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    Gedenkworte für die Opfer der Flugzeug- katastrophe über dem Bodensee am 1. Juli 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25017 A Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25017 B Erweiterung und Änderung der Tagesordnung 25017 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 3 c, 18 a und 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25019 C Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler: Zur Lage derWirtschaft in Deutschland . . . . . 25019 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum optima- len Fördern und Fordern in Vermitt- lungsagenturen (OFFENSIV-Gesetz) (Drucksachen 14/8365, 14/9416) . . . . 25019 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Karl- Josef Laumann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Beschäftigung älterer Arbeitnehmer durch Qualifizie- rung sichern – drohendem Ar- beitskräftemangel vorbeugen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Beschäftigung ältererArbeitnehmer fördern und Einstellungshindernisse abbauen (Drucksachen 14/5139, 14/5579, 14/9349) 25020 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Johannes Singhammer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die Aus- wirkungen der demographischen Entwicklung auf die sozialen Siche- rungssysteme öffentlich machen (Drucksachen 14/4645, 14/8927) . . . . 25020 A f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Exis- tenzbedrohende Prüfungspraxis der Sozialversicherungsträger für kleine und mittelständische Be- triebe unterbinden – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Arbeit nicht durch übermäßige Sozial- versicherungsbeiträge teurer ma- chen (Drucksachen 14/7155, 14/7782, 14/8667) 25020 B Plenarprotokoll 14/248 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 248. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 I n h a l t : g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Peter Rauen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bündnis für Arbeit ge- scheitert – Reformen endlich umsetzen (Drucksachen 14/8041, 14/9348) . . . . 25020 B h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung zu dem Antrag der Abgeord- neten Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Arbeit- nehmer entlasten – Vorfahrt für Beschäftigung (Drucksachen 14/8366, 14/9388) . . . . 25020 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brandner, Franz Thönnes, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Chancen auf Arbeit für alle – Offensive in derArbeits- marktpolitik – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaet- zer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine grund- legend neue Organisation der Ar- beitsmarktpolitik (Drucksachen 14/9225, 14/8287, 14/9467) 25020 C j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Eva Bulling- Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Arbeitszeit- gesetz (ArbZG) beschäftigungs- sichernd reformieren – Überstunden abbauen (Drucksachen 14/6113, 14/9684) . . . . 25020 D k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für substanzielle Arbeits- marktreformen im Niedriglohn- sektor (Drucksachen 14/8143, 14/9415) . . . . 25020 D l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Monika Balt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Einführung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohns (Drucksachen 14/8921, 14/9564) . . . . . 25021 A m) Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Versiche- rungsfremde Leistungen aus der Ar- beitslosenversicherung herausneh- men – Beiträge senken (Drucksache 14/7453) . . . . . . . . . . . . . 25021 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Krise in der Sozialversi- cherung beseitigen – endlich die not- wendigen Reformen auf den Weg bringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für grundlegende Reformen der sozialen Sicherungs- systeme (Drucksachen 14/8268, 14/9245, 14/9565) 25021 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 25021 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25027 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25031 B Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . 25034 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 25037 C Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25038 D Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25043 D Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . 25045 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 25045 C Dr. Theodor Waigel CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25048 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25052 C Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25053 D Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25054 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 25057 C Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25059 D Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 25062 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002II Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25062 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 25064 B Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25064 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . 25065 B, 25068 A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25071 A, 25072 C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25065 B, 25068 A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25072 B, 25075 A Tagesordnungspunkt 5: Anträge der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: – Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitli- chen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit (Drucksache 14/9653) . . . . . . . . . . . . 25077 B – Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Sechste Ge- setz zur Änderung des Hochschul- rahmengesetzes (6. HRGÄndG) (Drucksache 14/9654) . . . . . . . . . . . . 25077 B – Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Gesetz zur Änderung des Berufsbildungsgeset- zes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (Drucksache 14/9655) . . . . . . . . . . . . 25077 D – Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das ... Straf- rechtsänderungsgesetz – § 129 b StGB (... StrÄndG) (Drucksache 14/9656) . . . . . . . . . . . . 25077 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 25078 A Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 25079 B Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25081 C Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25082 B Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 25083 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25084 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 25085 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . 25085 D, 25086 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25086 B, 25089 A Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Drucksache 14/9300) . . . . . . . . . . . . . . . 25097 A Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . . . . . . 25097 B Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . . . 25101 C Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . . . 25104 C Volker Neumann (Bramsche) SPD . . . . . . . . 25106 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25106 B Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25109 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25110 C Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 25113 C Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . 25115 C Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 25118 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25121 A Andrea Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25122 B Gabriele Fograscher SPD . . . . . . . . . . . . . . . 25124 D Dorothea Störr-Ritter CDU/CSU . . . . . . . . . 25126 D Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25129 A Tagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Günter Rexrodt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wieder- aufbau des Berliner Stadtschlosses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Histori- sche Mitte Berlin – zu dem Antrag der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Franziska Eichstädt-Bohlig, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Empfehlungen der Internationalen Expertenkommis- sion „Historische Mitte Berlin“ – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), weiterer Abgeordneter Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 III und der Fraktion der FDP: Wieder- herstellung der Historischen Mitte Berlins – zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Dr. Heinrich Fink, Roland Claus und der Fraktion der PDS: Arbeits- weise der Expertenkommission His- torische Mitte – zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Dr. Christa Luft, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Die Mitte der Spreeinsel als offenes Bür- gerforum gestalten – Empfehlungen der Expertenkommission öffentlich diskutieren (Drucksachen 14/1752, 14/3673, 14/9023, 14/9222, 14/9243, 14/4402, 14/9244, 14/9660) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25131 A Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 25131 D Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25134 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . 25134 C Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25135 D Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 25137 A Dr. Thomas Flierl, Senator (Berlin) . . . . . . . . 25138 C Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25139 C Wolfgang Thierse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 25140 B Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 25142 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25143 D Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 25144 D Petra Pau PDS (Erklärung nach § 31 GO) 25150 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . 25146 C, 25149 B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25146 D, 25198 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Antrag der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Für eine Deutsch-Russische Kulturstif- tung für kriegsbedingt verbrachte Kulturgüter (Drucksache 14/7611) . . . . . . . . . . . . . 25150 D b) Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Dr. Hermann Otto Solms weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine pragmatische Ge- staltung der Beziehungen zu Taiwan (Drucksache 14/9121) . . . . . . . . . . . . . 25151 A c) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gewalt in der Gesellschaft; Ursachen von Gewalt erkennen – friedliches Zusammenleben stärken (Drucksache 14/9673) . . . . . . . . . . . . . 25151 A d) Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Wertevermittlung, Erziehung und Gewaltprävention (Drucksache 14/9674) . . . . . . . . . . . . . 25151 A Tagesordnungspunkt 29: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherstellung einer Über- gangsregelung für die Umsatzbe- steuerung von Alt-Sportanlagen (Drucksachen 14/9543,14/9700) 25151 B – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Übergangs- regelung für die Umsatzbesteue- rung von Alt-Sportanlagen (Drucksachen 14/9325, 14/9469 Nr. 1.1, 14/9700) . . . . . . . . . . . . . . 25151 C b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 25. Juni 2001 zur Gründung ei- ner Assoziation zwischen den Euro- päischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Arabischen Republik Ägypten ande- rerseits (Drucksachen 14/9199, 14/9598) . . . . 25151 D c) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Januar 1992 zum Schutz des archäologischen Erbes (Drucksachen 14/8710, 14/9597) . . . . 25152 A d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Sabine Jünger, weiteren Abgeordneten und der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002IV Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylverfahrensgesetzes und an- derer Vorschriften (Drucksachen 14/6129, 14/9301) . . . . 25152 B e) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Ostrowski, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der PDS einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulage- gesetzes 1999 (Drucksachen 14/8549, 14/9346) . . . . 25152 C f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der PDS ein- gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Altschul- denhilfe-Gesetzes (Drittes Altschulden- hilfeänderungsgesetz – 3. AHÄndG) (Drucksachen 14/8078, 14/9385) . . . . 25152 C g) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Christine Lambrecht, Lothar Mark und weiterer Abgeordneter: Völlige Freigabe des Viernheimer/Käfertaler/Lamperthei- mer Waldes von der verbliebenen militärischen Nutzung (Drucksachen 14/7764, 14/9688) . . . . 25152 D h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Spanier, Hans-Günter Bruckmann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Albert Schmidt (Hitzhofen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Die nachhal- tige Stadt- und Wohnungspolitik wei- ter vorantreiben (Drucksachen 14/9355, 14/9649) . . . . 25153 A i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Verord- nung über die Entsorgung von Alt- holz (Drucksachen 14/9506, 14/9637 Nr. 2.1, 14/9697) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25153 B j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: 22. Ver- ordnung zur Durchführung des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft – 22. BImSchV) (Drucksachen 14/9404, 14/9469 Nr. 2.1, 14/9622) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25153 B k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Verord- nung über den Versatz von Abfällen unter Tage und zur Änderung von Vorschriften zum Abfallverzeichnis (Drucksachen 14/9579, 14/9637 Nr. 2.2, 14/9686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25153 C l) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Umsetzung der EU-Luftqualitäts- richtlinien in nationales Recht (Drucksache 14/6624) . . . . . . . . . . . . 25153 D m) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über alternative Kraftstoffe für den Straßenverkehr und ein Bündel von Maßnahmen zur Förderung der Ver- wendung von Biokraftstoffen Vorschlag für eine Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments und des Ra- tes zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen Vorschlag für eine Richtlinie des Ra- tes zur Änderung der Richtlinie 92/81/EWG bezüglich der Möglich- keit, auf bestimmte Biokraftstoffe und Biokraftstoffe enthaltende Mi- neralöle einen ermäßigten Verbrau- chersteuersatz anzuwenden (Drucksachen 14/8428 Nr. 2.13, 14/9615) 25153 D n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Helmut Heiderich, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Weiterentwick- lung einer Biotechnologiestrategie für den Forschungs- und Wirt- schaftsstandort Deutschland – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Mitteilung derKommission an den Rat, das Europäische Parlament, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 V den Wirtschafts- und Sozialaus- schuss und den Ausschuss der Re- gionen: Biowissenschaften und Biotech- nologie – Eine Strategie für Eu- ropa (Drucksachen 14/9102, 14/8832 Nr. 2.17, 14/9675) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25154 A o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Vorsorgepolitik für gesundheitsverträglichen Mo- bilfunk – zu dem Antrag der Abgeordneten Ilse Aigner, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mobilfunkforschung und Infor- mation vorantreiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerhard Jüttemann, Eva Bulling- Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Mobil- funkstrahlung minimieren – Vor- sorge stärken (Drucksachen 14/8584, 14/7286, 14/7120, 14/9144) . . . . . . . . . . . . . . . . 25154 C p) – Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine kohärente deutsche Außenpolitik (Drucksache 14/9552) . . . . . . . . . . 25155 A – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Hans-Ulrich Klose, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Christian Sterzing, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN zu der Ab- gabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur Lage im Nahen Osten (Drucksachen 14/8879, 14/9451) 25155 A – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Dr. Helmut Haussmann, Günther Friedrich Nolting, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Abgabe einer Regie- rungserklärung durch den Bundes- kanzler zur Lage im Nahen Osten (Drucksachen 14/8904, 14/9454) 25155 B – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Rühe, Karl Lamers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Eine deutliche ge- meinsame europäische Position für eine gerechte Friedenslösung im Nahen Osten (Drucksachen 14/8862, 14/9452) 25155 B q) – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Partnerschaftliche Bezie- hungen zu Lateinamerika festigen und ausbauen (Drucksachen 14/8558, 14/9453) 25155 D – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Intensivierung der Bezie- hungen zwischen der Europä- ischen Union, Lateinamerika und der Karibik (Drucksachen 14/9051, 14/9455) 25156 A r) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Carsten Hübner, Eva Bulling- Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Reform der Hermesbürgschaften nach ökologi- schen, sozialen und entwicklungs- politischen Kriterien (Drucksachen 14/6373, 14/7714) . . . . 25156 B s) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Fred Gebhardt, Heidi Lippmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der PDS: Aus- schluss des Eintritts Minderjähriger in die Bundeswehr (Drucksachen 14/551, 14/1295) . . . . . 25156 B t) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002VI Petra Pau, Dr. Ruth Fuchs und der Frak- tion der PDS: Entkriminalisierung des Gebrauchs bislang illegaler Rauschmittel, Legalisierung von Cannabisprodukten, kontrollierte Abgabe so genannter harter Drogen (Drucksachen 14/1695, 14/9267) . . . . 25156 C u) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Marktwirt- schaftliche Reorganisation der deut- schen Abfallwirtschaft (Drucksachen 14/5676, 14/8410) . . . . 25156 D v) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Winfried Wolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Verhinderung erneuter Gewäs- serverunreinigungen durch das Total- herbizid Diuron (Drucksachen 14/4710, 14/5620) . . . . 25156 D w) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN : Reform der Ge- meindefinanzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Einset- zung einer Kommission zur Re- form der Gemeindefinanzen durch die Bundesregierung – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Peter Götz, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gewerbesteuer- umlage auf die vor dem Steuersen- kungsgesetz maßgeblichen Werte senken – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerhard Schüßler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gemein- definanzen reformieren – Gewer- besteuer abschaffen – Finanz- kraft der Gemeinden stärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zu- rücknehmen (Drucksachen 14/8025, 14/7442, 14/7787, 14/7326, 14/7993, 14/9662) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25157 A x) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP: Lang- fristige Sicherung der Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegs- gräberfürsorge e. V. (Drucksache 14/9681) . . . . . . . . . . 25157 D y) Beschlussempfehlung des Rechts- ausschusses: Übersicht 12 a über die dem Deutschen Bundestag zu- geleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 14/9599) . . . . . . . . . . 25157 D z) Beschlussempfehlungen des Peti- tionsausschusses Sammelüber- sichten 407, 408, 409, 410, 411, 413, 414, 415 zu Petitionen (Drucksachen 14/9571, 14/9572, 14/9573, 14/9574, 14/9575, 14/9576, 14/9577, 149578) . . . . . . . . . . . . . . 25158 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratung ohne Aus- sprache (Ergänzung zu TOP 29) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkom- men über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Krimi- nalität zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen vom 23. Februar 2001 und zwischen der Re- gierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Republik Slowenien vom 2. März 2001 (Organi- sierte Kriminalität (OK)-Zusam- menarbeitsgesetz) (Drucksachen 14/8199, 14/9685) . . . . 25158 C b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Siche- rung einer angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Kran- kenversicherung (Drucksachen 14/8400, 14/9704) . . . . 25159 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 VII c) Antrag der Abgeordneten Heinz Schmitt (Berg), Arne Fuhrmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Hans- Josef Fell, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Altern ganzheitlich in der Forschung betrachten (Drucksache 14/9668) . . . . . . . . . . . . . 25159 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung der Alte- rungsforschung – zu dem Antrag des Antrags der Ab- geordneten Dr. Sabine Bergmann- Pohl, Bärbel Sothmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Dringender Hand- lungsbedarf in derAltersforschung (Drucksachen 14/5464, 14/8105, 14/9708) 25159 B e) Antrag der Abgeordneten Renate Gradistanac, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Klaus Brähmig, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abgeordneten Klaus Haupt, Ina Lenke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Durchführung des Bundeswettbewerbes „Ferien für Familien, in denen Angehörige mit Behinderung leben“ (Drucksache 14/9669) . . . . . . . . . . . . . 25159 C f) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Kurzfristige, nationale Strategien in derVerbraucherpolitik unzureichend (Drucksache 14/9553) . . . . . . . . . . . . . 25159 D g) Antrag der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel, Eike Maria Hovermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Monika Knoche, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 25 Jahre Psychiatrie- reform – Verstetigung und Fortent- wicklung (Drucksache 14/9555) . . . . . . . . . . . . . 25160 A h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Sucht wirksam bekämpfen – Prävention, Therapie und Lebenshilfe stärken (Drucksachen 14/9049, 14/9705) 25160 A i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Für ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Versorgung bei Brustkrebs (Drucksachen 14/9099, 14/9706) . . . . 25160 B j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Pia Maier, Roland Claus und der Fraktion der PDS: Erhalt des ICE-Schienen- knotens Mannheim – flächenhafter Ausbau der Bahn mit Stärkung des ICE-Knotens Mannheim und Ein- bindung von Darmstadt und Heidel- berg in den Schienenpersonenver- kehr (Drucksachen 14/9546, 14/9680) . . . . 25160 C k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- nität und Geschäftsordnung: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages; hier: Beschluss des Deut- schen Bundestages betr. Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages (Anlage 6 zur GO-BT) (Drucksache 14/9659) . . . . . . . . . . . . . 25160 C l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Bericht über die Le- benssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland – Elfter Kinder- und Jugendbe- richt – mit der Stellungnahme der Bundesregierung – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Klaus Haupt, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Lebenssituation jungerMenschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002VIII – Elfter Kinder- und Jugendbe- richt – mit der Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksachen 14/8181, 14/8383, 14/9624) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25160 D m) – s) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 416, 417, 418, 419, 420, 421, 422 zu Peti- tionen (Drucksachen 14/9689, 14/9690, 14/9691, 14/9692, 14/9693, 14/9694, 14/9695) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25161 B Tagesordnungspunkt 4: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Nationaler Bildungsbericht und Einrichtung eines gemeinsamen Sachverständigenrates von Bund und Ländern – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Vorlage eines nationalen Bildungsberichtes – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Thomas Rachel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Neuer Aufbruch im Bildungswesen (Drucksache 14/9269, 14/7078, 14/9215, 14/9665) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25162 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Naturwissenschaftlicher Wettbewerb an deutschen Schulen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ökonomische Kompo- nente in der Lehrerausbildung entschieden ausbauen (Drucksachen 14/4270, 14/4271, 14/7486) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25162 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Christian Simmert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bildung ist Zukunft – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine neue Bildung in Deutschland – Konse- quenzen aus der PISA-Studie (Drucksachen 14/9272, 14/9257, 14/9707) 25162 B Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25162 D Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25164 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25166 C Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25168 B Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 25170 A Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25170 D Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25171 D Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 25173 A Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . 25175 A Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 25175 B Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25176 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25176 D Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25177 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25177 B Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 IX Dr. Antje Vollmer, Grietje Bettin, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Nationale Verantwortung des Bundes für Kunst und Kultur stärken (Drucksache 14/9098) . . . . . . . . . . . . . 25178 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Systematisierung der Kulturförderung von Bund und Län- dern (Drucksache 14/8736) . . . . . . . . . . . . . 25178 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kulturföderalismus in Deutschland erhalten (Drucksachen 14/4911 (neu), 14/7702) 25178 C Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 25178 D Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 25180 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25182 C Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 25183 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Gustav Herzog, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Qua- litätsoffensive im öffentlichen Personen- verkehr – Verbraucherschutz und Kun- denrechte stärken (Drucksache 14/9671) . . . . . . . . . . . . . . . 25184 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Verbraucherschutz im Bereich des öffentlichen Personen- verkehrs noch immer unzureichend (Drucksachen 14/8853, 14/9696) . . . . . . . 25185 A Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Großen Anfrage der Abgeord- neten Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Daseinsvorsorge in der sozialen Marktwirtschaft (Drucksachen 14/5192, 14/6249) . . . . . . . 25185 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25185 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 25186 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25188 D Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 25189 D Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 25191 A Tagesordnungspunkt 11: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Stärkung von Prävention und Gesundheitsför- derung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulf Fink, Wolfgang Lohmann (Lü- denscheid), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Prävention umfassend stärken (Drucksachen 14/9224, 14/9085, 14/9701) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25192 C b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Zuschusses zu ambulanten medizinischen Vorsorge- leistungen (Drucksachen 14/9357, 14/9702) . . . . 25192 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Für eine leistungsfähige und bezahlbare Gesundheitsversorgung (Drucksachen 14/9054, 14/9703) . . . . . . . 25192 D Tagesordnungspunkt 12: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Meckel, Eckhardt Barthel (Ber- lin), weiterer Abgeordneter und der Frak- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002X tion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zentrum gegen Vertreibungen – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Für ein europäisches Zentrum gegen Vertrei- bungen (Drucksache 14/9033, 14/8594 (neu), 14/9068, 14/9661) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25193 C Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Monika Griefahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Grietje Bettin, Dr. Antje Vollmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Reform derMedien- und Kommunikati- onsordnung für die Wissens- und Infor- mationsgesellschaft verwirklichen (Drucksachen 14/8649, 14/9664) . . . . . . . 25194 A Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Christel Riemann-Hanewinckel, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Rechtsanspruch auf Beratung im Mutterpass zusätzlich festschreiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Wolfgang Bosbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Vermeidung von Spätabtreibungen – Hilfen für Eltern und Kinder (Drucksachen 14/9030, 14/6635, 14/9494) 25194 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Dritte Beratung des von den Fraktionen des SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Drucksachen 14/9219, 14/9650, 14/9591) 25194 D Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Daten- schutz: Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Bundesbeauftragten für den Daten- schutz – 18. Tätigkeitsbericht – (Drucksachen 14/5555, 14/8829 Nr. 1.1, 14/9490) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25195 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Monika Griefahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Grietje Bettin, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sichere Informations- und Kommunika- tionsinfrastrukturen gewährleisten (Drucksache 14/9683) . . . . . . . . . . . . . . . 25195 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Jörg Tauss, Monika Griefahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Grietje Bettin, Cem Özdemir, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Umfassende Modernisierung des Daten- schutzrechts voranbringen (Drucksache 14/9709) . . . . . . . . . . . . . . . 25195 C Tagesordnungspunkt 16: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Hubert Hüppe und der Frak- tion der CDU/CSU: Verbot des Klo- nens menschlicher Embryonen welt- weit durchsetzen (Drucksache 14/9537) . . . . . . . . . . . . 25195 D b) Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, René Röspel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 XI Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Das Klonen menschlicher Embryonen in- ternational ächten (Drucksache 14/9682) . . . . . . . . . . . . . 25195 D Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus – zu dem Antrag der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Sylvia Voß, Albert Schmidt (Hitzhofen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Ak- tionsplan zum Kinder- und Jugend- tourismus in Deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Rosel Neuhäuser, Maritta Böttcher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland (Drucksachen 14/9363, 14/9545, 14/9715) 25196 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Sylvia Voß, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Den Campingtourismus in Deutschland nachhaltig fördern (Drucksache 14/9672) . . . . . . . . . . . . . . . 25196 B Tagesordnungspunkt 18: b) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Ulf Fink, Rainer Eppelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kriegsfolgen- und Kriegs- lastenbeseitigung in den neuen Län- dern (Drucksachen 14/5092, 14/9716) . . . . 25196 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Rolf Kutzmutz, Petra Bläss, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Sofortmaßnahmen des Bundes bei der Rüstungskonversion einleiten (Drucksachen 14/8657, 14/9119) . . . . 25196 D Tagesordnungspunkt 19: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder zu dem Antrag der Frak- tion der PDS: Ostdeutsche Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst bis zum Jahre 2007 stufenweise auf das Niveau der alten Bundesländer an- heben (Drucksachen 14/8791, 14/9379) . . . . 25196 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Haupt, Jürgen Türk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für ein faires Rentenrecht für das ehemalige mittlere medizi- nische Personal – zu dem Antrag der Fraktion der PDS: Zur Regelung von in der DDR erworbenen Versorgungs- ansprüchen und Anwartschaften in einem spezifischen Versor- gungssystem sowie zur Regelung anderer rechtmäßig erworbener Ansprüche auf Alterssicherung (Drucksachen 14/7612, 14/9045, 14/9383) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25197 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25197 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 25215 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das Strafrechtsänderungsge- setz – § 129 b StGB (Tagesordnungspunkt 5) 25215 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Brigitte Baumeister (CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) . . . 25215 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002XII Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rezzo Schlauch, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Hans-Josef Fell, Rita Grießhaber, Winfried Hermann, Antje Hermenau, Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Monika Knoche, Dr. Angelika Köster-Loßack, Steffi Lemke, Dr. Helmut Lippelt, Kerstin Müller (Köln), Simone Probst, Christine Scheel, Albert Schmidt (Hitzhofen), Christian Simmert, Christian Sterzing, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin und Margareta Wolf (Frankfurt) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung zur Gestaltung der Historischen Mitte Berlins (Tagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . 25216 B Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Horst Kubatschka, Angelika Graf (Rosen- heim), Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk und Gisela Schröter (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der His- torischen Mitte Berlins (Tagesordnungspunkt 6) 25217 A Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der Historischen Mitte Berlins (Tagesordnungs- punkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25217 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 25217 C Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25218 A Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Hauer, Christian Lange (Backnang), Dr. Carola Reimann, Karsten Schönfeld und Dr. Hermann Scheer (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung zur Ge- staltung der Historischen Mitte Berlins (Tages- ordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25218 C Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über das Gesetz zur Sicherstellung einer Über- gangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen (Tagesordnungspunkt 29 a) 25218 D Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu den Anträgen: – Reform der Gemeindefinanzen – Einsetzung einer Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen durch die Bundes- regierung – Gewerbesteuerumlage auf die vor dem Steuersenkungsgesetz maßgeblichen Wer- te senken – Gemeindefinanzen reformieren – Gewer- besteuer abschaffen – Finanzkraft der Ge- meinden stärken – Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zurücknehmen (Tagesordnungspunkt 29 w) . . . . . . . . . . . . . . 25219 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 25219 C Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Durchführung des Bundes- wettbewerbes „Ferien für Familien, in denen Angehörige mit Behinderung leben“ (Zusatz- tagesordnungspunkt 3 e) . . . . . . . . . . . . . . . . 25220 A Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25220 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25220 B Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidi Lippmann, Eva Bulling- Schröter, Ursula Lötzer, Uwe Hiksch, Dr. Winfried Wolf, Christina Schenk und Sabine Jünger (alle PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt zu den Anträgen: – Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Ver- treibungen (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . 25220 C Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU) zur Abstimmung über das Fünfte Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Zusatztagesord- nungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25221 C Anlage 13 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 XIII Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Gisela Frick, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Dr. Wolfgang Gerhardt, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Marita Sehn, Gudrun Serowiecki, Dr. Hermann Otto Solms und Dr. Max Stadler (alle FDP) zur Abstimmung über das Fünfte Gesetz zur Änderung des Stasi- Unterlagen-Gesetzes (Zusatztagesordnungs- punkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25222 B Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD) zur Abstim- mung über den Entschließungsantrag der Frak- tionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP zum Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Bundesbeauftragten für den Datenschutz (Ta- gesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25222 C Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung – des Antrags: Nationale Verantwortung des Bundes für Kunst und Kultur stärken – des Antrags: Systematisierung der Kultur- förderung von Bund und Ländern – der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Kulturföderalismus in Deutschland erhalten (Tagesordnungspunkt 8 a bis c) . . . . . . . . . . . 25222 D Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 25223 A Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags: Qualitätsoffensive im öffentli- chen Personenverkehr – Verbraucherschutz und Kundenrechte stärken – der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Verbraucherschutz im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs noch immer unzureichend (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesord- nungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25223 C Gustav Herzog SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25223 C Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25224 C Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 25225 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25226 A Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . 25226 D Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 25227 B Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Daseinsvorsorge in der sozia- len Marktwirtschaft (Tagesordnungspunkt 10) 25228 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 25228 B Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – zu dem Antrag: Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung – zu dem Antrag: Prävention umfassend stär- ken – zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbes- serung des Zuschusses zu ambulanten me- dizinischen Vorsorgeleistungen – zu dem Antrag: Für eine leistungsfähige und bezahlbare Gesundheitsversorgung (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25229 D Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 25229 D Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 25231 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25232 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25233 B Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25234 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25234 C Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Ver- treibungen (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . . 25235 C Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25235 C Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . 25236 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 25237 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002XIV GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25240 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . 25240 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 25241 B Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Reform der Medien- und Kom- munikationsordnung für die Wissens- und In- formationsgesellschaft verwirklichen (Tages- ordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25242 A Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 25242 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25242 D Dr. Martina Krogmann CDU/CSU . . . . . . . . 25244 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25245 C Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . 25246 B Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 25247 B Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Rechtsanspruch auf Beratung im Mutter- pass zusätzlich festschreiben – Vermeidung von Spätabtreibungen – Hil- fen für Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . . . . . . . . . 25248 A Christel Riemann-Hanewinckel SPD . . . . . . 25248 A Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 25249 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25251 B Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25252 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25252 C Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Än- derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Zu- satztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . 25253 A Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 25253 A Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25255 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . . 25256 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25256 C Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . . 25257 B Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Be- auftragten für den Datenschutz – 18. Tätig- keitsbericht – – des Antrags: Sichere Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen gewähr- leisten – des Antrags: Umfassende Modernisierung des Datenschutzrechts voranbringen (Tagesordnungspunkt 15, Zusatztagesord- nungspunkt 7 und 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25258 C Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25258 D Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 25260 A Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25261 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . 25262 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25262 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 25263 C Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Verbot des Klonens menschlicher Embryo- nen weltweit durchsetzen – Das Klonen menschlicher Embryonen in- ternational ächten (Tagesordnungspunkt 16 a und b) . . . . . . . . . . 25264 C René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25264 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 25266 B Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 25267 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25269 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25270 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25270 D Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Aktionsplan zum Kinder- und Ju- gendtourismus in Deutschland – des Antrags: Den Campingtourismus in Deutschland nachhaltig fördern (Tagesordnungspunkt 17 und Zusatztagesord- nungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25271 D Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25271 D Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 25272 D Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 25273 C Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 25274 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 XV Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 25276 B Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25277 A Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Berichts: Kriegsfolgen- und Kriegslas- tenbeseitigung in den neuen Ländern – der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Sofortmaßnahmen des Bundes bei der Rüstungskonversion einleiten (Tagesordnungspunkt 18 b und c) . . . . . . . . . 25277 D Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . . 25277 D Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25279 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25281 A Jürgen Türk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25281 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 25281 D Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte zu den Anträgen: – Ostdeutsche Löhne und Gehälter im öffent- lichen Dienst bis zum Jahr 2007 stufen- weise auf das Niveau der alten Bundeslän- der anheben – Für ein faires Rentenrecht für das ehema- lige medizinische Personal – Zur Regelung von in der DDR erworbenen Versorgungsansprüchen und Anwartschaf- ten in einem spezifischen Versorgungssys- tem sowie zur Regelung anderer Ansprüche auf Alterssicherung (Tagesordnungspunkt 19 a und b) . . . . . . . . . 25282 B Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . . 25282 C Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 25282 D Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25284 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002XVI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 25197 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225198 (C) (D) (A) (B) Liste Endgültiges Ergebnis der Namentlichen Abstimmung über die Vorschläge zur Gestaltung der Historischen Mitte Berlins – Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien – (Drucksache 14/9660) Abgegebene Stimmen 589 Ungültige Stimmen 8 Gültige Stimmen 581 Nein 62 Enthaltungen 6 Es entfielen auf den Vorschlag – Alternative A (Wiederherstellung der barocken Fassaden) 380 Stimmen Vorschlag – Alternative B (Klärung der Fassadengestaltung in einem Architektenwettbewerb; Alternativen zur Rekonstruktiom der Barocken Fassaden nicht ausgeschlossen) 133 Stimmen Ein Vorschlag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen erhalten hat als der andere Vorschlag zuzüglich der Nein- Stimmen. Der Vorschlag Alternative A hat im ersten Abstimmungsgang die erforderliche Merhrheit erhalten. Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung SPD Brigitte Adler x Gerd Andres x Ingrid Arndt-Brauer x Rainer Arnold x Hermann Bachmaier x Ernst Bahr x Doris Barnett x Dr. Hans-Peter Bartels x Eckhardt Barthel (Berlin) x Klaus Barthel (Starnberg) x Ingrid Becker-Inglau x Wolfgang Behrendt x Dr. Axel Berg x Hans-Werner Bertl x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25199 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Friedhelm Julius Beucher x Petra Bierwirth x Rudolf Bindig x Lothar Binding (Heidelberg) x Klaus Brandner x Anni Brandt-Elsweier x Willi Brase x Rainer Brinkmann (Detmold) x Bernhard Brinkmann (Hildesheim) x Hans-Günter Bruckmann x Dr. Michael Bürsch x Hans Büttner (Ingolstadt) x Ulla Burchardt x Hans Martin Bury x Marion Caspers-Merk x Wolf-Michael Catenhusen x Dr. Peter Danckert x Christel Deichmann x Karl Diller x Peter Dreßen x Detlef Dzembritzki x Dieter Dzewas x Dr. Peter Eckardt x Sebastian Edathy x Ludwig Eich x Marga Elser x Peter Enders x Petra Ernstberger x Annette Faße x Lothar Fischer (Homburg) x Gabriele Fograscher x Iris Follak x Norbert Formanski x Rainer Fornahl x Hans Forster x Dagmar Freitag x Lilo Friedrich (Mettmann) x Harald Friese x Anke Fuchs (Köln) x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225200 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Arne Fuhrmann x Monika Ganseforth x Konrad Gilges x Iris Gleicke x Günter Gloser x Uwe Göllner x Renate Gradistanac x Günter Graf (Friesoythe) x Angelika Graf (Rosenheim) x Dieter Grasedieck x Monika Griefahn x Kerstin Griese x Achim Großmann x Karl-Hermann Haack (Extertal) x Hans-Joachim Hacker x Klaus Hagemann x Manfred Hampel x Alfred Hartenbach x Anke Hartnagel x Klaus Hasenfratz x Nina Hauer x Hubertus Heil x Reinhold Hemker x Frank Hempel x Rolf Hempelmann x Dr. Barbara Hendricks x Gustav Herzog x Monika Heubaum x Reinhold Hiller (Lübeck) x Gerd Höfer x Jelena Hoffmann (Chemnitz) x Walter Hoffmann (Darmstadt) x Iris Hoffmann (Wismar) x Frank Hofmann (Volkach) x Ingrid Holzhüter x Eike Hovermann x Christel Humme x Lothar Ibrügger x Brunhilde Irber x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25201 (C) (D) (A) (B) Gabriele Iwersen x Renate Jäger x Dr. Uwe Jens x Johannes Kahrs x Ulrich Kasparick x Sabine Kaspereit x Susanne Kastner x Ulrich Kelber x Hans-Peter Kemper x Klaus Kirschner x Marianne Klappert x Siegrun Klemmer x Hans-Ulrich Klose x Fritz Rudolf Körper x Walter Kolbow x Karin Kortmann x Anette Kramme x Volker Kröning x Angelika Krüger-Leißner x Horst Kubatschka x Ernst Küchler x Helga Kühn-Mengel x Ute Kumpf x Konrad Kunick x Werner Labsch x Christine Lambrecht x Brigitte Lange x Christian Lange (Backnang) x Detlev von Larcher x Christine Lehder x Waltraud Lehn x Dr. Elke Leonhard x Eckhart Lewering x Gabriele Lösekrug-Möller x Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) x Erika Lotz x Dr. Christine Lucyga x Dieter Maaß (Herne) x Dirk Manzewski x Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225202 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Tobias Marhold x Lothar Mark x Ulrike Mascher x Heide Mattischeck x Markus Meckel x Ulrike Mehl x Ulrike Merten x Angelika Mertens x Dr. Jürgen Meyer (Ulm) x Ursula Mogg x Christoph Moosbauer x Siegmar Mosdorf x Michael Müller (Düsseldorf) x Jutta Müller (Völklingen) x Christian Müller (Zittau) x Andrea Nahles x Volker Neumann (Bramsche) x Gerhard Neumann (Gotha) x Dr. Edith Niehuis x Dr. Rolf Niese x Dietmar Nietan x Günter Oesinghaus x Leyla Onur x Manfred Opel x Holger Ortel x Adolf Ostertag x Kurt Palis x Albrecht Papenroth x Dr. Martin Pfaff x Georg Pfannenstein x Johannes Pflug x Dr. Eckhart Pick x Joachim Poß x Karin Rehbock-Zureich x Dr. Carola Reimann x Margot von Renesse x Renate Rennebach x Bernd Reuter x Christel Riemann-Hanewinckel x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25203 (C) (D) (A) (B) Reinhold Robbe x René Röspel x Dr. Ernst Dieter Rossmann x Michael Roth (Heringen) x Birgit Roth (Speyer) x Gerhard Rübenkönig x Marlene Rupprecht x Thomas Sauer x Dr. Hansjörg Schäfer x Gudrun Schaich-Walch x Bernd Scheelen x Dr. Hermann Scheer x Siegfried Scheffler x Horst Schild x Dieter Schloten x Horst Schmidbauer (Nürnberg) x Ulla Schmidt (Aachen) x Silvia Schmidt (Eisleben) x Dagmar Schmidt (Meschede) x Wilhelm Schmidt (Salzgitter) x Dr. Frank Schmidt (Weilburg) x Regina Schmidt-Zadel x Heinz Schmitt (Berg) x Carsten Schneider x Dr. Emil Schnell x Walter Schöler x Karsten Schönfeld x Fritz Schösser x Ottmar Schreiner x Gisela Schröter x Dr. Mathias Schubert x Richard Schuhmann (Delitzsch) x Brigitte Schulte (Hameln) x Volkmar Schultz (Köln) x Ewald Schurer x Dr. Angelica Schwall-Düren x Rolf Schwanitz x Bodo Seidenthal x Erika Simm x Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225204 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast x Wieland Sorge x Wolfgang Spanier x Dr. Margrit Spielmann x Jörg-Otto Spiller x Dr. Ditmar Staffelt x Antje-Marie Steen x Ludwig Stiegler x Rolf Stöckel x Reinhold Strobl (Amberg) x Dr. Peter Struck x Joachim Stünker x Joachim Tappe x Jörg Tauss x Jella Teuchner x Dr. Gerald Thalheim x Wolfgang Thierse x Franz Thönnes x Uta Titze-Stecher x Adelheid Tröscher x Hans-Eberhard Urbaniak x Rüdiger Veit x Simone Violka x Ute Vogt (Pforzheim) x Hans Georg Wagner x Hedi Wegener x Dr. Konstanze Wegner x Wolfgang Weiermann x Reinhard Weis (Stendal) x Matthias Weisheit x Günter Weißgerber x Gert Weisskirchen (Wiesloch) x Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker x Jochen Welt x Dr. Rainer Wend x Hildegard Wester x Lydia Westrich x Dr. Margrit Wetzel x Dr. Norbert Wieczorek x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25205 (C) (D) (A) (B) Jürgen Wieczorek (Böhlen) x Dieter Wiefelspütz x Heino Wiese (Hannover) x Klaus Wiesehügel x Brigitte Wimmer (Karlsruhe) x Engelbert Wistuba x Barbara Wittig x Dr. Wolfgang Wodarg x Verena Wohlleben x Hanna Wolf (München) x Waltraud Wolff (Wolmirstedt) x Heidemarie Wright x Uta Zapf x Dr. Christoph Zöpel x Peter Zumkley x CDU/CSU Ulrich Adam x Ilse Aigner x Peter Altmaier x Dietrich Austermann x Norbert Barthle x Dr. Wolf Bauer x Günter Baumann x Brigitte Baumeister x Meinrad Belle x Dr. Sabine Bergmann-Pohl x Otto Bernhardt x Hans-Dirk Bierling x Renate Blank x Dr. Heribert Blens x Peter Bleser x Dr. Norbert Blüm x Antje Blumenthal x Dr. Maria Böhmer x Wolfgang Börnsen (Bönstrup) x Dr. Wolfgang Bötsch x Sylvia Bonitz x Jochen Borchert x Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225206 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Wolfgang Bosbach x Klaus Brähmig x Dr. Ralf Brauksiepe x Paul Breuer x Monika Brudlewsky x Georg Brunnhuber x Klaus Bühler (Bruchsal) x Hartmut Büttner (Schönebeck) x Dankward Buwitt x Cajus Caesar x Peter H. Carstensen (Nordstrand) x Wolfgang Dehnel x Hubert Deittert x Albert Deß x Renate Diemers x Marie-Luise Dött x Dr. Hansjürgen Doss x Maria Eichhorn x Rainer Eppelmann x Anke Eymer (Lübeck) x Ilse Falk x Dr. Hans Georg Faust x Albrecht Feibel x Ulf Fink x Ingrid Fischbach x Dirk Fischer (Hamburg) x Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) x Klaus Francke x Herbert Frankenhauser x Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) x Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) x Erich G. Fritz x Jochen-Konrad Fromme x Hans-Joachim Fuchtel x Dr. Jürgen Gehb x Norbert Geis x Dr. Heiner Geißler x Michael Glos x Dr. Reinhard Göhner x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25207 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Peter Götz x Dr. Wolfgang Götzer x Kurt-Dieter Grill x Hermann Gröhe x Manfred Grund x Horst Günther (Duisburg) x Carl-Detlev Frhr. von Hammerstein x Gottfried Haschke (Großhennersdorf ) x Gerda Hasselfeldt x Klaus-Jürgen Hedrich x Helmut Heiderich x Ursula Heinen x Manfred Heise x Siegfried Helias x Detlef Helling x Hans Jochen Henke x Ernst Hinsken x Peter Hintze x Joachim Hörster x Klaus Hofbauer x Martin Hohmann x Josef Hollerith x Dr. Karl-Heinz Hornhues x Siegfried Hornung x Hubert Hüppe x Susanne Jaffke x Georg Janovsky x Dr.-Ing. Rainer Jork x Bartholomäus Kalb x Steffen Kampeter x Dr.-Ing. Dietmar Kansy x Irmgard Karwatzki x Volker Kauder x Eckart von Klaeden x Ulrich Klinkert x Norbert Königshofen x Eva-Maria Kors x Hartmut Koschyk x Thomas Kossendey x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225208 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Rudolf Kraus x Dr. Martina Krogmann x Dr. Hermann Kues x Werner Kuhn x Karl Lamers x Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) x Dr. Norbert Lammert x Helmut Lamp x Dr. Paul Laufs x Karl-Josef Laumann x Vera Lengsfeld x Werner Lensing x Peter Letzgus x Ursula Lietz x Walter Link (Diepholz) x Eduard Lintner x Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) x Dr. Manfred Lischewski x Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) x Julius Louven x Dr. Michael Luther x Erich Maaß (Wilhelmshaven) x Erwin Marschewski (Recklinghausen) x Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) x Wolfgang Meckelburg x Dr. Michael Meister x Dr. Angela Merkel x Friedrich Merz x Hans Michelbach x Meinolf Michels x Dr. Gerd Müller x Bernward Müller (Jena) x Claudia Nolte x Günter Nooke x Franz Obermeier x Friedhelm Ost x Eduard Oswald x Norbert Otto (Erfurt) x Dr. Peter Paziorek x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25209 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Anton Pfeifer x Beatrix Philipp x Ruprecht Polenz x Marlies Pretzlaff x Thomas Rachel x Dr. Peter Ramsauer x Helmut Rauber x Christa Reichard (Dresden) x Erika Reinhardt x Hans-Peter Repnik x Klaus Riegert x Hannelore Rönsch (Wiesbaden) x Franz Romer x Dr. Norbert Röttgen x Dr. Klaus Rose x Kurt J. Rossmanith x Adolf Roth (Gießen) x Dr. Christian Ruck x Volker Rühe x Anita Schäfer x Hartmut Schauerte x Heinz Schemken x Karl-Heinz Scherhag x Dr. Gerhard Scheu x Norbert Schindler x Bernd Schmidbauer x Christian Schmidt (Fürth) x Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) x Andreas Schmidt (Mülheim) x Dr. Rupert Scholz x Reinhard Freiherr von Schorlemer x Dr. Erika Schuchardt x Wolfgang Schulhoff x Dr. Christian Schwarz-Schilling x Wilhelm Josef Sebastian x Marion Seib x Heinz Seiffert x Dr. h. c. Rudolf Seiters x Bernd Siebert x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225210 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Werner Siemann x Johannes Singhammer x Bärbel Sothmann x Margarete Späte x Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten x Dorothea Störr-Ritter x Max Straubinger x Matthäus Strebl x Thomas Strobl (Heilbronn) x Michael Stübgen x Dr. Rita Süssmuth x Edeltraut Töpfer x Dr. Hans-Peter Uhl x Arnold Vaatz x Angelika Volquartz x Andrea Voßhoff x Peter Weiß (Emmendingen) x Annette Widmann-Mauz x Heinz Wiese (Ehingen) x Hans-Otto Wilhelm (Mainz) x Klaus-Peter Willsch x Bernd Wilz x Willy Wimmer (Neuss) x Matthias Wissmann x Werner Wittlich x Aribert Wolf x Elke Wülfing x Peter Kurt Würzbach x Benno Zierer x Wolfgang Zöller x BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) x Mariluise Beck (Bremen) x Volker Beck (Köln) x Angelika Beer x Matthias Berninger x Grietje Bettin x Annelie Buntenbach x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25211 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Amke Dietert-Scheuer x Dr. Thea Dückert x Franziska Eichstädt-Bohlig x Dr. Uschi Eid x Hans-Josef Fell x Rita Grießhaber x Gerald Häfner x Winfried Hermann x Antje Hermenau x Ulrike Höfken x Michaele Hustedt x Monika Knoche x Dr. Angelika Köster-Loßack x Steffi Lemke x Dr. Helmut Lippelt x Dr. Reinhard Loske x Kerstin Müller (Köln) x Winfried Nachtwei x Christa Nickels x Cem Özdemir x Simone Probst x Christine Scheel x Irmingard Schewe-Gerigk x Albert Schmidt (Hitzhofen) x Werner Schulz (Leipzig) x Christian Simmert x Christian Sterzing x Hans-Christian Ströbele x Jürgen Trittin x Dr. Antje Vollmer x Sylvia Voß x Helmut Wilhelm (Amberg) x Margareta Wolf (Frankfurt) x FDP Ina Albowitz x Hildebrecht Braun (Augsburg) x Rainer Brüderle x Ernst Burgbacher x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225212 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Jörg van Essen x Ulrike Flach x Gisela Frick x Paul K. Friedhoff x Horst Friedrich (Bayreuth) x Rainer Funke x Dr. Wolfgang Gerhardt x Hans-Michael Goldmann x Joachim Günther (Plauen) x Dr. Karlheinz Guttmacher x Klaus Haupt x Ulrich Heinrich x Walter Hirche x Birgit Homburger x Dr. Werner Hoyer x Dr. Klaus Kinkel x Dr. Heinrich L. Kolb x Gudrun Kopp x Jürgen Koppelin x Ina Lenke x Sabine Leutheusser-Schnarrenberger x Dirk Niebel x Günther Friedrich Nolting x Hans-Joachim Otto (Frankfurt) x Detlef Parr x Dr. Günter Rexrodt x Dr. Edzard Schmidt-Jortzig x Gerhard Schüßler x Dr. Irmgard Schwaetzer x Marita Sehn x Gudrun Serowiecki x Dr. Hermann Otto Solms x Dr. Max Stadler x Dr. Guido Westerwelle x PDS Monika Balt x Dr. Dietmar Bartsch x Wolfgang Bierstedt x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25213 (C) (D) (A) (B) Name Alternative A Alternative B Nein Enthaltung Petra Bläss x Maritta Böttcher x Eva Bulling-Schröter x Heidemarie Ehlert x Dr. Heinrich Fink x Dr. Ruth Fuchs x Wolfgang Gehrcke x Dr. Klaus Grehn x Uwe Hiksch x Dr. Barbara Höll x Gerhard Jüttemann x Dr. Evelyn Kenzler x Heidi Lippmann x Ursula Lötzer x Heidemarie Lüth x Dr. Christa Luft x Pia Maier x Angela Marquardt x Manfred Müller (Berlin) x Rosel Neuhäuser x Christine Ostrowski x Petra Pau x Dr. Uwe-Jens Rössel x Christina Schenk x Gustav-Adolf Schur x Dr. Ilja Seifert x Fraktionslose Abgeordnete Christa Lörcher x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25215 (C) (D) (A) (B) Friedrich (Altenburg), SPD 04.07.2002 Peter Dr. Grygier, Bärbel PDS 04.07.2002 Hilsberg, Stephan SPD 04.07.2002 Hörster, Joachim CDU/CSU 04.07.2002 Irmer, Ulrich FDP 04.07.2002 Jünger, Sabine PDS 04.07.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 04.07.2002 Kossendey, Thomas CDU/CSU 04.07.2002 Dr. Krogmann, CDU/CSU 04.07.2002 Martina Leidinger, Robert SPD 04.07.2002 Mante, Winfried SPD 04.07.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 04.07.2002 Dr. Schäuble, CDU/CSU 04.07.2002 Wolfgang Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 04.07.2002 Hans Peter Schwalbe, Clemens CDU/CSU 04.07.2002 Seehofer, Horst CDU/CSU 04.07.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 04.07.2002 Türk, Jürgen FDP 04.07.2002 Weiß (Groß-Gerau), CDU/CSU 04.07.2002 Gerald Wieczorek (Duisburg), SPD 04.07.2002 Helmut Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 04.07.2002 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zur Ab- stimmung über den Antrag: Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen das ... Straf- rechtsänderungsgesetz – § 129 b StGB (Tages- ordnungspunkt 5) Ulla Jelpke (PDS): Als Berichterstatterin für diesen Themenkomplex erkläre ich: Wir haben dem Antrag der Koalitionsfraktionen zugestimmt, weil wir gegen die vom Bundesrat geforderte Verschärfung des 129 b StGB sind. Dies ändert aber nichts daran, dass wir auch die vom Bun- destag verabschiedete Fassung dieser Bestimmung ableh- nen. Der neue § 129 b StGB soll die Verfolgung von Men- schen erlauben, die sich keiner einzigen Straftat schuldig oder verdächtig gemacht haben, die aber eine von ande- ren Staaten als „kriminell“ oder „terroristisch“ definierte Vereinigung unterstützen. Die Sicherheit in Deutschland wird damit um kein Jota verbessert. Dafür wächst die Möglichkeit anderer Staaten, mithilfe deutscher Staats- organe hier lebende Oppositionelle zu verfolgen. Wer de- finiert, welche Vereinigung in der Türkei, in Pakistan, Burma, Algerien oder sonst wo „terroristisch“ ist? Wel- cher deutsche Staatsanwalt entscheidet, dass irgendwo auf der Welt eine Gruppierung die Grenzen berechtigter Ge- genwehr gegen Repression überschritten hat und „terroristisch ist? Angesichts der Zusammenarbeit der deutschen Politik mit repressiven Regimen befürchten wir schlimme Fol- gen des neuen Gesetzes für bei uns lebende Flüchtlinge und Oppositionelle aus diesen Ländern und für Unterstüt- zungs- bzw. Dritte-Welt-Gruppen. Insgesamt gilt für den neuen § 129 b wie für die ge- samte so genannte Anti-Terror-Gesetzgebung das, was der Frankfurter Rechtsanwalt Joachim Schwammborn bereits 1988 ausführte und was auf der diesjährigen Strafvertei- digertagung erneut zitiert wurde: Beschäftigt man sich mit der Geschichte des bun- desdeutschen politischen Strafrechts, so stellt man fest, dass es stets drei Bedingungen erfüllt: Es wird überstürzt verabschiedet, eine gründliche Debatte über seine Notwendigkeit und seine Konsequenzen findet nicht statt und ist auch nicht erwünscht. Bei seiner Verabschiedung werden kurzfristige Stimmungen ausgenutzt, die nicht einmal im un- mittelbaren Zusammenhang mit dem Gesetzesvor- haben stehen müssen, die aber den Blick für die Folgen verstellen, Nachdenken verhindern ..., und es ist verlogen, verbirgt oder leugnet seine eigentli- che Motivation und wird mit Scheinargumenten be- gründet. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Brigitte Baumeister (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des 1. Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes (Tagesordnungs- punkt 20) Brigitte Baumeister (CDU/CSU): Heute werden im Plenum des Deutschen Bundestages die Ergebnisse des 1. Untersuchungsausschusses „Parteispenden“ diskutiert. Die CDU/CSU-Fraktion hat einen abweichenden Ab- schlussbericht vorgelegt. Dessen Schlussfolgerungen be- züglich der auch mich betreffenden 100000 DM-Spende, Kapitel VII.8. Seite 77 ff., widerspreche ich mit Nachdruck. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Die in diesem Bericht zu meinen Lasten vorgenommenen Bewertungen sind einseitig. Sie werden insbesondere nicht von Tatsachenfeststellungen gedeckt. Der entstandene Konflikt, der schließlich zu zwei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren führte, hätte verhindert werden kön- nen. Allerdings war ich nicht zu einer Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss bereit, was aber auch nie- mand ernsthaft von mir erwarten konnte. Die Staatsanwaltschaft Berlin, die im Minderheitenvo- tum der CDU/CSU merkwürdigerweise nicht erwähnt wird, kommt zu dem Ergebnis, dass ich vor dem Untersu- chungsausschuss die Wahrheit gesagt habe. Das gegen mich gerichtete Verfahren ist mangels hinreichenden Tat- verdachts eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft führt auf Seite 93 ihres Abschlussberichts zur Begründung aus, nach dem Ergebnis der Ermittlungen könne „nicht ausge- schlossen werden“, dass Dr. Schäuble „nach dem Ge- spräch“ mit mir „doch Zweifel kamen, er aber bei seinen ursprünglichen Angaben blieb, um keinen weiteren Ge- sichtsverlust zu erleiden“. Meine Bekundungen seien, so die Staatsanwaltschaft, „plausibel“, es sei „kein Motiv für eine Falschaussage oder ein Komplott gegen Dr. Schäuble erkennbar“. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass ich „er- pressbar war und vom Zeugen Schreiber in einem privaten Rachefeldzug missbraucht worden sein könnte“. Meine Aussagen würden „durch weitere Indizien ge- stützt“. Gleichwohl hat sich die Staatsanwaltschaft Berlin entschieden, mit Rücksicht auf die Aussage des Zeugen Walter Bajohr, dem ehemaligen Pressesprecher der CDU/CSU-Fraktion, keine weiteren Schritte gegen Dr. Schäuble einzuleiten, obwohl die Staatsanwaltschaft meine Darstellung der Ereignisse als zutreffend ein- schätzt. Herr Bajohr will mit Herrn Dr. Schäuble am 22. Sep- tember 1994 ein Gespräch geführt haben, in dem Herr Dr. Schäuble von der 100 000 DM-Übergabe durch Herrn Schreiber berichtet habe. Bemerkenswert ist in diesem Zu- sammenhang, dass Herr Bajohr erstmals im Sommer 2001 im Rahmen der Verteidigung von Herrn Dr. Schäuble vor der Staatsanwaltschaft Berlin diese Erinnerungen berich- tete. Nach dem Fernsehauftritt von Herrn Dr. Schäuble am 10. Januar 2000 in der betreffenden Sendung bat ich am 16. Januar 2000 Herrn Bajohr telefonisch dringend darum, aufgrund seiner beruflichen Nähe zu Herrn Dr. Schäuble auf diesen einzuwirken, seine Darstellung der zeitlichen Abläufe zu korrigieren, da ich sie nicht bestätigen könne. Es ist erstaunlich, dass Herr Bajohr damals, am 16. Januar 2000, keine Veranlassung sah, auf sein angebliches Ge- spräch mit Herrn Dr. Schäuble hinzuweisen, über das er der Staatsanwaltschaft erstmals am 16. Juli 2001 berichtete. Diese Fakten sind allen Mitgliedern des 1. Untersu- chungsausschusses bekannt. Umso mehr schmerzt mich die einseitige Stellungnahme zulasten meiner Person im Abschlussbericht der CDU/CSU-Fraktion. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rezzo Schlauch, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert, Hans- Josef Fell, Rita Grießhaber, Winfried Hermann, Antje Hermenau, Ulrike Höfken, Michaele Hustedt, Monika Knoche, Dr. Angelika Köster- Loßack, Steffi Lemke, Dr. Helmut Lippelt, Kerstin Müller (Köln), Simone Probst, Christine Scheel, Albert Schmidt (Hitzhofen), Christian Simmert, Christian Sterzing, Hans-Christian Ströbele, Jürgen Trittin und Margareta Wolf (Frankfurt) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der historischen Mitte Berlins (Tagesordnungspunkt 6) Die beiden in der Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Kultur und Medien enthaltenen Alternativen unterschlagen eine dritte Möglichkeit: nämlich auf dem Areal des ehemaligen Berliner Schlosses eine schloss- unabhängige Bebauung vorzunehmen. Es ist nicht ein- zusehen, warum das Parlament nicht die Chance be- kommen soll, auch über diese dritte Möglichkeit abzustimmen. Expertenkommissionen haben eine beratende Funk- tion. Sie können dem Parlament die Grundentscheidun- gen allerdings nicht abnehmen. Das gilt auch für die Kom- mission „Historische Mitte Berlin“, die im Übrigen in vielen Fragen selbst gespalten war. Mit der Frage, wie wir unsere Innenstädte bebauen, be- antworten wir zugleich die Frage, wie wir heute leben wollen. Dieser Frage kann man sich nicht durch nostalgi- sche Ausflucht entziehen. Das gilt erst recht an diesem symbolträchtigen Ort, dessen Gestaltung national wie in- ternational eine große Bedeutung zugeschrieben wird. Die Debatte kann daher nicht nur mit rein kunsthistori- schen oder städtebaulichen Argumenten geführt werden. Man muss auch keinen Generalverdacht gegen architek- tonische Rekonstruktionen hegen, um die hier zur Ab- stimmung stehenden Alternativen für fragwürdig zu hal- ten. Innenstädte sollten keine Museen sein, sondern Orte des urbanen Lebens und der lebendigen Erinnerung. Die Spuren der Geschichte dürfen nicht verwischt werden und Geschichte lässt sich nicht rückgängig machen. Eines ist doch sicher: 1 zu 1 ist heute vorbei. Rekonstruktion ist immer eine andere Geste als Restau- ration. An dieser Stelle muss die Rekonstruktion als Bei- trag zur nationalen Identitätsstiftung durch bewussten Rückgriff auf „Preußens Glanz“ verstanden werden. Auch wenn – nach der Alternative B – nur die Kubatur des Schlosses benutzt und auf die barocke Fassade verzichtet würde, wäre ein solch starker Bezug da. Man muss keine Rundumverdammung des Preußentums vornehmen, um zu erkennen, dass das für das heutige Deutschland offen- sichtlich die falsche Geste ist. An der Stelle eines weite- ren provinziellen Rückblicks auf aufgeklärten Absolutis- mus oder wilhelminische Großmachtambitionen sollte der Bezug auf das weltoffene Deutschland von heute und das Europa von morgen stehen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die anstehende Erweiterung der Europäischen Union. Eine gestisch bescheidenere und das urbane Leben be- fördernde Neugestaltung des Platzes ohne Rückgriff auf die Formensprache einer politisch ambivalenten Vergan- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225216 (C) (D) (A) (B) genheit wäre im Übrigen die beste Antwort auf die tri- umphalistische Geste des Ulbricht-Regimes. Die barba- rische Sprengung ist Teil unserer Geschichte. Ihre schlichte Rücknahme käme einem erneuten Versuch gleich, Geschichte zu negieren. Unserer Kultur der Erin- nerung würde dieser erneute Triumphalismus widerspre- chen. Andere Möglichkeiten der architektonischen Reaktion auf die komplexe Semantik des Ortes müssen eine echte Chance erhalten. Stattdessen wird nun eine als Erinnerung missverstandene Nostalgie sowie eine an Kitsch gren- zende ästhetische Imagination festgelegt. Dem wird eine solche retrospektive Lösung nicht gerecht. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Horst Kubatschka, Angelika Graf (Rosenheim), Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk und Gisela Schröter (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der Historischen Mitte Berlins (Tagesordnungs- punkt 6) Horst Kubatschka (SPD): Wir haben für die Alter- native B gestimmt, um Schlimmeres zu verhindern, näm- lich die im Antrag Ageforderte Wiedererrichtung der „ba- rocken“ Fassade ohne Alternative. Unverständlich ist für uns, dass man sich die Fesseln der Stereometrie des ehemaligen Berliner Schlosses anle- gen will. Noch unverständlicher ist der Versuch der Wie- dererrichtung der „barocken“ Fassade. Der barocke Geist, der hinter diesem Bauwerk steht, kann durch die Men- schen des 21. Jahrhunderts nicht mehr nachvollzogen werden. Also würden wir drei Disneyland-Fassaden bauen. Öffentliches Bauen war und ist vor allem Politik. Des- halb haben vor Jahrhunderten die Markgrafen von Bran- denburg und die Könige in Preußen im modernsten Stil mit modernen Architekten gebaut, nämlich barock. Sie verfolgten damit das Ziel, Berlin als Hauptstadt einer eu- ropäischen Großmacht repräsentativ auszubauen. Bei die- sem repräsentativen Bauen wären sie nie auf die Idee ge- kommen, etwa das alte Renaissance-Schloss weiter zu bauen oder gar ein gotisches Schloss zu bauen als Erinne- rung an die Vergangenheit. Für sie gab es keine Verban- nung der Moderne. Für viele Menschen soll die Mitte Berlins ein nationa- les Markenzeichen werden. Dieses nationale Markenzei- chen werden drei barocke Disneyland-Fassaden sein. Bauen beinhaltet auch das Selbstverständnis und die Wertschätzung der Gesellschaft, zeugt von Modernisie- rungswillen. Der Antrag ist geprägt vom Misstrauen ge- gen die moderne Architektur. Die Wiederherstellung der drei „barocken“ Fassaden und das Kleben an der Stereo- metrie ist eine Absage an die Moderne. Berlin hat etwas Besseres verdient. Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der historischen Mitte Berlins (Tagesordnungspunkt 6) Dr. Heinrich Fink (PDS): Ich lehne die vorliegende Beschlussempfehlung ab, weil ich sie in der vorliegenden Frage ihrem nunmehrigen Inhalt nach für einen schwer- wiegenden Rückfall in ahistorische Betrachtungsweisen halte. Sie negiert in eklatanter Weise die Existenz des Pa- lastes der Republik bzw. von dessen Teilen, die nach in Bälde erfolgter Asbestsanierung noch von der Internatio- nalen Expertenkommission als sehr wohl möglicher inte- grativer Teil einer künftigen Gestaltung des Schlossplat- zes in Erwägung gezogen worden waren. Ich lehne die Beschlussempfehlung ab, weil damit ein Gebäude wie der Palast aus offensichtlichem wahlkampf- taktischem Kalkül dem vollkommenen Abriss anheim fal- len soll, obwohl bis zuletzt gerade auch aus den Reihen der Regierungsfraktionen anderes verkündet worden war. Diese Abkehr von vorher geäußerten und eigentlich wohl- begründeten Standpunkten halte ich für Wählertäuschung besonders gegenüber der Ostberliner Bevölkerung. Ich kann dem von den anderen Fraktionen vorgelegten Papier schon deshalb nicht zustimmen, weil hier die kaum verhüllte Absicht vorliegt, in alter Siegermentalität ein Stück DDR-Geschichte zu tilgen; ein Stück DDR- und damit auch deutsche Geschichte, dessen weitreichende Akzeptanz nicht nur bei der Berliner Bevölkerung gewis- sermaßen durch eine Abstimmung mit den Füßen nachge- wiesen ist. Die einst hohen Besucherzahlen des Palastes belegen das auf eindrucksvolle Weise. Ich halte die Beschlussempfehlung für unakzeptabel, weil sie den Verdacht nährt, dass gerade diese breite öf- fentliche Nutzung, für die der Palast wie kein anderes Bauwerk Ostberlins in den 70er- und 80er-Jahren exem- plarisch stand, in der jetzigen Diktion der Drucksache als gefährdet angesehen werden muss. Anders kann ich die in Punkt 4 formulierte Aufforderung nicht verstehen. Ich lehne die hier durchschimmernde Mahnung, priva- tes Kapital bzw. private Investoren für die künftige Ge- staltung der historischen Mitte Berlins nur ja nicht zu ver- prellen, entschieden ab, weil sonst befürchtet werden muss, dass dem Bund und der Hauptstadt in punkto Ge- staltungs- und Nutzungskonzeption ein Diktat droht, das mit den gesamtgesellschaftlichen Vorstellungen und Wünschen schwerlich in Einklang zu bringen ist. Denn es ist kaum vorstellbar, dass private Geldgeber in völlig un- eigennütziger Weise in dieser Dimension ihre Verwer- tungsinteressen hintanstellen. Ich nenne die Zielrichtung der Beschlussempfehlung auch deshalb verwerflich, weil sie den uneingeschränkten Befürwortern einer Schlossplatzgestaltung wilhelmini- schen Angedenkens in die Hände spielt und damit in ihrer politischen Dimension einer äußerst zweifelhaften Kaiser- reich-Nostalgie das Wort redet. Das betone ich vor allem deswegen, weil den sehr differenzierten Forderungen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25217 (C) (D) (A) (B) nicht geringen Zahl von Palastbefürwortern von inte- ressierter Seite in der Öffentlichkeit wider besseres Wissen der platte Vorwurf der DDR-Nostalgie gemacht wird. Menschen, die etwas von der DDR bewahrt sehen möch- ten, mag in vielen anderen Fällen mit einigem Recht wi- dersprochen werden. Im vorliegenden Falle aber gehört ih- nen meine ungeteilte Sympathie. Ich stehe der Beschlussempfehlung auch deshalb kri- tisch gegenüber, weil ich in ihr eine unakzeptable Igno- ranz gegenüber jeder anderen als der Schlossarchitektur sehe und halte das überdies für einen schweren kulturel- len Fauxpas; einen irreversiblen Fehltritt zudem, der in seiner Tragweite dem der Sprengung der Schlossruine in den frühen DDR-Jahren in nichts nachsteht. Es ist wohl im einen wie dem anderen Falle nichts weniger als der Versuch, vermeintliche historische Überlegenheit mittels Tilgung der architektonischen Hinterlassenschaft der früheren Ordnung aus dem öffentlichen Bewusstsein be- weisen zu wollen. Dr. Christa Luft (PDS): Die vorliegende Beschluss- empfehlung wird meine Zustimmung nicht erhalten. Mit dem Beschluss über die Schlossfassaden soll der Abriss des verbliebenen Rohbaus des Palastes der Repu- blik besiegelt werden. Dem werde ich nicht zustimmen. Als stellvertretende Ministerpräsidentin in der Modrow- Regierung und als Mitglied der am 18. März 1990 frei ge- wählten Volkskammer der DDR weiß ich aus eigenem Erleben von der Geschichte, die im Volkskammersaal im Palast der Republik geschrieben wurde. Die Entsorgung von Geschichte und Identität, von einem Baudenkmal und einem selbst im Rohbauzustand noch sehr wertvollen Ob- jekt kann man durch nichts rechtfertigen, auch nicht mit der ebenfalls kulturlosen Schlosssprengung von 1950. Unser Land war in den letzten zwölf Jahren von vielen Veränderungen geprägt. Dies trifft insbesondere für die Menschen in Ostdeutschland und in Berlin zu. Mit der Annahme der Beschlussempfehlung einschließlich der Entscheidung zum Wiederaufbau der Schlossfassaden leisten wir keinen Beitrag zur inneren Einheit. Wir brauchen in dieser Frage keine Sieger und Verlie- rer. Der wichtigste Platz der Bundeshauptstadt Berlin braucht eine Gestaltung, mit der sich eine breite Mehrheit der Bevölkerung identifizieren kann. Für manche sind zwölf Jahre Diskussion zu lang. Ich plädiere dafür, uns mehr Zeit zu lassen. Auch deshalb werde ich nur dem Änderungsantrag der PDS-Fraktion zur Beschlussempfehlung und dem PDS-Antrag in Drucksache 14/9244 zustimmen. Es gibt einen weiteren, gravierenden Grund für mein Abstimmungsverhalten, und dies sage ich als Mitglied des Haushaltsausschusses. Im Vorblatt der Beschlussempfehlung steht unter dem Punkt D: „Kosten wurden nicht erörtert.“ Das stimmt. Im mitberatenden Haushaltsausschuss gab es nur eine kurze Beratung zu den vier aktuellen Anträgen zur zukünftigen Gestaltung der Historischen Mitte Berlins. Dem Entwurf der Beschlussempfehlung aus dem Kulturausschuss wur- de im Schnellverfahren von allen Fraktionen außer der PDS zugestimmt, ohne die finanziellen Auswirkungen für den Bund zu erörtern. Meine diesbezüglichen Fragen zur Bauträgerschaft und zur Finanzierung wurden nicht be- antwortet. Woher nimmt der Bundestag – in der Beschlussemp- fehlung im Punkt II, Alternative A – die Gewissheit, dass sich bei einer Entscheidung für barocke Schlossfassaden eher eine Mobilisierung privaten Kapitals realisieren lässt, und wie verträgt sich dies mit den gewünschten öf- fentlichen Nutzungen? Ich bin nicht bereit, derart verantwortungslos mit Steuergeldern umzugehen und werde die Beschlussemp- fehlung auch deshalb ablehnen. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Hauer, Christian Lange (Backnang), Dr. Carola Reimann, Karsten Schönfeld und Dr. Hermann Scheer (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zur Gestaltung der historischen Mitte Berlins (Tagesordnungspunkt 6) Wir werden für die Alternative B stimmen. Dies er- möglicht einen offenen Prozess ohne Präjudizierung auf die Wiederherstellung des historischen Stadtschlosses. Deshalb lehnen wir die Alternative A ab. Leider haben wir angesichts der vorliegenden Anträge keine konstruktive Möglichkeit, für einen Erhalt des Status quo zu stimmen. Der „Palast der Republik“ ist auch ein Be- standteil deutscher Geschichte, er ist ein wichtiges Element des ehemaligen anderen deutschen Staates – der DDR. Sicher ist der „Palast der Republik“ kein Symbol für Demokratie, tagte in ihm doch das DDR-Scheinparlament „Volkskammer“. Aber auch dies ist ein elementarer Be- standteil unserer Geschichte, an den nachkommende Ge- nerationen wahrnehmbar erinnert werden sollten. Wir erleben bei Diskussionen mit Jugendlichen bereits heute, dass ohne eigenes Erleben das Wissen um und das Verständnis für die Zeit der deutschen Teilung und die „DDR“ schwindet. Anlage 8 Erklärung nach §31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über das Gesetz zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteue- rung von Alt-Sportanlagen (Tagesordnungs- punkt 29 a) Heidemarie Ehlert (PDS): Ich stimme für den Ge- setzentwurf der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP zur Sicherstel- lung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225218 (C) (D) (A) (B) von Alt-Sportanlagen, weil es mir um eine Lösung des Problems im Interesse der Betreiber und der Nutzer von Sportanlagen geht. Als empörend empfinde ich es jedoch, dass ausgerechnet die PDS-Fraktion von diesem im An- satz als interfraktionell zu bezeichnenden Gesetzentwurf ausgeschlossen wurde. Ich stimme für den Gesetzentwurf, weil die PDS sich seit Bekanntwerden des Problems der Umsatzbesteuerung von Sportanlagen für eine Lösung im Interesse der Be- treiber von Sportanlagen sowie der betroffenen Sportver- eine stark gemacht hat. Die Fraktion hat das Problem auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages setzen las- sen und hat eine Anhörung der Betreiber und Vereine über die Vor- und Nachteile der bisherigen Regelungen und über die zu erwartenden Auswirkungen der Umsetzung des Urteils des Bundesfinanzhofes als Grundlage für die weitere Diskussion eingefordert. Ich stimme für den Gesetzentwurf, weil mit diesem Gesetz auch den Forderungen der Massenpetition, die die PDS-Fraktion zu diesem Thema erhalten hat, Rechnung getragen wurde. Ich stimme für den Gesetzentwurf der anderen Fraktio- nen, weil auf Drängen der PDS-Fraktion eine interfraktio- nelle Arbeitsgruppe einberufen wurde, die letztendlich zu dem uns vorliegenden Bericht der Bundesregierung und zu dem Gesetzentwurf als Ergebnis dieses gesamten Prozes- ses geführt hat. Makaber ist für mich jedoch die Begründung, mit der die SPD-Vertreter im Finanzausschuss die Einbringung ei- nes interfraktionellen Gesetzentwurfes ablehnten. Die Mitglieder der PDS-Fraktion im Finanzausschuss stellten den Antrag, dass der Finanzausschuss einen Änderungsan- trag zum Gesetzentwurf einbringt, der zum Inhalt hat, die- sen Gesetzentwurf als interfraktionellen Gesetzentwurf zu behandeln, also die PDS auf diesen Entwurf als Einreicher mit aufzunehmen. Das wurde von den Vertretern der SPD- Fraktion mit der Begründung abgelehnt, dass sie die Mehrheit für dieses Gesetz im Bundesrat brauchen. Diese Mehrheit würde es durch die CDU-regierten Länder im Bundesrat nicht geben, wenn die PDS als Mitinitiator auf diesem Gesetzentwurf mit aufgeführt würde. Ich stimme für den Gesetzentwurf, obwohl ich die Vor- gehensweise für zutiefst undemokratisch halte. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu den Anträgen: – Reform der Gemeindefinanzen – Einsetzung einer Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen durch die Bundesregierung – Gewerbesteuerumlage auf die vor dem Steu- ersenkungsgesetz maßgeblichen Werte senken – Gemeindefinanzen reformieren – Gewerbe- steuer abschaffen – Finanzkraft der Gemein- den stärken – Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zurück- nehmen (Tagesordnungspunkt 29 w) Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Der federführende Fi- nanzausschuss hat den Antrag der Fraktion der PDS „Er- höhung der Gewerbesteuerumlage zurücknehmen“ (Druck- sache 14/7993) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der CDU/CSU gegen die Stimmen der Fraktion der PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt. Das Votum der CDU/CSU Fraktion ist be- sonders problematisch, weil diese Fraktion einen inhaltlich identischen Antrag heute zur Abstimmung bringt. Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung des feder- führenden Finanzausschusses (Drucksache 14/9662). Mit dem Antrag fordert die PDS die Bundesregierung auf, die im Rahmen der Unternehmensteuerreform beschlossene schrittweise Erhöhung der Abführung der Gewerbesteuer an Bund und Land von 20 Prozent (2000) auf bis zu 28 Prozent im Jahr 2005 sofort zurückzunehmen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Rege- lung zu veranlassen, wonach die erhöhte Gewerbesteu- erumlagezahlung des Jahres 2001 an die Städte und Ge- meinden zurückerstattet wird. Mit der Ablehnung des PDS-Antrages wird sich die be- reits sehr schwierige Finanzausstattung der Kommunen weiter verschlechtern. Immer mehr Städte, Gemeinden und Landkreise müssen die Sozialhilfe und selbst Perso- nalausgaben auf Kredit finanzieren, weil die Defizite in ihren Verwaltungshaushalten nicht mehr beherrschbar sind. Dramatisch rückläufig entwickeln sich ebenfalls die kommunalen Investitionen. Sie liegen heute um über 11 Milliarden Euro oder fast 35 Prozent – preisbereinigt – unter denen des Jahres 1992. In Ostdeutschland, wo Investitionen besonders nötig sind, setzte sich deren Ver- fall in den Jahren 2000 und 2001 mit Minusraten von 6,7 Prozent bzw. über 8 Prozent fort. Die Gewerbesteuereinnahmen der Städte und Gemein- den beliefen sich im Jahr 2001 auf rund 19 Milliarden Euro. Das Gewerbesteueraufkommen betrug insgesamt knapp 24,5 Milliarden Euro. Hiervon gingen rund 5,5 Milliarden Euro als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder. Die Gewerbesteuerumlage wurde 1969 im Rahmen der damaligen Kommunalfinanzreform eingeführt. Städte und Gemeinden gaben einen Teil ihres Gewerbesteuer- aufkommens in Form einer Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder ab. Die Städte und Gemeinden erhielten dafür eine originäre Beteiligung am Aufkommen der Ein- kommen- und Lohnsteuer. Ich stimme auch deshalb gegen die Beschlussempfeh- lung des federführenden Finanzausschusses, weil in den vergangenen Jahren die jeweiligen Bundesregierungen und die sie tragenden Koalitionen immer häufiger die Ge- werbesteuerumlage als Ausgleichsinstrument zwischen Bund und Ländern einerseits und Städten und Gemeinden andererseits missbraucht haben. Dies trifft auch auf die zur Finanzierung der Unternehmensteuerreform vorgesehene Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zu. Allein dadurch standen den Kommunen in 2001 circa 0,7 Milliarden Euro Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25219 (C) (D) (A) (B) weniger an Gewerbesteuereinnahmen zur Verfügung. Im Jahr 2004 werden es sogar 3,4 Milliarden Euro weniger sein. Im Rahmen des Einstiegs in eine umfassende Kommu- nalfinanzreform sollte überhaupt geprüft werden, ob auf die Gewerbesteuerumlage generell verzichtet werden kann. Seit der Einführung der Gewerbesteuerumlage im Jahr 1969 haben sich die finanziellen Rahmenbedingun- gen für die Städte und Gemeinden wesentlich verschlech- tert. Die Städte und Gemeinden brauchen dringender denn je stabile und eigenständig gestaltbare Einnahmequellen. Die Erwartungen der Städte, Gemeinden und Landkreise an den 15. Deutschen Bundestag und die neue Bundesre- gierung sind daher riesengroß. Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Durch- führung des Bundeswettbewerbes „Ferien für Familien, in denen Angehörige mit Behinderung leben“ (Zusatztagesordnungspunkt 3 e) Rosel Neuhäuser (PDS): Dem vorliegenden Antrag stimme ich zu, weil er im Europäischen Jahr der Men- schen mit Behinderung einen Impuls zur Ausweitung von familien- und behindertengerechten Ferienangeboten ge- ben kann. Als tourismuspolitische Sprecherin setze ich mich gemeinsam mit meiner Funktion dafür ein, dass Barrieren und Hindernisse jeglicher Art im Kultur- und Freizeit- bereich sowie im Tourismus beseitigt werden. Damit entsprechen wir dem Ethikkodex der Welttourismus- organisation, der ein Recht auf Freizeit und Erholung für alle Menschen festschreibt. Umso enttäuschender ist es für mich, dass die Fraktion der PDS nicht mit auf dem Antrag erscheint. Das liegt keines- falls an mangelnder Bereitschaft aus meiner Fraktion, diesem Antrag zuzustimmen. Deshalb bedauere ich sehr, dass, obwohl ich diesem Antrag meine Zustimmung gebe, bei der Einreichung des Antrages wieder andere Dinge im Vordergrund stehen. Dass dies so ist, hat wieder einmal mit der Ausgrenzung der PDS zu tun. Obwohl die Fach- leute der Fraktionen an einem Strang ziehen wollten, konnte man wieder einmal nicht über den eigenen Schat- ten springen. Mit dieser für viele Menschen nicht zu verstehenden Situation sollten sich einige Vorstände der Fraktionen aus- einandersetzen und den unsäglichen Unvereinbarkeits- beschluss, den es im Hinblick auf den Umgang mit der PDS immer noch gibt, im Interesse der Betroffenen endlich vom Tisch nehmen. Dr. Ilja Seifert (PDS): Ich unterstütze den Antrag, weil er darauf gerichtet ist, zum Europäischen Jahr der Men- schen mit Behinderungen, nämlich 2003, zusätzliche Im- pulse zur Ausweitung von familien- und behindertenge- rechten Ferienangeboten auszulösen. Nicht erst seit heute setze ich mich persönlich und setzt sich die PDS in allen Lebensbereichen für Lösungen ein, die eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Be- hinderungen am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dazu zählt auch die Beseitigung jeglicher Art von Barrie- ren und Hindernissen im Kultur- und Freizeitbereich so- wie im Tourismus. In meiner Region – der Oberlausitz – arbeiten Hotel- und Gaststättenbetreiber, örtliche Behörden, Tourismus- vereine und Einzelpersonen erfolgreich an der Auswei- tung der Möglichkeiten für barrierearmen Tourismus und der Gestaltung von Wanderwegen ohne Hindernisse. Das umfasst Berollbarkeit ebenso wie erklärende Tonkasset- ten für blinde und sehbehinderte Touristen. Es ist erfreu- lich, dass dabei Menschen mit Behinderungen aktiv ein- bezogen sind. Damit entsteht ganz praktisch im Alltag mehr Normalität im Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen. Daher ist es geradezu albern, unverständlich und poli- tisch fragwürdig, wenn mir – ebenso wie den anderen Ab- geordneten der PDS-Fraktion – aus durchsichtigen und rein parteipolitischen Gründen eine Beteiligung an dem oben genannten Antrag verwehrt wird. Anlage 11 Erlärung nach § 31 GO derAbgeordneten Ulla Jelpke, Heidi Lippmann, Eva Bulling-Schröter, Ulla Lötzer, Uwe Hiksch, Dr. Winfried Wolf, Christina Schenk, und Sabine Jünger (alle PDS) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung und den Bericht zu den An- trägen: – Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Vertrei- bungen (Tagesordnungspunkt 12) Jede Debatte über Flucht und Vertreibung in Europa muss für uns ausgehen von der Vertreibung (und anschlie- ßenden Vernichtung) von Juden und Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich. Sie muss weitergehen mit der Auf- arbeitung des von Anfang an völkerrechtswidrigen und ungültigen Münchner Abkommens, dem deutschen Über- fall auf die Tschechoslowakei und Polen, der Zwangsger- manisierung und der aktiven Mitwirkung zahlreicher Deutscher bei dieser verbrecherischen Politik. Nur in die- sem Kontext ist eine Diskussion über Vertreibung und Zwangsumsiedlung, über das Potsdamer Abkommen, die dadurch veranlasste Umsiedlung von Deutschen und das damit verbundene Leid angemessen und akzeptabel. Jede Diskussion über dieses sensible Thema muss des- halb von Anfang an gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Juden, Roma und Sinti, mit tschechischen und polnischen Vertreterinnen und Vertretern geführt werden. Sonst schürt sie nur neue Spannungen und weckt Unruhe bei europäischen Nachbarn, die zu Recht deut- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225220 (C) (D) (A) (B) schen Geschichtsrevisionismus und Revanchismus fürch- ten. Eine solche gemeinsame Diskussion hat bis heute nicht stattgefunden. Schon aus diesem Grund verbietet sich jede Vorwegnahme dieser Diskussion durch einen Be- schluss des Deutschen Bundestags. Alle vorliegenden An- träge wollen aber schon jetzt Fakten schaffen. Schon aus diesem Grund lehnen wir die vorliegenden Anträge ab. Betreiber eines solchen „Zentrums gegen Vertreibun- gen“ ist seit langem der Bund der Vertriebenen (BdV). Welche Uminterpretation der Geschichte er damit betrei- ben will, hat BdV-Präsidentin Steinbach deutlich gemacht, als sie die Vernichtungslager von Auschwitz, Treblinka, Sobibor und Majdanek auf eine Stufe mit der Umsiedlung von Deutschen nach 1945 stellte und erklärte: Im Grunde genommen ergänzen sich die Themen Ju- den und Vertriebene... Dieser entmenschte Rassen- wahn hier wie dort, der soll auch Thema in unserem Zentrum sein. (zitiert nach „Blätter für deutsche und internationale Politik“, 7/2002, Seite 793) Ursachen und Folgen, die Verbrechen der Nazizeit, Holocaust, Entfesselung des Zweiten Weltkriegs und ge- waltsame Germanisierungs- und Vernichtungspolitik auf der einen Seite, Potsdamer Abkommen und Umsiedlung von Deutschen infolge dieses Abkommens auf der ande- ren Seite, sollen so verwischt, Täter und Opfer auf eine Stufe gestellt werden. In seiner finanziellen Dimension soll das angestrebte Mahnmal sogar das Holocaust-Mahnmal übertreffen. Während das Holocaust-Mahnmal etwa 25 Millionen Euro kosten soll, veranschlagt der BdV für sein Mahnmal 80 Millionen Euro, mehr als das Dreifache. Im Antrag von SPD und Grünen findet sich zu diesen Plänen des BdV und dem damit verbundenen Versuch zur Uminterpretation der Geschichte kein Wort der Kritik und keinerlei Distanzierung. Im Gegenteil nutzen Vertreter der von SPD und Grünen gestellten Regierung seit lan- gem jede Gelegenheit, um sich den Verbänden des BdV anzubiedern und den Funktionären des BdV nach dem Mund zu reden. Kritik an Forderungen wie dem „Recht auf Heimat“ oder nach Rückgabe deutschen Eigentums bekommt der BdV dabei nicht zu hören. Auch die im Antrag von SPD und Grünen formulierte Aussage, das Thema Vertreibung und die Umsiedlung von Deutschen in einen europäischen Kontext stellen zu wol- len, Persönlichkeiten aus Nachbarstaaten in die Diskus- sion um ein solches Zentrum einbeziehen und das Zen- trum in einer anderen Stadt errichten zu wollen, ist nur eine vordergründige Differenz zum Vorhaben des BdV. Der BdV hat deshalb selbst öffentlich erklärt, im Grunde stimmten alle Fraktionen mit seinem Vorhaben überein. Noch unverhüllter ist die Zustimmung zum Vorhaben des BdV bei der CDU/CSU. Der Deutsche Bundestag soll „die überparteiliche Initiative der gemeinnützigen Stif- tung „Zentrum gegen Vertreibungen“ unterstützen“, heißt es. Diese Initiative war und ist Produkt des BdV und steht vollständig unter seiner Kontrolle. Auch die FDP fordert keine behutsame Diskussion die- ses sensiblen Themas. Sie fordert in ihrem Antrag, die „in Deutschland vorhandene kollektive Erfahrung der Ver- treibung“ zum „Ausgangspunkt“ eines solchen Zentrums zu machen. Die leidvollen Erfahrungen von Juden, Roma und Sinti, Polen, Tschechen und anderen Opfern der NS-Politik würden so erneut missachtet. Wir erklären klar und deutlich: Der Bundesverband der Vertriebenen kommt für uns weder als Träger noch als Mitträger eines solchen Zentrums in Betracht. Das völlig einseitige, die deutschen Verbrechen der NS-Zeit bagatel- lisierende Weltbild dieser Verbände und ihre bis heute feh- lende Abgrenzung zu Antisemiten und Rechtsextremisten disqualifizieren den BdV für eine solche Trägerschaft. Nur eine sensible Diskussion dieses schwierigen The- mas, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern von Juden, Roma und Sinti, mit tschechischen, polnischen und anderen Vertreterinnen und Vertretern, ist geeignet, einen Ausgangspunkt und Rahmen für eine gemeinsame Aufar- beitung dieser Geschichte zu schaffen. Nur im Ergebnis eines solchen gleichberechtigten Diskussionsprozesses sollte auch der Bundestag über dieses Thema seine Be- schlüsse fassen. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO derAbgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU) zur Abstimmung über das Fünfte Gesetz zur Ände- rung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Zusatzta- gesordnungspunkt 6) Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Die heute anstehende Än- derung des Stasi-Unterlagengesetzes bringt mich in einen Zwiespalt: Denn ich persönlich profitiere von einer großzü- gigen Aktenherausgabepraxis der Birthler-Behörde. In mei- nem Büro stehen die wesentlichen Auszüge der Stasi-Akten der Herren Minister Otto Schily, Hans Eichel, Joschka Fischer und auch von Oskar Lafontaine. Insofern kann ich verstehen, dass Bundesinnenminister Schily, wäre er jetzt anwesend, nicht mit seiner Fraktion gemeinsam stimmen könnte. Gerade weil ich diese Akten kenne – glauben Sie mir, sie waren eine interessante Lektüre – werde ich die vor- gesehene Aufweichung des Opferschutzes nicht mittragen. Ich gebe zu, es ärgert mich, wie schnell sich der Mantel des Vergessens oder gar des Verklärens über die Zeit der SED-Diktatur und das Unrechtsregime der DDR gelegt hat. Ich bin enttäuscht, wie wenig die menschenverach- tende und entwürdigende Behandlung der Bürgerinnen und Bürger im Schnüffel-Staat DDR im Schulunterricht behandelt wird. Insofern habe ich ein elementares Interesse daran, dass die zahlreichen Dokumente, die die Machenschaften und Täterstrukturen der Stasi belegen, auch weiterhin ausge- wertet werden können. Doch darf die wissenschaftliche Aufarbeitung nicht auf dem Rücken der Stasi-Opfer aus- getragen werden. Denn sie sind – ganz gleich ob in Ost oder West – als Objekt staatlicher Schnüffelei und Re- pressalien missbraucht und entehrt worden. Würden Infor- mationen, die durch die Stasi in grundrechtswidriger Weise gewonnen wurden, gegen den ausdrücklichen Wil- len der Opfer herausgegeben werden, so wäre dieses ihre Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25221 (C) (D) (A) (B) erneute, diesmal öffentliche Vergewaltigung. Dies gilt auch für die Behandlung von Personen der Zeitgeschichte, die trotz Einschränkungen ihrer Rechte nicht völlig schutzlos gestellt werden dürfen. Der aktuelle Änderungsantrag von Regierungskoali- tion und FDP zur Verbesserung des Opferschutzes bleibt in der Praxis eine Krücke, mit der man nur schwerlich wird laufen können. Die Formulierung ist an entschei- dender Stelle unpräzise, und sie verwässert, wo eine juris- tische Klarstellung erforderlich wäre. Ich bin mir bei meiner heutigen Entscheidung schmerzlich bewusst, dass ich aus dem Gedanken des Op- ferschutzes heraus Restriktionen befürworten muss, die leider auch bislang noch unentdeckte Täter begünstigen könnten. Dieses gilt insbesondere dann, wenn der Nach- weis einer Täterschaft erst durch weitere wissenschaftli- che Forschung erbracht werden kann. Gerade diese Denunzianten und Schmarotzer des DDR-Unrechtsregimes könnten sich bis zum Beweis des Gegenteils als vermeintliche Opfer tarnen und darauf hof- fen, dass ihre Täterschaft aufgrund eingeschränkter wis- senschaftlicher Recherchemöglichkeiten für immer uner- kannt bleibt. Das wäre in der Tat bitter, gerade auch aus der Sicht ihrer Opfer, die vielfach heute noch unter einem schlimmen persönlichen Leidensdruck stehen. Gerade dieser Respekt vor den Opfern ist es jedoch, der mich zwingt, den Opferschutz stärker zu gewichten und die bislang unerkannten Täter der Stasi einer anderen, ei- ner höheren Gerechtigkeit zu überantworten. Würde ich dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen zustimmen, so würden die Herren Honecker und Mielke einschließlich ihrer Schergen heute erneut über ihre Opfer und über un- seren Rechtsstaat triumphieren. Aus diesem Grunde werde ich dem Gesetzentwurf von Rot-Grün nicht zustimmen. Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Hildebrecht Braun (Augsburg), Reiner Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Gisela Frick, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Dr. Wolfgang Gerhardt, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Marita Sehn, Gudrun Serowiecki, Dr. Hermann Otto Solms und Dr. Max Stadler (alle FDP) zurAbstimmung über das Fünfte Gesetz zur Änderung des Stasi-Unter- lagen-Gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Wir stimmen dem Gesetz zur Änderung des Stasi-Unter- lagen-Gesetzes zu, weil durch den Änderungsantrag der Ab- geordneten Ludwig Stiegler, Cem Özdemir und Dr. Edzard Schmidt-Jortzig der Persönlichkeitsschutz in entscheiden- der Weise gestärkt worden ist. Aufgrund dieses Änderungs- antrages steht fest, dass die unserer Meinung nach zutref- fende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch in Zukunft Bestand hat. Damit ist deutlich, dass Infor- mationen, die durch Eingriffe in das Brief-, Post und Fern- meldegeheimnis, in die Unverletzlichkeit der Wohnung, in ein Berufsgeheimnis oder durch sonstige Menschenrechts- verletzungen – wie die Anwendung von Folter – gewonnen worden sind, von Herausgabe und Veröffentlichung ausge- schlossen sind. Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD) zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP zum Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Bundesbeauftragten für den Daten- schutz (Tagesordnungspunkt 15) Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Der vorliegenden Entschließung kann ich nicht zustimmen, obwohl die meis- ten darin enthaltenen Vorschläge meine Zustimmung fin- den. Absolut unzureichend finde ich jedoch die Empfehlung unter Punkt 7. Das in der Empfehlung ausdrücklich be- grüßte Recht der Versicherten und Behinderten, selbst einen Gutachter vorzuschlagen, wird auch Jahre nach Inkrafttre- ten des SGB VII sowohl von Versicherungsträgern wie auch Gerichten nicht oder nur mangelhaft gewährleistet. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer gravierender Verstöße gegen die datenrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes. Wenn der Gesetzgeber sich selbst ernst nimmt, darf er solche gravierende Gesetzesverstöße nicht nur zum Anlass nehmen, einige Paragraphen zu prüfen. Vielmehr muss er deutlich machen, diese offensichtlichen Zeichen im Gesetz unverzüglich durch legislative Maßnahmen be- seitigen und das Gesetz entsprechend ändern zu wollen. Die windelweiche Formulierung in Punkt 7 lässt aber die Interpretation zu, der Gesetzgeber nehme seine eige- nen gesetzlichen Intentionen nicht ernst. Einer solchen Haltung kann ich jedoch nicht beitreten und lehne deshalb die Entschließung ab. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – des Antrags: Nationale Verantwortung des Bundes für Kunst und Kultur stärken – des Antrags: Systematisierung der Kulturför- derung von Bund und Ländern – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Kulturföderalismus in Deutschland erhalten (Tagesordnungspunkt 8 a bis c) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225222 (C) (D) (A) (B) Dr. Heinrich Fink (PDS): Ich halte es für problema- tisch, die Fragen der Förderung von Kunst und Kultur im engeren Sinne aus der breiten Debatte zum Kulturfödera- lismus insgesamt herauszulösen. Und diese Debatte wie- derum kann nur im Zusammenhang mit der Reform unse- rer föderalen Strukturen generell sinnvoll geführt werden. Die PDS ist in dieser Hinsicht in einer intensiven Bera- tungsphase. Zur vorliegenden eingeschränkten Thematik gehen meine Überlegungen im Moment von zwei Punk- ten aus. Zum ersten: Ich teile nicht die Auffassung derer, die sehr gern und sehr schnell bei gesamtstaatlichen kulturel- len Aufgaben ganz selbstverständlich in erster Linie den Bund in der Verantwortung sehen. Ich halte daran fest, dass auch überregionale Aufgaben auf kulturellem Ge- biet, soweit sie nicht der ordnungspolitischen Rahmenset- zung des Bundes unterliegen, zunächst einmal Sache ge- meinsamer Anstrengungen der Länder sein sollten. Zugleich sehe ich natürlich, dass sich diese ursprüngliche Intention der kulturellen Kompetenzzuweisung hart an der heutigen Wirklichkeit stößt: Zum einen haben sich die gesamtstaatlichen kulturellen Aufgaben seit 1949 enorm ausgeweitet. Zum anderen ist auch die Gemeinschaft der Länder finanziell immer weniger in der Lage, diese ge- wachsenen gesamtstaatlichen Aufgaben auf kulturellem Gebiet wahrzunehmen. Und ohne Zweifel hat sich in der Folge davon auch das Interesse der Länder an der Wahr- nehmung dieser Aufgaben verringert. Verstetigt und ver- festigt sich diese Entwicklung, so besteht meiner Mei- nung nach die Gefahr, dass die „Kulturhoheit der Länder“ in einen bedenklichen Provinzialismus mündet. Die ein- seitige und bedenkenlose Zuweisung gesamtstaatlicher kultureller Aufgaben an den Bund würde einer solchen Entwicklung Vorschub leisten. Zum zweiten Punkt: Für genauso problematisch halte ich es allerdings, wenn bei konkreten Projekten, Proble- men und Konflikten dogmatisch von vermeintlich eher- nen föderalen Gegebenheiten ausgegangen wird, um dann zu sehen, wie sich unter diesen quasi unveränderlichen Bedingungen die Entwicklung unseres kulturellen Lebens einpassen lässt. Entscheidender Ausgangspunkt sollten stets die inhaltlichen Bedürfnisse und Interessen derjeni- gen sein, die in Kunst und Kultur als Produzenten, Ver- mittler oder Teilhabende agieren. Und dann ist zu fragen, wie die gegebenen föderalen Strukturen in dem konkreten Fall diesen Interessen förderlich sind bzw., wo sie als Hemmnis wirken. Ich will den Kulturföderalismus als Wert an sich nicht unterschätzen. Er darf aber nicht über die Erfordernisse gestellt werden, die sich aus dem Sozi- alstaats- und Kulturstaats-Prinzip ergeben. Im Spannungsfeld dieser beiden Pole sollten wir die ak- tuellen Erfordernisse diskutieren, die uns in der Kulturpo- litik gestellt sind. Die Erfahrungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass neue und umfangreichere Aufgaben auf dem Gebiet der Kultur von den Ländern nur mit Unterstüt- zung des Bundes zu schultern sind. Durch eine Ausdehnung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91b GG auf den Kul- turbereich (neben Bildung und wissenschaftlicher For- schung) könnte dieses Zusammenwirken auf eine sichere Grundlage gestellt werden. Das böte dann auch einen ver- lässlichen Rahmen, um die Aufgaben zwischen Bund und Ländern klarer als bisher zu verteilen. Diese Verteilung darf sich aber gerade auf kulturellem Gebiet nicht am Leitbild eines separativen Föderalismus orientieren. Zur Koopera- tion von Bund und Ländern bei der Förderung von Kunst und Kultur gibt es heute keine Alternative mehr. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags Qualitätsoffensive im öffentlichen Personenverkehr – Verbraucherschutz und Kundenrechte stärken – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Verbraucherschutz im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs noch immer unzureichend (Tagesordnungspunkt 9 und Zusatztagesord- nungspunkt 4) Gustav Herzog (SPD): Busse und Bahnen haben für uns hohe Priorität. Der öffentliche Personenverkehr muss für den Fahrgast attraktiv sein. Hier können sich unsere Leistungen sehen lassen. Nach vier Jahren rot-grüner Re- gierungspolitik richtet sich der öffentliche Personenver- kehr erheblich stärker nach den Bedürfnissen und Wün- schen der Kunden aus als je zuvor. Das ist für uns durchaus Programm. Unsere Handschrift sieht man über- all dort, wo in den rechtlichen Rahmenbedingungen Kun- denrechte im öffentlichen Personenverkehr gewahrt, aber vor allem auch immer weiter differenziert und ausgebaut wurden. Damit werden wir fortfahren. Nur wenn es ge- lingt, komfortable, flexible und differenzierte Angebote zu entwickeln und mit neuer sozialer Bedeutung zu ver- sehen, wird der öffentliche Personenverkehr mehr sein als nur eine schmale Scheibe im Modal-Split. So werden schon heute die Beförderungsbedingungen als allgemeine Geschäftsbedingungen an den geltenden Verbrauchergesetzen gemessen. Mit der seit Januar gel- tenden Schuldrechtsmodernisierung haben Verbraucher- verbände die Möglichkeit, auch für Fahrgäste individuelle Ansprüche gegen den Verkehrsunternehmer einzuklagen. Und schließlich haben wir die Haftungshöchstgrenzen verdoppelt. Vordringlich brauchte der ÖPV aber auch klare finanzi- elle Rahmenbedingungen, um den Ausbau, die Moderni- sierung und die Anpassung der Verkehrsinfrastruktur an die gestiegenen Erfordernisse weiter vorantreiben zu können. Ein verlässliches, solides Finanzierungskonzept ist für die wirtschaftlich Tätigen im Bereich des ÖPV wichtig. Bundestag und Bundesrat haben die Novelle des Regio- nalisierungsgesetzes beschlossen und damit den Ländern, SPNV-Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen ei- nen planbaren und sicheren Finanzrahmen gegeben; die Mittel nach dem Regionalisierungsgesetz erreichen ein Rekordniveau. Damit sind bestellte Leistungen gesichert und auch manche neue Leistung wie Streckenreaktivie- rungen im Schienenverkehr realisierbar geworden. Das sage ich als Rheinland-Pfälzer auch mit Dankbarkeit. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25223 (C) (D) (A) (B) Insgesamt liegt das finanzielle Engagement des Bun- des in diesem Jahr bei mehr als 8,4 Milliarden Euro: Regionalisierungsmittel 6,745 Milliarden Euro, GVFG- Mittel 1,677 Milliarden Euro. Die Regionalisierungsmit- tel werden um jährlich 1,5 Prozent erhöht und steigen auf 7,266 Milliarden Euro. Trotz der Konsolidierungsnot- wendigkeiten des Bundeshaushaltes wurden in 2002 die Regionalisierungsmittel gegenüber der alten Rechtslage um mehr als eine halbe Milliarde Euro erhöht. Da Konkurrenz – in einem geordneten Rahmen – be- kanntlich für günstigere Preise und bessere Qualität sorgt, haben wir für mehr Wettbewerb auf der Schiene gesorgt. Neue Bahnbetreiber finden zunehmend ihren Weg auf den Trassen der DB Netz. Auch das nutzt dem Verbraucher- schutz. Daher werden wir die Bahnreform kontinuierlich fort- führen. Die Vergabe der Trassen an Wettbewerber der Deutschen Bahn AG wird diskriminierungsfrei ausgestal- tet. Die Kartell- und Eisenbahnaufsichtsbehörden arbei- ten sinnvoll zusammen. Die öffentliche Hand zieht sich nicht aus der Sanierung des Streckennetzes zurück. Wo notwendig, werden die finanziellen Mittel bereit gestellt. Die Verkehrsinvestitionen steigen im nächsten Jahr auf 12 Milliarden Euro. Attraktiver wurde der öffentlichen Personenverkehr ohne Frage auch durch die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale, die die Bundesregierung in das Einkommensteuergesetz eingeführt hat. Das heutige und noch mehr das erwartete Mobilitäts- wachstum setzen aber auch eine gleichgewichtigere Ar- beitsteilung der Verkehrsmittel voraus. Das überdurch- schnittliche Wachstum der Verkehrsnachfrage bis 2015 – im Personenverkehr 20 Prozent und im Güterverkehr 64 Prozent gegenüber 1997 – kann nur bewältigt werden, wenn dabei der öffentliche Schienenverkehr insgesamt noch leistungsfähiger und noch attraktiver wird. Das abgelaufene Jahr war für die Verkehrsunterneh- men zwar durchaus ein Erfolg. Mehr als 9 Milliarden Fahrgäste, das ist ein Plus von deutlich über 1 Prozent. Oder anders ausgedrückt: Über 27 Millionen Menschen nutzen täglich den ÖPNV und ersparen uns rund 19 Mil- lionen PKW-Fahrten pro Tag. Dies darf aber nicht den Blick davor verstellen, dass der Marktanteil von Bussen und Bahnen – gemessen an allen Mobilitätsaktivitäten der privaten Haushalte – bundesweit nur bei rund 10 Prozent liegt. Das entspricht in etwa der Quote des Radverkehrs. Dies sind natürlich Durchschnittswerte. Wir wissen zum Beispiel, dass der ÖPNV-Anteil in Großstädten mit über 500 000 Einwohnern zwischen 13 und 31 Prozent liegt; in Kleinstädten mit 50 000 bis unter 100 000 Ein- wohnern bewegt sich der Anteil zwischen 5 und 19 Pro- zent. Marktuntersuchungen zeigen, dass der ÖPV sein Kun- denpotenzial bei weitem nicht ausschöpft. Die Qualitäts- offensive richtet sich daher in erster Linie an die Ver- kehrsunternehmen. Hier bleibt noch einiger Raum, den Verbraucherschutz zu verbessern und den ÖPV für die Fahrgäste auch weiterhin noch attraktiver zu gestalten. Aber auch die Bundesregierung wird ihr Möglichstes tun, um die Kundenrechte zu verbessern, wo sich dies als notwendig erweist. Um dies zu ermöglichen, fordern wir die Bundesregierung zu einer umfassenden Bestandsana- lyse der bestehenden Rechtssituation auf. Auch und ge- rade im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern und den europäischen Nachbarländern soll eine Optimierung der deutschen Kundenrechte vorbereitet werden. Bei aller Freude über die Fortschritte auf dem Markt steht eines aber völlig außer Frage: Wettbewerb darf keine Verschlechterung der sozialen Bedingungen im ÖPV mit sich bringen. Dumpinglöhne, Dumpingpreise und nied- rige soziale Standards passen nicht zum Anspruch, die Qualität des ÖPV im Sinne des Kunden zu verbessern. Si- cherstellung und weiterer Ausbau eines qualitativ hoch- wertigen ÖPV bedeutet eine klare Absage an einen reinen Preiswettbewerb mit Lohn- und Preisdumping. Die Qualitätsoffensive der rot-grünen Bundesregie- rung setzt den Maßstab für einen zeitgemäßen und ver- braucherfreundlichen öffentlichen Personenverkehr. Ge- meinsam werden wir mit den im ÖPV Aktiven ‘das Verkehrssystem der Zukunft erfolgreich gestalten. Stimmen sie unserem Antrag zu! Jella Teuchner (SPD): Berufspendler auf dem Weg zur Arbeit, Unternehmer unterwegs zum Geschäftstermin oder Familien in Richtung Sonne und Meer – für sie alle ist mobil zu sein Freiheit und gleichzeitig auch Notwen- digkeit. Der öffentliche Personenverkehr leistet einen wichtigen Beitrag für diese Mobilität, gerade auch als um- weltfreundliche Alternative zum Auto und als Entlastung der Straßen und Ballungszentren. Wir haben hier schon einige Male darüber diskutiert, wie wir insbesondere den öffentlichen Personennahver- kehr im Wettbewerb der Verkehrssysteme stärken können. Mit unserem heute vorliegenden Antrag wollen wir errei- chen, dass diese Diskussion auch aus der Sicht des Ver- braucherschutzes und der Kundenrechte geführt wird. Wir können zum einen feststellen, dass die Kunden im öffentlichen Personenverkehr mehr Rechte haben – zum Beispiel gegenüber der Bahn –, als immer wieder glauben gemacht wird. Zum anderen zeigen häufige Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbrauchern, dass der öffent- liche Nahverkehr nicht als unkomplizierte Alternative zum eigenen Auto angesehen wird. Wir wollen deshalb eine Qualitätsoffensive für den öf- fentlichen Personenverkehr initiieren. Bahnen und Busse sollen attraktiv und leistungsfähig sein. Dazu fordern wir die Bundesregierung auf, eine umfassende Bestandsauf- nahme vorzulegen. Gemeinsam mit den Verkehrsunter- nehmen und den Verbraucherverbänden wollen wir zum einen klären, wo Handlungsbedarf besteht, zum anderen wollen wir für diese Bereiche dann Lösungen entwickeln. Ziel ist ein zeitgemäßes und verbraucherorientiertes Fahr- gastrecht. Wir brauchen diese Bestandsaufnahme. Wir können feststellen, dass in dieser Legislaturperiode einige Ver- besserungen auf den Weg gebracht wurden: Mit dem 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vor- schriften sind die Haftungshöchstgrenzen verdoppelt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225224 (C) (D) (A) (B) worden, wird bei den Haftungshöchstgrenzen nicht mehr zwischen den Verkehrsträgern unterschieden und wurde ein verschuldensunabhängiger Schmerzensgeldanspruch auch bei der Vertragshaftung eingeführt. Es gibt mittler- weile einen Anspruch auf einen barrierefreien Zugang zum öffentlichen Personenverkehr für Menschen mit Be- hinderungen. Mit der Umsetzung des COTIF-Abkom- mens haben wir die Erstattung der Übernachtungskosten für Reisende geregelt, die eine Reise nicht mehr am sel- ben Tag fortsetzen können. Das Unterlassungsklagegesetz gibt den Verbraucherzentralen das Recht, individuelle An- sprüche von Verbrauchern auch im Verkehrsbereich ein- zuklagen. Wir wollen, dass von diesen Verbesserungen ausge- hend geprüft wird, wo weitere rechtliche Maßnahmen notwendig und möglich sind. Die Verbesserung der haf- tungsrechtlichen Situation von Fahrgästen bei mangeln- der Leistung und die Einrichtung von unabhängigen Schlichtungsstellen sind zwei der Eckpunkte, die bei dieser Bestandsaufnahme berücksichtigt werden müs- sen. Weitere sind die Harmonisierung der Vorschriften zwischen den Verkehrssystemen und zwischen den EU- Mitgliedstaaten und die Bereitstellung von Fahrplanaus- künften auch über die Angebote konkurrierender Unter- nehmen. Der öffentliche Personenverkehr ist eine sinnvolle Al- ternative zum Individualverkehr. Attraktiv ist er aber nur mit kundenorientierten Verkehrsunternehmen und einem zeitgemäßem Fahrgastrecht. Die Qualitätsoffensive, die wir starten wollen, wird dafür sorgen. Michael Meister (CDU/CSU): Das Gebiet des öffent- lichen Personenverkehrs ist auf der Landkarte des Ver- braucherschutzes ein weißer Fleck und für Sie, meine sehr verehrten Kollegen von den Koalitionsfraktionen, offen- sichtlich ein rotes Tuch. So wurde der Antrag der Unions- fraktion „Verbraucherschutz im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs noch immer unzureichend“, der für eine nachhaltige Stärkung der Fahrgastrechte plädiert, im Verbraucherschutz-Ausschuss mit den Stimmen von Rot- Grün abgelehnt. Ich frage Sie: Wozu gibt es einen Aus- schuss für Verbraucherschutz, wenn dieser alles andere als verbraucherfreundlich votiert? Nun, reichlich spät, legt Rot-Grün einen Antrag zur „Qualitätsoffensive im öffentlichen Personenverkehr“ vor, um auf den Zug der Verbraucherschützer aufzusprin- gen und sich in der Rolle als Anwalt der Kundenrechte zu gefallen – ein durchschaubares und opportunes Manöver kurz vor der Wahl, zumal vor dem Hintergrund der Ab- stimmung im Verbraucherschutz-Ausschuss. Für Fahrgäste des öffentlichen Personenverkehrs, ins- besondere für Zugreisende, sieht die gegenwärtige Rechts- lage wirklich nicht rosig aus. Und das gilt nicht nur für den Fall, wenn die Bahn eben mal nicht kommt. Allzu oft noch müssen sich die Kunden in öffentlichen Verkehrs- mitteln als „Beförderungsfall“ denn als gleichberechtigter Vertragspartner im Verhältnis zum Beförderungsunter- nehmen betrachten. So hat ein Zugreisender – trotz eines in anderen Branchen vergleichsweise hohen Verbraucher- schutzniveaus weder einen Anspruch auf Minderung des Fahrpreises noch auf Rücktritt, wenn er eine mangelhafte Leistung erhält. Der Fahrplan – ein Vorschlag ohne Gewähr! Bei Verspä- tungen oder Zugausfall ist bestenfalls Kulanz gefragt. So besagt nämlich der noch heute gültige § 17 der Eisenbahn- Verkehrsordnung von 1938: „Verspätung oder Ausfall eines Zuges begründen keinen Anspruch auf Entschädigung“. Dies ist eine Vorschrift aus dem tiefsten Vorgestern, die zwar der Bahn, aber ganz und gar nicht dem Kunden zu- gute kommt. Aber selbst noch so umfangreiche Kulanzleistungen von Verkehrsunternehmen können einen gesetzlichen Rahmen nicht ersetzen, der für einen effektiven und modernen Ver- braucherschutz im öffentlichen Personenverkehr sorgt. Wenn sich Rot-Grün nun in dem Antrag zur „Qualitätsof- fensive im öffentlichen Personenverkehr“ unter anderem damit rühmt, dass man das Protokoll betreffend der Än- derung des Übereinkommens über den internationalen Ei- senbahnverkehr in nationales Recht umgesetzt habe, so kann hiervon eine durchgreifende Verbesserung des Ver- braucherschutzes mitnichten erwartet werden. Die dort geregelte Erstattung der Übernachtungskosten greift näm- lich nicht, wenn die Eisenbahn kein Verschulden trifft, und das ist oft der Fall. Es ist nun wirklich an der Zeit, das Rechtsverhältnis zwischen Fahrgast und Verkehrsunternehmen neu zu defi- nieren und den Verbrauchern im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs rechtliche Möglichkeiten an die Hand zu geben, die in anderen Rechtsgebieten selbstverständlich sind. Zum Inhalt eines notwendigen Reformkonzeptes – sprich: eines neuen Rechtes des Beförderungsvertrages – gehört unter anderem, dass die Rechtslage für die Benut- zung von Bussen und Bahnen einheitlich gestaltet wird. Auch eine umfängliche Kontrolle von Allgemeinen Ge- schäftsbedingungen in Beförderungsverträgen ist sicher- zustellen, damit die Rechte der Fahrgäste nicht unange- messen beschnitten werden. Ein neu definiertes Personenbeförderungsrecht muss aber vor allem grundsätzlichen Haftungsprinzipien Gel- tung verschaffen. Hierzu gehört unter anderem, dass we- gen Verspätung – bei Überschreiten einer bestimmten Zeitspanne – ein Teil oder der gesamte Fahrpreis zu er- statten ist. Die Bundesregierung hatte bisher herzlich wenig dem Diktat von Bahnchef Mehdorn entgegenzusetzen. Wich- tige Fragen des Verbraucherschutzes wurden lange Zeit nicht gestellt und werden erst jetzt ansatzweise, aber dafür medienwirksam entdeckt. So setzt sich beispielsweise Verbraucherschutzministerin Künast mit dem Artikel „Der Mitropa-Mord“, erschienen in der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“ vom 1. Juli 2002, in nostalgischer, ja geradezu verklärter Weise für den Erhalt der Speisewagen in Zügen der Deutschen Bahn ein. Die Ministerin verkauft den Speisewagen nicht nur als unverzichtbaren Bestand- teil einer Bahnfahrt. Vielmehr rückt der Speisewagen bei ihr gar mit ins Zentrum einer Marketing-Strategie beim „Markenprodukt Bahn“. Frau Künast übersieht an dieser Stelle jedoch, dass diese spezielle – und von ihr emotional bediente – Frage nicht im Einflussbereich der Politik steht und somit auch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25225 (C) (D) (A) (B) außerhalb dessen, was die Bundesregierung konkret für den Verbraucher tun kann. Nur nebenbei sei bemerkt, dass selbst das Bundesverkehrsministerium die Auffassung vertritt, dass das Thema Erhalt oder Abschaffung der Speisewagen allein in den Kompetenzbereich der Deut- schen Bahn AG fällt. Verbraucherschutz bleibt bei dieser Regierung eben ein Modewort, das von ihr nicht mit Substanz ausgefüllt wird. Es fehlt die Kompetenz für nachhaltige Lösungen sowie ein ganzheitlicher politischer Ansatz. Wenn man einmal auf die nun auslaufende Amtszeit von Bundes- ministerin Künast zurückblickt, so ähnelt sie eher einer Geschichte von „Pleiten, Pech und Pannen“. Verbrau- cherschutz – gerade auch im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs – ist eine politische Aufgabe, die vor allem neue Konzepte erfordert. Die Unionsfraktion hat im Übrigen mit ihrem Verbraucherschutzpapier ein in sich geschlossenes und tragfähiges Konzept vorgestellt. Eine unionsgeführte Bundesregierung wird den Verbrau- cherschutz nach dem 22. September zu einer zentralen Säule ihrer Politik machen. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mo- bilität wird immer wichtiger – sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich. Wir wollen sie umweltver- träglich und kundenfreundlich gestalten. Deswegen ha- ben wir uns in der rot-grünen Bundesregierung für eine Stärkung der umweltfreundlichen Verkehrsmittel wie Bahn und Fahrrad eingesetzt und deswegen beschäftigen wir uns heute mit dem Thema Verbraucherschutz und Kundenrechte in Bus und Bahn. Denn häufig werden genau diese Themen – Verbrau- cherschutz und Kundenrechte – vernachlässigt. Dies zei- gen aktuelle Beispiele: Die Bahn schafft ihre Speisewa- gen ab – ein deutlicher Qualitätsabbau. Es spricht auch nicht für einen guten Kundenservice, wenn ein regionales Kundencenter 6 000 Beschwerden monatlich für „nor- mal“ hält. Weitere Beispiele für mangelnden Service: Auf kleinen Bahnhöfen verschwinden Sanitäranlagen, Warte- hallen werden dichtgemacht. Große Bahnhöfe werden zu Shopping-Meilen, soziale Einrichtungen wie die Bahn- hofsmission werden verdrängt. Ziel unseres Antrags ist es, einen hohen Qualitäts- standard für Bus und Bahn zu garantieren und so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Wir wollen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel zuverlässiger, schneller, be- hindertengerechter und attraktiver gestaltet werden. Denn nur so, als moderne und kundenfreundliche Dienstleister, können sich öffentliche Verkehrsmittel bei den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern durchsetzen. Mit unserer Initiative zur Qualitätssicherung wollen wir neue Akzente setzen und so den öffentlichen Perso- nenverkehr stärken und ausbauen. Denn er ist, neben dem Fahrrad, die umweltfreundlichste Alternative zum Auto. Unser Ziel ist die Förderung der umweltfreundlichen Ver- kehrsträger. Die rot-grüne Bundesregierung hat bereits viel zur Stärkung umweltfreundlicher Verkehrsmittel getan. Wir haben die Investitionsmittel für die Schiene um 50 Pro- zent erhöht und sie den Straßeninvestitionen gleichge- stellt. Wir haben die Mittel für den Nahverkehr erhöht. Wir haben die LKW-Maut eingeführt, um den Güterver- kehr wieder auf Schiff und Schiene zu bringen. Wir haben die verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale eingeführt sowie einen Masterplan Fahrrad aufgestellt. All dies unterstützt die umweltfreundlichen Alternativen zum Auto. Mit Erfolg: Die Fahrgastzahlen bei den öffent- lichen Verkehrsmitteln steigen jährlich. Doch neben all diesen Rahmenbedingungen sind Ser- vice und Kundenfreundlichkeit Voraussetzung dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher Bus und Bahn als Alternative zum Auto akzeptieren und sie als selbstver- ständliche, alltägliche Transportmittel schätzen. Wer kennt nicht die Situation, in der Bahnfahren zur Improvisationskunst wird? Verspätungen, Ausfälle, über- füllte Züge und verpasste Anschlüsse erfordern von den Verbrauchern häufig Flexibilität und Organisationstalent. Mit unserer Qualitätsoffensive wollen wir erreichen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesen Fällen ei- nen Anspruch auf angemessene Behandlung haben. Wie beispielsweise im Flugverkehr soll es auch bei Bus und Bahn Normalität sein, dass Fahrgäste entschädigt werden, wenn Verspätungen und Ausfälle für sie zu Schwierigkei- ten und zusätzlichen Kosten führen – zum Beispiel, wenn Termine nicht wahrgenommen werden können. Die Rechte der Fahrgäste müssen ausgebaut und an die höheren, besseren Standards in anderen europäischen Ländern angepasst werden. Dazu gehört beispielsweise auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher an Bahnhöfen und Busstationen umfassende Informationen über Fahrpläne und Tarife erhalten. Das beinhaltet auch Informationen über andere Verkehrsträger und Verkehrs- unternehmen. Zur unbürokratischen und vereinfachten Regelung von Verbraucheransprüchen sollen unabhän- gige Schlichtungsstellen eingerichtet werden. Hier sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Probleme und Kritik loswerden und Schadensersatzforderungen stellen können. Anders als die CDU/CSU schaffen wir mit unserem Antrag eine Grundlage, die realistisch ist und nicht un- überschaubare Risiken für die Verkehrsträger mit sich bringt. Denn wir wollen weiterhin preisgünstige Ver- kehrsmittel – die Vorschläge von CDU/CSU führen zu ei- ner ausufernden Haftungsregelung. Die Folgen sind hohe Versicherungskosten für die Bahn und Preiserhöhungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Zudem berücksichtigt der Antrag der CDU/CSU nicht die aktu- elle und bereits verbesserte Gesetzeslage, die die rot- grüne Bundesregierung geschaffen hat. Den von uns skizzierten Weg zu mehr Kundenservice, Qualität und Verbraucherschutz im öffentlichen Verkehr gilt es nun weiterzuentwickeln und in konkrete und pra- xistaugliche Vorschläge umzusetzen. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Kurz vor Schluss der Legislaturperiode und zu ausgesprochen „fernsehge- rechter“ Zeit berät das Hohe Haus wieder einmal über Probleme der Deutschen Bahn. Bezeichnenderweise ha- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225226 (C) (D) (A) (B) ben beide Anträge – auch wenn sie inhaltlich zunächst nichts miteinander zu tun haben – aus Sicht der Liberalen doch eine große Gemeinsamkeit. Die Probleme wären nicht oder zumindest nicht so ausgeprägt vorhanden, wenn es auf Schienenwegen endlich echten Wettbewerb um Qualität und damit auch im wohlverstandenen Sinne den Kampf um den König Kunde gäbe. Die Verbesserung des Verbraucherschutzes für Bahn- kunden ist wichtig, auch die Konzentration aller Rechts- ansprüche auf ein Gesetz – es wird allerdings nicht viel nützen, wenn der Kunde bei aller Schlechtleistung der Bahn immer wieder als Anbieter auf den Schienenwegen nur die Bahn zur Verfügung hat. Hier muss endlich der Wettbewerb Einzug halten und damit der von uns seit lan- ger Zeit angestrebte Grundsatz der Trennung von Netz und Betrieb stattfinden und damit der diskriminierungs- freie Zugang von anderen Mitbewerbern zum Schienen- netz. Überall da, wo dieser Wettbewerb stattgefunden hat, wo die Bahn sich mit anderen messen muss, wird sie in der Leistung besser und ist das Angebot des Mitbewerbers bereits besser als das der Bahn; denn wie sonst könnte in fast allen Fällen auf einmal eine signifikante Steigerung der Kundennachfrage verzeichnet werden? Dies gilt erst recht und noch verstärkt beim Ausbau der Schienenwege. Zwar legt der Deutsche Bundestag das Bundesschienenwegeausbaugesetz fest, aber wenn der Ausbau der Schienenwege im Wesentlichen ausschließ- lich an der Geschäftspolitik und damit dem Interesse ei- nes einzigen Nachfragers, nämlich der Deutschen Bahn, ausgerichtet ist, wird auch dort die fehlende Alternative deutlich. Beim Netz muss vor allen Dingen der diskrimi- nierungsfreie Zugang möglich sein und damit die Wahlal- ternative für den Kunden beziehungsweise der Zwang ge- genüber den Anbietern, sich auf Kundenwünsche zu konzentrieren. Wenn die Bahn weiterhin in der Lage ist, Mitbewerber, wie zum Beispiel Connex, durch Trassen- zuweisungen mit der doppelten Fahrzeit gegenüber DB- Zügen zu benachteiligen, wird sich grundsätzlich im Ver- halten der Bahn gegenüber dem Kunden sowohl im Haftungsrecht als auch bei der Bedienung bestimmter Bahnhöfe im Wesentlichen nichts ändern. Mannheim und Darmstadt haben Besseres verdient! Wir plädieren des- halb nachhaltig dafür, endlich den Grundsatz der Heraus- lösung der Schiene aus dem Verbund der Bahn AG poli- tisch umzusetzen. Dazu wird uns die 15. Periode Gelegenheit bieten und wir werden das dann tatkräftig in Angriff nehmen. Ich wünsche allen noch Anwesenden einen erfolgreichen Wahlkampf. Soweit das auf die Regierungskoalitionsfrak- tionen zutrifft, sollte er aber nicht zu erfolgreich sein. Christine Ostrowski (PDS): Dieser Tagesordnungs- punkt wurde von den Koalitionsparteien aufgesetzt. Der- art kurz vor „Torschluss“ hat dies natürlich den Geruch ei- nes „Schaufenster-Antrags“. Immerhin hat sich vier Jahre lang beim Thema Verbraucherschutz real wenig getan, so wie zuvor 16 Jahre lang die CDU/CSU-geführten Regie- rungen hier kaum Fortschritte zu verzeichnen hatten – und nun ihrerseits heute einen interessanten Antrag vorlegen. Die Frage, die sich für uns stellt, lautet: Handelt es sich wenigstens um gute Schaufensteranträge? Dem CDU/ CSU-Antrag können wir uneingeschränkt zustimmen. Er enthält sinnvolle konkrete Forderungen. Das einzige, was uns beim Abgleich mit den Forderungen der Fahrgastver- bände auffiel, ist das Fehlen des Vorschlags nach „unab- hängigen Ombudsleuten“. Damit sind wir beim entschei- denden Antrag, dem von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Eine Reihe von Passagen in diesem Antrag stellen eine er- hebliche Selbstbeweihräucherung dar. Ganz offensicht- lich wird hier schlicht auf den Termin 22. September ge- zielt. Drei Beispiele sollen dies illustrieren: Erstens. SPD und Grüne verbreiten in dem Antrag reichlich Eigenlob unter Verweis auf die Novelle des Re- gionalisierungsgesetzes und des „Rekordniveaus“; auf das mit diesem Gesetz die Mittel für den ÖPNV der Länder angehoben worden seien. Tatsächlich geht es laut Gesetz und laut Gesetzesnovelle um Mittel für den Schienenper- sonennahverkehr. Es müsste also „SPNV“ statt „ÖPNV“ heißen. Richtig ist, dass es in diesem Gesetz nur die Be- stimmung gibt, wonach diese Mittel so weit wie möglich für diesen Zweck – den SPNV – eingesetzt werden sollen. Vor 1998 forderten die Grünen, dass daraus eine zwin- gende Vorschrift gemacht werden muss. Jetzt blieb das weiter offen –, sodass immer mehr Länder diese Mittel für den ÖPNV auf Straßen, also für Busverkehr, einsetzen. Damit wird aber die eigentliche Zielsetzung des Regiona- lisierungsgesetzes zunehmend unterlaufen. Und dies wird bekanntlich noch von der Bahn „orchestriert“, indem sie einen Abbau der Nebenstrecken betreibt, indem sie so- eben so genannte Regionalfaktoren als Zuschlag auf die Trassenpreise bei Nebenstrecken beschloss, womit sich der SPNV gerade hier verteuern und perspektivisch auf die Straße verlagern wird. Das heißt: Wir können dieses Lob auf die Bundesregierung in diesem Punkt nicht teilen. Denn es stellt einen weiteren Verlust von Verbraucher- schutz im öffentlichen Verkehr dar, wenn der SPNV wei- ter abgebaut und zunehmend durch Busse ersetzt wird. Der Weg von Busverkehr zum motorisierten Individual- verkehr ist dann immer meist ein kurzer. Zweitens. SPD und Bündnis 90/Die Grünen feiern sich in dem Antrag, weil mit dem jüngst beschlossenen neuen Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men- schen ein „Anspruch auf einen barrierefreien Zugang zum öffentlichen Verkehr“ verbunden sei. Doch dieser An- spruch steht vor allem auf dem Papier. – Real gibt es keine entsprechenden Umsetzungspläne, wie die öffentlichen Verkehrsmittel barrierefrei umgebaut werden sollen bzw. ab wann es zumindest nicht mehr möglich sein wird, öf- fentliche Verkehrsmittel anzuschaffen, die keinen barriere- freien Zugang bieten. Wir hatten in der letzten Sitzungs- woche einen Antrag zum entsprechenden Umbau des Wagenparks der DB AG und zugleich zum Erhalt der Bahnwerke eingebracht. Doch ebendieser präzise Antrag wurde im Bundestag abgelehnt, auch mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Drittens. SPD und Grüne feiern sich mit diesem Antrag als Verbraucherschützer, weil „der Fahrgast bereits heute einen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch auf Beförde- rung hat, was sich aus § 10 AEG ergibt, sodass die Beför- derung nicht ohne zwingende Gründe verweigert werden kann“. Eine ähnliche Passage findet sich zwei Spiegelstri- che weiter in demselben Antrag, wonach die Fahrgäste im Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25227 (C) (D) (A) (B) Fall von Verspätungen oder Zugausfall bereits jetzt „ent- geltfrei mit dem nächsten günstigen Zug ... zurückkehren“ könnten. Einmal abgesehen davon, dass diese Rechte be- reits heute in der Praxis für die durchschnittlichen Fahrgäs- te realitätsfern sind, möchte ich Sie bitten, einen Blick in die nicht allzu ferne Zukunft zu werfen. Das neue Bahn- preissystem PEP, das am 15. Dezember 2002 „scharfge- schaltet“, so Mehdorn, wird und das vom SPD-Bundesmi- nister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen genehmigt wurde, steht diesen den Verbraucher schützenden Regeln diametral entgegen. Der bei diesem neuen Preissystem vor- gesehene wachsende Anteil von Reservierungen wider- spricht im Grunde der „Beförderungspflicht“ aus § 10 AEG bzw. führt diese durch die Macht des Faktischen – volle Züge, alles reserviert usw. – ad absurdum, zumal mit PEP das Spontanfahren, also die spontane Wahrnehmung des Rechts auf diese Beförderungspflicht, erheblich verteuert wird und damit diese gesetzliche Bestimmung über den Preis ausgehebelt wird. Vergleichbares gilt dann für das entgeltfreie Zurückfahren. Auch da nutzt Ihnen das pure Recht wenig, wenn diese Züge bahnpreissystembedingt schlicht proppevoll sind. Unsere Bilanz lautet demnach: Die nach vorne gerich- teten Vorschläge im Antrag von SPD und Grünen können wir unterstützen. Aufgrund der genannten problemati- schen Teile und der allgemeinen Beweihräucherung einer Verkehrspolitik unter SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die wir in keiner Weise teilen, werden wir uns bei dem An- trag enthalten. Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Daseinsvor- sorge in der sozialen Marktwirtschaft (Tagesord- nungspunkt 10) Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Die Aktualität des von den Kollegen der FDP aufgegriffenen Themas der Da- seinsvorsorge ist unbestritten. Auch in meiner Fraktion wächst das Bedürfnis, zur Privatisierung, der Entstaatli- chung oder der wirtschaftlichen Betätigung der Kommu- nen stärker sachorientiert und weniger ideologisch bzw. ressortegoistisch zu diskutieren. Das ist auch verständ- lich, sehen sich doch vor allem Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker zunehmend mit neuen Heraus- forderungen konfrontiert, die neue Antworten erfordern. Teilweise werden sie aber allein schon wegen der prekären Finanzlage vor Ort mit kaum abwendbaren Tat- sachen konfrontiert, mit denen verantwortungsbewusst umgegangen werden muss. Durch die Liberalisierungs- und Privatisierungsbestre- bungen der Europäischen Union und des Bundes werden zusehends Aufgaben, die traditionell im Verantwortungs- bereich der öffentlichen Hand lagen, für den Wettbewerb geöffnet. Unternehmen der privaten Wirtschaft aus dem In- und Ausland entdecken den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, als profitablen und wachsenden Markt und stehen bereit, die gesamte Ver- und Entsorgung von Städten, Gemeinden und Landkreisen zu übernehmen. In- folge dieser Entwicklung stehen die Art und Weise der Er- füllung öffentlicher Aufgaben sowie die ökonomische Zu- kunftsfähigkeit kommunaler Unternehmen mehr und mehr zur Disposition. Das widerspricht eindeutig dem Gebot der Subsidiarität – der Wahrnehmung von Aufgaben möglichst nah an den Bürgerinnen und Bürgern, also auf der kom- munalen Ebene, die diese am besten lösen kann. Daseinsvorsorge gehört zum Wesensgehalt der kom- munalen Selbstverwaltung. Daseinsvorsorge als Aufgabe der öffentlichen Hand und insbesondere der Kommunen entstand im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, der Bevölkerungszunahme, der Verstädterung und der Entste- hung von Ballungsgebieten. Daseinsvorsorge sind ge- meinwohlorientierte Leistungen der Kommunen für ihre Einwohnerinnen und Einwohner – unter demokratischer Kontrolle und in vielfältigen, anpassungsfähigen und de- zentralen Strukturen. Soweit kommunale Dienstleistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge am Gemeinwohl orientiert sind, kann und darf betriebswirtschaftliches Kalkül nicht das allein entscheidende Kriterium dafür sein, ob eine entspre- chende Dienstleistung privatisiert wird. Unlängst war es erst zu erleben: Mit der Liberalisierung im Strombereich purzelten die Preise. Aber: Sind niedrige Preise für den „bunten“ Strom der Privatanbieter ein Gewinn für das Ge- meinwesen? Nein, diese Privaten bedienen sich riesiger Atom- und Braunkohlenkraftwerke, oft Hunderte Kilo- meter entfernt. Da können Stadtwerke mit ihrer umwelt- freundlichen Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopp- lung, KWK, vor Ort nicht mithalten. Umwelt und regionale Wirtschaft haben das Nachsehen. Die öffentliche Verantwortung der Kommunen für das Funktionieren der Daseinsvorsorge aber bleibt bestehen. Es gibt eine kommunale „Reservedienstleistungspflicht“ bei Ausfall eines Kraftwerks, bei Konkurs eines Händlers oder bei Ausfall von Fernleitungen. Eine Kommune haftet für den privaten Betreiber wie für einen Erfüllungsgehilfen. Auch der so genannte Querverbund wird infrage ge- stellt. Also der steuerliche Ausgleich zwischen Sparten mit Gewinn, zum Beispiel im Energiegeschäft, und Verlusten bei anderen wichtigen Aufgaben der Daseinsvorsorge, zum Beispiel beim Öffentlichen Personennahverkehr. Er ermöglicht den kommunalen Verkehrsbetrieben, ihr Defi- zit von insgesamt 3,2 Milliarden Euro wenigstens zu hal- bieren. Finanziert wird auf diesem Wege ebenfalls man- cher Sozialpass. Wenn diese Möglichkeit entfiel, hätten die kommunalen Haushalte und die Bevölkerung das Nachsehen. Dabei ist aber schon heute absehbar, dass die vorgesehene europaweite Ausschreibung von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen eine Vormachtstellung der großen privaten Unternehmen bringen wird – höhere Preise und ausgedünnte Angebote dürften das Resultat sein. Hier sei an die Privatisierung der Post und die danach folgende Schließung von Postfilialen erinnert. Außerdem: Die Preise für Billig-Strom beginnen bereits zu klettern. Warum also sollen die Kommunen nicht Betriebe und Gesellschaften besitzen, die gewinnbringend sind? Warum sollen diese an die Privatwirtschaft verscherbelt werden? Ein Verkauf ist immer ein Verlust an stetigen Einnahmen, aber auch an sozialen Möglichkeiten, wie die in manchen Städten und Landkreisen entstandenen Transport GmbHs verdeutlichen. Als private Töchter öffentlicher Verkehrs- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225228 (C) (D) (A) (B) verdeutlichen. Als private Töchter öffentlicher Verkehrs- betriebe stellen sie vor allem Fahrpersonal, Busse und Bahnen. Die Löhne der Beschäftigten liegen etwa ein Drit- tel unter dem Tarif des öffentlichen Dienstes. Es bestätigt sich, was die Gewerkschaft ÖTV bereits in den 80er-Jahren sah: Die Privatisierung erfasst gerade Ar- beitnehmergruppen, die ohnehin wenig verdienen. Ihr Einkommen liegt nach der Privatisierung zumeist deut- lich niedriger. Arbeitszeit und Arbeitssicherheit sind dras- tisch schlechter, Einflussmöglichkeiten und Mitbestim- mungsmöglichkeiten erheblich geringer: Von hundert durch Privatisierung im öffentlichen Dienst betroffenen Arbeitsplätzen werden 30 bis 50 vernichtet; noch stärker gilt das für Ausbildungsplätze. Mit einem Wort: Privatisierungen dürfen die Fähigkeit der Kommunen, sozial und ökologisch zu regulieren, nicht beeinträchtigen. Eine Kommune ist kein Konzern, sondern ein öffentlicher Dienstleister, und sie muss den sozialen Ausgleich garantieren. Wenn öffentliche Dienstleistungen dem freien Spiel des Marktes überlassen werden, geht das oft zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Demokratische Steuerungs- und Kontrollrechte der gewählten Kommunalvertretungen bleiben bei Privatunternehmen weitgehend auf der Strecke. Kein privater Schwimmbad-Betreiber kann vom Stadtrat zu Sondertarifen für sozial Schwache verpflichtet werden. Kein Käufer kommunaler Wohnungen muss be- gründen, warum er nicht an Kinderreiche vermietet, kein privater Anbieter von Weiterbildungskursen kann ge- zwungen werden, Deutschkurse für türkische Mitbürge- rinnen und Mitbürger anzubieten ... Es ist so: Wenn die öffentliche Hand Aufgaben aus- gliedert, dann herrscht in dem davon betroffenen Bereich die Logik der Privatwirtschaft. Geschäftszweck ist nicht vorrangig das öffentliche Wohl, sondern vor allem die Ge- winnmaximierung. Preisgestaltung, ortsnahe und damit bürgernahe Verwaltungs- und Betriebsstrukturen, regio- nale Wirtschaftskreisläufe und ökologische Aspekte kön- nen dabei leicht ins Abseits geraten. Öffentliche Daseinsvorsorge bedeutet aber auch, für die künftigen Generationen lebenswerte Bedingungen in den Kommunen zu gestalten. Ökologische Aspekte dür- fen nicht unter die Räder geraten: Im Gegenteil: Sie zu berücksichtigen wird immer wichtiger. Mir geht es nicht um ideologische Grabenkämpfe, wenn das Engagement der Privatwirtschaft im öffentlichen Sek- tor diskutiert wird. Wenngleich es manche nicht wahrhaben wollen: Die demokratischen Sozialisten haben längst den Markt als effizientes Instrument für das Wirtschaftsleben akzeptiert. Wir wollen, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen auch auf neuen Geschäftsfeldern möglich wird. Wir plädieren für eine stärkere Kooperation der Stadtwerke. Ebenso befürworten wir neue Formen part- nerschaftlicher Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, bei denen es durchaus zu Reduzie- rungen von Kosten, Verwaltungsaufwand, Bauzeiten, at- traktiven Finanzierungsmodellen und zur Effizienzsteige- rung kommen kann. Wir sagen aber deutlich: Der Markt braucht Rahmen und Grenzen, die politisch gesetzt werden müssen, damit es nicht zu einer Kommerzialisierung aller Lebensberei- che kommt. Als Kritiker einer maßlosen Privatisierungseuphorie sage ich: Kommunale Unternehmen sind und bleiben für die Grundversorgung unbedingt erforderlich. Wenn schon privatisiert werden muss, so kann das nur vor Ort entschie- den werden. Dazu müssen die Wirtschaftlichkeit detailliert geprüft und alle maßgeblichen politischen, sozialen und ökologischen Folgen abgewogen werden. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf die öffentliche Grundversor- gung verlassen können, egal, wer die Leistung anbietet. Bei der Versorgung mit lebenswichtigen Dienstleistun- gen und Gütern – vom sauberen Wasser über eine Konto- verbindung für jedermann bis hin zum Nahverkehr – soll- ten nach Auffassung der PDS mindestens folgende Grundsätze gewahrt werden: Ein gleichwertiger, diskriminierungsfreier und kosten- günstiger Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger; ein ausreichendes Angebot, das in angemessener Qualität, dauerhaft und flächendeckend sowohl in städtischen Bal- lungsräumen als auch in ländlichen Gebieten zur Verfü- gung steht; Transparenz der öffentlichen Verantwortung für die Dienstleistungen und damit auch demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten; die Berücksichtigung des Umweltschutzes und die Sicherung der natürlichen Le- bensgrundlagen für die zukünftigen Generationen. Die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen eröffnet – wie der Verkauf von Grundstücken und Betei- ligungen, von kommunalem „Tafelsilber“ – keinen dauer- haften Ausweg aus der kommunalen Finanzmisere. Diese resultiert hauptsächlich aus der Schieflage bei den Fi- nanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommu- nen. Und diese fehlerhafte Konstruktion kann nur durch eine grundlegende Kommunalfinanzreform gelöst wer- den. Die Erwartungen der Kommunen an die neue Bun- desregierung und an den 15. Deutschen Bundestag sind hierzu riesengroß. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Antrag: Stärkung von Prävention und Ge- sundheitsförderung – Antrag: Prävention umfassend stärken – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Zuschusses zu ambulanten medizinischen Vorsorgeleistungen – Antrag: Für eine leistungsfähige und bezahl- bare Gesundheitsversorgung (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 5) Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Mit dem heutigen Gesetz zur Verbesserung des Zuschusses zu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25229 (C) (D) (A) (B) ambulanten medizinischen Vorsorgeleistungen folgt der letzte Akt der Wiedergutmachung für das seehofersche Vernichtungsprogramm. Denn klar ist: Die Menschen in Deutschland, Patientinnen und Patienten, die vielen Tau- sende von Fachkräften, die in Reha-Einrichtungen ar- beiten, haben und werden nicht vergessen, was ihnen der Kompetenz-Mann Seehofer 1996 und 1997 angetan hat. Die Menschen haben sehr schnell erkannt, dass das Ge- setz für mehr Wachstum und Beschäftigung ein Etiketten- schwindel ersten Ranges war. Statt mehr Wachstum und Beschäftigung hat das Vernichtungsprogramm die ambu- lanten Vorsorge- und Reha-Maßnahmen halbiert. Darüber hinaus hat das Gesetz für mehr Wachstum und Beschäfti- gung für den Verlust von zig Zehntausenden Arbeitsplät- zen gesorgt. Es hat zur Schließung von rund 200 Reha- Kliniken geführt. Bei dieser Vorgeschichte stellt sich nur noch eine Frage: Wie kommen Sie, Herr Fink, eigentlich dazu, sich unser Gesetz, dem Sie sich in letzter Minute angeschlos- sen haben, unter die Nägel zu reißen zu wollen? In einem Punkt haben Sie Recht: Die Änderungen – wie Sie so schön formuliert haben – entsprechen den langjährigen Forderungen der Kurbetriebe, aber – um das allerdings klar zu machen – nicht denen der CDU/CSU. Sie versu- chen, sich mit fremden Federn zu schmücken und aus Op- portunismus die wahre Ursache zu verschweigen: Sie ha- ben nicht einmal den Mut zu den seehoferschen Fehlern der Vergangenheit zu stehen. Denn klar ist: Erstens. Die Ursache dieser „berechtig- ten Forderungen der Kurorte“ war das seehofersche Ver- nichtungsprogramm. Zweitens. Das Glück für die Men- schen kam mit dem politischen Wechsel 1998. Die Wiedergutmachung nach der seehoferschen Kahlschlag- politik wurde sofort mit den Koalitionsverhandlungen ein- geleitet und Stufe für Stufe verwirklicht. Zu unseren Leis- tungen zählen: Erstens. Die Flexibilisierung der Dauer von Reha-Maßnahmen. Das bedeutet den Wegfall der Drei- wochen-Regelung. Zweitens. Die Absenkung der Zuzah- lungen durch die Patienten. Drittens. Die Qualifizierung von Ärzten zur besseren Nutzung von Präventions- und Reha-Maßnahmen. Unsere Gesetze haben gegriffen. Wenn wir Ihre aktuellen Klimmzüge betrachten, macht sich bei uns ein anderer Eindruck breit: Sie von der Op- position sind allem Anschein nach von den Folgen Ihrer eigenen Programmatik eingeholt worden. Nachdem Sie 1996 die Prävention aus dem Pflichtkatalog der Kranken- kassen gestrichen hatten, kam nun nach vier Jahren die große Erleuchtung, dass der demographische Wandel im Gesundheitswesen für mehr Lebensqualität und Lebens- verlängerung bei gleichzeitiger Kostenreduktion nur durch Prävention zu schaffen ist. Dass Rehabilitation ein wichtiger Teil der Prävention ist, steht ja außer Zweifel. Also entstand durch die neuen Erkenntnisse Handlungs- druck bei Ihnen. Man hat dabei den Eindruck, als habe die CDU/CSU in den Geschichtsbüchern ihrer eigenen Ministerinnen und Minister nachgelesen, da doch Frau Lehr den Kernsatz ge- prägt hat: „Jede Mark, die für Rehabilitation ausgegeben wird, spart 3 Mark in der Krankenbehandlung.“ Dass die- ser Kernsatz natürlich auch für Euros gilt, braucht nicht erwähnt zu werden. Aber alleine die Tatsache, sich an die letzte Stufe der Wiedergutmachtung dranzuhängen, macht aus einem Saulus keinen Paulus. Das einzig Erfreuliche an der Reue der Spätberufenen ist, dass es trotz Wahl- kampfzeiten nicht bei einem Bekenntnis bleiben dürfte, sondern dass durch die Öffnung unsererseits für einen ge- meinsamen Antrag die Chance für die Menschen gestie- gen ist, dass das Gesetz auch den Bundesrat passiert und nicht zu einem Blockadeopfer wird. Aber was bleibt, ist die Angst und die offene Frage: Trägt diese Ihre Haltung auch für die Zukunft? Diese Frage stellt sich für uns Sozialdemokraten nicht. Es steht außer Zweifel, dass die Glaubwürdigkeit der SPD für die Zukunft Sicherheit garantiert. Wir Sozialdemokraten set- zen auf Solidarität, Chancengleichheit beim Zugang und auf ein Mehr an Qualität. Dagegen sind die gesundheits- politischen Ziele der CDU/CSU von Selbstbehalten und Abwahlleistungen geprägt. Aber Sie werden es noch zu spüren bekommen: Ihre Abwahlleistungen werden die Bürgerinnen und Bürger nicht wie eine Katze im Sack kaufen. Also, heraus mit der Sprache: Sagen Sie, welche Leis- tungen Abwahlleistungen werden sollen. Werden Sie wei- terhin sprachlos bleiben, müssen die Menschen davon ausgehen, dass auch die ambulante Badekur als Abwahl- leistung auf Ihrer Liste ganz obenan steht. Soweit aller- dings werden wir es nicht kommen lassen. Es kommt für Sie noch dicker: Die Menschen werden sich durch ihre Entscheidung am 22. September dieses Jahres selbst schützen, durch ihre Entscheidung für die Regierungskoa- lition. Ein Vernichtungsprogramm in der Nachkriegszeit reicht. Gestatten Sie, dass ich aber auch an dieser Stelle Dank sage für den sehr offenen Diskurs mit den Beteiligten. Dieser Diskurs hat sich für alle Beteiligten gelohnt, weil wir unser Gesetz strukturell verbessert haben. Durch das Gesetz wird der Höchstbetrag des täglichen Zuschusses, den die Krankenkassen zu ambulanten Vorsorgeleistun- gen in anerkannten Kurorten gewähren können, von 8 Euro auf 13 Euro erhöht. Hierdurch tragen wir der ge- stiegenen Bedeutung medizinischer Vorsorgeleistungen in der gesundheitlichen Versorgung der Versicherten Rechnung. Die Zugangssperren werden damit wie in den von uns neu geregelten Bereichen beseitigt. Wir haben den Grundsatz „ambulant vor stationär“ damit noch ein- mal unterstrichen. Wir haben durch die Erhöhung des Zuschusses von 16 auf 21 Euro auch den speziellen Bedürfnissen von Fa- milien und damit von Kindern Rechnung getragen, indem der Zuschuss für chronisch kranke Kinder deutlich über dem Normalzuschuss liegt. Der Grundsatz, dass die Zeit für die Maßnahme nicht mit dem Rasenmäher bemessen wird, sondern dass die individuelle Indikation als Maß- stab gilt, wird jetzt auch bei den ambulanten Badekuren Realität. Denn wir heben die Regeldauer von drei Wochen auf und verkürzen das Wiederholungsintervall von vier auf drei Jahre. Wir sorgen für Qualität. Wir gehen davon aus, dass die schon geltenden Be- stimmungen der §§ 135 a und 137 d SGB V auch für die Leistungserbringung der ambulanten Badekur ihre An- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225230 (C) (D) (A) (B) wendung finden; insbesondere jene Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementmaßnahmen nach § 135 a 2., deren Ziel die Verbesserung der Ergebnisqualität ist. Wir sind sicher, dass unser Maßnahmenpaket dazu führen wird, dass viel mehr Menschen als bisher die ambulanten Vorsorgeleistungen in Anspruch nehmen werden. Nun ist das „Gesundheitstrainingslager Kur“ auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel wieder erreichbar. Dies wiederum wird nicht nur die Gesundheit der Men- schen verbessern, sondern auch eine Verbesserung bei den Ausgaben der Krankenkassen für die Krankenbehandlung bewirken. Damit haben wir dieses traurige Seehofer-Ka- pitel nun mit der letzten Stufe, Stufe für Stufe korrigiert. Dieses traurige Kapitel war geprägt von der gesundheits- politischen Dummheit der CDU/CSU und FDP. Damit haben wir unser Ziel, den Grundsatz „Reha vor Pflege“ beziehungsweise „Reha vor Rente“ durchgehend zu ver- ankern, erreicht. Helga Kühn-Mengel (SPD): Vorbeugen ist besser als heilen. Das wissen wir alle von Kindesbeinen an. Wir wis- sen auch, dass das Gesundheitswesen in Deutschland auf- grund demographischer und sozialer Entwicklungen, der wirtschaftlichen Situation, des wissenschaftlichen Fort- schritts sowie des Wandels im Krankheitsspektrum vor großen Herausforderungen steht. Internationale und nationale Studien belegen, dass die- sen Auswirkungen insbesondere durch eine Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung begegnet wer- den kann. Dies würde die Gesundheit und die individuelle Lebensqualität langfristig verbessern. Langfristig könnten zusätzliche Behandlungskosten eingespart werden. Prof. Dr. Schwartz geht von Einsparungen bis zu 30 Prozent aus. Die SPD hat sofort nach Regierungsantritt gehandelt: Unser Ziel war und ist: weg vom Reparaturbetrieb, hin zu einem Gesunderhaltungsbetrieb. Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU, schmücken sich mit fremden, mit rot-grünen Federn, wenn Sie in Ihrem Antrag behaup- ten, dass der politischen Urheberschaft für die Forderung nach mehr Prävention der CDU-Stempel aufgedrückt werden kann. Richtig ist natürlich, dass die rot-grüne Regierung § 20 in der Gesundheitsreform 2000 reanimiert hat, nachdem der alte § 20 unter Seehofer nach einer nur wenige Jahre dauernden Existenz im SGB V am 13. September 1996 ein jähes Ende gefunden hatte. Wenn die CDU heute im- mer noch im Zusammenhang mit § 20 Sätze wie „Kran- kenkassen finanzieren Bauchtanz“ skandiert, zuletzt hier im Plenum am 7. Juni 2002, dann wissen wir, wie ernst die Christdemokraten sich des Themas annehmen. In dem heute hier von der CDU vorgelegten Alibi-An- trag muss man auch das Kleingedruckte lesen. Hier ist dann die wahre christdemokratische Ideologie zu finden: „Anreizsysteme“ und „Bonussysteme“. Damit sind wir dann wieder schnell bei dem Deckmäntelchen der Eigen- verantwortung. Patientinnen und Patienten werden wie- der stärker belastet, die Gesundheitsversorgung soll pri- vatisiert, Belastungen sollen auf die Kranken verschoben werden. Damit werden letztendlich Leistungen wie die Prävention ausgegrenzt. Das ist mit uns nicht zu machen. Prävention muss frei- willig und zuzahlungsfrei erfolgen. Derzeit sind die Ausgaben der GKV für Prävention im- mer noch auf 4,5 Prozent der Gesamtaufgaben be- schränkt. Das ist viel zu wenig. Da sind wir uns ja wohl alle einig. Wir wollen, dass die Prävention – neben der Therapie, der Rehabilitation und der Pflege – als vierte Säule unser Gesundheitswesen trägt. Die Stärkung und Neuformulierung des § 20 SGB V war der erste Schritt, die Beauftragung des Sachverstän- digenrates der nächste. Der erste Band des Sachverstän- digenrates hebt drei für die gesundheitspolitische Debatte neue Aspekte hervor: Erstens. Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zweitens. Prävention verlängert nicht nur das Leben und verbessert die Lebensqualität, sie kann auch zu Ein- sparungen verhelfen. Drittens schließlich fördert Prävention generell einen besseren Gesundheitsstatus und vermeidet Folgekosten. Um diese Erkenntnisse umsetzen zu können, hat die Bundesministerin für Gesundheit mit dem „Runden Tisch im Gesundheitswesen“ die Arbeitsgruppe 5 „Stärkung der Prävention“ eingerichtet – ein entscheidender Schritt, um über die mittel- bis langfristigen Probleme im Gesund- heitswesen mit den Beteiligten in einen Dialog einzutre- ten und Lösungen im Konsens zu erarbeiten. Damit haben wir die Möglichkeit geschaffen, das Thema „Prävention und Gesundheitsförderung“ auf Bun- desebene konzeptionell und praktisch so zu diskutieren, dass Handlungsaufforderungen gemeinsam formuliert wer- den können. Es ist richtig und wichtig, zunächst die Grün- dung des „Forums Prävention und Gesundheitsförderung“ voranzutreiben, um die von der AG 5 aufgeworfenen Fra- gen und Vorschläge mit allen Akteuren zu diskutieren. Dass wir alle Voraussetzungen schaffen, die Prävention zur gleichberechtigten Säule des Gesundheitssystems zu machen, ist gut. Wir haben Prävention in vielen Poli- tikfeldern verankert. Aktionsbündnisse wie „Allergie- prävention“ und „Umwelt und Gesundheit“ sowie das Forschungsprojekt „Gesund altern – Stand der Prävention und entwicklungsergänzender Präventionsstrategien“ sind hier zu nennen. Wir haben aber auch dafür gesorgt, dass der Vorrang der Prävention vor Rehabilitation und Rente im neuen SGB IX verankert wird. Der bundesweite Kinder- und Ju- gendsurvey soll Daten liefern. Wir werden mit dem „Fo- rum Gesundheitsziele.de“ Ziele auch für den Bereich Prävention festlegen. Damit legen wir zum ersten Mal ei- nen klaren Rahmen fest: Was können wir bis wann und was müssen wir im Bereich Prävention erreichen? In einem ganz wichtigen gesellschaftlichen Bereich ha- ben wir die Prävention stärker manifestiert: Weil frühzeiti- ges Erkennen von Problemen und eine frühzeitige Interven- tion langfristige gesundheitliche und soziale Schäden deutlich reduzieren können, haben wir die Prävention in den Vordergrund unserer Sucht- und Drogenpolitik gestellt. Sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25231 (C) (D) (A) (B) ist eine der vier tragenden Pfeiler der Suchtpolitik. Folgende Maßnahmen können hier beispielhaft genannt werden: „Kinder stark machen“ , „inside@school“, „Klasse 2000“, „Be smart – don’t start“ und „Den Tabakkonsum senken“. Aber auch in anderen Bereichen der Gesundheitspolitik haben wir Prävention durch Vorsorge und Früherkennung zum wichtigen Bestandteil unseres Gesundheitssystems gemacht. Frühzeitige Intervention hilft, Krankheiten zu verhindern oder zumindest Folgen zu lindern. Nennen möchte ich hier die häufigste Krebserkran- kung bei Frauen, den Brustkrebs. Wir haben diese Krank- heit nicht nur in die Desease-Management-Programme und in Gesundheitsziele.de aufgenommen; wir haben mit unserem Antrag auch die Selbstverwaltung verpflichtet, bis 2003 ein flächendeckendes Früherkennungspro- gramm auf dem höchsten Qualitätsniveau, den europä- ischen Leitlinien, einzuführen. Nicht zu vergessen: Wir wollen auch die Präventionsforschung stärken, zum Bei- spiel auch beim Brustkrebs. Wir nehmen Prävention ernst. Wir wollen nicht wie die CDU durch mehr Eigenverantwortung den Beitragszah- lern tiefer in die Tasche greifen und dies Eigenverantwor- tung nennen. Wir haben in dieser Legislatur wichtige Maßnahmen ergriffen und Voraussetzungen geschaffen, um ein umfassendes Präventionskonzept zusammen mit allen beteiligten Akteuren zu schaffen und in allen Berei- chen des Gesundheitssystems zu verankern. Wir tun dies auf der Basis wissenschaftlicher Daten, der vielfältigen Erfahrungen der Verbände und Selbsthilfeorganisationen sowie der am Runden Tisch erzeugten Ergebnisse, wenn nötig auch mithilfe eines entsprechenden Gesetzes. Ulf Fink (CDU/CSU): Im Mittelpunkt der heutigen Be- ratung stehen der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion „Prävention umfassend stärken“ und der Antrag der Regierungsfraktionen „Prävention und Stärkung von Ge- sundheitsförderung“. Beide Anträge befassen sich also mit einem Thema, das bei der nächsten Gesundheits- reform eine zentrale Stelle einnehmen wird. Beide An- träge verfolgen den Zweck, der Prävention im deutschen Gesundheitswesen einen ganz neuen Stellenwert ein- zuräumen. Trotz derselben Zielrichtung beider Initiativen und zahl- reicher Übereinstimmungen in der Sache ist es leider nicht gelungen, sich auf einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag zu verständigen, was ich ausdrücklich bedauere. Of- fenkundig stieß die Forderung der CDU/CSU-Bundestags- fraktion nach einem einheitlichen Bonussystem für gesund- heitsbewusstes Verhalten bei der Regierungskoalition auf keine Gegenliebe. Dies ist umso erstaunlicher, da Bundesgesundheitsminis- terin Ulla Schmidt erst kürzlich in Aussicht gestellt hat, ge- sundheitsbewusstes Verhalten durch Befreiung von Zuzah- lungen künftig belohnen zu wollen. Anscheinend ist die Bundesgesundheitsministerin in dieser Frage schon we- sentlich weiter als die Regierungsfraktionen, die glauben, es sei allein mit der Veränderung der Lebensverhältnisse getan, um zu einem Mehr an Gesundheit zu gelangen. Die- ser Ansatz greift jedoch zu kurz. Kein Gesundheitswesen in der Welt kann darauf verzichten, dass sich jeder Einzelne auch selbst um seine Gesundheit kümmert. Das heißt, ohne das Zutun des Einzelnen ist jeder präventive Ansatz zum Scheitern verurteilt. Die Union bleibt bei ihrer Überzeu- gung, dass dafür die richtigen Anreize gesetzt und gesund- heitsbewusstes Verhalten auch belohnt werden muss. Nach vielen Beratungen und nach der von der Union beantragten und am 26. Juni 2002 durchgeführten öffent- lichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages lässt sich Folgendes festhalten: Wenn wir nicht wollen, dass die Krankenkassenbeiträge wegen des demographischen Wandels und des rasanten medizinisch- technischen Fortschritts von jetzt 14 Prozent auf 20, 25 und mehr Prozent im Jahre 2030 steigen, kommen wir nicht daran vorbei, schon jetzt umzusteuern und auf die Ver- hinderung von Krankheiten zu setzen statt wie bisher fast ausschließlich auf die Kuration von Krankheiten. Das heißt, in der Stärkung der Prävention liegt der Schlüssel, um die Herausforderungen an das Gesund- heitssystem des 21. Jahrhunderts zu bestehen. Experten gehen nämlich davon aus, dass sich durch verstärkte In- vestitionen in lang- und mittelfristige Prävention theore- tisch 25 bis 30 Prozent der heutigen Gesundheitsausgaben in Deutschland vermeiden ließen. Das ist ein gewaltiges Einsparpotenzial! Neben dem ökonomischen Argument gibt es auch ein ethisches: Ein Gesundheitswesen, das dafür sorgt, dass die Menschen erst gar nicht krank werden, sondern so lang wie möglich gesund bleiben, hat seinen Namen erst verdient. Darin sind wir uns parteiübergreifend einig. Die politische Urheberschaft für die Forderung nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung unseres Gesund- heitswesens in Richtung auf mehr Prävention ist der Union zuzuschreiben: Die Gesundheitsreformkommis- sion „Humane Dienste“ der CDU hatte bereits im Juli 2001 als Zwischenergebnis ihrer Reformüberlegungen die „Gleichstellung von Prävention und Rehabilitation mit der Kuration“ gefordert und als Eckpfeiler ein „um- fassendes, ressortübergreifendes Aktionsprogramm Prävention“ und die „Schaffung eines eigenständigen Bundes-Präventionsgesetzes“ vorgeschlagen. Die CSU hat in ihrem Programm „Gesundheitspolitik für das neue Jahrhundert“ vom August 2001 einen wesentlichen struk- turellen Mangel unseres Gesundheitssystems in der unzu- reichenden Gewichtung der Prävention und in der Über- betonung der Kuration erkannt. Offenbar waren die Vorschläge von CDU und CSU die eigentliche Initialzündung für die im Herbst 2001 unter- breiteten Thesen des von der Bundesgesundheitsministe- rin Schmidt einberufenen „Runden Tisches“, der eigent- lich nur beim Thema Prävention etwas Verwertbares zustande gebracht hat. Es bleibt die Frage, was in der nächsten Legislatur- periode zu tun ist. Erstens. Wir brauchen ein umfassendes Aktionspro- gramm, das sich nicht auf die gesetzliche Krankenversi- cherung beschränkt. Es wäre ein grundlegender Fehler, wenn man die Prävention lediglich einem Bereich, näm- lich dem durch Beiträge finanzierten gesetzlichen Kran- kenversicherungssystem, überantworten würde. Die ge- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225232 (C) (D) (A) (B) setzliche Krankenversicherung spielt zwar eine wichtige Rolle, aber sie allein oder eine Reform von § 20 SGB V kann das Problem nicht lösen. Hier müssen Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam an einem Strang ziehen, Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen und als solche auch vermitteln. Zweitens. Der Bund ist im Rahmen seiner gesetzgeberi- schen Kompetenzen zuständig für die gesetzliche Kranken- versicherung, die Unfallversicherung, das Bundessozialhil- fegesetz und den Arbeitsschutz, um nur einige Bereiche zu nennen. Es ist an der Zeit, die weit verstreuten und völlig un- abgestimmten Begriffe der Prävention, die überall in diesen Bereichen auftauchen, zusammenzuführen und begrifflich zu harmonisieren. Dies sollte in Form eines Bundespräven- tionsgesetzes erfolgen. In dieselbe Richtung zielt ja auch der Antrag der Regierungskoalition. Drittens. Selbstverständlich muss die gesetzliche Krankenversicherung in diesem Zusammenhang ihren Beitrag leisten und sich quasi zur Speerspitze einer neuen Präventionsbewegung machen. Nur auf die Verhältnis- prävention zu setzen, anstatt auch die Verhaltenspräven- tion mit einzubeziehen wäre zu kurz gesprungen. Das heißt, wir müssen den Menschen auch Anreize setzen, sich gesundheitsbewusst zu verhalten. Das Bonusheft beim Zahnersatz ist ein gelungenes Beispiel für einen richtig gesetzten Anreiz. Aber wir müssen über diesen An- satz hinausgehen, indem wir Personen, die sich gesund- heitsbewusst im Sinne der Prävention verhalten, zum Bei- spiel von bestimmten Zuzahlungen befreien oder ihnen einen Teil ihrer Beiträge zurückerstatten. Eine unionsgeführte Bundesregierung wird die ge- nannten Vorschläge in die Tat umsetzen und damit die Prävention zu einer tragenden Säule unseres Gesund- heitswesens ausbauen. Ein Wort noch zu dem Thema Kuren, das ebenfalls Ge- genstand dieser Debatte ist. Erfreulich ist, dass wir während der Ausschussberatungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Zuschusses zu ambulanten medizinischen Vorsorgeleistungen im Konsens miteinan- der zwei wesentliche Verbesserungen für den Kurbereich beschlossen haben: Zum einen haben wir uns darauf ver- ständigt, dass die Zuschusshöchstgrenze bei ambulanten Kuren von momentan 8 Euro täglich auf nunmehr 13 Euro täglich erhöht werden soll. Für chronisch kranke Klein- kinder soll der Zuschuss von derzeit 16 Euro auf künftig 21 Euro erhöht werden. Darüber hinaus soll die vorge- schriebene Regeldauer von derzeit drei Wochen für am- bulante Kuren entfallen und das Wiederholungsintervall für ambulante Kuren von vier auf drei Jahre verkürzt wer- den. Beide Gesetzesänderungen entsprechen langjährigen Forderungen der Kurbetriebe und können als echter Durchbruch gewertet werden. Der Kurbereich zeigt, dass die Menschen bereit sind, et- was für ihre Gesundheit zu tun. Er zeigt weiterhin, dass die Menschen auch bereit sind, einen erheblichen Teil aus ihrem persönlichen Portemonnaie beizutragen. Die Aufgabe der Gesellschaft ist es, hier die richtigen Anreize zu setzen. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn heute alle Fraktionen, alle Gesundheitspolitikerin- nen und Gesundheitspolitiker sowie die gesamte Fach- welt sich darin einig sind, dass Deutschland ein Defizit an Prävention aufweist, dann ist das alles andere als beruhi- gend. Aber es ist insofern erfreulich, als zu erwarten steht, dass sich jede Regierung nach dem 22. September dieses Jahres dem Aufbau eines Gesundheitsberichterstattungs- systems und der Neuschaffung von Lehrstühlen für Prä- ventionsforschung widmen wird. Es ist deutlich, dass Prä- vention sowohl eine ärztliche als auch eine allgemeine politische Aufgabe geworden ist, die als neue Säule in ei- nem zukunftsfähigen, freien und sozialen Gesundheits- wesen nicht fehlen darf. So wissen wir nicht erst seit heute, dass Armut krank macht, dass die Chancen und Fähigkeiten, individuell ge- sundheitsbewusst zu leben, sehr stark von der sozialen Schicht und Bildung, aber auch von geschlechtsspezi- fischen, kulturell gebundenen Rollenbildern und Lebens- haltungen abhängen. Im Einzelnen ist bekannt, dass alle Stoffe zu Drogen wer- den können, seien es Essen, Rauchen, Trinken, Joggen – ja, selbst der Gesundheitswahn kann manische Züge anneh- men. Aber gleichfalls ist bekannt, durch welche einfachen Aktivitäten der öffentlichen Hand, zum Beispiel Mund- und Zahngesundheit bei Kindern, Verbesserungen er- reicht und Prävention, zum Beispiel durch Impfschutz, betrieben werden kann. Alle, die sich schon einmal mit Kommunalpolitik be- fasst haben, wissen, was Verkehrsplanung, Städtebau wie auch Naherholung, Freizeit- und Sportangebote mit Ge- sundheit der Menschen zu tun haben. So gehört eine auf- geklärte Sucht- und Drogenpolitik genauso zum integra- len Bestandteil von Prävention wie aufsuchende, sozialmedizinische Angebote in einer fortschrittlichen Gesamtstrategie nicht weiterhin fehlen dürfen. Ich erlaube mir, so allgemein über Prävention zu spre- chen, um anzudeuten, dass Präventionsstrategien in der Horizontalen wie in der Vertikalen zu entwickeln und dort, wo sie in Ansätzen oder ausgeprägten speziellen Be- reichen, beispielsweise Sekundärprävention, schon exis- tiert, zu einer sektoren- und ressortpolitikübergreifenden Integration zusammenzuführen sind. Auch muss deutlich werden, dass Prävention etwas anderes ist als Früherken- nung und dass Prävention auch Bestandteil effizienter Be- handlungsstrategie bei manifesten Krankheiten sein kann. Wie auch das gelungene Beispiel HIV- und Aids- prävention zeigt, muss gleichfalls deutlich werden, vor welchen Krankheiten das Individuum sich selber tatsäch- lich durch Verhaltensänderung schützen kann. Welchen Anteil ein emanzipatorisches Gesundheitsverständnis und die Kommunikation einer solchen Politik hat, zeigt sich sehr schön an eben der „Gib Aids keine Chance“-Kam- pagne. Noch fehlt uns in Deutschland eine so starke Selbst- hilfe- und Betroffenenbewegung im großen Feld der psy- chiatrischen Krankheiten wie das bei HIV der Fall ist. Hier, das zeigt die jüngste Anhörung zur „25 Jahre Psy- chiatrie-Enquete“, bleiben die Politik, die Forschung, die Arbeitswelt und ganz einfach das allgemeine Wissen und die Kenntnis sowie frühzeitige Kenntnisnahme der Krankheitsbetroffenheit noch weit hinter den Möglich- keiten und Notwendigkeiten zurück, die wir Menschen mit diesen Krankheiten schuldig sind. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25233 (C) (D) (A) (B) Neben der individuellen Verhaltensänderung muss der überindividuellen Verhältnisprävention ein weitaus stär- keres Gewicht zukommen als bislang. Die daraus resul- tierenden Aufgaben zu erfüllen, ist naturgemäß der Ge- sellschaft selber überantwortet. Daher müssen politisch vereinbarte Gesundheitsziele denn auch bei allen Träge- rinnen und Trägern öffentlicher Belange Bezugspunkt ih- rer Entscheidungen sein. Auch müssen Unglaubwürdigkeiten der Politik selber überwunden werden. Tabakwerbung, Subventionen und Steuereinnahmen, Steuererhöhungen auf gesundheits- schädlichen Konsum, um Rüstungsausgaben und Out-of- area-Einsätze der Bundeswehr zu finanzieren, sind, wie der falsche „Krieg gegen Drogen“, geeignet, der Politik Doppelmoral vorzuwerfen. Wenn Gesundheitsziele als Selbstverständnis heutiger Politik gelten sollen, darf der Staat nicht daran verdienen wollen, dass sie nicht einge- halten werden. Wenn wir eine neue Säule aufbauen und die bestehenden Ansätze verstärken und vernetzen, wenn alte Leistungs- träger, Patientinnen- und Patientenverbände, Kommunen, Ärzteschaft und Kostenträger sich daran beteiligen sollen und Qualitätsstandards eingeführt und überprüfbarer ge- macht werden sollen, dann muss auch eine Regierung diese Gesundheitsziele in all ihren Ressorts zu einer Stim- migkeit und aus bestehenden Widersprüchlichkeiten und Gegenläufigkeiten herausführen. Alle Rednerinnen und Redner haben heute und werden heute noch viele wichtige Anregungen zur Verbesserung mit Problembewusstsein und Tiefenschärfe vortragen. Mir liegt daran, dass Prävention und ökologisch soziale Ge- sundheitspolitik eines nicht zu fernen Tages auch einmal zu den Kernsätzen einer Regierungserklärung gehören. Detlef Parr (FDP): In meiner letzten Rede dieser Legis- laturperiode in dreieinhalb Minuten zu drei Anträgen und ei- nem Gesetzentwurf Stellung nehmen zu müssen, ist symp- tomatisch für die gesundheitspolitischen Debatten: Sie waren fast immer von Kurzatmigkeit und Hektik geprägt. So entdeckten die großen Fraktionen kurz vor Tores- schluss noch die Bedeutung der Prävention in Form zweier Anträge, die nicht mehr als Absichtserklärungen darstellen und die Frage der Finanzierung völlig offen lassen. Das gilt vor allem für die weit gehenden Vorstellungen von SPD und Grünen, die wir in dieser Form ablehnen. Den Forderungen der Union im Hinblick auf eine notwendige Bestandsaufnahme aller Aktivitäten im Bereich der Prävention, einer Definition von Zielvorstellungen und ei- nes durchgängigen Anreizsystems in der GKV für gesund- heitsbewusstes Verhalten stimmen wir dagegen zu. Wir alle kennen die aktuellen Finanzierungsengpässe der GKV, die ihren Grund hauptsächlich in der planwirt- schaftlichen Ausrichtung der Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung hat. Wir setzen uns deshalb bei der Ver- besserung ambulanter medizinischer Vorsorgeleistungen nicht für die einfallslose Erhöhung des Zuschusses ein, sondern wollen die Bewilligung ambulanter Gesundheits- vorsorge in anerkannten Kurorten stärker an den medizi- nischen Notwendigkeiten ausrichten. Deshalb fordern wir eine Aufhebung der starren Regelung von Wiederho- lungsintervallen. Wir wollen eine zielgerichtete Unter- stützung und Fürsorge für diejenigen ermöglichen, die die Hilfe der Solidargemeinschaft dringend brauchen. Wir müssen die Leistungen der gesetzlichen Kranken- versicherung auf die wesentlichen Notwendigkeiten kon- zentrieren. Das ist eine Kernforderung unseres Antrags für eine leistungsfähige und bezahlbare Gesundheitsver- sorgung. Wir wenden uns gegen einen überbordenden Versorgungsstaat, der reglementiert und budgetiert und dirigiert. Wir wollen unser Gesundheitssystem in die Frei- heit entlassen – weniger Staat, mehr Markt! Und das ge- lingt nur, wenn wir mehr Eigenverantwortung von allen Akteuren einfordern und der Selbstbestimmung des Ein- zelnen – sei er Versicherter, Patient oder Leistungserbrin- ger – mehr Raum geben. Dazu gehören Wahlfreiheiten und Gestaltungsspielräume. Dazu gehören fairer Wettbe- werb und Transparenz. Und dazu gehört eine Antwort auf die Frage: Was können und wollen wir zukünftig solida- risch absichern? Unser Gesundheitssystem steht Kopf. Wir müssen es nach dem 22. September wieder auf die Füße stellen. Das gelingt nur, wenn wir ordnungspolitisch neue Wege gehen und die Schutzbedürftigkeit des Einzelnen in einer Soli- dargemeinschaft vor dem Hintergrund seiner Leistungs- fähigkeit neu definieren. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Systematische Unterschät- zung und Unterentwicklung der Prävention, von Gesund- heitsförderung und Krankheitsvorbeugung zählt zu den grundlegenden Schwächen des Gesundheitswesens der Bundesrepublik. Die Präventionsdebatte wird überwie- gend auf – zum Teil ungenügend evaluierte – Maßnahmen der medizinischen Früherkennung bzw. auf Zurückdrän- gung individuellen Fehlverhaltens reduziert. Im Ergebnis dessen werden bis heute lediglich 4 bis 5 Prozent aller Gesundheitsausgaben für präventive Zwecke verwendet. Die Verantwortlichkeiten liegen bei einer Vielzahl von Akteuren, die weit gehend unkoordi- niert tätig und insgesamt wenig effektiv sind. Die gesetz- lichen Grundlagen sind über viele Regelungswerke ver- teilt und oft kaum miteinander abgestimmt. Selbst die vorhandenen – insgesamt zu geringen – Potenziale kön- nen auf diese Weise nicht zielgerichtet wirksam werden. Die PDS hat das sowohl in ihren programmatischen Aus- sagen zur Gesundheitspolitik als auch in den einschlägi- gen parlamentarischen Auseinandersetzungen immer wieder zur Sprache gebracht. Deshalb kann nur begrüßt werden, wenn es jetzt – wie in beiden Anträgen ausgeführt – um einen neuen Stellen- wert für die Prävention gehen soll. Die Vorschläge der Unionsfraktion, die Lage zu analysieren, Zielvorstellun- gen zu entwickeln, die gesetzlichen Grundlagen zu har- monisieren und zu einem auch finanziell untersetzten Aktionsprogramm Prävention zu kommen, weisen zwei- fellos in die richtige Richtung. Das Gleiche lässt sich von den Forderungen im Antrag der Koalitionsfraktionen sa- gen, die unter anderem auf ein „Forum Prävention und Gesundheitsförderung“, auf dauerhafte Organisations- strukturen und auf die Entwicklung entsprechender Ge- sundheitsziele hinauslaufen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225234 (C) (D) (A) (B) Interesse verdient der auf beiden Seiten enthaltene Ge- danke, zu gegebener Zeit analog zur Reha-Gesetzgebung zu einem eigenen Präventionsgesetz im Rahmen des Sozialge- setzbuches zu kommen. Festzuhalten ist auch das Bekennt- nis in beiden Anträgen zur Prävention als einer ressortüber- greifenden Aufgabe. Daran kann angeknüpft werden. Für beide Initiativen gilt allerdings, dass sie über pla- kative Absichtserklärungen nicht hinausgehen. Sie sind offensichtlich schnell fertig gestellt worden, bleiben le- diglich an der Oberfläche und dienen insgesamt mehr Wahlkampfzwecken. Entsprechenden politischen Willen auf allen Seiten vorausgesetzt, kann man sie aber als Ein- stieg in eine ernsthafte parlamentarische und darüber hin- ausgehende Beschäftigung mit diesem wichtigen Thema betrachten. Die PDS fordert seit langem, dass Prävention einen völ- lig neuen Stellenwert erhalten muss. Dabei darf sie nicht einseitig auf medizinische Maßnahmen und Zurückdrän- gen individuellen Fehlverhaltens reduziert werden. Es ist bekannt, dass Menschen mit geringem Einkommen, weni- ger Bildung und mangelnder sozialer Integration deutlich häufiger krank sind und eine niedrigere Lebenserwartung haben. Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, soziale Ausgrenzung und Entwurzelung sowie Umweltzerstörung begünstigen somatische und seelische Krankheiten sowie vorzeitigen Tod. Viele dieser Krankheiten resultieren aus Lebens-, Arbeits- und Umweltverhältnissen, die der Ein- zelne nicht oder kaum beeinflussen kann. Nach unserer Auffassung ist Prävention deshalb eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe und muss sich sowohl auf Verhalten als auch auf Verhältnisse beziehen. Das Handeln in Arbeits- welt, Kommunen, Verkehr, Konsum, Freizeit usw., aber auch die Bedingungen für das Zusammenleben und die Wertevermittlung in den Familien sowie in Schulen bzw. Einrichtungen der Kinder- und Jugendbetreuung müssen zunehmend auch an Kriterien der Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung ausgerichtet werden. Durch eine aktive Beteiligung der Betroffenen selbst – wie sie die „Agenda 21“ und das Netzwerk „Gesunde Städte“ vorse- hen und fördern – können vor Ort unmittelbare Verbesse- rungen erreicht werden. Betriebliche Gesundheitsförde- rung und Arbeitsschutz müssen gestärkt und über bloße Verhaltensvorgaben hinausgeführt werden. Die Leistun- gen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes unter anderem zur Sicherung des Infektionsschutzes, der Umwelt- und Lebensmittelhygiene, im Kinder- und Jugendgesundheits- dienst, bei der Gesundheitsberatung und bei aktiv aufsu- chenden Formen gesundheitlicher Fürsorge sind zu erwei- tern und zu verbessern. Besonders zur Förderung der Gesundheit der Kinder, der Frauen, chronisch Kranker und von Seniorinnen und Senioren halten wir spezifische Präventions- und Versorgungsangebote für erforderlich. Die qualitativ hochstehende Versorgung von Kranken und die Verhütung von Krankheiten muss künftig wesentlich stärker mit einer wirksamen Gesundheitsförderung ver- bunden werden. Zu fordern ist, dass alle Fraktionen in der neuen Legis- laturperiode dieses Thema wieder aufnehmen und nach gründlicher und sorgfältiger Arbeit zu entsprechenden Be- schlüssen und zügiger praktischer Umsetzung kommen. Das Gesetz zur Verbesserung des Zuschusses zu am- bulanten medizinischen Vorsorgeleistungen ist ein klei- ner, aber für viele Menschen nicht unwichtiger Schritt in die richtige Richtung. Deshalb stimmen wir zu. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichtes zu den Anträgen: – Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Vertrei- bungen (Tagesordnungspunkt 12) Markus Meckel (SPD): Vertreibungen haben im Eu- ropa des 20. Jahrhunderts unsägliches Leid über Millionen unschuldiger Menschen gebracht. Ich freue mich sehr da- rüber, dass wir heute dieses Leides gedenken und darüber entscheiden, ein europäisches Zentrum gegen Vertreibun- gen zu errichten. Gleichzeitig sprechen wir eine Einladung an unsere europäischen Partner aus, sich nicht nur an der Ausführung eines solchen Zentrums zu beteiligen, sondern schon an der Entwicklung einer Konzeption mitzuwirken, um ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen in dieses gemeinsame Projekt mit einzubringen. Bei einem solchen Zentrum wird es nicht nur um die Aufarbeitung und Dokumentation der Vergangenheit ge- hen, sondern ebenso um die Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. Noch in der jüngsten Vergangenheit haben wir in der Mitte Europas, auf dem Balkan, Vertreibungen erlebt. Auch wenn Demokraten wie Franklin D. Roosevelt oder Winston Churchill vor einem halben Jahrhundert noch glaubten, Vertreibungen seien ein legitimes Mittel, um po- litische Stabilität zu schaffen, so lehnen wir dies heute in aller Klarheit ab. Vertreibungen beruhen auf der Annahme von Kollektivschuld. Sie verstoßen gegen geltendes Völ- kerrecht und setzen elementare Menschenrechte außer Kraft. Wir müssen heute alles dazu beitragen, dass so etwas in Zukunft nicht wieder geschieht. Um ein Zeichen zu set- zen und die Geschichte für die gegenwärtige Generation und für zukünftige Generationen erfassbar und greifbar zu machen, möchten wir solch ein Zentrum errichten. Erfreulich ist, dass es unter uns einen breiten Konsens darüber gibt, dass wir dieses Thema mit europäischen Partnern gemeinsam angehen sollen. Gerade die Diskus- sionen im Auswärtigen Ausschuss haben gezeigt, dass über alle Fraktionen hinweg eine europäische Ausrich- tung des Zentrums gegen Vertreibungen befürwortet wird. Die Einladung, sich zu beteiligen, gilt allen europäischen Partnern. Ich denke insbesondere an Polen, Tschechen, Ungarn und Slowaken, aber natürlich auch an die Ukraine und Bosnien-Herzegowina – an alle Europäer, die in der Vergangenheit von Vertreibungen betroffen waren. Es ist wichtig, diesen Ansatz über nationale Grenzen hinweg zu verfolgen. In der Mitte Europas sind unsere jeweiligen nationalen Geschichten eng miteinander ver- woben. Jedes allein nationale Projekt birgt die Gefahr, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25235 (C) (D) (A) (B) dass es bei den Nachbarn für Aufregung und Verunsi- cherung sorgt. Wir müssten Sorge haben dass solch ein nationales Projekt als gegen jemand anderen gerichtet verstanden wird. Zudem würden sich unsere Nachbarn fragen, warum wir über Themen diskutieren, die auch ihre nationale Geschichte betreffen, ohne sie zu konsul- tieren. Es kann und darf nicht darum gehen, das Leid des eigenen Volkes gegen das der anderen zu wenden oder aufzurechnen. Die jeweiligen historischen Hintergründe und Zusammenhänge von Vertreibungen und zwangs- weisen Umsiedlungen waren sehr verschieden. Das Leid der betroffenen Menschen dagegen ähnelt sich sehr. Wenn es uns gelingt, gemeinsam diese schwierige Ge- schichte aufzuarbeiten, wäre dies für die Zukunft Europas ein wichtiges Signal. In Mitteleuropa wäre dies zugleich ein Ausdruck wie auch ein weiterer Schritt im Zusam- menwachsen Europas. Natürlich können und möchten wir niemanden dazu zwingen, sich an der Debatte zu betei- ligen. Dies bleibt unseren Partnern überlassen. Wir glau- ben aber, dass es gut wäre, miteinander in diesen Dialog zu treten. Ich begrüße, dass auch im Antrag der CDU/CSU-Frak- tion davon gesprochen wird, die „weltweite Vertreibung“ zu dokumentieren und damit „Wege der Versöhnung und Verständigung“ aufzuzeigen. Auch von „Europa“ wird gesprochen. Leider weist das, was der Bund der Vertrie- benen und Edmund Stoiber zu diesem Thema sagen, in eine andere Richtung. Edmund Stoiber zum Beispiel hat auf dem Deutschlandtag der Ostpreußen am 23. Juni die- ses Jahres in Leipzig die Idee eines Zentrums gegen Ver- treibungen aufgegriffen. Er möchte dieses Zentrum, das auch nach seinen Vorstellungen in Berlin entstehen soll, auf die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten be- schränken. Er spricht deshalb von einer ,,nationalen Erin- nerungsstätte“. Auch Frau Steinbach macht immer wieder deutlich, dass sie sich ein Zentrum gegen Vertreibungen nur als nationales Projekt vorstellen kann. Wir wenden uns gegen ein nationales Projekt und wer- den uns für ein gemeinsames Herangehen mit unseren eu- ropäischen Partnern entscheiden. Deshalb legen wir heute auch keinen Ort eines Zentrums fest. Es ist richtig, dass ich vor einigen Monaten Breslau als eine Möglichkeit vorgeschlagen habe. Ich halte Breslau auch nach wie vor für eine gute Idee. Aber natürlich sind auch andere Orte möglich. Eine Entscheidung über den Ort sollte in einem europäischen Dialog gefasst werden. Zudem könnte der Bundestag heute auch gar nicht über Breslau entscheiden; denn dazu hat er gar kein Recht. Dies könnte nur ein pol- nisches Angebot sein. Die Zukunft wird zeigen, ob es in Polen ein Interesse gibt, sich an diesem Projekt zu betei- ligen und möglicherweise sogar Breslau als Ort des Sitzes vorzuschlagen. Unser Antrag lässt nicht nur bewusst die Frage des Or- tes, sondern auch die der Konzeption und der Trägerschaft eines europäischen Zentrums gegen Vertreibungen offen. Dies hat nichts damit zu tun, dass wir wichtigen Fragen ausweichen wollen. Diese Offenheit ist die innere Logik unseres Antrages. Würden wir entscheidende Fragen schon beantworten, dann wäre der Antrag keine ehrliche Einladung und kein ehrliches Angebot an unsere europä- ischen Partner, sich an der Ausarbeitung des Projektes von Anfang an zu beteiligen. Wir wollen sie nicht vor festge- setzte Tatsachen stellen, sondern gemeinsam eine Kon- zeption erarbeiten und über Ort und Trägerschaft ent- scheiden. In naher Zukunft wird es also entscheidend darauf an- kommen, wie unsere europäischen Partner reagieren. Der Bundestag lädt sie zur Mitwirkung ein. Es bleibt ihnen überlassen, diese Einladung anzunehmen und damit Ein- fluss auf die Gestaltung des Zentrums zu nehmen. So könnte sich möglicherweise schon Ende dieses Jahres, nach den Wahlen zum Deutschen Bundestag, eine Kom- mission mit Vertretern aus verschiedenen Ländern, die von Vertreibungen betroffen waren oder sind, bilden, die ein gemeinsames Konzept und Vorschläge für den Ort er- arbeitet. Sicherlich wird die Beantwortung dieser Fragen einige Zeit in Anspruch nehmen. Angesichts der Sensibi- lität des Themas wird es auch notwendig sein, dass der Dialog sorgfältig und ausführlich geführt und in allen be- teiligten Ländern öffentlich begleitet wird. Ein solches Zentrum gegen Vertreibungen kann natür- lich nur ein Baustein in unserem Bemühen sein, deutlich zu machen, dass wir Vertreibungen ablehnen. Wir können auch auf ganz anderen Ebenen unsere Aktivitäten verstär- ken. Schon 1992, angesichts der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, hat die SPD-Bundestagsfraktion auf Initia- tive von Freimut Duve in einem Antrag angeregt, in internationalen Gremien auf eine ,,Internationale Kon- vention gegen Vertreibungen“ hinzuwirken. Diese Kon- vention sollte Vertreibungen von Minderheiten oder Bevölkerungsgruppen verurteilen und sowohl die völker- rechtliche wie strafrechtliche Ahndung möglich machen. Ich halte es für lohnenswert, diese Initiative wieder auf- zugreifen. Michael Roth (Heringen) (SPD): Vertreibungen sind der tragische, aber bislang wiederkehrende, fast konstante Teil der Geschichte ethnischer Gruppen, von Gesellschaf- ten, Nationalstaaten und Herrschaftsmissbrauch. Sie ste- hen häufig am Beginn von kriegerischen Auseinanderset- zungen und sind Bestandteil der grausamen Exzesse von Kriegen. Scheinbar soll die durch Flucht und Vertreibung erzwungene räumliche Trennung von befeindeten Grup- pen zur Befriedung beitragen, Grundgesetz, Rechtstaatlichkeit und Demokratie schüt- zen uns heute in Deutschland – auch vor Vertreibung. Die- ser Schutz ist eine kostbare Errungenschaft, die viele Men- schen – Völkergruppen und Individuen – nicht erfahren konnten und können. Die Geschichte Europas lehrt uns, dass friedliches Zusammenleben aufs engste mit Demokra- tie und Menschenrechten verknüpft ist. In den Regionen Europas, in denen Demokratie und Menschenrechte bis- lang nicht oder nicht hinreichend verankert sind, gibt es im- mer wieder auch Vertreibung. Deshalb blickt das demokra- tische Europa auf eine Geschichte, in der in vielen Ländern, besonders brutal und exzessiv in Deutschland, Vertreibung stattgefunden hat. Deshalb blickt das demokratische Eu- ropa in eine Zukunft ohne Vertreibung. Vertreibungen bleiben immer das, was sie tatsächlich sind: Menschenrechtsverletzungen, die unendliches Leid über die Menschen bringen. Sie prägen schmerzlich das persönliche Empfinden, die Wahrnehmung von Politik Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225236 (C) (D) (A) (B) und Geschichte, das moralische Gewissen. Unter- drückung, Unglück, Entwurzelung, Armut, Krankheit und Tod sind die Wegbegleiter. Aus der eigenen Erfahrung er- wächst große Verantwortung. Deutschland hat Vertrei- bung begangen, in der Zeit des Nationalsozialismus zur Staatsideologie erhoben, und Vertreibung erfahren. Für mich persönlich – als jüngerer Mensch des Jahr- gangs 1970 – sind Flucht und Vertreibung in verschiede- nen Facetten greifbar geworden. Neben dem Familien- schicksal, dass meine Großmutter aus dem Sudetenland vertrieben wurde, sind das vor allem jene Tragödien, die sich in jüngster Zeit vor unserer europäischen Haustür ab- gespielt haben, beispielsweise in Bosnien und im Kosovo. Gerade jüngere Generationen müssen Geschichte vor al- lem aus europäischer Sicht wahrnehmen, in der die deut- sche Geschichte ein Teil der europäischen Geschichte ist. Ein Zentrum gegen Vertreibung befürworten alle Frak- tionen. Aber aus welcher Perspektive? Mit wem? Bei der Frage der Konzeption werden die Unterschiede klar. Die SPD-Bundestagsfraktion will ein Zentrum gegen Vertrei- bung. Wir plädieren für eine europäische Wahrnehmung und Perspektive. Wir wollen daher ein europäisches Zen- trum gegen Vertreibung, das erinnert, gedenkt, informiert und forscht. Wir wollen ein europäisches Zentrum, das sich mit den Vertreibungen des 20. Jahrhunderts in Europa auseinandersetzt. Wir wollen unsere europäischen Part- ner- und Nachbarländer einladen, dieses Projekt mit uns gemeinsam zu durchdenken, abzuwägen und auszuloten. Der vor 13 Jahren endlich niedergerissene Eiserne Vor- hang lässt die Völker Europas enger zusammenrücken. Mit zwölf mittel- und osteuropäischen Staaten streben wir die Verwirklichung einer erweiterten Europäischen Union an. Mit den anderen Staaten Europas kooperieren wir eng oder sind im Begriff, Kooperationen aufzubauen. Konkret heißt das, wir bilden nicht nur eine politische Gemein- schaft oder einen gemeinsamen Binnenmarkt, sondern setzen in unserer gemeinsamen Perspektive auf gemein- same Werte. Die europäische Integration und die enge politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verknüpfung der Staaten Europas ist wesentliches Element deutscher Poli- tik und Identität. Deswegen wollen wir einen offenen Dia- log über ein europäisches Zentrum gegen Vertreibung mit unseren europäischen Partnern führen. Unser Anspruch ist dabei, dass sich in ihm die Generation der Betroffenen, ihrer Kinder, die nachfolgenden und zukünftigen Genera- tionen wieder finden. Wir sind uns bewusst, dass wir erst am Anfang stehen. Die Alternative zu einem europäischen Zentrum gegen Vertreibung, die eines nationalen Zentrums, erschlösse sich vermeintlich auf den ersten Blick leichter. Gerade weil uns auf dem Kontinent endlich wieder vieles verbin- det, sollten wir den mutigen Schritt wagen, die europä- ische Dimension anzugehen. Es haben eben nicht nur die ökonomischen und politischen, sondern vor allem die kul- turellen und gesellschaftlichen Beziehungen zugenom- men. Vertreibungen sollen und können nicht gegeneinander qualitativ und quantitativ gewichtet, geschweige denn relativiert werden. Dies heißt bei einer europäischen Aus- richtung, dass wir uns nicht hinter den Vertreibungs- schicksalen anderer verstecken. Das kann auch nicht heißen, dass wir anderen in Europa ein Zentrum gegen Vertreibung aufdrängen, das sie nicht wollen. Aber die europäische Dimension bietet die Chance, eu- ropäische Geschichte erfahrbar zu machen. Nur wer die verengte nationale Perspektive verlässt, wird den Dialog um die europäische Zukunft führen können. Im Um- kehrschluss bedeutet dies, dass Deutschland alleine – ohne europäische Partner – kein europäisches Zentrum wird initiieren können. Wir müssen wahrnehmen, dass Vertreibung in letzter Zeit politisch instrumentalisiert wird. Nationalistische, bereits überholt geglaubt Ressentiments und einseitige Geschichtsbilder sollen zu einem politischen Kampfin- strument gemacht werden. Ich darf sagen, dass mich man- che Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten tief beunruhigen. Gerade diese gegenwärtige Debatte zeigt, wie wichtig es ist, an der Idee eines europäischen Zen- trums und nicht an der nationaler Zentren zu arbeiten. Sehr wahrscheinlich wird die Auswahl des geeigneten Ortes erst am Ende der Debatte stehen. Klar ist, dass dies nur gemeinsam von allen Trägern des Zentrums entschie- den werden kann. Denkbar sind mehrere, ganz unter- schiedliche Varianten: Das Zentrum könnte an einem festen, für das zusammenwachsende Europa besonders symbolischen Ort errichtet werden. Möglich ist auch ein Netzwerk, das damit in vielen europäischen Ländern der Öffentlichkeit zugänglich ist. Millionenfaches Leid und Schicksal liegen hinter uns. Bauen wir mit diesem Dialogangebot, über ein europä- isches Zentrum gegen Vertreibung gemeinsam an unserer friedlichen, freiheitlichen und toleranten, solidarischen europäischen Zukunft. Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Als der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Zentrum gegen Vertrei- bungen“ am 16. Mai 2002 in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde, hat die Debatte über diesen sowie über die beiden weiteren Anträge ein erfreuliches Maß an frak- tionsübergreifender Übereinstimmung gezeigt. Erfreulich war an diesem 16. Mai die von großer Sachlichkeit ge- prägte Debatte, die von der übereinstimmenden Erkennt- nis geprägt war, dass ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ verwirklicht werden soll. Nahezu alle Redner haben dabei erkennen lassen, dass sie eine Aufarbeitung der Vertrei- bungsgeschichte für geboten und ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ für unterstützenswert halten. Umso bedauerlicher ist es, wenn wir heute, nach den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen, feststellen müssen, dass die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen offensichtlich nicht an einer Einigung in die- ser Sache und letztendlich auch nicht an einer erfolgrei- chen Errichtung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ interessiert zu sein scheinen. Dies kommt schon darin zum Ausdruck, dass der An- trag der Koalitionsfraktionen nicht mehr ist als die un- verbindliche Absichtserklärung, einen Dialog über die Errichtung eines europäischen Zentrums gegen Vertrei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25237 (C) (D) (A) (B) bungen zu beginnen. Unklar bleibt dabei bis zum Schluss der Kreis der Handelnden. Ebenso bis zum Schluss fehlen auch über den Antrag hinausgehende konzeptionelle Überlegungen. Auch die Frage, wer denn eigentlich Träger des Projektes sein soll, wird von Rot-Grün bisher in keinster Weise beantwortet. Vielmehr scheinen gerade unsere östlichen Nachbarn von den Überlegungen der Koalitionsfraktionen über- rascht zu sein. Dies belegt auch die ausweichende Reak- tion, die Bundeskanzler Schröder im Rahmen seiner Regierungskonsultationen in Breslau bei seinem Amts- kollegen, dem polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller, in dieser Angelegenheit erfahren hat. Auch die Be- völkerung von Breslau steht einem „Zentrum gegen Ver- treibungen“ in ihrer Stadt alles andere als aufgeschlossen gegenüber. Dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fehlt jegliche Substanz. Er dokumentiert das eigentliche Desin- teresse an einer Aufarbeitung der Vertreibungsgeschichte wie sie insgesamt bei Rot-Grün zu konstatieren ist. Am schwersten wiegt bei der Entscheidung, wie sie heute von der rot-grünen Koalitionsmehrheit in diesem Hause getroffen werden wird, aber nicht die Tatsache, dass wahrscheinlich ein Antrag die Mehrheit erhält, hin- ter dem weder eine konzeptionelle noch eine organisato- rische Vorstellung zur Verwirklichung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ steht. Viel gravierender ist, dass bei einer Ablehnung des Antrags von CDU und CSU der be- reits sehr weit gehenden Vorarbeit der überparteilichen Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ jegliche Aner- kennung für die bisher geleistete Arbeit versagt bleibt. Die auf ehrenamtlicher Basis wirkende gemeinnützige Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ wurde am 6. September 2000 errichtet. In den letzten knapp zwei Jahren wurde von der Stiftung mit viel Engagement ein Konzept zur Realisierung des „Zentrums gegen Vertrei- bungen“ ausgearbeitet. Es wurden zahlreiche Förderer aus dem öffentlichen Leben dafür gewonnen und ein wis- senschaftlicher Beirat gegründet, der über hochrangige und renommierte Fachexperten verfügt, sodass die für eine erfolgreiche Tätigkeit des Zentrums entscheidende wissenschaftliche Aufarbeitung gesichert ist. Der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ ist es ge- lungen, kompetente Persönlichkeiten aus Kultur, Wissen- schaft, Kirchen, Wirtschaft und Politik als Förderer zu fin- den, die mit ihrem Namen und ihrer Expertise dafür einstehen, die Ziele der Stiftung zur Errichtung eines Zen- trums gegen Vertreibungen zu verwirklichen. Beispielhaft genannt seien nur der Historiker Professor Dr. Arnulf Baring, der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Dr. Rolf-E. Breuer, die Bürgerrechtlerin Freya Klier, der Präsident der Berliner Akademie der Künste, György Konràd, sowie der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tillmann Zülch: Die Förderer unterstüt- zen die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ mit Ideen und Anregungen und werben aktiv in der Öffent- lichkeit für eine Realisierung des Projektes „Zentrum ge- gen Vertreibungen“. An der Spitze der Stiftung „Zentrum gegen Vertrei- bungen“ stehen mit unserer Bundestagskollegin Erika Steinbach und dem Sozialdemokraten Professor Dr. Peter Glotz zwei herausragende Persönlichkeiten, die die Ziele der Stiftung glaubhaft vertreten, Überparteilichkeit garan- tieren und das Ziel, ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ als eine zentrale Informations-, Dokumentations-, Archiv- und Begegnungsstätte der Versöhnung, des Friedens und der Toleranz zwischen den Völkern zu schaffen, mit viel Engagement vorantreiben. Für den wissenschaftlichen Beirat konnten bis heute 14 hochrangige Wissenschaftler gewonnen werden, die die Stiftung mit ihren Erfahrungen im Bereich von Wis- senschaft und Forschung bei der Umsetzung ihrer Aufga- ben beraten und unterstützen. Dem wissenschaftlichen Beirat gehören unter anderem hochrangige Persönlich- keiten wie der Völkerrechtlicher Professor Dr. Dieter Blumenwitz, der Leiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, Professor Dr. Horst Möller und der Leiter der Redaktion Zeitgeschichte des Zweiten Deutschen Fernse- hens, Professor Dr. Guido Knopp an. Sie alle sind Garan- ten für ein inhaltlich fundiertes Konzept zur Errichtung ei- nes „Zentrums gegen Vertreibungen“. Unermüdlich setzen sich der Stiftungsvorstand und die Förderer dafür ein, weitere Unterstützer für die wich- tige Aufgabe der Errichtung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ zu gewinnen. So konnten bis heute über 320 Städte und Gemeinden aus ganz Deutschland dafür gewonnen werden, das „Zentrum gegen Vertreibungen“ mit einem symbolischen Betrag pro Einwohner zu unter- stützen. Neben vielen kleinen Gemeinden zählen mittler- weile auch zahlreiche mittlere und größere Städte zum Kreis der Patengemeinden, darunter Städte wie Passau und Fürth, Rothenburg ob der Tauber und Hanau, Frank- furt am Main, Kassel und Osnabrück. Aber auch die Vertreibungsopfer selbst leisten bereits jetzt durch Spenden ihren Beitrag. Darüber hinaus tragen Benefizveranstaltungen und Sammlungen dazu bei, das Stiftungsvermögen aufzustocken. Durch diese Aktionen wurde bisher nicht nur ein ansehnlicher Betrag für die Realisierung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ auf- gebracht, vielmehr stellt die Einbringung der zahlreichen unterstützenden Gemeinden und der vielen Menschen die Idee des „Zentrum gegen Vertreibungen“ schon heute auf eine breite Basis in unserer Bevölkerung. Allerdings muss auch festgestellt werden, dass die Fi- nanzierung eines Gebäudes für das „Zentrum gegen Ver- treibungen“ und seine Unterhaltung allein aus Privatmit- teln nicht zu realisieren ist. Nur Bund und Länder sind in der Lage, eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage dafür zu schaffen. Einige Bundesländer, darunter der Freistaat Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, haben bereits signalisiert, ihren Beitrag zur Realisierung eines „Zen- trums gegen Vertreibungen“ leisten zu wollen. Bei so viel bürgerschaftlichem Engagement und ange- sichts der intensiven Vorarbeit, die von allen Beteiligten und Unterstützern in den letzten zwei Jahren geleistet wurde, kann und darf der Bund sich jetzt nicht der Ver- antwortung entziehen. Welch ein fatales Zeichen für bür- gerschaftliches und ehrenamtliches Engagement ist es, wenn Rot-Grün der Stiftungsinitiative nun die kalte Schulter zeigt und der Bund seinen überschaubaren Anteil an der Realisierung nicht leistet! Wir fordern daher in un- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225238 (C) (D) (A) (B) serem Antrag die Bundesregierung auf, an einem Konzept zur Finanzierung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ mitzuarbeiten. Deutschland hat aufgrund seiner historischen Erfah- rungen und des leidvollen Schicksals von mehr als 15 Millionen Vertreibungsopfern ein besonderes Verhält- nis zu den Ursachen wie den Folgen der Vertreibung. Da- raus ergibt sich eine besondere Verantwortung für die Aufarbeitung von Geschichte und Schicksal der davon betroffenen Menschen. Da ist es ein schwerer Mangel, dass es in Deutschland bis heute keinen Ort gibt, an dem die Gesamtthematik der Vertreibungen aufgearbeitet und dokumentiert wird und der als zentrale Informations- und Begegnungsstätte öffentlich zugänglich ist. Natürlich kann die Darstellung der Vertreibungsge- schichte in einem „Zentrum gegen Vertreibungen“ nicht die Vertreibung der Deutschen isoliert betrachten. Dies sieht die dem „Zentrum gegen Vertreibungen“ zugrunde liegende Konzeption auch gar nicht vor. In deren Expose findet sich gleich zu Beginn der Hinweis: Diese Stiftung will mahnen, Vertreibungen weltweit zu ächten und die Völkergemeinschaft sensibilisie- ren. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass der Vorwurf der rot-grünen Koalition, das in Zusammenarbeit mit der Stiftung zu errichtende „Zentrum gegen Vertreibungen“ würde allein Vertreibungsgeschichte auf nationaler Ebene reflektieren, völlig fehl geht. In der Ausgabe des „Rheinischen Merkurs“ vom 4. Juli 2002 schreibt der Stiftungsvorsitzende Professor Dr. Peter Glotz dazu unmissverständlich: Sinn macht ein solches Projekt nur mit europäischer Perspektive. Wer nur die deutschen Vertriebenen und die bei der Vertreibung umgebrachten Deutschen be- trauern wollte, bliebe politisch wirkungslos. Aller- dings kann man Vertreibung nicht thematisieren, ohne auch die Vertreibung der Deutschen zu thema- tisieren. Dies unterstreicht die europäische Perspektive, die im Konzept der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ fest verankert ist. Die der geplanten Dauerausstellung zugrunde liegende Konzeption reicht bis in das frühe 19. Jahrhundert zurück. Auch werden die Vertreibungen verschiedenster Völker vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts themati- siert. Im Konzeptentwurf heißt es dazu: In gemischt besiedelten Gebieten und bei kriegeri- schen Grenzverschiebungen wurden Vertreibungen nicht nur als geeignete Mittel angesehen, ein zukünf- tig friedliches Zusammenleben zu gewährleisten. Die Radikalisierung der Ideologien hatte im 20. Jahr- hundert zur Folge, dass in Europa Millionen von Menschen ihre Heimat verlassen mussten, weil sie die falsche Nationalität oder Volkszughörigkeit be- saßen, die sie nicht einfach bei Bedarf abstreifen oder ändern konnten. Die Konzeption der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibun- gen“ besitzt inhaltlich, aber auch im Kreis ihrer Unter- stützer und Förderer eine eindeutige europäische Orien- tierung. Angesichts von 15 Millionen heimatvertriebenen Deutschen ist es aber auch eine nationale Aufgabe, die Ursachen, Grundlagen und Folgen der Vertreibung in Deutschland aufzuarbeiten. Der Stiftungsvorsitzende Pro- fessor Dr. Peter Glotz hat dies sehr treffend auf den Punkt gebracht. Er findet es keineswegs abwegig, „dass Deutschland in dieser Frage einmal mit den Deutschen anfängt“. Deshalb ist die Errichtung eines „Zentrums ge- gen Vertreibungen“ natürlich auch eine nationale Auf- gabe, indem die Vertreibung der Deutschen – im europä- ischen Kontext, aber auch ihrer historischen Bedeutung angemessen – aufgearbeitet wird. Deshalb ist auch der Ort, an dem das Zentrum entsteht, entscheidend. Denn es muss ein Ort sein, der nicht ausweicht, sondern der im Zentrum steht, ein Ort, der dem breiten Unterstützerkreis, den die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ bisher erfahren hat, gerecht wird, ein Ort, der die Menschen für einen Besuch dieses „Zentrums gegen Vertreibungen“ an- zieht. Und dieser Ort ist Berlin, die deutsche Hauptstadt. In seinem Beitrag im „Rheinischen Merkur“ betont der Stiftungsvorsitzende, Professor Dr. Peter Glotz, die Wich- tigkeit, dass Deutsche sich mit der Geschichte der Ver- treibung auseinander setzen und sich in Gegenwart und Zukunft gegen Vertreibungen wenden. In diesem Zusam- menhang stellt er zu Recht fest: Wenn man die Deutschen dazu bringen will, über Vertreibung zu kommunizieren und sich gegen Ver- treibungen zu wenden, muss man eine entsprechende Einrichtung schon in Deutschland machen. In diesem Zusammenhang erteilt der Sozialdemokrat Peter Glotz dem, von Markus Meckel (SPD) initiierten Antrag der rot-grünen Koalition, ein europäisches Zen- trum gegen Vertreibungen in Breslau zu errichten, eine klare Absage. Er schreibt dazu: Kein Deutscher sollte den Polen empfehlen, der Ver- treibung zu gedenken. Wenn die Polen selber auf die- sen Gedanken kämen – und zwar nicht nur zwei In- tellektuelle –, dann wäre es wunderbar. Mit allen, die gegen Vertreibung kämpfen, sollten wir kooperieren. Letztendlich belegt die bisherige Weigerung von Rot- Grün, unserem Antrag zur Errichtung eines „Zentrums ge- gen Vertreibungen“ zuzustimmen, nur eines. Der konzepti- onslose Antrag von SPD und Grünen kaschiert nur den Versuch, die deutschen Vertreibungsopfer und deren Orga- nisationen aus der Zusammenarbeit zur Gestaltung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ auszuschließen. Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern wir hinge- gen die Bundesregierung, wie in unserem Antrag formu- liert, auf, ein geeignetes Gebäude in Berlin als öffentlich zugänglichen Ort der Forschung, Dokumentation und Ausstellung vorzuschlagen und bereitzustellen sowie die konzeptionellen Voraussetzungen, die zur Realisierung eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ nötig sind, auch im Zusammenhang mit den bestehenden Gedenkstätten in Berlin, zu schaffen. Ich appelliere an die anderen Fraktionen des Bundes- tages, sich diesem wichtigen Projekt, welches inzwischen eine breite Unterstützung in unserem Land erfahren hat Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25239 (C) (D) (A) (B) und dem ein fundiertes inhaltliches Konzept zugrunde liegt, nicht zu versagen. Ich bitte Sie daher, Ihren Stand- punkt nochmals zu überdenken und unserem Antrag zu- zustimmen. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vertreibungen sind das Ergebnis einer Wahnidee: der Idee vom ethnisch homogenen Nationalstaat. Vertreibungen hat es in mehr als zehn europäischen Staaten gegeben; Vertreibungsfantasien fast überall. Deshalb ist ein solches Zentrum, über das wir hier heute diskutieren, keine natio- nale, sondern eine eminent europäische Aufgabe. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, als hätten gerade wir Deutschen noch aus der Vertreibungspolitik abgelei- tete Rechnungen gegenüber anderen Völkern offen. Die- ser Eindruck würde aber erweckt, wenn wir ein solches Zentrum mitten in Berlin bauen würden – in Form einer Mahn- und Gedenkstätte, als eine Art Parallelstätte zum Holocaust-Mahnmal. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie sollten darüber nachdenken, ob der Dialog zukünftiger europäischer Generationen durch ein solches Zentrum und seine Konzeption erleichtert oder aber beträchtlich belastet wird. Ein tatsächlich europäisch ausgerichtetes Zentrum ge- gen Vertreibungen bietet dagegen die Chance, miteinan- der und nicht gegeneinander die Geschichte zu verstehen und Lehren aus ihr zu ziehen. Nur so kann eine gemein- same Zukunft mit gemeinsamen Werten und Regeln ent- stehen. Was wir brauchen, sind nicht einseitige mora- lische Schuldzuweisungen und Sündenböcke, sondern Austausch und Verständigung. Wir haben deshalb die eu- ropäische Zielrichtung unseres Antrags noch einmal ver- stärkt – etwa mit dem Satz, dass die europäischen Partner mit in die Trägerschaft eines solchen Zentrums einbezo- gen werden müssen. Damit ist klar und deutlich gesagt, dass dieses Zentrum gescheitert wäre, wenn es nur ein na- tionales Projekt wäre. Wenn es um die gemeinsame europäische Zukunft ge- hen soll, dann muss ein solches Zentrum gegen Vertrei- bungen aber auch viel mehr sein als eine bloße Erinne- rungs- und Gedenkstätte. Es muss ein Ort der Forschung und Dokumentation sein, an dem systematisch und ohne ideologische Vorurteile die unterschiedlichen Vertrei- bungsgeschichten Europas aufgearbeitet und in ihren his- torischen Zusammenhängen untersucht werden. Neben dieser europäischen und wissenschaftlichen Ausrichtung des Zentrums ist mir ein weiterer Punkt sehr wichtig: Dass wir die osteuropäischen Partnerländer nicht unter Druck setzen, sondern ihnen Zeit für eine offene und demokratische Debatte lassen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als solle die heutige Entscheidung des Deut- schen Bundestages andere Länder unter Zugzwang set- zen. Dies wäre ein verheerendes Signal. Ich weise deshalb auf den ersten Satz unseres Antrags hin, in welchem es heißt, dass „ein europäischer Dialog über die Errichtung eines europäischen Zentrums gegen Vertreibungen“ be- gonnen werden soll. Dies heißt auch, dass wir den Dialog innerhalb der anderen Länder ernst nehmen. Und ernst nehmen heißt hier: Zeit lassen, keinen Druck ausüben! Gerade viele ost- und mitteleuropäische Länder haben aufgrund der EU-Beitrittsverhandlungen derzeit andere Sorgen und Ängste – man denke nur an die Agrarpolitik. Jeden Anschein einer moralischen Erpressung nach dem Motto „Entweder ihr seid für ein Zentrum gegen Vertrei- bungen oder ihr seid keine wahren Europäer“ gilt es zu vermeiden! Alle Beratungen über dieses Zentrum müssen kooperativ, alle Entscheidungen im Konsens mit den eu- ropäischen Partner stattfinden. Und vor allen Dingen mit der notwendigen Ruhe und Besonnenheit. Dialog und Forschung, Verständigung und Wissen- schaft – wenn das Zentrum gegen Vertreibungen diese Aufgaben verantwortungsvoll wahrnimmt, ist es eine Chance für uns Europäer. Wie können nationalistische Exzesse zukünftig verhindert werden? Welche legalen Adressen gibt es für nationale Minderheiten? Um diese Fragen der Gegenwart angemessen beantworten zu kön- nen, müssen die Ursachen von Vertreibungen begriffen werden. Die entscheidende Ursache liegt vor allem in der Wahnidee des ethnisch sauberen Nationalstaats, der die europäische Einheit immer wieder zerstört hat. Die richtige politische Lehre aus der dunklen Vergan- genheit Europas lautet: weitere und konsequente Ver- rechtlichung der internationalen Beziehungen. Ich hoffe sehr, dass ein Zentrum gegen Vertreibungen von jenem Zuschnitt, wie ich ihn beschrieben habe, dieses wichtige politische Projekt unterstützen kann. Hans Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Bereits in unserer Plenardebatte am 16. Mai dieses Jahres anlässlich der Einbringung der Anträge hatte ich begründet, weshalb sich die FDP-Fraktion sehr nachdrücklich für die Errich- tung eines europäischen Zentrums gegen Vertreibungen ausspricht. Angesichts des ähnlich überschriebenen Antrages der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sind wir gefragt worden, ob nicht ein gemeinsames Votum zumin- dest dieser drei Fraktionen möglich sei. Gerade im Ein- blick auf den Diskussionsverlauf im federführenden Aus- schuss für Kultur und Medien sehe ich mich veranlasst, an dieser Stelle auf die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Antrag der Koalitionsfraktionen einerseits und dem Antrag der FDP-Fraktion andererseits hinzuweisen. Wir Freien Demokraten sprechen uns ohne Vorbehalte und ohne Hintertürchen für die Errichtung eines solchen europäischen Zentrums gegen Vertreibungen aus, das sich als Dokumentations-, Forschungs- und Begegnungsstätte sowie als Mahnmal versteht. Die Koalitionsfraktionen hingegen – das hat die Aus- sprache im Ausschuss erwiesen – wollen im Grunde trotz der anders lautenden Überschrift ihres Antrags ein solches Zentrum – noch? – nicht, sondern zunächst nur einen „eu- ropäischen Dialog“ hierüber. Es gibt hier eine bemer- kenswerte Diskrepanz zwischen der Überschrift und dem Inhalt dieses Antrages – um das Wort Irreführung zu ver- meiden. Im Ausschuss wurde jedenfalls die fortbeste- hende Skepsis der rot-grünen Kolleginnen und Kollegen gegen die Grundidee eines solchen Zentrums deutlich. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass der rot-grüne An- trag – im Gegensatz zu dem der FDP – keinerlei Angaben über die Finanzierung dieses Projekts enthält. Auch dies Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225240 (C) (D) (A) (B) deutet zumindest nicht auf einen starken Umsetzungswil- len bei den Koalitionsfraktionen hin. Selbst vor diesem Hintergrund ist mir unverständlich, weshalb SPD und Grüne ihren eigenen Antrag während der Ausschussberatungen dahin gehend abgeändert ha- ben, dass ein solches Zentrum nur noch „ein Ort histo- risch-wissenschaftlicher Aufarbeitung“, nicht mehr zu- gleich auch ein „Mahnmal“ sein soll. Sonst sind doch die Kollegen von Rot und Grün nicht so zurückhaltend, wenn es um die Errichtung neuer Mahnmale geht! Was mich – unabhängig von der konkreten Debatte um ein Zentrum gegen Vertreibungen betroffen macht – ist die von einigen sozialdemokratischen Kollegen unver- hohlen zum Ausdruck gebrachte Tendenz, Menschen- rechtsverletzungen zu relativieren, nach dem Motto: Ver- treibungen zulasten von Deutschen sind weniger schlimm als die zulasten anderer Völker, schließlich hat ja Hitler den Krieg begonnen. Nein, Kolleginnen und Kollegen, trotz der Kriegs- schuld bleiben Vertreibungen stets Unrecht. Selbst im Falle von verbrecherischen Regimen darf das Grundrecht auf Heimat nicht gestrichen werden. Wir dürfen doch nicht die furchtbaren Einzelschicksale von Millionen ver- triebener Deutschen, darunter vieler Frauen und Kinder, aufrechnen gegen die Verbrechen nationalsozialistischer Herrscher! Genauso wenig wie beispielsweise palästinen- sischen Bürgerinnen und Bürgern ihr Menschenrecht auf Heimat vorenthalten werden darf – trotz der Duldung oder gar Förderung verbrecherischer Selbstmordattentate sei- tens der Autonomiebehörde –, genauso wenig wie bei- spielsweise das Menschenrecht auf Heimat von bosni- schen Serben eingeschränkt werden darf – im Hinblick auf die Kriegsverbrechen von Milosevic –, genauso we- nig darf auch das Heimatrecht beispielsweise von Sude- tendeutschen beschnitten werden – unter Berufung auf Hitlers Annexionspolitik. Eine wichtige Lehre aus der Geschichte, nicht zuletzt aus unserer verhängnisvollen deutschen Vergangenheit, sollte sein, Menschenrechte absolut und vorbehaltlos zu schützen, also ohne Rücksicht auf die jeweiligen Herr- schaftsverhältnisse und das jeweilige Verhalten von Re- gierungen oder Herrschern. Diesen konsequenten Schutz von Menschenrechten in Europa, aber auch in anderen Teilen der Welt zu fördern und zum Durchbruch zu verhelfen wird eine der vor- nehmsten Aufgaben des europäischen Zentrums gegen Vertreibungen sein. Aus der Vergangenheit lernen und die Zukunft menschengerecht gestalten ist unsere gemein- same europäische Verantwortung. Wir Liberalen werden uns deshalb dafür einsetzen, dass ein europäisches Zen- trum gegen Vertreibungen möglichst bald seine völker- verbindende und zugleich identitätsstiftende Arbeit auf- nehmen kann. Dr. Heinrich Fink (PDS): Vertrieben zu werden aus seiner Heimat, seinem gesellschaftlichen, kulturellen, sprachlichen und landschaftlichen Umfeld gehört zum Unmenschlichsten, was Menschen angetan werden kann. Es sind Wunden, bei denen ein Leben oft nicht ausreicht, sie zu heilen. Deshalb denken wir zu Recht darüber nach, wie dieses Leid dokumentiert werden kann. Dies kann aber für mich nur in einer Weise geschehen, dass andere, insbesondere junge Menschen, damit die Möglichkeit er- halten, daraus zu lernen, um das Leid von Vertreibungen nie wieder geschehen zu lassen. Wenn wir hier über das Projekt eines Zentrums gegen Vertreibungen sprechen, dann versteht es sich von selbst, dass es keinesfalls darum gehen kann, vernarbte Wunden neu aufzureißen, und schon gar nicht darum, etwaigen, wie auch immer gearteten Revanche-Gedanken das Wort zu reden. Wenn also ein derartiges Zentrum Sinn machen soll als Beitrag zu Verständigung und Aussöhnung der Völker in Europa, so müssen die Ursachen für die insbe- sondere im vergangenen Jahrhundert erfolgten Vertrei- bungen klar benannt werden. Die Hauptursachen dafür sind Krieg und Faschismus – Krieg, der von deutschem Boden ausgegangen und bis nahezu in den letzten Winkel des Kontinents getragen wurde, und eine mörderische faschistische Ideologie, die Millionen Menschen das Leben kostete oder zu Flücht- lingen werden ließ. Darin und allein darin sehe ich den tieferen Grund für alle Vertreibungen, die es während und im Gefolge des Zweiten Weltkrieges gegeben hat. Ein Zentrum gegen Vertreibungen, das diesen Namen ver- dient und gleichzeitig den gesellschaftspolitischen Not- wendigkeiten gerecht wird, muss deshalb notwendiger- weise auch ein Mahnmal gegen Krieg und für Frieden sein. Deshalb darf ein Zentrum gegen Vertreibungen kein deutsches Zentrum sein, sondern muss mit zuerst Vertrie- benen, nämlich Juden, Sinti und Roma, Tschechen und Polen, konzipiert werden. Die Konzeption für ein solches Zentrum muss in einem Dialog von Historikern, Poli- tikern und Betroffenen erarbeitet werden und darf nicht durch Deutsche dominiert werden. Es ist geschichtsfäl- schend für eine Geschichtsaufarbeitung, nur deutsche Er- fahrungen in Sachen Vertreibung zum Maßstab zu neh- men. Meine Fraktion stimmt deshalb gegen den Antrag der CDU/CSU und den der FDP. Das Nachdenken über Vertreibung dürfen wir nicht den Vertriebenenverbänden überlassen, auch nicht die Festlegung des Ortes. In dem Regierungsantrag wird ein Dialog dazu eingefordert und an eine europäische Di- mension gedacht. Das ist neu in der Diskussion über Ver- treibungen. Im Antrag der Regierungsfraktionen vermisse ich al- lerdings klare Abgrenzungen gegenüber jeglichen Versu- chen, alte Rechnungen an unsere östlichen Nachbarvölker aufzumachen, wie es bisher durch die Vertriebenenver- bände geschehen ist. Wir stimmen aus den genannten Gründen auch nicht für diesen Antrag. Die meisten aus meiner Fraktion werden sich wie ich selbst auch deshalb der Stimme enthalten, weil sie einen Neubeginn in der Auseinandersetzung zu einem besonne- nen Diskurs über deutsche Geschichte sehen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25241 (C) (D) (A) (B) Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Reform der Medien- und Kommunikationsordnung für die Wissens- und Informationsgesellschaft verwirklichen (Tagesordnungspunkt 13) Monika Griefahn (SPD): Wir verstehen den vorlie- genden Antrag der Koalitionsfraktionen als Beitrag zum Einstieg in eine umfassende Reform der Medienordnung in Deutschland. Der Vervielfachung und die technische und inhaltliche Konvergenz der Medienangebote in den vergangenen Jahren und der ungeheuren Dynamik des Mediensystems steht ein unflexibles, in die Jahre gekommenes politisches und rechtliches Regulierungsdickicht gegenüber. Über 30 einzelne Einrichtungen, die formal nach Rundfunk (Länder) und Telediensten (Bund) getrennt sind, zeichnen für alles, was mit Rundfunk, Fernsehen, Internet, Telefon usw. zu tun hat, verantwortlich. Das ist zu viel. Die Zu- ständigkeiten sind unübersichtlich, sie überschneiden sich, sind kostenintensiv, zeitraubend – schlicht ineffektiv und technisch längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das ist an sich noch keine neue Erkenntnis und wird, wenn ich es richtig sehe, von allen Fraktionen hier im Hause geteilt. Die Frage ist lediglich, ob und, wenn ja, welche rechtlichen und politischen Konsequenzen man aus dieser Erkenntnis zieht. SPD und Bündnis 90/Die Grünen bevorzugen eine Reform aus einem Guss. Den- noch halten wir der Bundesregierung zugute, dass es ihr gelungen ist, in langen und schwierigen Verhandlungen mit den Ländern eine Vereinheitlichung des Jugendme- dienschutzes in einer Kommission mit Vertretern von Bund und Ländern bewerkstelligt zu haben. Die Mischung aus öffentlicher Beaufsichtigung des Medienangebotes und Selbstkontrolle der Anbieter ist stimmig und entspricht den Anforderungen. Der zwischen Bund und Ländern gefundene Kompromiss kann aber nur der erste Schritt auf dem Wege zu einer umfassenden Re- form sein, dem weitere, mutige Schritte folgen müssen. Dieser Kompromiss war sozusagen der Testfall. Denn es wird auf Dauer nicht genügen, lediglich Zuständigkeiten mal auf der Bundes- mal auf Länderseite zu bündeln – ge- wissermaßen in einem Akt der gegenseitigen Abtretung. Eine Integration der Zuständigkeiten und der bestehenden Regulierungseinrichtungen muss das Ziel bleiben, Schritte auf dem Weg zu einem Medien- und Kommuni- kationsrat. Die Konvergenz der Medien schreitet voran, die Poli- tik versucht Schritt zu halten. Gelegentlich begegnet man dem Missverständnis, Rundfunk und Fernsehen seien Medienangebote von gestern, die sukzessive vom Internet und seinen zahlreichen aufgesetzten Diensten abgelöst und verdrängt würden. Das ist schlicht falsch. In der Me- diengesellschaft der Zukunft werden die Fernseh- und Rundfunkanbieter eine ähnlich große Bedeutung haben wie heute, auch wenn sich die Übertragungstechnik än- dert. Sie werden auch in Zukunft einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung haben. Als verantwortungsbewusste Medienpolitiker haben wir darauf zu achten, dass die noch bestehende Balance zwischen den Medien als „Kulturgut“ und als „Wirt- schaftsgut“ erhalten bleibt. Der geltende Grundsatz, dass die Medien weder dem staatlichen noch dem Zugriff ge- sellschaftlicher Gruppen ausgeliefert werden dürfen, muss weiterhin Bestand haben. Die Pluralität der Meinungen ist das Lebenselixier der pluralistischen Gesellschaft. Für die Meinungsbildung und die Versorgung der Menschen mit qualitativ hoch- wertigen Informationen tragen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine besondere Verantwortung. Jeden Versuch, ARD und ZDF in ihren Möglichkeiten zu be- schneiden, lehnen wir strikt ab. Jeder, der den Kampf ge- gen ARD und ZDF proklamiert, proklamiert zugleich den Kulturkampf – und wird ihn verlieren. Niemand bestreitet, dass inzwischen auch die privaten Fernsehsender durchaus in der Lage sind, ein qualitativ hochwertiges Programmangebot zu unterbreiten. Das liegt im Übrigen an der Konkurrenz mit den öffentlich- rechtlichen. Die öffentliche Meinungsbildung aber gänz- lich den Marktkräften zu überlassen, schadet auf Dauer ei- nem demokratischen, dem Pluralismus verpflichteten Gemeinwesen. Denn dann zählt nur noch, was Masse macht (siehe USA und andere). Der Grundversorgungsauftrag von ARD und ZDF steht nicht zur Disposition. Um ihm gerecht werden zu können, müssen sich die öffentlich-rechtlichen Sender natürlich auch der neuen Techniken bedienen dürfen. Je mehr sich die Menschen des Internets und seiner Angebote zu ihrer eigenen Meinungsbildung und damit zur Teilhabe am ge- sellschaftlichen Leben bedienen, desto wichtiger wird der Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen An- stalten auch im Zeitalter der Neuen Medien. Spezifische Angebote, wie sie letzten Endes nur von öffentlich-rechtlichen Sendern gemacht werden können – etwa eines speziellen Informations- oder Kinderportals – sind unseres Erachtens unverzichtbar. Solche Angebote beeinträchtigen im Übrigen die Chancen privater Diens- teanbieter keineswegs. Wir halten die Anpassung des Grundversorgungsauftrages im Sinne eines Universalser- vice an die neuen Rahmenbedingungen für unverzichtbar. Wir hoffen, dass die Bundesregierung auch in der nächsten Legislaturperiode den begonnenen Weg der Me- dienreform fortsetzt. Der vorliegende Antrag der Koaliti- onsfraktionen bildet eine geeignete Grundlage. Jörg Tauss (SPD): In diesen Tagen und Wochen wird sehr viel über Kompetenzfragen und Verantwortlichkei- ten zwischen Bund und Ländern diskutiert. Die Ergeb- nisse des zweiten internationalen Leistungsvergleichs PISAder OECD hat in der Bildungspolitik nicht nur einen Schock ausgelöst, von dem wir alle hoffen, dass er sich am Ende als ein heilsamer erweisen wird. Nein, die Er- gebnisse haben zugleich in einer reflexhaften Reaktion eine Debatte um die Kompetenzordnung zwischen dem Bund und den Ländern, hier im Bildungsbereich, aus- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225242 (C) (D) (A) (B) gelöst. So richtig und wichtig eine solche Debatte für die Bildungspolitik auch ist: Für eine moderne Medien- und Kommunikationsordnung ist diese Frage eine grundle- gende. Die dynamische technologische Entwicklung, neue In- formations- und Kommunikationsdienste und die zuneh- mende Internationalisierung und auch Globalisierung der elektronischen Medien wie der Informations- und Kom- munikationsmöglichkeiten stellen neue Anforderungen an eine moderne Medienpolitik. Zu den Ursachen habe ich in meiner Rede zur ersten Lesung am 13. Juni 2002 unseres Antrages bereits Näheres ausgeführt. Daher möchte ich mich an dieser Stelle insbesondere auf den Ordnungsrahmen konzentrieren. Denn der beschriebene Wandel stellt insbesondere fö- deral geprägte Medien- und Kommunikationsordnungen vor die schwierige Herausforderung, den zwangsläufig zunehmenden Koordinierungsbedarf erfolgreich zu orga- nisieren und ihre fein justierte Kompetenzordnung immer wieder aufs Neue zu überprüfen und gegebenenfalls an neue Entwicklungen anzupassen. Doch anders als in der Bildungspolitik hat diese Erkenntnis in der Medienpolitik bereits Verbreitung gefunden, wozu auch die erfolgreiche Arbeit der Enquete-Kommission „Zukunft der Medien“ in der letzten Legislaturperiode besonders beigetragen hat. Entgegen zahlreichen Vermutungen soll hier keiner materiellen Kompetenzneuverteilung das Wort geredet werden, von der wir alle wissen, dass etwa für eine Ver- fassungsänderung keine Mehrheiten in Sicht sind. Viel- mehr stehen aufgrund der neuen, durch die technische Entwicklung, die neuartigen Informations- und Kommu- nikationsdienste und die Globalisierung geprägten Rah- menbedingungen elektronischer Medien insgesamt die bisherigen medienpolitischen Gremien und Instrumente auf dem Prüfstein. Wenn unsere bisherigen Begriffe und Definitionen, an denen nicht nur höchst unterschiedliche Ordnungsrahmen und damit auch Regelungsintensitäten sowie Rechtsfol- gen geknüpft werden, nicht mehr ohne weiteres eindeutig verwendet werden können, entsteht zwangsläufig eine zu- nehmende Verunsicherung und Rechtsunsicherheit bei den Anbietern wie Nutzern der elektronischen Medien und der IuK-Dienste. Wenn unsere bisherigen sektoral zersplitterten Auf- sichtsstrukturen dazu führen, dass die Rechtsposition und auch die möglichen Rechtsfolgen für einen Anbieter mo- derner IuK-Dienste nicht mehr allein davon abhängt, ob er innerhalb des europäischen Binnenmarktes seinen Sitz hat, sondern auch davon, ob dieser in Nordrhein-West- falen oder in Bayern liegt, dann hat dies mit dem Ziel ei- nes einheitlichen Rechtsrahmens und mit mehr Rechtssi- cherheit nicht mehr viel gemein. Wenn schließlich wie im Falle des geplatzten Kabelnetzverkaufs an den amerika- nischen Investor Liberty Media oder der Kirch-Krise me- dienwirtschaftliche Umwälzungen die internationalen Konzentrationsprozesse beschleunigen und auch zu erd- bebenartigen Veränderungen unserer deutschen Medien- landschaft zu führen drohen, dann kann unsere politische Antwort nicht beim bisherigen chaotischen und vielstim- migen Chor von Bundes- und Landespolitikern, Landes- medienanstalten, Landes- und Bundesbehörden, auch dem Bundeskartellamt oder von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post bleiben. Die Medien- und Kommunikationspolitik in Deutsch- land braucht eine bessere, effizientere Koordinierungs- plattform, denn wenn eines sicher ist, dann dass die Re- formanforderungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen werden. Zu erinnern ist hier nicht nur an die be- vorstehenden Umsetzungen des so genannten Telekom- munikations-Richtlinienpakets der EU-Kommission oder an die bevorstehende Novellierung des Telekommunikati- onsgesetzes, sondern darüber hinaus ebenfalls an die Erar- beitung der Fernsehrichtlinie als echter Content-Richtlinie und an die sicherlich kommende Infrastrukturdebatte – Stichworte sind hier Satelliten, Kabelnetze oder auch Breitbandinitiativen. Diese bevorstehenden Entwicklun- gen werden den Druck auf unsere bestehende Medienord- nung noch weiter erhöhen. In Deutschland ist die Debatte zur Reform der Medien- ordnung durchaus weit gediehen. Die Bundesregierung hat im Sommer des vergangenen Jahres Bund-Länder-Ge- spräche zur Reform der Medienordnung aufgenommen. Vorgesehen ist, dass in einem sequenziellen Verfahren in drei Runden Bund und Länder eine neue Rahmenordnung für den Jugendmedienschutz, für den Datenschutz und für die Medienkonzentration erarbeiten. Für den Jugendschutz in den Medien konnte nach vo- rübergehender Blockade Bayerns im März 2002 eine Ei- nigung erzielt werden. Mit dem Jugendschutzgesetz hat der Bund seine Verpflichtungen bereits erfüllt. Unser An- trag begrüßt diese Entwicklung und hat auch viele Eck- punkte zu dieser Debatte beigetragen. Dennoch sind wir überzeugt, dass auch diese Ad-hoc- Reformen die strukturellen Defizite nur zu mildern, nicht zu lösen vermögen. Denn um den neuen Herausforderun- gen gewachsen zu sein und auch um die verfassungs- rechtlich garantierte Medienkompetenz der Länder zu si- chern, bedarf es nicht nur einer deutlichen Verschlankung der Aufsichtsstrukturen, sondern darüber hinaus auch ei- ner wesentlich verbesserten Koordinierung zwischen Bund und Ländern. Als ein solches Koordinierungsinstrument schlägt der vorliegende Antrag einen Medien- und Kommunikations- rat vor. Dieser ist ein Versuch, im Rahmen der gegebenen Kompetenzordnung – dies bitte ich als wichtige Prämisse zu verstehen – zu einer deutlichen Verbesserung der Ko- ordination öffentlichen Handelns von Bund und Ländern im Bereich der Telekommunikations- und Medienpolitik zu kommen. Er hat nicht zum Ziel, ein großes Gesamtkonzept zu entwerfen, mit dem alle bestehenden Probleme auf einmal zu lösen sind. Ebenso wenig soll dieser Rat eine Art neue Super-Medienbehörde darstellen, wie es verkürzt im ak- tuellen„Focus“-Magazin zu lesen ist. Unsere Vorstellung eines modernen Medien- und Kommunikationsrates ori- entiert sich vielmehr an dem Entwurf von Prof. Dieter Stammler. Er soll also bestehende Institutionen integrieren und in ihrem Handeln effizienter aufeinander abstimmen – und eben keinesfalls nur ergänzen. Ein solcher Medien- und Kommunikationsrat kann eine politische Plattform Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25243 (C) (D) (A) (B) sein, auf der die politischen Entscheidungen aufeinander abgestimmt und einheitliche, planungssichere und verläss- liche Verfahren für alle Beteiligten festgelegt werden kön- nen. Auch wenn der Weg zu einem echten One-Stop-Shop noch weit ist, so wäre dennoch ein singulärer Ansprech- partner für alle Medien- und Kommunikationsfragen be- reits ein wichtiger Fortschritt. Gerade dem Aspekt der Verlässlichkeit durch Verfahren, für die der Rat dann als institutioneller Garant fungiert, kommt eine besondere Bedeutung zu. Er hebt den Rat deutlich von einem Debattierclub ab. Dennoch soll der Medien- und Kommunikationsrat aber auch ein politisches Forum sein, in dem die Grund- züge einer modernen – auch europäischen – Medien- und Kommunikationsordnung kontinuierlich diskutiert und auch eine – aus unserer Sicht nach wie vor notwendige Kompetenzneuregelung innerhalb unseres föderalen Sys- tems politisch vorbereitet werden könnte. Diese Aufgabe eines Medien- und Kommunikationsra- tes als ständiger „Medien-Workshop“ ist kaum zu über- schätzen. Denn gerade aus Sicht der Bundesländer können auch die gegenwärtigen Neuregelungen ihre angemessene Beteiligung an der Gestaltung der Medien- und Kommu- nikationspolitik von morgen nicht sichern. Ebenso wenig kann der Bund ein echtes Interesse daran haben, dass die strukturellen Widrigkeiten der bestehenden zersplitterten Medienordnung sich weiterhin als Hindernis für die wei- tere Entwicklung der Informations- und Wissensgesell- schaft wie auch der Medienwirtschaft und auch beispiels- weise des elektronischen Geschäftsverkehrs auswirken. Beide Seiten, davon sind wir überzeugt, können in einem solchen Prozess nur gewinnen. Weiterhin bleibt natürlich gültig, was ich bereits zur ers- ten Lesung unseres Antrages gesagt habe: Unser Antrag und auch der Vorschlag eines Medien- und Kommunikati- onsrates sollen und werden kein Schlusspunkt zur Debatte der Reform der Medienordnung sein. Sie sind vielmehr ein Beitrag zu einer Diskussion, deren Höhepunkt uns sicher- lich noch bevorsteht. Aber diese Debatte lohnt sich, denn die besondere gesellschaftliche Bedeutung der Medien und der neuen IuK-Dienste verpflichtet uns, nachhaltig nach der bestmöglichen Lösung zu suchen. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Die Medien- landschaft befindet sich in einem großen Veränderungs- prozess. Prognosen zu der Frage, wohin die Reise geht, sind außerordentlich schwierig. Bislang haben sich auch die Experten oft verrechnet, was die Marktentwicklung im Multimediabereich angeht. Ich nenne nur den Misser- folg von WAP– oder andersherum: den unglaublichen und unvorhergesehenen Erfolg von SMS. Wir lernen daraus, dass Marktentwicklung im Multimediasektor offenbar stark nach dem Prinzip von „trial and error“ funktioniert. Oder andersherum formuliert: Die Multimediabranche in Deutschland und anderswo wird nur dann vorankommen, wenn sie möglichst schnell verschiedene Produkte, An- wendungen und Geschäftsmodelle testen kann. Wie wird die Entwicklung sein? Die Entwicklung der Technik ermöglicht das Zusammenwachsen medialer Nutzungsfelder, die wir bis vor kurzem noch als völlig ge- trennte Sektoren angesehen haben. Telefonie, Fernsehen, Internet und andere Formen der Datenübertragung wach- sen im Zeichen der Digitalisierung zusammen, sowohl im stationären wie im mobilen Bereich. Die Chance, die in der Eröffnung einer Vielzahl multimedialer drahtgebun- dener (DSL, digitalisiertes TV-Kabel mit mindestens 512 MHz Brandbreite und Rückkanal, Stromnetz) und drahtloser Übertragungswege (GPRS, UMTS, WLAN, perspektivisch auch satellitengestützte Datenübertra- gung) liegt, darf nicht durch falsche Politik in Deutsch- land blockiert werden. Neue Formen des Kundenkontakts entstehen, völlig neue Dienstleistungs- und Geschäftsmodelle mit vielen zukunftsfähigen Arbeitsplätzen. Aber damit sie entstehen, brauchen sie bestimmte Rahmenbedingungen. Das sind offene Netze und offene Standards, die Wettbewerb er- möglichen. Aber das sind vor allem auch klare rechtliche Rahmenbedingungen. Klare rechtliche Rahmenbedin- gungen sind insbesondere im Bereich der Zukunftstech- nologien die Voraussetzung dafür, dass Neues entsteht: neue Inhalte, neue Geschäftsmodelle und neuer Wettbe- werb um die besten Lösungen. Der vorliegende Antrag von SPD und Grünen ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass es die digitale Spal- tung auch innerhalb der Regierungsfraktionen gibt. Ne- ben digitalen Allgemeinplätzen finden wir darin auch Ata- vismen aus der Zeit des Radios oder der Tageszeitungen. Der von Ihnen vorgeschlagene Medien- und Kommu- nikationsrat macht ratlos. Hier soll eine weitere angeblich handlungsfähige Institution aus 17 Teilnehmern mit wi- derstreitenden Interessen geschaffen werden, eine Super- behörde der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Län- der im Zeitalter der Globalisierung. Bedenken sind angebracht. Praktische Bedenken führen zu der Frage, was diese Behörde eigentlich leisten kann und soll. Jugendschutz ist richtig und wichtig. Fraglich ist aber, ob solch eine Behörde einen effektiven Jugendschutz überhaupt durchsetzen kann. Das Web ist weltweit; eine indizierte Seite ist inner- halb von Minuten mit einer anderen URL im Netz. Benut- zerautonomie ist hier der Schlüssel zu einem zwar nicht perfekten, aber immerhin effektiveren Jugendschutz als dem von einer handlungsunfähigen Behörde ausgeübten. Außerdem sollte man abwarten, was der im Entstehen begriffene Jugendmedienschutzstaatsvertrag zwischen den Ländern und dem Bund bringt. Die Beteiligten soll- ten die Chancen nutzen, die in ihm liegen. Sie müssen eine Balance finden zwischen der Möglichkeit, angestrebte Ziele auch im Zeitalter des WWW zu erreichen und der Verpflichtung, föderale Eigenständigkeit auch in einer globalen Welt zu erhalten. Auch verfassungsrechtliche Einwände bestehen gegen die angedachte Superbehörde. Das Grundgesetz hat vor dem Hintergrund der Geschichte die Kompetenzen zwi- schen Bund und Ländern aufgeteilt. Kompetenzen sind dabei nicht nur Handlungsmöglichkeiten, sondern auch Verantwortlichkeiten. Jeder ist für die Angelegenheiten, für die ihm das Grundgesetz auch Kompetenzen zuge- wiesen hat, selbst verantwortlich. In einer gemischten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225244 (C) (D) (A) (B) Behörde bleibt unklar, wer nun eigentlich für was zustän- dig und damit verantwortlich ist. Der Einheitsbrei der Ver- antwortungslosigkeit droht, sich über die Bundesrepublik zu ergießen. In einer Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutsch- land ist Transparenz die wichtigste Voraussetzung für Akzeptanz: Transparenz hinsichtlich des Entscheidungs- findungsprozesses, aber auch hinsichtlich der Verantwort- lichkeiten. Dem wird der Vorschlag der Regierungskoali- tion nicht gerecht. Ähnlich unzeitgemäß sind die Überlegungen, durch eine Ausweitung der Aktivitäten der öffentlich-rechtli- chen Rundfunkanstalten im Internet zur Herstellung einer angeblich fehlenden Grundversorgung ein öffentlich- rechtliches Internet zu schaffen. Die zentrale Frage ist, ob dies noch mit dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vereinbar ist, eine angemessene Grund- versorgung zu gewährleisten. Dieser Gedanke liegt bei den kapitalintensiven Fern- sehsendern nahe: Meinungsfreiheit und Pluralismus kön- nen nicht darin bestehen, kapitalstarken Unternehmen zu einem Oligopol zu verhelfen. Mit Einschränkungen gilt dies auch für das Radio und seine Sender. Geradezu absurd ist es aber, diese Überlegungen auf das Internet auszudehnen: Noch niemals in der Ge- schichte der Menschheit bot ein Medium so viele Gele- genheiten, ohne großen Kapitaleinsatz die eigene Mei- nung zu verbreiten. Jeder, der dies möchte, kann sich eine Website einrichten und seine Ansichten kundtun. Das ist ein Pluralismus, der bei anderen Medien – von Flugblät- tern vielleicht abgesehen – niemals erreicht werden kann und daher sicher auch keiner öffentlich-rechtlichen Insti- tutionalisierung bedarf. Setzt man die diesem Vorschlag innewohnende Mentalität voraus, bräuchte dieses Land nichts so dringend wie öffentlich-rechtliche Flugblätter und öffentlich-rechtliche Zeitungen – eine absurde Vor- stellung. Ähnlich verhält es sich mit der in regelmäßigen Abstän- den auftauchenden Idee der Vorratsspeicherung. Zuletzt hat sie uns in einem Antrag des Landes Niedersachsen im Bun- desrat beglückt. Vorgeblich sollte die Strafverfolgung von Sexualdelikten zum Nachteil von Kindern verbessert wer- den. Gegen solch ein Ziel kann kein billig und gerecht denkender Mensch viel einwenden. Gleichzeitig – und hier beginnt der Etikettenschwindel – soll die Bundesre- gierung aber die Möglichkeit haben, durch Verordnung Mindestspeicherfristen für Telekommunikationsdaten festzulegen. Niemand weiß genau, ob damit nun die bloßen Verbindungsdaten oder aber sogar die Nutzungs- daten, also jeder Klick im Internet gemeint sind. Offensichtlich sollen Richter auch eine rückwirkende Telefon- und Internetüberwachung anordnen dürfen. Man führe sich bitte vor Augen, dass ein Rechtsstaat hier durch die Rückwirkung, das heißt durch den Zugriff auf Daten, die vor dem Verdacht gegen den Bürger entstanden sind, massiv in die Privatsphäre seiner Bürger eingreift. Die Initiatoren sind eingeladen, die Ausführungen des Bun- desverfassungsgerichts über die informationelle Selbstbe- stimmung zu lesen. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Gedanke zu ei- nem wirtschaftlichen Boom bei den Herstellern von Spei- chermedien führt. Die verpflichteten Telekommunikati- onsunternehmen, die natürlich auch die Kosten für diese Speichergut zu tragen haben, werden die anfallenden Be- träge auf die Kunden umlegen müssen, um überhaupt wirt- schaftlich überleben zu können. So würde die Schlüssel- technologie Informationstechnik in Deutschland sinnlos verteuert. Bei deren Bedeutung im beginnenden 21. Jahr- hundert führte dies dazu, dass innovative Unternehmen das Land verlassen, Deutschland im global-digitalen Wettbewerb weiter zurückfiele und dies für nichts und wieder nichts. Es ist nämlich mehr als zweifelhaft, ob die Menge der gesammelten Daten von den Strafverfolgungsbehörden oder gegebenenfalls auch den Diensten sinnvoll genutzt werden könnte, das heißt zielgerichtet zu einer effektiven Bekämpfung führen würde. Die Bundesregierung ist die Antwort auf diese Frage schon bei der herkömmlichen Te- lefonüberwachung schuldig geblieben: Wir warten seit mehr als einem Jahr auf einen entsprechenden Bericht des Bundesministeriums der Justiz – allerdings vergeblich. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der „Focus“ hat es in seiner aktuellen Ausgabe recht drastisch formuliert: „Rot-Grün plant angeblich Super-Medien- behörde“ heißt es dort. Sie sehen also: Unser gemeinsamer Fraktionsantrag zur Reform der Medien und Kommuni- kationsordnung hat bereits für vielfältige Diskussionspro- zesse gesorgt, aber die richtigen Botschaften gilt es erst noch zu vermitteln. Denn wir planen überhaupt keine „Su- per-Medienbehörde“. Uns geht es vielmehr darum, einen Medien- und Kommunikationsrat zu schaffen, der die be- stehenden Institutionen integrieren, aber nicht etwa erset- zen sollte. Unsere Konzeptionen eines derartigen Medien- und Kommunikationsrates gehen von folgenden Aufgaben aus: die Koordinierung politischer Planungs- und Gesetz- gebungsprozesse; die Abstimmung und Harmonisierung von administrativen Verfahrensabläufen und Entschei- dungen und – nicht zuletzt – die Schaffung einer Plattform für einen übergreifenden gesellschaftlichen Diskurs und für die wissenschaftliche Politikberatung. Der eigentliche Medien- und Kommunikationsrat sollte unserer Auffas- sung nach daher drei Ebenen umfassen: die politische Ebene, die administrative Ebene und die Ebene der ge- sellschaftlichen und wissenschaftlichen Beratung. Der Antrag geht jedoch weit über das Thema Medien- und Kommunikationsrat hinaus: Neben konkreten Vor- schlägen zur Reform der Medienordnung betrachten wir vor allem vier Ebenen näher: die Entwicklung der Me- dientechnik, die technische Konvergenz der Medien, die zunehmende Globalisierung und vor allem auch die Kom- merzialisierung der Medien. Die fortschreitende Ent- wicklung der Technik darf nicht dazu führen, dass immer größere Kreise der Bevölkerung von der Nutzung der neuen Medien ausgeschlossen werden. „Internet für alle“ darf kein reines Schlagwort sein, sondern muss sich in konkreten Maßnahmen zur Förderung von Medienkom- petenz niederschlagen. Insbesondere mit der Gründung der „Stiftung Digitale Chancen“ hat die Bundesregierung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25245 (C) (D) (A) (B) hier frühzeitig reagiert und Angebote auch für Randgrup- pen und Minderheiten geschaffen, um diese ans Netz „an- zuschließen“. Die zunehmende Konvergenz der Medien wird neue Fragen aufwerfen, deren Bedeutung heute noch nicht richtig zu gewichten ist: Dürfen Netzbetreiber und Pro- grammlieferant ein und dieselbe Person sein? Muss der Bürger über ein Grundrecht auf einen breitbandigen Netz- zugang verfügen? Dürfen analoge Übertragungswege zu- gunsten digitaler komplett aufgegeben werden? Die Globalisierung der Medienlandschaft wird auf alle Fälle dazu führen, dass wir die nationale „Rund- funkbrille“ abstreifen müssen. Wir dürfen keine Scheu vor ausländischen Investoren haben. Unsere Medien- landschaft ist schon längst keine nationale Industrie mehr, sondern muss sich Europa und der Welt noch viel mehr öffnen. Das heißt nicht, dass ein Berlusconi mor- gen hier mitregiert oder ein Murdoch plötzlich unsere Rundfunklandschaft kontrolliert. Nein, Beteiligungs- grenzen sind sinnvoll und müssen bestehen bleiben, aber ein Kirch muss nicht Kirch bleiben, nur weil er Deut- scher ist. Wir freuen uns vielmehr darüber, wenn neue Investoren Bewegung in einen momentan viel zu starren Markt bringen. Die totale Kommerzialisierung des Mediensystems gilt es unbedingt zu verhindern. Gerade im Internet haben wir es hier mit einer fortschreitenden Orientierung hin zu Be- zahlangeboten zu tun. Dies darf nicht dazu führen, dass wir in Zukunft für je- den Klick bezahlen müssen. Klick muss es hier vielmehr auch bei Staat und Verwaltung machen: Wissensportale und E-Government-Dienste sind ein zentraler Baustein unserer Informationsgesellschaft, Ausdrücklich begrüße ich hier die Aktivitäten der Bundesregierung im Zusam- menhang mit dem Bund-Online-Programm und dem da- raus kürzlich entstandenen Signaturbündnis, das hoffent- lich zu einem Durchbruch von Internetdienstleistungen führen wird. Eine gerechte Medienordnung wird es nur geben, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen. Eine vielfältige Medienlandschaft ist wichtiger als eine kurzfristige Stand- ortsicherung. Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Es sind ge- rade einmal drei Wochen vergangen, seit wir uns im Ple- num mit dem vorliegenden Antrag beschäftigt haben – da- mals wie heute leider nicht gerade zur „prime-time“ mit zu Protokoll gegebenen Reden. Selbst in der äußerst dy- namischen Medien- und Kommunikationsszene haben sich seitdem nicht so einschneidende Veränderungen er- geben, dass heute eine neue Bewertung – oder neue Aus- führungen hierüber – erforderlich wären. Ich möchte mich an dieser Stelle deshalb darauf kon- zentrieren, mich mit einigen der von den Kolleginnen und Kollegen am 13. Juni zu Protokoll gegebenen Argumen- ten auseinander zu setzen. Dabei befällt mich der leise Verdacht, dass ich (nahezu) der einzige Leser der licht- vollen Ausführungen meiner Kollegen bin – und auch meine heutigen Ausführungen ein ähnliches Schicksal er- leiden werden. Im schlimmsten Fall führe ich also ein Selbstgespräch – auch dies kann im Interesse eines stän- digen Hinterfragens – auch der eigenen Positionen – sinn- voll sein. Sowohl der Kollege Tauss als auch Staatsminister Nida-Rümelin sprechen – besser: schreiben – in ihren Beiträgen das so genannte „Konzept der regulierten Selbstregulierung“ an. Dieser Begriff scheint in der aktu- ellen Debatte zu einem Zauberwort oder aber zu einem Schreckensbegriff geworden zu sein, je nach Betrach- tungsweise. Alle stimmen insoweit überein, dass der Staat bzw. staatliche Kontrollinstanzen schon aus Kapazitätsgründen und -kosten gar nicht mehr in der Lage sind, flächen- deckend, also global, alle Anbieter und Inhalte ständig zu überwachen. Also – befürchte ich – waren es eher nüch- terne Zweckmäßigkeitserwägungen als ordnungspoliti- sche Überzeugungen, die dem Trend zur Selbstregulie- rung Vorschub geleistet haben. Anlass zur Kontroverse gibt offensichtlich die Rolle, die der Staat bei diesem Konzept der „regulierten Selbst- regulierung“ übernehmen soll. Der Kollege Tauss befür- wortet immerhin, dass die staatliche Regulierung gegen- über der Selbstregulierung „subsidiär“ sei. Das liest sich bei Nida-Rümelin schon ganz anders, indem er die Selbst- kontrolle in den staatlich sanktionierten Regulierungsrah- men „einbinden“ will: Was ist hierunter konkret zu ver- stehen? Insbesondere die geplante Kommission für Jugend- medienschutz (KJM) vergrößert die Fragezeichen. Im Bereich des novellierten Jugendschutzes wird deutlich, dass sich die Pläne von Rot-Grün in Richtung staatlich bevormundete Selbstkontrolle gehen. Da wird, um Kos- ten zu sparen, einfach genau und detailliert vorgeschrie- ben, wie sich die Wirtschaft zu kontrollieren hat. Selbst- kontrolle kann man das nicht mehr nennen – eher Abwälzung der Kosten rot-grüner Zielsetzungen auf die Wirtschaft. Für meine Befürchtung, dass unter „regulierter Selbstre- gulierung“ in Wahrheit nur private – und im Übrigen sehr kostenträchtige – Hilfsdienste für staatliche Regulierer ge- meint sind, spricht im Übrigen folgende Formulierung im Antragstext: „Der Staat und seine Aufsichtsinstanzen soll- ten aber grundsätzlich eine Auffangverantwortung behal- ten und gegebenenfalls eingreifen können.“ Ich warne Neugierige: Die Provider sind erst jüngst durch die TKOV mit Milliardenkosten für die Wahrneh- mung staatlicher Aufgaben belastet worden. Noch einmal werden sich die privaten Anbieter nicht auf eigene Kosten als bloße Hilfssheriffs des Staates missbrauchen lassen. Die staatlichen Regulierer mögen Rahmenbedingungen und Standards setzen, sich aber aus Einzelentscheidungen strikt heraushalten. In Extremfällen haben ohnehin die Gerichte zu entscheiden. Ein weiterer Punkt meines Selbstgespräches ist die Frage, ob der von Rot-Grün vorgeschlagene einheitliche „Medien- und Kommunikationsrat“ alle bisherigen Über- wachungsgremien, also auch die Rundfunkräte von ARD und ZDF ersetzen soll. Der Wortlaut des Antrages ließe Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225246 (C) (D) (A) (B) dies zu. Aus aktuellen Diskussionsrunden mit sozialde- mokratischen Kollegen weiß ich aber, dass Sie hieran überhaupt nicht denken, vielmehr ARD und ZDF weiter- hin das Privileg einer anstaltsinternen Kontrolle genießen sollen, also nur die Privaten einer Fremdkontrolle durch einen Medien- und Kommunikationsrat unterworfen sein sollen. Diese Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Pri- vaten halte ich für höchst fragwürdig. Damit komme ich zum Hauptpunkt meiner Kritik am Antrag von SPD und Grünen, der Forderung nach einer Ausdehnung des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungs- auftrages nunmehr auch noch ins Internet. Kein demokra- tisches Land dieser Erde hat einen so teuren und aufwen- digen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie Deutschland. Kein anderes demokratisches Land dieser Erde kennt ei- nen Grundversorgungsantrag der Öffentlich-Rechtlichen im Internet. Das Internet ist keine Spielwiese deutscher Regulie- rungs- und Bevormundungslust. Mit den gleichen Argu- menten, die Rot-Grün für die angebliche Notwendigkeit öffentlich-rechtlicher Internetportale (und auch öffentlich- rechtlicher Content-Provider?) ins Felde führen, ließe sich mühelos auch die Notwendigkeit öffentlich-rechtli- cher Buch- und Zeitungsverlage begründen. Wo soll dies noch alles hinführen? Allein für den Rundfunkbereich kos- tet die öffentlich-rechtliche Grundversorgung schlappe 6,6 Milliarden Euro pro Jahr. Niemand möge sich darüber täuschen, dass zusätzliche Internetaktivitäten von ARD und ZDF zwangsläufig weitere Gebührenerhöhungen nach sich ziehen würden – und auch den Zusammenbruch von noch mehr privaten Internetanbietern. Im selben Zeitpunkt, wo wir uns in Deutschland über weitere Privilegien für die öffentlich-rechtlichen Anstal- ten streiten, geht das Vereinigte Königreich genau den ge- genteiligen Weg. Dort hat die Labour-Regierung einen Gesetzentwurf ins Unterhaus eingebracht, wonach sich die Regulierung nicht nur für den Bereich des Internet, sondern gleichermaßen auch für den des Rundfunks auf die Prüfung zu beschränken habe, ob die jeweiligen Ver- anstalter ihre eigenen Vorgaben gegenüber den Verbrau- chern eingehalten haben. Gelegentlich ist es sinnvoll, auf sozialdemokratische Vorbilder aus anderen Länder zu verweisen. Die FDP- Fraktion steht jedenfalls der Regierung Blair bei der Frage der Regulierungsnotwendigkeit für Rundfunk und Inter- net sehr viel näher als die deutschen Sozialdemokraten. Dies sollte Ihnen zu denken geben! Ich freue mich auf eine zielführende Debatte im nächs- ten Bundestag. Angela Marquardt (PDS):Angesichts der zunehmen- den Konvergenz der Medien wird eine neue Medienord- nung unerlässlich. Ich glaube, darüber sind wir uns hier im Hause einig. Eine neue Medienordnung ist etwas an- deres als die Abschaffung der Medienordnung. Ich finde es gut, dass die Regierungskoalition hier ein Zeichen ge- setzt hat, dass es eben nicht einfach um Deregulierung geht, dass es nicht darum geht, die Medien dem freien Markt und dem Kartellrecht zu überlassen. Wir dürfen in dieser Frage nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, wie es in dem umstrittenen Gutachten „Of- fene Medienordnung“ gemacht wurde. Wer derart radikal deregulieren will, der stellt letztlich auch die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage. Medien sind aber nicht nur eine Ware, ein Produkt, eine Dienstleistung, sondern sie sind ein Mittel der Demokratie, ein Teil unse- rer Kultur und eine unerlässliche Quelle für jene Infor- mationen, die Bürgerinnen und Bürger brauchen, um sich an dieser Demokratie beteiligen zu können. Eine neue Medienordnung muss vor allem auch die Aufsichtsstrukturen entflechten. Dabei muss ein Ord- nungsrahmen gefunden werden, der flexibel genug ist, die weitere – und noch nicht absehbare – technologische Entwicklung zu berücksichtigen. Ihr Antrag behält den Überblick und verzichtet auf überstürzte, voreilige Schlüsse. Das ist gut so. Ihren zwölf Forderungen können wir ausnahmslos zustimmen. Und ich möchte ausdrück- lich betonen, dass ich sehr erfreut bin, welchen hohen Stellenwert Sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch weiterhin einräumen. Im Begründungsteil Ihres Antrages finden sich jedoch einige Widersprüche, die ich kurz ansprechen will. So wird zum Beispiel sehr richtig festgestellt, dass die Aus- wertung von Datenspuren im Internet das informationelle Selbstbestimmungsrecht gefährdet. Das ist korrekt. Aber die letzte Initiative zur Vorratsspeicherung der Verbin- dungsdaten kam aus dem SPD-regierten Niedersachsen. Und die Cybercrime-Konvention wurde von dieser Bun- desregierung unterzeichnet. Hier wie auch in anderen Punkten des Antrages klaffen ihre Worte und Ihre Taten doch sehr weit auseinander. Ich finde es gut, dass sich SPD und Grüne inzwischen eindeutig von einer automatischen Internetfilterung dis- tanzieren. Auf der anderen Seite wird jedoch so getan, als ob „teilnehmerautonome“ Filter eine gute Alternative, frei von Zensurmöglichkeiten, seien. Dabei wird übersehen, dass es solche rein teilnehmerautonomen Filter bisher gar nicht gibt. Auch das gängigste Modell; das ICRA-System, arbeitet mit der Sperrung ganzer Seiten, die nach Nega- tivlisten ausgewählt werden. Niemand hat Einblick in diese Listen. Ich bitte Sie also, in dieser Frage sehr sensi- bel zu sein. Wir dürfen der Zensur kein noch so kleines Türchen öffnen. Noch eine Anmerkung zur Frage der Gebührenord- nung. Auch ich denke, dass eine pauschale Lösung, also eine einzige Mediengebühr pro Haushalt, sinnvoll ist. Wichtig wird jedoch sein, dass erstens diese Gebühren auch eine Internet-Flatrate beinhalten und dass zweitens die Höhe der Gebühren sozial gerecht bleibt. Denn auf keinen Fall dürfen Menschen aufgrund ihrer sozialen Lage von der Nutzung elektronischer Medien ausgeschlos- sen sein. Eine neue Medienordnung muss sehr genau geprüft werden, damit sie zukunftsfähig ist. Sie muss einerseits flexibel sein und darf andererseits keine Lücken lassen. Schnellschüsse helfen uns nicht weiter. Die Einrichtung einer Expertenkommission scheint mir unerlässlich zu sein. Aber wir sollten auch den Dialog mit gesellschaft- lichen Gruppen verstärken; denn das Thema geht alle an. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25247 (C) (D) (A) (B) Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Rechtsanspruch auf Beratung im Mutterpass zusätzlich festschreiben – Vermeidung von Spätabtreibungen – Hilfen für Eltern und Kinder (Tagesordnungspunkt 14) Christel Riemann-Hanewinckel (SPD): Die uns vorliegenden Anträge und die der Beschlussempfehlung vorangegangenen Debatten haben deutlich gemacht, dass wir – unabhängig von Partei- bzw. Fraktionszugehörig- keit – hinsichtlich des Ziels übereinstimmen: Wir alle wollen die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche auf- grund einer tatsächlichen oder befürchteten Behinderung des Kindes und hier insbesondere die Anzahl der Spätab- treibungen reduzieren. Meinungsverschiedenheiten bestehen bezüglich der Frage, wie dieses Ziel zu realisieren ist. Die Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU verweisen in diesem Zu- sammenhang immer wieder gerne auf die aus den Grund- rechten resultierende Verpflichtung des Gesetzgebers, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Sie kritisieren, die derzeit geltenden Regelungen würden den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Un- ermüdlich wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1993 und die dem Gesetzgeber auferlegte Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht zitiert. Sie zitieren sehr selektiv. Wie Sie sehr wohl wissen, will das höchste Gericht bei der Frage nach der Reich- weite der staatlichen Schutzpflicht in Hinblick auf das werdende Leben kollidierende Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit und Persönlichkeitsrecht der Frau berücksichtigt wissen. Zudem macht das Urteil keine konkreten Vorgaben, in welcher Form der Gesetz- geber den verfassungsrechtlichen Auftrag zu verwirkli- chen hat. Es spricht vielmehr von „ausreichenden Maß- nahmen normativer und tatsächlicher Art“ und fordert „ein Schutzkonzept, das Elemente des präventiven wie des repressiven Schutzes miteinander verbindet“. Hier – im präventiven Bereich – liegt doch das Pro- blem – bzw. besser: die Lösung des Problems. Mütter oder Paare, die irgendwann im Verlaufe der Schwanger- schaft mit der Diagnose „Behinderung“ konfrontiert werden, fühlen sich regelmäßig vollkommen hilflos und der Situation nicht gewachsen. Die mit dem Zusammen- leben mit einem nicht behinderten Kind verbundenen Belastungen und Probleme hat jeder im Familien- und Freundeskreis mehr oder minder intensiv erlebt, sodass er oder sie über ein gewisses Maß an Erfahrung verfügt. Das Zusammenleben mit einem behinderten Kind ist für die Mehrzahl der werdenden Mütter nicht vorstellbar. Hier ist Hilfe in Form von Information und Beratung ge- fragt. Eltern werden sich am ehesten dann für das Zusam- menleben mit einem behinderten Kind entscheiden, wenn ihren Ängsten und Sorgen zum Beispiel in einem Bera- tungsgespräch Raum gegeben wird. Wenn sie wissen, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert werden und mit welchen Hilfen, mit welcher Art von Unterstützung sie rechnen können. Erst danach ist eine eigene und verant- wortliche Entscheidungsfindung möglich. Sie ist dann nicht nur medizinisch-diagnostisch geprägt, sondern un- ter Berücksichtigung von ethischen, religiösen, persön- lichen, familiären und sozialen Aspekten getroffen. Natürlich teile ich Ihre Bestürzung über die derzeit jährlich knapp 2 000 Schwangerschaftsabbrüche zwi- schen der 13. und der 23. Woche. Selbstverständlich bin ich erschüttert bei der Vorstellung, dass die Anzahl der Abbrüche nach der 23. Woche im letzten Jahr bei knapp 180 lag – und hierbei handelt es sich nur um die offiziel- len Zahlen. Ich bin jedoch anders als Sie nicht der Ansicht, dass die Lösung in der Pflicht zur psychosozialen Bera- tung nach pathologischem Befund liegt bzw. eine Ergän- zung des Strafgesetzbuchs vonnöten ist. Aus gutem Grunde haben wir im Schwangerschafts- konfliktgesetz den Rechtsanspruch von Frauen und Män- nern auf Information und Beratung hinsichtlich aller mit einer Schwangerschaft in Verbindung stehenden Fragen in einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle festge- schrieben. Die Erfahrungen aus der Beratungspraxis zei- gen, dass zwar nahezu alle schwangeren Frauen Kenntnis von der Möglichkeit pränataldiagnostischer Untersuchun- gen haben; die Tatsache, dass ihnen neben der umfassen- den medizinischen Betreuung ein psychosoziales Bera- tungsangebot zur Verfügung steht, ist den meisten Betroffenen nicht bewusst und häufig sogar den Ärzten nicht bekannt. Um dieses Informationsdefizit zu beheben, bedarf es entsprechender Hinweise. Hier – da sind wir uns einig – bietet sich der Mutterpass geradezu an, da dieser den Frauen ja zu Beginn der Schwangerschaft übergeben wird. Da der Gesetzgeber keine direkte Einflussmöglich- keit auf die Ausgestaltung dieses Dokuments hat, fordern wir die Bundesregierung auf, sich bei dem Bundesaus- schuss der Ärzte und Krankenkassen dafür einzusetzen, dass der Hinweis auf den Rechtsanspruch auf psychoso- ziale Beratung Bestandteil des Passes wird. Die im Antrag der CDU/CSU formulierten darüber hi- naus gehenden Forderungen können wir nicht unterstüt- zen. Wir wehren uns vehement gegen eine Verpflichtung der Schwangeren zur Beratung. Ich bin zwar der Über- zeugung, dass nur nach einer vorausgehenden psychoso- zialen Beratung eine verantwortungsvolle und verant- wortbare Entscheidung getroffen werden kann. Wenn ich eine entsprechende Verpflichtung trotzdem ablehne, so resultiert diese Einsicht aus meinen Erfahrungen als Be- raterin und Seelsorgerin: Beratung geht mit Freiwilligkeit Hand in Hand. Beratung und Zwang schließen einander aus. Die von Ihnen vorgeschlagene Ergänzung des § 218 a Abs. 2 StGB ist entbehrlich. Die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs entfällt auch jetzt nur, wenn er angezeigt ist, eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225248 (C) (D) (A) (B) einer schwer wiegenden Beeinträchtigung des körper- lichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwan- geren abzuwenden und die Gefahr nicht anders abgewen- det werden kann. Die derzeit geltende Fassung macht hinreichend deutlich, dass ein embryopathischer Befund alleine keinen Rechtfertigungsgrund darstellt. Die von Ihnen geforderte statistische Erfassung der Spätabtreibungen ist aus datenschutzrechtlichen Gründen äußerst problematisch. Ich verweise in diesem Zusam- menhang auf die Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, nach der die Anonymität der Regis- trierung aufgrund der geringen Anzahl von Spätab- brüchen nicht gewährleistet ist. Zuletzt möchte ich mein Unverständnis gegenüber ei- ner in der Ärzteschaft vorherrschenden Haltung zum Aus- druck bringen. Zum einen finde ich die ablehnende Stel- lungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bezug auf unsere Forderung nicht nachvollziehbar, in den Mutterpass einen Hinweis auf den Beratungsanspruch aufzunehmen. Angesichts seines Um- fangs – auf 32 Seiten werden sämtliche Untersuchungser- gebnisse dokumentiert – wirkt das Argument, der Pass solle nicht mit allgemeinen Informationen überfrachtet werden, weder glaubhaft noch überzeugend. Auch vermisse ich die Bereitschaft innerhalb des ärzt- lichen Berufsstandes, im individuellen Gespräch mit der Schwangeren auf die Möglichkeit einer psychosozialen Beratung hinzuweisen. Nach meinem Verständnis geht der ärztliche Auftrag über eine rein medizinische Betreu- ung hinaus. Den Arzt trifft zumindest die moralische Ver- pflichtung, Frauen in derartigen Konfliktsituationen auf Hilfemöglichkeiten aufmerksam zu machen. Ich kann nur hoffen, dass sich das ärztliche Selbstverständnis entspre- chend entwickelt. Hubert Hüppe (CDU/CSU): Übermorgen, am 6. Juli 2002, wird Tim, das „Oldenburger Baby“, fünf Jahre alt. Sein Geburtstag sollte eigentlich sein Todestag sein. Tim ist ein Kind mit Down-Syndrom. Aber Tim leidet nicht am Down-Syndrom, sondern höchstens an ablehnenden Re- aktionen seiner Mitmenschen. Tim sollte in der 25. Schwangerschaftswoche mit Pros- taglandin abgetrieben werden. Prostaglandin ist ein Hor- mon, das die Wehen provoziert. Man hatte gehofft, dass der Kopf von Tim während der Ausstoßung zerquetscht wird, weil er normalerweise dem Druck des noch nicht ge- weiteten Geburtskanals nicht hätte standhalten können. Tim hat überlebt. Sein Kopf hielt stand. Es heißt, Tim gehe es gut. Er lebt in einer Pflegefamilie im Landkreis Cloppenburg. Tim hätte vielleicht weniger Behinderun- gen, wenn er nicht – wie die Presse berichtete – neun Stun- den liegen gelassen worden wäre. Ich habe damals An- zeige erstattet. Bis heute läuft das Ermittlungsverfahren, bis heute konnte sich die Staatsanwaltschaft nicht dazu durchringen, Anklage zu erheben. Tim hat Glück gehabt, Tim lebt. 800 andere Kinder – so schätzt der Marburger Bund – sterben jedes Jahr zwischen der 22. Schwangerschaftswoche und ihrem Geburtster- min; also zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Kinder außer- halb des Mutterleibes möglicherweise lebensfähig sind. Der Grund für die Tötung dieser Kinder ist der Verdacht auf eine Behinderung nach pränataler Diagnostik. Vor einigen Wochen habe ich in der Zeitung gelesen, dass per Massen-DNA-Test nach einer Frau gefahndet wird, die vor Jahren ihr neugeborenes Kind sofort nach der Geburt getötet hat. Diese Frau, die wahrscheinlich in einer großen – auch psychischen – Notlage war, hat nur einen Fehler gemacht: Hätte sie ihr Kind nur zwei Tage früher töten lassen, als es noch im Mutterleib war, wäre sie nicht nur straffrei gewesen. Die Tötung ihres Kindes wäre rechtmäßig gewesen. Ein Arzt hätte sie fachkundig und sorgfältig durchgeführt und die Krankenkasse hätte sie finanziert; so wie bei dem Kind mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, im Volks- mund „Hasenscharte“ genannt, das nach Presseberichten in der 32. Schwangerschaftswoche in der Bonner Unikli- nik getötet wurde. Konkret befragt nach diesem Fall ant- wortete Justizministerin Däubler-Gmelin in einem „Spie- gel“-Interview am 5. Juli 1999: „Wir wissen zuwenig, was sich wirklich tut und warum. Das müssen wir zuerst än- dern“. Die Bundesstatistik schlüsselt auf nach Dauer der Schwangerschaft: „unter 13 Wochen“, „13 bis 23 Wochen“ sowie „23 Wochen und mehr“. Ob ein pränataldiagnosti- scher Befund ausschlaggebend für die medizinische Indi- kation war oder ob es sich um eine Abtreibung zur Ret- tung des konkret und aktuell bedrohten Lebens der Mutter handelte, lässt sich aus der Bundesstatistik nicht ablesen. Frau Däubler-Gmelin hatte völlig recht, als sie dem „Spie- gel“ sagte: „Wir wissen zuwenig, was sich wirklich tut und warum. Das müssen wir zuerst ändern“. Die Verbesserung der Bundesstatistik ist dringend er- forderlich, damit wir endlich wissen, was sich wirklich tut und warum. Genau das wollen wir mit unserem Antrag er- reichen, wenn wir eine Verbesserung der statistischen Er- hebung fordern. Aber in den interfraktionellen Ge- sprächen hat sich die rot-grüne Koalition – allen voran Frau Wettig-Danielmeier – vehement dagegen zur Wehr gesetzt. Aber offensichtlich will die rot-grüne Bundesregierung gar nicht wissen, was wirklich geschieht. Sie fürchten die tatsächlichen Zahlen. Sie wissen ganz genau, dass die Dunkelziffer der Spätabtreibungen wesentlich höher ist als die Zahlen der offiziellen Statistik. Frank-Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marbur- ger Bundes, spricht von 800 Spätabtreibungen lebens- fähiger Kinder pro Jahr. Auf einer Fachtagung der „Ak- tion Lebensrecht für Alle“ vor zwei Jahren hat Prof. Peter Mallmann, seit 1996 Direktor der Kölner Universitäts- Frauenklinik, ein Referat gehalten. Er berichtete, dass späte Abtreibungen in seinem Haus tägliche Praxis sind, dass er selbst aber erst seit 1999 von der bestehenden Meldepflicht wüsste. Wörtlich hat Prof. Mallmann gesagt: „Die meisten Fälle laufen ohne Doku- mentation und ohne Publikation. Es sind dramatisch mehr, als in der Statistik angegeben.“ Dennoch hat Frau Wettig- Danielmeier in den interfraktionellen Gesprächen behaup- tet, die Zahlen seien ausweislich der Bundesstatistik so Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25249 (C) (D) (A) (B) niedrig, dass jede genauere Aufschlüsselung, wie unser An- trag sie fordert, den Datenschutz gefährden könnte: ent- schlossenes Wegsehen, Datenschutz vor Menschenschutz. Justizministerin Däubler-Gmelin hat im „Spiegel“-In- terview am 5. Juli 1999 die wichtige Rolle der Beratung der Eltern betont. Sie sagte: „Wichtig ist, dass die Eltern vor und nach der pränatalen Diagnose beraten und besser betreut werden.“ Genau das wollen wir erreichen, wenn wir in unserem Antrag eine umfassende Beratung vor und nach der präna- talen Diagnostik fordern. Das ist eine Forderung, die die Bundesärztekammer in ihrer „Erklärung zum Schwan- gerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik“ schon im November 1998 erhoben hat; eine Forderung, die auch die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ in ihren Endbericht aufgenommen hat. Diese Empfehlung wurde von den Mitgliedern der Enquete- Kommission über alle Parteigrenzen hinweg getragen. Noch einmal zitiere ich Frau Däubler-Gmelin aus dem oben genannten „Spiegel“-Interview. Sie sagte: „Außer- dem halte ich viel von dem Vorschlag, bei der Indikations- feststellung eine zweite Meinung, möglichst die eines Kin- derarztes, einzuholen.“ Auch diese Forderung haben wir in unseren Antrag aufgenommen. Frau Wettig-Danielmeier hat auch von diesem Vorschlag nie viel gehalten. Was mich traurig macht, ist die Tatsache, dass wir nun seit Jahren – seit dem 14. Dezember 1999 – in einem in- terfraktionellen Gesprächskreis unter Leitung von Frau Wettig-Danielmeier die Thematik besprochen haben. Ob- wohl alle Beteiligten erklärt haben, dass sie die heutige Praxis der Spätabtreibungen bis zur Geburt für unerträg- lich halten, habe ich den Eindruck gewonnen, dass man das Thema einfach hinauszögern wollte. Ein Beispiel dafür ist, dass Frau Wettig-Danielmeier das Protokoll der Expertenanhörung vom September 2000 erst im Juli 2001 verschickt hat, nach über zehn Mo- naten – und zwar erst, nachdem wir als CDU/CSU-Frak- tion einen eigenen Antrag eingebracht hatten. Die CDU/CSU hat immer wieder versucht, zu einem gemeinsamen Antrag mit den anderen Fraktionen zu kom- men. Wir haben sogar ausdrücklich auf eine Gesetzes- änderung beim § 218 verzichtet, obwohl viele aus unserer Fraktion, wie die Bundesärztekammer und Behinderten- verbände, dies für richtiger und effektiver gehalten hätten. Wir waren sogar bereit, auch auf einige Punkte im vor- liegenden CDU/CSU-Antrag zu verzichten, damit ein ge- meinsames Handeln endlich möglich wird. Aber Sie, Frau Wettig-Danielmeier, wollten an der Praxis der Spätabtrei- bungen einfach nichts ändern. Wenn ich jetzt im Wahlkampfprogramm der Grünen lese, dass sie grundsätzlich, auch ohne jegliche Indika- tion, die Abtreibung bis zur Geburt fordern, dann ist dies der Beweis, dass zumindest die Grünen nie an einem ge- meinsamen Antrag interessiert waren. Der jetzt vorlie- gende Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der als Reaktion auf unseren Antrag eingebracht wurde, ist deswegen auch reine Makulatur. Sie fordern einen Hinweis im Mutterpass, in dem steht, dass man ein Recht auf Beratung hat. Sie wissen aber selbst, dass lediglich ein Hinweis in der Sache kaum et- was bringt. Offensichtlich soll er auch nichts ändern. Eine dramatische Aktualität erhielt unser Antrag mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vor zwei Wochen. In diesem Urteil wurde eine Ärztin deswegen zu Schadens- ersatz verurteilt, weil sie nicht rechtzeitig die Behinde- rung eines Kindes im Mutterleib erkannt hatte. Die Ärz- tin muss jetzt Schmerzensgeld zahlen und für den Unterhalt des Kindes aufkommen. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Es ging nicht da- rum, dass irgendeine therapeutische Chance zugunsten des Kindes versäumt worden war. Die Ärztin muss zah- len, weil das behinderte Kind nicht rechtzeitig getötet werden konnte. Dieses Urteil ist ein Schlag ins Gesicht für alle Behinderten. Ein deutsches Gericht hat wieder ent- schieden, dass ein behindertes Kind eine Schadensquelle ist. Der Schaden aber hätte sich nur durch die rechtzeitige Tötung des behinderten Kindes vermeiden lassen. Das ist ein klarer Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz. Die Karlsruher Richter berufen sich auf das geltende Recht. Wenn dieses Urteil dem geltenden Recht ent- spricht, dann muss dieses Recht geändert werden. Welche Diskriminierung kann schlimmer sein als die rechtmäßige Tötung von behinderten Menschen oder, wie es früher hieß, „erbkranken Nachwuchses“? Wann, so frage ich, wird es zu einem Urteil wie in Frankreich kommen, in dem einem behinderten Jugendli- chen selbst Schadensersatz zugesprochen wird, weil er lebt und nicht vor der Geburt getötet wurde? Offensicht- lich hat das französische Gericht seine Entscheidung des- halb so getroffen, weil es der Auffassung war, der Tod des Behinderten sei für ihn besser als seine Existenz. Dass keine andere Fraktion hier im Hause außer der CDU/CSU dies zum Anlaß nimmt, die Rechtsprechung deutscher Gerichte in solchen Fällen zumindest zu über- prüfen, ist für mich nicht mehr nachvollziehbar. Geradezu grotesk ist, dass nur solche Eltern den Unterhalt des Kin- des zugesprochen bekommen, die vor Gericht geltend ma- chen, sie hätten ihr Kind vorgeburtlich töten lassen, wenn sie von seiner Behinderung gewußt hätten. Natürlich sind heute Familien mit schwerbehinderten Kindern oft auch finanziell überfordert. Aber es ist doch Aufgabe des Gesetzgebers, es ist unsere Aufgabe, diese Nachteile auszugleichen – so, wie es in unserem Antrag steht. Oder wollen Sie wirklich, dass jetzt die Ärzte indi- viduell dafür aufkommen, damit dem Staat keine Kosten entstehen? Wenn heute die Mehrheit des Hauses auch die Passage unseres Antrages ablehnt, dann gibt es im Inte- resse der Betroffenen nur noch die Chance einer Klage beim Bundesverfassungsgericht. Die Rechtsprechung des BGH hat noch andere fatale Wirkungen: Jeder Arzt, der sichergehen will, nicht scha- densersatzpflichtig zu werden, wird im Zweifelsfall zur Abtreibung raten. Er wird, wenn er sich seines Befundes nicht ganz sicher ist, eher behaupten, das Kind würde be- hindert oder krank geboren als nicht-behindert oder ge- sund. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225250 (C) (D) (A) (B) Es ist doch schon interessant, dass es kein Urteil eines Gerichtes gegen einen Arzt gibt, der ein fälschlicherweise als behindert diagnostiziertes Kind abgetrieben hat. Den- noch kennt doch fast jeder von uns solche Fälle von falsch-positiven Diagnosen. Welche Behinderung, welche Abweichung von der Norm, welche Veranlagung löst eigentlich einen Schaden aus? Wer ist überhaupt noch seinen Eltern oder der Ge- sellschaft zumutbar? Immerhin gibt es jetzt schon einen Gentest auf eine Lernbehinderung. Anfang der 90er-Jahre wurde im Auftrag des Technologiefolgenabschätzungs- büros des Deutschen Bundestages eine Umfrage unter 1 157 schwangeren Frauen in Münster durchgeführt. Fast jede fünfte der befragten Frauen würde abtreiben, wenn feststünde, dass ihr Kind zu genetisch bedingtem Überge- wicht neigt. Falls heute die Mehrheit des Hauses unseren Antrag ab- lehnen wird, werden auch in den nächsten Monaten – wie bisher – weitere behinderte Kinder getötet werden. Das Fahndungsnetz nach Behinderten wird immer dichter werden. Aber Kinder wie Tim wird es in Zukunft nicht mehr geben. Inzwischen achten die Ärzte darauf, dass diese Kinder ihre Abtreibung nicht überleben. Man hat dazugelernt. Heute tötet man diese Kinder meist dadurch, dass man eine lange Nadel durch die Bauchdecke der Schwangeren in das Herz des Kindes stößt und Kaliumchlorid ein- spritzt. Diese Salzlösung stoppt den Herzschlag des Kin- des. Damit ist gewährleistet, dass kein Abtreibungskind lebend zur Welt kommt. Vielleicht trägt dies dazu bei, dass es in Zukunft ruhiger wird um das Thema. Vielleicht werden wir uns auch immer mehr daran ge- wöhnen, dass es so etwas gibt wie „lebensunwertes“ Le- ben, Menschen, die besser daran wären, wenn sie nicht ge- boren werden. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Sie heute gegen unseren Antrag stimmen werden, die Sie nichts gegen die Praxis der Spätabtreibung unternehmen wollen: Vielleicht müssen Sie einmal einem Kind wie Tim in die Augen schauen und ihm erklären, wie Sie persön- lich Ihr Unterlassen mit Ihrem Gewissen vereinbaren kön- nen. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über eines sind wir uns in diesem Hause par- teiübergreifend einig: Die Behinderung eines Embryos al- lein darf kein Grund für eine Spätabtreibung sein. Das war auch der Grund, warum 1995 mit der Neuregelung des § 218 die embryopathische Indikation für Schwanger- schaftsabbrüche bis zur 22. Woche gestrichen wurde. Dies möchte ich hier auch noch einmal ganz deutlich den Be- hindertenverbänden sagen. Aufgenommen wurde die medizinische Indikation, die bei Gefahr für Gesundheit und Leben der Mutter ohne Be- fristung und ohne Pflicht zur Beratung gestellt werden kann. Ende des letzten Monats hat der Bundesgerichtshof die Rechtmäßigkeit eines möglichen Schwangerschaftsab- bruchs auch nach der 22. Woche entschieden. Eine Ärztin, die die schweren Fehlbildungen eines Fötus pflichtwidrig nicht erkannt oder diese Information nicht weitergegeben hat, ist zur Unterhaltszahlung für das mit schweren Fehl- bildungen geborene Kind verurteilt worden. Ein Skandalurteil? In der veröffentlichten Meinung wurde es vielfach so dargestellt. Wegen des zu zahlenden Schadensersatzes keimte die Debatte um ein Kind mit Be- hinderung als Schaden auf. Von „Dammbruch“ war die Rede. Besorgte Menschen fragten auch bei mir an, ob es denn rechtmäßig sei, ein Kind, nur weil es eine Behinde- rung habe, abzutreiben. Ich sage: Nein. In manchen Verlautbarungen wurde jedoch genau die- ser Eindruck vermittelt. Das ist der eigentliche Schaden. Das Urteil selbst ist nämlich viel differenzierter. Die Richter hatten nicht etwa zu entscheiden, ob das Selbst- bestimmungsrecht der Frau über dem Lebensrecht eines 22 Wochen alten Fötus liegt, wie manchmal suggeriert wurde. Sie hatten einen grob fahrlässigen Diagnosefehler ebenso zu bewerten wie die psychische und physische Notlage der Mutter, die sich bei Kenntnis der schweren Fehlbildungen zu einer Spätabtreibung entschieden hätte. Ihr jetziger Gesundheitszustand deutet darauf hin. Für werdende Eltern, die sich verantwortungsvoll auch für ein behindertes Kind entscheiden wollen, spielen Be- ratung und Aufklärung eine wichtige Rolle. Aber statt Hilfe anzubieten, will die CDU/CSU mit ihrem Antrag die Schwangere in einer extremen Konfliktsituation bevor- munden. Sie will Druck machen auf die Schwangere. Eine Pflichtberatung und die Entscheidung durch ein interdis- ziplinäres Gremium sollen eingeführt werden. Da frage ich? Welches Frauenbild haben Sie denn ei- gentlich? Ich gehe davon aus, dass Frauen, die in der 20. Woche schwanger sind, sich dieses Kind auch wün- schen. Darum wollen wir sie unterstützen und den Rechts- anspruch auf eine freiwillige Beratung im Mutterpass ver- ankern. Ärzte haben die Pflicht, die Schwangere über die Risi- ken einer Behinderung und die Möglichkeiten der Präna- taldiagnostik zu informieren: Wenn Ärzte dies tun, brau- chen wir auch keine Haftungsfreistellung, wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU, es wollen. Dann stellt sich die Frage der Haftung nicht mehr. Eltern müssen eine informierte Entscheidung treffen. Die Pränataldiagnostik bringt sie jedoch oft in eine Zwickmühle; denn für die meisten auffälligen Testergeb- nisse gibt es keine Therapie. Darum soll Beratung auch das Recht auf Nichtwissen beinhalten. Viele Behinderun- gen werden im Übrigen gar nicht mit der Pränataldiagnos- tik erkannt. Daneben erhält ein Großteil der Kinder ihre Behinderungen erst durch den Geburtsvorgang selbst. Hinzu kommt, dass das Fehlgeburtsrisiko bei einer Fruchtwasseruntersuchung bei knapp 1 Prozent, bei einer Nabelschnurpunktion sogar bis zu 3 Prozent liegt. Das müssen die Schwangeren auch wissen. Der „Baby-TÜV“ ist also ein Trugschluss. Was ist in diesem Sinne Aufgabe der Politik? Eine Klarstellung in § 218 StGB, dass die Behinderung allein kein Abbruch- grund ist? Das steht schon drin. Eine Pflichtberatung und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25251 (C) (D) (A) (B) die Entscheidung eines Ärztegremiums? Wir setzen auf Freiwilligkeit. Eine Haftungsfreistellung für Ärzte: Nicht nötig, wenn sie sorgfältig arbeiten und auf die Risiken ei- ner Behinderung hinweisen. Was wir brauchen, sind einheitliche Richtlinien für die Beratung von Schwangeren bei zu erwartender Behinde- rung des Kindes, eine Verbesserung der Frühförderung; Unterstützung der Eltern und der Kinder mit Behinde- rung, finanziell sowie beim Ausbau von integrierten Be- treuungseinrichtungen und Schulen, bei Ferienangeboten und bei behindertengerechten Heim- und Arbeitsplätzen. Ina Lenke (FDP): Wir beraten heute abschließend über die Anträge der CDU/CSU zur Vermeidung von Spätabtreibungen und den von SPD und Grünen zur Fest- schreibung des Rechtsanspruchs auf Beratung im Mutter- pass. Die FDPstimmt einer umfassenden psychosozialen und medizinischen Beratung für Schwangere ausdrücklich zu. Dies gilt insbesondere auch für Fälle der Spätabtreibun- gen bei medizinischer Indikation. Gleichwohl muss ein Beratungskonzept bereits bei der Pränataldiagnostik an- knüpfen. Entscheidend für den Erfolg der Beratungen ist es, dass in jedem Fall die Beratung ein anderer Arzt über- nimmt als derjenige, der den späteren Schwangerschafts- abbruch vornehmen soll. Es gibt Fälle, in denen bei der Pränataldiagnostik der Schwangeren ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen wird, ohne dass zuvor eine Beratung erfolgt ist. Dies darf nicht geschehen. Deshalb ist die Trennung zwischen Be- ratung und Abbruch so wichtig. Auch muss sehr deutlich werden, und da besteht unter uns Einmütigkeit, dass eine Behinderung des Kindes kein Grund für eine Abtreibung sein kann und darf. In Bezug auf eine Änderung von § 218 Srafgesetzbuch sehe ich keinen Änderungsbedarf. Damit eine Beratung Erfolg hat, muss sie freiwillig ge- schehen. Die FDP lehnt daher eine Pflichtberatung, wie sie die CDU fordert, ab. Die Gefahr besteht, dass eine Be- ratung nur halbherzig und in automatisierter Form erfolgt, ohne dass der Schwangeren wirklich geholfen wird, dass sie vielmehr nur „pro forma“ stattfindet. Daher kann auch die Kostenübernahme nicht an eine erfolgte Beratung ge- knüpft werden. Dies käme nämlich der Einführung einer Pflichtberatung gleich. Auch bin ich der Ansicht, dass eine Begutachtung nicht durch ein großes Kollegium erfolgen soll. Für die Schwangere, die sich ohnehin in einer Ausnahmesituation befindet, wäre die Belastung aber zu groß. Um einen Missbrauch der Spätabtreibung zu verhindern, ist es not- wendig, dass Daten gesammelt werden. Als Problem stel- len sich dabei aber die geringen Fallzahlen dar. Es wird häufig vermutet, dass die Zahl der Spätabtreibungen we- sentlich höher ist. Dazu gibt es jedoch keine gesicherten Erkenntnisse. Es muss daher bei der statistischen Erfas- sung für eine Pseudonymisierung gesorgt werden, damit der Datenschutz auch bei wenigen Fällen im Jahr ge- währleistet wird. Dem Antrag von SPD und Grünen, der vorschlägt, dass das Recht auf umfassende Beratung im Mutterpass festgeschrieben wird, stimmen wir zu. Es müssen in Zukunft weitere Einzelheiten der Beratung ge- regelt werden. Der Antrag der CDU hat Teile, denen wir nicht zustimmen. Deshalb lehnen wir den Antrag der CDU/CSU ab. Petra Bläss (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Ent- scheidung des Bundesgerichtshofes über den Schadenser- satzanspruch von Eltern, die nicht über die mögliche Be- hinderung ihres Kindes unterrichtet wurden, rückt die Brisanz der Spätabtreibungsdebatte wieder in den Vorder- grund. In dieser Debatte wird leider nur selten zwischen der individuellen und der gesellschaftlichen Dimension dieser Thematik unterschieden. Wenn es darum geht, die Anzahl von Spätabtreibungen zu senken, dann darf das nicht auf Kosten des Selbstbe- stimmungsrechts der einzelnen Schwangeren gehen. Stattdessen muss es vor allem darum gehen, dringend not- wendige gesellschaftliche Hilfen anzubieten, damit der Alltag mit behinderten Kindern besser zu meistern ist und behinderte Kinder keinen gesellschaftlichen Nachteilen mehr ausgesetzt sind. Zum einen brauchen behinderte Kinder mehr bezahl- bare Betreuungsangebote, damit auch Eltern behinderter Kinder Beruf und Familie vereinbaren können. Zum an- deren müssen diese Familien besser finanziell unterstützt werden. Denn zu höheren Betreuungskosten kommen noch höhere medizinische Kosten sowie Kosten für Hilfs- mittel hinzu, die von Krankenkassen zurzeit nur zum Teil übernommen werden. Der Mangel beider uns vorliegen- der Anträge ist, dass sie keine Hilfe für diese konkreten Belastungen anbieten. Nichtsdestotrotz hat die Debatte um die Spätabtreibun- gen gezeigt, dass fehlende Information und Beratungsan- gebote noch vor der Geburt des kranken Kindes ein Pro- blem für werdende Eltern ist. Hier kann professionelle Beratung und Aufklärung, wie in den Anträgen gefordert, durchaus helfen. Der Kenntnisstand in der Gesellschaft darüber, was es bedeutet mit behinderten Kindern zu leben, ist nach wie vor ungenügend. Viele Eltern können es sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Leben mit behinderten Kindern auch ein glückliches und erfülltes Leben sein kann und entscheiden sich deshalb voller Panik bei einer entspre- chenden Diagnose nach einer Pränataluntersuchung für einen Schwangerschaftsabbruch. Dennoch lehnen wir den Antrag der CDU entschieden ab, da er Schwangere in ihrem Selbstbestimmungsrecht einschränkt. Wir sind dagegen, dass Schwangere vom Staat bevormundet werden, ob sie eine pränatale Beratung in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Dem Antrag der Koalition stimmen wir dagegen zu, da er das Problem fehlender Information für werdende Eltern konstruktiv löst. Statt einem Beratungszwang wird ein verbessertes Beratungsangebot in den Mutterpass mit auf- genommen. Die Gesellschaft wird deswegen nicht behin- dertenfreundlicher werden, aber wenigstens macht dieser Antrag in Zukunft eine informiertere Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch möglich. Die wirkliche Herausforderung steht uns als Gesetzge- ber allerdings noch bevor, nämlich die, Familien mit be- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225252 (C) (D) (A) (B) hinderten Kindern in unserer Gesellschaft gleichzustellen und dafür die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaf- fen. Dafür hat die PDS in der Vergangenheit konstruktive Vorschläge gemacht und dafür wird sie auch in Zukunft streiten. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Fünften Geset- zes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Durch verschie- dene Änderungen in letzter Minute liegt der von Rot-Grün initiierte Gesetzentwurf nun wenigstens in der Nähe des Grundgesetzes. Verfassungsgemäß dürfte er jedoch auch jetzt nicht sein. Nachdem wir noch am letzten Freitag in der zweiten Lesung den bizarren Zwischenschritt, Behör- denermessen erst an „schweren Menschenrechtsverlet- zungen“ seine Grenze finden zu lassen – „durchschnittli- che“ Menschenrechtsverletzungen wären danach in der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft also offenbar hinzunehmen gewesen und hätten zumindest für die Birthler-Behörde keine ermessensleitende Funktion ge- habt – scheint damit nach wochenlangen Diskussionen in der Koalition wenigstens wieder etwas Vernunft einge- kehrt zu sein – leider aber nicht Vernunft genug. Denn nach wie vor sollen nicht alle Menschenrechts- verletzungen die Behörde in ihrem Ermessen beschrän- ken, sondern nur die „erkennbaren“. Das bedeutet: Wenn man das aus der Akte nicht erkennen kann, soll die Behörde selbst erpresste oder gar unter Folter zustande gekommene personenbezogene Informationen aus den Stasi-Akten herausgeben und gar veröffentlichen dürfen. Kann das ernsthaft gemeint sein? Sind Sie ernsthaft der Ansicht, dass diese Regelung verfassungsgemäß ist? Soll das heißen: Selbst wenn die grundrechtswidrige Erlan- gung einer Information in den Akten für die Birthler- Behörde zwar nicht ohne Weiteres „erkennbar“ ist, aber mit etwas Mühe beweisbar, oder wenn das Opfer selber die grundrechtswidrige Erlangung darlegt, soll das nach Ihrem Willen und dem Text des Gesetzes dennoch unbe- achtlich sein? Denn nur „erkennbare“ Menschenrechts- verstöße sollen ja beachtlich sein. Umgekehrt wäre es richtig: Wenn nicht sicher ist, dass die personenbezogenen Informationen ohne Grundrechts- verstöße erhoben wurden, dürfen sie nicht zulasten der Opfer gegen deren Willen herausgegeben werden. Darum können wir dem Gesetzentwurf auch in seiner gegenwärtigen Fassung nicht zustimmen. Er ist unserer Überzeugung nach nicht nur verfassungswidrig, er ist auch politisch falsch. Denn er reduziert auf nicht akzeptable Weise den Opferschutz. Er nimmt bestimmten Gruppen von Menschen, die Opfer der Ausspitzelung durch den Staatssicherheitsdienst der DDR geworden sind, das Letzt- entscheidungsrecht über die Herausgabe ihrer Akte an Dritte und sogar über die Veröffentlichung erspitzelter oder vielleicht sogar erpresster Informationen. Stattdes- sen wird künftig das Letztentscheidungsrecht darüber bei einer staatlichen Behörde bzw. den Gerichten liegen. Erinnern wir uns: 1991 hatte der gesamtdeutsche Ge- setzgeber entschieden, dass die Hinterlassenschaft in den Schränken der Stasi niemals wieder zulasten ihrer Opfer sollte genutzt werden dürfen. „Den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit den vom Staats- sicherheitsdienst der DDR zu seiner Person gespeicherten Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträch- tigt wird“, hatten wir im Konsens der Demokraten in § 1 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes als Gesetzeszweck festge- legt. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz war von Anfang an auch – und primär – ein Opferschutzgesetz. Erst danach und daneben sollte es der historischen, poli- tischen und juristischen Aufarbeitung des SED-Unrechts dienen. So steht es im Stasi-Unterlagen-Gesetz selbst, in den Zusatzvereinbarungen zum Einigungsvertrag und auch in vielen Reden, die in diesem Parlament gehalten wurden: Aber so steht es nicht mehr in der ursprünglichen Begründung zum Gesetzentwurf von Rot-Grün, wo nur noch der Aspekt der Aufarbeitung im Vordergrund steht. Dass kein Opfer der Stasi-Bespitzelung die Heraus- gabe oder gar Veröffentlichung seiner Akte gegen seinen Willen dulden muss, es sei denn, der Inhalt ist „offenkun- dig“, das war bisher der Konsens. Das Bundesverwal- tungsgericht hat ihn – wie zuvor schon das Verwaltungs- gericht Berlin – im März dieses Jahres gegen eine in der Birthler-Behörde eingerissene Praxis bekräftigt. Die Koa- lition rückt heute davon ab. Die FDP ist ihr ein Stück wei- ter gefolgt, als sie es eigentlich für richtig hält. Zum Glück ist sie dann wieder ein Stück zurück geschreckt, aber nicht weit genug. Worum geht es im Kern? Bisher war es der Konsens von Bundesinnenminister, Bundesdatenschutzbeauftrag- tem, Union und FDP, dass grundrechtswidrig erlangte Un- terlagen von der Behörde niemals herausgegeben werden können, es sei denn, der Betroffene stimmt der Heraus- gabe ausdrücklich zu. Nur diese Regelung ist sachgerecht, fair und unzweideutig verfassungskonform. Die Ände- rungsanträge und Alternativentwürfe aus dem Bundesin- nenministerium und vom Datenschutzbeauftragten sowie die Anträge von CDU/CSU und FDP suchten dieses Ziel mit unterschiedlichen rechtstechnischen Formulierungen zu erreichen. Die Koalition will stattdessen die Herausgabe in das Ermessen der Behörde stellen. „Ermessen“ ist natürlich nicht „Belieben“. Dennoch wird so den Opfern die Last aufgebürdet, gegenüber der Behörde und gegebenfalls vor den Gerichten um ihr Recht und die Beachtung der Ver- fassung kämpfen zu müssen. Nicht jeder kann das in glei- cher Weise und mit gleicher Durchsetzungskraft. Dem Gedanken des Opferschutzes kommt darum nur die an- dere Lösung entgegen. Daran halten wir fest. Die FDP hat sich auf den letzten Metern zu dem entge- gengesetzten Konzept bekehren lassen. Sie hat gegen die Koalition wenigstens durchgesetzt, dass das Ermessen der Behörde durch den Gesetzgeber gebunden wird. Die für die Opfer bessere Lösung ist das nicht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25253 (C) (D) (A) (B) Ich weiß, dass auch Sie das genau wissen, verehrte Kollegen von der FDP. Um zu erkennen, dass Sie eigent- lich der gegenteiligen Auffassung sind, genügt ja ein Blick in ihren eigenen Änderungsantrag, in das Protokoll des Innenausschusses oder in ihre Pressemitteilung vom 24. Juni 2002, wo Max Stadler für die FDP schreibt: „Die Rechtsstaatspartei FDP wird der jetzt vorliegenden Fas- sung des Gesetzentwurfes nicht zustimmen. Für die Libe- ralen gilt weiterhin: Das Opfer muss das letzte Wort über die Herausgabe seiner Akten haben!“ Das Opfer wird auch nach dem heute zur Abstimmung vorliegenden Text aber nicht das letzte Wort über die Herausgabe seiner Ak- ten haben. Sie werden trotzdem zustimmen. Die Rechts- staatsparteien CDU und CSU werden dies nicht tun. Ich danke ausdrücklich dem Bundesdatenschutzbeauf- tragten Dr. Jacob, der in mehreren Anhörungen und Sit- zungen des Innenausschusses die Bedeutung und Beach- tung der rechtsstaatlich eigentlich selbstverständlichen Mindeststandards in seiner sachlichen und verfassungs- rechtlich informierten Beratungstätigkeit zu Recht her- vorgehoben hat. Es ist mehr als bedauerlich, dass die Mehrheit dieses Hauses seine Worte, Hinweise und Mah- nungen nicht beachtet. Bestehen bleibt die Frage der Gleichstellung der SED- Kader mit den Stasi-Opfern. Denn Sie auf der anderen Seite dieses Hauses haben die von uns auf der Grundlage der Formulierungshilfe des Datenschutzbeauftragten im Innenausschuss vorgeschlagene „Funktionärsklausel“ ab- gelehnt. Erinnern wir uns: Dass über die Stützen des SED-Staa- tes, die das Stasi-System maßgeblich zu verantworten ha- ben, angeblich nichts mehr herausgegeben werden darf; weil auch sie teilweise selber zum Objekt der Ausfor- schung der Stasi geworden sind, war der Ausgangspunkt der neuerlichen Diskussion um das Stasi-Unterlagen-Ge- setz gewesen. Als wir sagten: „Gut, dann nehmen wir ‘Personen, die das staatliche oder gesellschaftliche Herrschaftssystem der DDR in herausgehobener Position aktiv mitgetragen oder unterstützt haben’, eben aus dem Herausgabeschutz heraus, soweit keine überwiegenden schutzwürdigen In- teressen dieser Personen beeinträchtigt werden“, hieß es: Dann behandelt ihr den Osten anders als den Westen. Da haben wir nun aber ein Dilemma: Da die meisten SED-Kader zum Unglück dieses Teiles unseres Vaterlan- des nun einmal im Osten über vierzig Jahre ihr Unwesen getrieben haben, betrifft eine Regelung für sie unweiger- lich mehr – wenn auch nicht nur „den Osten“. „Den Osten“ sage ich hier ausdrücklich in Anführungs- zeichen, denn zu unterstellen, alle Menschen in diesem Teil unseres Landes wären dadurch betroffen, würde be- haupten, sie alle hätten „in herausgehobener Position“ das staatliche oder gesellschaftliche Herrschaftssystem der DDR aktiv mitgetragen oder unterstützt. Das aber ist of- fensichtlich Unsinn. Also kann man auch Regelungen für SED-Kader treffen, ohne „die Menschen im Osten“ ge- genüber denen im Westen zu benachteiligen – wenn man es wirklich will. Die dritte Lösung, nämlich – um die SED-Kader zu tref- fen und zugleich sie als überwiegend Ostdeutsche gegen- über Westdeutschen nicht ungleich zu behandeln – auch alle „Personen der Zeitgeschichte“ – gleich ob sie Politi- ker sind oder waren oder nicht –, die keine Schuld am SED-Staat tragen, um ihre Grundrechte zu bringen, ist nun wirklich absurd. Aber es ist die Lösung, für die sich Rot-Grün entschieden hat. Auch das möchte ich noch zu Protokoll geben: So weit- gehend, wie es in der Öffentlichkeit auch von der Birthler- Behörde immer wieder behauptet wird, ist die Wider- spruchsmöglichkeit dieser Gruppe auch nach geltendem Recht keineswegs. Wolf Biermann beklagt heute – offen- sichtlich ohne Detailkenntnisse über das Stasi-Unterlagen- Gesetz und die zur Debatte stehenden Entwürfe – in der „Welt“, die Birthler-Behörde dürfe nicht „paralysiert“ werden. Woher weiß er, dass das so ist? Woher kennt er den Aktenbestand der Behörde? Wer hat ihn über die Ak- ten und deren Inhalte so umfassend informiert, dass er zu dieser Behauptung kommen konnte? Tatsächlich ist es doch so, dass die meisten Tatbestände des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für eine Herausgabe von Informationen zur historischen und politischen Aufarbei- tung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht einmal entfernt betroffen sind. Alle Akten können herausgegeben werden, wenn diese entweder keine personenbezogenen Informationen ent- halten oder diese anonymisiert worden sind. Wir wollten auch „offenkundige“ personenbezogene Informationen dem gleichstellen. Nach wie vor könnten bei allen offiziellen und inoffizi- ellen Mitarbeitern der Stasi – aus Ost und West – Akten auch gegen deren Willen herausgegeben werden, ebenso bei allen Begünstigten der Stasi – in Ost und West. Nahezu unbekannt zu sein scheint § 6 Abs. 5 des StUG, wonach bei allen „rechtlich oder faktisch“ der Stasi gegenüber „Wei- sungsbefugten“ ohne Zustimmung herausgegeben wer- den kann. Der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhau- sen, Dr. Hubertus Knabe, hat mir in einem Briefwechsel hierzu kürzlich bestätigt, dass darunter alle Mitglieder des Politbüros der SED, die Generalsekretäre der SED, die Sekretäre und die Mitarbeiter der Abteilung Sicherheits- fragen im ZK der SED, die Ersten Sekretäre der Bezirks- leitungen der SED sowie die Ersten Sekretäre der Kreis- leitungen der SED fallen. Wissen Sie das eigentlich nicht? Haben Sie daran gedacht, wie viele Akten mit der frei- willig erteilten Einwilligung der Betroffenen herausgege- ben werden können? Haben Sie eigentlich sorgfältig über die vom Datenschutzbeauftragten immer wieder vorge- schlagenen Möglichkeiten der Anonymisierung und der Pseudonymisierung von personenbezogenen Informatio- nen nachgedacht? Nach meinem Eindruck hat leider die Suche nach ei- nem „schonenden Ausgleich“ der betroffenen Rechts- güter, der die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen so weit wie irgend möglich respektiert, ohne die Aufarbei- tung zu verhindern, also die Suche nach dem „milderen Mittel“, eine zu geringe Rolle in diesem Gesetzgebungs- verfahren gespielt. Ist Ihnen bewusst, welche Bedeutung dies für die Frage der Verhältnismäßigkeit der von Ihnen heute durchgesetz- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225254 (C) (D) (A) (B) ten Lösung spielt; was es bedeutet, wenn Grundrechtsein- griffe des Gesetzgebers zur Erreichung des angegebenen Zwecks nicht wirklich „erforderlich“ sind, sondern auch durch ein „milderes Mittel“ erreicht werden könnten? Sie sollten eigentlich wissen: Unverhältnismäßige Grund- rechtseingriffe sind verfassungswidrig. Ich schließe mit einem Zitat aus der als Gönner und Förderer meiner Partei nicht verdächtigen „Frankfurter Rundschau“ vom heutigen Tage. Der von der FDP zu un- serem heutigen Thema mehrfach als Sachverständiger be- nannte und in Prozessen um die Stasi-Akten versierte Freiburger Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack schreibt darin unter der Überschrift „Letztlich werden Opfer und Täter gleichgestellt“, dass die Öffnung der Stasi-Unterlagen durch den heute vorliegenden Gesetz- entwurf letztlich zulasten der Ausgespähten gehe. Ich zi- tiere wörtlich: „Die gesetzliche Regelung, welche eine Freigabe personenbezogener Unterlagen durch die Bun- desbeauftragte ermöglichen würde, trägt daher das Kains- mal der Verfassungswidrigkeit auf der Stirn. Die Koaliti- onsparteien wollen angesichts ihrer Weigerung, einhellig geäußerte Bedenken zur Kenntnis zu nehmen, mit dem Kopf durch die verfassungsrechtliche Wand. Sie werden sich dabei eine blutige Nase holen, da mit einer Billigung ihres Angriffs auf die Grundrechte durch die Justiz nicht zu rechnen ist. Schließlich hat das Bundesverfassungsge- richt schon 1984 entschieden, dass rechtswidrig erlangte Informationen in der Regel einem Veröffentlichungsver- bot unterliegen. Auch haben bereits andere Gerichte – wie das Landgericht Kiel im Falle des Barschel-Untersu- chungsausschusses – die Herausgabe speziell der rechts- widrig erlangten Akten des MfS für unzulässig erklärt. Da auch das Bundesverwaltungsgericht deutlich vor dem ver- fassungsrechtlichen „Husarenritt“ gewarnt hat, kann schon jetzt prognostiziert werden, dass auch in der Zukunft die Herausgabe personenbezogener Akten von Politikern ge- gen ihren Willen nicht durchzusetzen sein wird.“ Genau das versucht Rot-Grün – leider mithilfe der FDP. Zu diesem Gesetz können und wollen wir nicht Ja sagen. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist spät am Abend und Gespenster sind auch nicht in Sicht. Die Koalition der Vernunft zieht heute mit der Gesetzes- änderung die notwendigen Konsequenzen aus dem Grund- satzurteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Herausgabe der Stasi-Akten über Altkanzler Helmut Kohl. Wir erleben heute gewiss eine ungewöhnliche Veran- staltung. Ich möchte neben vielen anderen namentlich den beiden Kollegen Ludwig Stiegler und Edzard Schmidt- Jortzig danken. Ohne deren Bereitschaft, Parteikalkül hintanzustellen und auch im Wahlkampf für die Sache selbst zu arbeiten, wäre dieser Erfolg nicht möglich ge- wesen. Die Neuregelung des Gesetzes lässt die Herausgabe von Prominentenakten unter Beachtung des Persönlich- keitsschutzes wieder zu. Die Rechte der Betroffenen wer- den gewahrt. Alt-Kanzler und Alt-Kader entscheiden aber nicht, was Gegenstand der Aufarbeitung der Stasi war und was nicht. Das ist die gute Botschaft dieses Tages. In unserem Gesetzentwurf wird sichergestellt, dass für die Zukunft die Herausgabe von personenbezogenen In- formationen über Personen der Zeitgeschichte und Inha- ber politischer Funktionen möglich bleibt. Wir greifen die Richtlinie der Behörde der Bundesbeauftragten auf und schreiben faktisch deren Kern im Gesetz fest. Diese Richtlinie der Bundesbeauftragten hat den heu- tigen Durchbruch der Diskussion vorbereitet. Bis zur Ein- stellung der Herausgabe von Informationen nach dem Kohl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat diese Richtlinie ihre Schutzfunktion gegenüber den Betroffe- nen erfüllt. Das hat auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bestätigt. Ich habe bereits bei mehreren Gelegenheiten hervorge- hoben, dass diese Richtlinie vonseiten der Aufarbeitungs- initiativen durchaus auch kritisch gesehen wird. Die län- ger gewordenen Wege, um an die Akten heranzukommen, bereiten gerade bei befristeten Forschungsprojekten durchaus praktische Probleme. In der Tat wird die Ak- teneinsicht für die Antragsteller schwieriger und langwie- riger. Nach dem Stand der Rechtsprechung und nach dem Stand der politischen Debatte ist diese Richtlinie aber un- umgänglich, um die Zweckbindung bei der Herausgabe zu präzisieren und den Betroffenen durch Information besser einzubinden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der jetzt vorgelegte Gesetzestext diesem Anspruch gerecht wird. Das abge- stufte Ermessen je nach Schwere der Menschenrechtsver- letzung könnte sich bei allen juristischen Detailproble- men in der Praxis doch als der Königsweg erweisen, die gegensätzlichen Interessen zu versöhnen. Wer guten Wil- lens ist, sollte dies auch anerkennen. Dieser Weg ist besser als eine Ost-West-Spaltung, wie sie die Union wieder einführen will. In das Gesetz zu schreiben, dass pauschal Personen in leitenden Funktio- nen Ost die Herausgabe der Informationen dulden müs- sen, ist nicht zu verantworten. Wir können zwölf Jahre nach der Einheit West-Bürger nicht durch Gesetz besser stellen als Bürger der früheren DDR. Hier muss im Ein- zelfall geprüft und abgewogen werden. Hätte die Union das Gesetz in dieser Legislaturperiode mit ihren Geschäftordnungstricks zum Scheitern ge- bracht, wäre die Aufarbeitung der Stasi-Arbeit in einem zentralen Bereich blockiert geblieben. Die Forschungsar- beiten zu den Ereignissen am 17. Juni 1953 wären zum Erliegen gekommen – ausgerechnet am 50. Jahrestag im kommenden Jahr. Es ist in diesem Zusammenhang ein historischer Trep- penwitz, dass die Union ihrem Kanzler der Einheit am 17. Juni dieses Jahres anlässlich ihres Parteitags lange Re- dezeit gewährt hatte, während der gleiche Helmut Kohl das von ihm unterschriebene Gesetz kaputt zu machen versucht. Wäre es nach ihm gegangen, hätten die Inhaber politischer Funktionen und Amtsträger der DDR in jedem Falle selbst darüber entscheiden können, welche Informa- tionen über deren amtliche Tätigkeit an Medien und Wis- senschaft weitergegeben wird und welche nicht. Diese Solidarität der alten Garden wird es nun nicht mehr geben. Das ist über die Grenzen der Parteien hinweg ein wichti- ger Erfolg – gerade für die Verfolgten des Regimes, die uns unterstützen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25255 (C) (D) (A) (B) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): Es ist gut, dass nun doch noch in dieser Legislaturperiode eine Novellie- rung des Stasi-Unterlagen-Gesetztes zustande kommt; denn die Aufarbeitung der MfS-Tätigkeit in der ehemali- gen DDR darf nicht beendet oder spürbar behindert wer- den. Es ist gut, dass diese Rechtsänderung eine breitere demokratische Unterstützung bekommt, als eine bloße Koalitionszustimmung sie bieten könnte. Es ist insbeson- dere gut, dass es bei alledem gelungen ist, die Belange des Opferschutzes, richtiger: des Betroffenenschutzes, zu si- chern. Nachdem zur Streichung der Schwärzungsoption in § 14 und zur vorgesehenen Verfahrensregelung ohnehin weit reichender Konsens besteht, will ich näher nur noch auf den Betroffenenschutz eingehen, um den es ja überhaupt in den letzten Tagen erst die neue Bewegung gegeben hat. Ich erinnere dazu an den Auslöser der ganzen Ände- rungsproblematik. Im Zuge des Spendenuntersuchungs- ausschusses verfielen die Grünen als selbsternannte, an- gebliche Rechtsstaatspartei auf die Idee, vielleicht mithilfe von Stasi-Aufzeichnungen über heimlich abgehörte Telefo- nate des Bundeskanzlers Kohl bestimmten Informationen auf die Spur zu kommen. Erst daraufhin hat der Betroffene ja um Rechtsschutz nachgesucht und von den Verwal- tungsgerichten Recht bekommen, und erst als diese Ent- scheidung die künftige Aufarbeitung der MfS-Tätigkeit zu behindern schien, sollte nun das Gesetz entsprechend geän- dert werden. Der stillschweigende Konsens, den es unter den Frak- tionen und der Stasi-Unterlagen-Behörde bis dahin gege- ben hatte, grundrechtswidrig gewonnene Informations- materialien keinesfalls herauszugeben, war nun zerstört. Diese Unschuld war verloren. Nun also musste, wenn der Betroffenenschutz bei der behördlichen Herausgabeent- scheidung eine entscheidende Rolle spielen sollte, auf je- den Fall eine entsprechende Regelung aufgenommen werden, wollte man nicht das Hässlichste befürchten. Der Koalitionsentwurf aber enthielt dazu keinerlei Ge- setzespassage. Noch in den letzten Beratungen hatten sich die Grünen standhaft geweigert, irgendetwas Entsprechen- des aufzunehmen. Der neue § 32 des Stasi-Unterlagen-Ge- setzes wäre also ohne eine Regelung zum Betroffenen- schutz zustande gekommen; denn die Koalition konnte und wollte das mit ihrer Mehrheit durchsetzen. Zustim- mungsbedürftig war das Gesetz ja nicht und einen mögli- chen Einspruch des Bundesrates hätte man noch im Sep- tember dieses Jahres im Bundesrat überstimmen können. In dieser Situation hat sich – als durch den Einsatz von Marianne Birthler in letzter Minute doch noch einmal Be- wegung in die Sache kam – die FDP zum Handeln ent- schlossen. Was wir nach intensiver Bemühung erreichen konnten, liegt nun zur Verabschiedung vor. Wir Liberalen sind höchst zufrieden, dass sich unsere Zielsetzungen voll darin wiederfinden und sich die am Ende hektische Bemühung also gelohnt hat. Für unsere Interpretation des Ergebnisses geben wir eine besondere Erklärung zur Ab- stimmung ab. Zu dem, was Außenstehende über das Erreichte sagen, zitiere ich die alten Bürgerrechtler: „Das Bürgerkomitee Leipzig begrüßt die Einigung nachdrücklich. Einerseits wurde dadurch erreicht, dass auch nach dem Kohl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine angemessene Aufar- beitung der zweiten deutschen Diktatur möglich ist. An- dererseits wurde deutlich, dass auch unmittelbar vor den Bundestagswahlen eine sachgerechte Einigung zwischen demokratischen Parteien möglich ist. Und: Der Opfer- schutz, ist durch diese Regelung ausreichend gewährleis- tet.“ Ulla Jelpke (PDS): Die PDS wird sich bei der Ab- stimmung über diesen Gesetzentwurf der Stimme enthal- ten. Der Entwurf greift zwar wichtige Forderungen auf, die im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesver- waltungsgerichts im Fall Helmut Kohl erhoben worden sind. Insbesondere werden in ihm Anregungen umgesetzt, die von mehreren Sachverständigen auf Anhörungen des Bundestagsinnenausschusses zu diesem Thema vorge- bracht wurden. Gleichwohl trägt der Gesetzentwurf nicht in ausrei- chendem Maße den schwer wiegenden datenschutz- und verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung, die mehrere Experten in der Diskussion erhoben haben. Daran ändert auch nichts die zwischen Koalition und FDP ausgehandelte Kompromissfassung. Hiernach ist bei der Abwägung, ob Akten herausgegeben werden dürfen, „insbesondere zu berücksichtigen, ob die Informationser- hebung erkennbar auf einer Menschenrechtsverletzung be- ruht“. Diese Formel schafft eher neue Probleme, als dass sie welche löst. Denn welche „Menschenrechtsverletzun- gen“ sind gemeint? Die Begründung nennt „Folter“. Gut. Aber längst nicht alle Informationen in den Stasi-Akten dürften durch Folter erpresst worden sein. Wann fängt kon- kret die „Menschenrechtsverletzung“ an? Der Kompromiss stellt sich im Übrigen gegen die mas- sive Kritik von Sachverständigen, die eine Trennung zwi- schen „rechtsstaatswidrig erworbenen“ und anderen Un- terlagen der Stasi für unsinnig halten. Selbst bei den Gestapo-Akten wird eine solche Trennung nicht gezogen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass Akten auseinander gerissen werden, die in einem Sinnzusammenhang stehen und dadurch für die Forschung unbrauchbar werden. Die PDS verkennt nicht den Novellierungsbedarf. Sie betont ihn sogar ausdrücklich. Aber jetzt wird wieder von der Regierungskoalition ein Gesetzentwurf hopplahopp durch die Gremien gejagt, ohne dass man sich Zeit ge- nommen hätte, saubere und tragfähige Lösungen zu erar- beiten. Wir werden in der 15. Legislaturperiode deshalb erneut über den Problemkomplex „Stasi-Unterlagen“ be- raten müssen. Dabei kommt es der PDS auf folgende Ge- sichtspunkte ganz besonders an, die wir auch in unserem Entschließungsantrag hervorgehoben haben: Das Änderungsgesetz kann nur den Einstieg in eine weitere Novellierung des StUG mit dem Ziel seiner schrittweisen Überführung in die Archivgesetzgebung darstellen. Der Formelkompromiss, den Koalition und FDP formuliert haben, macht deutlich, dass das Stasi-Un- terlagen-Gesetz ein „Sonderrecht“ darstellt, das mög- lichst bald durch ein modifiziertes allgemeines Archiv- recht abgelöst werden sollte. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225256 (C) (D) (A) (B) Opfern der Ausspähung durch das MfS muss weiterhin ein uneingeschränktes Recht auf Einsicht in ihre Akten zugesichert werden. Personenbezogene Informationen, die die Privatsphäre betreffen, müssen in jedem Fall – unabhängig davon, wel- che Fallgruppe nach dem StUG betroffen ist – für die Öf- fentlichkeit unzugänglich sein. Die PDS schließt sich den Bedenken des Bundesbe- auftragten für den Datenschutz an, wonach ein derart schwer wiegender Eingriff in das Grundrecht auf informa- tionelle Selbstbestimmung, wie ihn die Herausgabe von Akten auch gegen den Willen der betroffenen Personen darstellt, „besonders problematisch“ erscheint, weil er fast zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung kaum noch mit der Zweckbestimmung „Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für die Zwecke der politischen Bildung“ begründet werden kann. Viele Un- terlagen werden gerade von Journalisten nur genutzt, weil sie bestimmte Personen betreffen, nicht aber um die Ar- beit der Stasi aufzuarbeiten. Ziel der weiteren Novellierungen muss es sein, die Er- forschung der Funktionsweisen und Tätigkeiten von Ge- heimdiensten möglich zu machen. Für ein vollständiges Bild sowohl der DDR-Geschichte als auch der deutsch- deutschen Beziehungen sind die „Gegenstücke“ zu den Stasiunterlagen in den Akten der westdeutschen Geheim- dienste unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund kritisiert die PDS, dass die Regierungskoalition ihr Versprechen, ein Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen, nicht einge- halten hat. Diese Punkte in unserem Entschließungsantrag sind wichtige Elemente für die notwendige weitere Diskussion über den Umgang mit den Stasiunterlagen. Rolf Schwanitz (SPD):Der Abgeordnete Büttner von der CDU/CSU-Fraktion kritisierte in seinem Redebeitrag zur zweiten Lesung des Änderungsgesetzes zu den Stasi- Unterlagen in der vergangenen Woche den vielstimmigen Chor, der nunmehr seit eineinhalb Jahren die Diskussion um die Nutzung der Stasi-Akten begleitet. Nicht hinge- wiesen hat er dabei auf die interessanten Ausführungen des Kanzlerkandidaten der Union, der sich zu Beginn die- sen Jahres in der „Super Illu“ (Nr. 13/2002) zu seinen Vor- stellungen über den weiteren Umgang mit den Stasi-Un- terlagen geäußert hat. Auf die Frage danach, ob man die Stasi-Verbrechen weiter aufarbeiten solle oder eher ein Schlussstrich gezogen werden müsste, antwortete Herr Stoiber: „Ich glaube, wir sind heute noch nicht so weit. Aber der Zeitpunkt wird sicherlich kommen, wo man sich einigt, die Stasi-Akten zu schließen. Wenn ich Verantwortung trage, bin ich gern bereit, gegen Mitte der nächsten Le- gislaturperiode darüber eine Generaldebatte anzustoßen.“ Da wundert es nicht, wenn Kollege Büttner selbst letzte Woche dafür wirbt, etwa Mitte der nächsten Legis- laturperiode „endgültige Regelungen für die Endlagerung des Stasi-Akten-Bestandes zu treffen“. Diese Ankündigungen lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Und gerade die Menschen in Ost- deutschland, die sich vor allem durch friedliche Revolu- tion die Öffnung der Stasi-Akten erkämpften, müssen wissen, wohin die Reise gehen soll. Auch darüber wird übrigens am 22. September 2002 abgestimmt und die So- zialdemokraten werden gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen alles unternehmen, dass ein solcher Schlussstrich unterbleibt. Dieses fünfte Änderungsgesetz zu den Stasi-Unterlagen ist notwendig geworden, weil das Bundesverwaltungsge- richt im Ergebnis der Klage von Helmut Kohl eine restrik- tive Auslegung des § 32 vorgenommen hat. Anders als in den vergangenen zehn Jahren würden ohne Gesetzesände- rung Unterlagen von Personen der Zeitgeschichte und Amtsinhabern in Ausübung ihres Amtes zu Aufarbeitungs- zwecken faktisch nicht mehr zur Verfügung stehen. Sie könnten nur noch mit deren ausdrücklicher Einwilligung für die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes verwendet wer- den. Damit stünde ein der zentralen Aufgabenbereiche des Stasi-Unterlagen-Gesetzes faktisch vor dem Aus. Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben sich nach schwierigen Gesprächen und Verhand- lungen darauf verständigt, durch eine gemeinsame Ände- rung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für Klarheit zu sor- gen und die weitere Aufarbeitung möglich zu machen. Diese Aufarbeitung ist nicht nur ein Anliegen einzelner „wilder Bürgerrechtler“, geschichtsbewusster Menschen oder betroffener Personen. Anlässlich der zehnjährigen Wiederkehr des In-Kraft-Tretens des Stasi-Unterlagen- Gesetzes im vergangenen Jahr äußerte sich die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts zum Stellen- wert der Aktennutzung für Aufarbeitungszwecke folgen- dermaßen: „... dieses Wissen ist ein Garant für den Fort- bestand einer zivilisierten Gesellschaft. Die weiterhin zu entschlüsselnde Wirkungsweise des Staatssicherheits- dienstes als ein Instrument der Diktatur ist ein notwendi- ger Kontrastbezug für die freiheitliche Demokratie.“ Wir brauchen diese Aufarbeitung also nicht nur zum Zwecke der Strafverfolgung, um Schicksale aufzuklären, um Opfer zu rehabilitieren und die Vergangenheit zu erhel- len. Wir brauchen diese Aufarbeitung vor allem deshalb, weil sie uns und unseren Nachkommen wichtige Anhalts- punkte für Wertorientierungen in unserer freiheitlich-de- mokratischen Grundordnung schafft. Deshalb ist die Not- wendigkeit der Aufarbeitung auch keine Frage von aktueller Stimmung, Mode oder Zeitgeist. Sie ist in diesem Sinne bleibender Auftrag im wiedervereinigten Deutsch- land aus unserer gemeinsamen Geschichte von Teilung und Diktatur. Hierzu haben sich die Bundesrepublik Deutsch- land und die DDR mit der gemeinsamen Vereinbarung vom 18. September 1990 unmittelbar vor der staatlichen Einheit verpflichtet und dies wird vom gesamtdeutschen Gesetzge- ber durch das Stasi-Unterlagen-Gesetz und seine heutige Novellierung erfüllt. Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Mit Verabschiedung des heutigen Änderungsgesetzes werden künftig wieder personenbezogene Informationen über Personen der Zeitgeschichte und Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger zur Aufarbeitung der Tätig- keiten des Staatssicherheitsdienstes nutzbar gemacht. Dabei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25257 (C) (D) (A) (B) wird in Zukunft ein im Gesetz geregeltes Verfahren dafür Sorge tragen, dass die betroffenen Personen zuvor rechtzei- tig benachrichtigt werden und ihre Einwände gegen eine Nutzung der Informationen vorbringen können. Die Bun- desbeauftragte hat letztlich eine umfassende Prüfung und Abwägung zwischen den allgemeinen Persönlichkeits- rechten der betroffenen Personen und der Informations- und Wissenschaftsfreiheit, also dem Aufarbeitungsinte- resse, vorzunehmen. Wie bisher auch sollen durch die Nutzung und Veröffentlichung der Informationen keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der Person beein- trächtigt werden. Berücksichtigt wird dabei insbesondere auch, ob die Informationserhebung erkennbar auf einer Menschenrechtsverletzung beruht. Die Menschenrechts- verletzung bezieht sich dabei immer auf die Rechte der Person, zu der die Informationen vom Staatssicherheits- dienst erhoben worden sind. Das vorhandene Ermessen der Bundesbeauftragten im Abwägungsprozess reduziert sich in Abhängigkeit von der Schwere der Menschen- rechtsverletzung. So sind beispielsweise Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis von besonderer Be- deutung, führen jedoch nicht automatisch zum Versagen der Herausgabe oder Veröffentlichung. Demgegenüber geht das Ermessen der Bundesbeauftragten gegen null, wenn die Informationen durch schwere Menschenrechts- verletzungen, wie etwa durch Folter, erlangt wurden. So kann ein späterer Amtsinhaber oder eine Person der Zeit- geschichte zum Beispiel während einer früheren Stasi-Haft beispielweise gefoltert worden oder zu Selbstbezichtigun- gen gezwungen worden sein. Diese Menschenrechtsver- letzung, welche die Voraussetzung für das Erlangen der Information war, hatte eine solche Schwere, dass im Ab- wägungsprozess das heutige Aufarbeitungsinteresse zu- rückstehen muss. Andererseits ist der einengende Maßstab der Men- schenrechtsverletzung bei der Informationserhebung auch nicht unbegrenzt. Anliegen der Regelung ist es nicht, die Informationserhebung durch den Staatssicherheits- dienst nachträglich generell am Maßstab der Menschen- rechte oder eines grundrechtskonformen Handelns zu messen. Solche Maßstäbe haben in der DDR faktisch nicht existiert. Deshalb ist beispielsweise die Informati- onserhebung mittels inoffizieller Mitarbeiter in diesem Sinne nachträglich nicht automatisch als Menschen- rechtsverletzung zu werten. Die Regelung folgt stattdes- sen dem Modell, das bereits jetzt in § 19 Abs. 1 StUG, im Zusammenhang mit der Stichtagsregelung bei Auskünf- ten über IM-Tätigkeit vorhanden ist. Auch in diesen Fäl- len wird über eine vor 1975 liegende inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst nur dann informiert, wenn „ein Mitarbeiter im Zusammenhang mit seiner inoffiziel- len Tätigkeit ein Verbrechen begangen oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat“. Die Menschenrechtsverletzung hat also eine besondere Qualität. Die Zuordnung des Abwägungsprozesses zur Bundes- beauftragten ist angemessen und zweckmäßig. Die Bun- desbeauftragte verfügt hierfür über eine besondere Rechtsstellung und erhält nun gesetzliche Regelungen für das notwendige Verfahren. Diese Regelungen ermögli- chen den angemessenen Ausgleich zwischen dem Inte- resse an einer politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes einerseits und der Sicherung der individuellen Rechte der Betroffenen andererseits. Dieser Abwägungsprozess muss wieder ermöglicht und geleistet werden, auch im zweiten Jahrzehnt der staat- lichen Einheit. Denn die Wiedervereinigung unseres Lan- des, das Hinzukommen der Ostdeutschen mit besonderen Interessen und Ansprüchen ist mehr als ein befristeter Störfall des Westens, der nach einer bestimmten Zeit durch die Rückkehr zur Normalität beendbar wäre. Hieran muss gelegentlich erinnert werden. Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Beauf- tragten für den Datenschutz – 18. Tätigkeit- keitsbericht – – des Antrags: Sichere Informations- und Kom- munikationsinfrastrukturen gewährleisten – des Antrags: Umfassende Modernisierung des Datenschutzrechts voranbringen (Tagesordnungspunkt 15, Zusatztagesordnungs- punkt 7 und 8) Gisela Schröter (SPD): Der vorliegende 18. Tätig- keitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz berücksichtigt die Jahr 1999 und 2000. Die Antiterrorge- setzgebung, die wir im vergangenen Jahr verabschiedet haben, ist also noch nicht aufgenommen. Erlauben Sie mir dennoch eine Bemerkung dazu: Der viel zitierte 11. September des vergangenen Jahres mar- kiert auch eine Zäsur im Bereich des Datenschutzes. Denn die massive terroristische Bedrohung erfordert es, dass die Balance zwischen den Grundrechten auf Persönlich- keitsschutz und persönlicher Sicherheit neu austariert wird. Entscheidend dabei ist es, dass die Substanz des Persönlichkeitsrechts nicht angegriffen wird. Darin liegt die großer Herausforderung bei der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung. Wir haben das so gelöst: Mehr Befugnisse für die Si- cherheitsbehörden gibt es nur auf Zeit und nur unter dem Vorbehalt, dass die entsprechenden Maßnahmen auch wirklich geeignet, wirksam und verhältnismäßig sind. Das muss eigens evaluiert werden und dem Parlament ist ein Bericht darüber vorzulegen. Mit diesem Verfahren ha- ben wir eine verlässliche Sicherung für das Persönlich- keitsrecht eingebaut. Ich bin gespannt, wie der nächste, der 19. Tätigkeitsbericht diese Gesetzgebung im Lichte erster Praxiserfahrungen beurteilen wird. Lassen Sie micht auf den vorliegenden Bericht zurück- kommen. Wieder bietet er eine gründliche Bestandsauf- nahme aller datenschutzrechtlich relevanten Bereiche in Verwaltung und Gesetzgebung unter Einschluss des nicht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225258 (C) (D) (A) (B) öffentlichen Bereichs. Es wird Buch geführt über inzwi- schen beseitigte Missstände. Es werden fortbestehende Defizite aufgezeigt. Im Sinne eines Frühwarnsystems wird die Aufmerksamkeit auf sich abzeichnende Lücken im Datenschutz gelenkt. Es werden Handlungsempfeh- lungen ausgesprochen und Korrekturen eingefordert. Im Ergebnis ist der Bericht ein umfassendes Kompendium, ein reichhaltiger Fundus, der das ganze Spektrum der Ver- arbeitung personenbezogener Daten aufzeigt und die da- raus resultierende Gefahren für das Recht auf informatio- nelle Selbstbestimmung vor Augen führt. Dafür möchte ich dem Bundesbeauftragten, Herrn Dr. Jacob, ausdrück- lich danken. Ich freue mich, dass wir im Ausschuss – wie in den Jah- ren zuvor – zu einer gemeinsamen Entschließung – leider ohne die PDS-Fraktion – gefunden haben. Das ist das Er- gebnis ausführlicher Berichterstattergespräche, bei denen uns Herr Dr. Jacob ebenso wie das BMI beratend zur Seite gestanden haben. Ich möchte mich auch bei allen Be- richterstatterkolleginnen und -kollegen herzlich bedan- ken. Die Mühe hat sich gelohnt. Viele datenschutzrechtliche Beanstandungen haben sich seit Vorlage des Berichts im März 2001 erledigt. So gibt es mit dem verabschiedeten Änderungsgesetz zur Strafprozessordnung eine Nachfolgeregelung für den § 12 Fernmeldeanlagengesetz (FAG). Die Telekommunika- tionsüberwachungs-Verordnung (TKÜV) ist seit dem November letzten Jahres in Kraft. Mit dem EGG, dem Elektronischen Geschäftsverkehr-Gesetz wurde das Tele- dienstedatenschutz-Gesetz (TDDSG) novelliert. Andere vom Datenschutzbeauftragten monierte Pro- bleme bestehen nach wie vor. Die dringlichsten haben wir in unserem Entschließungsantrag zusammengefasst. So warten wir immer noch auf die Vorlage eines Arbeitneh- merdatenschutzgesetzes. Die Überwachbarkeit von Ar- beitnehmerverhalten im Zusammenhang mit E-Mail- und Internetnutzung bringt ernste Risiken für die informa- tionelle Selbstbestimmung. Möglich ist nämlich die Er- mittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten durch den Arbeitgeber. Datenschutzrechtlich ist das höchst proble- matisch. Weiterhin brauchen wir endlich verbindliche Regelun- gen für Chipkarten im Gesundheitswesen. Der Schutz der Gesundheitsdaten auf der Chipkarte ist bisher unzuläng- lich. Hier fehlt noch ein eigenes Gesetz. Notwendig ist auch die Einführung eines Straftatbe- standes für heimliche Bildaufnahmen und deren Veröf- fentlichung. Hier besteht eine Gesetzeslücke. Die heimli- che Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes ist nach § 201 Strafgesetzbuch bereits strafbar. Auch für Bildaufnahmen brauchen wir dringend eine strafgesetzli- che Regelung. In zwei Punkten unserer Entschließung beziehen wir uns auf ganz aktuelle Dringlichkeiten: Bei der Entschlüs- selung des menschlichen Genoms brauchen wir klare Strafnormen, also die Einführung eines Straftatbestandes für die heimliche Analyse des Genoms. Gentests ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung und ohne Ein- willigung des Betroffenen sind zu verbieten. Bei der Terrorismusbekämpfung halten wir es für er- forderlich, das die Eingriffsvoraussetzungen bei der präventiven Rasterfahndung bundesweit vereinheitlicht und datenschutzrechtlich unbedenklich gestaltet werden. Auch hier besteht dringender Handlungsbedarf. Ein Bei- spiel aus Thüringen belegt das: Nach dem neuen Thürin- ger Polizeigesetz kann die Polizei weitgehend nach eige- nem Ermessen eine Rasterfahndung in Gang setzen. Schon zuvor hat es eine ärgerliche Fahndungsspanne ge- geben: Bei der Rasterfahndung nach mutmaßlichen isla- mistischen Terroristen in Thürigen hat die Fachhoch- schule Nordhausen Daten von 300 Studenten an die Polizei gegeben, die gar nicht den Kriterien der Raster- fahndung entsprachen. Für wichtig halte ich es, dass die zweite Stufe der um- fassenden Modernisierung des Datenschutzrechts in An- griff genommen und bis zur Mitte der nächsten Wahlperi- ode umgesetzt wird. Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern ist hierzu ein Gutachten erarbeitet worden. Seit dem November vergangenen Jahres liegt es vor. Hier werden wichtigte Eckpunkte für das Reformvorhaben for- muliert: Das Datenschutzrecht soll einfacher, verständli- cher werden und es ist den neuen Formen der Datenver- arbeitung anzupassen. Wir brauchen ein Datenschutzrecht mit klaren Abgrenzungen zwischen allgemeinen und be- reichsspezifischen Regelungen. In einem Punkt haben wir noch bis zuletzt um Einver- nehmen gerungen: bei der Gutachterbestellung in der ge- setzlichen Unfallversicherung und nach dem SGB IX. Hier wurde der Vorschlag gemacht, als Gutachter bevor- zugt den zuständigen Amtsarzt einzusetzen. Hierzu möchte ich anmerken: Ist nach SGB IX für die Fest- stellung des Leistungsbedarfs ein Gutachten erforderlich, benennen die Rehabilitationsträger in der Regel drei Sachverständige. Der Leistungsberechtigte kann einen auswählen. Auf seinen Antrag hin können auch andere ge- eignete Sachverständige herangezogen werden. Die Be- hindertenverbände haben dieses Verfahren ausdrücklich begrüßt. Eine normierte vorrangige Beauftragung von Amtsärzten steht im Widerspruch zu dem mit dem SGB IX verfolgten Ziel der Förderung der Selbstbestimmung von behinderten Menschen. Es kann auch nicht pauschal von einer Eignung aller Amtsärzte ausgegangen werden. In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt: Grund- sätzlich kann der Versicherungsträger jeden Arzt als Gut- achter beauftragen, wenn dieser fachlich geeignet ist, also auch einen Amtsarzt. Amtsärzte erfüllen die an einen Gut- achter zu stellenden Anforderungen in der Regel nicht: Es ist eine besondere fachliche Spezialisierung/Qualifizie- rung erforderlich. Oft gibt es spezielle Anforderungen an die Praxisausstattung, die in der Regel bei Amtsärzten nicht vorhaden ist. Die Zahl bei den Berufsgenossen- schaften anfallenden Begutachtungen (circa 140 000) wäre von den Amtsärzten mengenmäßig nicht zu be- werkstelligen. Ich kommen zum Schluss. Mit unserem Antrag soll die Bundesregierung zur Erledigung dringlicher daten- schutzrechtlicher Aufgaben aufgefordert werden. Mir perönlich liegt dabei die Umsetzung der zweiten Stufe der Modernisierung des Datenschutzrechts besonders Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25259 (C) (D) (A) (B) am Herzen. Ich bin überzeugt, diese Reform wird dazu beitragen, auch in Zeiten terroristischer Bedrohung die Herausforderungen für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu bestehen. Beatrix Philipp (CDU/CSU): Seit 1978 wacht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz über die Einhal- tung der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes so- wie der bereichsspezifischen Vorschriften über den Daten- schutz. Mittlerweile beraten wir den 18. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz. Mit diesem Bericht gibt der Bundesbe- auftragte für den Datenschutz Rechenschaft über den Da- tenschutz und liefert eine akkurate Zustandsbeschreibung des Datenschutzes. Mein Dank gilt daher zunächst Herrn Dr. Jacob und seinen Mitarbeitern und dem Bundesministerium des In- nern. Ich bedanke mich für die zahlreichen substanziier- ten datenschutzrechtlichen Hinweise und Verbesserungs- vorschläge, die allerdings auch zeigen, dass für die Umsetzung mancher Anregungen oft eine einzige Legis- laturperiode nicht ausreicht. In diesem Jahr feierten wir ein Jubiläum. Seit 25 Jah- ren gibt es nun das Bundesdatenschutzgesetz. Anfangs wurde es eher als Stiefkind betrachtet, oft als „lästig“. Mittlerweile ist das Thema Datenschutz in der öffentli- chen Wahrnehmung fest verankert und hat an Bedeutung und Aktualität immer mehr zugenommen. Ein Anstoß war sicherlich auch das Volkszählungsur- teil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983. Mit dieser Entscheidung wurde erstmals das infor- mationelle Selbstbestimmungsrecht herausgearbeitet, das heißt die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung fol- gende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen per- sönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, wie das Gericht damals ausführte. Es grenzt an einen Skandal, dass diese Tatsache gerade im Rahmen des Stasi-Unterla- gen-Gesetzes, das diese Woche beraten wird, bei den Re- gierungsparteien und der FDP hinter das öffentliche Inte- resse zurückgestellt wird. Sensibilisiert durch die Tatsache, dass heutzutage im- mer mehr Daten mittels neuer Medien übermittelt werden können, ist der Gesetzgeber immer bestrebt, diesen Ent- wicklungen durch Regelungen nachzukommen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht gebührend berücksichti- gen. Denn, wie das Bundesverfassungsgericht damals feststellte, es gibt kein belangloses Datum mehr, weil durch Verarbeitung und Verknüpfung gerade dieses einen neuen Stellenwert bekommen kann. Datenschutz wurde zunächst als „Abwehrrecht“ des selbstbestimmten Bürgers gegenüber dem Staat verstan- den. Heute sind staatliche Datenerhebung und -verarbei- tung strengen Anforderungen und Kontrollen unterwor- fen; bei den privatwirtschaftlich betriebenen, personenbezogenen Datenbanken sind die Anforderungen dagegen noch sehr gering. Es muss hier ein Weg gefunden werden, der die Wirtschaft nicht unnötig belastet, wenn der Datenschutz auch durch Selbstverpflichtung der Wirt- schaft erreicht werden kann. Ein übertriebener Regle- mentierungswahn, wie wir ihn beim „Datenschutzaudit“ kennen, sei hier nur als negatives Beispiel genannt. Ich habe mich dazu an verschiedenen Stellen schon kritisch geäußert. Auf der anderen Seite muss man immer wieder fest- stellen, dass unter der Gefahr des „Überwachungsstaates“ notwendige Regelungen zur präventiven und repressiven Verbrechensbekämpfung nur zögerlich bis gar nicht um- gesetzt werden. Da muss ich insbesondere Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Grün, Vorwürfe machen. Nachdem Sie jahrelang unsere Vorschläge für eine wirksamere Verbre- chensbekämpfung immer wieder abgelehnt hatten, ja als übertrieben gewertet haben, sind Sie leider erst durch die Anschläge vom 11. September 2001 wachgerüttelt wor- den. Der Datenschutz, die Befugnis selbst zu entscheiden, wann persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, findet dann seine Grenzen und muss sinnvoll abgewogen werden, wenn es um eine wirksame Verbrechensbekämp- fung bzw. Terrorismusbekämpfung geht. Der 11. Septem- ber 2001 hat uns allen überdeutlich gemacht, wie angreif- bar unsere Bevölkerung, unser Staat und unsere Demokratie sind. Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger darf nicht durch ein falsches Verständnis von Da- tenschutz vernachlässigt werden. Datenschutz darf nicht zu Täterschutz werden. Ja, ich weiß, über diesen Satz re- gen Sie sich immer wieder auf. Aber er ist wahr und bleibt wahr, auch wenn sie es noch immer leugnen wollen; es gibt dafür genug Beispiele. Auch bei neuen Techniken muss sich der Gesetzgeber Möglichkeiten offen halten, wirksame Verbrechens- bekämpfung zu realisieren. Die ständige Zunahme der Mobilfunkgeräte muss eine wirksame Verbrechens- bekämpfung, auch die Überwachung des Mobilfunkver- kehrs, ermöglichen. Gespräche wie auch notwendige Ver- bindungsdaten, also wer wann wie lange und wo mit wem telefoniert hat, müssen feststellbar sein. Neue Techniken der Überwachung von Mobilfunkgerä- ten wie der IMSI-Catcher dürfen nicht durch eine Überre- glementierung in der Strafprozessordnung erschwert bzw. verhindert werden. Hier nicht durch wirksame Maßnah- men Schritt zu halten, kommt einer Kapitulation vor der organisierten Kriminalität gleich. Ich habe immer wieder den Eindruck, dass Rot-Grün gerade in diesem Bereich völlig andere Prioritäten setzt. Wann wollen Sie endlich einsehen, dass wirksame Verbrechensbekämpfung auch mit effektivem Datenschutz in Einklang zu bringen ist? Trotz zahlreicher Versprechungen, den Anforderungen einer modernen Informationsgesellschaft gerecht zu wer- den, muss festgestellt werden, dass es noch immer erheb- liche Lücken gibt. Ich nenne hier nur das Arbeitnehmer- datenschutzgesetz. Der Gebrauch von PC, E-Mail, Chipkarten und com- putergesteuertes oder -unterstütztes Arbeiten gehören heutzutage zum Alltag. Der Einsatz dieser modernen Informations- und Kom- munikationstechnologie bietet große Chancen und neue Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225260 (C) (D) (A) (B) Optionen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese neuen Informationsmöglichkeiten erfordern aber auch im Arbeitsbereich Schutzmaßnahmen. Man sollte die Risiken für das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch die technisierte Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten nicht unterschätzen. Bisher wird Arbeit- nehmerdatenschutz nur durch die Rechtsprechung er- reicht. Es ist sehr problematisch, wenn Arbeitnehmer und Ar- beitgeber ihre datenschutzrechtlichen Rechte und Pflich- ten nach geltendem Recht überwiegend nur aus der Recht- sprechung ableiten können. Schon aus diesem Grunde ist ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz mehr denn je not- wendig. Dieser Bereich gehört zu den eingangs zitierten „unerledigten“ Hausaufgaben. In Ihrem Koalitionsvertrag von 1998 hieß es noch: „Ef- fektiver Datenschutz im öffentlichen und im privaten Be- reich gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine demokratische und verantwortbare Informationsge- sellschaft“. So erwartete jeder, insbesondere die Gewerk- schaften, von Ihnen die Vorlage eines Arbeitnehmerda- tenschutzgesetzes. Dazu kann ich leider nur sagen: Nicht direkt versprochen, aber dennoch nicht erledigt. Ein weiterer Bereich ist das Schufa-Verfahren. Auch dazu muss ich anmerken, dass dieses Verfahren bereits im letzten Tätigkeitsbericht bemängelt worden ist. Auch hier muss ich feststellen: Es hat sich fast nichts getan. Diese Bonitätsprüfungen sind sicherlich notwendig. Die Frage, ob jemand kreditwürdig ist, darf heute nicht unterschätzt werden. Immer mehr Bezahlungen erfolgen durch Kre- dite; ein Ausfall der Rückzahlung ist ein nicht zu unter- schätzender wirtschaftlicher Verlust. Daher ist die Aus- kunft, ob jemand kreditwürdig ist, nur berechtigt. Allerdings darf dies nicht so zulasten der Betroffenen gehen, dass diese über das Verfahren, insbesondere über ihren Scorewert, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kredit in den nächsten 15 Monaten ausfällt, mangelhafte bzw. gar keine Auskunft erhalten. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die Nachfrage der Betroffenen nach ihrem Scorewert sich negativ auf ihre Bonitätsprüfung auswirkt. Dies bedeutet letztlich, dass der bestraft wird, der von seinem Selbstauskunftsrecht nach dem Bundesdatenschutzgesetz Gebrauch macht. Trotz einiger positiver Veränderungen sind immer noch einige Nachbesserungen erforderlich. So kann ich mir vorstellen, dass dem Betroffenen die relevanten Da- ten für den Scorewert und deren Gewichtung mitgeteilt werden. Es kann meines Erachtens nicht, ja es darf nicht sein, dass mit der Begründung des Patentrechtes den Be- troffenen nicht erkennbar wird, warum und aus welchen Gründen sie nicht kreditwürdig sind. Ich kann auch hier nur mit Nachdruck fordern, den Aufforderungen aus die- sem Tätigkeitsbericht zu folgen. Schließlich bleibt als letztes Beispiel, das auch schon im letzten Tätigkeitsbericht angesprochen worden ist, die Krypthographie. Dies bedeutet die Verschlüsselung von sensiblen Daten, insbesondere im Gesundheitswe- sen. Diese Daten werden durch mathematische Kompo- nenten so verschlüsselt, dass sie, für Dritte nicht nach- vollziehbar sind. Bereits im 17. Tätigkeitsbericht wurde auf die Gefahren hingewiesen und dringender Hand- lungsbedarf gesehen. Leider ist auch hier wenig gesche- hen. Der dringende Handlungsbedarf ist nach wie vor gegeben. In diesem Zusammenhang meine ich auch, dass es nötig ist, über den Missbrauch von Chipkarten im Ge- sundheitswesen nachzudenken. Sie alle kennen die Pro- blematik: eine Karte, zig Nutzer. Zusammengefasst lässt sich feststellen: Viele Punkte, die bereits im letzten Tätigkeitsbericht bemängelt worden sind, tauchen auch dieses Mal wieder auf und wir fordern erneut die Umsetzung der daraus resultierenden Konse- quenzen. Schließlich dient der Bericht dazu, unsere im- mer komplexer werdende Informationsgesellschaft und die Datenflut ein wenig durchschaubarer zu machen und den Menschen auch Ängste zu nehmen. Es gibt nicht viele Passagen im Koalitionsvertrag, die meine Zustimmung finden, aber eine: „Effektiver Daten- schutz im öffentlichen und im privaten Bereich gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für eine demokrati- sche und verantwortbare Informationsgesellschaft“. Aber erst die Umsetzung und die Abwägung von Chancen und Risiken, von wirklicher Notwendigkeit und blindem Ak- tionismus, macht den Datenschutz zu einem Bereich, den die Bevölkerung akzeptiert. Auf diese Akzeptanz sind wir in hohem Maße angewiesen. Ich wünsche mir wenigstens in dieser Beurteilung so viel fraktionsübergreifende Zustimmung, wie sie bei der parlamentarischen Beratung deutlich wurde. Ich habe be- sondere Veranlassung, mich für die Kollegialität zu be- danken. Sie ist heute leider nicht mehr selbstverständlich. Dieser kollegialen Zusammenarbeit widerspricht es, dass uns heute Nacht ein Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 14/9709, zugeleitet wurde, der für sich in An- spruch nimmt, eine umfassende Modernisierung des Da- tenschutzes voranzubringen. Eine intensive Befassung mit diesem Antrag würde meiner Arbeitsweise entsprechen. Neben Anregungen, über die man sicherlich vernünftig sprechen kann, sind al- lerdings Grundsatzvorstellungen, dass wir zum Beispiel den Datenschutz über den EU-Standard ausweiten sollten, nicht akzeptierbar. Schon aus diesem Grund können wir dem Antrag nicht zustimmen. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Mit Si- cherheit können sich einige von Ihnen noch an Folgendes erinnern: Als 1983 und 1987 die Bevölkerung in Deutsch- land – unter maßgeblicher Beteiligung der Grünen – ge- gen die geplanten Volkszählungen protestierte, ging es im Grundsatz darum, die eigene Privatsphäre vor staatlicher Ausforschung zu bewahren. Inzwischen haben sich die Vorzeichen aber merklich verändert. Nicht nur Behörden, sondern in zunehmendem Maße Unternehmen aus der Wirtschaft scheinen viel Sensibleres über die Menschen zu wissen, als damals vom Staat abgefragt wurde. Im Zeit- alter des Internet, in dem die User fast überall aufgefor- dert werden, persönliche Daten zu hinterlassen, sind zwei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25261 (C) (D) (A) (B) Begriffe untrennbar miteinander verbunden: Datenschutz und Verbraucherschutz. Bündnis 90/Die Grünen haben nie locker gelassen, bei dem Einsatz für den Datenschutz. So sind wir maßgeblich an der Reform des Bundesdatenschutzgesetzes beteiligt und haben uns auch bei den Verhandlungen zu den Anti- Terror-Paketen stark für datenschutzrechtliche Belange eingesetzt. Die jahrelange Verschleppung der ersten BDSG-Novelle durch die alte Bundesregierung ist Aus- druck für eine gewisse politische Hilflosigkeit gegenüber der technisch und rechtlich scheinbar schwierigen Mate- rie „Datenschutz“ gewesen. Die Politik darf sich neuen Herausforderungen aber nicht verschließen. Nachdem wir die erste Stufe der Mo- dernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes erfolgreich umgesetzt haben, werden wir in der nächsten Legislatur- periode die zweite Stufe in Angriff nehmen, die vor allem den Datenschutz für das Internetzeitalter fit machen soll. Wir wollen und müssen den Datenschutz für das 21. Jahr- hundert technik- und verbrauchergerecht regeln. Wir wollen insbesondere erreichen: ein umfassendes Auskunfts-, Wi- derspruchs- und Beschwerderecht für die Bürgerinnen und Bürger über ihre verarbeiteten und gespeichertenDaten, das Recht auf Anonymität und Pseudonymität von persönli- chen Daten, sobald eine Identifizierung nicht mehr zwin- gend notwendig ist, und einen systematischen Ausbau von Angeboten zum Selbstdatenschutz, wie die Vermittlung von Datenschutzkompetenz in Schule und Berufsausbil- dung und die Förderung von Verschlüsselungsprogram- men. Auch die Herausforderung durch die Entzifferung des menschlichen Genoms wollen wir annehmen, indem wir uns dafür einsetzen werden, die genetische Selbstbe- stimmung gesetzlich abzusichern. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die im Tätig- keitsbericht enthaltene Ankündigung der Bundesregierung, unter Einbeziehung von Wissenschaft und Praxis einen Ge- setzentwurf zu einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz vorzulegen. Themen wie die Überwachung am Arbeits- platz oder das private Lesen von E-Mails müssen endlich für alle Beteiligten befriedigend gelöst werden. Ebenso begrüßen wir die Absicht der Bundesregierung, eine Strafvorschrift zum Schutze vor Verletzungen der In- timsphäre durch unbefugte Bildaufnahmen zu schaffen. Der Schutz der Privatsphäre bleibt auch im Zeitalter der Neuen Medien ein ganz wichtiges Thema. Des Weiteren werden wir uns für die Aufnahme des Grundrechts auf in- formationelle Selbstbestimmung als expliziten Grundge- setzartikel einsetzen. Zukünftiger Datenschutz muss effektiv verständlich und attraktiv sein. Wir wollen die Betroffenen selbst zu Teilnehmern des Datenschutzes machen. Die Verarbei- tung der eigenen Daten muss durch die Bereitstellung ent- sprechender Software rechtlich und technisch unterstützt werden. Transparenz und Selbstbestimmung sind die Stichworte, unter denen wir modernen Datenschutz ver- stehen und umsetzen wollen. Datenschutz ist niemals Täterschutz, sondern ein wich- tiges Instrument zur informationellen Selbstbestimmung. Wir wollen den mündigen Bürger, der weiß, was mit sei- nen Daten geschieht. Statt „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, muss es zukünftig heißen: „Vertrauen ist gut, Transparenz ist besser“. In diesem Sinne wollen wir die Modernisierung des Datenschutzes weiter vorantreiben. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): Auch der 18. Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftrag- ten, der nun schon seit fast anderthalb Jahren vorliegt, ist wieder eine beeindruckende Fleißarbeit und eine Fund- grube für die verschiedensten Einblicke in das Daten- schutzgeschehen. Vor allem aber signalisiert er erneut manchen politischen Handlungsbedarf, den wir in unserer fraktionsübergreifenden Entschließung ja auch aufneh- men und für die neue Legislaturperiode festhalten. Ich will deshalb als erstes diese Ausrichtung des Be- richtes noch einmal hervorheben. Es scheint mir nämlich immer ein besonderer Vorzug der Bundesdatenschutzbe- richte zu sein, dass sie nicht nur Tätigkeitsnachweise und Sachverhaltsaufbereitung liefern, sondern Perspektiven zur Verbesserung und Weiterentwicklung bieten und da- mit wirklich politisch hilfreich sind. Die gute Zusammen- arbeit zwischen den Berichterstattern, dem Bundesdaten- schutzbeauftragten und den verantwortlichen Ministerien – besonders dem Innenministerium – tun ein Übriges. Und darum möchte ich mich an dieser Stelle auch noch bei allen Beteiligten für dieses fruchtbare Wirkenkönnen und die förderliche Atmosphäre bedanken, speziell beim Bundesdatenschutzbeauftragten selber. Von den herausgestellten Handlungsbedarfen liegen den Liberalen besonders die Nummern 1 und 9 am Herzen. Der Schutz vor Verletzung der Intimsphäre und des Kern- bereichs des Privaten muss weiter optimiert werden. Das bezieht sich ja nicht nur auf unbefugte Bildaufnahmen und deren Veröffentlichung oder die zunehmende Gefähr- dung durch private Datenmacht, vielmehr ist das ein Grund- und Querschnittsthema. Und die FDP hat darum auch schon des Längeren einen allgemeinen, übergreifen- den Antrag eingebracht, der indes zur Beratung leider von der Geschäftsordnungsmehrheit immer wieder hinausge- schoben wird. Im Übrigen erscheinen mir noch die Entschließungs- punkte 10 und l2 von besonderer Aktualität zu sein. Dass die Koalition bisher ein Gesetz zum genetischen Daten- schutz verhindert, ist schon an anderer Stelle nachdrück- lich kritisiert worden. Dass die präventive Rasterfahndung dringend eine Vereinheitlichung der einschlägigen Rechts- grundlagen braucht, hat sich durch die Praxiserfahrungen nach dem 11. September 2001 nachdrücklich bestätigt. Ob man hier auf ein allgemeines Recht hinwirken sollte, eine Zusammenarbeitsregelung auf der Grundlage von Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes vorzieht, eine schmierige Rumpfvorschrift aufgrund Zuständigkeit kraft Natur der Sache anstrebt oder einen anderen Weg für sachdienlicher hält, muss allerdings noch geklärt werden. Nur sollte man dafür nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Petra Pau (PDS): Wir sprechen heute über den Tätig- keitsbericht des Bundesbeauftragten für Datenschutz über die Jahre 1999 und 2000. In langen und auch sehr inhalts- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225262 (C) (D) (A) (B) reichen Berichterstattergesprächen zu diesem Bericht wurde der Entwurf der heute zur Abstimmung stehenden Entschließung des Deutschen Bundestages erarbeitet. Ich kann nur dafür werben, den Tätigkeitsbericht selbst zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur die heute vorliegende Entschließung, weil dieser sehr informativ ist und auf fast allen Politikfeldern Versäumnisse und auch Verstöße ge- gen das informationelle Selbstbestimmungsrecht offen- bart. Jedem Leser wird sehr schnell offenbar, dass bei- spielsweise im Bereich der Gesundheits-, Sozial- und Außenpolitik sehr schneller Denk- und Handlungsbedarf besteht, um vorhandene Missstände abzustellen. In der Entschließung werden in zehn Punkten die wich- tigsten Kritikpunkte des Bundesbeauftragten für Daten- schutz noch einmal unterstrichen. So geht es um den noch immer fehlenden Arbeitnehmerdatenschutz, um notwen- dige Regelungen im Bereich des Gesundheitswesens, um besonders schutzwürdige Daten auch tatsächlich zu si- chern, und um die Begrenzung der Datenmacht in priva- ter Hand. Wenn wir heute dieser Entschließung trotzdem nicht zustimmen können, dann liegt das einzig und allein am Punkt 11. In diesem wird die Bundesregierung aufge- fordert, gemeinsam mit den Ländern Überlegungen anzu- stellen, wie bei der Terrorismusbekämpfung die Ein- griffsvoraussetzungen der präventiven Rasterfahndung „bundesweit vereinheitlicht, datenschutzrechtlich unbe- denklich und effektiv gestaltet werden können“. Diesem Passus kann ich schon deshalb nicht zustimmen, weil er einen Widerspruch in sich birgt. Es ist eben nicht möglich, einerseits das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu schützen und gleichzeitig all seine Da- ten zur Sammlung und Rasterung freizugeben. Hier wird der Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermutung unter der Überschrift Terrorismusbekämpfung aufgehoben. Spätes- tens nach den einschlägigen Urteilen von Verwaltungsge- richten, hätten wir uns vielleicht auch noch dieses Punk- tes annehmen sollen. Nun liegt uns heute nicht nur der Entschließungsantrag vor. Die Koalition hat uns einen weiteren Antrag zum Thema Datenschutz auf den Tisch gelegt und zur Abstim- mung vorgelegt. Unter der Überschrift „Umfassende Mo- dernisierung des Datenschutzrechtes voranbringen“ werden viele wünschenswerte Forderungen an die Bundesregie- rung gestellt. Ich frage mich nur, warum dieser sehr breite Auszug aus ihrer Koalitionsvereinbarung von 1998 nun in den Rang eines Beschlusses des Bundestages erhoben werden muss, wenn das doch alles Forderungen sind, die sie selbst im gesetzgeberischen Verfahren hätte voran bringen müssen. Ich nehme nur ein Beispiel heraus: Der Arbeitnehmer- datenschutz bzw. die Schaffung eines Arbeitnehmerda- tenschutzgesetzes ist seit 1986 eine alljährlich wieder- kehrende Hängepartie. Seitdem wird in allen Berichten des Datenschutzbeauftragten diese Anforderung an die je- weilige Bundesregierung gestellt. Oder nehmen wir den Punkt 16 Ihrer Entschließung: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Entwurf eines In- formationsfreiheitsgesetzes für den Zugang von Bürge- rinnen und Bürgern zu amtlichen Informationen der Behörden vorzulegen, um die demokratischen Beteili- gungsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und die Kontrolle staatlichen Handelns zu fördern.