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ID1425101400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe 25415 A Nachruf auf den Abgeordneten DietmarSchlee 25415 B Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordne- ten Ludwig Eich, Dr. Karlheinz Guttmacher, Walter Link (Diepholz), Otto Schily und Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast . . . . . . . . . . . 25415 C Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 25415 D Tagesordnungspunkt 1: a) Regierungserklärung durch den Bundes- kanzler: Den Opfern helfen – Gemein- sinn stärken: Maßnahmen zur Bewäl- tigung der Hochwasserkatastrophe 25416 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuer- rechtlicher Vorschriften und zur Errich- tung eines Fonds „Aufbauhilfe“ (Flut- opfersolidaritätsgesetz) (Drucksache 14/9894) . . . . . . . . . . . . . 25416 A c) Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Schnelle Hilfe für die Flutopfer (Drucksache 14/9905) . . . . . . . . . . . . . 25416 B d) Erste Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich der von der Hochwasserkatastrophe im August 2002 verursachten Eigentumsschäden (Hoch- wasserschaden-Ausgleichsgesetz) (Drucksache 14/9895) . . . . . . . . . . . . . 25416 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Antrag der Fraktion der PDS: Stärkere Beteiligung von Großunternehmen an der Bewältigung von Hochwasser- schäden durch Körperschaftsteuer auf Veräußerungsgewinne (Drucksache 14/9899) . . . . . . . . . . . . . 25416 B b) Antrag der Fraktion der PDS: Stärkere Beteiligung von Kapitalgesellschaf- ten an der Bewältigung von Hoch- wasserschäden durch Erhöhung der Körperschaftsteuersätze (Drucksache 14/9900) . . . . . . . . . . . . . 25416 C c) Antrag der Fraktion der PDS: Bewäl- tigung der Flutkatastrophe gerecht finanzieren – Vermögensabgabe er- heben (Drucksache 14/9901) . . . . . . . . . . . . . 25416 C d) Antrag der Fraktion der PDS: Flutka- tastrophe 2002: Den Opfern langfris- tig und wirksam helfen – Rüstungs- projekte streichen (Drucksache 14/9902) . . . . . . . . . . . . . 25416 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . 25416 D Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 25422 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 25428 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25433 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 25433 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . 25434 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 25436 D Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen) 25439 D Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25442 C Plenarprotokoll 14/251 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 251. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002 I n h a l t : Ronald B. Schill, Senator (Hamburg) . . . . . . 25443 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 25447 A Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen) 25450 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 25451 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 25451 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 25452 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 25453 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25454 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25455 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25457 A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25458 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002 Birgit Homburger 25454 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002 25455 (C)(A) Berichtigung 248. Sitzung, Seite 25198 (A), das endgültige Ergebnis der Namentlichen Abstimmung ist wie folgt zu lesen: Endgültiges Ergebnis der Namentlichen Abstimmung über die Vorschläge zur Gestaltung der Historischen Mitte Berlins – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien – (Drucksache 14/9660) Abgegebene Stimmen 587 Ungültige Stimmen 8 Gültige Stimmen 579 Nein 62 Enthaltungen 6 Es entfielen auf den Vorschlag – Alternative A (Wiederherstellung der barocken Fassaden) 378 Stimmen Vorschlag – Alternative B (Klärung der Fassadengestaltung in einem Architektenwettbewerb; Alternativen zur Rekonstruktiom der Barocken Fassaden nicht ausgeschlossen) 133 Stimmen Ein Vorschlag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen erhalten hat als der andere Vorschlag zuzüglich der Nein- Stimmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002 25457 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 29.08.2002 Aigner, Ilse CDU/CSU 29.08.2002 Altmann (Aurich), Gila BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Bachmaier, Hermann SPD 29.08.2002 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 29.08.2002 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 29.08.2002 Behrendt, Wolfgang SPD 29.08.2002* Dr. Bergmann-Pohl, CDU/CSU 29.08.2002 Sabine Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 29.08.2002 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 29.08.2002 Wolfgang Bohl, Friedrich CDU/CSU 29.08.2002 Borchert, Jochen CDU/CSU 29.08.2002 Brandner, Klaus SPD 29.08.2002 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 29.08.2002 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Eich, Ludwig SPD 29.08.2002 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Formanski, Norbert SPD 29.08.2002 Francke, Klaus CDU/CSU 29.08.2002 Frick, Gisela FDP 29.08.2002 Dr. Friedrich (Hof), CDU/CSU 29.08.2002 Hans-Peter Friese, Harald SPD 29.08.2002 Ganseforth, Monika SPD 29.08.2002 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 29.08.2002 Gilges, Konrad SPD 29.08.2002 Häfner, Gerald BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Haupt, Klaus FDP 29.08.2002 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 29.08.2002 Hollerith, Josef CDU/CSU 29.08.2002 Hornung, Siegfried CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Jens, Uwe SPD 29.08.2002 Jünger, Sabine PDS 29.08.2002 Dr.-Ing. Kansy, CDU/CSU 29.08.2002 Dietmar Kauder, Volker CDU/CSU 29.08.2002 Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 29.08.2002 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 29.08.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 29.08.2002 Kubatschka, Horst SPD 29.08.2002 Kühn-Mengel, Helga SPD 29.08.2002 Lamers, Karl CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Laufs, Paul CDU/CSU 29.08.2002 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 29.08.2002 Lensing, Werner CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Loske, Reinhard BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 29.08.2002 Erich Maier, Pia PDS 29.08.2002 Mertens, Angelika SPD 29.08.2002 Dr. Meyer (Ulm), SPD 29.08.2002 Jürgen Michelbach, Hans CDU/CSU 29.08.2002 Nahles, Andrea SPD 29.08.2002 Neuhäuser, Rosel PDS 29.08.2002 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 200225458 Ohl, Eckhard SPD 29.08.2002 Ostrowski, Christine PDS 29.08.2002 Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 29.08.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 29.08.2002 Reinhardt, Erika CDU/CSU 29.08.2002 Romer, Franz CDU/CSU 29.08.2002 Ronsöhr, CDU/CSU 29.08.2002 Heinrich-Wilhelm Roos, Gudrun SPD 29.08.2002 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 29.08.2002 Schultz (Köln), SPD 29.08.2002 Volkmar Schwalbe, Clemens CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Solms, FDP 29.08.2002 Hermann Otto Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 29.08.2002 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 29.08.2002 Sterzing, Christian BÜNDNIS 90/ 29.08.2002 DIE GRÜNEN Thönnes, Franz SPD 29.08.2002 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 29.08.2002 Weiß (Emmendingen), CDU/CSU 29.08.2002 Peter Widmann-Mauz, CDU/CSU 29.08.2002 Annette Wolf (München), SPD 29.08.2002 Hanna Zierer, Benno CDU/CSU 29.08.2002 Dr. Zöpel, Christoph SPD 29.08.2002 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/9305 Nr. 1.2 Drucksache 14/9479 Nr. 2.11 Drucksache 14/9479 Nr. 2.12 Drucksache 14/9479 Nr. 2.13 Drucksache 14/9479 Nr. 2.14 Drucksache 14/9479 Nr. 2.15 Drucksache 14/9479 Nr. 2.16 Drucksache 14/9479 Nr. 2.17 Drucksache 14/9479 Nr. 2.18 Drucksache 14/9479 Nr. 2.19 Drucksache 14/9479 Nr. 2.20 Drucksache 14/9479 Nr. 2.22 Drucksache 14/9479 Nr. 2.25 Drucksache 14/9479 Nr. 2.27 Drucksache 14/9479 Nr. 2.28 Drucksache 14/9479 Nr. 2.32 Drucksache 14/9479 Nr. 2.33 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/8428 Nr. 2.47 Drucksache 14/8428 Nr. 2.51 Drucksache 14/8428 Nr. 2.52 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das Wort hat jetzt
    Bundesaußenminister Joschka Fischer.

    Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen

    (vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie von Abgeordneten der SPD mit Beifall begrüßt)

    Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat
    heute in seiner Regierungserklärung sehr eindringlich und
    sehr eindrücklich von den Erfahrungen gesprochen, die er
    bei dem Besuch in den überfluteten Gebieten gemacht hat.
    In der Tat: Das kann ich nur bestätigen. Die Medien kön-
    nen das ganze Ausmaß der Zerstörung wie auch das,
    was das für die betroffenen Menschen heißt, nur unzurei-
    chend wiedergeben.

    Ich war dort in Begleitung des Präsidenten der Euro-
    päischen Kommission. Ich möchte hinzufügen: Wir sind
    sehr dankbar, dass Kommissionspräsident Prodi mit drei
    Kommissaren sofort unserer Einladung gefolgt ist und
    dass er sich einen persönlichen Eindruck von der Kata-
    strophe verschafft hat.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir sind auch über die Entscheidungen der Kommission
    sehr dankbar.

    Ich habe mit meinen 54 Jahren bisher in unseren Brei-
    tengraden nichts Vergleichbares an Zerstörungen gese-
    hen. Folgende Begegnung macht jenseits der materiellen
    Schäden das eigentliche Desaster klar: In Weesenstein bin
    ich auf einen Bäckermeister getroffen – er war etwa in
    meinem Alter –,


    (Zuruf von der CDU/CSU: So alt?)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
    Dr. Guido Westerwelle
    25436


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    der vor seinem völlig zerstörten Betrieb saß. Er sagte, er
    habe noch im letzten Jahr ein kleines Café aufgemacht,
    aber nun sei alles kaputt, die Backstube und der Laden
    seien völlig zerstört. Als jemand Anfang 40 habe er nach
    der Wende versucht, sich eine kleine bescheidene Exis-
    tenz aufzubauen. Nun frage er sich, ob er es jetzt, mit
    Mitte 50, nochmals fertig bringe, neu anzufangen.

