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ID1500402300

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    Vokabeln: 8
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    7. Pau,: 1
    8. fraktions-los.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Olaf Scholz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

    eine interessante Rede von Frau Merkel gehört,

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr gute Rede!)


    in der sie uns manches über längerfristige Linien gesagt
    hat. Sie hat festgestellt, es sei dringend erforderlich, dass
    man die langen Linien bzw. die Grundsätze der Politik er-
    kennen könne. Weil sie dann doch an einer Stelle konkret
    werden wollte, ist sie auf diese Grundsätze genauer ein-
    gegangen. Man brauche nämlich Beamte im Bundeskanz-
    leramt, die für Grundsätze zuständig seien. Das war ihr
    Vorschlag für die zukünftige Grundsatzabteilung, die die
    langen Linien angehen soll.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, es geht doch um etwas We-

    sentlicheres als diesen Hinweis. Dass dieser so einfach
    möglich war, lag daran, dass es in der Tat in der Rede kei-
    nen einzigen Vorschlag für die Regierung unseres Landes
    und dazu, wie es weitergehen soll, gegeben hat.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    In den letzten Tagen geistert immer wieder ein Thema
    durch die Medien, das auch hier gern zitiert wird und
    missverstanden werden kann: Es wird Mut zu einer lang-
    fristigen Strategie gefordert. Ich halte das für richtig. Wir
    brauchen Mut, nur mit Mut haben wir eine Chance, unser
    Land zu regieren. Wenn sonntags eine Rede über die rich-
    tige Politik gehalten wird, wissen auch alle, was Mut ist.

    Man kann zum Beispiel sagen: Wir müssen dazu beitra-
    gen, dass die Steuersätze in unserem Land sinken und dass
    Steuerschlupflöcher gestopft und Subventionen gestri-
    chen werden. Niemals mit irgendeiner Relevanz für die
    CDU/CSU-Fraktion, aber doch immer wieder in Zeitungen
    veröffentlicht, hat zum Beispiel der Kollege Uldall, der
    jetzt in Hamburg Senator sein darf, Vorschläge zu gestaf-
    felten Steuersätzen gemacht. Sämtliche Schlupflöcher und
    Subventionen, die wir jetzt streichen, waren dabei längst
    gestrichen.

    Wenn aber der Mut konkret gefordert wird, dann ist al-
    les anders. Dann melden sich nämlich all diejenigen, die
    vorher Vorschläge gemacht haben, zu Wort und fordern:
    Dieses Steuerschlupfloch, diese Subvention und diese
    Einzelregelung sollen aufrecht erhalten bleiben.

    Dass man sich dabei sehr lächerlich machen kann, hat
    uns Frau Merkel vorgemacht. Sie hat sich nämlich in der
    Geschichte der Bundesrepublik jetzt damit hervorgetan,
    dass sie den halben Mehrwertsteuersatz für Schnittblumen
    verteidigt hat. Ich glaube, solche Forderungen zeigen letzt-
    lich, wie die Subventionsbekämpfung bei Ihnen konkret
    aussieht.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Fragen Sie Ihre eigenen Leute!)


    Ich glaube, es ist richtig, dass wir ein Konzept vorgelegt
    haben, in dem weitere Steuersenkungen enthalten sind. In
    den Jahren 2004 und 2005 werden 29 Milliarden Euro an
    die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Vorher haben sie 40 Milliarden mehr bezahlt!)


    Diese Einnahmen fehlen in den Kassen von Bund, Län-
    dern und Gemeinden und deshalb ist es auch richtig, wei-
    tere Schlupflöcher zu stopfen.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    90


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Eines dieser Schlupflöcher hat bei Ihnen im Wahl-
    kampf eine große Rolle gespielt. Zum Beispiel hat Herr
    Merz gesagt, es kann nicht sein, dass die Kapitalgesell-
    schaften in Deutschland im Saldo mehr Steuern erstattet
    bekommen als sie zahlen. Von Herrn Stoiber ist im Wahl-
    kampf, teilweise mit zitternder Stimme, immer wieder er-
    wähnt worden, dass es dringend notwendig sei, die Aus-
    fälle bei der Körperschaftsteuer zu bekämpfen. Dazu hat
    er etwas Ähnliches wie Herr Merz gesagt.

