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    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 24855 A Begrüßung einer rumänischen Parlamenta- riergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24858 D Zusatztagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Erleichterung der Bekämp- fung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit (Drucksachen 14/8221, 14/8288, 14/8625, 14/8957, 14/9630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24855 C Zusatztagesordnungspunkt 19: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Fünften Gesetz zur Änderung des Steu- erbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen (Drucksachen 14/8286, 14/8887, 14/9343, 14/9631) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24855 D Zusatztagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur Änderung futtermittelrechtli- cher Vorschriften sowie zur Änderung sonstiger Gesetze (Drucksachen 14/9034, 14/9249, 14/9532, 14/9632) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24856 A Zusatztagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten (OLG-Vertretungs- änderungsgesetz) (Drucksachen 14/8763, 14/9266, 14/9531, 14/9633) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24856 A Zusatztagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Geset- zes zur Neuregelung des Energiewirt- schaftsrechts (Drucksachen 14/5969, 14/9081, 14/9534, 14/9634) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24856 B Tagesordnungspunkt 22: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: 6. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den Auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen (Drucksache 14/9323) . . . . . . . . . . . . . 24856 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sklaverei weltweit verhindern (Drucksachen 14/8280, 14/9471) . . . . . 24856 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Plenarprotokoll 14/246 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 246. Sitzung Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 I n h a l t : Abgeordneten Hermann Gröhe, Monika Brudlewsky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Lage der Menschen- und Minderheitenrechte in Vietnam (Drucksachen 14/8483, 14/9484) . . . . . 24856 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Hermann Gröhe, Monika Brudlewsky, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Den Friedensprozess im Sudan in Gang setzen und nachhaltig fördern (Drucksachen 14/8481, 14/9485) . . . . . 24856 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Carsten Hübner, Petra Bläss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Konkrete Maßnah- men zur Stärkung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte er- greifen (Drucksachen 14/8502, 14/9486) . . . . . 24857 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24857 B Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24859 A Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24860 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 24862 B Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24863 D Heide Mattischeck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24864 D Monika Brudlewsky CDU/CSU . . . . . . . . . . 24866 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 24867 D Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24869 C Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Gerald Weiß (Groß-Gerau), Karl-Josef Laumann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kapitalteilhabe stärken – Vermögensbildungsförderung altersvor- sorgegerecht ausbauen (Drucksachen 14/6639, 14/9401) . . . . . . . 24870 B Silvia Schmidt (Eisleben) SPD . . . . . . . . . . . 24870 B Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . 24871 C Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24872 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24873 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . 24874 D Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . 24876 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24877 B Wolfgang Grotthaus SPD . . . . . . . . . . . . . . . 24878 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 24879 C Rainer Eppelmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24880 B Tagesordnungspunkt 24: a) Schlussbericht der Enquete-Kommis- sion: Globalisierung der Weltwirt- schaft – Herausforderungen und Antworten (Drucksache 14/9200) . . . . . . . . . . . . . 24881 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg-Otto Spiller, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Angelika Beer, Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Reform der internationalen Fi- nanzarchitektur – zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine mutige Reform des Internationalen Wäh- rungsfonds (IWF) – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Lötzer, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Reform der in- ternationalen Finanzarchitektur (Drucksachen 14/9359, 14/3861, 14/4069, 14/9590) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24881 C Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . . . . . 24881 D Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 24884 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24886 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24889 D Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24891 C Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . . 24892 D Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24894 B Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . . 24895 C Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24896 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002II Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24898 A Detlev von Larcher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24899 B Tagesordnungspunkt 25: a) Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Riegert, Peter Letzgus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zur umfassenden und nachhaltigen Förderung der Ent- wicklung des Sports in Deutschland (Drucksachen 14/7114, 14/8865) . . . . 24901 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Entschlie- ßungsantrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Friedrich Bohl, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/ CSU zu der Großen Anfrage der Abge- ordneten Klaus Riegert, Friedrich Bohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Sicherung der Zu- kunft der Vereine durch wirtschaftli- che und bürokratische Entlastung – Erhöhung der Gestaltungsmöglich- keiten und Freiräume (Drucksachen 14/3680, 14/5445, 14/8035, 14/9327) . . . . . . . . . . . . . . . . 24901 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: 9. Sport- bericht der Bundesregierung (Drucksachen 14/1859, 14/6122) . . . . 24902 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 10. Sportbericht der Bundesregierung (Drucksache 14/9517) . . . . . . . . . . . . . . . . 24902 A Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24902 A Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staats- sekretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24903 D Dr. Klaus Kinkel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24905 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24907 A Gustav-Adolf Schur PDS . . . . . . . . . . . . . . . 24909 A Dagmar Freitag SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24910 A Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 24910 C Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . . . . . . 24911 D Wieland Sorge SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24913 A Tagesordnungspunkt 26: Bericht des Petitionsausschusses: Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitions- ausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2001 (Drucksache 14/9146) . . . . . . . . . . . . . . . . 24914 D Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24915 A Klaus Hagemann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24916 A Hubert Deittert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24917 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24918 D Dr. Karlheinz Guttmacher FDP . . . . . . . . . . . 24920 C Gabriele Lösekrug-Möller SPD . . . . . . . . . . 24921 B Günter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24922 C Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24923 C Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24924 C Marion Seib CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24925 C Tagesordnungspunkt 27: a) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: For- schungsförderung in Deutschland (Drucksachen 14/7183, 14/8949) . . . . 24926 C b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2001 und Stellungnahme der Bundesregie- rung (Drucksache 14/9331) . . . . . . . . . . . . . 24926 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung der Energie- speicherforschung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gegen ein For- schungsverbot in der Gashydrat- forschung – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Faktenbericht For- schung 2002 zum Bundesbericht Forschung 2000 (Drucksachen 14/5576, 14/9392, 14/8040, 14/8829 Nr. 1.6, 14/9586) . . . . . . . . . . 24926 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 III d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Wimmer (Karlsruhe), Dr. Peter Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Dr. Reinhard Loske, Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mehr Frauen an die Spitze von Wissenschaft und For- schung – durch Gender Mainstrea- ming Frauen in Wissenschaft und Forschung stärken (Drucksachen 14/7627, 14/8509) . . . . . 24927 A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ressortfor- schung überprüfen – Effizienz der Forschung steigern (Drucksachen 14/5329, 14/8096) . . . . . 24927 A f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Walter Hirche, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Brennstoffzelle – Technik des 3. Jahrtausends – zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfolgen- abschätzung hier: TA-Projekt „Brennstoffzellen-Technologie“ (Drucksachen 14/8282, 14/5054, 14/9496) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24927 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Thomas Rachel, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Eine neue Offensive für eine moderne Forschungspolitik (Drucksache 14/9538) . . . . . . . . . . . . . . . . 