    Das Wichtige an der Solidarität ist, wie ich finde, nicht
    nur, dass die Menschen so weit es geht materiell schaden-
    frei gestellt werden; wichtig sind – das macht meines Er-
    achtens den eigentlichen Wert dieser breiten Spendenbe-
    reitschaft aus – vor allen Dingen auch der Mut, der
    zugesprochen wird, und die emotionale Zuwendung, dass
    diese Generation, die nach der Wende versucht hat aufzu-
    bauen, jetzt den Mut nicht verliert, sondern die Aufbau-
    arbeit ein weiteres Mal angehen kann und es auch packt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich habe dort mit dem Landrat, der ebenfalls zugegen
    war, gesprochen. Er hat von einer flächendeckenden Zer-
    störung der Abwasseranlagen gesprochen; Investitionen,
    die seit der deutschen Einheit zum Beispiel in Kläranla-
    gen getätigt wurden, seien vernichtet, Rohrleitungssys-
    teme seien zerstört ebenso wie kommunale Infrastruktur,
    Kindergärten und Schulen. Ich hatte auch die Gelegen-
    heit, mit dem Oberbürgermeister von Pirna zu sprechen,
    der mir sagte, sie hätten diese wunderbare Altstadt jetzt
    fast fertig saniert, mit Hunderten Millionen Euro. Und
    dann kam die Flut.

    Der sächsische Ministerpräsident wird eindrücklich
    über die Zerstörung seines Landes sprechen können. Zu-
    mindest für Sachsen gilt der Satz, dass wir es jetzt mit ei-
    ner zweiten Aufbauanstrengung zu tun haben werden. Ich
    denke, es ist sehr wichtig, dass alle klar machen, dass wir
    es hier mit einer Solidaritätsaufgabe zu tun haben, dass die
    Länder und die Menschen, aber auch unsere europäischen
    Nachbarn – ich möchte hier an die Tschechische Republik
    erinnern, die es mindestens so schwer getroffen hat – alle
    zusammenstehen und in einer gemeinsamen, solidari-
    schen Anstrengung den Opfern und den betroffenen Ge-
    bietskörperschaften helfen müssen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ich finde, an diesem Punkt sollte man bei allem Wahl-
    kampf die Worte wohl wägen. Wir müssen über Wege zur
    Bekämpfung der Arbeitslosigkeit streiten.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    In der Vergangenheit hat hier niemand das Ei des Kolum-
    bus gefunden. Die FDPwar 29 Jahre in der Regierung; ich
    möchte jetzt die Arbeitslosenzahlen von 1998 nicht wie-
    derholen. Die CDU/CSU war 16 Jahre in der Regierung;
    ich möchte die Arbeitslosenzahlen nicht wiederholen.
    Aber ich halte überhaupt nichts davon, das dramatische
    Problem der Arbeitslosigkeit, das ein strukturelles Pro-
    blem ist, jetzt dem Unglück der Flutopfer entgegenzuset-
    zen. Meine Damen und Herren, das sollten wir lassen.


    (Beifall beim BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


    Das werden die betroffenen Menschen nicht verstehen.
    Das sollten wir wirklich nicht tun. Das rechtfertigt auch
    die Hitze des Wahlkampfes nicht.

    Herr Westerwelle, um auch das vorneweg zu sagen: Ich
    verstehe, dass wir hier unsere programmatischen Positio-
    nen haben. Niemand von uns ist mit hohen Steuersätzen
    verheiratet oder ist der Meinung, hohe Steuersätze müss-
    ten sein. Deswegen hat die Bundesregierung ein Steuer-
    senkungsprogramm in der Größenordnung von über
    50 Milliarden beschlossen, für das Sie jetzt mit der For-
    derung, die zweite Stufe solle pünktlich stattfinden, so
    vehement eintreten.

    Wir haben großen Wert darauf gelegt, Deutschland da-
    mit wieder zum Investitionsstandort zu machen. Das ist
    uns gelungen. Die Auslandsinvestitionen haben sich in
    den letzten vier Jahren positiv entwickelt. Wir haben Wert
    darauf gelegt, dass vor allem den Familien, den unteren
    und mittleren Einkommen geholfen wird. Das heißt, dass
    Wettbewerbsfähigkeit und Gerechtigkeit diese Steuer-
    reform tragen. Dass Sie diese Steuerreform jetzt fordern,
    das ehrt uns und den Vater dieser Steuerreform, Hans
    Eichel.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Angesichts der Erfahrungen mit der deutschen Einheit
    sage ich heute: Niemand beschwert sich hier über die
    Kosten; im Gegenteil kann man mit Geld gar nicht aus-
    drücken, was wir durch die deutsche Einheit gewonnen
    haben, nicht nur im Inneren, sondern auch an Frieden
    und Stabilität in einem zusammenwachsenden Europa.
    Aber eines muss doch klar sein: Wir können den Opfern
    jetzt nicht, weil wir davon ideologisch überzeugt sind,
    Steuersenkungen anbieten. Die werden dem Bäckermeis-
    ter in seiner Not nicht helfen. Die werden den Gemeinden,
    den Gebietskörperschaften in ihrer Not nicht helfen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Abgesehen davon bin ich auch von der Richtigkeit
    nicht überzeugt. Hans Eichel hat das Beispiel 2000/2001
    gebracht. Ich meine, Sie hatten 29 Jahre Zeit, diese Poli-
    tik umzusetzen. Ich sage ja gar nicht, dass Steuersenkun-
    gen, wenn sie bezahlbar und finanzierbar sind, nicht ein
    positives Element sein könnten. Aber machen wir doch
    daraus keinen Glaubenskrieg! Machen wir vor allen Din-
    gen keine unseriösen Versprechungen!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wenn Sie über das, was wir wollen, hinaus Steuern sen-
    ken wollen, dann müssen Sie das den Menschen vor den
    Wahlen sagen.

