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ID1500401700

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  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
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    2. Wort: 1
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    8. CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Herrn
    Westerwelle höre, dann muss ich mich nicht wundern,
    dass wir bei der Bundestagswahl so gut abgeschnitten ha-
    ben. Über manche Späße im Sommer konnte man ja viel-
    leicht noch schmunzeln, aber über die Art und Weise und
    den Inhalt der heutigen Rede wird mancher Zuschauer am
    Fernsehschirm nur den Kopf geschüttelt haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich muss wirklich sagen: Wenn man so miteinander um-
    geht, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Wähler
    von der Wahl bestimmter Parteien Abstand nehmen.

    Wir haben gerade gehört, wir könnten Schwierigkeiten
    nicht bewältigen. Dann sollten diejenigen, die die Schwie-
    rigkeiten verursacht haben und uns 1998 einen Scherben-
    haufen hinterlassen haben, einmal gucken, was sie alles
    angerichtet haben. Sich heute hinzustellen und so zu tun,
    als hätten wir in vier Jahren das aufräumen können, was
    in 16 Jahren kaputtgemacht wurde, das ist ein bisschen zu
    einfach.


    (Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


    Die rot-grüne Koalition wird ihre Arbeit in der
    15. Wahlperiode fortsetzen. Dazu haben die Wählerinnen
    und Wähler in den neuen Bundesländern einen wichtigen
    und wesentlichen Beitrag geleistet. Sicherlich haben viele
    von diesen Wählerinnen und Wählern Herrn Stoiber als
    Bundeskanzler verhindern wollen, und zwar nicht weil er
    ein Bayer ist – Bayern sind schließlich sympathische
    Menschen –, sondern weil er als Person und in der Sache
    nicht überzeugen konnte. Ich möchte erst gar nicht auf die
    untauglichen Konzepte und das dazugehörige Kompe-
    tenzteam eingehen. Nein, die Menschen in Ostdeutsch-
    land haben nicht vergessen, wie sich Herr Stoiber in der
    Vergangenheit gegen eine Politik für Ostdeutschland ge-
    stellt hat und wie er das noch heute tut;


    (Albert Deß [CDU/CSU]: Das waren bösartige Unterstellungen, Herr Kollege!)


    denn Herr Stoiber klagt bis heute gegen den Risikostruk-
    turausgleich für die neuen Bundesländer. Ich denke, das
    ist deutlich genug wahrgenommen worden.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich sehe unseren Wahlerfolg im Osten zu einem

    großen Teil mit dem Vertrauen begründet, das die Men-
    schen von Rostock bis Suhl, von Magdeburg bis Frankfurt

    (Oder) in unsere Politik setzen. Das Vertrauen, das uns in

    der Bundestagswahl 1998 geschenkt worden ist, haben
    wir gerechtfertigt, und das trotz der schwierigen Bedin-
    gungen, unter denen wir damals unsere Regierungsarbeit
    aufnehmen mussten. Ich erinnere unter anderem an die
    hohe Staatsverschuldung, die uns täglich so viele Zinsen
    kostet, wie manche Landkreise in Ostdeutschland in ei-
    nem ganzen Jahr nicht zur Verfügung haben. Ich erinnere
    an den Reformstau, den uns die Vorgängerregierung hin-
    terlassen hat und den wir zu einem großen Teil erfolgreich
    aufgelöst haben, und an die neuen Aufgaben mit interna-
    tionaler Verantwortung, denen wir uns stellen mussten.
    All dies sind Schwierigkeiten, die wir in der Regierungs-
    arbeit mit bewältigen mussten. Wenn uns also die Wähle-
    rinnen und Wähler in Ostdeutschland am 22. September
    in so hohem Maße gewählt haben, dann deshalb, weil sie
    – zu Recht – erfahren haben, dass die jetzige Bundes-
    regierung mit großen Herausforderungen fertig wird.


    (Albert Deß [CDU/CSU]: Ihre Regierung ist fix und fertig!)


    Das gilt insbesondere auch für den Aufbau Ost.
    Aufgrund der verfehlten Förderpolitik der alten Bun-

    desregierung zu Beginn der 90er-Jahre entstand ein weit
    überdimensionierter Bausektor, der die Wirtschaftsstruk-
    tur verzerrte und die Dynamik der wirtschaftlichen Ent-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    82


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    wicklung in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre deutlich
    bremste. Dieses Problem wirkt noch heute nach. Wir ha-
    ben mit der Regierungsübernahme 1998 gegengesteuert,


    (Albert Deß [CDU/CSU]: Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen!)


    indem wir die Reformen in Ostdeutschland auf zwei we-
    sentliche Handlungsfelder ausgerichtet haben: erstens die
    Sicherung der finanziellen Grundlagen für den Aufbau
    Ost und zweitens die Modernisierung der Förderinstru-
    mente. Durch unsere Konsolidierung des Bundeshaus-
    halts haben wir die finanzpolitische Handlungsfähigkeit
    des Staates wiederhergestellt und gestärkt sowie die
    finanziellen Grundlagen für den Aufbau Ost geschaffen.
    Nur so konnten wir eine Anschlussregelung für den Soli-
    darpakt II ab 2004 durchsetzen und das Fördervolumen
    für den wirtschaftlichen Aufbau Ost verstärken.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Diese Politik werden wir nun mit modifizierten Schwer-
    punkten fortsetzen; denn wir haben dafür die Stimmen in
    den neuen Bundesländern bekommen. Wir haben die Po-
    litik für Ostdeutschland auf die Zukunft der Menschen in
    den neuen Bundesländern hin orientiert und mit dem So-
    lidaritätspakt II auf solide Füße gestellt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Damit ist Planungssicherheit bis 2019 gegeben.