24927 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wissenschaft und Forschung als Motor der gesell- schaftlichen Entwicklung und des wirt- schaftlichen Aufschwungs in Deutsch- land nutzen (Drucksache 14/9567) . . . . . . . . . . . . . . . . 24927 C Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24927 C Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24929 A Bärbel Sothmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24931 A Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24932 D Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Än- derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (5. StUÄndG) (Drucksache 14/9219) . . . . . . . . . . . . . . . . 24935 B Tagesordnungspunkt 29: Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Günther Friedrich Nolting, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Rechtssicherheit für die bewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte schaffen – ein Gesetz zur Mitwirkung des Deut- schen Bundestages bei Auslandsein- sätzen der Bundeswehr einbringen (Drucksache 14/9402) . . . . . . . . . . . . . . . . 24935 D Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24936 A Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 24936 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24938 C Tagesordnungspunkt 30: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabilitation für Mütter (Drucksachen 14/9035, 14/9563, 14/9611) 24940 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002IV zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder (Drucksachen 14/9031, 14/9585) . . . . 24940 A Tagesordnungspunkt 31: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Helga Kühn- Mengel, Hildegard Wester, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Monika Knoche, Christa Nickels, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Brustkrebs – Mehr Qualität bei Früherkennung, Versorgung und Forschung – Für ein Mammogra- phie-Screening nach europäischen Leitlinien (Drucksachen 14/6453, 14/9122) . . . . 24940 C b) Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Für ein Gesamtkonzept zur Verbesse- rung der Versorgung bei Brustkrebs (Drucksache 14/9099) . . . . . . . . . . . . . 24940 D Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Heidi Lippmann, Monika Balt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Deutsche Einheit in der Bundeswehr herstellen (Drucksache 14/8920) . . . . . . . . . . . . . . . . 24941 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 24941 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24942 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 24943 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Große Anfrage: Forschungsförderung in Deutschland – Unterrichtung: Bericht zur technologi- schen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2001 und Stellungnahme der Bundesregie- rung – Beschlussempfehlung und Bericht: – Förderung der Energiespeicherforschung – Gegen ein Forschungsverbot in der Gashydratforschung – Faktenbericht Forschung 2002 zum Bundesbericht Forschung 2000 – Beschlussempfehlung und Bericht: Mehr Frauen an die Spitze von Wissenschaft und Forschung – durch Gender Mainstreaming Frauen in Wissenschaft und Forschung stärken – Beschlussempfehlung und Bericht: Res- sortforschung überprüfen – Effizienz der Forschung steigern – Beschlussempfehlung und Bericht: – Die Brennstoffzelle – Technik des 3. Jahrtausends – Technikfolgenabschätzung: hier: TA- Projekt „Brennstoffzellen-Technologie“ – Antrag: Eine neue Offensive für eine mo- derne Forschungspolitik – Antrag: Wissenschaft und Forschung als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung und des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland nutzen (Tagesordnungspunkt 27 a bis f, Zusatztages- ordnungspunkte 15 und 16) . . . . . . . . . . . . . . 24944 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24944 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24946 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (5. StUÄndG) (Tagesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . 24947 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24947 C Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24948 A Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 24948 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24950 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . 24951 A Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24951 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Rechtssicherheit für die bewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte schaf- fen – ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bun- deswehr einbringen (Tagesordnungspunkt 29) 24951 D Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . 24951 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 24953 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 V Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabilitation von Müt- tern – Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Betreung und Pflege schwerstkranker Kin- der (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 24954 A Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24954 A Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24955 C Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24956 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24957 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24957 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24958 B Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . . 24959 A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Brust- krebs – Mehr Qualität bei Früherkennung, Versorgung und Forschung – Für ein Mam- mographie-Screening nach europäischen Leitlinien – Antrag: Für ein Gesamtkonzept zur Verbes- serung der Versorgung bei Brustkrebs (Tagesordnungspunkt 31 a und b) . . . . . . . . . . 24959 C Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 24959 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 24961 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24963 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24964 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24964 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . . 24965 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsche Einheit in der Bundeswehr herstellen (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . 24965 D Uwe Göllner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24965 D Kurt Palis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24967 B Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 24968 A Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24969 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24970 D Anlage 8 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24971 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002VI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 Wolfgang Gehrcke 24942 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24943 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 28.06.2002 Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 Gila DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 28.06.2002* Bierwirth, Petra SPD 28.06.2002 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2002 Bohl, Friedrich CDU/CSU 28.06.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 28.06.2002* Klaus Buwitt, Dankward CDU/CSU 28.06.2002* Dr. Däubler-Gmelin, SPD 28.06.2002 Herta Dr. Doss, Hansjürgen CDU/CSU 28.06.2002 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 28.06.2002 Friedrich (Altenburg), SPD 28.06.2002 Peter Dr. Grygier, Bärbel PDS 28.06.2002 Hartnagel, Anke SPD 28.06.2002 Hauser (Rednitz- CDU/CSU 28.06.2002 hembach), Hansgeorg Helling, Detlef CDU/CSU 28.06.2002 Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Hilsberg, Stephan SPD 28.06.2002 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Hoffmann (Chemnitz), SPD 28.06.2002 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 28.06.2002* Karl-Heinz Hornung, Siegfried CDU/CSU 28.06.2002* Hovermann, Eike Maria SPD 28.06.2002 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Irmer, Ulrich FDP 28.06.2002 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 28.06.2002 Kasparick, Ulrich SPD 28.06.2002 Körper, Fritz Rudolf SPD 28.06.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 28.06.2002 Koppelin, Jürgen FDP 28.06.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 28.06.2002 Dr. Küster, Uwe SPD 28.06.2002 Lange (Backnang), SPD 28.06.2002 Christian Lehn, Waltraud SPD 28.06.2002 Dr. Leonhard, Elke SPD 28.06.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 28.06.2002* Dr. Lippold CDU/CSU 28.06.2002 (Offenbach), Klaus W. Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 28.06.2002* Erich Mante, Winfried SPD 28.06.2002 Dr. Meyer (Ulm), SPD 28.06.2002 Jürgen Müller (Berlin), PDS 28.06.2002* Manfred Neumann (Bremen), CDU/CSU 28.06.2002 Bernd Neumann (Gotha), SPD 28.06.2002 Gerhard Nietan, Dietmar SPD 28.06.2002 Nolte, Claudia CDU/CSU 28.06.2002 Ost, Friedhelm CDU/CSU 28.06.2002 Ostrowski, Christine PDS 28.06.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 28.06.2002 Ronsöhr, CDU/CSU 28.06.2002 Heinrich-Wilhelm Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2002 Dr. Scheer, Hermann SPD 28.06.2002* Schily, Otto SPD 28.06.