    Der bayerische Ministerpräsident hat hier in seiner
    Rede versucht, diesen Anstrengungen für gesamtstaat-
    liche Solidarität gerecht zu werden.


    (Jörg Tauss [SPD]: Er hat es versucht!)

    Herr Ministerpräsident, Sie konnten aber natürlich der
    Versuchung nicht widerstehen, in die Rolle des Wahl-
    kämpfers zu schlüpfen. Man mag sich wirklich darüber

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
    Bundesminister Joseph Fischer

    25437


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    streiten. Sie sind der Meinung, dass die Schuldenfinan-
    zierung der bessere Weg ist. Wir sind – Hans Eichel hat
    die Gründe genannt – aufgrund der Erfahrungen mit der
    deutschen Einheit und mit dem zu hohen Schuldenaufbau
    anderer Meinung.

    Herr Westerwelle, Sie sagen, der Staat spare nicht. Als
    Bundesaußenminister musste ich in den vergangenen Jah-
    ren Dinge akzeptieren – und zwar aus Solidarität gegen-
    über der Konsolidierungspolitik –, die ich eigentlich für
    nicht richtig hielt. Aber weil wir unter Spardruck stehen,
    weil wir konsoldieren müssen, weil wir sonst in der Tat
    jede vierte Steuermark in den Schuldendienst geben
    müssten, habe ich sie akzeptiert.

    Seit vier Jahren machen wir Konsolidierungsanstren-
    gungen. Diese Anstrengungen gehören zur Wiedergewin-
    nung der Wettbewerbsfähigkeit. Deswegen hat auch EU-
    Kommissar Solbes, der ja keineswegs einen unkritischen
    Blick auf die Mitgliedstaaten und ihre Finanzpolitik hat,
    die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt. Das müs-
    sen Sie doch einmal zur Kenntnis nehmen. Dies geschah
    gerade vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen: Wir ha-
    ben einen zu hohen Schuldenstand, der die wirtschaftliche
    Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes nach unten zieht
    und zugleich den Druck auf den Arbeitsmarkt erhöht. Ge-
    nau das wollen wir nicht so fortsetzen, wie es acht Jahre
    lang unter der Regierung von Helmut Kohl, also unter der
    Regierung der CDU/CSU und der FDP, geschehen ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie sagen, wir hätten nach dem 11. September die Steu-
    ern erhöht; das ist richtig. Ich frage Sie jetzt, ob Sie sich
    noch an den Golfkrieg erinnern können.


    (Jörg Tauss [SPD]: Kann er nicht!)

    Wer hat denn damals eine Erhöhung der Mineralölsteuer
    um 20 Pfennige beschlossen? War das Rot-Grün oder wa-
    ren das nicht auch Sie und der Freistaat Bayern? Auf die-
    ser Ebene möchte ich die Klingen jetzt aber nicht kreuzen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie tun es!)


    Für mich ist etwas anderes entscheidend: Wir müssen
    jetzt nicht nur eine große solidarische Anstrengung er-
    bringen, sondern wir müssen jetzt auch die Vernunft wieder
    einschalten. Wir müssen erkennen, dass es einen Zusam-
    menhang mit der Tatsache gibt, dass wir das Weltklima
    verändern.

    Auf einer Pressekonferenz hat Professor Jäger heute
    ein sehr gutes Beispiel gebracht. Er hat gesagt, dass es
    keine Möglichkeit gibt, den Lungenkrebs direkt und un-
    mittelbar, sozusagen monokausal, mit dem Rauchen in
    Verbindung zu bringen. Dennoch gibt es die Gewissheit,
    dass Rauchen die Gefahr für Lungenkrebs um Faktoren
    wahrscheinlicher macht als das Nichtrauchen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Genau damit haben wir es auch bei den CO2-Emissionenund bei der Klimakatastrophe zu tun.

    Meine Damen und Herren, deswegen müssen wir an
    morgen und übermorgen denken. Sie haben gesagt, dass

    zwei Drittel der CO2-Reduktionen unter der Regierungvon Helmut Kohl vorgenommen worden sind. Ich kann
    Ihnen nur sagen: Das nehme ich gerne entgegen. Sie ha-
    ben zwei Drittel in 16 Jahren reduziert, wir haben ein Drit-
    tel in vier Jahren reduziert. Es reicht eine einfache Grund-
    rechenart, um sich vorstellen zu können, was es für den
    Klimaschutz bedeuten würde, wenn Sie wieder an die Re-
    gierung kämen, und was es für den Klimaschutz hieße,
    wenn wir weitermachen könnten. Ein besseres Argument
    kann ich gar nicht finden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: In sechs Jahren!)