    Im Koalitionsvertrag werden die soliden Grundlinien
    von 1998 fortgeschrieben. Auf dieser Basis gestalten wir
    weiter unsere Politik. Wer Politik für Ostdeutschland ge-
    stalten will – das haben wir frühzeitig erkannt –, muss
    Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Sachsen,
    Sachsen-Anhalt und Thüringen als integralen Bestandteil
    der Politik für Deutschland begreifen und gestalten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Aufgabe einer jeden Bundesregierung liegt darin, die
    Entwicklung der neuen Bundesländer nicht als Selbst-
    zweck, sondern als eine Aufgabe zu begreifen, Deutsch-
    land als Ganzes zu einem starken und verlässlichen Part-
    ner in der Welt zu entwickeln. Das tun wir mit unserer
    Politik für Ostdeutschland.

    Uns Ostdeutschen geht es nicht um den Nachbau West,
    sondern um eine Entwicklung von Wirtschaft und Gesell-
    schaft, mit der wir einen Beitrag für ein starkes, solidari-
    sches Deutschland leisten. Dafür haben wir in den vergan-
    genen vier Jahren Bedingungen geschaffen, die wir jetzt
    verbessern und den neuen Verhältnissen anpassen wollen.

    Deshalb sieht der Koalitionsvertrag für den Aufbau Ost
    folgende Schwerpunkte vor: die Förderung von Inves-
    titionen und Mittelstand. Der gewerbliche Mittelstand
    als Kernstück der ostdeutschen Wirtschaft wird weiterhin
    unsere besondere Aufmerksamkeit und Unterstützung er-
    fahren. Die Fortsetzung der Investitionsförderung, die
    Existenzgründerinitiative, die Bestandspflege und die
    Schaffung von Pilotregionen für integrierte Entwicklung
    in den Bereichen Innovation, Investition, Infrastruktur
    und Ansiedlungsförderung sind Instrumente dafür.

    Investitionen in Ausbildung und Forschung sind Zu-
    kunftsinvestitionen. Erfolgreiche Programme wie „Inno-

    Regio“ und „Regionale Wachstumskerne“ werden fortge-
    setzt. Der Aufbau wissenschaftlicher Kompetenzzentren
    und die finanzielle Förderung der Hochschulbibliotheken
    sind ebenso wichtige Maßnahmen für eine gute Wirt-
    schaftsentwicklung wie der Ausbildungsaustausch. Aus-
    bildungsfähigkeit und Ausbildungsbereitschaft der klei-
    neren und mittleren Unternehmen müssen erhalten und
    gefördert werden, um die jungen Menschen in eine be-
    triebliche Erstausbildung zu bringen.

    Die Kommunen benötigen eine leistungsfähige Infra-
    struktur. Ein gut ausgebautes Verkehrssystem ist eine
    entscheidende Voraussetzung für die Wettbewerbsfähig-
    keit der Wirtschaft. Wir wollen, dass der neue Bundes-
    verkehrswegeplan 2003 einen klaren Schwerpunkt Ost-
    deutschland enthält.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Der Stadtumbau Ost und die ungebundene Finanzzuwei-
    sung der Mittel aus dem Investitionsgesetz werden fortge-
    setzt. Eine tragfähige Altschuldenregelung ist für die Ent-
    wicklung der kommunalen Infrastruktur unverzichtbar.

    Wir schaffen Arbeit und neue Qualifikation. Damit
    die Vorschläge der Hartz-Kommission auch in den neuen
    Bundesländern ihre Wirkung voll entfalten können, sollen
    die Personal-Service-Agenturen in Ostdeutschland be-
    schleunigt aufgebaut und das Programm „Kapital für Ar-
    beit“ auf die betrieblichen Verhältnisse in den neuen Län-
    dern ausgerichtet werden.

    Mit einem JUMP-plus-Programm soll den Jugendli-
    chen nach der Erstausbildung eine Brücke in den Arbeits-
    markt gebaut werden.


    (Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

    Die Bundesregierung beginnt im Jahr 2003 mit dem Wett-
    bewerb „Die Jugend bleibt“, mit dem innovative und
    kreative Jugendprojekte sowie Beispiele für die Gestal-
    tung des Lebens- und Wohnumfeldes junger Menschen
    ausgezeichnet werden.