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht – Beschlussempfehlung und Bericht: – Förderung der Energiespeicherforschung – Gegen ein Forschungsverbot in der Gashy- dratforschung – Faktenbericht Forschung 2002 zum Bundes- bericht Forschung 2000 – Beschlussempfehlung und Bericht: Mehr Frauen an die Spitze von Wissenschaft und Forschung – durch GenderMainstreaming Frauen in Wissen- schaft und Forschung stärken – Beschlussempfehlung und Bericht: Ressortfor- schung überprüfen – Effizienz der Forschung steigern – Beschlussempfehlung und Bericht: – Die Brennstoffzelle – Technik des 3. Jahrtau- sends – Technikfolgenabschätzung: hier: TA-Projekt „Brennstoffzellen-Technologie“ – Antrag: Eine neue Offensive für eine moderne Forschungspolitik – Antrag: Wissenschaft und Forschung als Motor der gesellschaftlichen Entwicklung und des wirt- schaftlichen Aufschwungs in Deutschland nutzen (Tagesordnungspunkt 27 a bis f, Zusatztagesord- nungspunkte 15 und 16) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung Kohl hatte bei der Bildungs- und Forschungs- politik massiv gestrichen. Rot-Grün hat dagegen die Mit- tel sehr deutlich angehoben. Schwarz-Gelb versucht dies zu ignorieren und verspricht deutliche Mittelerhöhungen. Der FDP ist es sogar gelungen, beim Hochschulbau eine Mittelanhebung zu versprechen, die unter dem derzeiti- gen Mittelansatz liegt. War das nur ein Fehler oder will die FDP hier wirklich kürzen? Seit 1998 sind die Mittel für Bildung und Forschung um 21 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro gestiegen. Wir werden so weitermachen. Der Regie- rungsentwurf enthält eine weitere deutliche Steigerung auf 9,3 Milliarden Euro. Das Schlimmste, was diesem Lande passieren könnte, wäre, dass Schwarz-Gelb die Forschungspolitik der Vergangenheit wieder aufgreifen und die Mittel erneut kürzen würde. Unter Kohl und Rüttgers wurden zwischen 1993 und 1998 die Mittel um 358 Millionen Euro abgesenkt. Ich bin mir ganz sicher, dass Herr Rüttgers unsere Forschungsministerin Edelgard Bulmahn beneidet. Vermutlich drückt Herr Rüttgers Rot- Grün heimlich die Daumen und wer weiß, vielleicht tun dies auch einige Damen und Herren der Union und FDP in diesem Hause. Bei der Forschungspolitik darf es kein Zurück in die Vergangenheit geben. Im Folgenden nenne ich einige Erfolge unserer Politik, die deutlich machen, dass es am 22. September bei der rotgrünen Regierungs- verantwortung bleiben muss: Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm und dem Ver- netzungsfonds für erneuerbare Energien haben wir die nicht nukleare Energieforschung gestärkt. Die Forschung an neuen Reaktoren haben wir in Deutschland eingestellt. Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Schlee, Dietmar CDU/CSU 28.06.2002 Schloten, Dieter SPD 28.06.2002* Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 28.06.2002 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 28.06.2002* Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 28.06.2002 Andreas Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 28.06.2002 Schröder, Gerhard SPD 28.06.2002 Schultz (Everswinkel), SPD 28.06.2002 Reinhard Seehofer, Horst CDU/CSU 28.06.2002 Dr. Stadler, Max FDP 28.06.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 28.06.2002 Stetten, Wolfgang Dr. Struck, Peter SPD 28.06.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 28.06.2002 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 28.06.2002 DIE GRÜNEN Türk, Jürgen FDP 28.06.2002 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 28.06.2002 Wagner, Hans Georg SPD 28.06.2002 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 28.06.2002 Wieczorek (Duisburg), SPD 28.06.2002 Helmut Wohlleben, Verena SPD 28.06.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 28.06.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Große Anfrage: Forschungsförderung in Deutsch- land – Unterrichtung: Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2001 und Stel- lungnahme der Bundesregierung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224944 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Darüber hinaus haben wir erreicht, dass die For- schungsförderung für neue Atomkraftwerke europaweit auch im 6. Forschungsrahmenprogramm der Europä- ischen Union eingestellt wird. Wir haben dafür gesorgt, dass bei der Genehmigung des Neutronen-Forschungsreaktors München II nach Recht und Gesetz vorgegangen wird und keine politische Genehmigung ausgesprochen wird wie zum Beispiel da- mals unter Kohl bei dem längst stillgelegten Reaktor Mül- heim-Kärlich. Nur ein grünes Umweltministerium kommt garantiert seiner Aufsichtspflicht nach. Wer Gefälligkeits- bewilligungen möchte, sollte Schwarz wählen. Wir haben das erfolgreiche Forschungsprogramm für Pflanzenöltraktoren initiiert. Nur mit uns wird es ein Nachfolgeprogramm geben, in dessen Rahmen die neuen Traktoren auf Pflanzenöle umgestellt werden. Rot-Grün hat die Mittel für Technikfolgenabschätzung mehr als verdoppelt und die Mittel für Nachhaltigkeits- forschung um 44,3 Millionen Euro erhöht. Davon haben insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften pro- fitiert. Die Bundesregierung fördert die von der Union so ver- schmähte Friedensforschung wieder und hat die „Deut- sche Stiftung Friedensforschung“ gegründet. Wir stehen hier eindeutig im Kontrast zur FDP, die in ihrem Wahlpro- gramm eine Verstärkung der Rüstungsforschung fordert. Wir nehmen die Ängste vor dem Mobilfunk in der Be- völkerung ernst. Daher haben wir die Mittel für vorsor- gende Mobilfunkforschung verdreifacht. Die Mittel fließen in die Erforschung gesundheitlicher Gefahren und die Erforschung neuer Mobilfunktechniken mit weit nied- rigeren Strahlenemissionen. Gentechnik: Wir haben Mittel für Sicherheitsfor- schung und Ethik im Bereich der Gentechnik um 11,5 Millionen Euro erhöht und liegen damit an der Welt- spitze. Zudem haben wir uns erfolgreich für ein möglichst restriktives Stammzellengesetz eingesetzt, das den ver- brauchenden Embryonenschutz verbietet. Wir haben fraktionsübergreifend mit den meisten an- deren Fraktionen die Tötung von Embryonen für die Stammzellenforschung verhindert. Nur für die FDP spielt es leider keine Rolle, ob für die Stammzellenforschung Embryonen getötet werden oder nicht. Gesundheitsforschung: Auch die gentechnik-unabhän- gige Gesundheitsforschung – darunter die Vorsorge- und Pflegeforschung – hat deutlich zugelegt. 2002 werden 13,8 Millionen Euro mehr als 1998 ausgegeben. Wir haben ein Forschungsinstitut für ökologischen Landbau in Trenthorst in Schleswig-Holstein gegründet und die Forschung für den ökologischen Landbau ge- stärkt. Wir haben mit einer Vielzahl von Maßnahmen gezielt die Forschung in den neuen Bundesländern gefördert. Hervorheben möchte ich hier die Wettbewerbe „lnno-Re- gio“ und „Innovative regionale Wachstumskerne“ sowie das „Programm zur Förderung innovativer Forschungs- strukturen“. Wir haben die Gleichstellung von Frauen und Männern wieder zu einem großen gesellschaftlichen Reformprojekt und einem Schwerpunkt unserer Politik gemacht. Gender Mainstreaming haben wir sowohl im Bildungshaushalt als auch an den Forschungseinrichtungen durchgesetzt. Wir haben das Programm „Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“ mit jährlich 60 Millionen DM aufgelegt. Die Bundesregierung hat darüber hinaus neue Kompetenzzentren für die Frauenförderungen ge- schaffen. Hierzu zählen die Zentren Frauen in der Infor- mationsgesellschaft und Technologie sowie Frauen in Wissenschaft und Forschung. Hervorheben möchte ich auch das umfangreiche Programm „Anstoß zum Auf- stieg“, das zum Ziel hat, Frauen in Hochschulen und For- schungseinrichtungen auf Führungspositionen vorzube- reiten. Ich komme zu den Anträgen zu Methanhydraten: Die Diskussion um die Forschungsförderung für die energeti- sche Nutzung der Methanhydrate hat erneut deutlich ge- macht: Wir alle sind für die Grundlagenforschung bei Methanhydraten. Diese ist wichtig für die Klimafor- schung. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf. Wir wollen, dass die Methanhydrate auf dem Mee- resboden bleiben. Die Union und die FDP hingegen möchten die Methanhydrate nutzen ohne Rücksicht auf die Folgen für den Klimaschutz. Dies wird besonders deutlich in der Union-Pressemitteilung der Herren Wissmann und Börnsen vom Zehnten dieses Monats. Ich zitiere aus der Pressemitteilung der Union: „Die Ent- wicklung der Meerestechnik wird durch die rot-grüne Bundesregierung gehemmt, wenn sie Wissenschaft und Forschung unter das Diktat der Klima- und Umwelt- schutzziele stellt.“ Die Union und FDP gehen mit ihren Anträgen wissentlich und verantwortungslos gegen den Klimaschutz vor. Dies zeigt dem Wähler, dass er die Wahl hat zwischen rot-grüner Vorsorgepolitik oder einer schwarz-gelben Politik. Der Antrag der FDP zu Brennstoffzellen kann besten- falls mit gut gemeint bewertet werden. Brennstoffzellen werden sehr wahrscheinlich eine große Zukunft als de- zentrale Energieerzeugungstechnologie zur Strom- und Wärmeversorgung haben. Für den stationären Markt scheint sich die FDP aber nicht zu interessieren. Vielmehr sorgt sie sich um die Atomenergie. Sie kommt daher nicht zu der offen liegenden Erkenntnis, dass Brennstoffzellen Atomkraftwerke verdrängen werden. Nein, die FDP will Brennstoffzellen sogar mit Atomstrom betreiben. Dazu wären alleine im Verkehrssektor vermutlich über 100 zu- sätzliche Atomkraftwerke in Deutschland erforderlich. Aus dem Antrag der FDPmüssen wir entnehmen, dass sie dazu bereit ist, das politisch durchzusetzen. Wir freuen uns sehr auf diese Auseinandersetzung. Im Übrigen läuft der Brennstoffzellenantrag der FDP in großem Maße den Erkenntnissen der Brennstoffzellenstudie des Büros für Technikfolgenabschätzung zuwider. Ich möchte der FDP und allen wirklich Interessierten diese Studie sehr emp- fehlen. Ähnlich erheiternd ist der Antrag der FDP zur Energie- speicherung. Willkürlich wird hier ein Förderanteil für große zentrale Energieforschungstechnologien in Höhe Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24945 (C) (D) (A) (B) von 30 Prozent der Energieforschungsmittel gefordert. Leider sagt die FDP nicht, wo sie die Mittel einsparen will. Ich vermute, dass die FDP dabei an die von ihr un- geliebte Photovoltaik denkt. Oder an die von ihr bekämpfte Windenergie? Vielleicht auch an die Brenn- stoffzelle, die sie scheinbar nicht richtig ernst nimmt. Ich kann nur vermuten, dass das Lieblingsspielzeug der FDP, die Kernfusion, von Einsparungen verschont werden soll. Die FDP erklärt ebenfalls nicht, wieso sie gerade auf 30 Prozent kommt, unabhängig davon, wie hochwer- tig gerade die Forschungsprojekte sind, die in den einzel- nen Energieforschungsbereichen anstehen. Im Übrigen möchte ich auf Folgendes hinweisen. Würde die FDP ihre übrigen Anträge zur Energiepolitik ernst nehmen, bräuchte sie sich um die Energiespeicherung nicht zu kümmern. Die FDP tat alles, um Wind- und Sonnenener- gie zu bekämpfen. Wer dies so aggressiv wie die FDP tut, braucht sich um die Speicherung von Wind- und Solar- strom keine Gedanken zu machen. Wir hingegen nehmen die erneuerbaren Energien und die