    Herr Stoiber, ich weiß nicht, wer Ihnen das aufgeschrie-
    ben hat. Sie kommen jetzt mit 100 Millionen Euro für die
    Altbausanierung. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir mobili-
    sieren mit einer Milliarde Euro ein Kreditvolumen von
    5 Milliarden Euro und ein Investitionsvolumen zwischen
    10 und 20 Milliarden Euro; das ist die Realität von heute.
    Die sinkenden Emissionen – gerade auch im Haushalts-
    bereich – wurden exakt dadurch erreicht. Hinzu kommen
    noch 0,5 Milliarden Euro aus dem Marktanreizprogramm,
    also aus der Ökosteuer. Wenn Sie diese abschaffen, be-
    kommen Sie nicht nur das Problem, dass Sie Staatsmittel
    in Höhe von 16 Milliarden Euro zuführen müssen, um die
    Rentenversicherungsbeiträge niedrig zu halten, sondern
    Sie bekommen auch ein Problem im Zusammenhang mit
    den Emissionen. Sie warten hier mit lediglich 100 Millio-
    nen Euro auf.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Und das ist kein Wahlkampf?)


    – Nein. Mir geht es hier nicht um Wahlkampf,

    (Lachen bei der CDU/CSU)


    sondern um das Werben darum, dass wir die Konsequen-
    zen ziehen und dass wir eine Politik, die auf Vernunft setzt
    und die an das Morgen und Übermorgen denkt, im Inte-
    resse der künftigen Generationen fortführen können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie sagen, die Ökosteuer habe nicht gewirkt. Ich muss
    Ihnen hier in aller Sachlichkeit widersprechen. Schauen
    wir uns doch die entscheidenden Lenkungsfragen an. Die
    erste Frage lautet: Hat die Ökosteuer bei den verkehrs-
    spezifischen Schadstoffemissionen eine Lenkungswir-
    kung gehabt? Herr Ministerpräsident, ich sage Ihnen,
    dass Sie schlicht und einfach falsch informiert sind. In den
    Jahren 2000 und 2001 gab es zum ersten Mal überhaupt
    einen Rückgang der verkehrsspezifischen Schadstoff-
    emissionen, vor allem auch der klimarelevanten Spuren-
    gase. Das ist eine der erwünschten Lenkungswirkungen
    der Ökosteuer.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der zweite Punkt, den ich in dem Zusammenhang an-
    spreche, lautet: Hat sie beim spezifischen Kraftstoffver-
    brauch reduzierend gewirkt? Auch hier ist die Antwort
    eindeutig, nämlich Ja.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
    Bundesminister Joseph Fischer
    25438


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Die dritte Frage lautet, ob sie das Verbraucherverhalten
    bei Neuanschaffungen von PKWs in die richtige Rich-
    tung, nämlich in ein umweltverträglicheres und umwelt-
    verantwortlicheres Handeln, gelenkt hat. Die Antwort
    lautet auch hier wiederum eindeutig Ja.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Denn wenn es um Neuzulassungen geht, steht bei der
    Konsumentenentscheidung heute der niedrige Kraftstoff-
    verbrauch an erster Stelle.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich kann Ihnen nur sagen: Sie sollten die Ideologie
    an dem Punkt wirklich hintanstellen. Sie sind mittlerwei-
    le von einem – ich sage es einmal so; denn davon verste-
    hen wir Grüne viel – Anti-Ökosteuer-Fundi eher zu einem
    Realo geworden; denn Sie haben erkannt, dass Ihnen
    16 Milliarden Euro fehlen würden. Wenn Sie allein nur
    die nächste Stufe nicht einführen würden,


    (Joachim Poß [SPD]: Hat er lange für gebraucht! – Ludwig Stiegler [SPD]: Er hat keine Chance!)


    würde das eine Erhöhung der Rentenversicherungs-
    beiträge um 0,2 Prozentpunkte bedeuten. Aber Sie werden
    nicht in die Lage kommen, diese Entscheidung treffen zu
    müssen. Mit der Politik, die Sie vorgestellt haben, wird es
    keine Mehrheit geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was wir
    hier beschlossen haben und was die Union abgelehnt hat.
    Ich will Ihnen sagen, was wir in den vier Jahren für den
    Klimaschutz gemacht haben. Beim Erneuerbare-Ener-
    gien-Gesetz war die CDU/CSU dagegen, die FDP auch.
    Der Steuerbefreiung von Biotreibstoffen haben Sie zuge-
    stimmt, die FDP war tapfer dagegen. Der Biomassever-
    ordnung haben Sie zugestimmt, die FDP war tapfer dage-
    gen. Beim Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz waren Sie
    dagegen, die FDP auch. Bei der ökologischen Steuerre-
    form waren Sie mit fundamentalistischem Eifer dagegen,
    die FDP auch. Energieeinsparverordnung: dagegen; Ein-
    richtung der Deutschen Energie-Agentur: dagegen; wirk-
    same Ausgestaltung des Emissionshandels: dagegen;
    LKW-Maut: dagegen; massive Steigerungen der Bahn-
    investitionen: dagegen; Verwendung der Einnahmen der
    LKW-Maut auch für den Schienenverkehr: dagegen;
    Grundsatzbeschluss des Deutschen Bundestages zu einer
    naturverträglichen Binnenschifffahrt: dagegen.