    Für die zweite besonders betroffene Gruppe, die älte-
    ren Langzeitarbeitslosen, werden wir das Programm
    „AQTIV plus“ starten. In den künftigen Tarifverhandlun-
    gen von Bund, Ländern und Gemeinden mit den
    Gewerkschaften wollen wir eine differenzierte Stufenre-
    gelung zur Angleichung der Einkommen im öffentlichen
    Dienst in Ost und West bis 2007 umsetzen.

    Landwirtschaft, Natur und Tourismus sind wichtige
    Wirtschaftsbereiche in Ostdeutschland. Für die ost-
    deutsche Landwirtschaft ist die Altschuldenfrage das
    letzte ungelöste Vereinigungsproblem. Wir werden ein
    Gesetz zur abschließenden Lösung der Altschuldenrege-
    lung vorlegen, wobei die wirtschaftliche Situation der ein-
    zelnen Unternehmen berücksichtigt wird.

    Die Gesundheitsversorgung ist ein wichtiger Beitrag
    für die Lebensqualität in den neuen Ländern. Wir setzen
    uns für den Erhalt des Risikostrukturausgleichs der ge-
    setzlichen Krankenkassen ein. Es müssen Anreize für
    Haus- und Fachärzte geschaffen werden, sich in unterver-
    sorgten Regionen der neuen Länder niederzulassen. Da-
    bei stehen die Kassenärztlichen Vereinigungen mit in der
    Verantwortung.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ernst Bahr (Neuruppin)





    Ernst Bahr (Neuruppin)


    Die EU-Osterweiterung bietet vielfältige Chancen für
    Ostdeutschland, sich zu einer europäischen Verbindungs-
    region zu entwickeln. Wir werden deshalb grenzüber-
    schreitende Kooperationen von Betrieben, Hochschulen,
    Vereinen und Kommunen mit Osteuropa besonders för-
    dern und in der Wissenschaftskomponente stärkere Ak-
    zente in den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie in
    der Informatik setzen.

    Die Opfer des SED-Regimes haben weiterhin unsere
    besondere Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung hat in
    der vergangenen Wahlperiode wichtige Initiativen ergrif-
    fen, um eine Besserstellung der SED-Opfer zu erreichen.
    Wir wollen dafür sorgen, dass Menschen, die für Demo-
    kratie gekämpft haben, nicht vergessen werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie sehen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kol-

    legen, wir haben uns kritisch mit unserer Arbeit in den
    vergangenen vier Jahren auseinander gesetzt, die wirt-
    schaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen in
    Ostdeutschland genauestens analysiert und die Anregun-
    gen aus der Bevölkerung aufgegriffen. Das, was wir bis-
    her erreicht haben, kann sich sehen lassen. Aber es sind
    noch viele Aufgaben und Probleme in Ostdeutschland zu
    lösen. Wir werden unsere Arbeit für eine gute Entwick-
    lung in den neuen Ländern fortsetzen.

    Wie gut wir in dieser Arbeit vorangekommen sind,
    zeigt sich auch in unserer Beteiligung als Ostdeutsche an
    der Verantwortung für ganz Deutschland, zum Beispiel
    durch Kanzleramtsminister Rolf Schwanitz, dem ich an
    dieser Stelle für seine erfolgreiche Arbeit und sein Enga-
    gement für Ostdeutschland recht herzlich danken möchte,


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Starker Beifall bei den Regierungsparteien!)


    oder den neuen Bau- und Verkehrsminister Manfred
    Stolpe, der mit seinen Erfahrungen aus seiner Arbeit in
    Brandenburg nun für ganz Deutschland arbeiten wird, oder
    die Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Staatsse-
    kretäre Gerald Thalheim, Ditmar Staffelt, Iris Gleicke,
    Christoph Matschie und Christel Riemann-Hanewinckel,
    die ebenfalls in gesamtdeutscher Verantwortung stehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ihnen allen wünsche ich viel Glück und Erfolg für ihre
    Arbeit.

    Den Menschen in den alten Bundesländern sage ich an
    dieser Stelle ein recht herzliches Dankeschön für ihre So-
    lidarität und ihre Unterstützung für Ostdeutschland.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir werden diese Hilfsbereitschaft noch eine Weile
    benötigen, um zu einer sich selbst tragenden Entwicklung
    in Ostdeutschland zu kommen. Dafür werden wir Ost-
    deutsche uns noch stärker als bisher engagieren und un-
    sere Arbeit intensiv fortsetzen.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort hat der Kollege Michael Glos, CDU/CSU-

Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident, vielen Dank für die Gelegenheit, hier

    zu sprechen.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr

    Dr. med. h. c. Fischer ist wohl nicht im Raum.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Doch, da hin ten ist er! Er steht an der Fahne!)

