die darin liegenden Chancen nutzen. Durch uns
    und unsere Politik ist die Gesellschaft offener und tole-
    ranter geworden. Rechtsstaatlichkeit und Selbstbestim-
    mung in Verantwortung – dies ist unser Weg und diesen
    Weg werden wir fortsetzen.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Herr Kollege Montag, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-

ten Rede in diesem Hause.

(Beifall)


Das Wort hat jetzt Bundesminister Otto Schily für die
Bundesregierung.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Schily


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! In

    einer solchen Debatte steht uns allen nur eine begrenzte
    Redezeit zur Verfügung. Deshalb ist es nicht möglich, hier
    alle Aspekte der Innenpolitik zu beleuchten und alle Auf-
    gabenbereiche zu erörtern. Ich werde mich daher auf ei-
    nige wenige wesentliche Elemente beschränken müssen.

    Innenpolitik als Bestandteil der allgemeinen Sicher-
    heitspolitik muss sich – das muss man mit Sorge und mit
    großem Ernst sagen – auf sehr schwierige und gefahrvolle
    Jahre einstellen. Die Bedrohung durch den internatio-
    nalen islamistisch-fundamentalistischen Terrorismus
    – das ist eine realistische Einschätzung – hat zugenom-
    men. Das entspricht der Lagebeurteilung unserer Sicher-
    heitsinstitutionen ebenso wie der unserer engsten Verbün-
    deten. Wir sehen die breite Blutspur des Terrors, dem
    zahllose Menschen, darunter viele Kinder und Jugendli-
    che, zum Opfer gefallen sind, und wir müssen leider vo-
    raussehen, dass sich der Terror fortsetzen wird.

    Wir sind mit einem weltweiten Terrorismus konfron-
    tiert, dessen Todesbesessenheit, dessen Menschenverach-
    tung und dessen Brutalität uns mit Entsetzen und mit Ab-
    scheu erfüllen. Dieser Terrorismus verkörpert die zum
    Äußersten getriebene Menschenfeindschaft und Lebens-
    verachtung, die Verachtung fremden und des eigenen

    Jerzy Montag




    Bundesminister Otto Schily
    Lebens. Dieser Terrorismus entspringt einem in gottesläs-
    terlichen Wahnsinn abgeirrten Weltbild. Dieser Terroris-
    mus ist der Feind aller menschlichen Grundwerte.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Das entbindet uns sicherlich nicht von der Verpflich-

    tung, uns auch mit der Frage auseinander zu setzen, wie
    Menschen in den Sog von Hass und Menschenverachtung
    geraten sind. Präventive Politik muss immer auch darauf
    gerichtet sein, Menschen gegen Anwandlungen von Hass
    und Extremismus, der schlimmstenfalls in Terrorismus
    umschlägt, zu immunisieren.

    Meine Damen und Herren, New York, Daressalam,
    Bali, Djerba und Moskau – es waren stets so genannte
    weiche Ziele, die sich die Terroristen für ihre Mordtaten
    ausgesucht haben. Das Ausmaß der Bedrohung hat damit
    eine Größenordnung angenommen, die uns vor bisher nie
    gekannte Probleme stellt. Das Ausmaß der Bedrohung be-
    schreibt aber zugleich die Größenordnung unserer ge-
    meinsamen Verantwortung. Wir müssen auf der einen
    Seite alles Menschenmögliche tun, um uns gegen eine sol-
    che Bedrohung zu schützen, dürfen uns aber auf der an-
    deren Seite nicht in Panik treiben lassen und erst recht nie-
    manden in Panik treiben.


    (Beifall bei der SPD)

    Unbestreitbar haben wir durchaus Erfolge in der

    Bekämpfung des internationalen Terrorismus erzielt. Der
    Polizei in Bund und Ländern, den Anklagebehörden, den
    Verfassungsschutzämtern in Bund und Ländern und dem
    Auslandsnachrichtendienst verdanken wir beachtliche
    Fortschritte bei der Ermittlung und Ahndung terroristi-
    scher Straftaten ebenso wie die Aufdeckung terroristischer
    Strukturen. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
    genannten Sicherheitsinstitutionen spreche ich dafür mei-
    nen herzlichen Dank und meine Anerkennung aus.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Wir wissen, dass die Bekämpfung des internationalen

    Terrorismus nicht im nationalen Rahmen, sondern nur in
    enger und vertrauensvoller internationaler Zusammenar-
    beit erfolgreich sein kann. Deshalb hat die Bundesregie-
    rung in den zurückliegenden Jahren stets auf die interna-
    tionale Zusammenarbeit, insbesondere mit den engsten
    Verbündeten, mit den Vereinigten Staaten von Amerika
    und mit den EU-Mitgliedstaaten, besonderen Wert gelegt.
    Besonders bewährt hat sich die freundschaftliche und ver-
    trauensvolle Zusammenarbeit mit den Sicherheitsinstitu-
    tionen der USA, sowohl bei den Ermittlungsaufgaben als
    auch in der Abstimmung und Kooperation bei umfassen-
    den präventiven Maßnahmen.