    Nun gehen wir das an – das ist ein ganz wichtiger Teil
    des Subventionsabbaus und des Stopfens von Steuer-
    schlupflöchern –, indem wir sicherstellen, dass Unterneh-
    men und Körperschaften, die Gewinne machen, auch
    Steuern zahlen. Das ist gut so, dem sollten auch Sie zu-
    stimmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Tatsächlich sind Sie in dieser Frage aber sehr leise ge-
    worden. Sie kommen gar nicht mehr darauf zurück, son-
    dern erwähnen nur noch die Schnittblumen und den
    Mehrwertsteuersatz, der für diese angehoben werden soll.


    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wer redet hier von Schnittblumen?)


    Das ist gewissermaßen die Kontinuität Ihrer Gedanken
    vor und nach der Wahl. Deshalb: Es gibt ganz andere, die
    die Wähler getäuscht haben; denn wer die CDU gewählt
    hat, könnte gedacht haben, jetzt geht es den großen Kon-
    zernen endlich an den Kragen. Tatsächlich aber wollen
    Sie das, was wir jetzt vorhaben, gar nicht unterstützen.

    Meine Damen und Herren, es ist wichtig, sich darüber
    zu unterhalten, dass es die mutlosen Mutigen gibt. Die
    mutlosen Mutigen sind diejenigen, die immer sagen, was
    man eigentlich tun müsste, aber die Sätze nicht zu Ende
    sprechen. Sätze, die nicht zu Ende gesprochen werden,
    sind beispielsweise: Man braucht auf dem Arbeitsmarkt
    endlich einen Aufbruch, der Verkrustungen beseitigt; wir
    müssen etwas bei der Rente tun, damit die Beiträge nicht
    weiter steigen; auch bei der Gesundheitspolitik ist das er-
    forderlich, hier muss etwas getan werden, damit wir mit
    dem Geld besser auskommen.

    Die Fragen aber, die weder Frau Merkel noch Herr
    Glos, noch jemand anders beantwortet, lauten: Was soll
    man tun? Hier setzen Sie ein bisschen darauf, dass Ihre ei-
    gentlichen Freunde wissen, was Sie tun wollen, und viele
    es nicht wissen und glauben, Sie machen etwas Vernünf-
    tiges. Denn tatsächlich haben Sie ganz konkrete Vorstel-
    lungen, die Sie auch nennen könnten, aber Sie nennen sie
    nicht. Soll es so sein, dass wir bei medizinischen Leistun-
    gen Kürzungen durchführen und sagen, diese gibt es nicht
    mehr? Ist das mutig? Ist das richtig?

    Wenn Sie das für richtig halten, müssen Sie auch den
    Mut haben, das zu sagen, statt Ihre Sätze unvollendet zu
    lassen und dann, wenn Sie sich mit der Regierung und
    dem Konzept des Koalitionsvertrags auseinander setzen,
    den Eindruck zu erwecken, als hätten Sie ein Konzept vor-
    zuschlagen.

    Zur Rente könnten Sie sagen, Sie wollen erreichen,
    dass es nicht zu solchen Beitragssteigerungen kommt, wie

    sie jetzt anstehen. Dies haben Sie aber nicht getan. Viel-
    mehr bleiben Sie nach dem halben Satz stecken. Sie sind
    mutlos, weil Sie keine Alternativen benennen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das Gleiche machen Sie bezüglich unseres Arbeits-
    marktes. Dazu bringen Sie auch immer nur den Vor-
    schlag, dass die Verkrustungen aufgebrochen werden sol-
    len. Interessant wäre es, von Ihnen einmal zu hören, was
    dies denn ist, ob Sie etwa den seit Anfang der 50er-Jahre
    in Deutschland bestehenden Kündigungsschutz abschaf-
    fen, halb abschaffen oder viertel abschaffen wollen. Viele
    Ihrer Freunde glauben, dass Sie genau dies wollen. Viele
    sollen es aber offenbar nicht hören und deshalb bleiben
    Sie mutlos und sagen es nicht. Ihnen fehlt bei Ihrer Kritik
    an der Regierungserklärung also wirklich der Mut.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich will Ihnen sagen, welches jetzt und in den nächsten
    vier Jahren bei der Diskussion über die Regierungsarbeit
    Ihr großes Problem sein wird. Ihr Problem wird sein, dass
    Sie keine Alternativen benennen. Dies ist auch der Grund
    dafür, warum Sie die Wahl nicht gewonnen haben.
    Tatsächlich befinden wir uns in einer schwierigen wirt-
    schaftlichen Lage und es ist schwierig für eine Regierung,
    wiedergewählt zu werden, wenn sich die Arbeitslosigkeit
    so entwickelt, wie sie das in den letzten Jahren getan hat.