Brennstoffzellentech- nologie ernst. Deswegen haben wir in dieser Wahlperiode die Mittel für Speicherforschung unter anderem für Bat- terien und Wasserstoff deutlich erhöht. Die rot-grüne Zwischenbilanz kann sich sehen lassen. Wir haben die Forschung an dem Prinzip der Nachhaltig- keit ausgerichtet. Wir nehmen die Ergebnisse der Tech- nikfolgenabschätzung ernst und wir übernehmen damit Verantwortung für die Gesellschaft. Ich möchte der Union und der FDP ausdrücklich für ihre Anträge danken, die aufzeigen, dass die schwarz-gelbe Forschungspolitik nicht mehr zu bieten hat als die Konzepte der Vergangen- heit. Maritta Böttcher (PDS): Zur Beratung des Faktenbe- richts Forschung im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung haben SPD und Bündnis 90/ Die Grünen einen bemerkenswerten Entschließungs- antrag vorgelegt, der in die vorliegende Beschlussemp- fehlung eingegangen ist. Bemerkenswert ist er nicht des- halb, weil die Koalitionsfraktionen zunächst in einer Lobeshymne auf die Wohltaten der rot-grünen Bundesre- gierung anstimmen – daran haben wir uns schon gewöhnt. Ungewöhnlich ist es aber, dass SPD und Grüne darüber hinaus auf konkrete Defizite der bisherigen rot-grünen Forschungspolitik aufmerksam machen. So fordern die Koalitionsfraktionen beispielsweise von der Regierung einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz. In der Gesund- heitsforschung müsse Prävention und Gesundheitsfor- schung eine höhere Priorität erhalten. Die Energiefor- schung habe sich auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu konzentrieren. Durch zielgerichtete Pro- gramme seien Perspektiven für Forscherinnen und For- scher in den neuen Ländern zu eröffnen. All dies findet die Zustimmung der PDS. Ich respektiere das Eingeständnis der beiden Regierungsparteien, dass die Forschungspoli- tik der Bundesregierung eine Reihe von Schwachstellen aufweist. Eine kritische Lektüre des aktuellen Faktenberichts Forschung fördere jedoch noch weitere Probleme zutage, die in der Stellungnahme von SPD und Grünen nicht zur Sprache kommen. Beispiel erneuerbare Energien/ratio- nelle Energieverwendung: Warum werden im Jahr 2002 ausgerechnet in diesem Bereich von einer Regierung, die vorgibt, aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen zu wollen, die Forschungs- und Entwicklungsausgaben um 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt? Und warum stagnieren in diesem Jahr darüber hinaus die Ausgaben für nachhaltige Entwicklung, für sozial-ökologische For- schung und für Bildungsforschung? Warum wird die För- derung der Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaf- ten zurückgefahren? Die PDS ist der festen Überzeugung: Wir brauchen eine sozial-ökologische Umorientierung der Forschungspolitik; es ist das falsche Signal, aus- gerechnet im PISA-Jahr, den Aufwand für die Bildungs- forschung einzufrieren; unsere Gesellschaft ist auf Orientierungen durch eine solide geistes- und sozialwis- senschaftliche Forschung angewiesen. Nach der Bundes- tagswahl soll es nach dem Willen von SPD und Grünen nicht besser, sondern schlechter werden. Dies belegt ein Blick in den jüngsten Entwurf der Bundesregierung für Bundeshaushalt und Finanzplan. Mit Steigerungen des Bildungs- und Forschungsetats soll ab 2004 Schluss sein: Erstmals seit der Regierung Kohl soll der BMBF-Haus- halt wieder schrumpfen, und zwar um satte 2,8 Prozent. Die Kritik der PDS wiegt umso schwerer, als höchst umstrittene und früher von SPD und Grünen massiv kriti- sierte Forschungsbereiche jede Haushaltskonsolidierung ungeschoren überstanden haben. So können Weltraum- forschung und Weltraumtechnik auch unter einer sozial- demokratischen Ministerin seit 1998 kontinuierliche Zu- wächse verzeichnen. Fast 800 Millionen Euro werden Jahr für Jahr im All verpulvert – elfmal so viel, wie für die Bildungsforschung ausgegeben wird. Investitionen in Ra- keten statt in die Köpfe, scheint auch die Devise von Rot- Grün zu lauten. Richtig ist: Die Struktur der deutschen Forschungs- landschaft bedarf einer grundlegenden Überprüfung. An- zuerkennen ist: Durch Einführung der Programmsteue- rung bei den HGF-Großforschungseinrichtungen hat die Bundesregierung die ersten Schritte zu einer Neuordnung eingeleitet. Die Chance des neuen Förderinstruments sehe ich darin, dass der politische Gestaltungsanspruch von Politik und Gesellschaft gestärkt werden könnte. Es geht in der Forschungspolitik um ein angemessenes Verhältnis zwischen staatlicher Steuerung, wissenschaftlicher Auto- nomie und der Einflussnahme von gesellschaftlichen Ak- teuren. Die SPD selbst hat dieses Leitbild vor zehn Jahren in einem Antrag „Zur Zukunft der Großforschungsein- richtungen“, Bundestagsdrucksache 12/2064, formuliert, von dem sie heute nichts mehr wissen will: Parlamente, Gewerkschaften und Umweltverbände bleiben im Prozess der Programmsteuerung der Großforschungseinrichtun- gen außen vor. Die Strukturreform der Bundesregierung zielt nicht auf eine Demokratisierung, sondern auf eine Ökonomisierung der Forschungsförderung ab, vorhan- dene wissenschaftliche Kapazitäten werden nicht pro- duktiv umgesteuert, sondern substanziell gefährdet. Schließlich ist die Gefahr nicht ausgeräumt, dass die Pro- grammsteuerung mit einer weiteren Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen des Forschungspersonals ein- hergeht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224946 (C) (D) (A) (B) Die PDS unterstützt die Forderung der Gewerkschaf- ten, endlich auch allen Beschäftigten in Wissenschaft und Forschung tarifvertraglichen Schutz zu gewährleisten. Ob die Tarifpartner dies im Rahmen eines neuen Tarifvertrags Wissenschaft leisten oder unter dem Dach des guten alten BAT, ist allein ihre Sache. Die Politik darf sich in diese Frage nicht einmischen. Ihre Aufgabe ist es jedoch, Ar- beitgebern und Gewerkschaften überhaupt den recht- lichen Spielraum für Tarifverhandlungen zu eröffnen. Die PDS hat daher bereits zweimal – in Änderungsanträgen zur fünften und zur sechsten HRG-Novelle – eine Öff- nung der Tarifsperre im Hochschulrahmengesetz bean- tragt. Leider vergeblich: SPD und Grüne konnten sich le- diglich zu einer eingeschränkten Experimentierklausel für einzelne Fachrichtungen oder Forschungsbereiche durch- ringen. Ein flächendeckender Tarifvertrag ist weiterhin ausgeschlossen. In Sachen Wissenschaftstarif ist erneut die Bundesregierung am Zug. Mit der Art und Weise der Beratung des Antrags von SPD und Grünen zum Gender Mainstreaming in Wissen- schaft und Forschung machen Sie deutlich, wie man nach den Prinzipien des Gender Mainstreaming gerade nicht mit den Belangen von Frauen umgehen sollte: das Thema Frauenförderung einfach in letzter Minute an eine Debatte anhängen und in den zentralen Vorlagen zur Forschungs- politik souverän ignorieren. Gender Mainstreaming ernst nehmen heißt, Chancengleichheit als durchgehendes Leit- prinzip in allen Politikbereichen zu verankern. Weder der vorgelegte Faktenbericht noch die zu beratenden Anträge vermochten dies auch nur in Ansätzen zu leisten. „Chan- cengleichheit für Frauen“ – dieses Stichwort taucht in Ihrem Bericht in Form eines kurzen Abschnitts im Kapi- tel „Übrige, anderen Bereichen nicht zugeordnete Akti- vitäten“ auf – deutlicher könnte nicht ausgedrückt wer- den, dass der Grad der Realisierung von Gender Mainstreaming in der Forschungspolitik gegen null ten- diert. Der Bericht erschöpft sich schließlich in einigen we- nig aussagekräftigen Angaben zum Frauenanteil am For- schungspersonal. Dabei sind längst sehr viel präzisere Daten der BLK zugänglich. Was diese Zahlen belegen, ist verheerend: Der Frauenanteil bei den Führungspositionen an Forschungseinrichtungen in den alten Bundesländern liegt zum Beispiel bei nur zwei Prozent. In diesem Be- reich steht die rot-grüne Gleichstellungspolitik noch ganz am Anfang. Die Bundesregierung hat es versäumt, bei der Reform des Hochschuldienstrechts zu einem wirklichen Durch- bruch bei der Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Forschung zu kommen. Warum hat Bundesministerin Bulmahn die Vergabe der Fördermittel für Juniorprofes- suren nicht mit der verbindlichen Auflage verbunden, dass die Hochschulen die Hälfte ihrer Juniorprofessuren mit Frauen besetzen müssen? Das fragt sie nicht nur die PDS, sondern auch die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen. Es kann sie doch nicht ernstlich überraschen, dass ein freundliches Rundschreiben an die Hochschulleitungen nicht aus- reicht. Die Bundesregierung ist Weltmeister im Schreiben blumiger Anträge und Berichte. Doch die kritische Öf- fentlichkeit ist an nüchternen Daten und Fakten interes- siert. Der haben Sie 1998 einen Politikwechsel verspro- chen, sind aber beim Regierungswechsel stehen geblie- ben. Die PDS wird weiter auf einer qualitativen, sozial-ökologischen Veränderung der Forschungspolitik bestehen, in der auch die Interessen von Frauen nicht un- ter den Tisch fallen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (5. StUÄndG) (Tagesordnungspunkt 28) Dieter Wiefelspütz (SPD): Es gibt im Deutschen Bundestag eine breite Übereinstimmung, dass eine No- velle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes notwendig ist. Dies belegen der Gesetzentwurf der Koalition und die Ände- rungsanträge der Opposition. Im Bundestag und außerhalb des Bundestags existiert ein breiter Konsens, dass § 14 StUG gestrichen werden sollte. Wir wollen nicht dazu beitragen, dass auch nur Teile der Stasi-Akten unwiderruflich zerstört werden. Es ist vielmehr unser gemeinsames Ziel, die Stasi-Akten zu vervollständigen. Denken Sie an die Rosenholz-CDs, an die Wiederherstellung vorvernichteter Akten und der Ein- gliederung vagabundierender Aktenteile in den Bestand der Birthler-Behörde. Umstritten ist hingegen, ob und vor allem in welchem Umfang die Stasi-Akten von Personen der Zeitgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich sein können. Ja, über diese Fragen darf man, muss man intensiv ringen, wenn nötig auch streiten. Davon zeugen zwei öffentliche Anhörungen vor dem Innenausschuss und eine intensive, dem Gegen- stand angemessene Beratung vorgestern im Innenaus- schuss des Bundestages. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen unseres Kollegen Dr. Kohl nicht das letzte Wort sein kann. Ich betone: Das Urteil kritisiere ich nicht; den Kläger kritisiere ich nicht. In einem Rechtsstaat darf jeder klagen, ohne Ansehen der Person. Wenn das Bundesverwaltungsgericht allerdings das StUG so versteht, dass die gesamte Stasi-Akte einer Person der Zeitgeschichte ohne Zustimmung des Betroffenen ge- schlossen bleibt, dann muss nach meiner Überzeugung der Wortlaut des StUG geändert werden. Andernfalls wür- den die Intentionen, die mit dem Gesetz von Anfang an verfolgt werden, auf den Kopf gestellt. Ja, Opferschutz hat Vorrang. Menschen dürfen nicht instrumentalisiert werden. Die Stasi darf nicht mehr als zehn Jahre nach ihrem Untergang erneut Menschen zu Opfern machen. Dazu dürfte der Bundestag niemals seine Hand reichen. Der Opferschutz darf und muss äußerstenfalls so weit rei- chen, wie die Person der Zeitgeschichte Opfer gewesen ist. Da, wo Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht er- kennbar sind, wo jemand nicht Opfer ist, kann und muss die Akte öffentlich zugänglich sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24947 (C) (D) (A) (B) Die nicht immer einfache Abgrenzung wird nach der neuen Fassung des § 32 StUG durch eine Abwägung vor- genommen. Danach wird in Zukunft die Akte einer Person der Zeitgeschichte auch ohne ihre Zustimmung so weit öf- fentlich zugänglich sein, soweit überwiegende schutzwür- dige Interessen dieser Person nicht beeinträchtigt werden. Bei der Abwägung der schutzwürdigen Interessen sind insbesondere Inhalt und Art der Informationserhebung von Bedeutung. Personenbezogene Informationen, die von der Stasi erkennbar durch Drohung, Folter, Lauschangriffe, Bruch des Fernmeldegeheimnisses oder ähnliche schwere Rechtsverletzungen erhoben wurden, dürfen nur mit Zustimmung des Betroffenen der Öffent- lichkeit zugänglich gemacht werden. Wir haben darüber eindringlich im Innenausschuss gesprochen. Ich verweise auf meine Ausführungen dort. Die Interessenlage der Per- son der Zeitgeschichte muss umfassend gewürdigt wer- den. Dem dient das Verfahren nach § 32 a StUG. Dieser „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ ist längst Praxis der Birthler-Behörde. Er erhält jetzt eine gesetzliche Grund- lage. Sylvia Bonitz (CDU/CSU):Die heute anstehende Än- derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bringt mich per- sönlich in einen Zwiespalt: Zum einen halte ich die Auf- arbeitung der SED-Diktatur und des Unrechtsregimes der DDR für eine historisch bedeutsame Pflicht. Denn allzu schnell hat sich der Mantel des Vergessens oder gar des Beschönigens und Verklärens über dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte gelegt. Auch endet der Geschichts- unterricht allzu häufig mit der Darstellung von National- sozialismus und Zweitem Weltkrieg. Die menschen- verachtende und entwürdigende Behandlung der Bürgerinnen und Bürger im SED-dominierten „Schnüf- fel-Staat“ DDR wird mitunter leider gar nicht oder nur am Rande behandelt. Insofern habe ich ein elementares Interesse daran; dass die Stasi-Unterlagen soweit, wie es nur irgend möglich ist, für Wissenschaft und Forschung geöffnet bleiben. Dieses gilt umso mehr, als zahlreiche Dokumente, die die Ma- chenschaften und Täterstrukturen der Stasi belegen könn- ten, immer noch nicht rekonstruiert und ausgewertet wor- den sind. Zum anderen bin ich in besonderer Weise den Opfern der Stasi verpflichtet, die – ganz gleich, ob in Ost oder West – als Objekt staatlicher Schnüffelei und Repressa- lien missbraucht und entehrt wurden. Würden Informa- tionen, die durch die Stasi in grundrechtswidriger Weise gewonnen wurden, gegen den ausdrücklichen Willen der Opfer herausgegeben werden, so wäre dies ihre erneute, diesmal öffentliche Vergewaltigung. Als Abgeordnete eines demokratischen Rechtsstaates will ich bei einem solchen Tun nicht zum Handlanger werden. Dies gilt auch für die Behandlung von Personen der Zeitgeschichte. Gewiss, diese müssen sich schon auf- grund des geltenden Presserechtes einige Einschränkun- gen ihrer Rechte gefallen lassen. Aber auch sie dürfen nicht völlig schutzlos gestellt werden, wenn es um die Preisgabe von Informationen geht, die mit rechtswidrigen Methoden gewonnen wurden. Ich bin mir bei meiner heutigen Entscheidung schmerzlich bewusst, dass aus dem Gedanken des Opfer- schutzes heraus Restriktionen erforderlich sind, die leider auch einen Personenkreis begünstigen, der am schamlo- sesten von unserem Rechtsstaat profitiert: Es sind dieje- nigen, die bislang als Täter noch unentdeckt geblieben sind und bei denen der Nachweis ihrer Täterschaft erst durch eine noch ausstehende umfangreiche wissenschaft- liche Forschung erbracht werden kann. Gerade diese Denunzianten und Schmarotzer des DDR-Unrechtsregimes könnten sich bis zum Beweis des Gegenteils als vermeintliche Opfer tarnen und darauf hof- fen, dass ihre Täterschaft aufgrund eingeschränkter wis- senschaftlicher Recherchemöglichkeiten für immer uner- kannt bleibt. Das wäre in der Tat bitter, gerade auch aus der Sicht ihrer Opfer, die vielfach heute noch unter einem schlimmen persönlichen Leidensdruck stehen. Gerade dieser Respekt vor den Opfern ist es jedoch, der mich persönlich zwingt, den Opferschutz stärker zu ge- wichten und die bislang unerkannten Täter der Stasi einer anderen, einer höheren Gerechtigkeit zu überantworten. Würde ich dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen zu- stimmen, so würden die Herren Honecker und Mielke sowie ihre skrupellosen Schergen heute erneut über ihre Opfer und über unseren Rechtsstaat triumphieren. Aus diesem Grunde werde ich dem Gesetzentwurf von Rot- Grün meine Zustimmung verweigern. Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU): Zehn Jahre nach seiner Verabschiedung steht das Stasi-Unterlagen- Gesetz vor seiner wohl größten Belastungsprobe. Die Aufgeregtheit dieser Tage über die Auswirkungen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes zur Verwendung von Stasi-Unterlagen für Forschung und Medien, droht die großartige Akzeptanz des Stasi-Unterlagen-Gesetzes in den Hintergrund zu drängen. Dabei sind die Verursacher der manchmal etwas schie- fen Diskussion politisch sehr breit gestreut. Da wird von dem einen ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit dem politischen Erbe der DDR gefordert. Es wird sugge- riert, dass „der im Osten Aufgewachsene im Zweifel an- hand der Stasi-Akten belegen muss, dass er kein Täter war, während der geborene Westdeutsche diesbezüglich nur Opfer war“. Andere nahmen diesen politischen Ball gern auf und begrüßten die Äußerungen: „Das ist ja fast wortwörtlich so, wie ich das schon vor Jahren gesagt habe. Man kann die Schatten der DDR Vergangenheit nicht auf das MfS und seine Akten reduzieren. Da kommt man schon ins Staunen.“ zitiere ich einen Kommentar von PDS-Frakti- onschef Roland Claus. Er kommentierte übrigens eine Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 11. März dieses Jahres gegenüber der „Leipziger Volks- zeitung“. Kein Wunder, dass zusätzlich auch die PDS Bundesvorsitzende Gabi Zimmer die Äußerung des Bun- deskanzlers ausdrücklich begrüßte. Ein weiterer analysierte: „Die Zeit der Regelanfrage bei der Behörde ist vorbei. In Zukunft sollten Überprü- fungen nur noch im konkreten Verdachtsfalle erfolgen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224948 (C) (D) (A) (B) oder bei besonders herausgehobenen Funktionen.“ Diese Analyse provozierte gleich einen ganzen Sturm von Re- aktionen. Der Kollege Schulz von den Grünen meinte hierzu, der Analyst sei „ahnungslos“. Man könne nicht pauschal sa- gen, dass Stasi-Informanten zwangsläufig wegen ihrer veröffentlichten Akten im wiedervereinigten Deutschland gestrauchelt seien. Im Bundestag würden beispielsweise etliche IMs sitzen, welche demokratisch gewählt seien. Das Bürgerkomitee Leipzig betonte, mit dieser Äuße- rung reihe sich der Autor, nämlich kein geringerer als un- ser Kollege Wolfgang Thierse, in den Kreis der Schluss- strich-Protagonisten ein. Ich zitiere weiter: „Wenn der Bundestagspräsident eine solche Schlussfolgerung aus dem Urteil zieht, dann hat er es entweder nicht verstanden oder nutzt es bewusst, um Polemik zu verbreiten.“ Diese Diskussion könnte ich noch um viele Seiten Zi- tate von halbrichtigen, halbfalschen, richtigen und falschen Informationen aus vielen politischen Richtungen erweitern. Die Art der Diskussion hat auch zur absoluten Verwirrung der Öffentlichkeit geführt. Ich kann hier nur zu Besonnenheit und Augenmaß und zu einer realistischen Beurteilung der tatsächlichen Fak- ten raten: Wirklich betroffen von dem Urteil sind etwa 80 Prozent der 1 700 vorliegenden Anträge von For- schung und Medien. Alle anderen Teile der Arbeit der Stasi-Unterlagen- Behörde werden durch die Urteile überhaupt nicht tan- giert. So kann das Herzstück des Gesetzes, die Aktenein- sicht für die ehemals bespitzelten Bürger, genauso weitergehen wie bisher. Auch die Informationen der Behörde an öffentliche und nicht öffentliche Stellen für die vielfältigen im Gesetz genannten Verwendungs- zwecke werden wie bisher fortgeführt. Fragen der Reha- bilitierung, rentenrechtliche Probleme, Informationen an Strafverfolgungsbehörden über Straftaten und Verbre- chen, die im Zusammenhang mit dem SED-Regime be- gangen worden sind, werden ungeschmälert fortgeführt. Soweit es noch einen Bedarf für eine Überprüfung auf eine frühere Stasi-Mitarbeit gibt, kann auch diese weiter- geführt werden. Ob diese Überprüfung allerdings tatsäch- lich vorgenommen wird, richtet sich allein danach, ob die anfragende Stelle dies wünscht. Ein Zusammenhang mit den Urteilen und einem Ende der Überprüfungspraxis, wie vom Bundeskanzler und vom Bundestagspräsidenten hergestellt, gibt es jedenfalls überhaupt nicht. Die Überprüfungsmöglichkeit auf eine MfS-Mitarbeit besteht nur noch bis zum 20. Dezember 2006. Danach darf eine Stasi-Mitarbeit nicht mehr vorge- halten werden. Der deutsche Bundestag wäre gut beraten, mit Blick auf dieses Datum, etwa in der Mitte der nächsten Legisla- turperiode, endgültige Regelungen für die Endlagerung des Stasiaktenbestandes zu treffen. Aktuellen Regelungsbedarf haben wir aber jetzt in je- dem Fall zum § 14 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Wenn nichts geschieht, tritt am 31. Dezember 2002 die Vernich- tung oder Schwärzung von Originalunterlagen in Kraft. Für die Entscheidungsfindung meiner Fraktion war die