    Uns würde schon interessieren, ob durch Ihr Bekennt-
    nis zu Konsequenzen aus dieser Katastrophe und für ei-
    nen vorsorgenden Klima- und Gewässerschutz endlich
    auch bei der Staatsregierung in Bayern Vernunft einzieht
    und der Ausbau des letzten freifließenden Stücks der Do-
    nau tatsächlich unterlassen wird. Das wäre ein konkreter
    Beitrag.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Ich erwähne das alles, weil wir eine vorsorgende Po-
    litik betreiben müssen. Wir werden in 50 Jahren 9 Milli-
    arden Menschen sein. 20 Prozent der Menschheit sind es,
    die schon heute das Klima aus dem Gleichgewicht ge-
    bracht haben. Wenn 20 Prozent hinzukommen, dann ist es
    immer noch nicht die Hälfte der Menschheit, die an den
    Segnungen des Fortschritts teilnimmt. Wir werden unse-
    ren Kindern und Kindeskindern – das ist eine der Lektio-
    nen aus den Ereignissen vom 11. September – eine un-
    friedliche Welt hinterlassen, wenn wir uns nicht für eine
    gerechtere Gestaltung der Globalisierung und für eine ge-
    rechtere Verteilung der Lebenschancen einsetzen. Das be-
    deutet auch Ressourcengerechtigkeit.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Das heißt aber auch, dass die Hauptverursacher um-
    steigen müssen. Gerade die erneuerbaren Energieträ-
    ger zeigen in den neuen Bundesländern an erster Stelle:
    Wir haben das Know-how und den Fleiß der Facharbeiter
    sowie die Intelligenz der Ingenieure. Wir können doch
    heute die Technologie und die Produkte entwickeln – das
    haben wir mit dem Ausstieg aus der Atomenergie und dem
    Einstieg in die erneuerbaren Energieträger bewiesen –,
    die 9 Milliarden Menschen in der Tat eine umweltver-
    trägliche Zukunft geben können. Damit sichern wir vor al-
    len Dingen auch unsere eigenen Arbeitsplätze und unse-
    ren Anteil am Wohlstand.

    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Mi-
nisterpräsidenten des Freistaates Sachsen, Herrn
Milbradt, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte
    gerne zu dem eigentlichen Tagesordnungspunkt von heute
    zurückkehren, nämlich zu der Frage des Flutopfersolida-
    ritätsgesetzes.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP])


    Wir haben in Sachsen 18 schreckliche Tage hinter uns.
    Vor nicht einmal drei Wochen erreichten mich am Mittag
    des 12. August beunruhigende Nachrichten. Der mittlere
    Erzgebirgskreis hatte nach stundenlangen schweren Re-
    genfällen und der Überflutung von Ortschaften an der
    böhmischen Grenze Katastrophenalarm ausgelöst. 16 wei-
    tere Kreise sollten in schneller Folge folgen. Liebliche
    Gebirgsbäche hatten sich in gewaltige Sturzfluten ver-
    wandelt. Die Weißeritz, von der hier schon mehrmals die
    Rede war, ein kleines Flüsschen, das in Dresden in die
    Elbe mündet, führte so viel Wasser wie normalerweise die
    Elbe im Sommer. Man muss sich das vorstellen: Eine sol-
    che Wassermenge donnerte durch das Tal.

    Die Mulde, ein im Unterlauf eigentlich träger Fluss,
    vernichtete in den Zentren der Mittelstädte Döbeln,

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
    Bundesminister Joseph Fischer

    25439


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Grimma und Eilenburg in wenigen Stunden das Werk der
    vergangenen zwölf Jahre. Gespeist durch verheerende
    Regengüsse im Böhmerwald, also nicht in Deutschland,
    weitergeleitet durch die Moldau, stieg in den folgenden
    Tagen der Pegel der Elbe immer bedrohlicher, bis er
    schließlich 9,40 Meter in Dresden, den höchsten Stand
    seit tausend Jahren, erreichte.

    Bei Torgau – auch das ist vielleicht interessant; denn
    immer wieder erhalten wir von einigen Leuten auf den
    Rhein bezogene Ratschläge – war die Elbe 15 Kilometer
    breit. Insoweit hatte sie also offensichtlich genug Mög-
    lichkeiten, sich auszudehnen. Allerdings waren bei dieser
    hohen Pegelmarke auch dort Zerstörungen unvermeid-
    lich.

    Wir betrauern 21 Tote. Noch immer sind einige Men-
    schen nicht wieder aufgetaucht, sodass wir damit rechnen
    müssen, dass die Zahl der Toten noch steigt. Wir trauern
    mit den Angehörigen.

    Die ungebändigten Wassermassen verwüsteten allein
    in Sachsen 20000 bis 30000 Häuser, 4 000Autos, 740 Ki-
    lometer Straße und 538 Kilometer Eisenbahn. 180 Brücken
    existieren nicht mehr oder sind unbenutzbar geworden.
    Schulen, Alteneinrichtungen und eine Fakultät der Tech-
    nischen Universität Dresden, Strom- und Gas-, Wasser-
    und Abwasserleitungen sind weggerissen oder schwer
    beschädigt worden. Wertvolle Kulturdenkmäler von euro-
    päischem Rang standen tagelang unter Wasser. 10 000 vor-
    wiegend kleine und mittlere Betriebe erlitten erhebliche
    Schäden. 40 000 Arbeitsplätze sind dadurch tangiert und
    teilweise gefährdet.

    Hohe Schäden hat auch unser Nachbarland Sachsen-
    Anhalt erlitten.