    Herr Fischer, Sie haben es derzeit schwer. Sie sind gleich-
    zeitig Fraktionsvorsitzender, Parteivorsitzender, Außen-
    minister und offensichtlich auch noch Chefökonom. Ich
    darf Ihnen und den Grünen ein paar ökonomische Rat-
    schläge geben. Die Frau Höhn hat ja gesagt: Das Problem
    ist, dass bei den Grünen die Parteivorsitzenden zu schlecht
    bezahlt werden; deswegen läuft das Ganze nicht. Bezah-
    len Sie Ihre Leute ordentlich, dann müssen Sie nicht alles
    selbst machen und dann sind Sie hier auch nicht so laut
    und aufgeregt, wie Sie es gerade waren.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Das „Handelsblatt“ hat heute geschrieben: „Stim-

    mungstief vor Schröders Rede.“ Was die allerdings mor-
    gen schreiben, Herr Bundeskanzler, weiß ich nicht.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin nicht sicher, dass die Stimmung bei uns im Land
    und insbesondere in der Wirtschaft danach steigt.

    Ihr Vorvorvorgänger Willy Brandt wurde einmal Willy
    Wolke genannt, weil er sich immer so unbestimmt ausge-
    drückt hat. Sie müssten Gerhard Nebel heißen,


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der FDP)


    weil das, was in Ihrer Regierungserklärung steht, unge-
    heuer nebulös ist. Wir haben geglaubt, dass sich heute alle
    Widersprüche aus den Koalitionsvereinbarungen ein Stück
    auflösen, aber die Nebel sind geblieben.

    Die Neuauflage der rot-grünen Koalition verspricht
    nichts Gutes für Deutschland. Ihr Programm ist mutlos.
    Ihre Mannschaft ist – das erkennt man, wenn man da hi-
    nüberschaut – kraftlos.


    (Zurufe von der SPD: Oh!)

    Die Zukunftsperspektiven für Deutschland sind dadurch
    trostlos.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie treten mit dem Anspruch an, eine Koalition der Er-

    neuerung zu sein. In Wirklichkeit ist es eine Koalition des
    Weiterwurstelns. Sie setzen für die Zukunft weiter auf
    Mangelverwaltung. Es ist Flickschusterei. Der Konkurs
    wird verschoben, nicht verhindert. Vor allem spürt man


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    84


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    das an den Reaktionen der Betroffenen. Die Konsumen-
    ten und die Investoren sind verunsichert. Der Wirtschafts-
    standort Deutschland wird leider weiter beschädigt. Das
    Vertrauen in unsere wirtschaftliche Zukunft wird leider
    nicht geweckt. In der heutigen Zeit des Wandels – es ist
    Aufgabe einer Regierung, den Wandel zu gestalten – und
    der Unsicherheit erwarten die Menschen Stabilität und
    Sicherheit. Sie aber verbreiten – insbesondere dann, wenn
    das ein Hü und Hott ist, wenn das eine Echternacher
    Springprozession ist: zwei Schritte vor, ein Schritt zurück –
    das Gefühl von Stillstand und Verunsicherung.

    Herr Riester hat lange vor der Wahl von der größten
    Rentenreform in der deutschen Geschichte gesprochen.
    Zwei Jahre später ist alles Makulatur. Die Schwankungs-
    reserve – das ist vorhin vom Kollegen Westerwelle noch
    einmal richtig gesagt worden –, die eiserne Reserve, der
    Notgroschen der Rentner wird angetastet und ausgegeben.

    Vor der Wahl ließ sich Herr Eichel als selbst ernannter
    Obersparminister der Nation feiern. Er hat sich als Autor
    einer Jahrhundertsteuerreform bezeichnet. Heute meldet
    er Rekorddefizite im öffentlichen Haushalt und in den So-
    zialversicherungssystemen.

    Die konjunkturellen Aussichten, die Lage der Staatsfi-
    nanzen und die sozialen Sicherungssysteme waren vor der
    Wahl im Lot und sind nach der Wahl im Eimer. Herr Eichel
    ließ verlauten, zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen
    seien nicht notwendig, das finanziell Erforderliche sei in
    der Haushalts- und Finanzplanung längst enthalten. Sie,
    Herr Bundeskanzler, haben gesagt: Keine höheren Steu-
    ern. Das war eines der bekannten schröderschen Macht-
    worte, die eine sehr geringe Verfallszeit haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Heute wissen wir, was dabei herauskommt, wenn Sie

    als SPD-Chef und Bundeskanzler die Wahrheit zur Chef-
    sache machen. Die rot-grüne Koalition handelt nach der
    Devise: Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?

    Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Es wird bald
    heißen: Noch kürzer sind dem Schröder seine.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Außerordentlich geistreich!)


    Aber vergessen Sie nicht: Lügen haben kurze Beine und
    Wähler haben ein langes Gedächtnis.

