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ID1500406100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Antje Vollmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Das Wort hat jetzt die Frau Bundesministerin

    Heidemarie Wieczorek-Zeul.

    Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
    wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
    dieser Legislaturperiode wollen wir die Entwicklungspo-
    litik, wie wir dies in der letzten Legislaturperiode begon-
    nen haben, zu einem zentralen Baustein für globale Zu-
    kunfts- und Friedenssicherung weiterentwickeln.

    Wir stehen unter dem Leitbild der gerechten Globali-
    sierung und wir steigern die Mittel für die Entwicklungs-
    finanzierung; das hat der Bundeskanzler in seiner Rede
    heute noch einmal deutlich gemacht. Als Zwischenziel
    zur Verwirklichung des 0,7-Prozent-Ziels wollen wir bis
    zum Jahr 2006 die 0,33-Prozent-Quote für die Entwick-
    lungszusammenarbeit umsetzen und im Übrigen in den
    internationalen Finanzinstitutionen andere Finanzie-
    rungsinstrumente, wie Nutzungsentgelte oder auch Devi-
    sentransaktionssteuern, prüfen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schade, dass
    sich manche der Debatte hier entziehen.


    (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sagen Sie das Ihrer Fraktion!)


    In dieser Diskussion ist immer wieder deutlich geworden,
    wie wichtig eine verantwortliche Regierungsführung
    auch mit Blick auf die Länder der so genannten Dritten
    Welt, also auf die Entwicklungsländer, ist. Wir verlangen
    von ihnen eine Beteiligung der Bevölkerung an Entschei-
    dungen und wir verlangen von ihnen Rechtsstaatlichkeit.
    Wir müssen aber auch dazu beitragen, dass die Kriterien,
    die an die Entwicklungsländer angelegt werden, auch an
    die internationalen Entscheidungsmechanismen ange-
    legt werden. Hier gibt es noch viel zu tun.

    Ich möchte Ihnen das sagen, was ich immer schon ge-
    sagt habe: Der UN-Sicherheitsrat spiegelt keineswegs die
    Verhältnisse wider, wie sie sich Ende des letzten Jahrhun-
    derts und auch jetzt in der Welt entwickelt haben. Es gibt
    noch viel zu reformieren und viele Notwendigkeiten für
    eine bessere Repräsentanz.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In der heutigen Diskussion – das möchte ich an dieser
    Stelle auch ansprechen – ist viel von Amerika die Rede
    gewesen. Ich möchte aber daran erinnern, dass Amerika


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    120


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    nicht nur aus dem Norden, sondern auch aus dem Süden
    besteht. In den letzten Tagen gab es eine wichtige Ent-
    scheidung. In Brasilien, dem zentralen Land in Latein-
    amerika, ist ein neuer Präsident, Luiz Inácio da Silva, ge-
    wählt worden. An dieser Stelle möchte ich ihm zu seiner
    Wahl gratulieren


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    und ihm zusagen, dass wir die wirtschaftliche Zusam-
    menarbeit und die Unterstützung seiner Politik fortsetzen
    werden, so wie wir das gegenüber Brasilien bisher auch
    getan haben.

    Er hat besonders darauf hingewiesen, dass er die Ar-
    mutsbekämpfung im eigenen Land in den Mittelpunkt
    stellen wird. Der Erfolg des neuen brasilianischen Präsi-
    denten kann von zentraler Bedeutung für ganz Latein-
    amerika sein; denn in fast allen Ländern Lateinamerikas
    gab es immer die Hoffnung und Erwartung, dass die Ver-
    ankerung der Demokratie mit deutlichen wirtschaftlichen
    und sozialen Fortschritten für die breite Masse der Bevöl-
    kerung einhergehen werde. Gerade das ist für die Stabili-
    sierung von Demokratie und auch für die Situation der
    Armen wichtig. Deshalb ist es eine sehr wichtige Ent-
    wicklung, die wir entsprechend fördern wollen.