“ So weit, so gut. Auch das stand auf der Agenda der Koalition und wäre spätestens mit der Debatte um die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes mit zu erarbeiten gewesen. Diese Entschließung stellt eigentlich eine Bankrott- erklärung der Koalition auf dem Gebiet der Bürgerinnen und Bürger Rechte dar. Wir sind nicht bereit, mit unserer Zustimmung solches auch noch abzusegnen. Fritz Rudolf Körper, Parlamentarischer Staatssekre- tär beim Bundsminister des Innern: Erst kürzlich haben auf Einladung des Bundesbeauftragten Vertreter aus Poli- tik und Wissenschaft in einer Feierstunde das 25-jährige Bestehen des Bundesdatenschutzgesetzes gewürdigt, zu dessen Erfolgsgeschichte die vom Gesetz garantierte un- abhängige Kontrolle der Datenverarbeitung öffentlicher Stellen des Bundes ganz wesentlich beigetragen hat. Auch der 18. Tätigkeitsbericht ist Beleg dafür. Der Bericht gibt einen Überblick über die Schwerpunkte der Arbeit des Bundesbeauftragten in den Jahren 1999 und 2000 sowie einen Ausblick auf die in naher Zukunft anstehenden wichtigen Fragen zum Persönlichkeitsrecht. Der Bericht macht auch deutlich, dass sich das Thema Datenschutz in der öffentlichen Wahrnehmung seit In- Kraft-Treten des BDSG vor 25 Jahren fest etabliert hat und in Deutschland sehr ernst genommen wird. Besonders erfreulich ist, dass sich keine Hinweise auf eine ernstliche Bedrohung des Datenschutzes ergeben haben. Besondere Erwähnung verdient das zügige und koopera- tive Verfahren der parlamentarischen Beratung des 18. Tä- tigkeitsberichts. Entsprechend den Vereinbarungen im ersten Berichterstattergespräch im Juni 2001 wurde die Stellungnahme der Bundesregierung noch im Dezember 2001 dem Innenausschuss zugeleitet. Hervorzuheben ist die sachliche und konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem BfD, den Berichterstattern und den Vertretern der Bundesregierung. Auch den Berichterstattern und dem BfD sei hierfür vonseiten der Bundesregierung ausdrück- lich gedankt. Einige wichtige Forderungen im 18. Tätigkeitsbericht konnten von der Bundesregierung bereits erfüllt werden. Der durch die Europäische Datenschutzrichtlinie ausgelös- te Änderungsbedarf wurde mit dem Gesetz vom 23. Mai des vergangenen Jahres umgesetzt. Über die unmittelbar richtlinienbedingten Änderungen hinaus wurden erste Modernisierungselemente aufgenommen, so der Grund- satz der Datenvermeidung und -sparsamkeit, eine Chip- kartenregelung sowie das Datenschutzaudit als Pro- grammsatz. Die Realisierung dieses Programmsatzes ist auf dem Weg. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Verwal- tungswissenschaften Speyer und dem Unabhängigen Lan- deszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein wird im Rahmen einer Gesetzesfolgenabschätzung im September dieses Jahres in Speyer ein Workshop durchgeführt wer- den, dessen Ergebnisse Grundlage für den zu Beginn der nächsten Legislaturperiode zu erstellenden Entwurf des geplanten Bundesdatenschutzaudit-Gesetzes sein sollen. Erste Schritte zur notwendigen, umfassenden Neuord- nung sind damit erfolgt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25263 (C) (D) (A) (B) Der 18. Tätigkeitsbericht zeigt aber auch, dass zum Schutz des Persönlichkeitsrechts und der personenbezo- genen Daten in mancher Hinsicht weitere Verbesserungen sinnvoll und teilweise auch erforderlich sind. In den Ge- sprächen mit den Berichterstattern hat die Bundesregie- rung den hieraus folgenden Handlungsbedarf anerkannt. Zu nennen ist hier zunächst das Vorhaben eines Arbeit- nehmerdatenschutzgesetzes. Dieses Vorhaben wird von rasanten technischen Veränderungen und neuen Problem- lagen begleitet. Die Überlegungen der Bundesregierung gehen des- halb dahin, nicht nur die klassischen Bereiche des Da- tenschutzes für das Arbeitsverhältnis zu regeln, sondern zum Beispiel auch die private Nutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz und den Schutz von Betriebs- daten im Unternehmen. Die damit verbundenen kom- plexen Fragen müssen mit Praktikern, den betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und mit Wissenschaftlern intensiv diskutiert und möglichst im Konsens beant- wortet werden. Nur so kann eine fundierte Wissens- basis für die rechtlichen Entscheidungen geschaffen werden. Die Bundesregierung plant zudem, in der nächsten Le- gislaturperiode ein Gentest-Schutzgesetz vorzulegen. In diesem Gesetz werden sich auch – wie vom Bundesdaten- schutzbeauftragten gefordert – nebenstrafrechtliche Be- stimmungen finden. Ein ganz wesentliches Vorhaben ist die zweite Stufe der umfassenden Modernisierung des Datenschutzrechts, zu der in den Entschließungsantrag ein sehr ehrgeiziger Zeit- plan aufgenommen wurde. 25 Jahre nach In-Kraft-Treten des Bundesdatenschutzgesetzes steht der Datenschutz in Deutschland vor neuen Herausforderungen. Immens ge- stiegene Informationssammlungen und -verarbeitungen in privater Hand in Gestalt der neuen Technologien kenn- zeichnen die datenschutzrechtlichen Probleme der heuti- gen Zeit. In diesem Zusammenhang muss auch die Sicherheit in der Informationstechnik erwähnt werden. Ein Teil der sich hier abzeichnenden Handlungsfelder wurden in dem Entschließungsantrag ,,Sichere Informations- und Kom- munikationsinfrastrukturen gewähren“ der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bereits aufgezeigt. Sichere Informations- und Kommunikationsinfrastruktu- ren sind eine Voraussetzung dafür, um Datenschutz ge- währleisten zu können. Die Informationsgesellschaft stellt den Datenschutz vor etliche neue Herausforderun- gen. Der Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen macht den Handlungsbedarf für eine ,,umfassende Modernisierung des Datenschutz- rechtes“ deutlich. Dabei greife ich einen ganz besonders wichtigen Aspekt heraus. Die Neugestaltung ist auch, aber nicht al- lein eine Frage besserer, technikadäquater und verständli- cherer Gesetze und Regelungen. Vielmehr muss das Ver- ständnis für die Notwendigkeit von Datensicherheit und Datenschutz in den Köpfen aller, die damit zu tun haben, erhalten und – wo notwendig – weiter gesichert werden. Das ist eine wichtige Aufgabe zum Schutze jedes Einzel- nen. Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass die im Rah- men der zweiten Stufe der Modernisierung des Daten- schutzrechts vorzubereitenden gesetzgeberischen Maß- nahmen einer umfassenden Abstimmung zwischen Bund und Ländern bedürfen. Es gilt, im Interesse eines schlüs- sigen Gesamtkonzepts den prinzipiellen Gleichklang zwi- schen Bundes- und Landesregelungen auch in Zukunft zu erhalten. Eine angemessene Berücksichtigung sowohl der wirtschaftlichen und staatlichen Interessen der auf Da- tenverarbeitung angewiesenen Stellen als auch der Inte- ressen der Betoffenen wird darüber hinaus eine breite Beteiligung erforderlich machen. Die Bundesregierung nimmt diese Herausforderung an. Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Verbot des Klonens menschlicher Embryoen weltweit durchsetzen – Das Klonen menschlicher Embryonen inter- national ächten (Tagesordnungspunkt 16) René Röspel (SPD): Am 21. Juni 2001 gaben der da- malige französische Außenminister Védrine und der deut- sche Außenminister Fischer bekannt, sich mit einer ge- meinsamen Initiative in den Vereinten Nationen für ein international verbindliches Rechtsinstrument zum welt- weiten Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen einzusetzen. Diese Initiative der Bundesregierung ist – sicher über fast alle Parteigrenzen hinweg – sehr zu be- grüßen. In der letzten Zeit gab es immer wieder Vorstöße von unseriösen Wissenschaftlern und Medizinern wie dem italienischen Fortpflanzungsmediziner Severino Anti- nori, die angekündigt haben, unfruchtbaren Paaren durch Klonen zu einem eigenen Kind zu verhelfen. Die welt- weite Empörung, die nach den Ankündigungen zum re- produktiven Klonen laut wurde, führte letztlich zur Vor- lage der UN-Resolution „Internationale Konvention zum Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen“, die auf den Vorstoß der Außenminister Fischer und Védrine zurückgeht und die im November 2002 angenommen wurde. Auch wenn die Medienberichte ebenso unseriös sein mögen wie das Vorhaben, Menschen durch Klonen zu reproduzieren, so ist es doch in einer Zeit der rasanten Entwicklung auf dem Gebiet der modernen Medizin und Biotechnologie möglich, dass diese Grenze schneller überschritten werden könnte als das irgendjemand heute vermutet. Dies gilt es bereits im Vorfeld zu verhindern. Die Signale aus den Mitgliedstaaten für eine Ächtung des reproduktiven Klonens sind deutlich. Es ist zu hoffen, dass es so rasch wie möglich zu einem international wirk- samen Verbot kommen wird. Dafür gebührt der Delega- tion der Bundesregierung viel Dank und alle Unterstüt- zung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225264 (C) (D) (A) (B) Der Aufschrei gegen das Klonen richtet sich allerdings bisher bei der Mehrheit der Staaten nur gegen das repro- duktive Klonen. Dazu kann man zwei Wege benutzen: das so genannte Embryosplitting und den Zellkerntransfer, fälschlicherweise „therapeutisches“ Klonen genannt. Bei der hier nicht näher behandelten Methode des Em- bryosplitting wird der frühe, aus wenigen Zellen beste- hende Embryo in zwei oder mehrere genetisch völlig identische Embryonen geteilt, ein Verfahren, das schon vor fast hundert Jahren an Seeigelembryonen durchge- führt worden ist. Diese Möglichkeit, die in der Natur zur Zwillings- bzw. Mehrlingsentstehung führt, trifft auf ein- hellige Ablehnung und soll daher nicht weiter behandelt werden. Im Fokus der Diskussion steht der Zellkerntransfer, bei dem in eine Eizelle, deren Zellkern zuvor entfernt worden ist, der Zellkern desjenigen transferiert wird, für den die nunmehr wachsenden Zellen verwendet werden sollen. Über diesen Weg hoffen Wissenschaftler, Zell- oder Ge- webeersatz, einige Fantasten sogar Organersatz herstellen zu können. Die erhoffte Anwendung ähnelt also den Hoffnungen, die in die embryonalen Stammzellen gesetzt werden – allerdings mit dem großen Unterschied, dass es sich – weil die genetische Information vom Zellkern des Patienten/Empfängers stammt – nicht um fremde Zellen handelt, die bei Transplantation auf den Empfänger eine Abstoßungsreaktion hervorrufen, sondern um dem Emp- fänger ähnliche Zellen. Wegen dieser erhofften Anwendung wird das Verfah- ren „therapeutisches Klonen“ genannt. Dieses Verfahren führte allerdings auch zum Entstehen des allseits bekann- ten Schafes „Dolly“. Das ist somit nicht auf dem jahrtau- sendealten, normalen Weg der Fortpflanzung entstanden, sondern durch Transfer eines Zellkerns aus einer Haut- zelle in eine entkernte Eizelle eines „Spenderschafs“ – Dolly ist genetisch fast völlig identisch mit dem Tier, dem die Hautzelle entnommen wurde: Es ist ein Klon. Hier zeigt sich genau der Punkt, warum diese Techno- logie nicht hingenommen werden kann: In jedem Fall wird ein Embryo geschaffen – entweder ausschließlich für den – nur in der Hoffnung existierenden – Zweck der Her- stellung von Zellen oder für den dem Wahnsinn entsprin- genden Vorhaben, Klone von lebenden oder toten Men- schen herzustellen. Ich will nicht über die ungelösten technisch-naturwis- senschaftlichen Fragen dieser Methode referieren – das würde den Zeitrahmen sprengen. Aber der Zellkerntrans- fer befindet sich noch im experimentellen Stadium und die bisherigen Erkenntnisse aus dem Tierversuch zeigen eher die Probleme dieser Technik auf, als dass sie zu- kunftsweisende Ergebnisse brächten. Auch in Deutsch- land wird diese Methode von einigen Wissenschaftlern und auch Politikerinnen und Politikern als vielverspre- chende Möglichkeit für die Transplantationsmedizin ge- handelt, obwohl noch keine verwertbaren Ergebnisse aus der Forschung vorliegen. Die Voraussetzung für das Klonen durch Zellkern- transfer ist die Verfügbarkeit von weiblichen Eizellen. Wie Professor Wiestler aus Bonn in der „Wirtschaftswo- che“ Nr. 29 vom 29. November 2001 vorrechnete, wären 100 000 Eizellen für 10 000 Patienten nötig, um autologes Gewebe herstellen zu können. Diese Zahlen würden al- lerdings erst dann stimmen, wenn es bei jedem zehnten Versuch gelänge, einen Embryo herzustellen, dem dann im Blastozytenstadium die entsprechenden Stammzellen entnommen werden sollen. Von solchen Erfolgsquoten kann im Moment nur geträumt werden, denn es mussten 277 Embryonen hergestellt werden, um einen einzigen le- bensfähigen Embryo namens Dolly herzustellen. Aber auch wenn die technischen Probleme gelöst wären, so blieben doch zwei entscheidende Gründe, warum das therapeutische Klonen aus meiner Sicht nicht verantwortbar ist: Zum einen werden hier zielgerichtet Embryonen hergestellt, die dann, um daraus Stammzellen gewinnen zu können, vernichtet werden. Dies ist nicht mit meiner Vorstellung von einer ethisch verantwortbaren Forschung und Wissenschaft vereinbar. Zum anderen setzt das Eizellen voraus. Weibliche Eizellen sind aber nicht einfach so verfügbar, sondern müssen durch inva- sive, risikobehaftete Eingriffe in den Körper der Frau ge- wonnen werden. Um mehr als eine Eizelle zu produzieren, werden Frauen mit hohen Dosen von Hormonen stimuliert. Hier- bei kann es zum so genannten Überstimulationssyndrom kommen, das in wenigen Fällen sogar tödlich enden kann, in vielen Fällen mit starken Beeinträchtigungen einher- geht. Auch wenn häufig argumentiert wird, dass Frauen, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, sich freiwillig und bewusst diesem Risiko aussetzen, so tun sie das, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Darauf will ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Wenn jedoch der Zell- und Gewebeersatz durch das so genannte „therapeu- tische“ Klonen eine Option darstellen würde, dann „spen- den“ Frauen ihre Eizellen für die Zwecke Dritter, und dann ist die Eizellentnahme ein medizinethisch zumindest umstrittener Eingriff. Die Begehrlichkeiten von Forschung und Wissenschaft an den Eizellen von Frauen sind bereits geweckt. Welche Frau könnte sich dann gegen eventuelle Forderungen nach ihren Eizellen aus zum Beispiel dem engeren sozia- len Umfeld entziehen? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich im Mai letzten Jahres zwar für die Forschung an und den Import von embryonalen Stammzellen ausgesprochen, aber auch deutlich gegen das therapeutische Klonen und die Her- stellung von Embryonen zu Forschungszwecken. Die Re- aktion darauf hat schon erstaunt, denn plötzlich meldeten sich Vertreter aus Wissenschaft und Politik zu Wort, die im Zellkerntransfer die einzige Anwendungsmöglichkeit einer möglichen Therapie mit Stammzellen sehen. Auch wenn die technischen Möglichkeiten vorhanden und die noch vorherrschenden Methodenprobleme gelöst wären und es sich irgendwann herausstellen sollte, dass durch das therapeutische Klonen Gewebeersatz herge- stellt werden könnte, so bin ich der Auffassung, dass dies ethisch nicht verantwortbar ist. Dies entspricht übrigens auch der Beschlusslage der SPD und der Zielsetzung der Bundesregierung. Bei den Verhandlungen zur UN-Resolution zu einem Verbot des reproduktiven Klonens hat sich eine Reihe von Staaten dafür eingesetzt, jegliche Form des Klonens, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25265 (C) (D) (A) (B) unabhängig von der Zielsetzung, zu ächten und in ein Ver- bot aufzunehmen. In einigen Staate weltweit – auch in Eu- ropa, wie zum Beispiel in Großbritannien – wird mit dem Zellkerntransfer experimentiert. Die Gesetzgebung der jeweiligen Länder erlaubt dieses Verfahren auch bzw. sie haben es nicht geregelt. Diese Staaten, allen voran China und Großbritannien, haben sich daher auch vehement ge- gen ein allumfassendes Verbot ausgesprochen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen. Es wäre der Ethik kein Dienst er- wiesen, wenn die Verhandlungen innerhalb der UN schei- tern würden. Insofern ist der Antrag der CDU/CSU nicht hilfreich, denn bei einer Nichtdurchsetzbarkeit der Posi- tion eines allumfassenden Klonverbotes wäre das Ziel, zumindest ein weltweit verbindliches Reglement gegen das reproduktive Klonen zu erreichen, infrage gestellt. Wir aber wollen reproduktives und therapeutisches Klo- nen verbieten. Wir wollen aber auch verhindern, dass wir mit leeren Händen dastehen, weil die Maximalforderung des Totalverbotes nicht erreicht werden konnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU- Fraktion, ich glaube, dass Sie im Grunde genommen auch nicht wollen, dass das Verbot des reproduktiven Klonens daran scheitert, dass wir das therapeutische vielleicht nicht gleichzeitig mit dem reproduktiven verbieten kön- nen. Ich hätte es begrüßt, wenn wir in dieser Frage einen gemeinsamen Antrag hätten verabschieden können, und wir haben ja schon die ersten Signale in diese Richtung von Ihnen empfangen. Leider erlaubt es Ihnen der zuneh- mende Wahlkampf wohl nicht mehr, und Sie sind letztlich dann doch bei der Einbringung Ihres eigenen Antrages ge- blieben. Wir werden den erfolgreicheren Weg dann eben allein beschreiten. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Die Anträge, über die wir heute abstimmen, berühren Grundfragen unseres ge- meinsamen Werteverständnisses. In Deutschland gibt es über fast alle politischen Lager hinweg einen breiten Kon- sens gegen das Klonen von Menschen, ganz gleichgültig, mit welchem Ziel es geschieht. Die SPD hat zuletzt auf ihrem Parteitag in Nürnberg eindeutig Stellung bezogen und ihre Ablehnung des so genannten „therapeutischen“ Klonens in einem Parteitagsbeschluss bekräftigt. Führen- de Politiker der Bundesregierung haben sich wiederholt gegen jede Form des Klonens von Menschen ausgespro- chen, gleichgültig ob es nun reproduktiven oder thera- peutischen Zwecken dient. Nur die FDP scheint hier eine Ausnahme zu machen, da ihr offenbar auch da, wo der Zu- griff auf die elementarsten Grundlagen der menschlichen Existenz droht, nichts besseres als ein fröhliches „Lais- ser-faire“ einfällt. Auf europäischer und internationaler Ebene war über das Problem des Klonens dagegen bislang kein Konsens herzustellen, insbesondere, wenn es um das so genannte „reproduktive Klonen“ ging. Umso mehr hat es uns posi- tiv überrascht, dass sich im März bei den ersten Verhand- lungen über die deutsch-französische UN-Initiative für ein internationales Verbot des so genannten ,,reprodukti- ven Klonens“ überraschend die einzigartige Chance erge- ben hat, weltweit ein grundsätzliches Verbot des Klonens von Menschen zu erreichen. In der ersten Sitzung des zu- ständigen Sonderausschusses haben sich die USAund mit ihnen Spanien, Italien, Südafrika und andere Staaten dafür ausgesprochen, nicht nur das so genannte „reproduktive“, sondern alle Formen des Klonens von Menschen, gleich- gültig zu welchem Zweck, international zu ächten. Die Bundesrepublik Deutschland hat mit dem Embryo- nenschutzgesetz schon vor über zehn Jahren ein Verbot des Klonens menschlicher Embryonen in ihrer Rechts- ordnung verankert. In dem erst kürzlich verabschiedeten Stammzellgesetz haben wir dann sogar noch eine defini- torische Lücke des Embryonenschutzgesetzes geschlos- sen. Ich zitiere: „Im Sinne dieses Gesetzes ist Embryo bereits jede menschliche totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Vorausset- zungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag“. Mit dieser Formulierung ist ein für allemal klar- gestellt, dass natürlich auch geklonte Embryonen Embryo- nen sind. Damit ist der ganzen durchsichtigen Sophistik, wonach geklonte Embryonen doch vielleicht gar keine richtigen Embryonen seien und das Embryonenschutzge- setz nicht für sie gelten würde, der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Das Emnbryonenschutzgesett ist damals nach langen, intensiven Diskussionen verabschiedet worden. Es war die richtige Entscheidung, motiviert durch die richtigen ethischen Grundsätze. Sie wird auch nicht falsch, bloß weil einige Leute plötzlich merken, dass sich mit Stamm- zellen aus geklonten menschlichen Embryonen vielleicht ein gutes Geschäft machen lässt. Unsere eindeutige Hal- tung gegen die Instrumentalisierung menschlichen Le- bens kennt keinen Zusatz nach dem Motto „Es sei denn, es lässt sich Geld damit verdienen.“ Wie nicht anders zu erwarten war, gibt es aber natür- lich heute in den Reihen aller Fraktionen immer mal wie- der einzelne Politikerinnen und Politiker, die einer For- schungs- oder Industrielobby nahe stehen oder aus anderen Motiven versuchen, das Embryonenschutzgesetz zu unterminieren. Gerade ihnen zeigen die beiden vorlie- genden Anträge auch noch einmal deutlich, dass das mit dem Deutschen Bundestag nicht zu machen ist. Da heute die einzigartige Chance besteht, ein interna- tionales Verbot jeglicher Form des Klonens von Men- schen zu erreichen, sollten wir uns vielleicht noch einmal die Argumente vergegenwärtigen, die für ein solches Ver- bot sprechen. Dann sehen wir noch einmal klarer, dass je- der Versuch, ein so genanntes „therapeutisches Klonen“ vom „reproduktiven Klonen“ abzugrenzen und vom Ver- bot auszunehmen, kaum mehr als ein semantischer Trick ist. Manchmal ist zu hören, das Klonen von Menschen sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde, weil es ein Recht auf genetische Einzigartigkeit gäbe, zwei Menschen, also nicht dasselbe Erbgut haben dürften. Nun ja, eineiige Zwillinge haben auch dasselbe Erbgut und sind trotzdem zwei verschiedene Menschen. Ich denke, dass die Einzig- artigkeit des Erbguts selbst nicht der entscheidende Punkt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass beim Klonen eines Menschen bewusst und vorsätzlich ein Mensch mit einem bestimmten Erbgut geschaffen wird. Der Mensch wird hier vollständig instrumentalisiert; er wird bloßes Mittel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225266 (C) (D) (A) (B) für einen Zweck, den derjenige bestimmt, der über die Auswahl des Erbguts entscheidet. Ob das nun – wie beim so genannten „reproduktiven Klonen“ – geschieht, um zum Beispiel einen berühmten Athleten, einen Musiker oder eine verstorbene Verwandte zu „kopieren“. Oder ob es geschieht, um – wie beim so genannten „therapeuti- schen Klonen“ – erbgutidentische Stammzellen für medi- zinische Zwecke zu gewinnen, ist letztlich irrelevant: In beiden Fällen wird ein menschliches Lebewesen als „Mit- tel zum Zweck“ missbraucht. Die angebliche Unterschei- dung zwischen Klonen für die Reproduktion und Klonen für die Therapie ist Augenwischerei, weil sie sich gerade darin nicht unterscheiden, dass sie auf elementarste Weise einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen. Ein zweiter Punkt: Klonen ist Klonen. Egal welchen Zweck man mit dem Klonen verfolgt, ist die angewandte Technik doch immer dieselbe: Durch den Transfer eines Zellkerns in eine entkernte Eizelle wird ein menschlicher Embryo erzeugt, dessen Erbgut weitgehend identisch mit dem Erbgut des Menschen ist, von dem der eingebrachte Zellkern stammt. Ob man diesen Embryo dann in einen Uterus einpflanzt oder ihn zur Gewinnung von Stamm- zellen zerpflückt, ändert nichts daran, dass man einen Em- bryo geklont hat. Machen wir uns also nichts vor: Wer nur das „reproduktive Klonen“ verbietet, aber das „therapeu- tische“ zulassen will, der verbietet nicht das Klonen. Er verbietet lediglich, dass ein geklonter Embryo in einen Uterus implantiert wird und überlebt. Die Zulassung des „therapeutischen Klonens“ bedeutet also nichts anderes als ein Todesurteil für geklonte menschliche Embryonen. Das lässt sich sehr gut an der gegenwärtigen Diskussion in den USA selbst verfolgen. Dort hat das Repräsentan- tenhaus im vergangenen Jahr ein grundsätzliches Klon- verbot erlassen. Im Senat gibt es allerdings Widerstände gegen dieses Gesetz. Eine starke Gruppe von Senatoren möchte lediglich das „reproduktive“ Klonen verbieten, das so genannte ,,therapeutische“ aber zulassen. Sie haben dazu einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der unter anderem vorsieht, dass das FBI geklonten Embryonen nachforschen und ihre Implantation verhindern soll. Führt man sich dieses Szenario vor Augen, glaubt man sich in einen schlechten Science-Fiction-Film versetzt: das FBI damit beauftragt, geklonte menschliche Embryonen auf- zuspüren und zu vernichten. Das zeigt uns überdeutlich, dass es keine Lösung sein kann und sein darf, nur das „reproduktive Klonen“ zu ver- bieten, gleichgültig ob auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene. Wir wollen mit unserem Antrag daher die Bundesregierung ermutigen, die klare Haltung, die im Embryonenschutzgesetz verankert ist, auch bei Verhandlungen auf europäischer und internationaler Ebene offensiv zu vertreten.Wir müssen versuchen, die Chance; die sich uns durch die Positionierung der USA, Spaniens, Italiens, Südafrikas und vieler anderer Länder ergeben hat, zu nutzen. Sollte das angesichts der Wider- stände nicht zuletzt aus Europa nicht sofort gelingen, müssen wir weitermachen. Daher ist unser Antrag auch detaillierter als Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kolle- gen von der CDU/CSU-Fraktion. Natürlich wäre es wun- derbar, wenn wir gleich im ersten Anlauf ein weltweites Klonverbot erreichen würden. Wir müssen uns aber auch darüber Gedanken machen, wie wir verfahren, wenn das nicht gelingt. Darauf gibt unser Antrag eine Antwort, aber nicht Ihrer. Diese Differenz ändert allerdings nichts daran, dass wir uns in der Sache völlig einig sind. Wir wollen alle das- selbe: ein internationales Verbot jeder Form des Klonens von Menschen. Die beiden vorliegenden Anträge unter- scheiden sich nur in strategischen Nuancen, nicht im Ziel. Lassen Sie uns daher auch in Zukunft weiterhin auf der Grundlage unserer von fast allen in diesem Haus geteilten gemeinsamen Werteordnung in dieser zentralen Frage am selben Strang ziehen! Hubert Hüppe (CDU/CSU): Der Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verfolgt das Ziel, ein tat- sächliches Verbot des Klonens menschlicher Embryonen weltweit durchzusetzen. Wir führen heute eine Debatte aus dem Bereich der Bioethik, die nicht neu ist, die aber an Brisanz nichts verloren hat. Im Juni 2001 haben der damalige französische Außen- minister Védrine und der deutsche Außenminister Fischer mit großem Wirbel eine gemeinsame Initiative bei den Vereinten Nationen verkündet. Man wolle sich gemein- sam für ein international verbindliches Rechtsinstrument zum Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen einsetzen. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Frage, was eine solche Konvention erreichen kann und was sie bezwecken soll. Es gibt wohl einzelne – ganz wenige – Personen, die das reproduktive Klonen gutheißen. Eine Sekte und einige Reproduktionsmediziner, alle sehr umstritten, haben ver- kündet, sie strebten die Geburt geklonter Kinder an. Aber gibt es einen einzigen seriösen Wissenschaftler, der sich für reproduktives Klonen einsetzt? Und können wir ein einziges Land benennen, das eine solche Position vertritt? Es gibt kein Mitglied der internationalen Staatengemein- schaft, das das reproduktive Klonen von Menschen gut- heißt. Das angestrebte Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen ist ein Scheingefecht, das von ethisch weit- aus Brisanterem, von einer weitaus größeren Gefahr für die Menschenwürde ablenkt. Wir sind uns hoffentlich in diesem Hause einig, dass das Klonen menschlicher Embryonen mit der Menschen- würde unvereinbar ist – und zwar völlig unabhängig vom damit verfolgten Zweck. Dies betrifft sowohl das repro- duktive Klonen mit dem Ziel der Geburt eines geklonten Kindes als auch das so genannte „therapeutische Klonen“ zu Forschungswecken oder zur Gewinnung von embryo- nalen Stammzellen. Nicht nur der menschliche Embryo würde instrumen- talisiert. Das Klonen würde den Weg zu genetischen Ein- griffen eröffnen, zum eugenisch optimierten Kind nach Maß. Es würden auch Frauen als Eizellspenderinnen in- strumentalisiert. Angesichts der geringen Erfolgsquote des Klonens wären massenhafte Eizellspenden unter risi- koreichen und belastenden Hormonbehandlungen nötig. Das Verbot jeglichen Klonens ist die Position des deut- schen Embryonenschutzgesetzes, und das ist gut so. Klo- nen ist jede auf die Erzeugung einer totipotenten Zelle ge- richtete Intervention durch Verfahren der Embryoteilung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25267 (C) (D) (A) (B) – so genanntes Embryonensplitting – oder des Kerntrans- fers – wie beim Klonschaf Dolly. Der biologisch-techni- sche Vorgang zur Erzeugung eines menschlichen Em- bryos durch Klonen ist stets derselbe, und zwar völlig unabhängig davon, was mit dem Embryo hinterher ge- schehen soll. Durch diesen biologisch-technischen Vor- gang des Klonens entsteht wie bei der natürlichen Zeu- gung ein einzelliger Embryo, die früheste Daseinsform eines menschlichen Individuums – eine Phase der menschlichen Existenz, durch die jede und jeder von uns einmal gegangen ist. Was nun das „reproduktive Klonen“ vom Klonen zu Forschungszwecken – wohlklingend als „therapeutisches Klonen“ umschrieben – unterscheidet, ist einzig und al- lein das geplante zukünftige Schicksal des geklonten Em- bryos. Beim reproduktiven Klonen wird das Austragen und die Geburt des Klons angestrebt, während im anderen Falle seine Tötung zu wissenschaftlich-medizinischen Zwecken das Ziel ist. Weil die Menschenwürde jede In- strumentalisierung des Menschen untersagt, verbietet sie die Schaffung eines geklonten Kindes zur Erfüllung des Kinderwunsches der Eltern. Erst recht aber verbietet die Menschenwürde die Schaffung eines geklonten Embryos mit der Zielsetzung, ihn für Forschungs- oder therapeu- tische Zwecke zu töten. Unser Grundgesetz garantiert die Forschungsfreiheit. Sie ist ein hohes Gut. Forschungsfreiheit findet aber ihre Grenze dort, wo ein menschliches Leben instrumentali- siert und nicht mehr als Zweck an sich respektiert wird, wo die Menschenwürde verletzt wird. Dies ist eine Hal- tung, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft als führende deutsche Wissenschaftsorganisation einnimmt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat im Mai 2001 erklärt, „dass sowohl das reproduktive als auch das thera- peutische Klonen über Kerntransplantation in entkernte menschliche Eizellen weder naturwissenschaftlich zu be- gründen noch ethisch zu verantworten sind und daher nicht statthaft sein können“. Auch die Biomedizinkon- vention des Europarates enthält nach bisheriger Lesart der Bundesregierung implizit ein Verbot des Klonens menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. Wir wissen, dass Forschung heute nicht an den natio- nalen Grenzen Halt macht. Aber auch eine zunehmend in- ternationale Forschung kann nicht im rechtsfreien Raum stattfinden. Es besteht daher tatsächlich ein Bedarf für ge- eignete internationale Rechtsinstrumente, die jedes Klo- nen menschlicher Embryonen ächten und wirksam unter- binden. Das von der Bundesregierung angestrebte Verbot nur des reproduktiven Klonens ist aber ein untaugliches Instrument – in mehrfacher Hinsicht. Ein solches teilweises Klonverbot würde zunächst den Eindruck erwecken, dass das „therapeutische Klonen“ menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken keinen Einwänden begegnet, die ähnlich schwer wiegen wie beim reproduktiven Klonen. Es würde die massenhafte in- dustrielle Erzeugung von geklonten Forschungsembryo- nen zulassen. Menschliche Embryonen könnten zur ver- fügbaren Ressource werden. Zudem würde das von der Bundesregierung ange- strebte Teilverbot des Klonens nicht einmal das repro- duktive Klonen wirksam verhindern können. Denn wenn erst einmal zu „therapeutischen“ oder Forschungs- zwecken geklonte menschliche Embryonen in reproduk- tionsmedizinischen Labors verfügbar sind, wird es einen internationalen Markt für Klonembryonen geben. Wer wird dann noch kontrollieren können, wer auf diesem in- ternationalen Markt geklonte Forschungsembryonen in Auftrag gibt, welche Behörde oder Ethikkommission wüsste, wer Klonembryonen importiert, kauft oder ver- kauft? Wer könnte überwachen, ob mit solchen Embryo- nen, wenn sie erst einmal vorhanden sind, nicht auch Schwangerschaften herbeigeführt werden? Wie sollte das Verbot des reproduktiven Klonens, also der Geburt eines geklonten Kindes, durchgesetzt werden, sobald eine sol- che Schwangerschaft besteht? Und sollte schließlich ein geklontes Kind geboren werden? Sollte seine Mutter be- straft werden? Ein explizites Verbot ausschließlich des reproduktiven Klonens, verbunden mit der impliziten Erlaubnis des Klo- nens zu anderen Zwecken, würde letztlich die rechtliche Verpflichtung bedeuten, geklonte menschliche Embryo- nen zu vernichten. Die einzige Möglichkeit, das Leben dieses menschlichen Lebewesens zu erhalten – nämlich seine Übertragung auf eine Frau, damit das Kind geboren werden kann, – diese lebensfreundliche Möglichkeit wäre eine Straftat. Eine solche Regelung mit der Menschenwürde zu be- gründen ist absurd. Wer reproduktives Klonen tatsächlich unterbinden will, muss sich für ein umfassendes Verbot des Klonens menschlicher Embryonen einsetzen. Die CDU/CSU befürwortet mit allem Nachdruck ein welt- weites gültiges Rechtsinstrument. Aber dieses Rechts- instrument muss die Unvereinbarkeit jeder Art des Klo- nens menschlicher Embryonen mit der Menschenwürde festschreiben. Die USA haben am 26. Februar 2002 vor dem für die Klonkonvention zuständigen Sonderausschuss ausdrück- lich erklärt, dass sie keine Konvention unterstützen, die auf ein Verbot des reproduktiven Klonens beschränkt ist. Dagegen findet ein umfassendes Verbot jeglichen Klo- nens menschlicher Embryonen die ausdrückliche Unter- stützung der USA. Warum finden wir die Bundesregie- rung hier nicht an der Seite der Vereinigten Staaten? Welche diplomatischen Rücksichten glaubt die Bundesre- gierung nehmen zu müssen? Diese Haltung ist völlig unverständlich. Man hatte doch immer argumentiert, dass gerade in den USA prak- tisch alles erlaubt und möglich sei. Gerade die USAwur- den als das Land hingestellt, wo es einen Konsens wie beim deutschen Embryonenschutzgesetz nicht gebe. Aber jetzt, da mit den USA ein starker Verbündeter da wäre, will man sich eine Hintertür offen halten. Warum bedarf es eines Antrages der CDU/CSU, um von der Bundesre- gierung auf internationaler Ebene eine in einer ethisch entscheidenden Frage klare und der deutschen Verfas- sungslage entsprechende Haltung einzufordern? Immerhin hat der Antrag der CDU/CSU Sozialdemo- kraten und Grüne zu einem eigenen Antrag in letzter Mi- nute herausgefordert. Er trägt den Titel „Das Klonen menschlicher Embryonen international ächten“. „Äch- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225268 (C) (D) (A) (B) ten“ ist ein starkes Wort, in dem moralische Verurteilung liegt. Von einer Regierungskoalition, die ein bestimmtes Tun „ächten“ will, und von der durch sie getragenen Bun- desregierung lässt dies erwarten, dass nun tatsächlich alle Kraft aufgewandt wird und die wirksamsten Mittel einge- setzt werden. Doch der von SPD und Grünen vorgelegte Antrag ist bei genauem Hinsehen enttäuschend. Tückisch und heuchlerisch ist die Passage im Antrag von SPD und Grünen, die fordert, „den Prozess der Bera- tungen möglichst bald in einen Beschluss über die Kon- vention über das Verbot reproduktiven Klonens münden zu lassen“. Tückisch ist dies deshalb, weil völlig klar ist, was eine vollendete Konvention über das Verbot aus- schließlich des reproduktiven Klonens bedeutet. Eine sol- che Konvention wäre kein Zwischenschritt in die richtige Richtung, sondern vielmehr der Endpunkt der internatio- nalen Anstrengungen zum weltweiten Verbot jeden Klo- nens. Heuchlerisch ist diese Passage, weil sie alle anderen Formulierungen, mit denen scheinbar die Ablehnung jeg- lichen Klonens bis hin zur „Ächtung“ beschworen wird, zu reinen Lippenbekenntnissen degradiert. Da fordern SPD und Grüne wörtlich, „bei den im Rah- men der Vereinten Nationen stattfindenden Verhandlun- gen ihre Ablehnung jeglicher Form des Klonens mensch- licher Embryonen zum Ausdruck zu bringen und im Zuge der Verhandlungen klarzustellen, dass die internationale Ächtung des reproduktiven Klonens aus Sicht der Bun- desrepublik Deutschland keine Legitimation für andere Formen oder Zielsetzungen des Klonens menschlicher Embryonen darstellt“. Was für einen Wert aber hätte dies, wenn dieselbe deutsche Delegation sich gleichzeitig dafür einsetzt, „den Prozess der Beratungen möglichst bald in einen Beschluss über die Konvention über das Verbot re- produktiven Klonens münden zu lassen“? Alle Verhand- lungspartner würden unterscheiden können zwischen dem, was die deutsche Delegation „möglichst bald“ errei- chen will einerseits, und dem formelhaften Lippenbe- kenntnis andererseits. Das Klonen menschlicher Embryonen ist der falsche Ort, sich eine Hintertür vermeintlicher Forschungs- freundlichkeit offen zu halten. Die deutsche Delegation bei den Vereinten Nationen soll ein klares Verhandlungs- mandat bekommen, das es ihr ermöglicht, die Chancen zu nutzen, die tatsächlich vorhanden sind. Deutschland muss sich auf internationaler Ebene den Staaten anschließen, die für ein wirkliches, umfassendes Verbot des Klonens streiten. Ich weiß, dass es in den anderen Fraktionen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen gibt, die in der Sache genauso denken, wie wir dies in unserem Antrag formuliert haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Kolleginnen und Kollegen dem Antrag der Koalition ihre Zustimmung ge- ben können. Lassen Sie uns deshalb heute gemeinsam eine klare Positionsbestimmung vornehmen. Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Die beiden Anträge, die Ihnen hier heute vorliegen, haben zum Ziel, die vom deutschen Außenminister Joschka Fischer und dem damaligen französischen Außenminister Vedrine auf UN-Ebene initiierte interna- tionale Konvention zur Ächtung des reproduktiven Klo- nens zu unterstützen. Dass aber ausgerechnet die CDU hier heute geschlos- sen als Fraktion einen Antrag vorlegt, der sich für ein weltweites Verbot jeglicher Form des Klonens einsetzt, macht mich schon ein wenig misstrauisch. Ich erinnere mich bei der Debatte über das Gesetz zum Import em- bryonaler Stammzellen durchaus noch an andere Positio- nen in Ihrer Fraktion. Die Kollegen Katharina Reiche und Peter Hinze haben damals einen Antrag vorgelegt, der am liebsten auf jegliche gesetzliche Regelung beim Import verzichtet hätte. Ich freue mich natürlich, dass wir mit unserem Gesetz auch die Forschungsliberalisten in der CDU überzeugen konnten. Wenn die Bundesregierung bei den weiteren Verhandlungen zu einer internationalen Ächtung des Klo- nens auf Ihre volle Unterstützung zählen kann, ist das ein außerordentlich begrüßenswerter Vorstoß aus Ihren Rei- hen. In Deutschland ist durch das Embryonenschutzgesetz jegliche Form des Klonens von Menschen verboten. An diesem Verbot werden wir festhalten. Wichtig ist, dass wir nun auch international zu einem Verbot des reproduktiven Klonens kommen. Die Gerüchte, die immer wieder zu hören und zu lesen sind, dass bereits mehrere Klonbabies unterwegs seien, sind besorgniserregend. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob es mich mehr erzürnt: dass diese Mel- dungen bewusste medienwirksame Provokationen sind oder wenn es Ärzten tatsächlich gelungen wäre, Men- schen zu klonen – mit all den unabsehbaren Folgen für die so gezeugten Kinder. Zu diesen Folgen gehört zum einen die Wahrschein- lichkeit, dass die Kinder gar nicht oder missgebildet auf die Welt kommen. Nicht umsonst warnt der ,,Vater“ des Klonschafs Dolly vehement vor der Ausbreitung der Klo- nierungstechniken auf den Menschen. Aber das allein ist kein hinreichendes Argument. Es geht nicht darum, dass wir das Klonen dann erlauben sollen, wenn die Risiken minimal werden. Es geht vielmehr darum, dass wir uns einmal mehr über unser Menschenbild verständigen müs- sen. Ein Mensch, der durch diese Technik gezeugt wird, verdankt die Tatsache seiner Existenz eben nicht mehr dem Zufall der Natur, sondern einer bewussten Entschei- dung eines anderen. Damit entsteht eine völlig neue Di- mension von Abhängigkeit zwischen Erzeuger und Nach- kommen. Doch die Würde des Einzelnen hat etwas damit zu tun, als autonomes Wesen wahrgenommen zu werden und unabhängig von der Willkür eines Anderen zu sein. Hier muss die Politik einsetzen; denn es ist unsere Auf- gabe, die Freiheit des Einzelnen zu sichern. Die Möglich- keit und das Begehren der Wissenschaft, Menschen zu klonen, betrifft nicht nur die Ansprüche und Rechte des Individuums, sondern die Werte unserer Gesellschaft als Ganzes. Wir haben in der Debatte über das Stammzellgesetz eine außerordentlich wichtige Verständigung erreicht. Diese ist auch deswegen umso wichtiger, weil uns gerade die Debatte über das weltweite Verbot des Klonens zeigt, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25269 (C) (D) (A) (B) dass Maximalforderungen weder in die eine noch in die andere Richtung durchsetzbar sind. Deutschland hat mit seinem Embryonenschutzgesetz eines der restriktivsten Gesetze in diesem Bereich. Wir bemühen uns um interna- tionale Verständigung. Aber wir sollten nicht so naiv sein zu glauben, dass die Welt auf die moralischen und kulturellen Wertvorstellun- gen von uns gewartet hat. Es wäre bereits ein großer Er- folg, wenn die UN-Initiative den Erfolg hat, dass das re- produktive Klonen weltweit verboten wird. Selbst- verständlich muss die Debatte weitergehen, müssen wir unsere Argumente für ein Verbot jeglicher Formen des Klonens weiter einbringen. Aber heute darauf zu beste- hen, dass wir das eine und das andere wollen, hätte ledig- lich zum Ergebnis, dass wir am Ende keine Regelung, und zwar für keinen Bereich, haben. Wir in Deutschland haben doch gerade unsere Erfah- rungen damit gemacht, wie langwierig und wie schwierig eine Verständigung in moralisch umstrittenen Fragen ist und wie sehr wir die gefundene Position täglich in der ge- sellschaftlichen Debatte weiter begründen und uns der Diskussion stellen müssen. International ist eine solche Verständigung ungleich schwieriger. Aus diesem Grund unterstützen wir die Bundesregie- rung in ihrem Bemühen um eine internationale Ächtung und ein Verbot des reproduktiven Klonens und es ist sehr erfreulich, wie erfolgreich diese Initiative bislang ist. Da- rüber hinaus müssen und werden selbstverständlich un- sere Bemühungen, das heißt auch die Bemühungen der Bundesregierung, weitergehen, auch international zu ei- ner Verständigung über die Ächtung des Klonens insge- samt zu kommen. Es ist gut, wenn in diesem Hause darüber ein hohes Maß an Einigung erzielt wird, dass wir uns eindeutig zu- gunsten der Freiheit und der Selbstbestimmung des Ein- zelnen entscheiden und Tendenzen zur Instrumentalisie- rung des Individuums eine klare Absage erteilen. Ulrike Flach (FDP): Bei dieser Debatte muss man sehr genau hinsehen, was die Antragsteller wollen. Die Anträge von Wodarg/Röspel/Fell und den Fraktionenen der SPD und der Grünen sowie von Böhmer/Hüppe und der Fraktion der CDU/CSU unterscheiden sich nur in Nuancen. In der Zielrichtung sind sie identisch. Wir mei- nen, beide schießen über das Ziel hinaus. Über das reproduktive Klonen werden wir uns in die- sem Haus schnell einig werden. Die FDP hat sich schon früh, nämlich auf ihrem Parteitag im Mai 2001, für ein Verbot des reproduktiven Klonens ausgesprochen und hat es auch in ihren Anträgen hier im Hause stets ausge- schlossen. Deshalb plädieren auch wir für eine internatio- nale Konvention zur Ächtung des reproduktiven Klonens. Reproduktives und therapeutisches Klonen sind aber zwei verschiedene Dinge. Beim reproduktiven Klonen können Sie – theoretisch – eine Kopie eines Menschen herstellen, also zum Beispiel einen Embryo zu einem kompletten Menschen heranzüchten. Beim therapeuti- schen Klonen geht es nicht darum; dabei sollen vielmehr embryonale Stammzellen gewonnen werden, um zum Beispiel Ersatzgewebe für Organe zu züchten. Mit dem therapeutischen Klonen entstehen keine ganzen Men- schen. Die Anträge erwecken den Eindruck, als gäbe es auch beim therapeutischen Klonen internationalen Konsens da- rüber, diese Methode zu verbieten. Das ist aber nicht der Fall. In Großbritannien ist das therapeutische Klonen er- laubt; in Schweden werden die gesetzlichen Rahmen- bedingungen für das therapeutische Klonen gerade ge- schaffen; in Spanien sind Teile der Regierung und die Opposition für die Zulassung des therapeutischen Klo- nens. Das sind unsere Nachbarländer in Europa, die mit uns einen gemeinsamen Wertekanon teilen, aber hier zu anderen Beurteilungen kommen. Es war richtig, dass sich Ministerin Bulmahn bereits im Februar dafür ausgesprochen hat, eine internationale Konvention zur Ächtung des Klonens auf das reproduk- tive Klonen zu beschränken. „Wir dürfen die Verhandlun- gen nicht überfrachten“, sagte sie damals und ich stimme ihr zu. Sie sagte auch, dass sie „zum jetzigen Zeitpunkt“ gegen das therapeutische Klonen sei. Da haben wir eben- falls Konsens. Aber wir sollten diese Tür nicht katego- risch zuschlagen, zumal jedes Verbot einen Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Forschungsfreiheit bedeutet. Beim reproduktiven Klonen halte ich diesen Eingriff für gerechtfertigt, wie übrigens auch die DFG oder die Max- Planck-Gesellschaft, aber man muss sich bewusst sein, dass Eingriffe in die Forschungsfreiheit immer ein Balan- cieren am Rande der Grundgesetzverletzung sind. Und es ist bezeichnend, dass auf dem SPD-Antrag we- der Frau Bulmahn, noch Herr Catenhusen, noch Frau von Renesse oder Frau Dr. Reimann stehen. Ein großer Teil der Experten der SPD-Fraktion zur Biotechnologie hält sich hier zurück. Beide Anträge würden die Hürde für einen Abschluss einer internationalen Konvention gegen das reproduktive Klonen erhöhen, weil sie das therapeutische Klonen ein- beziehen. Ich kann mir vorstellen, dass wir mit den gesetzlichen Möglichkeiten, die wir mit dem Stammzellengesetz ge- schaffen haben, auskommen und Erfolge im Kampf gegen schwere Krankheiten erzielen. Dann brauchen die Wis- senschaftler das therapeutische Klonen nicht. Ich hoffe, dass es so kommt, aber wir können nicht sicher sein. Deshalb: Die FDP-Fraktion lehnt beide Anträge ab, da sie uns nicht schneller zu einem weltweiten Verbot des re- produktiven Klonens bringen, sondern die Verhandlungen belasten und einen weiteren Eingriff in die Forschungs- freiheit darstellen. Dr. Ilja Seifert (PDS): Es war ein begrüßenswerter Schritt, dass sich alle Fraktionen des Deutschen Bundes- tages am 17. Oktober 2001 im Gesundheitsausschuss auf einen Entschließungsantrag zum 6. EU-Forschungsrah- menprogramm einigten, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich gegen das Klonen von Menschen mit EU-Mitteln zu verwenden. Danach dürfen keine For- schungstätigkeiten finanziert werden, die eine Änderung der Keimbahn des Menschen zum Ziel haben und bei de- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225270 (C) (D) (A) (B) nen ein menschlicher Embryo zu Forschungs- oder The- rapiezwecken gezüchtet wird. Vor nicht allzu langer Zeit – im Herbst vergangenen Jahres – verkündete die amerikanische Firma Advanced Cell Therapies (ACT), dass es ihr gelungen sei, erstmals menschliche Embryonen zur Herstellung von Stammzel- len zu klonen. Nach den Ereignissen vom 11. September in New York war dies für eine breite Öffentlichkeit eher ein Randereignis, das schnell wieder in der täglichen Nachrichtenflut verschwand. Dabei spiegelt dieser Vorgang eine beträchtliche kri- minelle Energie wider. Immerhin verstößt dieses „thera- peutische Klonen“ gegen das erst im Juli 2001 vom ame- rikanischen Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit verabschiedete Gesetz, demzufolge das Klonen weder zu „therapeutischen“ noch zu Forschungszwecken oder gar zur Fortpflanzung erlaubt ist. Dieser Vorgang spricht nicht gegen ein Verbot des Klonens, sondern eher dafür. Man darf also nie außer Acht lassen, dass in diesem Be- reich gigantische Profite erwartet werden. In Großbritan- nien ist das „therapeutische“ Klonen seit Anfang 2001 er- laubt. Ende 2001 wurde dann eine gesetzliche Regelung eingeführt, die zwar das Implantieren und Austragen ge- klonter Embryonen unter Strafe stellt, aber das Klonen selbst weiterhin erlaubt. Damit reagierte Großbritannien auf Ankündigungen des dubiosen italienischen Repro- duktionsmediziners Antinori, dass er die britische Rechts- lage nutzen wolle, um menschliche Embryonen zu klonen und zu implantieren. Außer in Großbritannien ist das „the- rapeutische“ Klonen heute in allen anderen EU – Mit- gliedstaaten unzulässig. Entgegen allen anderslautenden Behauptungen muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass es zwi- schen dem „therapeutischen“ Klonen und dem Klonen zur Produktion von Nachwuchs eben keine starre Grenze gibt. Daher ist es auch nicht möglich, Forschung in diesem Be- reich zu betreiben, ohne Gefahr zu laufen, dass früher oder später das Klonen von Menschen erfolgt. Allerdings bin ich auch weiterhin der Ansicht, dass die Öffnung von Möglichkeiten für die Forschung mit embryonalen huma- nen Stammzellen – selbst mit den Auflagen, wie sie hier erst kürzlich mit dem „Stammzellgesetz“ festgeschrieben wurden – schon relativ dicht an das „Klonen zu For- schungszwecken“ heranführen kann. Der eingangs genannte Entschließungsantrag ist ja nur ein begrenztes Schrittchen. Eigentlich ist damit nur eine Minimalanforderung benannt, die sich ohnehin aus dem in Deutschland geltenden Recht ergibt. Die vom Europä- ischen Parlament verabschiedete Fassung des 6. For- schungsrahmenprogramms sieht nämlich vor, die For- schung an und mit Stammzellen aus abgetriebenen oder nach IVF-Behandlung „übrig gebliebenen“ Embryonen zu fördern. Wer kann dafür garantieren, dass dieser Ver- suchung Forschungseinrichtungen EU-weit widerstehen? An dieser Stelle kann man nicht vorsichtig genug sein. Ganz zu schweigen von der Forschung mit privaten Mitteln. Und wer kann die Augen davor verschließen, dass ganze Regionen – von China über Indien, Indonesien bis hin zu Russland – in dieser Hinsicht rechtsfreie Räume darstellen? Es braucht also ein umfassendes Verbot des Klonens – sowohl des „therapeutischen“ oder irgendeines „wissen- schaftlichen“ als auch des reproduktiven – weltweit. Bei den dazu im Rahmen der Vereinten Nationen laufenden Verhandlungen sollte die Bundesregierung ihre Bemü- hungen gemeinsam mit ihren europäischen Partnern auf den Abschluss einer entsprechenden internationalen Kon- vention richten. Auf dieses Anliegen konzentrieren sich die heute vor- liegenden Anträge der CDU/CSU und der Regierungsko- alition. Deshalb verzichtet die PDS auf einen eigenen An- trag und stimmt diesen beiden Anträgen zu. Wir unterstützen die Forderung an die Bundesregie- rung, bei den im Rahmen der Vereinten Nationen stattfin- denden Verhandlungen ihre Ablehnung jeglicher Form des Klonens menschlicher Embryonen zum Ausdruck zu bringen. In den Verhandlungen sollte klargestellt werden, dass die internationale Ächtung des reproduktiven Klo- nens keine Legitimation für andere Formen oder Zielset- zungen des Klonens menschlicher Embryonen darstellt. Wenn die Bundesregierung sich in den Verhandlungen dafür einsetzt, möglichst bald eine Konvention über das Verbot reproduktiven Klonens herbeizuführen, so kann dies nur ein erster Schritt hin zu einem umfassenden Ver- bot des Klonens sein. Deshalb unterstützt die PDS all jene, die sich auf inter- nationaler Ebene weiterhin für ein weltweit gültiges Rechtsinstrument zum Verbot jeglicher Form des Klonens menschlicher Embryonen einsetzen. Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtouris- mus in Deutschland – des Antrags: Den Campingtourismus in Deutschland nachhaltig fördern (Tagesordnungspunkt 17 und Zusatztagesord- nungspunkt 9): Annette Faße (SPD): Immer mehr Urlauber verreisen mit Wohnwagen und Wohnmobilen oder mit Zelten im Gepäck in die Ferienregionen. Die Tendenz ist deutlich steigend. Für das Jahr 2001 hat das Statistische Bundesamt 21,3 Millionen Übernachtungen verzeichnet; dafür stehen auf 2 300 Plätzen für Urlaubscamping 194 000 Stellplätze zur Verfügung. Etwa 2 500 Dauercampingplätze sind nicht erfasst. Das Verhältnis von Urlaubs- zu Dauercam- pingplätzen wird nur bei den großen Anlagen ermittelt. In Deutschland sind gegenwärtig 140 Anlagen mit jeweils über 500 Stellplätzen registriert. Auf diesen Anlagen sind 101 000 Stellplätze angelegt, von denen 61 000 als Dauer- camperstellplätze genutzt werden. 40 000 Stellplätze ste- hen als touristische Stellplätze bzw. für Urlaubscamping zur Verfügung. Etwa 13 Prozent des Reiseaufkommens Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25271 (C) (D) (A) (B) entfällt in den Bereich Camping und jede vierte Über- nachtung findet auf einem Campingplatz statt. Inzwi- schen sind in Deutschland bereits 1,4 Millionen Wohn- mobile und Caravans zugelassen. Die Datenlage lässt allerdings erkennen, dass die un- terschiedlichen Formen des Campings nur unzureichend dokumentiert sind. Fragen nach Trends und Entwicklun- gen können nicht auf einer gesicherten Datenlage beant- wortet werden. Die Zunahme der Zahl der Camper hat dazu geführt, dass sich in diesem Segment ein moderner Industriezweig entwickelt hat. Der Campingtourismus trägt inzwischen in nicht unerheblichem Umfang zur Sicherung der Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe bei. Das Cam- pen hat sich insofern verändert, als dass die Anforderun- gen der Gäste gestiegen sind. Darauf einzugehen erfordert umfassend ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter. Durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnah- men können verbesserte Serviceleistungen gesichert wer- den. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Bemühungen der Sozialpartner, das Berufsbild eines Kaufmanns für Freizeit und Tourismus abzustimmen. Das Ausbildungs- profil wird insbesondere dem Personalbedarf auf Cam- pingplätzen gerecht werden. In Deutschland ist das Campingrecht Ländersache. Trotzdem ist eine einheitliche Campingplatzverordnung für alle Plätze in Deutschland wünschenswert. Für die überwiegend für das Dauercamping genutzten Plätze er- scheinen gesonderte Vorschriften einer Campingplatzver- ordnung innerhalb des Baurechts im Sinne eines Büro- kratieabbaus verzichtbar. Zustand und Qualität der Campingplätze in Deutsch- land haben sich verbessert,wie der Wettbewerb „Vorbild- liche Campingplätze in Deutschland“ bewiesen hat. Diese Gemeinschaftsaktion der Bundesregierung mit dem Deut- schen Tourismusverband wurde bereits zum siebten Mal ausgeschrieben. Beim Deutschen Tourismusverband ist ein neuer Fachbereich „Camping und Caravaning“ einge- richtet worden. Diesem kommt bei der Etablierung einer einheitlichen Klassifizierung von Campingplätzen eine besondere Stellung zu. Diese Qualifizierung wird für die Reisenden eine wichtige Orientierung sein und das Qua- litätsmanagement im Campingtourismus verbessern. Campingplätze ermöglichen es den Urlaubern, inten- sive Naturnähe zu erleben. Camping kann die Menschen zum besonderen Schutz und für die Erhaltung der Natur motivieren. Um die Natürlichkeit zu bewahren, müssen die Campingplätze landschafts- und umweltgerecht ge- staltet und betrieben werden. Der Gast soll die Sicherheit haben, dass zeitgemäße Standards erreicht oder über- schritten werden. Der sensible Umgang mit der Natur, der Einsatz von Umwelttechnologien und die Entsorgung von Abfällen spielen im Wettbewerb eine entscheidende Rolle. Umweltschutz und Nachhaltigkeit lohnen sich und schaffen zufriedene Gäste, die gerne wiederkommen. Mit der Etablierung der Dachmarke zum nachhaltigen Touris- mus „Viabono – Reisen natürlich genießen“ wird dieser Prozess unterstützt. Camping verleiht nach wie vor ein Gefühl von Na- turnähe, Unabhängigkeit und Ungebundenheit, Abenteu- erlust und Lebensfreude. Die Ansprüche der Camper sind allerdings in den letzten Jahren gestiegen. Moderne Cam- pingbusse und Wohnmobile sind sehr aufwendig gestaltet und lassen auf solvente Gäste schließen. Immer mehr Kurorte haben sich mit ihrem Angebot auf diese Gäste- gruppe eingestellt und halten Stellplätze für Wohnmobilis- ten in ihren Kuranlagen vor. Um den Campingurlaub in Deutschland nachhaltig zu fördern, fordern wir von den Ländern die Verständigung auf eine einheitliche Campingplatzverordnung und die Prüfung, ob die Verordnungen für die Dauerstellplätze entfallen können, anzuregen. Außerdem sollen gegenüber den Ländern gesonderte Bestimmungen für den Bereich der Wohnmobile im Sinne von Stellplätzen sowie Ser- vice- und Entsorgungsstationen angeregt werden. Wir möchten, dass die Bundesregierung prüft, ob im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien der Bundeswett- bewerb „Vorbildliche Campingplätze“ über das Jahr 2003 hinaus gefördert werden kann bzw. ob andere Maßnah- men zur Qualitätssteigerung ergriffen werden können. Bei den Anbietern von Camping- und Caravantourismus soll für den Beitritt zur Umweltdachmarke „Viabono – Reisen natürlich genießen“ geworben werden. Die Betreiber von Campinganlagen sollen in einer Informationsschrift über die Förderinstrumente und Kreditprogramme unterrichtet werden. Über die Deutsche Zentrale für Tourismus soll weiter- hin ein gezieltes Auslandsmarketing für den Camping- urlaub in Deutschland stattfinden. In die Veröffentlichung der Statistik für die Beherbergung sollen Übernachtungen des Urlaubscampings aufgenommen werden. Einmal jährlich sollen analog zur Erhebung der Übernachtungen in Betrieben unter neun Betten die Übernachtungen der Dauerstellplätze in den Prädikatsgemeinden geschätzt werden. Die Bundesregierung soll darüber hinaus das Kurato- rium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung in sei- nem Bemühen unterstützen, das Berufsprofil eines Kauf- manns für Freizeit und Tourismus zu entwickeln. Mit diesen Maßnahmen werden wir den Campingtourismus in Deutschland nachhaltig fördern und diesen wichtigen Teil des Urlaubsangebots weiter ausbauen können. Renate Gradistanac (SPD): Mit dem Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland wird einmal mehr der zukunftsorientierte Blick der Regierung deutlich. Der Aktionsplan soll dazu beitragen, dass sich unser Land unter rot-grüner Regierung auf eine Gesell- schaft von morgen vorbereitet. Laut der Reisebranche wird sich in den nächsten Jahren der Anteil der Reisenden im Kindes- und Jugendalter auf etwa 25 Prozent ver- größern. Auf diesen wachsenden Reisemarkt müssen die touristischen Leistungsträger vorbereitet sein. Um dies fördernd und innovativ zu unterstützen, ist dieser Akti- onsplan formuliert worden. Lassen Sie mich noch einige Zahlen nennen. Mit die- sen möchte ich Ihnen die wirtschaftliche Relevanz der Kinder- und Jugendreisen darstellen. Allein fünf große Träger, die sich auf diesen Markt spezialisiert haben, ver- buchen in ihren zusammen 102 000 Betten über 13 Milli- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225272 (C) (D) (A) (B) onen Übernachtungen im Jahr. Die Gesamtzahl der von Jugendlichen und Kindern getätigten Übernachtungen dürfte um einiges höher liegen. Und hier ist zu unterstrei- chen: Diese Reisenden sind die Kunden von morgen. Wol- len wir den Tourismusstandort Deutschland in der Zu- kunft wettbewerbsfähig halten, dann sollten wir uns auch um die zukünftigen Gäste schon heute intensivst bemühen. Die Bundesregierung wird hiermit aufgerufen, die For- derungen des Aktionsplanes umzusetzen. Um den Kinder- und Jugendreisemarkt weiter auszubauen, sollen Bund und Länder in Zusammenarbeit mit der Branche Aktions- pläne ausarbeiten und realisieren. Ich möchte ihnen nun folgend die wichtigsten Kern- aussagen des Antrages kurz erläutern: Erstens. Um die nötigen Planungen auf gesicherte Grundlagen zu stellen, müssen das Alter der jungen Rei- senden, die Anzahl und Verteilung der bereitgestellten Betten sowie die Anzahl der von den Kindern und Ju- gendlichen getätigten Übernachtungen festgehalten wer- den. Die momentane Datenlage lässt dies nicht zu, dies muss verbessert werden. Zweitens ist ein Gremium unter der Leitung der DZT, Deutsche Zentrale für Tourismus, gebildet worden, wel- ches die gemeinnützigen und kommerziellen Träger von Kinder- und Jugendreisen zusammenbringt. Ziel ist es, den deutlich gespaltenen Markt zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Anbietern mittels eines Interessens- ausgleiches und einer gemeinsamen Marktbearbeitung kundenorientierter zu gestalten. Drittens kommt der Qualitätssicherung und Qualitäts- steigerung eine hohe Bedeutung zu. Hier müssen Maß- nahmen und Wege gefunden werden, den momentanen Zustand der Einrichtungen zu ermitteln und darauf auf- bauend die Qualität zu steigern. Ein weiterer Punkt zur Qualität. Die auch ehrenamtlich tätigen Leiter der Kinder- und Jugendreisen müssen die Möglichkeit erhalten, sich durch geeignete Maßnahmen zu qualifizieren. Diese trägerübergreifenden Weiterbil- dungsmöglichkeiten sollen mit einer, nennen wir sie jetzt einmal: „Jugendleiter Card“ zertifiziert werden. Dabei sollen die Länder die nötige Unterstützung beitragen. Ich möchte hier betonen, dass nicht Aufsichtspersonen ausgebildet werden sollen. Nein, es soll ganz besonders auf eine sehr gute pädagogische Betreuung Wert gelegt werden. Den Kindern und Jugendlichen soll auf ihren Rei- sen kulturelle und soziale Kompetenz vermittelt werden. Der Wert der Toleranz bekommt dabei eine wichtige Be- deutung, denn dieser ist ein wichtiges Gut für die mo- mentane und zukünftige Gesellschaft. Weiterhin soll bei den Kinder- und Jugendreisen auf die Entwicklung eines Umweltbewusstseins hingewirkt werden. Die jugendlichen Reisenden sollen durch die Fre- quentierung von nachhaltigen touristischen Leistungen auf umweltrelevante Aspekte aufmerksam gemacht wer- den. Ich möchte hierbei nochmals auf die durch die Bun- desregierung unterstützte Dachmarke für nachhaltiges Reisen, „Viabono“, hinweisen. Noch ein weiterer, in meiner Aufzählung letzter Punkt. Die DZT soll den Kinder und Jugendtourismus verstärkt vermarkten. Die Arbeit der DZT hat zu der positiven Ent- wicklung des Tourismus in Deutschland beigetragen. Dies ist, nur nebenbei angemerkt, auch ein Grund, warum die rot-grüne Regierung die Mittel für die DZT seit ihrem Amtsantritt, ganz im Gegensatz zur Vorgängerregierung, um mehr als 20 Prozent angehoben hat. Die jetzige Regierung hat in den vergangenen Jahren viel Gutes für den Tourismus in Deutschland getan, beispielhaft seien erwähnt: das Jahr des Tourismus, die Abschaffung der Doppellizenz bei den Jugendreiseveranstaltern und zu guter Letzt die Abschaffung der Trinkgeldsteuer – Dinge, wel- che die jetzige und wohl auch zukünftige Opposition in ihrer Zeit nicht bewerkstelligen konnte. Mit dem Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtouris- mus führt die Regierung den unter ihr eingeschlagenen Weg zu einer kinder- und jugendfreundlichen Gesell- schaft fort und schaut voller Zuversicht in eine touris- musreiche Zukunft. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Die Tourismuswirt- schaft ist auch nach den Anschlägen des 11. September des letzten Jahres weltweit eine der wichtigsten Wachs- tumsbranchen und hat auch in Deutschland bereits heute eine große gesamtwirtschaftliche Bedeutung. Die Ar- beitsplätze in diesem personalintensiven Dienstleistungs- bereich sind an den Standort Deutschland gebunden, sie können nicht einfach wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert werden. Das macht den Tourismus zu einem lei- der oftmals unterschätzten Hoffnungsträger bei der Be- kämpfung der Arbeitslosigkeit, da das Potenzial für Ar- beitsplätze und Einkommen im Bereich Urlaub, Freizeit, Gesundheit und Reisen in Deutschland noch keineswegs ausgeschöpft ist. Aber der Konkurrenzdruck für den Tourismusstandort Deutschland steigt: Ständig werden neue Reiseziele er- schlossen, das weltweite Angebot an Gästebetten steigt rasant, und ausländische Tourismusdestinationen starten immer mehr und immer aufwendigere Werbekampagnen. Erschwerend kommen in Deutschland vor allem unverän- dert hohe Arbeitslosenzahlen und eine schwache Kon- junktur hinzu, die bei vielen Bürgern mit der Angst um ihren noch bestehenden Arbeitsplatz verbunden ist, so- dass die deutsche Reisebranche größere Buchungsrück- gänge und mehr schleppend verlaufende Geschäfte zu verzeichnen hat, als dies in vielen anderen Ländern der Fall ist. Die deutsche Tourismuswirtschaft droht zu einem Hauptleidtragenden der Konsumzurückhaltung bzw. des Konsumverzichts der Bevölkerung zu werden. Bei den gegenwärtig stagnierenden bzw. sinkenden Umsätzen, rückläufigen Gewinnen und geringen Umsatzrenditen können viele der überwiegend mittelständischen bzw. ei- gentümergeführten Betriebe kaum Eigenkapital bilden. Damit besteht immer weniger Spielraum für Nach- und Neu-Investitionen sowie für Neueinstellungen und den Abschluss von Ausbildungsverhältnissen. Tourismus dient auch der Völkerverständigung sowie dem Abbau von Vorurteilen und wirkt damit nicht nur in Krisenregionen friedensfördernd bzw. friedensbewahrend. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25273 (C) (D) (A) (B) Er spielt eine wichtige Rolle beim Zusammenwachsen der Europäischen Union, der Verwirklichung des Binnen- marktes und der geplanten EU-Osterweiterung. Und auch für ein erfolgreiches Zusammenwachsen unseres eigenen Landes ist das gegenseitige Besuchen und Kennenlernen unverzichtbar. Angesichts der Tatsache, dass bisher seit der Wiedervereinigung erst circa die Hälfte der westdeut- schen Bevölkerung privat oder geschäftlich die neuen Bundesländer besucht haben, gibt es hier noch einen großen Nachholbedarf. Wichtig ist, dass vor allem junge Leute frühzeitig die Gelegenheit zum Reisen innerhalb Deutschlands und innerhalb Europas bekommen und er- greifen. Jugendliche Reisende sind die Touristen der Zu- kunft, ihre in jungen Jahren gemachten Erfahrungen wer- den ein Leben lang ihre Einstellungen und ihr Reiseverhalten prägen. Dies ist auch für die künftige Ent- wicklung des Tourismusstandortes Deutschland bei In- landsreisen von großer Bedeutung. In diesem Zusammen- hang begrüßen wir auch die vorbildliche Initiative von Baden-Württemberg und Bayern, in diesem Jahr in den Ferienmonaten Juli und August für Kinder bis 15. Jahren in mehr als 650 Betrieben die Übernachtung kostenlos an- zubieten. Wir hoffen, dass auch andere Bundesländer die- sem positiven Beispiel folgen werden und erkennen, dass Investitionen in die Jugend wirkungsvolle Investitionen in die Zukunft sind. Daher macht es Sinn, das Segment des Kinder- und Ju- gendtourismus in der heutigen Debatte etwas näher zu be- leuchten. Allerdings ist der Jugendreisemarkt ausgespro- chen vielschichtig und unübersichtlich. Es gibt nur wenig aussagekräftige statistische Zahlen. So werden etwa in diesem Bereich meist Kinder, Jugendliche und junge Er- wachsene bis 29 Jahren zusammengefasst, deren Anteil am weltweiten gesamten touristischen Markt auf circa 20 Prozent geschätzt wird. In Deutschland ist diese Alters- gruppe, zu der circa 15,6 Millionen Menschen gehören, besonders reisebegeistert: 80 Prozent von ihnen verreisen mindestens einmal im Jahr. Zwar reisen immerhin 25 Pro- zent der 14- bis 29-Jährigen innerhalb Deutschlands, doch liegt dieser Anteil deutlich unter dem gesamten Anteil un- serer Bevölkerung, die innerhalb ihres eigenen Landes unterwegs sind und Urlaub machen. Die beiden vorliegenden, im Wortlaut identischen An- träge der Koalitionsfraktionen und der PDS enthalten zwar durchaus viele zustimmungswürdige Aussagen, doch be- ziehen sich diese fast ausschließlich auf gemeinnützige Anbieter. Die Interessen und Probleme kommerzieller Veranstalter sind dagegen kaum berücksichtigt. So wird zum Beispiel die Gleichbehandlung aller gemeinnützigen Unterkünfte bei der Erhaltung und Qualitätsverbesserung von kinder- und jugendgerechten Unterkünften gefordert – warum nicht auch eine Gleichbehandlung mit kommerzi- ellen Anbietern? Sollen hier die Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen, noch weiter verschlechtert werden? Weiterhin findet sich in diesen Anträgen kein Wort über die Subventionierung und steuerliche Bevorzugung gemeinnütziger Träger im Kinder- und Jugendreisebe- reich. Dabei kann die Privatwirtschaft viele dieser Aufga- ben offensichtlich effizienter leisten. Nicht nur liegen die Baukosten von kommerziellen Beherbergungsstätten wie etwa Jugendhotels oftmals unter denjenigen für zum Bei- spiel Jugendherbergen, auch der Übernachtungspreis liegt häufig deutlich niedriger, wie uns kürzlich noch der Deut- sche Reisebüro und Reiseveranstalter Verband DRV be- stätigte. Natürlich liegt die Bereitstellung preisgünstiger Angebote im Interesse jugendlicher Reisender, aber zu- sätzlich auch im Interesse einer Steigerung der Attrakti- vität des Tourismusstandortes Deutschland, auch für den Besuch von Jugendlichen aus Europa und der ganzen Welt, die durch positive Reiseerlebnisse eben später auch zu wiederkehrenden, meist zahlungskräftigen Touristen werden. Wir sollten uns auch überlegen, wie wir die Zusam- menarbeit von gemeinnützigen Beherbergungsbetrieben mit kommerziellen Reiseveranstaltern verbessern kön- nen, die sich gegenwärtig recht schwierig gestaltet bzw. teilweise überhaupt nicht erfolgt. Dies würde nicht zuletzt auch die Auslastung der gemeinnützigen und mit öffentli- chen Mitteln geförderten Einrichtungen erhöhen. Zu wichtigen anderen, in den vorliegenden Anträgen eben- falls überhaupt nicht angesprochenen Punkten gehört auch die uneinheitliche und nicht immer marktkonforme Gestaltung von Vorschriften für Klassenfahrten. Außer- dem wird Lehrern bzw. Begleitpersonen immer häufiger die Abrechnung ihrer eigenen Kosten als Dienstreise un- tersagt. Die Inanspruchnahme von Freiplätzen löst das Problem nur zum Teil, wobei diese dann auch nicht mehr wie eigentlich vorgesehen für Schüler von einkommens- schwachen Eltern zur Verfügung stehen. SPD, Grüne und PDS zeigen mit ihren Anträgen ein- mal mehr, wie wenig Wert sie auf faire Wettbewerbsbe- dingungen für die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, legen. Die CDU/CSU setzt sich dagegen für eine Deregulierung und Entbürokratisierung der vorwiegend mittelständisch geprägten Tourismuswirtschaft ein, um die unternehmeri- sche Freiheit und Innovationsfreudigkeit der Betriebe zu stärken. Wir wollen die von der rot-grünen Bundesregie- rung eingeführten Beschäftigungsbarrieren aufheben, ins- besondere der Einschränkungen bei befristeten Arbeits- verhältnissen und des generellen Rechtsanspruchs auf Teilzeitarbeit. Wir wollen mit einem „Drei-Säulen-Mo- dell“ die Neuregelung der 325-Euro-Jobs ersetzen, was sowohl Arbeitnehmern wie Arbeitgebern spürbare finan- zielle Vorteile bringt, indem vor allem die Grenze für eine geringfügige Beschäftigung auf 400 Euro angehoben wird. Und wir wollen die Unternehmensbesteuerung mehr darauf ausrichten, die Möglichkeiten zur Bildung von Eigenkapital zu verbessern, insbesondere für mittel- ständische Unternehmen. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die großen Reiseveranstalter richten ihre Angebote zuneh- mend auf die Belange von Familien aus. Dazu gehören nicht nur große, interessant gestaltete Spielplätze in Feri- enanlagen. Denn erst einmal – das wissen die Veranstalter natürlich – müssen die Familien sich den Urlaub leisten können. Unsere familienfreundliche Politik der letzten Jahre hat hier mit der Erhöhung des Kindergeldes, der Senkung des Eingangssteuersatzes, der Anhebung des Grundfreibetrages und der Stabilisierung des Beitragssat- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225274 (C) (D) (A) (B) zes der Rentenversicherung gute Voraussetzungen ge- schaffen. Die Branche ihrerseits lockt mit Kinderfestprei- sen, Ermäßigungen und Freibeträgen. Auch tourismuspolitisch kann und muss erreicht wer- den, dass Kinder und Jugendliche in den Genuss wohl- verdienter Ferien kommen. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle der derzeitigen Vorsitzenden der Kinder- kommission des Bundestages, der Abgeordneten Rosel Neuhäuser, die tatkräftig dazu beigetragen hat, dass der Koalitionsantrag heute so zur Abstimmung vorgelegt wer- den kann und dass dieser Antrag im federführenden Aus- schuss zumindest ohne Gegenstimmen verabschiedet wer- den konnte. Es ist schade, dass sich CDU/CSU und FDP nicht konstruktiv eingebracht haben. Gerade bei diesem Thema hätte es gut angestanden, Partei- und wahltakti- sche Überlegungen hintanzustellen. Beeindruckt hat mich dagegen die wirklich sehr gute Zusammenarbeit mit den Verbänden und Vereinen des Kinder- und Jugendtouris- mus – auch hierfür an diese einen herzlichen Dank. Nicht immer fahren aber Eltern und Kinder gemeinsam in den Urlaub. Die Gründe dafür sind verschiedener Na- tur. Der vorliegende Antrag zeigt, dass wir nicht wie die Opposition nur immer davon reden, wie wichtig uns un- sere Kinder sind, sondern dass die Koalition auch wirk- lich – hier im Fachbereich Tourismus – etwas tut! Egal ob reich oder arm – alle Kinder sollen schöne, erholsame Fe- rientage verbringen können. Dazu gehören attraktive, ordentliche und saubere Un- terkunftsmöglichkeiten. Besonders gern verbringen Kinder- und Jugendgruppen Ferien auf Campingplätzen. Gerade auch dem Campingtourismus wollen wir voran helfen, wo Deutschland noch aufzuholen hat gegenüber anderen eu- ropäischen Ländern. Aber dazu später mehr. Beliebt sind auch Jugendherbergen, Ferienlager sowie Kinder- und Ju- gendhotels. Egal, wohin unsere Sprösslinge aufbrechen: Mithilfe des vorliegenden Antrags tragen wir dafür Sorge, dass über ein KfW-Programm Mittel zur Verfügung ge- stellt werden, mit deren Hilfe in Kinder- und Jugendun- terkünften Renovierungen und Sanierungen vorgenom- men werden können. Mit besonders viel Freude erwähne gerade ich natür- lich die Forderung, durch geeignete Maßnahmen nach- haltige Kinder- und Jugendreisen zum Beispiel in Natio- nalparks, Biosphärenreservate und Naturparke zu fördern. Denn auch, wenn Kinder und Jugendliche im Biologieun- terricht oft lieber Zettel an den Banknachbarn verschicken oder 100 Ausreden finden, um nicht am Sportunterricht teilnehmen zu müssen, so wird es für diese Kinder und Ju- gendlichen oftmals prägend sein; denn Lernen in und von der Natur selbst ist viel anschaulicher und begeisternder und fällt deswegen leichter. Plötzlich macht Bewegung an der frischen Luft richtig Spaß und unbemerkt – das ist übrigens die beste Erziehung – entwickelt sich Liebe zur Heimat, Begeisterung für andere Kulturen und Toleranz. Auch wissen wir, dass Jugendliche sich immer früher auf eigene Faust auf Reisen begeben wollen, weil sie ein Besuch auf einer bayrischen Alm oft weniger interessiert als den gestressten Vater oder die erschöpfte Mutter. Schon ab dem elften oder zwölften Lebensjahr ziehen viele es vor, mit Gleichaltrigen zu verreisen. Selbst wenn wir als fürsorgliche Eltern das aus Sorge um unsere Kinder nicht unbedingt gutheißen, so können und sollen wir es nicht verhindern, wenn unsere Kinder irgendwann ohne uns die Urlaubsplanung angehen. Aber was wir tun können, ist, dafür Sorge zu tragen, dass sie ihren auf eigene Faust geplanten Urlaub genießen können, weil sich ihre Wünsche und Vorstellungen dort nämlich erfüllen. Dafür ist es unbedingt erforderlich zu wissen, wie diese Wünsche konkret aussehen. Aus diesem Grund findet sich in unserem Antrag auch die Forderung, in die Statistik der Tourismuserhebung wirtschaftliche und sozialpolitische Fragen mit aufzunehmen. Daran kön- nen schließlich Angebote ausgerichtet werden. Sind unsere Söhne und Töchter dann schließlich zu ei- nem Urlaub ohne Eltern aufgebrochen, wird es unbedingt beruhigend wirken, dass wir sie an ihrem Ziel in guten Händen wissen. Erklärtes Ziel dieses Antrags ist es, da- rauf hinzuwirken, dass Bund und Länder in Zusammen- arbeit mit Kinder- und Jugendreiseveranstaltern Aktions- pläne aufstellen. In diesen Aktionsplänen soll und muss es auch darum gehen, Möglichkeiten zu finden, wie die meist ehrenamt- lich tätigen Betreuerinnen und Betreuer weiter qualifiziert werden können. Weiterbildungsangebote für die aner- kennenswerte ehrenamtliche Tätigkeit können und wer- den zu einem besseren Verhältnis zwischen Kind und Be- treuungsperson führen. Dank unseres Antrags werden die Bedingungen für die schönste Zeit des Jahres für Kinder und Jugendliche ver- bessert werden. Wenn diese Vorhaben durch eine vorbild- liche Kooperation von Bund, Ländern und Verbänden konsequent, umgesetzt werden, dann werden davon Kin- der und auch die daheim gebliebenen Eltern profitieren. Denn freudestrahlend werden die Kinder zurückkehren, einerseits froh, wieder zu Hause zu sein und andererseits um viele unvergessliche Urlaubserfahrungen reicher, von denen sie erzählen können. Kinder und Jugendliche reisen überaus gern auf Campingplätze. Wir haben in dieser Legislatur viel für den Tourismus in Deutschland getan, mehr als in jeder anderen Legisla- tur zuvor eine Regierungskoalition getan hat. Unser letz- ter Antrag in dieser rot-grünen 14. Legislatur betrifft not- wendige Verbesserungen im Campingtourismus. Lassen Sie mich also noch einige Anmerkungen zu diesem Cam- pingtourismus-Antrag machen. Denn jener wird dieses überaus wichtige Segment stärken und ihm die Beachtung verschaffen, die der Campingtourismus verdient hat. In Deutschland gibt es rund 2 300 Campingplätze und mehr als 21 Millionen Mal wurde auf ihnen übernachtet. Camping ist eine außerordentlich beliebte und zuneh- mend beliebtere Art des Urlaubs. Es hat große wirtschaft- liche Bedeutung; denn immerhin 3,25 Milliarden Euro ge- ben die Gäste auf Campingplätzen, beim Camping auf dem Bauernhof und auf Reisemobilstellplätzen jährlich aus. Wenn wir diesen Antrag heute beschließen, so soll das den Campern und den Betreibern von Campingplätzen das Leben erheblich erleichtern. An erster Stelle steht des- wegen auch die Empfehlung an die Länder, sich auf eine Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25275 (C) (D) (A) (B) einheitliche Campingplatzverordnung zu einigen. Mit dieser Anregung sind wir im Vorfeld der Beratungen auf eine sehr gute Resonanz gestoßen. Durch eine einheitliche Campingplatzverordnung erhält der Unternehmer und Nutzer klare, einprägsame Orientierungen. Ich möchte einen weiteren Forderungspunkt hervorhe- ben. Um sich in den vielfältigen Möglichkeiten über För- derinstrumente und Kreditprogramme zurechtzufinden, soll eine Informationsschrift aufgelegt werden, in der diese Möglichkeiten zusammengefasst sind. Aus Ge- sprächen mit Campingplatzbetreibern wissen wir, dass viele von ihnen gern noch umweltgerechter bauen würden als es ohnehin schon der Fall ist, dies jedoch oft noch mit hohen Kosten verbunden ist. Hier gilt es, die finanziellen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, auch auszunutzen. Schließlich soll der gezielte Einsatz dieser Gelder nicht daran scheitern, dass die Zielpersonen nichts davon wussten. Gleichzeitig möchten wir den Unternehmer auch darüber informieren, wie er seinen Campingplatz durch Energieeinsparungen noch umweltverträglicher und auch für sich selbst kos- tengünstiger führen kann. Wenn ich schon das Thema Umweltverträglichkeit und Umweltschutz anspreche, so versteht es sich fast von selbst, dass auch die Anbieter von Camping- und Cara- vantourismus dazu angeregt werden sollen, sich unter das Umweltdach „Viabono“ zu stellen. Denn ich bin der Auf- fassung, dass es schon in der Natur des Campingtourismus liegt, umweltgerecht und schonend zu arbeiten. Schließ- lich urlaubt man hier bewusst sehr nah an, in und mit der Natur. Je mehr Anbieter – auch und vor allem aus mög- lichst vielen verschiedenen Bereichen des Tourismus – der Umweltdachmarke „Viabono“ beitreten, umso mehr trägt der Tourismus dazu bei, das reiche kulturelle Erbe und die schöne Landschaft und Natur Deutschlands zu schützen. Dieses Erbe gilt es zu erhalten, weil es eben die we- sentliche Voraussetzung für die Attraktivität des Touris- musstandorts Deutschland ist. Ebenso ist es notwendig, die Qualität des Angebots zu verbessern – Öffnungs- zeiten, Service, Ordnung, Ruhe etc. – bzw. ein vorhande- nes hohes Qualitätsniveau besser zu verkaufen. Die Er- reichung dieser Ziele wird mit „Viabono“ deutlich verbessert. Dieser Antrag ist Quintessenz eines jahrelangen Diskussionsprozesses mit entsprechenden Anbietern und speziell dem Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland, dem BVCD. All jenen, die auf dieser Praxis- ebene am Zustandekommen beteiligt waren, sage ich Dank und wünsche uns allen nun fast am Ende der Legis- latur ein wenig Zeit für erholsame Ferien in der Natur. Ernst Burgbacher (FDP): Ich begrüße es, dass sich der Deutsche Bundestag mit dem Thema Kinder- und Ju- gendreisen befasst. Beim Jugendtourismus handelt es sich mit circa 20 Prozent um ein wesentliches Segment des weltweiten touristischen Marktes. Den Angaben der World Tourism Organization zufolge wird sich dieser Marktanteil in den nächsten Jahren auf über 25 Prozent erhöhen. Nach Ansicht der FDP sollte dem Kinder- und Jugend- tourismus ein höherer Stellenwert beigemessen werden, als ihm bislang zukommt. Dass die Anträge „Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ die Aufmerksamkeit auf diesen Bereich lenken, ist richtig. Allerdings ist hierzu aus liberaler und marktwirtschaftli- cher Sicht einiges anzumerken. Bei der Lektüre treten di- verse Fragen auf. Ich nenne einige: Im Antrag wird festgestellt, dass sich in den neuen Bundesländern Strukturen wie Kinder- und Erholungs- zentren bewährt haben. Dann heißt es: „Im Rahmen der geforderten Gleichbehandlung von Anbietern im Kinder- und Jugendbereich sollten diese die Voraussetzungen schaffen, in die Förderung der Jugendpolitik aufgenom- men werden zu können.“ Ich frage die Kollegen von SPD, Grünen und PDS: Was heißt das konkret? Zweites Beispiel: „Die Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendreisen und die Praxis der betroffenen Träger- bereiche haben sich weiterentwickelt. Dies muss bei den Qualifizierungsprogrammen für Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter berücksichtigt werden.“ Ich frage Sie: Wie? Ferner: Bund und Länder sollen in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendreiseveranstaltern innerhalb der gegebenen Kompetenzen Aktionspläne für Kinder- und Jugendreisen in Deutschland aufstellen. Ich frage Sie: Was genau soll das bedeuten? Ziel der geforderten Aktionspläne soll es sein, bundes- weite Qualitätsstandards trägerübergreifend für Kinder- und Jugendreisen zu entwickeln. Wer soll diese Standards entwickeln? Vom bedarfsgerechten Ausbau des Kinder- und Jugend- reisesektors ist die Rede. Wer soll dafür verantwortlich sein und wie soll dies vonstatten gehen? Weiter heißt es: „Es sollen geeignete Maßnahmen er- griffen werden, um den Zustand der Einrichtungen im Kinder- und Jugendreisebereich in Deutschland zu ermit- teln.“ Was soll das? Der Antrag zum Kinder- und Jugendtourismus ist in weiten Teilen viel zu wenig konkret, dafür voller gut ge- meinter Absichtserklärungen. Sicher ist es keine Frage, dass Kinder- und Jugendtourismus gefördert werden sollte, insbesondere auch im Hinblick auf das Zusam- menwachsen der Europäischen Union, zu dem gerade Reisen und internationale Begegnungen besonders von jungen Menschen einen wertvollen Beitrag leisten kön- nen. Ich halte aber nichts davon, wenn sich der Staat als Rei- severanstalter betätigt bzw. hier zu sehr eingreift. Der Staat sollte nur dort eingreifen, wo es unbedingt notwen- dig ist. Angebot und Nachfrage sind auch im Bereich Kin- der- und Jugendtourismus das entscheidende Regulativ. Die Reiseveranstalter werden Nachfrage nach umweltbe- wussten Jugendreisen zu erfüllen wissen. Ich halte es da- gegen für sinnvoll und erforderlich, die vom DRV zu die- sem Punkt angeführte „Gefahr einer ideologischen Überfrachtung“ sehr ernst zu nehmen. Eine zu starke staatliche Einflussnahme wird nicht zum gewünschten Erfolg führen, sondern von der Zielgruppe eher mit Ab- lehnung quittiert werden. Damit würde das angestrebte Ziel in weite Ferne rücken. Ein Wort noch zum Antrag Campingtourismus: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225276 (C) (D) (A) (B) Es ist doch auffallend, daß in den ersten dreieinhalb Jahren der Legislaturperiode so gut wie keine Anträge von SPD und Grünen im Bereich Tourismuspolitik gestellt wurden. Nun aber, in den letzten Sitzungswochen der 14. Wahlperiode, überschlägt sich Rot-Grün beinahe. Allerdings handelt es sich bei diesem Antrag zum Campingtourismus um eine unverbindliche Unterstüt- zungsverlautbarung an die betroffene Wirtschaft. Der An- trag ist gekennzeichnet von Prüfaufträgen und Anregun- gen für die Länder. Wie schon beim kürzlich behandelten Antrag zum Landtourismus gilt auch hier: Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Branchen insbesondere durch die Einführung der Ökosteuer massiv belastet und ver- sucht nun, kurz vor dem 22. September für gute Stim- mung bei den Betroffenen zu sorgen. Hier wird die FDPnicht mitmachen. Aus diesem Grund enthalten wir uns bei der Abstimmung zu den Anträgen Kinder- und Jugendtourismus sowie Campingtourismus. Rosel Neuhäuser (PDS): Eine mehr als zweijährige Debatte findet mit vorliegenden Anträgen einen Ab- schluss und mehr als 15 Jahre musste die Kinder- und Ju- gendreisebranche auf diesen Aktionsplan warten. Wir als PDS-Fraktion haben uns des Themas Kinder- und Jugendreisen angenommen und es von Beginn der Legislatur an inhaltlich begleitet. Als Tourismusausschuss haben wir vor zwei Jahren eine öffentliche Anhörung organisiert, auf der die Sach- verständigen die Situation im Kinder- und Jugendreise- bereich erläuterten und die Mehrheit einen Aktionsplan für das Kinder- und Jugendreisen in Deutschland forder- ten. Einig war man sich auch, dass dem Bereich des Kin- der- und Jugendreisens politisch und wirtschaftlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Man erinnerte Politik und Branche auch daran, dass die große Zeit des geförderten Kinder- und Jugendreisens auf Bundesebene die 60er- und 70er-Jahre waren. Von dieser historischen Situation ist das Kinder- und Jugendreisen bis zum heutigen Tag meilenweit entfernt. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die jährlich or- ganisiert wegfahren, geht in die Millionen. Der Ruf nach einer qualifizierten Betreuung, nach Qualitätskriterien für Freizeit und Reisen, nach Erleichte- rungen beim Erwerb der Jugendleitercard, nach Analysen zum Zustand der Einrichtungen gewinnt gerade in der Diskussion über die Zukunft des Kinder- und Jugend- reisesektors an Bedeutung. Dass Kinder und Jugendliche gerne reisen, ist die Re- gel und nicht die Ausnahme. Schätzungen zufolge ist der Kinder- und Jugendtourismus in den letzten zehn Jahren weltweit um acht bis zehn Prozent jährlich gestiegen. Die Steigerungsrate liegt damit fast doppelt so hoch, wie im gesamten Bereich des Tourismus. Genau hier ist auch das Problem zu finden, warum das Kinder- und Jugendreisen sehr oft Streitpunkt in Politik und Branche ist. Im Spannungsfeld zwischen Jugendhilfe und Touris- muswirtschaft hatte und hat sich das Kinder- und Jugend- reisen immer wieder aufs Neue zu beweisen. Im Gegensatz zur etablierten Reiseszene stellt sich der Kinder- und Ju- gendreisebereich in vielschichtigen Strukturen dar. Häufig fehlt genau diesen, im Interesse von mehr Qualität, ein ge- meinsames Kooperieren. Wir unterstützen deshalb die Forderung, konkrete Aus- sagen zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland in den Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung aufzunehmen. Gestatten Sie mir abschließend einige Worte zur Zusammenarbeit im Ausschuss. Wir haben uns in den Diskussionen zur Verbesserung des Tourismus nichts geschenkt. Wir haben uns bemüht, möglichst fair mit- einander umzugehen. Für diese gute Zusammenarbeit möchte ich mich bedanken und wünsche mir sehr, dass der Aktionsplan in der nächsten Legislaturperiode in die Tat umgesetzt wird. Lassen Sie uns gemeinsam auf der Grundlage des Ak- tionsplanes ein Modell entwickeln, das den Tourismus im Kinder- und Jugendbereich als einem speziellen Lernfeld gerecht wird und zeigt, wie die damit gegebenen Mög- lichkeiten für interkulturelles Lernen ohne pädagogischen Zeigefinger genutzt werden können. Nicht umsonst heißt es „Reisen bildet“. Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Berichts: Kriegsfolgen- und Kriegslasten- beseitigung in den neuen Ländern – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Sofortmaßnahmen des Bundes und bei der Rüstungskonvention (Tagesordnungspunkt 18 b und c) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Wir beraten heute bereits zum zweiten Mal den Antrag der CDU/CSU-Frak- tion „Kriegsfolgen- und Kriegsaltlastenbeseitigung in den neuen Ländern“. Dies tun wir überflüssigerweise, wie ich meine; überflüssigerweise nicht wegen der Problematik, die dahinter steckt. Die Finanzierungsfrage der Beseiti- gung von Rüstungsaltlasten ist ein ernstes Thema und weil mein Wahlkreis ein besonders betroffener ist, bin ich damit bestens vertraut. Ich habe mich auch immer für eine trägfähige Lösung eingesetzt und verspreche Ihnen, das auch weiterhin zu tun. Nein, überflüssig ist die Debatte um den Antrag des- halb, weil er den Fragen und Problemen der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in keiner Weise gerecht wird. Die Bundesregierung soll „aufgefordert werden zu prüfen, ob aus dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel bereitgestellt werden können“, um die betroffenen Gemeinden und Pri- vathaushalte in den neuen Ländern bei der Beseitigung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25277 (C) (D) (A) (B) von Munitionsfunden in angemessener Weise zu unter- stützen. Ich muss schon sagen: Die CDU/CSU-Fraktion zeigt an dieser Stelle sehr deutlich, wie wichtig ihr dieses Thema ist. Denn offenbar haben Sie es nicht für nötig er- achtet, sich intensiv mit der Problematik auseinander zu setzen. Wie komplex und rechtlich schwierig die Frage der Beseitigung von Kriegsaltlasten ist, wie nachhaltig uns diese Problematik in den nächsten Jahren noch be- schäftigen wird, ist Ihnen offenbar völlig verborgen ge- blieben. Sie haben einfach gesehen, dass da ein Thema ist, das sich vielleicht im Wahlkampf ausschlachten lässt und sich gesagt: Stellen wir doch einfach mal einen Antrag dazu und fordern noch ein bisschen Geld aus dem Bundes- haushalt. Ich kann Ihnen versichern: Diese Taktik wird nicht aufgehen; in der Region um Oranienburg schon gar nicht. Denn die Menschen dort wissen, dass sich die SPD ihrer Probleme – auch und besonders bei der Beseitigung von Rüstungsaltlasten – am besten annimmt. Einen so unausgegorenen Antrag jedenfalls, wie er uns heute von Ihnen wiederholt vorgelegt wurde, hätten Sie, würden Sie regieren, niemals gestellt. Das zeigt deutlicher als alles andere, wie schlecht dieser Antrag ist. Denn es gab in den 16 Jahren der Regierung Kohl eine sehr große Anzahl unausgegorener und schlechter Anträge, die in den allermeisten Fällen leider auch noch umgesetzt wur- den. Nur bei dieser Thematik haben Sie bisher gekniffen. 1993 und 1997 hätten sie die Chance zu einer Lösung die- ses Problems gehabt, sie aber nicht genutzt. Wie komplex sich die Sanierung von Rüstungsaltlasten darstellt, hat die Anhörung des Haushaltsausschusses ge- zeigt, an der ich, im Gegensatz zu meinem Wahlkreiskol- legen der CDU/CSU, maßgeblich beteiligt war. An dieser Stelle möchte ich übrigens erwähnen, wie wichtig ihm dieses Thema, das für den Wahlkreis, in dem er wie ich kandidieren, eine solche Relevanz hat, ist: Auf dieser An- hörung, an der viele Persönlichkeiten aus der Region Oberhavel teilgenommen haben, unter anderem der von mir benannte Sachverständige Landrat von Oberhavel, Karl-Heinz Schröter, habe ich den ehemaligen Branden- burger Vorsitzenden der CDU jedenfalls nicht gesehen. Das zeigt deutlicher als alles andere: Diese Frage interes- siert Herrn Fink nur, wenn er damit Wahlkampf machen will. Die Suche nach echten und langfristigen Lösungen liegt ihm fern. Auf der Anhörung ist deutlich geworden, dass sich die Bundespolitik dem Problem der Sanierung von Rüstungs- altlasten stellen muss. Gerade das Land Brandenburg – und hier besonders die Region Oberhavel – ist in hohem Maße von Bombenfunden betroffen. So gibt es in Brandenburg jährlich circa 2 000 Zufallsfunde. Jedes Jahr werden im Schnitt 6 000 Anträge zur Ermittlung von Kampfmittelbe- lastung gestellt. Die Kosten hierfür sind mitunter enorm – gerade wenn eine Stadt wie Oranienburg betroffen ist, die in besonderem Maße von alliierten Angriffen während des Zweiten Weltkrieges betroffen war. Aber es sind nicht nur die Räumungskosten, die das Bundesland Brandenburg und die dortigen Städte und Ge- meinden belasten. Allein das Wissen darum, dass überall gefährliche Rüstungsaltlasten verborgen sein können, hält lnvestoren ab, verzögert Verfahren und gefährdet den Tourismus. Hinzu kommt, dass die Gefährdung immer größer wird. 56 der 105 seit 1991 in Oranienburg gebor- genen Bomben waren mit chemischen Langzeitzündern versehen, die mit Sicherheit irgendwann einmal detonie- ren. So hat es seit 1977 in Oranienburg sechs Selbstdeto- nationen gegeben. Bei einer davon hat es 1991 einen Schwerverletzten gegeben. Wie umfangreich dieses Problem allein in der Region Oranienburg ist, macht noch eine andere Zahl deutlich: Von den 22 000 Bomben, die im Zweiten Weltkrieg in der Gegend abgeworfen wurden, sind vermutlich circa zehn bis 20 Prozent noch nicht explodiert. Die Kosten, die eine solche Situation verursacht, werden offensichtlich, wenn man weiß, dass im Falle eines Fundes bis zu 15 000 Ein- wohner evakuiert werden müssen. Betriebe müssen gege- benenfalls für mehrere Stunden ihre Produktion stoppen. Die Kosten, die die Stadt Oranienburg seit 1997 überneh- men musste, betragen mittlerweile mehr als 500 000 Euro. Die Region Oberhavel ist an dieser Stelle nur ein beson- ders eklatantes Beispiel für die Wichtigkeit einer soliden Regelung, die den Bund an den Kosten beteiligt. Auf kei- nen Fall darf es dahin gehen, dass die betroffenen Ei- gentümer selber in vollem Umfang für die Kosten auf- kommen, auch wenn das rechtlich möglich wäre. Dies hätte für viele Familien katastrophale Belastungen zur Folge. In der Anhörung ist aber auch etwas anderes deutlich geworden. Die Umsetzung des Antrages der CDU/CDU ist verfassungsrechtlich bedenklich. Die Beseitigung der Rüs- tungsaltlasten ist Länderaufgabe. Entsprechend müssen die Länder auch finanziell für diese Aufgabe aufkommen. Der Bund kommt für die Kampfmittelräumung nur in bun- deseigenen Liegenschaften und bei so genannter „reichs- eigener Munition“ auf. Diese Regelung ist auch mit dem Einigungsvertrag 1990 von den neuen Ländern übernom- men worden. Sie sehen also: Um hier tätig zu werden, um hier neue Formen der Finanzierung zu finden, müssen auch die gesetzlichen Grundlagen geändert werden. Solche wohlbekannten Dinge hat die CDU-Fraktion in ihrem dilettantischen Antrag aber nicht berücksichtigt; eben, weil es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern um Aktionismus, Populismus und Wahlkampf. Das finde ich bei einem solchen Thema, das die Ängste der Bürgerinnen und Bürger beinhaltet, ausgesprochen unanständig. Die Christdemokraten gehen hier nach dem Motto vor: Wir fordern mal ein bisschen, auf einer Grundlage, die recht- lich unsicher ist und tun dann so, als ob die Bundesregie- rung sich für die Thematik überhaupt nicht interessiert. Damit lässt sich trefflich Wahlkampf machen; besonders, wenn man noch ein paar Parlamentsdebatten damit be- schäftigt. Ich habe den Eindruck, der gesamte Wahlkampf der CDU/CSU ist so aufgebaut: fordern, Unausgegorenes vorlegen und sich über sorgfältige Überlegungen hinweg- setzen. Das haben sie gerade erst in Ihrem Umgang mit den Ergebnissen der Hartz-Kommission bewiesen und das beweisen sie an dieser Stelle erneut. Dass das Parla- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225278 (C) (D) (A) (B) ment für Sie nichts anderes als eine Quasselbude ist, die allenfalls zu Wahlkampfauftritten taugt, hat Ihr Kanzler- kandidat ja heute allen bewiesen. Noch nie haben wir von dem Vorsitzenden einer demokratischen Partei eine solch abfällige Bemerkung zum Parlament vernommen. Ich kann nur sagen: Herr Stoiber, unterschätzen Sie das Par- lament nicht. Es ist das Zentrum der Demokratie. Es wird Ihnen auch zukünftig als Vertreter der Opposition die Möglichkeit geben, Ihre Meinung kundzutun. Der Wahlkreiskollege der CDU, Herr Fink, hat mit sei- nem letzten Angriff gegen mich in der Lokalpresse ein- drucksvoll gezeigt, dass er die CDU-Art, Wahlkampf zu machen, voll mitträgt: So konnte man im „Oranienburger Generalanzeiger“ vom 28. Juni dieses Jahres nachlesen, dass die Verschiebung des Rüstungsaltlastenfinanzie- rungsgesetzes zeige, dass die Regierungskoalition kein Interesse habe, eine Lösung für die Problematik zu finden. Meine Person griff Herr Fink besonders an, da ich „dieses Spiel nicht verhindert“ hätte. Ich will zu meinem Einsatz – gerade was das Finden ei- ner grundlegenden Lösung in der Frage der Rüstungsalt- lastenproblematik angeht – nicht mehr viel sagen. Inzwi- schen ist das Thema in Brandenburg so präsent, dass sich die Bürger ihr eigenes Bild machen können. Nur noch ei- nes: Schauen Sie sich doch an, wie die Antragsteller – ins- besondere mein Wahlkreiskollege – mit diesem Thema bisher umgegangen sind. Ist es nicht so, dass Herr Fink an der Anhörung zu dem Thema und damit an einer langfris- tig tragenden Lösungsfindung wenig Interesse zeigte, nicht teilgenommen hat, obwohl er jetzt so tut, als sei die Lösung dieser Problematik sein besonderes Anliegen? Ist es nicht so, dass der Innenminister von Branden- burg, der diesen Antrag in den Bundesrat eingebracht hat, Mitglied der CDU ist, dessen Sachkenntnis aber für die- sen Antrag von seinen Kollegen nicht erfragt wurde? Ist es nicht so, dass Herr Fink einmal Vorsitzender der CDU in Brandenburg war und sich damals überhaupt nicht für dieses Thema interessiert hat? Ich erinnere daran, dass sich 1997 – beim zweiten Anlauf des Bundesrates – die CDU/CSU-Regierung auf die bestehende Kostenregelung und die Staatspraxis zwischen Bund und Ländern berief, die sich ihrer Meinung nach bewährt hätte und die deshalb beibehalten werden sollte. Ist es nicht so, dass die ehemalige Bundesregierung bei dem 1997 gestellten Antrag des Bundesrates überhaupt kein Interesse gezeigt hat, eine Lösung dieses Problems zu finden, dass es weder eine Anhörung noch eine inten- sive Auseinandersetzung gab und nach Lösungen gesucht wurde! Noch einmal: Der Antrag der CDU/CSU-Frak- tion, der eine Einmalzahlung des Bundes als Hilfe für die Beseitigung der Kriegsfolgen und Kriegslasten fordert, ist nicht geeignet, dieses Problem grundlegend anzugehen. Zudem ist er verfassungsrechtlich bedenklich. Auch dies hat die Anhörung ergeben. Daher lehnen wir ihn ab. Ich bin aber sehr dafür, dass wir uns weiterhin mit dem Feld der Finanzierung der Rüstungsaltlastensanierung be- schäftigen. Ich habe ja zuvor verdeutlicht, wie groß die Probleme in einzelnen Teilen Deutschlands, insbesondere in den neuen Ländern, sind. Wenn wir uns 57 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch mit den Lasten dieses Krieges auseinander zu setzen haben, sollte uns al- len klar werden: Es ist höchste Zeit hier für eine Regelung zu sorgen, die zumindest die Perspektive für die Kampf- mittelberäumung für mindestens noch zwei Jahrzehnte aufzeigt. Dies ist insbesondere nötig, weil von den Altlas- ten die genannten Gefahren ausgehen und weil sie die wirtschaftliche Entwicklung in den betroffenen Regionen hemmen. Wenn die Bürgerinnen und Bürger, die Länder und Kommunen allein nicht in der Lage sind, dies zu tun, dann muss man über eine stärkere Beteiligung des Bundes nicht nur nachdenken, sondern auch nach geeigneten Wegen suchen. Die Anhörung hat hier Möglichkeiten aufgezeigt. Im Übrigen ist es ja nicht so, dass der Bund sich an den Kosten der Bombenräumung gar nicht beteiligt. Ich gebe aber zu, dass es etwas seltsam anmutet, wenn sich diese Beteiligung an der Herkunft der Bombe ausrichtet: Ist sie eine „reichseigene“ oder eine „alliierte“ Bombe? Dass diese Frage über die Finanzierung entscheidet, ist den Be- troffenen in der Tat nur schwer zu vermitteln. Daher werden wir uns nun darum kümmern müssen, wie eine angemessene Regelung einer weiteren Bundes- beteiligung aussehen kann. Auch rechtlich muss eine sol- che Regelung einwandfrei sein. Wir prüfen dies und wir prüfen auch die finanziellen Möglichkeiten des Bundes in diesem Zusammenhang. Die Vorschläge des Landes Brandenburg, wie sie in dem entsprechenden Antrag for- muliert sind, bieten hier – im Gegensatz zum CDU/CSU- Antrag – eine Grundlage. Der Entwurf aus dem Bundes- rat geht zwar in einigen Punkten über das Ziel und die Möglichkeiten des Bundes hinaus. Auch rechtlich ist noch einiges klärungsbedürftig. Die Anhörung hat uns hier aufgefordert, zu prüfen, zu überarbeiten und uns zu verständigen, insbesondere mit den einzelnen Bundesländern. Dies müssen wir nun tun. Leider hat die Zeit der letzten Wochen dafür nicht ausge- reicht. Aber wir werden dran bleiben und in der nächsten Legislatur einen neuen Anlauf nehmen. Lassen Sie uns nicht die Zeit, wie in der Vergangenheit, mit Scheinanträ- gen und blindem Aktionismus vertun, sondern zielgerich- tet vom derzeitigen Erkenntnisstand ausgehend bei der Anhörung ansetzen und die Chancen für eine langfristige gesetzliche Neuregelung nutzen. Ulf Fink (CDU/CSU): Wir beraten heute nicht, wie ur- sprünglich vorgesehen, in abschließender Debatte den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Kriegsfol- gen- und Kriegslastenbeseitigung in den neuen Ländern“. Nein, Gegenstand der heutigen Aussprache ist lediglich ein Zwischenbericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Union. Mit Empörung muss meine Fraktion feststellen, dass die Regierungskoalition hier eine uner- trägliche Verzögerungstaktik an den Tag legt und es nicht wagt, beim Thema „Blindgängerfunde in den neuen Bun- desländern“ offen Farbe zu bekennen. Diese Haltung ist unerträglich. Der vorliegende Zwischenbericht sagt wörtlich Fol- gendes aus: Der federführende Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat den Antrag der CDU/CSU- Fraktion Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25279 (C) (D) (A) (B) in seiner 71. Sitzung am 4. April 2001, in seiner 75. Sit- zung am 30. Mai 2001, in seiner 109. Sitzung am 12. Juni 2002, in seiner 110. Sitzung am 26. Juni 2002 und zuletzt in seiner 111. Sitzung am 3. Juli 2002 hin- sichtlich der Beratung vertagt. Auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wurde der Antrag auf die Tagesordnung der 111. Sit- zung des Haushaltsausschusses am 3. Juli 2002 ge- setzt. Die Koalitionsfraktionen stellten mit dem Hin- weis auf die nicht überschaubaren finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, die insbe- sondere als Ergebnis der öffentlichen Anhörung zu- tage getreten sind, erneut den Antrag auf Vertagung. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der Koaliti- onsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU, der Fraktion der FDP und der Fraktion der PDS angenommen. Hätte die Union nicht wenigstens den hier vorliegen- den Zwischenbericht beantragt, hätte die Regierungsko- alition ihr Ziel erreicht, nämlich das Thema weiter auf die lange Bank zu schieben. Hierzu ist Folgendes anzumerken: Es ist nunmehr fast eineinhalb Jahre her, dass die Union mit ihrem Antrag das Thema „alliierte Blindgängerfunde“ in den Fokus der po- litischen Debatte gerückt hat. In unserem Antrag hatten wir die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, ob aus dem Bundeshaushalt zusätzliche finanzielle Mittel bereit- gestellt werden können, um private Haushalte, Städte und Gemeinden in den neuen Ländern, die von Bomben- und Munitionsfunden aus dem Zweiten Weltkrieg betroffen sind, in angemessener Weise zu unterstützen. Ich kann mich noch gut an die erste Debatte erinnern, die wir im Februar 2001 über unseren Antrag geführt haben. Unser Antrag wurde damals von der FDP- und der PDS- Fraktion ausdrücklich begrüßt. Die Fraktion von Bünd- nis 90/Die Grünen hat ihn grundsätzlich abgelehnt. Die SPD-Fraktion vertrat dagegen die Auffassung, der Antrag reiche nicht aus, es müsse eine bundesgesetzliche Regelung her, die vom Bundesrat ausgehen sollte. Diese Forderung wurde erfüllt: Noch im Herbst 2001 hat der Bundesrat auf Initiative des Landes Brandenburg den Entwurf eines Rüs- tungsaltlastenfinanzierungsgesetzes vorgelegt. Worum geht es bei dem Thema? Tatsache ist, dass elf Jahre nach der staatlichen Wiedervereinigung sich die Fol- gen und die Lasten des Zweiten Weltkrieges in Ost- deutschland noch immer wesentlich deutlicher bemerkbar machen als im alten Bundesgebiet. Die Meldungen über erneute Blindgängerfunde, über Straßensperrungen und vorsorgliche Evakuierungen reißen besonders in der Stadt Oranienburg nicht ab. Eine Sachverständigenanhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat erge- ben, dass allein in Brandenburg circa 400000 Hektar Land als kampfmittelbelastet gelten. Die Experten vermuten weiterhin allein in Oranienburg über 2 000 unentdeckte Blindgänger. Das heißt, es werden noch Generationen sprichwörtlich mit der Bombe leben müssen, wenn nicht Entscheidendes geschieht. Für die Union ist daher klar: Auf diesem Gebiet muss schnellstens gehandelt werden. Neben der latenten Gefahr für die Bevölkerung, die von Blindgängern und Muniti- onsüberresten ausgeht, besteht ein weiteres Problem in den immensen Kosten, die mit der Auffindung, Bergung und Beseitigung des brisanten Materials verbunden sind. Die Kostenfrage ist zurzeit wie folgt geregelt: Kosten, die mit der Bergung und Vernichtung verbunden sind, werden vom Landeshaushalt übernommen. Folgekosten, die durch den Einsatz der Feuerwehr, Maßnahmen der Ordnungsämter oder etwaige Staatshaftungen entstehen, tragen die betroffenen Städte und Gemeinden selbst. Auch der Bürger kann von Kosten nicht freigestellt werden. Will er bauen und besteht die Wahrscheinlichkeit eines Bombenfundes, muss er für die Gebühren aufkom- men, die zum Beispiel mit der Auswertung von Luftbild- aufnahmen entstehen. Beauftragt er unmittelbar ein Kampfmittelräumungsunternehmen mit der Suche, muss er die Kosten der Suche selbst bezahlen. Hat er bereits ge- baut und wird im Nachhinein ein Blindgänger auf seinem Grundstück gefunden, haftet er für Maßnahmen der Ber- gung mit seinem privaten Vermögen, was den finanziellen Ruin bedeuten kann. Die Kostenfrage wäre dann kein Problem, wenn es sich bei den aufgefundenen Blindgängern und Munitionsüber- resten um deutsche, das heißt ehemals reichseigene Muni- tion handeln würde; denn dann würde der Bund aufgrund der gängigen Staatspraxis in Verbindung mit dem Allge- meinen Kriegsfolgengesetz die Kosten übernehmen. Nun ist es aber so, dass es sich hier nicht um Kampfmit- tel des Deutschen Reiches, sondern um Kampfmittel der ehemaligen Alliierten handelt, sodass der Bund nicht zahlt. Es waren aber nicht die Städte Oranienburg, Neuruppin und Potsdam oder das Land Brandenburg, die den Zweiten Weltkrieg geführt haben, sondern das Deutsche Reich. Und Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist nun einmal der Bund. Es ist demnach nur recht und billig, dass der Bund seine Verpflichtungen auch für alliierte Kampfmittel- funde und die daraus resultierenden Kosten anerkennt. Genau dies wird sowohl mit dem Antrag der Union als auch mit dem Gesetzentwurf des Bundesrates bezweckt. Hierzu noch eine Anmerkung: Der Gesetzentwurf des Bun- desrates sollte ursprünglich ebenfalls heute beraten werden. Auf Betreiben der Regierungsfraktionen ist er gänzlich von der heutigen Tagesordnung abgesetzt worden. Die Stellungnahme der Bundesregierung zum Gesetz- entwurf des Bundesrates offenbart jedoch die wahren Hintergründe: Die Bundesregierung lehnt jedwede Hilfe ab. Zur Begründung führt sie aus, der Gesetzentwurf – und damit auch der Antrag der CDU/CSU-Bundestags- fraktion – weite die Kostenlast des Bundes über die gel- tenden Regelungen aus und verändere die bewährte Staatspraxis. Im Übrigen verweist sie auf die „ange- spannte Haushaltslage des Bundes“. Die Haltung der Bundesregierung offenbart eine nicht hinnehmbare Geringschätzung der bestehenden Probleme in den neuen Ländern und lässt die dort lebende Bevölke- rung mit ihren Sorgen allein. Diese Haltung ist alles in al- lem beschämend und zeigt, wie ernst es die Bundesregie- rung mit der „Chefsache Aufbau Ost“ wirklich meint. Ich meine, das kann in dieser wichtigen Frage nicht das letzte Wort gewesen sein. Man kann dieses Problem nicht un- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225280 (C) (D) (A) (B) gelöst lassen, wie es manche Vertreter aus dem Regie- rungslager offenbar bevorzugen. Nein, hier ist Mut ge- fragt. Mut, den Sie meine Damen und Herren von der Re- gierungskoalition – und allen voran meine Kollegin Frau Krüger-Leißner –, längst hätten unter Beweis stellen kön- nen. Sie hatten fast eineinhalb Jahre Zeit, hier klar Stel- lung zu beziehen – notfalls auch gegen die eigene Bun- desregierung. Sie haben es nicht getan. Stattdessen nehmen Sie in Kauf, dass das Thema in absehbarer Zeit nicht mehr entschieden werden kann. Damit ist jedem klar: Sie lassen die Menschen in Ora- nienburg und in den anderen betroffenen Gebieten weiter im Stich. Die Quittung dafür werden Sie am 22. Septem- ber erhalten. Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU wird von uns abge- lehnt, weil er keine problemangemessene Lösung bietet. Die Räumung von Kampfmitteln ist als Gefahrenabwehr im ordnungsrechtlichen Sinne anzusehen, nach unserer fö- deralen Kompetenzverteilung mithin grundsätzlich eine Aufgabe der Länder. Damit ist die für den Antrag erforder- liche Finanzierungskompetenz des Bundes nach unserer Verfassung nicht gegeben. In der zum Antrag durchgeführ- ten öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses ist diese verfassungsrechtliche Bewertung von den Sachver- ständigen nochmals nachdrücklich bestätigt worden. Man darf auch nicht übersehen, dass der Bund im Rah- men seines Kompetenzbereichs bereits seit Jahren erhebli- che finanzielle Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Bewäl- tigung der Problematik von Rüstungsaltlasten leistet. So wendet der Bund für die Beseitigung von Rüstungsaltlas- ten, die von ehemals reichseigenen Kampfmitteln auf nicht bundeseigenen Liegenschaften herrühren, jährlich Kosten von bis zu 50 Millionen Euro auf. Zudem finanziert der Bund entsprechend seiner Zustandsverantwortlichkeit Räu- mungsmaßnahmen auf seinen eigenen Liegenschaften. Diese seit den 50er-Jahren bestehende Staatspraxis, die bei Neufassung des Art. 120 Grundgesetz in den Jahren 1965 und 1969 als fortgeltende Lastenteilungsregelung zwischen Bund und Ländern zugrunde gelegt worden ist, ist nach der Wiedervereinigung auch in den neuen Län- dern eingeführt worden. Sie hat sich bewährt. Weiterhin muss auch daran erinnert werden, dass die Länder Brandenburg, Thüringen und Sachsen vom Bund in den 90er-Jahren von der ehemaligen sowjetischen Ar- mee genutzte Liegenschaften erhalten haben. Dies stellte ebenfalls einen finanziellen Beitrag des Bundes dar. Da- mals war der Erwerb wegen des Rüstungsaltlastenver- dachts bei diesen Flächen für die Länder unentgeltlich. Wir dürfen uns nicht täuschen: Die Kampfmittelbesei- tigung wird noch auf Jahre in den neuen Ländern eine Daueraufgabe bleiben. Allerdings muss das Problem ver- antwortungsvoll angegangen werden. Wir dürfen hier we- der die Gefahren verniedlichen noch durch eine unsachli- che Dramatisierung die Bevölkerung verängstigen. Die neuen Länder und ihre Kommunen brauchen schließlich keine finanziellen Hilfen für bestimmte Einzel- bereiche, sondern eine langfristige Perspektive für ihre Fi- nanzsituation insgesamt. Mit dem Solidarpakt II ist uns die notwendige langfristige Perspektive gelungen. Der Antrag der CDU/CSU ist demgegenüber nur reiner Aktionismus. Jürgen Türk (FDP): Bei der Anhörung zum Thema Kriegslastenbeseitigung am 15. Mai hat der Rechtswis- senschaftler Prof. Joachim Wieland deutlich gemacht, dass der hier zur Debatte stehende Gesetzentwurf des Bundesrates nicht verfassungskonform ist. Aus diesem Grund können und werden wir ihm in dieser Form auch nicht zustimmen. Die Anhörung hat aber auch klar gemacht, dass die Rüs- tungsaltlasten und ihre Beseitigung nach wie vor ein großes Problem für alte und neue Länder, Kommunen und betroffene Privatpersonen darstellen. Ein Experte hat hochgerechnet, dass, behält man das derzeitige Tempo der Entsorgung bei, Deutschland erst in 100 Jahren „kriegslas- tenbereinigt“ sein wird. Das ist eine erschreckende Vor- stellung, nicht zuletzt deshalb, weil die Gefahr der Selbst- entzündung nicht beräumter Munition stetig zunimmt und damit auch die Gefahr für Leib und Leben der Bürger die- ses Landes. Andererseits gestattet es die Finanzlage der Länder und Kommunen, insbesondere der ostdeutschen, nicht, das Tempo der Beräumung deutlich zu erhöhen. Das ist ein Konflikt, der im Raum steht und der gelöst werden muss. Längerfristig gesehen könnte die Bundesregierung das Problem zum Beispiel im Rahmen der ab 2005 anstehen- den Reform der Finanzverfassung angehen und eine neue Regelung dafür finden. Kurzfristig sollte der Bund prüfen, ob es möglich ist, in Form einer gängigen Staatspraxis Mit- tel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen, um das Problem in doppeltem Sinne „zu entschärfen“. Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Gemäß Art. 87 a des Grundgesetzes stellt der Bund Streitkräfte zur Verteidi- gung auf. Die Veränderung des Umfangs der Streitkräfte, der Streitkräftestrukturen und der Stationierung hat je- doch nachhaltige Auswirkungen auf die Länder, Kreise und Gemeinden. Für die Bewältigung der Folgen solcher Veränderungen sind nach bisheriger Gesetzeslage die Länder und Kommunen, nicht aber der Bund zuständig. Diese Regelungslücke macht sich besonders in Zeiten schnellen Wandels für die Betroffenen schmerzhaft be- merkbar. Seit 1990 sind durch den Abzug bzw. die Re- duzierung der alliierten Streitkräfte und durch die Verkleinerung der Bundeswehr wirtschafts-, sozial-, beschäftigungs- und regionalpolitische Probleme ent- standen, die nur als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bewältigt werden können. Die Verantwortung für die Rüstungskonversion darf nicht nach Kassenlage hin und her geschoben werden. Um den durch Änderungen des Wehrumfangs aufgetrete- nen Strukturproblemen begegnen zu können, bedarf es eines gesetzlich geregelten Lastenausgleichs zwischen Bund und Ländern. Dies fordert die PDS in ihrem Antrag „Sofortmaßnahmen des Bundes bei der Rüstungskonver- sion einleiten“ auf Drucksache 14/8657. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25281 (C) (D) (A) (B) Darüber hinaus schlägt die PDS vor, die Ressortver- einbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundesminister der Finanzen vom 14. Juni 2000, die vorsieht, dass Erlöse aus dem Liegenschaftsverkauf zu 80 Prozent dem Bundesministerium der Verteidigung für militärische Beschaffungen zur Verfügung stehen, aufzuheben. Stattdessen sollte festgelegt werden, dass den Städten und Gemeinden die Liegenschaften des Bundes in aller Regel unentgeltlich überlassen werden. Des Weiteren schlägt die PDS vor, einen Beauftragten des Bundes für Konversion zu ernennen, damit die Koor- dination dieser Querschnittsaufgabe zwischen Bund, Län- dern und Gemeinden angegangen werden kann. Diese Einrichtung ist auch mit der Aufgabe zu betrauen, in Ver- bindung mit den Ländern und Kommunen ein länger- fristiges Bundeskonversionsprogramm zu erarbeiten. Fer- ner sollte dieser/diese Beauftragte des Bundes dem Deutschen Bundestag Überlegungen zur Vorlage eines Kon- versionsgesetzes unterbreiten. Ziel eines solchen Gesetzes sollte es sein, einen fairen und dauerhaften Lastenausgleich zwischen Bund und Ländern bei der Bewältigung des mil- itärisch bedingten Strukturwandels sicherzustellen. Der Antrag der CDU/CSU „Kriegsfolgen- und Kriegs- lastenbeseitigung in den neuen Ländern“, Drucksache 14/5092, fordert die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob aus dem Bundeshaushalt zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt werden können, um private Haushalte, Städte und Gemeinden in den neuen Bundesländern, die von Bomben- und Munitionsfunden aus dem Zweiten Weltkrieg betroffen sind, in angemessener Weise zu un- terstützen. Dies wird von der PDS ausdrücklich unter- stützt. Einschränkend muss aber bemerkt werden, dass das Problem der durch das Militär verursachten Altlasten nur zum Teil erfasst wird. So werden die erheblichen Kon- versionskosten ausgeklammert, die auf Länder und Kom- munen im Zusammenhang mit den Standortschließungen im Rahmen der Bundeswehrreform zukommen. Ungeachtet der bestehenden Defizite des Antrags der CDU/CSU unterstützt die PDS das Grundanliegen, Län- der und Kommunen bei der Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten zu entlasten. Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Ostdeutsche Löhne und Gehälter im öffentli- chen Dienst bis zum Jahr 2007 stufenweise auf das Niveau der alten Bundesländer anheben – Für ein faires Rentenrecht für das ehemalige medizinische Personal – Zur Regelung von in der DDR erworbenen Versorgungsansprüchen und Anwartschaften in einem spezifischen Versorgungssystem so- wie zur Regelung anderer rechtmäßig erwor- benerAnsprüche auf Alterssicherung (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Mathias Schubert (SPD):Mit Bedauern muss ich eingangs dem Hohen Hause zur Kenntnis geben, dass eine Rede über beide zur Debatte stehenden PDS-Anträge im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten alles andere als eine Ehre ist. Beide Themen, die Lohnangleichung und die Renten- problematik, lohnen selbstverständlich des politischen Nachdenkens. Aber was die PDS dem Bundestag hier vor- gelegt hat, hält man zwölf Jahre nach der Einheit schlicht- weg nicht mehr für möglich. Um billiger Wahlkampfrhetorik willen betreiben Sie eine schamlose Spalterpolitik. Sie sind längst noch nicht reif für dieses Deutschland. Im Gegenteil: Sie entsolidari- sieren, wo Sie nur können, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Die Perfidie des Ganzen wird noch dadurch ge- steigert, dass Sie in all Ihrer ideologischen Verklärung vermutlich gar nicht merken, wie Sie auftreten, was Sie vertreten und was Sie damit anrichten. In Ihrem Rentenantrag fabrizieren Sie tatsächlich einen Rentenerhöhungsrundumschlag, der allen alles ver- spricht; unabhängig davon, ob die Forderungen mit Bei- tragsleistungen zu DDR-Zeiten gedeckt waren oder nicht. Unter dem Deckmantel, Anwalt der kleinen Leute zu sein, offenbaren Sie sich in Wirklichkeit als gnadenlose Lob- byisten jener Wählerklientel, die, wenn Sie noch die Macht hätte, exorzistisch den Beelzebub Bundesrepublik lieber heute als morgen austreiben würde. Selbst Ihre ren- tenrechtliche Einschränkung bei den ehemaligen Stasi- Mitarbeitern, bei denen Sie eine geminderte Rente for- dern, entpuppt sich als rein taktische Aussage. Bei solchen ideologischen Wurmlöchern verwundert es niemanden, wenn Sie die Frage nach der Finanzierung gar nicht mehr stellen. Ich weiß, Sie kommen dann wie- der mit Ihrem Bild vom bösen millionenschweren Aus- beuter, der es verdient, wie eine Zitrone ausgepresst zu werden . Nach gleichem ideologischen Strickmuster haben Sie auch Ihren Antrag zur Lohnangleichung gebastelt: erst die Beamten, dann der Rest – das ist die Aushebelung der Ta- rifautonomie, das ist der Abschied vom Grundrecht auf Selbstorganisation. Was Sie wollen, ist spätsozialistischer Staatsmonopolismus. Wenn man dazu noch Ihren hier nicht zur Debatte ste- henden Antrag über Mindestlöhne nimmt, dann rundet sich der Gesamteindruck. Was Sie im realexistierenden Sozialismus nicht erreicht haben, das wollen Sie im ge- meinen Kapitalismus endlich verwirklichen: das kommu- nistische Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Um zu wissen, wie man Leute nennt, die so denken und handeln wie Sie, sei hier aus Gründen der Höflichkeit die letzte Strophe von dem Ge- dicht Erich Kästners empfohlen, das mit den Kerlen be- ginnt, die einst auf den Bäumen gehockt haben. Manfred Grund (CDU/CSU):Wir befassen uns heute, übrigens nicht zum ersten Mal, mit einem Thema, das viele Menschen in den neuen Ländern bewegt. Es geht um etwas, das viel mit dem Selbstverständnis der Ostdeut- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225282 (C) (D) (A) (B) schen und ihrer Stellung im vereinigten Deutschland zu tun hat. Es geht um einen Bereich, bei dem sich nüchterne öko- nomische Realitäten mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen stoßen. Für viele ist der Grundsatz „Glei- cher Lohn für gleiche Arbeit“ fester Bestandteil ihrer in- dividuellen Vorstellung von Gerechtigkeit. Die Menschen in den neuen Ländern fragen sich, warum ihre Arbeits- leistung weniger wert sein soll als die ihrer Kollegen in den alten Bundesländern. Sie wollen in Sachen Lohn nicht Arbeitnehmer zweiter Klasse sein, wenn sie 100 Prozent Leistung abliefern. Wir haben es also mit einem Bereich zu tun, der das Selbstwertgefühl der Menschen im Osten und damit die innere Einheit empfindlich berührt. Dem- entsprechend sensibel ist mit dieser Thematik umzuge- hen. Einfache Parolen helfen nicht weiter. Eine differen- zierende Betrachtung ist geboten. Fakt ist, dass es auch in den alten Bundesländern zum Teil durchaus beträchtliche Lohnunterschiede zwischen Ländern und Regionen gibt. So verdienen beispielsweise Arbeiter und Angestellte im produzierenden Gewerbe in Hamburg deutlich mehr als ihre Kollegen im Saarland oder in Schleswig-Holstein. Und auch in den Tarifverträ- gen ergeben sich signifikante regionale Differenzierun- gen. Fakt ist ebenfalls, dass es in den neuen Ländern längst Bereiche gibt, bei denen die Angleichung bereits voll- ständig oder annähernd erfolgt ist. Es gibt im Osten leis- tungsstarke Regionen und hoch produktive Unternehmen wie in Dresden, Leipzig, Jena oder rund um Berlin, wo im Durchschnitt zum Teil schon höhere Löhne als in den ein- kommensschwachen Regionen Westdeutschlands gezahlt werden. Auf der anderen Seite liegt die Produktivität im Durchschnitt immer noch um circa 34 Prozent unter West- niveau. Die Lohnangleichung Ost-West ist keine Hexerei, son- dern eine Frage von Produktivität. Es macht keinen Sinn, die Menschen über den ökonomischen Zusammenhang von Produktivität und Lohnhöhe täuschen zu wollen. Löhne können überhaupt nur dort gezahlt werden, wo Arbeitsplätze sind. Und sie können letztendlich nicht höher ausfallen, als die Arbeitsleistung an Wertschöpfung einbringt. Jede Angleichung, die diesen Zusammenhang missachtet, würde lediglich Jobs in ohnehin von Arbeits- losigkeit gebeutelten Regionen leichtfertig aufs Spiel set- zen. Andererseits sollte man aber auch nicht mit den Nöten der Menschen hausieren gehen, indem man den Osten als eine dauerhafte Niedriglohnregion verkauft, wie man hier und da vernehmen kann. Eine solche Betrachtungsweise wäre für die Menschen in den neuen Ländern zutiefst ver- letzend. Das haben sie nicht verdient. Niedrige Einkommen sind kein erhaltenswerter Vor- teil, sondern spiegeln einen wirtschaftlich unbefriedigen- den Zustand wider, den es zu überwinden gilt. Soweit sich daraus für ostdeutsche Unternehmen Vorteile im wirt- schaftlichen Wettbewerb ergeben, sollten diese zwar nicht, wie etwa mit dem im Bundesrat glücklicherweise gescheiterten Tariftreuegesetz geplant, bewusst beseitigt werden; aber mit Billiglöhnen auf dem Rücken der Men- schen erkaufte Standortvorteile können nicht die Zukunft sein, die wir uns für die neuen Länder vorstellen. Die meisten Menschen im Osten schätzen die wirt- schaftliche Lage in ihrer jeweiligen Heimatregion sehr wohl realistisch ein. Umfrageergebnisse zeigen, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse nach Ansicht einer großen Mehrheit noch eine Reihe von Jahren erfordern wird. Dies kann aber nicht bedeuten, dass man ihnen nur kühle volkswirtschaftliche Analysen, wie sie regelmäßig von den Wirtschaftsinstituten vorgelegt werden, entge- genhält. Was sich die Menschen wünschen und worauf sie An- spruch haben sind überschaubare Perspektiven, die Mut machen und Motivation fördern. Solche Perspektiven sind nicht zuletzt deshalb notwendig, um den Besorgnis erregenden Abwanderungstendenzen insbesondere junger und leistungsbereiter Menschen aus den neuen Ländern entgegenzuwirken. Perspektiven schafft man in unserer Wirtschaftsordnung jedoch nicht durch staatliche Anord- nung von oben, sondern indem man die Voraussetzungen für sichtbare Fortschritte bei der wirtschaftlichen Ent- wicklung schafft. Der Weg führt in erster Linie über mehr Produktivität. Hierzu ist es dringend erforderlich, sehr rasch die steuer- lichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Allerdings ist insoweit bei dieser Bundes- regierung nur Fehlanzeige zu verzeichnen. Statt Stärkung des Aufbaus Ost hat unter Rot-Grün eine spürbare Schwächung des Aufbaus Ost stattgefunden. Bei Wirt- schaft und Arbeitsmarkt hat sich die Zweiteilung Deutschlands mit seinen unterschiedlichen Entwick- lungsgeschwindigkeiten nachhaltig verfestigt. Zum ers- ten Mal seit der deutschen Einheit ist im vergangenen Jahr die Wirtschaft im Osten geschrumpft. Es muss jetzt darum gehen, nicht die Chancen für mehr Beschäftigung zu verspielen, sondern zielorientiert und konsequent für mehr Wachstum zu sorgen. Die Union hat hierzu eine Reihe tragfähiger Vorschläge insbesondere mit Blick auf eine Entriegelung des Arbeitsmarktes unter- breitet. Wir haben hierüber ausführlich debattiert. Bereits mit unserem Antrag „Deutschland 2015 – Auf- bau Ost als Leitbild für ein modernes Deutschland“ aus dem letzten Jahr haben wir aufgezeigt, wie die Rahmen- bedingungen für öffentliche und private Investitionen als Voraussetzung für höhere Produktivität verbessert werden können. Diese Vorschläge haben auch Eingang in unser Regierungsprogramm gefunden. Wir werden sie nach dem 22. September zügig in Angriff nehmen. Darin enthalten ist auch unser Vorschlag für eine stu- fenweise Angleichung der Besoldung und Tarife im öf- fentlichen Dienst des Bundes bis zum Jahr 2007. Dass sich diesem Modell zeitweise auch der Bundeskanzler angeschlossen, dies dann allerdings – typisch Schröder – bei nächster Gelegenheit wieder einkassiert hatte, zeigt, dass wir insoweit nicht ganz so verkehrt liegen. Und nun also auch die PDS, die ausweislich der Be- gründung ihres Antrages in einem solchen Schritt eine Ini- tialzündung für die Einkommen auf das Niveau der alten Bundesländer sieht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25283 (C) (D) (A) (B) So begrüßenswert die Initiative in ihrer generellen Ziel- richtung ist, so wenig differenziert ist sie in ihrer Ausgestal- tung. Zweifellos kann es auf Dauer nicht tragbar sein, dass am selben Ort bei selber Arbeit unterschiedlich bezahlt wird, je nach Herkunft aus Ost oder West. Dies betrifft zuallererst die Bediensteten des Bundes in Berlin, die buchstäblich am selben Schreibtisch unterschiedliche Einkommen beziehen. Ähnliches gilt aber auch für die Bundesbediensteten und Soldaten an anderer Stelle. Sie alle sind beim selben Arbeit- geber Bund, der ungeachtet der regionalen Verteilung seiner Beschäftigten gleich leistungsfähig ist. Hingegen ist es nicht der Bund, sondern es sind die öf- fentlichen Haushalte von Ländern und Kommunen, die die Hauptlast aus einer Anhebung der Löhne und Gehäl- ter auf volles Westniveau zu tragen haben. Für die Länder würde dies jährliche Mehrkosten von weit über 4 Milli- arden Euro bedeuten; für den Bund wären es mit knapp 380 Millionen Euro nicht einmal ein Zehntel. Weil das so ist und wir die Länder nicht überfordern wollen, haben wir uns in unserem Vorschlag für Öff- nungsklauseln bei Besoldungs- und Zulagenregelungen ausgesprochen, die den Ländern Spielräume entspre- chend ihrer Leistungsfähigkeit eröffnen. Dies ist auch im Zusammenhang mit unserem Gesamtkonzept für mehr Flexibilisierung im Osten zu sehen. Ich denke, dies ist ein guter Weg, die Balance zwischen den berechtigten Anlie- gen der Beschäftigten und den fiskalischen Zwängen von Ländern und Gemeinden zu wahren. Der PDS-Antrag leidet aber auch unter seiner man- gelnden Differenzierung, was die Vorgehensweise bei der Angleichung der Einkommen im öffentlichen Dienst an- geht. Hinsichtlich der Löhne und Gehälter von Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes besteht Tarif- autonomie. Bund und Länder sind hier Tarifpartner. Ent- gegen der offensichtlich noch bei der PDS vorhandenen Vorstellung können Tariferhöhungen eben nicht einfach von Staats wegen angeordnet werden, sondern müssen ausverhandelt werden. Die Forderung muss vielmehr – wir haben das in unserem im Ausschuss gestellten Änderungsantrag ausgeführt – lau- ten, dass die Bundesregierung, namentlich der Bundesin- nenminister als Verhandlungsführer der öffentlichen Ar- beitgeber, einen Angleichungs-Stufenplan zur Grundlage der Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes macht. Anschließend wäre dann entsprechend lang praktizierter Übung vom Bundesgesetz- geber das Tarifergebnis für die Beamten zu übernehmen. Eine Stufenregelung für den öffentlichen Dienst in der von uns vorgeschlagenen Weise bis 2007 wäre ein wich- tiges Signal für die weitere Einkommensentwicklung in den neuen Ländern. Sie wäre für die Menschen motivie- rend und verlässlich und für die öffentlichen Haushalte maßvoll und hinreichend flexibel. Bezüglich des PDS-Antrages gilt das Fazit: Gut ge- meint, aber schlecht gemacht, weshalb wir den Antrag aus den genannten Gründen ablehnen werden. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bei dem vorliegenden Tagesordnungspunkt han- delt es sich um eine typische Abräumerdebatte. Der klein- ste gemeinsame Nenner sind halt die „neuen Länder“. Die Vorlagen von FDP und PDS sind nicht ernst gemeint. Sie sind dem Wahlkampf geschuldet und haben sonst keiner- lei Funktion. Betrachten wir zunächst einmal den Komplex Renten: Laut Einigungsvertrag sollten Angehörige rentennaher Jahrgänge Renten nach dem Recht der DDR erhalten wenn sich nach diesem Recht eine höhere Rente ergab oder wenn ein Rentenanspruch nur nach diesem Recht be- stand. Diese Regelung diente dem Vertrauensschutz. In unserer Fraktion bestehen erhebliche Bedenken, über die Regelungen zum Vertrauensschutz hinaus besondere Re- gelungen zur Berechnung der Renten fortzuführen. Dies würde nämlich bedeuten, dass über viele weitere Jahre zweierlei Recht angewendet werden müsste, also sowohl das Rentenrecht der DDR wie auch das Rentenrecht der Bundesrepublik. Dies war und ist vom Gesetzgeber nicht gewollt. Die Vorschläge der FDP, geteiltes Rentenrecht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag beizubehalten, sind blanker Populismus und werden von uns abgelehnt. Die PDS geht in ihrem Antrag sogar noch weiter. So nach dem Motto „jedem seines“ soll sich jeder Ost- deutsche die Regelungen herauspicken dürfen, die für ihn am günstigsten sind. Der Antrag der PDS wiederholt zahl- reiche schon vielfach erhobene Forderungen. Ein einheit- liches Rentenrecht für alle entspricht dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Das mag in Einzelfällen zu gewissen Ungerechtigkeiten führen. Vom Prinzip her entspricht dies jedoch rechtsstaatlichen Gepflogenheiten. Aus diesem Grund steht meine Fraktion Forderungen grundsätzlich kritisch gegenüber, die eine weitere Geltung des DDR- Rentenrechts beanspruchen. Das kann im Übrigen gegen- über den Rentnern in den alten Bundesländern nicht ge- rechtfertigt werden, die von vornherein keinen Anspruch auf Renten nach diesem Recht erheben können. Die PDS ignoriert – wie so oft – vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligte Entscheidungen, etwa die so ge- nannte „Systementscheidung“, nach der Ansprüche aus Zusatz und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen waren. Die PDS bedient letztlich die Auffassung, dass die im DDR-Rentenrecht gemachten Zusagen nachträglich durch die Rentenüberleitung entwertet worden seien. Hierzu ist festzuhalten, dass die Versorgungszusagen durch den wirtschaftlichen Bankrott der DDR entwertet wurden und die Zusagen durch die Überleitung in die ge- setzliche Rentenversicherung überhaupt wieder mit ei- nem wirtschaftlichen Wert versehen wurden. Fakt ist, dass die Renten in den neuen Bundesländern seit 1991 stärker steigen als die Renten in den alten Bun- desländern. Dieser Trend hat sich nicht umgekehrt. Im Gegenteil: Im Zuge der Rentenreform wurde die Formel zur Anpassung der Renten verändert. Die Renten steigen seit 2001 wieder mit der Lohnentwicklung. Der stärkere Anstieg der Bruttolöhne in den neuen Bundesländern wirkt sich günstig auf die Anpassung der Renten aus und sorgt für eine deutlich frühere Angleichung der Renten. Damit komme ich auf den wiederholten Aufguss einer Angleichung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225284 (C) (D) (A) (B) Dienst. Auch wenn das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland erhebliche Fortschritte gemacht hat, gibt es in einigen Bereichen nach wie vor Unterschiede. Dies gilt bedauerlicherweise auch für die nach wie vor nicht vollständige Angleichung der Einkommens- und Be- schäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst. Wir würden uns freuen, wenn es gelingen würde, mög- lichst schnell zu gleichen Bedingungen in Ost- und West- deutschland zu kommen. Dies ist aber nicht nur eine An- gelegenheit des Bundes, sondern vor allem auch der Länder. Auch angesichts des häufig spezifisch höheren Personalanteils im Osten sind die ostdeutschen Länder in dieser Frage eher zurückhaltend. Das gilt im Übrigen auch für Länder, in denen die PDS mitregiert. Oder hat inzwi- schen eine Angleichung in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden? Die Bündnisgrünen setzen sich dafür ein, dass die Ta- rifpartner möglichst bald einen konkreten Fahrplan für die endgültige Angleichung für den öffentlichen Dienst ver- einbaren. Darüber könnte bereits bei den anstehenden Ta- rifverhandlungen gesprochen werden. Wir jedenfalls sind nicht bereit, in die Tarifautonomie einzugreifen, wie es die PDS wünscht. Auch diesen Antrag lehnen wir ab. Jürgen Türk (FDP): Trotz der angespannten Haus- haltslage in den neuen Ländern ist es notwendig, in einem absehbaren Zeitraum die Gehälter für den öffentlichen Dienst auf Westniveau anzuheben. Anderenfalls droht ein „qualitativer Aderlass“, der den Standort Ost nachhaltig schwächen und ein weiteres Aufholen verhindern dürfte. Die negativen Wanderungsbilanzen haben sich in letz- ter Zeit wieder verstärkt, was darauf hinweist, dass der Osten im Wettbewerb um die kreativsten Köpfe erneut zurückfällt; eine fatale Entwicklung, der gegengesteuert werden muss. Im Vergleich zur privaten Wirtschaft steht der öffentli- che Dienst unter besonderem Zugzwang. Er kann aus rechtlichen Gründen der Gleichbehandlung nur in be- grenztem Maße mit Zulagen arbeiten, um besonders leis- tungsfähige Arbeitskräfte zu binden. Aus diesem Grunde schlägt die FDP vor, die Gehälter in Ost und West vollständig anzugleichen, wobei über Höhe und Zeitraum die Tarifpartner entscheiden sollten. Die Finanzierung sollte im Wesentlichen über die Ver- schlankung der Verwaltung erfolgen. In diesem Bereich sind im Osten noch immer überproportional viele Be- schäftigte tätig. Die Verschlankung kann durch die Priva- tisierung von Aufgaben, das Outsourcing von Verwal- tungsdienstleistungen und die Reorganisation der Behörden nach funktional-optimierten Gesichtspunkten erreicht werden. Was den FDP-Antrag „Für ein faires Rentenrecht für das ehemalige mittlere medizinische Personal“ angeht, so versucht er, eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Kran- kenschwestern und Pfleger haben in der ehemaligen DDR, sehr zu Unrecht, so schlecht verdient, dass sie keine freiwillige Zusatzrente abschließen konnten. Deshalb hat ihnen die DDR per Gesetz zugesichert, dass ihr Renten- anspruch später mit dem Faktor 1,5 multipliziert, also um die Hälfte aufgestockt wird. Das war sozusagen ein Trost- pflästerchen für die miserable Entlohnung. So war das Gesetz und so wurde es auch nach 1990 ge- handhabt. Bis 1996 galt der Bestandsschutz. Bei den Krankenschwestern und Pflegern, die erst danach in Rente gingen, wurde die Rente abgeschmolzen, teilweise um bis zu 500 Mark monatlich und mehr. 340 000 Men- schen sind davon im Osten mittlerweile betroffen. Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Das ist nachvollziehbar. Deshalb hat die FDP einen Antrag eingebracht, in dem ge- fordert wird, dem mittleren medizinischen Personal die zu DDR-Zeiten gesetzlich zugesicherten höheren Renten zu gewähren. Wir fordern ein faires Rentenrecht für all jene, die nach 1996 in Rente gegangen sind. Sie dürfen gegen- über älteren Rentnern nicht schlechter gestellt werden. Ich möchte die rot-grünen Kollegen dringend darum bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Es wäre eine Geste, mit der sie zeigen können, dass sie den Osten doch noch nicht ganz abgeschrieben haben. Gerhard Jüttemann (PDS):Dass wir die Debatte um die Angleichung der ostdeutschen Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst im Schutze der Dunkelheit führen müssen, obwohl die Tage gegenwärtig sehr lang sind, hat natürlich Gründe. Wer vermutet, dass hier jemand etwas zu verbergen hat, dürfte der Wahrheit ziemlich nahe kom- men. Im März hatten SPD und CDU im Zeichen des begin- nenden Wahlkampfes Ostparteitage abgehalten. Auf bei- den Veranstaltungen wurden dem Osten eine stattliche Menge weißer Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Das Publikum fragte sich allerdings: Warum wurde nicht längst realisiert, was jetzt vollmundig versprochen wird. Wer hat eigentlich regiert in den vergangenen zwölf Jah- ren? Ein schöner Höhepunkt der auf beiden Parteitagen in Aussicht gestellten Wahlgeschenke war die Angleichung der Osttarife im öffentlichen Dienst bis 2007. Die PDS hat das schon 1999 gefordert. Sie erinnern sich an unseren Antrag „Fahrplan zur Angleichung der Lebensverhält- nisse“, aus dem Sie nicht nur diesen Punkt übernommen haben. Damals haben sie diese Angleichung der Lebens- verhältnisse einschließlich der Tarifangleichung einmütig abgelehnt. Nicht finanzierbar hieß es unisono in allen an- deren Parteien. Jetzt plötzlich vor der Wahl kommen Sie damit. Nicht finanzierbar sagen nun andere, zum Beispiel der ehe- malige sächsische Finanzminister Thomas de Maizière. 500 Millionen Euro zusätzliche Kosten für den Freistaat hat er ausgerechnet und noch einmal die gleiche Summe für die sächsischen Kommunen. Ist die Tarifangleichung also wirklich nicht finanzierbar? So wie Sie sie aus dem Hut zaubern wollen, nicht. Sie können eben nicht einfach ein Erfordernis und eine Vo- raussetzung sozialer Gerechtigkeit aus dem Zusammen- hang reißen. Sie müssen schon Ihre gesamte Wirtschafts- und Steuerpolitik darauf ausrichten, wenn Sie das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchsetzen wollen. Dazu ist es beispielsweise notwendig, die Finanzkraft der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 2002 25285 (C) (D) (A) (B) Kommunen zu stärken, anstatt diese weiter in der Zitro- nenpresse auszuquetschen. Und dazu müssen sie die Steuern da abholen, wo Sie sie bekommen können, zum Beispiel bei der Deutschen Bank, die im vergangenen Geschäftsjahr satte 1,2 Milli- arden Euro Profit erwirtschaftet hat – vor – und nach Steu- ern, denn die Deutsche Bank zahlt keine. Sie zahlt deshalb keine, weil die Wirtschafts- und Steuerpolitik dieser Re- gierung wie die ihrer Vorgänger auf die Umverteilung von unten nach oben gerichtet ist. Wenn Sie das nicht verändern in eine Umverteilung von oben nach unten, werden Sie überhaupt nichts verän- dern und den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Ar- beit“ niemals durchsetzen. Aber möglicherweise wollen Sie das eben auch gar nicht. Ihnen reicht es, blühende Landschaften zu versprechen oder den Osten zur Chefsa- che zu erheben. Wenigstens bisher sind ja noch immer genügend Wähler auf diese Sprüche hereingefallen. In der praktischen Politik halten Sie es dann lieber mit den so genannten Wirtschaftsweisen dieser Republik, die in ihrem Fortschrittsbericht gerade wieder vor der An- gleichung der Löhne gewarnt haben. Ich zitiere: „Trotz- dem ist es künftig erforderlich, dass die Lohnpolitik sich an den Verteilungsspielräumen ausrichtet und nicht die Anpassung an das westdeutsche Lohnniveau zur Leitlinie erhebt.“ Und weiter heißt es, aus der Abwanderung quali- fizierter Fachkräfte aus Ostdeutschland dürfe „nicht der Schluss gezogen werden, dass eine allgemeine Lohnan- gleichung notwendig wäre. Vielmehr ist die Lösung die- ses Problems in einer stärkeren Lohndifferenzierung zu sehen.“ Konkret heißt das, die Wirtschaftswissenschaftler set- zen auf Entsolidarisierung, auf das bekannte Teile-und- herrsche-Prinzip. Mittel- bis langfristig können einige Fachkräfte das westliche Lohnniveau erreichen, der Rest bleibt unten. Diese Spaltung entspricht Ihrer Auffassung von der Gesellschaft ja nicht nur im Osten, wie man dem allgemeinen Beifall für die Vorschläge der Hartz-Kom- mission entnehmen kann. Auch in der Rentenüberleitung haben Sie Ihre Hausauf- gaben für die Herstellung der Rentengerechtigkeit nicht ge- macht. So sind immer noch einige Überführungslücken nicht geschlossen. Zwölf Jahre nach der Vereinigung ver- weigern Sie immer noch die Anerkennung für die Lebens- arbeitsleistungen von Wissenschaftlern, Hochschullehrern, Pädagogen, Angehörigen der technischen Intelligenz, der Deutschen Reichsbahn, der Post sowie anderen Teilneh- mern von Zusatz- und Sonderversorgungen. Nach wie vor begrenzen Sie auch die Entgelte. Damit nicht genug wider- setzen Sie sich der vollständigen Angleichung des aktuel- len Rentenwertes in den neuen Bundesländern. Mit der Pflege all dieser Ungerechtigkeiten, mit der praktischen Verweigerung der Angleichung der Lebens- verhältnisse aber reproduzieren Sie nur die Zustände, die Sie verändern zu wollen vorgeben: die Rückstände im Einkommensniveau, die sich weiter öffnende Schere zwi- schen Ost und West und die Defizite in der Struktur der ostdeutschen Wirtschaft genauso wie die für die neuen Länder verheerende Abwanderung junger Menschen, die von der Regierung mit Mobilitätshilfen noch gefördert wird. Bei einem Bevölkerungsanteil von 17 Prozent betrug der ostdeutsche Anteil beim Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2000 nur 11 Prozent, bei der Industrieproduktion gar nur 7 Prozent und beim Export 4 Prozent. Der Anteil an der Gesamtarbeitslosigkeit beträgt hingegen 30 Prozent. In einem bin ich trotz der Dunkelheit, in der wir hier darüber reden, zuversichtlich: Es wird künftig schwerer für Sie werden, das große Missverhältnis zwischen Ihren schönen Worten und Ihren fehlenden Taten für die An- gleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland zu tar- nen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 248. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 4. Juli 200225286 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eckhardt Barthel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag
    ist es dem Kulturausschuss gelungen, aus einer Vielzahl
    von Anträgen zum selben Thema eine abstimmungsfähige
    Vorlage zu präsentieren, in der deutlich wird, was Kon-
    sens ist und welche Alternativen möglich sind. Ich er-
    wähne das am Ende der Legislaturperiode, weil dieses ein
    Beispiel dafür ist, wie konstruktiv und ergebnisorientiert
    im Kulturausschuss gearbeitet wurde.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)