    Wir sind in der Tat in einer schwierigen ökonomischen
    Situation. Die Bilanzfälschungen in der Wirtschaft – ich
    erinnere insbesondere an diejenigen in der US-Wirtschaft;
    ich bin aber nicht sicher, ob in Deutschland nicht zum Teil
    das Gleiche passiert ist – haben die Aktienkurse in den
    Keller gedrückt. Man hat die Telekom angezeigt, um zu
    klären, ob die Bilanzen der Telekom richtig waren. Die
    Telekom ist ein gutes Beispiel dafür, wie man das Ver-
    trauen der Anleger nachdrücklich schädigen kann. Durch
    ein solches Vorgehen wird vor allen Dingen immer wie-
    der das Vertrauen der Menschen in die in der Politik Han-
    delnden geschädigt. Das, was bei der Telekom geschehen
    ist, geht auf Ihr Konto, Herr Bundeskanzler.


    (Jörg Tauss [SPD]: Na ja!)


    Was wir in den Sommermonaten erlebt haben, war der
    größteWählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepu-
    blik Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Als ich das zum ersten Mal gesagt habe, hat mich die Talk-
    masterin Sandra Maischberger – sie kann einen sehr ein-
    dringlich anschauen; Sie kennen sie, Herr Bundeskanz-
    ler –, gefragt: Herr Glos, wollen Sie den Vorwurf des Be-
    truges nicht zurücknehmen? – Daraufhin habe ich einmal
    nachsehen lassen, wie im Strafgesetzbuch der Tatbestand
    des Betrugs definiert wird.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ja, 1990!)

    – Herr Tauss passen Sie auf: Erst muss man jemanden täu-
    schen. Dadurch muss sich der Getäuschte im Irrtum be-
    finden und daraus muss Schaden entstehen. Wenn das ge-
    schehen ist, dann ist der Tatbestand des Betruges erfüllt.
    Dies alles ist geschehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Die Menschen sind vor der Wahl über die wirkliche Lage
    getäuscht worden. Sie haben aus diesem Irrtum heraus
    dieser Regierung noch einmal das Vertrauen geschenkt
    und ihr zu einer knappen Mehrheit verholfen. Jetzt ist
    Deutschland geschädigt, und zwar nachdrücklich.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Gabriel – er wurde heute schon einmal zitiert – hat

    gesagt: „Die Wahrheit vor der Wahl, das hätten Sie wohl
    gerne gehabt.“ Er ist ein würdiger Nachfolger von Ihnen,
    Herr Bundeskanzler, und er war offensichtlich Ihr Lehr-
    ling, als Sie in Niedersachsen regiert haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Er tritt in Ihre Fußstapfen, genauso wie Herr Müntefering
    heute in die großen Fußstapfen von Herrn Stiegler getre-
    ten ist.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Das war an Ihrer Rede zu merken, Herr Müntefering. Rot-
    Grün bekennt sich zum Prinzip der Nachhaltigkeit. In den
    Täuschungsmanövern sind Sie allerdings sehr nachhaltig
    und das beschädigt die politische Kultur im Land.


    (Joachim Poß [SPD]: Glos ist der klassische Vertreter!)


    Es ist schlimm genug, dass die Kultur in unserem
    Land, dem Land der Dichter und Denker, dem Land von
    Goethe und Schiller, schon so beschädigt ist, dass
    Dieter Bohlen der Star der Buchmesse ist. Aber das be-
    wegt sich auf einer Linie mit dem Verhalten der Deut-
    schen bei der Kanzlerwahl. Es ist folgerichtig, dass aus
    dem einen das andere entsteht. Da lobe ich mir den ehe-
    maligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der die De-
    vise ausgegeben hat: Deutschland braucht Wahrheit und
    Klarheit. Die Antwort von Rot-Grün war: Machterhalt
    um jeden Preis. Ich weiß nicht, ob er diesen Preis wirk-
    lich wert war.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Michael Glos




    Michael Glos

    Herr Eichel wird in das „Guinnessbuch der Rekorde“
    eingehen. Eine so gelungene Selbstdemontage als Fi-
    nanzminister hat es noch nie gegeben. Das ist eine Bla-
    mage für unser Land. Wir müssten Deutschland eigentlich
    in Absurdistan umbenennen.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Wo leben Sie eigentlich?)


    In der Weitsicht war Hans Guck-in-die-Luft dem Eichel
    weit überlegen.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Koalitionsvereinbarungen sind voller Wider-
    sprüche. Dem deutschen Steuerbürger – also einer Person
    in diesem Land, die so dumm ist, überhaupt Steuern zu
    zahlen, da sie nicht alles schwarz macht – misstraut man
    zutiefst. Man will das Bankgeheimnis aufheben, man will
    den gläsernen Steuerbürger. Von ihm wird man wahr-
    scheinlich die biometrischen Daten aufnehmen, die man
    bei potenziellen Terroristen nicht im Pass haben will.


    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)


    Ich finde das schon eine ungeheure Widersprüchlichkeit,
    meine sehr verehrten Damen und Herren.

    Für alle ökonomischen Fehlhandlungen zahlt die so ge-
    nannte Neue, aber auch die alte Mitte die Zeche, und zwar
    ganz brutal. Hans Eichel wurde nach kurzer Zeit vom ei-
    sernen zum blanken Hans. Sein großspuriges Versprechen
    eines ausgeglichenen Gesamthaushalts für 2006 war so
    viel wert wie Ihr Versprechen heute, Herr Müntefering,
    für 2006. Der Herr Bundeskanzler hat es heute in seiner
    Regierungserklärung ebenfalls versprochen.