    Es ist schade, dass ich den Kollegen Pflüger jetzt nicht
    entdecken kann. Er hat ja über die Frage gesprochen, wo
    Ursachen für Terrorismus zu finden sind. An dieser
    Stelle will ich sagen: Kofi Annan hat betont, wie wichtig
    es ist – wir betonen es ebenfalls; es ist ein Schwerpunkt –,
    dazu beizutragen, dass die Ziele der internationalen Ge-
    meinschaft, die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 dras-
    tisch zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass alle Kinder
    die Chance haben, bis zum 14. Lebensjahr in die Schule
    zu gehen, erreicht werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, den
    Koran-Schulen entgegenzuwirken und dazu beizutragen,
    dass die Mädchen eine Chance haben. Dafür investieren
    wir Finanzmittel. Ein besonderer Schwerpunkt wird daher
    die Eröffnung des Zugangs von Kindern zu Bildung und
    Ausbildung sein.

    Ich möchte an dieser Stelle den Punkt aufgreifen, der
    eine große Rolle gespielt hat. Es gibt weiterhin gewalt-
    tätige Gruppierungen und terroristische Banden, die ab-
    scheuliche Verbrechen verüben. Ich zitiere aber den ame-
    rikanischen Politikwissenschaftler Benjamin Barber, der
    in der sicherlich nicht des Linksradikalismus zu bezichti-
    genden Zeitung „Welt am Sonntag“ kürzlich erklärt hat:
    „Armut und Hoffnungslosigkeit schaffen eine Umgebung
    für Terror.“ Seine Folgerung lautet:„Wir müssen die Welt
    verändern und verbessern.“

    Diese Aufgabe dürfen wir in der Diskussion über die
    Frage, wo und wann Militär eingesetzt werden soll, nicht
    vergessen. Ich bin erstaunt, dass diese Perspektive, über die
    wir uns doch immer einig waren, in dieser Debatte fehlt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich habe während des Bundestagswahlkampfes viele
    Diskussionen zur Irak-Frage geführt. Erstens. Ich ver-
    bitte mir die Unterstellung, dabei sei Antiamerikanismus
    praktiziert worden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zweitens. Die Leute, die da auf den Plätzen standen,
    hatten keine antiamerikanischen Ressentiments, sondern
    sie wollten dort stehen und sich engagieren, weil sie ein
    Signal für Frieden und Prävention und gegen Krieg setzen
    wollten. Das ist doch eine wunderbare Motivation, aus der
    heraus sich Menschen engagieren. Das sollte hier nicht
    diffamiert werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


    Wir brauchen Investition in Prävention, nicht in
    Krieg. Und ich habe die ganze Debatte über zugehört. Ich
    bin doch erstaunt: Es wird wirklich mit doppelter Elle ge-
    messen. Nordkorea hat eingestanden, Massenvernich-
    tungswaffen entwickelt zu haben. Dieses schlimme, wi-
    derwärtige Regime aus Altstalinisten hat mehrfach gegen
    internationale Verträge und Verpflichtungen verstoßen.
    Aber die USA wie auch die internationale Gemeinschaft
    sind insgesamt der Auffassung, dass massiver politischer
    und wirtschaftlicher Druck gegenüber Nordkorea not-
    wendig ist, und engagieren sich für politische Lösungen.

    Warum soll das mit Blick auf den Nahen Osten und den
    Irak nicht möglich sein, um zu erreichen, dass die Waffen-
    inspekteure ins Land gelassen werden und damit ein
    Krieg verhindert werden kann? Diese Frage stellt sich
    doch jeder. Wir müssen uns dafür engagieren, dass ein
    Krieg verhindert wird. Hier wird immer nach Visionen ge-
    fragt. Statt hoch gefährlicher Konzeptionen von „preem-
    tive strike“,wie sie die US-Regierung ersinnt, sollte end-
    lich die atomare Abrüstung auch von den Ländern
    begonnen werden, die selber über Atomwaffen verfügen.
    Das ist die richtige Konsequenz und Schlussfolgerung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Entwicklungszusammenarbeit in ihren vielen Berei-
    chen ist eben Friedenspolitik. Sie legt eine erweiterte Si-
    cherheitspolitik zugrunde. Ich nenne nur stichwortartig
    den Versuch, den Transfer von Kleinwaffen zu verhin-
    dern, die Reform der Sicherheitssektoren von Entwick-
    lungsländern, den Aufbau des Zivilen Friedensdienstes,
    den wir deutlich aufstocken und ausweiten wollen. Das
    macht deutlich, mit welcher Perspektive wir Entwick-
    lungszusammenarbeit praktizieren.