    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    1) Anlage 3

    Es ist ein neuer Ausschuss, den diese Koalition eingesetzt
    hat. Ich glaube, keiner kommt mehr auf den Gedanken,
    diesen Ausschuss ebenso wie das Amt des Staatsministers
    für Kultur und Medien wieder infrage zu stellen. Ich ver-
    rate noch ein kleines Geheimnis: Wir werden ihn auch
    nach dem 22. September stellen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Wir werden mal sehen, ob wir ihn übernehmen!)


    Jetzt zum Antrag. Ich habe am Anfang gesagt: Dieser
    Antrag enthält einen Konsensteil und einen Alternativteil.
    Ich meine, wir sollten nicht nur über die Alternativen reden,
    sondern auch den Konsens in diesem Antrag darstellen.

    Wir alle sind uns der Bedeutung dieses Areals, über das
    wir reden, bewusst, das nicht zu Unrecht als hauptstädti-
    sches und republikanisches Zentrum unseres Landes be-
    zeichnet wird.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Republikanisch nicht!)


    Wir sind uns wohl auch darüber einig, dass der jetzige Zu-
    stand, die Brache, kein Dauerzustand sein kann und sein
    darf. Trotzdem sollten wir uns – das ist nach der langen
    Diskussion verständlich – davor hüten, jetzt etwas übers
    Knie zu brechen. Ich möchte Ihnen die Forderung, die uns
    der Präsident der Akademie der Künste, Herr György
    Konrad, zukommen ließ, gerne vorlesen. Er schreibt:

    Lassen Sie sich nicht von einer Stimmung hinreißen,
    die auf Biegen und Brechen entscheiden und handeln
    will, und hören Sie auf den Rat der Künstler, die wis-
    sen, dass gute Werke reifen müssen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Dies sollten wir nicht ganz vom Tisch wischen, obwohl
    ich natürlich der Meinung bin: Zeitnahe Entscheidungen
    sind zweifelsohne nötig.

    Nach zwölfjähriger Diskussion und nachdem nun
    keine neuen Argumente mehr zu erwarten sind

    (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Allerdings! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Sehr richtig!)

    – Sie werden auch von mir keine neuen Argumente hören;
    auch von Ihnen erwarte ich keine, es sei denn, Sie kramen
    die alten wieder hervor; darauf kann jedenfalls ich ver-
    zichten –, ist es der Internationalen Expertenkommission
    Historische Mitte zu verdanken, dass wir für die Entschei-
    dung über den weiteren Fortgang eine tragbare Grundlage
    erhalten haben, ohne dass wir jedes Komma übernehmen
    müssen, was die Kommission auch nicht erwartet.

    Der erste Punkt betrifft die Nutzung des Gebäudes:
    außereuropäische Sammlung, wissenschaftliche Samm-
    lung der Humboldt-Universität, Bücherei, Agora. Wichtig
    ist mir dabei, dass diese Institutionen nicht nebeneinander
    stehen, sondern dass man versucht, eine Integration die-
    ser Institutionen zustande zu bringen. Übrigens war ich
    auch ziemlich beeindruckt von einem Vorschlag, den neu-
    lich Volker Hassemer in der Zeitung gemacht hat. Ausge-
    hend von dem Dahlemer Museum könne auch ein Ort des

    internationalen Kulturaustausches entstehen. Ich glaube,
    dass in der Frage der Nutzung durchaus noch Bewe-
    gungsspielraum vorhanden ist.

    Ein zweiter Punkt. Die Zustimmung der Kommission
    bezieht sich darauf, bei der Neugestaltung auf den histo-
    rischen Stadtgrundriss zurückzugreifen und sich bei der
    Bebauung des Schlossplatzes an der Stereometrie des ehe-
    maligen Schlosses zu orientieren. Dies ermöglicht in Be-
    zug auf den Lustgarten und das Staatsratsgebäude eine
    klare Gliederung des Stadtraums. Ich weiß allerdings
    auch – das sage ich sehr deutlich –, dass viele darüber
    nicht sehr glücklich sind, weil dadurch interessante Ent-
    würfe, zum Beispiel der von Schultes, nicht mehr mach-
    bar sind. Dies muss man sehen.

    Ich möchte einen dritten Punkt in unserem Antrag nen-
    nen. Er betrifft die vorgeschlagene privat-öffentliche
    Finanzierung. Sie ist richtig. Die Ehrlichkeit verlangt, zu
    betonen, dass das Projekt in dieser angedeuteten Form
    ohne öffentliche Mittel nicht zu haben ist.


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ja genug!)


    Die Finanzierung wird uns vermutlich noch eine ganze
    Zeit beschäftigen. Dies sage ich auch mit Blick auf Ber-
    lin, das aufgrund seiner katastrophalen Haushaltslage
    wohl kaum in der Lage ist, als Finanzier aufzutreten.


    (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Strieder hat das Geld schon in der Tasche! – Gegenruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Strieder holt das Geld hier ab!)


    Es ist deshalb richtig, dass wir mit unserem Antrag die
    Bundesregierung auffordern, die Finanzierungsvor-
    schläge der Kommission zu überprüfen. Wenn vorge-
    schlagen wird, eine Ausfallbürgschaft zu gewähren, muss
    ich gestehen, dass bei mir als Berliner Abgeordnetem ein
    paar rote Lampen angehen. Aber das liegt vielleicht an
    meiner persönlichen Betroffenheit als jemand, der aus
    diesem Bundesland kommt.

    So viel zu den Punkten, über die Konsens besteht.
    Lassen Sie mich nun auf die Gestaltungsalternativen

    zu sprechen kommen. Ich bin übrigens sehr froh – das
    möchte ich betonen –, dass wir über die Frage der Gestal-
    tung des Berliner Stadtschlosses ohne Fraktionszwang ab-
    stimmen. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man
    nach einem Parteibuch über eine Gestaltungsfrage ab-
    stimmen kann.


    (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    Schließlich sind die Diskussionen über dieses Thema in
    den Freundeskreisen bis in die Familien hinein mit Pro
    und Kontra geführt worden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen
    geht, aber ich weiß, wovon ich spreche.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    In der Öffentlichkeit werden diese Alternativen häufig
    auf die Frage „Wiederaufbau des Berliner Stadtschlos-
    ses – ja oder nein“ reduziert. Wie ich inzwischen erfahren




    Eckhardt Barthel (Berlin)

    25132


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    habe, meinen auch viele Kollegen und Kolleginnen, dies
    sei die Alternative, vor der wir heute stehen. Diese Alter-
    native steht aber heute nicht zur Abstimmung. Die Alter-
    native lautet vielmehr – ich möchte das noch einmal be-
    tonen, weil ich gehört habe, dass es in einer Fraktion neue
    Überlegungen gebe –: Nur der von der Kommission ge-
    machte Vorschlag, das heißt Neubau mit drei barocken
    Fassaden und dem Schlüterhof, wird realisiert; jede an-
    dere Gestaltungsidee ist ausgeschlossen. Dabei handelt es
    sich um die Alternative A.

    Die Alternative B lautet: Bei dem auszuschreibenden
    Wettbewerb ist nicht nur der Kommissionsvorschlag zu
    realisieren, sondern auch zeitgenössische Architektur
    kann sich am Wettbewerb beteiligen. Aufgrund der dann
    vorliegenden Ideen und Entwürfe können wir sicherlich
    sachgerechter entscheiden.

    Bei der Alternative B, für die ich, soweit mir das mög-
    lich ist, leidenschaftlich plädiere


    (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Na, na!)


    – ja, Herr Otto, für die ich leidenschaftlich plädiere –, geht
    es lediglich um die Öffnung des Wettbewerbs und eben
    nicht um eine vorher getroffene Festlegung auf ein be-
    stimmtes Modell.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Deswegen werde ich mich auch nicht gegen eine Teil-
    rekonstruktion aussprechen, sondern der Logik der Alter-
    native B folgen. Die Begründung für die Öffnung des
    Wettbewerbs lautet schlicht und einfach: Neben dem His-
    torischen muss an diesem bedeutsamen Ort auch die Ge-
    genwart eine Chance erhalten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dies wurde übrigens auch sehr lange als richtig empfun-
    den. Ich erinnere mich noch, dass es einmal in Berlin ei-
    nen Regierenden Bürgermeister namens Diepgen gab, der
    damals dafür plädiert hat, dass sich Schlüter am Wettbe-
    werb beteiligen dürfe.


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


    In diesem Vorschlag ist nämlich genau die in der Alterna-
    tive B vorgesehene Breite enthalten,


    (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das war vor vielen Jahren!)


    aber er hat ihn dann nicht mehr als opportun empfunden
    und ist leider Gottes wieder von diesem Pfad der Tugend
    abgewichen.


    (Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Habt ihr ihm die Ausschreibungsunterlagen zugestellt?)


    Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ei-
    nige Worte zu einer Einschätzung. Die Debatte über die so
    genannte Schlossfrage ist teilweise mit fundamentalisti-
    schen Zügen geführt worden. Ich möchte deutlich erklä-
    ren – und damit vielleicht ein bisschen zur Versachlichung
    beitragen –, dass ich den Schlossbefürwortern im Hause

    keineswegs eine verklärende Sehnsucht nach wilhelmini-
    schen Zeiten oder Ähnliches unterstelle.


    (Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)


    – Lassen Sie mich das einmal feststellen, liebe Antje
    Vollmer; es gehört in diesem Zusammenhang auch da-
    zu. – Ich meine auch nicht, dass bei den Schlossbefür-
    wortern eine generelle Ablehnung der Moderne festzu-
    stellen ist, obwohl ich mir nicht bei allen ganz sicher bin.

    Gehen Sie umgekehrt davon aus, meine Damen und
    Herren, dass auch wir, die für die Öffnung des Wettbe-
    werbs eintreten, uns nicht gegen eine Rekonstruktion stel-
    len. Die Frauenkirche in Dresden zum Beispiel ist her-
    vorragend rekonstruiert worden. Sie ist aber mit dem, was
    in Berlin vorgesehen ist, nicht zu vergleichen, wenn ich
    das einmal so verkürzt sagen darf.


    (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

    Die Dresdner haben eine ganze Kirche bekommen. Was
    aber hier zurzeit geplant ist, ist: Berlin soll ein bisschen
    Schloss bekommen. Darin liegt der Unterschied.

    Ich bin bei der Vorbereitung dieser Rede auf eine Äuße-
    rung von Alfred Döblin gestoßen. Er hat Berlin als „stets
    im Werden, niemals fertig“ beschrieben. Berlin gilt auch
    heute sicherlich zu Recht als eine dynamische, kreative
    und zukunftsorientierte Stadt. Muss sich denn so etwas an
    einer so wichtigen Stelle nicht auch architektonisch aus-
    drücken? Das ist der Grund, weshalb ich meine, die Idee
    der zukunftsorientierten Form müsste eine Chance gegen-
    über historischen Bauten in einem Wettbewerb haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Es sind einige Argumente gefallen, die gegen unsere

    Position sprechen. Ich will sie kurz nennen. Das erste ist
    die Aussage – die sich auch in der Alternative A wieder-
    findet –, mit einer Teilrekonstruktion ließen sich private
    Gelder besser einbringen.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das ist so!)

    Diese Aussage ist richtig. Aber sie ist auch nachdenkens-
    wert, Herr Rexrodt. Ich möchte es etwas zuspitzen: Wenn
    wir moderne Architektur oder auch nur alternative Modelle
    deshalb ausgrenzen, weil sie möglicherweise kein Geld
    bringen – und das an einer Stelle, wo für die Zukunft gebaut
    wird – habe ich mit diesem Argument große Probleme.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Ein Argument unter vielen!)


    – Ja, aber ich darf es aufnehmen. Es steht im Antrag, lie-
    ber Herr Rexrodt. Deswegen muss man zu diesem Argu-
    ment auch Stellung nehmen.

    Es ist zu Recht gesagt worden, dass wir schon sehr
    lange über dieses Thema diskutieren. Aber wir haben jetzt
    durch diese Kommission zum ersten Mal richtige Rah-
    menbedingungen vorgelegt bekommen, nämlich die Ste-
    reometrie – früher war alles offen –, und wir haben jetzt
    etwas gemacht, was viele schon am Anfang gefordert ha-
    ben: Ehe wir über die Gestaltung reden, sollten wir erst
    einmal über den Inhalt, über die Nutzung reden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





    Eckhardt Barthel (Berlin)


    25133


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Dies ist jetzt gegeben. Insofern haben wir eine andere,
    eine neue Ausgangslage.



Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kol-
lege Barthel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kolle-
gen Vaatz? – Bitte.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Arnold Vaatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Barthel, Sie
    haben einen Vergleich zwischen der Dresdner Frauenkir-
    che und dem Berliner Stadtschloss angestellt. Darf ich
    diesem Vergleich entnehmen, dass Sie auch beim Aufbau
    des Berliner Stadtschlosses eine hundertprozentige pri-
    vate Finanzierung, wie sie im Fall der Frauenkirche in
    Dresden gegeben ist, ins Auge fassen?