    Was besonders schlimm ist: Die Defizitobergrenze
    von Maastricht wurde verfehlt, unser Land ist zum Ge-
    spött in Europa geworden. Deutschland braucht inzwi-
    schen nicht nur einen blauen, sondern einen dunkelblauen
    Brief. Der Stabilitätspakt ist geschaffen worden, weil man
    den Südländern misstraute. Man meinte, die Italiener und
    andere würden die Stabilitätskriterien nicht einhalten. In-
    zwischen sind die Deutschen diejenigen, die den blauen
    Brief in Empfang nehmen müssen. Ich finde es schlimm,
    wenn die Regeln für die neue Währung, die man sich
    selbst gegeben hat, einfach niedergerissen werden. Die
    Menschen haben dem Euro vertraut, weil wir gesagt ha-
    ben, er wird so sicher und stabil wie die Mark werden. Ich
    kann Sie nur davor warnen, über diese Dinge einfach hin-
    wegzugehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    3 Prozent bedeuten einen Spielraum von 60 Milliarden
    Euro, den man in den öffentlichen Gesamthaushalten hat.
    Das ist kein Pappenstiel, daraus lässt sich allerhand ma-
    chen. Einfach an die Obergrenze heranzugehen und sie zu
    überschreiten halte ich für falsch.


    (Joachim Poß [SPD]: Das haben Sie selbst doch einmal vorgeschlagen!)


    Wir befinden uns dadurch am Rande einer länger an-
    haltenden Rezession und das sollte Ihnen Sorgen machen.
    Die „Süddeutsche Zeitung“, die es inzwischen wahr-

    scheinlich bereut – wenn es die Zeitung nicht bereuen
    kann, weil sie ja nur ein Stück Papier ist, dann werden es
    der Verlag, die Herausgeber, die Eigentümer bereuen;
    denn dort klopft jetzt Bodo Hombach an die Tür –, hat
    Rot-Grün herbeigeschrieben und die ökonomischen Fol-
    gen müssen jetzt auch ein Stück getragen werden. Jeden-
    falls ist das, was im Wirtschaftsteil steht, oft richtig. Darin
    stand unlängst:

    Offensichtlich ist allenthalben die große Verunsiche-
    rung und neuerdings der blanke Zorn über eine die
    Bedürfnisse der Unternehmen missachtende Berliner
    Wirtschaftspolitik. Dieser Zorn ist real und nicht
    konstruiert, er ist keine Erfindung von Opposition
    oder Wirtschaftsjournalisten, keine Kampagne. Die
    Wut der Wirtschaft signalisiert eine sinkende Loya-
    lität. Die Folgen reichen weit: von der sinkenden Be-
    reitschaft auszubilden über ein nachlassendes ge-
    sellschaftliches Engagement bis hin zu wildester
    Steuergestaltung und womöglich einem regelrechten
    Investitionsstreik.

    So weit Marc Beise in der „Süddeutschen Zeitung“.
    Vorhin hat der Herr Minister des Äußersten gesagt


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    – Entschuldigung, Herr Minister –, die Finanzmärkte be-
    finden sich in einer Krise. Das ist richtig. Der Einzelhan-
    del bekommt die nachlassende Kaufkraft zu spüren und
    auch die Verunsicherung der Verbraucher. Das Handwerk
    hat allein in den letzten drei Monaten über 300 000 Arbeits-
    plätze abbauen müssen. Und es fällt keinem Handwerker
    leicht, jemanden zu entlassen; ganz bestimmt nicht, da ist
    etwas Herzblut dabei. Die Talfahrt der Bauwirtschaft hält
    an und wird sich durch das geplante Zusammenstreichen
    der Eigenheimzulage noch beschleunigen.

    Herr Fischer, übrigens haben Sie in einer Diskussions-
    runde vor der Wahl noch die Opposition bezichtigt, sie
    wolle die Eigenheimzulage streichen.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

    Das Gegenteil ist wahr.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Zulage wird von Ihnen jetzt kalt gestrichen, was Sie
    vorher in Ihrer Art der Wählertäuschung und -verunsiche-
    rung uns unterstellt haben.