    Diese Zusammenarbeit wird von beiden Seiten über-
    einstimmend als ausgezeichnet bewertet. Meine Ge-
    spräche, die ich vor wenigen Tagen in Washington und zu-
    vor in Kopenhagen mit dem Attorney General, meinem
    Freund John Ashcroft, geführt habe, haben dies noch ein-
    mal bestätigt. Wir werden diese Zusammenarbeit weiter
    intensivieren. Aus diesem Grunde werde ich in Kürze
    noch einmal nach Washington reisen, um mich zusammen
    mit meiner Kollegin Zypries um die Lösung bestimmter
    Detailprobleme zu kümmern.

    Die Erfolge, die wir bei der Aufklärung und im Rah-
    men von Ermittlungen erzielt haben, stehen im Übrigen in

    einem engen Zusammenhang mit den erweiterten Befug-
    nissen, die wir den Sicherheitsbehörden in der vergange-
    nen Legislaturperiode verschafft haben. Wir werden im
    Laufe dieser Legislaturperiode aber unvoreingenommen
    zu prüfen haben, ob es an der einen oder anderen Stelle
    Korrektur- und Justierungsbedarf gibt. Übrigens, Herr
    Kollege Röttgen: Wir haben einige Gesetze schon als be-
    fristet geltende Gesetze ausgestaltet. Der Ratschlag
    kommt also ein bisschen zu spät.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Stünker [SPD]: Das musste mal gesagt werden!)


    Darüber wird hier im Parlament ebenso wie im Kreis
    der Länderinnen- und -justizminister zu reden sein. Wer
    immer konstruktive Vorschläge entwickelt, wird uns will-
    kommen sein. Wir werden sie vorurteilsfrei prüfen. Ich
    bitte Sie, die Diskussion so zu führen, dass wir den Streit
    nicht um des Streites willen inszenieren. Gerade in den
    Fragen der inneren Sicherheit gibt es eine gemeinsame
    Verantwortung. Das war in der Vergangenheit so und das
    sollte auch in der Zukunft so sein. Dass wir in der Innen-
    ministerkonferenz nur im Konsens entscheiden, ist Aus-
    druck einer solchen vernünftigen Politik. Wenn Sie, Herr
    Kollege Röttgen, für sich in Anspruch nehmen, das bes-
    sere Argument zu haben, sollten wir es vorurteilsfrei prü-
    fen, wenn Sie es denn haben, aber Sie sollten genauso auf
    das Argument auf der Seite der Regierungskoalition
    hören, wenn das das bessere ist.


    (Beifall bei der SPD)

    Wenn wir in dieser Weise miteinander umgehen, dann
    wäre es zum Besten unseres Volkes.

    Ungeachtet der Erfolge der Sicherheitsinstitutionen ist
    es ferner geboten, deren Strukturen und Arbeitszusam-
    menhänge darauf zu überprüfen, ob und auf welche Weise
    Effizienzsteigerungen möglich sind. Das gilt insbeson-
    dere für die Voraufklärung in manchen Bereichen, in de-
    nen wir aufgrund bestimmter Schwierigkeiten, die den
    Experten durchaus geläufig sind, noch nicht das haben zu-
    stande bringen können, was wir erreichen wollten.

    Damit eine solche Arbeit erfolgreich sein kann, werde
    ich auch in Zukunft strikt darauf achten, dass unsere Si-
    cherheitsinstitutionen mit angemessenen finanziellen
    Ressourcen ausgestattet sind und dass bestimmte Anpas-
    sungen, beispielsweise die Stellenstruktur im Bundes-
    grenzschutz und hoffentlich in der künftigen Bundespoli-
    zei, vorgenommen werden, damit sie ihren Aufgaben
    gerecht werden können.

    Effizienzsteigerungen gilt es auch im Allgemeinen zu
    erreichen. Wir haben in der vergangenen Legislaturperi-
    ode mit der Modernisierung der Verwaltung begonnen.
    Auf diesem Gebiet haben wir durchaus Erfolge erzielt;
    aber wir sind sicherlich noch nicht am Ende angelangt.
    Das gilt sowohl für das Projekt „Bund-Online 2005“ und
    für den Bürokratieabbau. Die eingeleitete Politik muss
    entschlossen fortgesetzt werden. Auch dazu sage ich Ih-
    nen: Wenn Sie, die Abgeordneten der Oppositionsfraktio-
    nen, vernünftige Vorschläge haben, dann werden wir sie
    gerne zur Kenntnis nehmen und prüfen.


    (Jörg Tauss [SPD]: „Wenn“!)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    138


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Aber wenn – „wenn“ muss betont werden – der Vor-
    schlag nur darin besteht, wieder eine große Kommission
    ins Leben zu rufen, wie wir es schon in früheren Jahren er-
    lebt haben – ich habe den Vorschlag von Herrn Minister-
    präsident Stoiber gelesen –, dann wird sich das Vorhaben
    des Bürokratieabbaus wieder in einer Kommission verir-
    ren und der Bürokratieabbau wird nicht vorankommen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es kann an dieser Stelle mit einer Kommission also nicht
    sein Bewenden haben. Gegen Kommissionen ist im Prin-
    zip nichts einzuwenden.