Einschätzung der Sachverständigen und der Opferver- bände bei der Anhörung des Innenausschusses sehr wich- tig. Das Fazit ist: Wir können den § 14 ersatzlos streichen, ohne dass der Opferschutz darunter leidet. Der Innenaus- schuss hat diese Streichung deshalb auch einstimmig empfohlen. Ich finde es richtig und gut, dass durch das Urteil der Persönlichkeitsschutz der Bespitzelten und Abgehörten verstärkt wird, auch wenn diese Bespitzelten Politiker, Amtsträger oder Personen der Zeitgeschichte sind. In der Urteilsbegründung wird die Entstehungsge- schichte des Stasi-Unterlagen-Gesetzes herangezogen. Vollkommen korrekt wird dargestellt, dass Politiker und Personen der Zeitgeschichte, wenn sie Betroffene oder Dritte sind, keineswegs weniger geschützt werden dürfen als sonstige Betroffene. Damit ist die auch von mir seit langem vertretene Interpretation von den Verwaltungsge- richten als korrekt anerkannt worden. Keinesfalls dürfen die Grundsätze der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte durch neue gesetzliche Bestim- mungen in ihr Gegenteil verkehrt werden. Das klare Pri- mat des Opferschutzes darf nicht relativiert werden. Die- ser Anforderung wird der rot-grüne Gesetzentwurf nicht gerecht. In der Anhörung am Montag sind sogar „massive verfassungsrechtliche Bedenken“ vorgetragen worden. Der Gesetzentwurf stelle Opfer und Täter gleich und verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Per- sönlichkeitsschutz. Jochen Gauck hatte uns in der Anhörung noch einmal eindringlich gemahnt, den fraktionsübergreifenden Kon- sens nicht leichtfertig auf dem Altar des Wahlkampfes zu opfern. Recht hat er. Dies ist auch der Grund, warum ich bis zur letzten Minute versucht habe, jede Chance zu nut- zen, um doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Wir haben uns deshalb auch für die Beratungen im Innenausschuss einen Formulierungsvorschlag des Bundesdatenschutzbeauftragten zu Eigen gemacht und zur Abstimmung gestellt. Aber nichts hat geholfen. Das von SPD und Grünen einst mit Stolz verkündete „Grundrecht auf informatio- nelle Selbstbestimmung“ wird jetzt offensichtlich als nicht mehr so wichtig angesehen. Wir wollen eine Regelung, welche die Verwendung von sämtlichen offenkundigen Informationen auch von Personen der Zeitgeschichte, Politikern und Amtsträgern für Aufarbeitung und Medien ermöglicht. Ebenso sollen die Unterlagen genutzt werden, die keine personenbezo- genen Informationen enthalten. Wir stimmen auch der Einführung eines neuen § 32 a zu, der eine Information des Betroffenen über die heraus- zugebenden Unterlagen vorsieht. Im Gegensatz zur rot- grünen Koalition wollen wir allerdings dem Betroffenen hierbei das Recht der letzten Entscheidung geben. Sollte der Betroffene nicht von der Behörde überzeugt werden, dass er einer Herausgabe an Medien oder für die For- schung in Gänze oder in Teilen zustimmt, hat er in jedem Fall das letzte Wort. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24949 (C) (D) (A) (B) Zur besonders sensiblen Frage, ob wir nicht verhindern können, dass sich Hilde Benjamin und andere prominente Systemträger der DDR als juristische Trittbrettfahrer betätigen können, hatte Dr. Jacob eine verfassungsfeste Lösung vorgeschlagen. Durch diese Lösung wäre die Nutzung von Unterlagen von solchen Personen, die das staatliche oder gesell- schaftliche Herrschaftssystem der DDR in herausgehobe- ner Position aktiv mitgetragen oder unterstützt haben, er- möglicht worden. Zu diesem sinnvollen Vorschlag ist sofort ein immer noch wirksames Totschlagargument ak- tiviert worden: Damit würde eine neue Ost-West-Tren- nung vorgenommen werden. Auf eine entsprechende Frage des Kollegen Özdemir war es wieder Joachim Gauck, der uns in der Anhörung ins Stammbuch schrieb: „Es würde jedoch einen Fort- schritt bringen, Herr Özdemir, wenn diese Funktionsträ- ger eines nicht demokratischen Systems als eine extra Personengruppe qualifiziert würden. Es ist ja nicht so, dass wir diese Qualifizierung nachträglich schaffen, son- dern sie liegt auf der Hand. Es ist nicht jeder persönlich, moralisch oder strafrecht- lich belastet; aber alle sind strukturell belastet, weil sie ein gegen die Normen des Rechtsstaates gerichtetes System auch gegen die Interessen ihrer eigenen Staatsinsassen an- gewendet haben. Das macht sie zu Personen, die einen an- deren politischen Charakter als die Funktionsträger des Rechtsstaates haben.“ Im Übrigen ist hier jede Menge Heuchelei im Spiel: Das Stasi-Unterlagen-Gesetz wimmelt von faktischen Ost-West-Unterscheidungen. Eine Reihe von Personen- gruppen gab es nur in der DDR und nicht in der Bundes- republik Deutschland. Ich nenne hier nur beispielhaft: Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter, Mitglieder der K 1 oder Begünstigte, die von der Stasi erhebliche berufliche Vor- teile erhalten hatten. Ausgerechnet in dieser wichtigen Frage die Ost-West-Karte auszuspielen, ist der billige Ver- such, Vorurteile zu schüren. Bei aller politischen Kontroverse sollten wir den Be- reich, in dem wir einig sind, auch separat abstimmen. Ich beantrage hiermit formell die gesonderte Abstimmung über eine Streichung des § 14. Trotz der Rückschläge in diesen Tagen wollen wir uns weiterhin um eine Zusam- menarbeit im Rahmen der Koalition der Vernunft bemühen. Die große Akzeptanz des StUG ist vor allem er- reicht worden, weil es in der Vergangenheit zu Problem- bereichen eben keinen kleinkarierten parteipolitischen Streit gab. Wir sind zu einer Erneuerung der Zusammen- arbeit bereit. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der nunmehr zustande gekommene Gesetzentwurf der Koali- tion ist auch nach der Verständigung mit der FDP abge- wogen und für alle Beteiligten akzeptabel. Er greift viele Vorschläge und Überlegungen der Anhörung des Innen- ausschusses des Bundestags vom April auf und setzt diese um. Er beseitigt die Missverständlichkeit der Formulie- rung in § 32 StUG, die uns die Urteile des Verwaltungs- gerichts Berlin und des Bundesverwaltungsgerichts im Fall Kohl eingebrockt haben. Der Koalitionsentwurf sieht eine Änderung des § 32 StUG selbst und die Einfügung eines neuen § 32 a StUG vor. Dieser von uns im Parlament eingebrachte Gesetz- entwurf, Bundestagsdrucksache 14/19290, stellt für die Zukunft die Herausgabe von personenbezogenen Infor- mationen über Personen der Zeitgeschichte und Inhabern politischer Funktionen sicher. Wir greifen die Richtlinie der Behörde der Bundesbeauftragten auf und schreiben faktisch deren Wesensgehalt im Gesetz fest. Ich weiß, dass diese Richtlinie vonseiten der Aufarbeitungsinitiati- ven durchaus auch kritisch gesehen wird, weil sie die Ak- teneinsicht für die Antragsteller schwieriger und langwie- riger macht. Nach dem Stand der Rechtsprechung und nach dem Stand der politischen Debatte ist diese Richtli- nie aber unumgänglich, um die Zweckbindung bei der Herausgabe zu präzisieren und den Betroffenen durch In- formation besser einzubinden. Scheitert das Gesetz in dieser Legislaturperiode an der Verzögerungstaktik der Union in Bundestag und Bundes- rat, würden auch weiterhin die Inhaber politischer Funk- tionen und Amtsträger in jedem Falle selbst darüber ent- scheiden können, welche Informationen über ihre amtliche Tätigkeit in den Prozess der wissenschaftlichen oder publizistischen Aufbereitung der Stasi-Tätigkeit fließen und welche nicht. Ein Bürgermeister oder ein Schulleiter oder ein Richter können im Schlepptau des Urteils zu Helmut Kohl die Weitergabe sperren. Dies kann und darf nicht geschehen. Für die Wissenschaft wäre eine Fortdauer der durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hervorge- rufenen Sperre des Zugangs eine erhebliche Blockade. Faktisch wären wichtige Bereiche der Geschichte so sehr geschwärzt, dass die Arbeitsweise der Stasi nicht mehr nachvollziehbar wäre. Beispiel: Maßnahmebefehle, um die Stimmung in bestimmten Personengruppen in Erfah- rung zu bringen. Wie soll der Aufarbeitungsprozess funk- tionieren, wenn alle genannten Personen und ihre Funk- tion nicht mehr kenntlich sein dürfen? Der Gesetzentwurf regelt neben dem § 32 StUG noch einen weiteren wichtigen Bereich, die Aufhebung des An- spruchs auf Anonymisierung der Akten in § 14 des Geset- zes. Auch hier warnen uns Archivare und Wissenschaftler mit Nachdruck, Akten zu schwärzen und damit zu ver- nichten, weil sie personenbezogene Informationen ent- halten. Als dieser Anspruch mit einer Frist ins Gesetz ge- schrieben wurde, konnte niemand ahnen, dass auch nach zehn Jahren längst nicht alle Unterlagen aufgearbeitet wurden. Würde die Anonymisierung zum Jahresende Pflicht werden, wäre die Einsicht von Betroffenen in ihre Akten behindert, weil Daten Dritter in diesen Akten ge- schwärzt werden müssten. Eine Verschleppung der Ge- setzesänderung an dieser Stelle wäre verheerend. Ich möchte noch einmal auch im Namen der Opferver- bände an die Union und an die Bundesländer appellieren, den Weg für die Rückkehr in die Koalition der Vernunft offen zu halten. Die mahnende Stimme der Initiativen und der Verbände der Opfer des SED-Regimes sollten ihre Wirkung nicht verfehlen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224950 (C) (D) (A) (B) Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): Wir stimmen der Streichung des § 14 StUG ohne Wenn und Aber zu und sind auch bei der vorgeschlagenen Verfahrensregelung in § 32 a StUG durchaus konsensbereit. Hinsichtlich des § 32 hatten die Sachverständigen der Koalition ins Stammbuch geschrieben, dass die gewählte Form erheb- liche verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken aufwerfe. Der ursprüngliche Entwurf war daher mit den Liberalen nicht zu machen. Für uns hat der Opferschutz Priorität. Deshalb hatten wir einen auf die Sicherung des Opferschutzes abstellenden Änderungsantrag vorgelegt. Nun haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen je- doch in Richtung dieses FDP-Vorschlags bewegt. Wir hal- ten gerade in Sachen Stasi-Unterlagen einen fraktions- übergreifenden Konsens der Demokraten nach wie vor für notwendig. Nur so erlangt die Änderung des Stasi-Unter- lagen-Gesetzes die Autorität, die für eine gesamtgesell- schaftliche Akzeptanz der Novellierung unerlässlich ist. Deshalb haben wir uns mit der Regierungskoalition auf eine Neuformulierung des § 32 StUG geeinigt, die