    In der gesamten verarbeitenden Industrie ist die Stim-
    mung miserabel. Die Ampeln stehen auf Arbeitsplatzab-
    bau. Wer in dieser Situation auf massive Steuererhöhun-
    gen, steigende Sozialbeiträge und zusätzliche Schulden
    setzt, der verschärft die Krise. Das alles ist Gift für Kon-
    junktur und Wachstum.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei aller Ungewissheit über Prognosen ist eines ge-

    wiss: Mit einer derart schwachen Wirtschaftsdynamik
    kann keine grundlegende Wende auf dem Arbeitsmarkt
    erreicht werden, Hartz hin, Hartz her. Das wird sich als
    eine große Seifenblase erweisen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    86


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Wenn Sie schon unserem wirtschaftlichen Sachver-
    stand nicht trauen, dann glauben Sie wenigstens den von
    Ihnen selbst berufenen Gutachtern aus den Wirtschafts-
    forschungsinstituten. Das sind inzwischen ja nicht mehr
    die, die während der Regierungszeit von Helmut Kohl be-
    rufen worden sind. Die sagen in ihrem Herbstgutachten:

    Alle Pläne der Wirtschaftspolitik in den kommenden
    Jahren müssen daran gemessen werden, ob sie dazu
    beitragen, die Probleme des geringen Wachstums
    und der geringen Beschäftigungsdynamik zu lösen ...
    Die Koalitionsvereinbarungen zur Anhebung von
    Steuern und Sozialabgaben sind das Gegenteil des-
    sen, was wachstumspolitisch geboten ist.

    Man kann das Ganze auch volkstümlich ausdrücken – ich
    denke dabei vor allen Dingen an die Leute draußen, die
    gerne den Ketchup-Song hören –, denn in der Gerd-Show
    heißt es dort:

    Was du heute kannst versprechen,
    darfst du morgen wieder brechen.
    Drum hol’ ich mir jetzt jeden einzelnen Geld-
    schein,
    euer Pulver, eure Kohle, euer Sparschwein.

    So sieht es die Bevölkerung draußen. Deswegen wird die-
    ser Song ein großer Hit werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Zeitalter der Globalisierung und der Konkurrenz

    um Finanzströme ist es ganz besonders wichtig, unseren
    Finanzmarkt in Ordnung zu halten. Nun hat sich Joseph
    Fischer, zurzeit, wie wir sehen, gleichzeitig Bundes-
    außenminister, Fraktionsvorsitzender und amtierender
    Parteivorsitzender der Grünen,


    (Hubertus Heil [SPD]: Nur kein Neid!)

    vorhin auch ein wenig über die Aktienmärkte, auch den in
    Amerika, verbreitet. Der Zusammenbruch geschah in ers-
    ter Linie an der deutschen Börse. Der Dow-Jones-Index
    ist längst nicht so stark gesunken wie der DAX. Auch in
    Europa sind die Aktienkurse im Durchschnitt nicht so
    stark wie in Deutschland gesunken. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich haben Sie nicht in Aktien investiert!)


    – Selbstverständlich nicht. Ich bin dabei sehr gut gefah-
    ren. Das bisschen, was ich hatte, habe ich blitzartig ver-
    kauft, als Rot-Grün begonnen hat zu regieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Die alten Lehren kenne ich noch. Ich habe auch noch
    die Bücher des alten Bankiers Fürstenberg gelesen, der ge-
    sagt hat – die Geschehnisse unter Rot-Grün haben ihm
    wieder einmal Recht gegeben –: Aktionäre sind dumm und
    frech – dumm, weil sie anderen Leuten ihr Geld geben, und
    frech, weil sie dafür auch noch Dividende wollen.


    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Da beschimpfen Sie jetzt Aktionäre!)


    Jetzt sage ich Ihnen etwas, was viel ernster ist: Man
    kann Vertrauen ungeheuer schnell zerstören. Es ist aber
    ungeheuer schwierig, Vertrauen wieder aufzubauen. Ein
    zerstörter Kölner Dom wäre leichter aufzubauen als zer-
    störtes Vertrauen. Ihre Vorhaben, nämlich die Gewinne
    aus der Veräußerung von Wertpapieren und Immobilien
    unbeschränkt zu versteuern,


    (Zuruf von der SPD: Kirch!)

    der Lebensversicherung in die Kasse zu greifen, die ver-
    mögenswirksamen Leistungen in Aktien und Wertpapier-
    fonds zu besteuern, all diese Steuerpläne schaffen kein
    Vertrauen in unseren Kapitalmarkt, sondern werden die
    Krise leider noch verstärken.

    In Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, ge-
    ben Sie auch auf andere Schicksalsfragen der Nation we-
    nig Antworten. Die Unterfinanzierung der Bundeswehr
    wird offensichtlich festgeschrieben.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist der Bundeskanzler?)


    Bundesverteidigungsminister Struck hat den Fehler ge-
    macht, dass er sich nicht vom ersten Tag an dagegen ge-
    wehrt hat. Jetzt wird sein Etat weiter gekürzt. Das hat er
    nun davon. Die Bundeswehr ist unsere Armee. Wir sind
    stolz auf sie. Aber auch die Frage, wie es weitergehen soll,
    ob es eine Freiwilligenarmee wird oder ob die Wehrpflicht
    bleibt, ist noch nicht endgültig entschieden worden, son-
    dern diese Entscheidung wurde vertagt. Die NATO-Part-
    ner fragen sich, was eigentlich von uns zu halten ist, wenn
    überall so viel Beliebigkeit Platz greift.