    (Lachen bei der CDU/CSU)

    – Natürlich nicht. Sie können die Einrichtung einer Kom-
    mission doch nicht immer dann für richtig halten, wenn
    Sie es vorschlagen, während Sie deren Einrichtung für
    falsch halten, wenn wir es wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In dieser Weise kann man mit diesen Fragen nicht umge-
    hen.

    Wir werden – auch das hat übrigens einen Bezug zur Si-
    cherheitspolitik – unsere Integrationspolitik entschlossen
    voranbringen. Wir haben mit dem Zuwanderungsgesetz
    dafür eine gute Grundlage geschaffen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich bin dafür dankbar, dass sich mittlerweile, seitdem der
    Wahltag vorüber ist, auch die Länder an den Maßnah-
    men, die zur Anwendung dieses Gesetzes erforderlich
    sind – Rechtsverordnungen, Durchführungsverordnun-
    gen –, konstruktiv beteiligen. Ich hoffe, dass auch die Op-
    position im Deutschen Bundestag die gleiche konstruk-
    tive Haltung einnehmen wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Innen- und Sicherheitspolitik sind heute insbesondere
    in die europäischen Zusammenhänge eingebettet. Ich bin
    darüber froh, dass die Bundesregierung immer an der
    Spitze der europäischen Entwicklung mitarbeitet. Das gilt
    sowohl für die Konferenz der Innen- und Justizminister
    der Europäischen Union wie auch für die Arbeit an der
    europäischen Verfassung. Gerade wir, die beiden Verfas-
    sungsminister, Frau Kollegin Zypries und ich, werden uns
    in die Arbeit des EU-Konvents sehr aktiv einbringen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Von Europa als einem Raum der Freiheit und des
    Rechts war heute schon die Rede; davon sollte man auch
    weiterhin sprechen. Europa ist eine Wertegemeinschaft,
    die auch den Begriff, den der Kollege Montag eben ange-
    sprochen hat, umfasst. Ich bin ihm sehr dankbar dafür,
    dass er diesen Begriff verwendet hat.

    Mein Freund Leoluca Orlando, der frühere Bürger-
    meister von Palermo, der Erfahrungen mit der Bekämp-
    fung der Mafia gemacht hat, hat gesagt: Die Mafia haben

    wir zurückgedrängt auf der Grundlage einer Kultur des
    Rechtes. Auch wir werden den Kampf gegen die organi-
    sierte Kriminalität, gegen den Terrorismus auf der Basis
    der Kultur des Rechts gewinnen. Deshalb müssen wir
    auch daran arbeiten, dass sich diese Kultur des Rechts,
    aber auch die allgemeine Wertegemeinschaft so darstellt,
    dass sie eine wehrhafte Wertegesellschaft gegenüber den
    Anfechtungen des internationalen Terrorismus ist. Ob das
    wirklich von Erfolg gekrönt ist, hängt auch davon ab, wie
    wir uns zueinander verhalten: ob dies einmündet in eine
    Kultur des Respekts, der Achtung vor unseren Institutio-
    nen, vor unseren Werten und vor dem jeweils anderen,
    dem man gegenübersteht.

    Frau Kollegin Merkel, verstehen Sie es als eine Bitte
    des Kirchenministers: Ich glaube, die Achtung vor dem
    Evangelium sollte so weit gehen, dass wir das Johannes-
    Evangelium nicht für parteipolitische Polemik miss-
    brauchen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


    – Entschuldigen Sie, dass ich das sage. Ich habe es ganz
    freundlich als eine Bitte formuliert. Überlegen Sie sich
    einen Moment lang, ob das ein guter Einstieg in Ihre
    heutige Rede war, Frau Merkel!


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich bin nicht dagegen, dass Polemik stattfindet. Ich selber
    kann, wie Sie wissen, auch damit umgehen, wenn es Not
    tut. Ich glaube allerdings, dass wir gut daran tun, sowohl
    was die religiösen Überzeugungen als auch was die
    staatlichen und die gesellschaftlichen Institutionen
    angeht, damit so umzugehen, dass sie keinen Schaden
    nehmen. Wenn uns das nicht gelingt – das alles mögen Sie
    ja lächerlich finden –, wird dort eine Einbruchstelle für fa-
    natische Extremisten und Terroristen entstehen.


    (Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Jetzt überziehen Sie aber!)


    Ich sagen Ihnen das in allem Ernst. Das ist auch eine Frage
    des Umgangs im Parlament. Niemals, meine Damen und
    Herren, darf die politische Gegnerschaft in Feindseligkeit
    umschlagen. Das ist jedenfalls meine Überzeugung. Ich
    hoffe, dass wir uns auf dieser Basis auseinander setzen
    können.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)