    Lassen Sie mich zum Schluss zwei Schritte in Richtung
    auf eine gerechte Weltwirtschaftsordnung und für eine ge-
    rechte Globalisierung nennen. Der eine Schritt ist die
    Fortsetzung der Entschuldung. Mittlerweile gibt es im
    Rahmen der Entschuldung der ärmsten Entwicklungslän-
    der 26 Entwicklungsländer, die ihre Entscheidungen zur
    Entschuldung erhalten und Entschuldungsentlastung er-
    fahren haben. Aber von den Betroffenen haben bisher
    ganze sechs Entwicklungsländer ihren endgültigen
    Schlusspunkt zur vollen Entschuldung erhalten. Der Grund

    Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul




    Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
    liegt darin, dass sie durch die weltwirtschaftliche Ent-
    wicklung doppelt bestraft werden: zum einen deshalb,
    weil sie schon jetzt unter der weltwirtschaftlichen Ent-
    wicklung leiden, und zum anderen, weil sie nicht im-
    stande sind, den Programmen und Forderungen des IWF
    zur Erreichung der makroökonomischen Stabilität nach-
    zukommen. Damit diese Entwicklungsländer den Com-
    pletion Point, den Schlusspunkt der Entschuldung wirk-
    lich erreichen, treten wir dafür ein – das ist die Position
    der Bundesregierung –, dass diesen Ländern gegenüber
    flexibel reagiert wird und dass notfalls auch weitere fi-
    nanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die
    volle Entschuldung dieser Länder beschlossen und er-
    reicht werden kann.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Zweitens. Das konkrete Ziel, das wir mit anderen Part-
    nern in dieser Legislaturperiode erreichen wollen, ist das
    Insolvenzverfahren für hoch verschuldete Staaten, zu-
    mal Entwicklungsländer. Das ist ein Vorschlag, der von
    Anne Krueger vom Internationalen Währungsfonds und
    übrigens auch von vielen Nichtregierungsorganisationen
    stammt.

    Ich möchte an dieser Stelle begründen, warum es sich da-
    bei um eine wichtige Entscheidung im Interesse der Ent-
    wicklungsländer handelt. Zum einen kann durch die diszi-
    plinierende Wirkung eines solchen Insolvenzverfahrens
    dazu beigetragen werden, dass kein Schuldenüberhang ent-
    steht. Zum anderen würde die Mehrheitsentscheidung der
    Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens verhin-
    dern, dass einzelne Gläubiger ein Umschuldungsverfahren
    blockieren können. Das klingt zwar einfach, aber das Sich-
    Hinziehen von Umschuldungsverhandlungen mit Ent-
    wicklungsländern bedeutet in vielen Fällen die Agonie der
    wirtschaftlichen Entwicklung zulasten der armen Bevölke-
    rungsschichten. Deshalb ist ein Insolvenzverfahren auch ein
    Schritt, um zu verhindern, dass sich die enormen sozialen
    Kosten von Finanzkrisen in den Entwicklungsländern auf
    diese Art und Weise auswirken. Es ist ein Schritt zur Ver-
    besserung der Situation der betreffenden Länder.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
    Schluss. Der Bundeskanzler hat es heute Morgen bereits
    angesprochen: Angesichts all der Aufgaben sind wir, jen-
    seits von einzelnen Problemen und einzelnen unter-
    schiedlichen Auffassungen, sicherlich einer Meinung,
    dass ein Engagement in diese Richtung notwendig ist,
    wenn wir in Zukunft eine gerechte und friedliche Welt
    verwirklichen wollen. Ich bitte alle um Zusammenarbeit
    und biete ausdrücklich – wie wir es schon immer getan ha-
    ben – die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der Ent-
    wicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft an. Derzeit
    gibt es bereits 800 solcher Initiativen; diese Zahl wollen
    wir noch erhöhen. Ich biete aber auch die Zusammenar-
    beit mit den Kirchen, den Nichtregierungsorganisationen,
    den Gewerkschaften und selbstverständlich mit allen
    Fraktionen dieses Hohen Hauses an.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christian Ruck.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ein Ruck geht durch Deutschland!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Christian Ruck