    Herr Stoiber hat immer wieder gesagt, das Arbeitslo-
    sigkeitsproblem sei groß – was übrigens so ist –, er hat
    aber immer wieder vergessen, irgendeinen Vorschlag zu
    machen, von dem irgendjemand hätte annehmen können,
    er hätte eine Idee, wie dies geändert werden sollte.


    (Jörg Tauss [SPD]: Noch nicht einmal in Bayern!)


    Deshalb haben die Menschen gesagt: Der Stoiber kann
    es auf jeden Fall nicht besser. Den wählen wir nicht.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wenn Sie so weitermachen, wird man bei den Wahlen,
    die demnächst anstehen, und auch in vier Jahren sagen:
    Die CDU/CSU kann nur sagen, das ist aber schlimm, sie
    kann aber nicht sagen, was man tun soll. Sie als Opposi-
    tion brauchen aber den Mut, sich zu konkreten Konzepten
    zu bekennen. Dazu fordere ich Sie auf.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, in der Familienpolitik ha-
    ben Sie ein ähnliches Problem. Was Sie dabei falsch ma-
    chen, grenzt schon ans Dramatische. Ich erinnere mich
    sehr genau daran, dass sich ein früherer Generalsekretär
    Ihrer Partei darum bemüht hat, aufzuzeigen, dass Sie bei
    der Familienpolitik ein Defizit haben. Das war Ihr Herr
    Geißler. Er ist daran gehindert worden. Dann haben Sie
    1998 die Wahl verloren. Ich erinnere mich noch ganz ge-
    nau an alle Wahlanalysen, die Sie gemacht haben. Eigent-
    lich haben Sie gesagt: Hätten wir doch zehn Jahre früher
    auf den Geißler gehört. Wir haben ein Defizit in der Fa-
    milienpolitik. Niemand glaubt uns da mehr was.

    Olaf Scholz




    Olaf Scholz

    Konsequenz gab es keine. Nun war die Bundestags-
    wahl. Sie haben die Analysen der Meinungsforschungs-
    institute gelesen. Darin stand schon wieder das Gleiche.
    Dann durfte sich Frau Reiche kurzfristig profilieren. Jetzt
    haben Sie die Wahl verloren und haben gemeinsam analy-
    siert: Wir haben die Wahl verloren, weil wir in der Famili-
    enpolitik ein nicht mehr zeitgemäßes Profil haben. Und
    was ist? – Frau Reiche ist abgemeldet und Sie kritisieren
    die Politik der Bundesregierung aus dem gleichen Blick-
    winkel wie seit 1950. Ich glaube, dies ist Ihr Problem.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich warne Sie auch: Retten Sie sich nicht mit den For-
    meln, von denen Sie glauben, dass Sie damit von der ei-
    nen Tür zur nächsten kommen. Ihre Formel lautet immer,
    wir wollten den Menschen etwas vorschreiben, wir woll-
    ten ihnen zum Beispiel vorschreiben, dass sie arbeiten
    müssen. Das ist eigentlich das Einzige, was Ihnen zur Fa-
    milienpolitik einfällt. Dabei ist dies nicht das Problem un-
    serer Gesellschaft.

    Wir haben eine Gesellschaft, in der es für Familien, in de-
    nen beide Partner berufstätig sein wollen, so schwierig ist
    wie in kaum einem anderen Land in Europa, dies zu organi-
    sieren, weil wir weniger Ganztagsbetreuungsplätze und we-
    niger Ganztagsschulen als zum Beispiel Frankreich haben.


    (Ulrich Heinrich [FDP]: Das hättet ihr in den Ländern beispielsweise tun können! Aber das habt ihr nicht gemacht!)


    Deshalb sage ich Ihnen: Sie haben ein großes Problem.
    Wenn Sie sich politisch nicht bewegen, werden Sie es
    auch nicht lösen können. Sie haben die Lufthoheit über
    den Kinderbetten verloren. Solange das der Fall ist, wer-
    den Sie keine Wahl in Deutschland gewinnen können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Aber nur, wenn die Windeln nicht gewechselt sind!)


    Ich will noch etwas zum Thema Irak sagen, das Sie an-
    gesprochen haben, und zwar auch, weil Frau Merkel ge-
    sagt hat, wir würden jetzt etwas anderes sagen als vor der
    Wahl.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist so!)