    Die exakte Schadenssumme kennen wir alle noch
    nicht. Dafür ist es noch zu früh. Aber allein für Sachsen
    rechnen wir mit einem Schaden von bis zu 15 Milliarden
    Euro. Das entspricht dem Volumen unseres Landeshaus-
    haltes. Aus Sachsen-Anhalt hören wir Zahlen von 6 bis
    8 Milliarden Euro.

    Das ist die Bilanz der schrecklichsten Naturkatastro-
    phe, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt
    hat. Nur zum Vergleich: Bei der großen Flutkatastrophe in
    Hamburg betrugen die Schäden 400 Millionen DM.
    Natürlich muss man das umrechnen; die Werte haben sich
    verändert. Das soll nur deutlich machen, mit welchen Di-
    mensionen wir es heute zu tun haben. Diese Flutkatastro-
    phe – da bin ich mir sicher – hat unser Land, hat Sachsen
    und ganz Deutschland verändert.

    Wir sind aber nicht nur von einer Welle der Vernich-
    tung heimgesucht worden, sondern auch durch eine Woge
    der Hilfsbereitschaft zusammengewachsen. Der Satz
    „Wir sind ein Volk“ hat neue Bedeutung erhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Aus allen Teilen des Landes kamen freiwillig Jung und
    Alt, fragten nicht lange und packten mit an. Feuerwehren,
    Hilfsorganisationen und Polizeien aus allen deutschen
    Ländern sowie der Bundesgrenzschutz, die Bundeswehr

    und das THW haben uns in Sachsen und unsere Nachbar-
    länder in ihrer großen Not unterstützt. Für diese enorme
    Anstrengung bedanke ich mich bei allen Helfern, die,
    ohne zu fragen, dazu beigetragen haben, Schlimmeres zu
    verhindern. Denn es hätte noch schlimmer kommen kön-
    nen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    Meine Damen und Herren, diese Hilfe, diese überwäl-
    tigende Mitmenschlichkeit werden wir in Sachsen nie-
    mals vergessen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie können sicher sein: Sollte einmal an Mosel oder Rhein
    Vergleichbares geschehen, dann werden die Sachsen die
    Ersten sein, die helfen; denn sie kennen das Problem.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Mein Dank richtet sich auch an den Bund. Der Bun-
    deskanzler hat bei seinem Besuch in Grimma klar ge-
    macht, dass es sich bei der Bewältigung der Schäden um
    eine nationale Aufgabe handelt. Ebenso wie der Minis-
    terpräsident unseres Partnerlandes Bayern, Edmund
    Stoiber, haben sich der Bundeskanzler und eine Reihe von
    Kabinettsmitgliedern vor Ort ein Bild von der Lage ge-
    macht und uns Unterstützung zugesagt. Ich danke auch
    dem Bundespräsidenten und dem Präsidenten der Euro-
    päischen Kommission für ihren Besuch und ihre Soli-
    darität. Alle diese Besuche haben uns Mut gemacht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Große Sorgen machen uns jetzt die Wirtschaft, die klei-
    nen und mittelständischen Betriebe, die Ladenbesitzer,
    die Handwerker, unser noch kleiner Mittelstand, dessen
    Existenz in den Flutgebieten bedroht ist.

    Ich habe mich bei meinen vielen Besuchen in den Ka-
    tastrophengebieten davon überzeugt: Unser Mittelstand
    ist trotz großer Schäden bereit, weiterzumachen, neu an-
    zufangen, wenn wir ihm dabei helfen. Ähnliches gilt für
    die geschädigten privaten Hausbesitzer. Deswegen sind
    jetzt Taten gefragt. Ich bin froh, dass das Flutopfersolida-
    ritätsgesetz schnell verabschiedet wird, damit ein Rahmen
    für die Hilfsprogramme geschaffen wird, bevor die letz-
    ten Aufräumarbeiten beendet sind.

    Ich will deutlich sagen: Die Frage, wie dieser Fonds
    gespeist wird, beantworten wir mit der nächsten Bundes-
    tagswahl. Heute haben wir darüber zu entscheiden, wie
    dieser Fonds verwandt wird. Dazu möchte ich einige Aus-
    führungen sagen: Ich bin sicher, dass die Solidarität auch
    nach dem 22. September anhält und nicht von anderen
    Motiven geleitet ist.

    Noch ein Wort an Bundeswirtschaftsminister Müller:
    Herr Kollege Müller, Sie haben uns vorgeworfen, Hilfs-
    zahlungen zu verschleppen und Geld auf unseren Konten
    einfrieren zu wollen. Ich habe die Angelegenheit über-
    prüft und kann Ihnen versichern, dass Sie offensichtlich

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. August 2002
    Ministerpräsident Dr. Georg Milbradt (Sachsen)

    25440


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    einer Fehlinformation aufgesessen sind. Wir wickeln das
    15000-Euro-Programm, ein Bund-Länder-Programm, zu-
    sammen mit unserem eigenen, schon vorher beschlosse-
    nen Landesprogramm in einem Verfahren ab. Geld wird
    ausgezahlt. Die Verwaltungsvereinbarung haben wir ges-
    tern Abend erhalten. Wir schicken sie Ihnen heute unter-
    schrieben zurück. Bundesgeld ist bis heute elf Uhr noch
    nicht auf unseren Konten.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich aber schon
    nach der Kontonummer erkundigt; deswegen bin ich si-
    cher, dass das Geld auch kommt.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

    Ich weiß, dass bei allen Beteiligten die Nerven blank

    liegen, und hoffe, dass das der Grund der Aufregung ist
    und nicht der Wahlkampf, zumal die beiden beteiligten
    Wirtschaftsminister parteilos sind.

    Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass 15 000 Euro
    pro Betrieb zwar eine erste Hilfe sind, aber keine Lösung
    für ein Unternehmen, das eine beträchtliche Investition
    über Kredit finanziert hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Lösungen sind wichtiger und ich glaube, Kollege Müller,
    Sie sind damit einverstanden; allerdings sind sie schwie-
    riger als Pauschalzahlungen. Überlegungen und Abspra-
    chen gibt es. Jetzt müssen sie in ein Regelwerk umgesetzt
    werden. Ich will ganz deutlich sagen: Gerade in der Wirt-
    schaft brauchen wir keinen Aktionismus; vielmehr sind
    klare Köpfe gefragt, die auch rechnen können.

    Lassen Sie mich eine Bemerkung zu den Banken ma-
    chen. Die betroffenen Banken sind nicht die national und
    international tätigen großen Kreditinstitute, sondern zu
    mehr als 90 Prozent die örtlichen Sparkassen und die ört-
    lichen Volksbanken.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Nach einer Pleite im Mittelstand können wir uns nicht
    auch noch eine Pleite der regionalen Banken erlauben,
    denn das würde den Aufbau in anderen Teilen gefährden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich hoffe, dass es uns allen gemeinsam gelingt, eine ver-
    nünftige Lösung zu finden, was natürlich bedeutet, dass
    öffentliche Mittel in erheblichem Maße mobilisiert wer-
    den müssen.

    Sachsen braucht die Hilfe des Bundes und der Länder
    mehr als je zuvor – ich spreche hier auch im Namen mei-
    nes Kollegen Wolfgang Böhmer –, denn gemeinsam mit
    Sachsen-Anhalt sind bei uns die mit Abstand schwersten
    Schäden entstanden. Ich bin froh, dass Brandenburg,
    Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Nie-
    dersachsen mit einem blauen – um nicht zu sagen: mit
    einem dunkelblauen – Auge davongekommen sind. Nie-
    mand weiß zurzeit, inwieweit der Umfang des Solida-
    ritätsfonds die Höhe der Schäden abdeckt. Eines steht
    aber fest: Die Schäden werden sich nicht der Höhe der ge-
    rade verfügbaren Mittel anpassen. Die Zerstörungskraft

    einer Flutkatastrophe richtet sich nicht danach, welche
    Einnahmemöglichkeiten sich gerade ergeben und wie ge-
    mäß unserer Verfassung die Steueraufkommen zwischen
    Bund und Ländern normalerweise verteilt werden.

    Der Bundeskanzler hat erklärt: Keinem wird es nach
    der Katastrophe schlechter gehen als zuvor. Nach unseren
    Informationen stehen für die betroffenen Privathaushalte
    und Unternehmen nach den Plänen der Bundesregierung
    rund 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine ge-
    waltige Summe. Allerdings besagen die Schadenschät-
    zungen, dass im Freistaat Sachsen bis zu 4 Milliarden
    Euro Schaden allein im Bereich der Wirtschaft zu ver-
    zeichnen sind. Ich will es einmal ganz vorsichtig formu-
    lieren: Hier kann sich eine Lücke auftun. Auch darüber
    müssen wir nicht heute, aber zu gegebener Zeit reden.

    Wir werden sorgfältig darauf achten, dass der Bund zur
    Begleichung seiner eigenen Schäden zunächst die an-
    gekündigte Umschichtung im Verkehrsetat nutzt und erst
    dann auf den Fonds zurückgreift und nicht umgekehrt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei der Beseitigung der Schäden müssen alle Staats-

    ebenen gleichmäßig berücksichtigt werden: Bund, Länder
    und Gemeinden. Die Schadenshöhe und nicht die Steuer-
    verteilung nach dem Grundgesetz ist ein Indikator für die
    Höhe der Hilfe, die wir bekommen. Erst wenn alle betrof-
    fenen Länder eine verlässliche Aufstellung über die Schä-
    den nach einheitlichen Kriterien vorgelegt haben, kann
    über einen endgültigen vertikalen, aber auch horizontalen
    Verteilungsschlüssel sinnvoll entschieden werden.

    Wir brauchen dringend eine Verbreiterung und Neu-
    ausrichtung bestehender Programme, aber auch ganz
    neue, speziell auf diese Situation zugeschnittene Förder-
    programme. Die bisherigen Vorschläge sind gut. Sie
    können aber nur eine erste Antwort sein; denn wir brau-
    chen genügend Flexibilität, um die notwendige Pass-
    genauigkeit zu bekommen. Ich könnte Ihnen eine ganze
    Reihe von Schadensfällen nennen, die bisher nicht unter
    die Kategorien des Programmes fallen. Ich bin mir aber
    sicher, dass es uns gelingen wird, auch hierfür eine Lö-
    sung zu finden.