    Über den Aufbau Ost haben wir vorhin eine mit-
    reißende Rede gehört. Herr Präsident, Sie haben sie dan-
    kenswerterweise vorher halten lassen. Ich freue mich da-
    rüber, denn so brauche ich nichts dazu zu sagen. Die
    frühere Chefsache ist also inzwischen zu einer Rolle
    rückwärts geworden. Bezüglich der inneren Sicherheit
    finden sich nur Leerformeln. Von dem, was wir wirklich
    bräuchten, steht nichts in der Koalitionsvereinbarung,
    auch nicht die von Bundeskanzler Schröder vollmundig
    aufgestellte Forderung: Sexualstraftäter, also Kinder-
    schänder, gehören weggesperrt, und zwar für immer.
    Dafür hat er sehr viel Beifall bekommen, aber er hat da-
    von in der Koalitionsvereinbarung nichts durchgesetzt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Auch bei der Umweltpolitik herrscht Fehlanzeige.
    Stattdessen wird Erdgas stärker besteuert. Die Bauern
    kommen nur noch als Kostenfaktor im Zusammenhang
    mit der EU vor. Es finden sich keine Worte über den länd-
    lichen Raum und all das, was an der Landwirtschaft hängt.

    In der Außenpolitik hat man aus dem Schüren von
    Kriegsangst kurzfristig Kapital zu schlagen versucht. Das
    ist richtig. Jetzt folgt für den Herrn Bundeskanzler der
    Gang nach Canossa, wobei Canossa in diesem Fall ir-
    gendwo bei Washington liegt. Morgen macht ja der Bun-
    desaußenminister bereits einen Probegang.


    (Zurufe von der SPD)

    Ich kann Ihnen sagen: Heinrich IV. hat sich in Canossa
    wohler gefühlt, als Sie sich in den USA fühlen müssen.

    Michael Glos




    Michael Glos

    Jetzt glauben Sie, Sie könnten die Vereinigten Staaten
    von Amerika damit beruhigen, dass Sie für eine möglichst
    schnelle Aufnahme der Türkei in die Europäische Union
    kämpfen. Ich halte von einer Mitgliedschaft der Türkei in
    der Europäischen Union nichts.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nicht, dass ich missverstanden werde: Selbstverständlich
    wollen wir eine gute Partnerschaft mit der Türkei inner-
    halb der NATO; auch brauchen wir gute Handelsbezie-
    hungen mit der Türkei. Nur können wir ihre Vollmitglied-
    schaft in der Europäischen Union nicht gebrauchen. Auch
    die damit verbundene Freizügigkeit von Anatolien nach
    Deutschland hin in beliebigem Maße können wir nicht ge-
    brauchen.


    (Zurufe von der SPD)

    Wir können auch kein Land als Vollmitglied in der Euro-
    päischen Union gebrauchen, dessen Wirtschaftsleistung
    nur ungefähr 20 Prozent des Durchschnitts der Wirt-
    schaftsleistung der übrigen EU-Staaten beträgt und das
    eine Inflationsrate von 50 Prozent hat. Wenn man jetzt
    glaubt, dass man mit der Vollmitgliedschaft der Türkei in
    der Europäischen Union irgendjemandem einen Gefallen
    tun kann – nicht einmal den Türken selbst könnte man da-
    mit einen Gefallen tun –, dann ist man schief gewickelt.

    Auch der zweite Anlauf von Rot-Grün erfolgt im Rück-
    wärtsgang. Mit dem, was in den Koalitionsvereinbarun-
    gen steht und was wir heute hier gehört haben, lässt sich
    die Zukunft nicht gewinnen. Abraham Lincoln hat gesagt,
    man könne nicht die Schwachen stärken, indem man die
    Starken schwäche. Genau das ist aber Ihr Programm.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Ich weiß

    nicht, ob der Herr Bundeskanzler noch hier im Plenarsaal
    ist.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)

    Wenn er nicht mehr hier ist, dann hat er aber genug Ket-
    tenhunde hier, um sein Wort zu gebrauchen, die ihm das,
    was ich jetzt bemerken will, weitersagen können. Ich bin
    schon der Meinung und möchte ihm das gern ins Stamm-
    buch schreiben: „Hochmut kommt vor dem Fall.“


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Stoiber! – Weitere Zurufe von der SPD)


    Der Hochmut, mit dem Sie sich heute gegenüber der Op-
    position verhalten, wird sich – da bin ich ganz sicher –
    rächen. Hören Sie damit auf, diejenigen, die Verantwor-
    tung tragen für Unternehmungen und damit für die
    Arbeitsplätze von Millionen von Menschen, als Ketten-
    hunde zu beschimpfen!


    (Zurufe von der SPD)

    Das sind nicht Kettenhunde der Opposition.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das al-
    les nur dieser Bundesregierung schadete, dann könnte es
    uns egal sein; dann könnten wir darüber sogar noch Scha-
    denfreude empfinden. Aber es schadet unserem Land, der
    Bundesrepublik Deutschland, in schwieriger Zeit. Für

    dieses Land werden wir auch aus der Opposition heraus
    arbeiten.

    Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)