    Das hat eigentlich niemand verstanden, denn wir machen
    genau das, was wir vor der Wahl angekündigt haben. Die
    Bundesrepublik Deutschland bleibt bei ihrer Haltung,
    nämlich dass wir sagen: Es wird keine deutsche Beteili-
    gung an einem Krieg im Irak geben. Dies ist unsere Aus-
    sage und bei der bleibt es.


    (Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ich höre doch schon andere Stimmen bei Ihnen!)


    Es empfiehlt sich, dass Sie einen weiteren Punkt dis-
    kutieren, nämlich das Jahrhundert, in dem wir leben. Das
    Thema Außenpolitik hatte im 19. Jahrhundert sicherlich
    eine andere Bedeutung als in diesem. Sicherlich wäre es
    im Jahre 1895 ein interessanter Beitrag gewesen, wenn je-
    mand gesagt hätte: Es kann nicht sein, dass wir hier über
    die Frage, was Deutschland tun soll, diskutieren; das
    gehört nicht ins Parlament und ist auch keine Sache des

    Volkes, sondern das muss der Außenminister heimlich in
    irgendwelchen Kabinetten beschließen. –


    (Vorsitz: Vizepräsidentin Susanne Kastner)

    Aber auch heute gingen eigentlich alle Vorwürfe, die

    Sie der Bundesregierung und dem Bundeskanzler ge-
    macht haben, in die Richtung, dass die Frage von Krieg
    und Frieden nicht vom Volk entschieden oder vom Deut-
    schen Bundestag breit diskutiert werden könne;


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie muss nur ehrlich beantwortet werden!)


    sie gehöre in die Kabinette und geheimen diplomatischen
    Zirkel. Das ist nicht richtig!


    (Beifall bei der SPD)

    Ich glaube, Sie müssen lernen, dass Deutschland über

    diese Frage diskutieren muss. Es gibt ein Vorbild, das
    ich Ihnen zur Nachahmung empfehle, nämlich die Verei-
    nigten Staaten von Amerika;


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    denn in den Vereinigten Staaten von Amerika wird das,
    was wir hier nicht bereden dürfen, allerorten öffentlich
    diskutiert.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das können wir auch!)


    Wenn Sie einen Fernsehsender einschalten, können Sie all
    die Fragen, über die wir hier nicht diskutieren sollen, in
    Senats- und Kongressausschüssen breit diskutiert finden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    So ist es richtig.
    Der Unterschied zwischen den beiden Staaten ist: Die

    Vereinigten Staaten von Amerika sind seit 200 Jahren eine
    Demokratie, wir haben erst seit 50 Jahren das Glück.
    Außerdem hat sich Deutschland 1999 im Kosovo das erste
    Mal als ein demokratischer Staat an einem Krieg beteiligt.
    Deshalb haben viele noch keine Argumentationsmuster
    und nicht die Fähigkeit zur Diskussion über Richtig und
    Falsch bei diesem Thema. Sie brauchen einen demokrati-
    schen Impuls in der Debatte über Außenpolitik. Das würde
    Ihnen nützen und die Sache glaubwürdiger machen.

    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau, fraktions-

los.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Petra Pau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Auf den Pressefassungen von Regierungserklärungen
    heißt es stets: Es gilt das gesprochene Wort. Das ist im
    heutigen Falle besonders angebracht; denn was vom ge-
    schriebenen Wort – ich meine den Koalitionsvertrag –


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    92


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    demnächst wirklich noch gilt, das wissen wir nicht, leider
    auch nicht nach der heutigen Rede des Bundeskanzlers.


    (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


    Frau Merkel hat sich vorhin beschwert, sie fühle sich
    ge- oder enttäuscht. Dazu kann ich nur sagen, meine Da-
    men und Herren von der CDU/CSU, für so naiv hätte ich
    sie nicht gehalten.

    Wir, das heißt die „PDS im Bundestag“, legen zur
    Bewertung ein übersichtliches Maß an. Unsere Fragen
    lauten schlicht und nachvollziehbar: Zielt das durch SPD
    und Bündnis 90/Die Grünen Verabredete auf mehr soziale
    Gerechtigkeit oder nicht? Zielt es auf eine militärfreie
    Außenpolitik oder nicht? Zielt es auf eine bürgerrechtli-
    che Innenpolitik oder nicht? Zielt es auf eine nachhaltige
    Umweltpolitik oder nicht? Zielt es auf eine wirksame
    Politik für die neuen Bundesländer oder nicht? Sollten
    Sie in diese Richtungen agieren, dann können Sie mit un-
    serer Zustimmung rechnen. Wenn ich allerdings den
    Koalitionsvertrag und die heutige Regierungserklärung
    wäge, dann stelle ich fest, dass Sie überwiegend mit un-
    serem Nein rechnen müssen.