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

    möchte mit dem beginnen, mit dem die Ministerin aufge-
    hört hat, nämlich damit, worin wir uns einig sind. Auch
    für die Union ist die Entwicklungspolitik ein zentrales
    Element zur Bewältigung weltweiter Zukunftsaufgaben.
    Sie ist ein entscheidendes Medium, um eine internationale
    Ordnungspolitik, die wirklich nachhaltig und zukunfts-
    fähig ist, und weltweit menschenwürdige Lebensbedin-
    gungen durchzusetzen und um den weltweiten Schutz
    und die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen zu
    sichern.

    Es trifft in der Tat zu, dass die Globalisierung auch für
    die Entwicklungsländer sowohl Chancen als auch Risiken
    mit sich bringt. Es ist nicht zu übersehen, dass viele Län-
    der in diesem Zusammenhang große Schwierigkeiten ha-
    ben, ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen
    Herausforderungen adäquat anzunehmen.

    Wir müssen auch erkennen, dass diese Probleme in
    der Tat auf uns durchschlagen. Spätestens die Terroran-
    schläge vom 11. September und die anschließende Aus-
    einandersetzung mit dem internationalen Terrorismus ha-
    ben gezeigt, dass Sicherheit, Wachstum und Wohlstand
    auch bei uns letztlich davon abhängen, welche Perspek-
    tiven die Menschen in ärmeren Ländern des Ostens und
    des Südens für sich und ihre Zukunft sehen.

    Deshalb wird das, was wir vor Jahrzehnten in Deutsch-
    land als Entwicklungshilfe karitativ und bescheiden be-
    gonnen haben, zu einer immer wichtiger werdenden Zu-
    kunftsaufgabe für unser eigenes Land sowie für unsere
    Kinder und Enkel: eine Politik der wirtschaftlichen Zu-
    sammenarbeit und Entwicklung zur Abwehr von Gefah-
    ren, zur Eindämmung sozialer Zeitbomben und zur welt-
    weiten Gestaltung von Strukturen, die Stabilität, Frieden
    und Prosperität weltweit sichern können. Wir brauchen
    deshalb auf nationaler wie auf internationaler Ebene – ich
    möchte jetzt gar nicht so sehr von der Rolle sprechen, die
    die Vereinigten Staaten hier und da spielen, sondern von
    den Hausaufgaben, die Sie hätten machen müssen – eine
    koordinierte, effiziente und kohärente Entwicklungspoli-
    tik. Davon sind wir leider nach vier Jahren Rot-Grün wei-
    ter denn je entfernt.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)


    Frau Ministerin, Ihr Optimismus in allen Ehren, aber in
    Wahrheit ist aus dem Aufwärtstrend zum Beispiel im
    Haushalt des BMZ nichts geworden. Im Gegenteil: Im
    Jahr 2002 steht Ihr Haushalt wesentlich ärmer da als 1998.
    Daran wird sich auch im nächsten Jahr nichts ändern;
    denn im Vergleich zu 2002 wurde Ihr Haushalt für 2003
    erneut um 51 Millionen Euro abgespeckt. Die Durch-
    führungsorganisationen der Entwicklungspolitik bekla-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    122


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    gen ja inzwischen ganz unverhohlen, dass ihnen die
    Handlungsunfähigkeit drohe. Die finanzielle Misere wird
    noch durch den von Ihnen verschuldeten Trend verschärft,
    mehr Geld aus dem nationalen in den internationalen Ver-
    fügungsbereich und hin zu den multilateralen Entwick-
    lungsorganisationen zu verlagern. Das sind oft Institutio-
    nen, die nicht gerade durch Koordinationsbereitschaft und
    Effizienz glänzen. Um es auf den Punkt zu bringen:
    Deutschland ist zwar finanziell nach wie vor ein Riese,
    wird aber im Einflussbereich immer mehr zu einem
    Zwerg. Das ist leider auch für die EU und die Weltbank
    eine traurige Entwicklung.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir kritisieren auch, dass Sie trotz zurückgehender