Opfer- schutzrechte weitestgehend berücksichtigt. Die Birthler-Behörde muss zukünftig bei ihrer Ent- scheidung über die Herausgabe von Akten exakt zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und dem Informationsrecht der Öffentlichkeit abwägen. Bei der Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die In- formationserhebung erkennbar auf einer Menschen- rechtsverletzung beruht. Von besonderer Bedeutung sind dabei Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmelde- geheimnis, in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder in das Berufsgeheimnis. Wird die Verletzung von Menschenrechten im Rahmen der Abwägung festgestellt, hindert dies die Aktenheraus- gabe. Von der Herausgabe per se ausgeschlossen sind In- formationen, die unter der Anwendung von Folter erlangt worden sind. Aus Sicht der Liberalen sind damit die Op- ferrechte hinreichend berücksichtigt und – im Vergleich zum bisherigen Vorschlag von Rot-Grün – weitgehend ge- stärkt worden. Petra Pau (PDS): Die PDS wird sich bei der Abstim- mung über diesen Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Der Gesetzentwurf greift zwar wichtige Forderungen auf, die im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundes- verwaltungsgerichts über die Klage von Helmut Kohl ge- gen die Herausgabe ihn betreffender Stasi-Akten erhoben worden sind. Insbesondere werden in ihm Anregungen umgesetzt, die von mehreren Sachverständigen auf An- hörungen des Bundestags-Innenausschusses zu diesem Thema vorgebracht wurden. Gleichwohl trägt der Gesetz- entwurf nicht in ausreichendem Maße den schwerwie- genden datenschutz- und verfassungsrechtlichen Beden- ken Rechnung, die mehrere Sachverständige in der Diskussion erhoben haben. Die PDS verkennt nicht den Novellierungsbedarf. Sie betont ihn sogar ausdrücklich. Aber jetzt wird wieder von der Regierungskoalition ein Gesetzentwurf durch die Gremien gejagt, ohne dass man sich Zeit genommen hätte, saubere und tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir werden in der 15. Legislaturperiode deshalb erneut über den Problemkomplex Stasi-Unterlagen beraten müssen. Dabei kommt es der PDS auf folgende Gesichtspunkte, die wir auch in einem Entschließungsantrag hervorgeho- ben haben, ganz besonders an: Das Änderungsgesetz kann nur den Einstieg in eine weitere Novellierung des StUG mit dem Ziel seiner schrittweisen Überführung in die Ar- chivgesetzgebung darstellen. Opfern der Ausspähung durch das MfS muss weiterhin ein uneingeschränktes Recht auf Einsicht in ihre Akten zugesichert werden. Per- sonenbezogene Informationen, die die Privatsphäre be- treffen, müssen in jedem Fall – unabhängig davon, wel- che Fallgruppe nach dem StUG betroffen ist – für die Öffentlichkeit unzugänglich sein. Die PDS schließt sich den Bedenken des Bundesbe- auftragten für den Datenschutz an, wonach ein derart schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf informa- tionelle Selbstbestimmung, wie ihn die Herausgabe von Akten auch gegen den Willen der betroffenen Personen darstellt, „besonders problematisch“ erscheint, weil er fast zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung kaum noch mit der Zweckbestimmung „Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für die Zwecke der politischen Bildung“ begründet werden kann. Viele Un- terlagen werden gerade von Journalisten nur genutzt, weil sie bestimmte Personen betreffen, nicht aber um die Ar- beit der Stasi aufzuarbeiten. Ziel der weiteren Novellierungen muss es sein, die Er- forschung der Funktionsweisen und Tätigkeiten von Ge- heimdiensten möglich zu machen. Für ein vollständiges Bild sowohl der DDR-Geschichte als auch der deutsch- deutschen Beziehungen sind die „Gegenstücke“ zu den Stasi-Unterlagen in den Akten der westdeutschen Ge- heimdienste unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund kriti- siert die PDS, dass die Regierungskoalition ihr Verspre- chen, ein Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen, nicht eingehalten hat. Diese Punkte in unserem Ent- schließungsantrag sind wichtige Elemente für die not- wendige weitere Diskussion über den Umgang mit den Stasi-Unterlagen. Deshalb bitte ich Sie hierfür um Ihre Zustimmung. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zurBeratung des Antrags: Rechtssicherheit fürdie bewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte schaf- fen – ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundes- wehr einbringen (Tagesordnungspunkt 29) Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Seit ihrem Beste- hen hat sich die Bundeswehr an weit mehr als 130 Hilfs- aktionen in über 50 Ländern der Welt beteiligt. Im März 2002 beteiligten sich unsere Streitkräfte an Einsätzen auf vier Kontinenten: im Rahmen der internationalen Frie- denstruppen SFOR in Bosnien-Herzegowina sowie KFOR im Kosovo, die Taskforce FOX in Mazedonien, durch die Mission „Enduring Freedom“ in Afghanistan, am Horn von Afrika, Kuwait und Usbekistan, im Rahmen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24951 (C) (D) (A) (B) der International Security Assistance Force (ISAF) in der afghanischen Hauptstadt Kabul sowie der UN-Mission in Georgien (UNOMIG). Zudem waren deutsche Soldaten an der Luftraumüberwachung in den USA beteiligt. Bis heute waren über 80 000 deutsche Soldaten im Ausland im Einsatz! Am lebendigsten in Erinnerung dürfte uns allen die Ab- stimmung über den Einsatz deutscher Soldaten in Afgha- nistan sein: zum einen deshalb, weil er bedauerlicher- weise mit der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers verknüpft war; zum anderen aber, weil hier besonders deutlich wurde, dass der Bundestag nicht nur Verantwor- tung für die Soldaten trägt, die er ins Ausland schickt, son- dern auch Verantwortung für das Renommee der Bundes- republik im Ausland. An dieser Entscheidung, die sich viele Parlamentarier nicht ohne Grund so schwer gemacht haben und die das gespaltene Verhältnis von Rot-Grün zu einer verlässlichen Sicherheitspolitik gezeigt hat, wurde deutlich, worin das Problem von Auslandseinsätzen der Bundeswehr liegt: Es geht um die verfassungspolititsche Balance von Regie- rung und Parlament und zugleich um die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands. Wie ist die Situation zurzeit? Die Außenpolitik ist vor- rangig Angelegenheit der Regierung. Sie muss es auch sein. Das bedeutet nicht, dass das Parlament keinen Ein- fluss auf außenpolitische Grundsatzentscheidungen hat. Doch die Entscheidungsbefugnis liegt in erster Linie bei der Regierung. Zur so genannten operativen Außenpolitik gehört auch der Einsatz von Streitkräften. Da dieser, was die Bundeswehr betrifft, ausschließlich im Rahmen von Bündnissen erfolgt, ist die Entscheidung über ihn bereits das Ergebnis eines komplizierten Abstimmungsprozesses innerhalb dieser Bündnisse. Beteiligt an diesem Abstim- mungsprozess ist aber ausschließlich die Regierung. Auch künftig werden Kriseneinsätze der Bundeswehr ausschließlich im Rahmen der Vereinten Nationen, der OSZE, der NATO stattfinden; die EU und so genannte Ad- hoc-Koalitionen, wie sie beispielweise nach dem 11. Sep- tember gebildet wurden, nicht zu vergessen. Klar ist, dass die Bundesregierung in diesen Gremien ihre Zustimmung zur Beteiligung deutscher Truppen nur unter der Bedingung erklärt, dass der Bundestag sie nachträglich billigt. Dieser ist damit in der Zwickmühle, entweder zuzustimmen oder aber durch eine Ablehnung das Ansehen der Bundesregierung und der Bundesrepu- blik im Ausland zu beschädigen. Durch die geplanten Krisenkräfte der EU wird diese Zwickmühle noch verschärft, da die Krisenkräfte und ihre Einsatzfähigkeit ein wesentlicher Teil der für die Weiter- entwicklung der politischen Integration unerlässlichen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sein wer- den. Das Fehlen deutscher Truppen bei einer militärischen oder polizeilichen Maßnahme der EU wäre politisch äußerst problematisch und würde den Einsatz bewusst multinationaler Verbände unmöglich machen oder zumin- dest erschweren. Im Vergleich zum außenpolitischen Schaden, den der Bundestag theoretisch anrichten kann, sind seine Mög- lichkeiten, über einen Einsatz der Bundeswehr und die Modalitäten eines solchen Einsatzes zu entscheiden, eher gering. Das Initiativrecht für einen Bundeswehreinsatz steht nur der Bundesregierung zu. Sie hat über die Modalitäten, den Umfang und die Dauer eines Einsatzes, die notwen- dige Koordination in und mit Organen internationaler Organisationen zu entscheiden. Der Jurist würde sagen, der Bundesregierung obliegt die Entscheidung über die essentialia negotii eines solchen Einsatzes. Hinzu kommt, dass der Bundestag mit seinen Ent- scheidungen über Auslandseinsätze oft zu spät kommt. Dies wurde besonders deutlich beim Einsatz „Essential Harvest“. Als der Bundestag endlich zugestimmt hatte und die Bundeswehr am Einsatzort angekommen war, war der Großteil der Waffen bereits eingesammelt. In seiner Entscheidung vom 12. Juli 1994 hat das Bun- desverfassungsgericht eine weitere Einschränkung ge- macht. Die verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung des Bundestages bei Entscheidungen über den Einsatz be- waffneter Streitkräfte darf nach Auffassung des Bundes- verfassungsgerichtes die militärische Wehrfähigkeit und die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigen. Das bedeutet, dass es der Bundes- regierung obliegt, in welchem Umfang sie das Parlament über Art und Ausmaß des Einsatzes informiert. Ist aber eine Zustimmung erst einmal erteilt, kann der Bundestag nicht über die Rückholung der Soldaten ent- scheiden, sondern muss den Ablauf der Einsatzfrist oder einen neuen Antrag abwarten. In der eben von mir genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, ja gera- dezu angeregt, dass der Gesetzgeber ein Entsendegesetz erlassen kann, in dem er Form und Ausmaß der parla- mentarischen Mitwirkung näher ausgestaltet. Über den Antrag der FDP-Fraktion, die Bundesregierung zu ver- pflichten, ein solches Entsendegesetz zu erlassen, spre- chen wir heute. Mit diesem Antrag hat die FDP eine Forderung aufge- griffen, die aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heraus bereits seit langem erhoben wurde. Ich erinnere in diesem Zusammenhang insbesondere an Wolfgang Schäuble, der, als er erstmals nach einem