    In diesem Zusammenhang möchte ich auch etwas an-
    deres klarstellen: Der Abstand der rot-grünen Politik zu
    dem, was die CDU/CSU will, ist viel geringer, als die
    Lautstärke, mit der die Opposition zur Rechten heute Weh
    und Ach geklagt hat, vermuten lässt.


    (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Am klarsten zeigt sich das wohl, wenn es um die
    Minimierung der Massenarbeitslosigkeit geht. Beide
    großen Blöcke des Bundestages verbreiten die Mär von
    den bösen Lohnnebenkosten, beide großen Blöcke des
    Bundestages beten den Götzen Wirtschaftswachstum an
    und beide großen Blöcke des Bundestages stellen letzt-
    endlich Betroffene an den Pranger. Das ist nicht modern,
    das ist unterwürfig. Das sind Ergebenheitsadressen ge-
    genüber globalen Interessen des großen Kapitals; es ist
    also keine wirkliche Politik.

    Sie alle wissen, dass es nicht reicht, hier und da ein
    Steuerschlupfloch zu stopfen oder die eine oder andere
    Subvention infrage zu stellen. Das alles muss sein, reicht
    aber nicht aus. Die PDS fordert grundsätzlich ein Um-
    steuern, politisch und finanziell.

    Nun will ich hier nicht über die Tobinsteuer reden, son-
    dern nur über die Wiedereinführung der Vermögensteuer.
    Den besten Beleg, wie es bei Rot-Grün zugeht, liefert ihr
    neuer Superminister Clement. Als er noch Landesminister
    war – das war noch vor wenigen Tagen –, sprach er sich
    heftig für die Vermögensteuer aus. Nun ist Herr Clement
    die Bundes-Treppe hinaufgefallen und prompt spricht er
    dagegen. Die Nagelprobe wird es für Sie im Bundesrat ge-
    ben: Rot-Rot in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern
    wollen die Vermögensteuer.


    (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


    Ich bin gespannt, wie sich die anderen Bundesländer ver-
    halten werden, und füge hinzu: Die Abstinenz der Bun-
    desregierung in dieser Frage ist nicht klug; sie ist einfach
    abwiegelnd und feige.

    Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu den neuen
    Bundesländern. Vor zwei Jahren hat der Bundestagspräsi-
    dent gemahnt, der Osten stehe auf der Kippe. Seither hat
    sich nicht wirklich etwas zum Besseren gewendet.


    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Es ist runtergefallen!)


    Wir wissen doch alle: Die Vorschläge der viel gepriese-
    nenHartz-Kommissionwären, wenn sie denn eins zu eins
    umgesetzt würden, pures Gift für den Osten. Dies wären sie
    aber nicht nur für den Osten, sondern auch für struktur-
    schwache Regionen im Westen, zum Beispiel Oberfranken.

    Ich vermute, dass Herr Minister Stolpe einen ganz
    großen Erwartungsdruck im neuen Amt spüren wird. Bis-
    lang habe ich von ihm aber nur eine einzige Botschaft
    gehört und die hieß: Für den Aufbau Ost werden keine
    Mittel gestrichen. Eine solche Aussage ist für einen be-
    stellten Hoffnungsträger arg wenig bis gar nichts.


    (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


    Lassen Sie mich zum Schluss noch ein aktuelles Pro-
    blem ansprechen, und zwar die Zusage des Kanzlers und
    des Außenministers, die Bundesrepublik werde sich nicht
    an einem Irak-Krieg beteiligen. Wenn dieses Nein konse-
    quent sein soll, dann schließt das auch logistische Hilfen
    aus. Dann verbietet es sich, hoheitliche Rechte der Bun-
    desrepublik an die USA abzutreten.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

    Dann erwarte ich eine klare Ansage, dass für Rot-Grün
    das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mehr
    gilt als ein konstruierter NATO-Bündnisfall.

    Der Bundeskanzler ist in seiner Regierungserklärung
    auch auf den EU-Konvent eingegangen. Die PDS begrüßt
    es, dass Europa hier aus seinem Schattendasein heraus-
    kommt. Ich finde, es soll aber nicht nur, wie der Bundes-
    kanzler heute gesagt hat, ein Europa der Bürger, sondern
    auch der Bürgerinnen werden. Dazu gehört auch, dass zur
    europäischen Verfassung 2004 eine Volksabstimmung
    stattfindet.

    Danke schön.

    (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])