    Haushaltsmittel praktisch auf jede neue Initiative auf-
    springen und jeden neuen Sondertopf im internationalen
    Bereich unterstützen. Wir kritisieren dabei nicht, dass Sie
    dafür sorgen, dass sich Deutschland an Programmen zur
    Bekämpfung der Armut, an Kaukasus- und Afrika-Initia-
    tiven oder an Programmen zur Bekämpfung von Aids be-
    teiligt. Wir kritisieren vielmehr, dass Sie zur Verzettelung
    der deutschen Entwicklungspolitik beitragen, dass
    Sie ihr damit die Schlagkraft nehmen, dass Sie dem eige-
    nen Ministerium die Koordinations- und Führungsrolle
    immer schwerer machen und dass Sie Etikettenschwindel
    betreiben; denn alle groß angekündigten Aktionen sind
    entweder wie die Schuldeninitiative in Wirklichkeit
    stecken geblieben oder wie die Kaukasus-Initiative völlig
    unterfinanziert, oder stehen nur auf dem Papier.

    Vor eineinhalb Jahren haben Sie zum Beispiel einen
    Plan zur Umsetzung des Armutsbekämpfungsprogramms
    angekündigt. Auf den warten wir bis heute. Die negative
    Folge ist, dass Sie für die Entwicklungspolitik unerfüll-
    bare Erwartungen wecken, dass Sie Enttäuschungen pro-
    vozieren und dass Sie die tatsächlich möglichen Erfolge
    im Sand verlaufen lassen. Es wundert daher niemanden,
    dass die jüngste Überprüfung der deutschen Entwick-
    lungspolitik durch die OECD zu einem ernüchternden
    Ergebnis kommt: verkrustet, veraltet und unflexibel.
    Erfolge in der Entwicklungspolitik erreicht man eben
    nicht nur durch Show und Medienwirksamkeit, sondern
    vor allem durch eine klare und langfristig angelegte Linie,
    eine klare Kompetenzverteilung und eine konsequente
    Arbeit inklusive der Bündelung der Kräfte.

    Einer der größten Schwachpunkte der Entwicklungs-
    politik der rot-grünen Bundesregierung war das Desinte-
    resse des deutschen Außenministers an entwicklungspoli-
    tischen Fragen wie auch an denen der internationalen
    Umweltpolitik. Wenn die Entwicklungspolitik nicht die
    Rückendeckung der Außenpolitik hat, dann ist sie zum
    Scheitern verurteilt,


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wenn man zum Beispiel nur an die Forderung des ganzen
    Hauses denkt, die Verantwortung der Entwicklungsländer
    für ihre eigene Entwicklung einzufordern. Die Union bie-
    tet der Regierungskoalition auch auf diesem Gebiet eine
    kritische, aber konstruktive Begleitung an, vor allem
    wenn es darum geht, die Effizienz zu steigern und erfolg-
    reich Schwerpunkte zu setzen.

    Das gilt für den Bereich der Gefahrenabwehr genauso
    wie für die zentrale Aufgabe einer langfristig angelegten
    weltweiten Politik der Zukunftssicherung. Das heißt vor
    allem, die Globalisierung in vernünftige Bahnen zu len-
    ken, sodass sie auch zum Positiven für Entwicklungs- und
    Schwellenländer ausfällt. Es bedeutet für uns gerade auch
    den Einsatz für die internationale soziale Marktwirt-
    schaft.Dieses Eintreten muss man wirklich mit Leben er-
    füllen, zum Beispiel mit sozialen und ökologischen Min-
    deststandards in den WTO-Runden, durch die Stärkung
    von Bildung und Ausbildung und durch das Eintreten und
    die Unterstützung beim Aufbau handlungsfähiger staat-
    licher Strukturen, aber auch – das wirkt beim wirklichen
    Angehen von tief greifenden Reformen – in der interna-
    tionalen Szene.