Entsendegesetz verlangte, noch massiv vom Regierungslager kritisiert wurde. In- zwischen hat zumindest die SPD, wie so oft in letzter Zeit und seitdem die Wahlen näher rücken, ihre Meinung geändert. Kritiker eines Entsendegesetzes, zum Beispiel die PDS auf ihrer Fraktions-Homepage, behaupten, dass der Bun- destag durch ein „Entsendegesetz“ seine Entmachtung be- schließen solle. Dies ist nicht der Fall. Auch der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz, den ich in einer Veröffentlichung las, ist mehr als an den Haa- ren herbeigezogen. Es geht nicht darum, dass sich das Par- lament seiner Verantwortung entzieht und die Regierung ermächtigt, künftig allein über Einsätze abzustimmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224952 (C) (D) (A) (B) Kritiker eines deutschen Entsendegesetzes weisen da- rauf hin, dass selbst in den Vereinigten Staaten der Kon- gress über Kriegseinsätze entscheiden müsse. Was er nicht erwähnt, ist, dass der Präsident der Vereinigten Staa- ten die Entscheidung über einen solchen Einsatz zunächst trifft und anschließend den Kongress binnen 48 Stunden über den Einsatz der Truppen unterrichten muss. Nur wenn das Parlament die Operation nicht genehmigt, hat er sie nach 60 Tagen zurückzuholen. Die Vereinigten Staaten haben damit das gefunden, an dem auch wir uns ausrichten könnten: einen vernünftigen Ausgleich zu finden zwischen den Rechten des Parla- ments und den Aufgaben der Regierung. Die Zustimmung des Parlaments soll auch künftig erforderlich sein, aber die Formen, wie man solche Entscheidungen trifft und wie man die Verantwortung zwischen Regierung und Par- lament genau justiert, sollten gründlicher bedacht und ge- nau geregelt werden. Dies ist in dem Antrag der FDP-Fraktion noch nicht ge- schehen und dies ist auch der Grund, warum wir uns bei einer Entscheidung über den Antrag enthalten werden. Die Linien eines solchen Gesetzes, das einige Tragweite für künftige Entscheidungen hat, jetzt, so kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, übers Knie brechen zu wol- len, können wir nicht vertreten. Es bedarf zunächst einer profunden und tragfähigen Analyse, die wir in der Zeit nach dem 22. September erheben werden. Für den Einsatz deutscher Streitkräfte könnte folgen- des Verfahren eingeführt werden: Die Bundesregierung sollte den Bundestag in Form eines vertraulichen Gremi- ums fortlaufend unterrichten. Die politischen und mi- litärischen Strukturen müssten darauf überprüft werden, ob sie in der Vorbereitung und während Kriseneinsätzen jederzeit eine aufgabengerechte Kommunikation mit den wichtigsten Partnern zulassen. Darüber hinaus bedürften bei Gefahr im Verzug ohne parlamentarische Konsulta- tion getroffene Einsatzentscheidungen der baldmöglichen nachträglichen Zustimmung des Bundestages. Das Recht des Bundestages, Einsatzentscheidungen zu widerrufen, müsste gesetzlich geregelt werden. Ein solches Verfahren würde besser als das gegenwär- tige die von der Verfassung beabsichtigte Balance zwi- schen Parlament und Regierung in außenpolitischen Fra- gen gewährleisten. Es entspräche der weitgehenden Integration der deutschen Streitkräfte im Bündnis und si- cherte die außenpolitische Handlungs- und Bündnisfähig- keit Deutschlands. Dr. Evelyn Kenzler (PDS):Lassen Sie mich für meine Fraktion sagen, dass wir dafür sind, den Einsatz der Bun- deswehr im Ausland auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen, auch wenn wir den Auftrag der Bundeswehr strikt auf die Verteidigung beschränken wollen, wie es das Grundgesetz in Art. 87 a vorsieht. Dies nicht zuletzt des- wegen, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Ur- teil vom 12. Juli 1994 festgestellt hat, dass es Sache des Gesetzgebers ist, „die Form und das Ausmaß der parla- mentarischen Mitwirkung näher auszugestalten“. Ge- nauso deutlich möchte ich aber auch sagen, dass wir ei- nem eventuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung keinesfalls zustimmen werden, der dem Parlament im Entscheidungsprozess eine Nebenrolle zuweist. Die Fest- legung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grund- gesetz die Bundesregierung verpflichtet, „für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die – grundsätzlich vorherige – konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen“, darf nicht unterlaufen werden. Die Bundeswehr ist ein Parlamentsheer, und bei dieser guten bundesrepublikanischen Tradition soll es auch blei- ben, solange die Bundeswehr besteht. Es gibt überhaupt keinen Grund, daran etwas zu ändern, vor allem keinen si- cherheitspolitischen, es sei denn, man möchte das „Mi- litärische enttabuisieren“, wie der Herr Bundeskanzler. Andere Länder haben ihre Traditionen, wir haben unsere, und da braucht man überhaupt keine verschämten Blicke über den Zaun nach England oder Amerika zu werfen. Wenn es um Aufträge geht, die Leib und Leben der Sol- daten bedrohen, wäre es der falsche Weg, der Exekutive zu viel Spielraum zu überlassen. Deswegen gilt für uns als Richtschnur für ein Gesetz: Es darf in keinem Fall hinter die derzeitig praktizierten Verfahren zurückfallen, das die Kompetenzen des Bundestages angeht. Das Bundesver- fassungsgericht hat im Urteil vom 22. November 2001 zu dem von meiner Fraktion angestrengten Organstreit den Parlamentsvorbehalt noch einmal ausdrücklich bekräf- tigt. Ich bin der Auffassung, dass für Auslandseinsätze künftig dieselbe Hürde im Parlament gelten muss, wie bei der Feststellung des Verteidigungsfalles nach Art. 115 a GG, also zwei Drittel der abgegebenen Stimmen, mindes- tens die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags und Zu- stimmung des Bundesrats. Es wird mit uns auch keine Regelungen geben, die bündnistechnische Verfahren über die Parlamentsrechte stellen. Wir halten das für ein recht eigenartiges Verfas- sungsverständnis, um es milde auszudrücken. So etwas wäre im Übrigen in keinem anderen NATO-Land auch nur denkbar. Wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FDPglau- ben, dieses Parlament würde jemals von einem Rückhol- recht Gebrauch machen, kann ich nur sagen: Welche Blauäugigkeit angesichts des Verhaltens dieses Hauses in den einschlägigen Debatten der letzten vier Jahre, die von Vokabeln wie außenpolitische Zuverlässigkeit, Ansehens- verlust, Dankbarkeit und uneingeschränkte Solidarität ge- prägt waren. Wir würden auch einem Gesetz unsere Zu- stimmung verweigern, das Sonderregelungen für Fälle vorsieht, in denen vorgeblich Gefahr im Verzuge ist. We- der wollen wir neue Geheimgremien, noch ist unser Ver- trauen in die Bundesregierung, in jede Bundesregierung, groß genug, als dass wir bereit wären, ihr eine „Carte Blanche“ zuzugestehen. Nein, die Gewichte in diesem Land sind ohnehin bereits zulasten des Parlaments und zugunsten der Exekutive verschoben. Ein Gesetz, das die Rechte des Parlaments beschneidet, wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen Ur- teile des Bundesverfassungsgerichts. An einer solchen Produktion von Sargnägeln für den Bundestag beteiligen wir uns nicht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24953 (C) (D) (A) (B) Anlage 5 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabilitation von Müttern – Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Be- treuung und Pflege schwerstkranker Kinder (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Dr. Martin Pfaff (SPD):Bei einzelnen Mitbürgerinnen und auch einigen Mitbürgern kann eine Doppelbelastung zwischen überlebensnotwendigem Job und zu organisie- rendem Kind in bestimmten Konstellationen zu Gesund- heitsschäden führen. Vor allem Mütter, die eine Dreifach- belastung von Job, Haushalt und Kind zu bewältigen haben, sind oft überfordert. Dies ist erst recht der Fall, wenn kritische Lebensumstände oder andere psychoso- ziale Faktoren zusätzlich zur bestehenden Mehrfachbelas- tung auftreten. Wir sollten beachten: Die berufliche Leis- tungsfähigkeit dieser Menschen ist gefährdet oder steht unserer Gesellschaft im schlimmsten Fall auf Dauer nicht mehr zur Verfügung, wenn erstens eine ernsthafte, womöglich chronische Erkrankung droht und zweitens keine präventive oder bei akutem Fall rehabilitative Maß- nahme ergriffen werden kann. Notwendig wird in solchen Fällen in der Regel eine Kur, die zur Entlastung vor allem der Elternteile zusam- men mit dem Kind angetreten wird. Gesundheitspolitisch sind solche so genannten Mütter-Kind-Kuren sehr wün- schenswert, sowohl im Rahmen einer sinnvollen Präven- tion wie auch einer notwendigen Rehabilitation. Natürlich in beiden Fällen ausschließlich, wenn sie medizinisch in- diziert sind. Lassen Sie mich zwei Beispiele skizzieren: Frau M., 32 Jahre, verheiratet, Hausfrau, Mutter von zwei Kindern im Alter von zehn und zwei Jahren – bei je- dem Kind gab es während der Schwangerschaft schwere, zum Teil lebensbedrohliche Komplikationen –, ist derzeit zum dritten Mal schwanger in der 31. Schwangerschafts- woche. Sechs Monate vorher gab es einen Selbstmord- versuch der schwer an Depression erkrankten Mutter. Die Indikation zu einer Mütterkur ergibt sich aus einem schweren physischen und psychischen Erschöpfungszu- stand, in dem Frau M. nicht mehr in der Lage ist, die der- zeitige Lebenssituation emotional zu bewältigen und den Alltagsanforderungen zu entsprechen. Es bestehen ausge- prägte innere Unruhe, Nervosität, Schlaflosigkeit, große Angst vor einer erneuten Schwangerschaftskomplikation und zum Teil erhebliche körperliche Beschwerden mit Rückenschmerzen und Kopfschmerzen. Während der Mütterkur wird die Therapie spezifisch auf die persönli- che Situation der Patientin ausgerichtet. Zur Stabilisie- rung der vegetativen Dysfunktion und körperlichen Beschwerden werden balneophysikalische Therapiemaß- nahmen und Bewegungstherapie mit besonderer Rück- sicht auf die Schwangerschaft angewendet. Im Bereich der Soziopsychotherapie wird die Patientin unterstützt in der Bearbeitung ihrer persönlichen Lebenssituation, be- sonders bei der Verarbeitung des Todes ihrer Mutter und in der Vorbereitung auf die dritte Geburt. Sowohl im kör- perlichen als auch im psychischen Bereich werden kon- krete Hilfen und Verhaltensmaßnahmen erarbeitet, die Frau M. in ihrem Alltag zu Hause erleichternd umsetzen kann. Durch den Abstand von dem belastenden häusli- chen Umfeld und den Alltagsverpflichtungen gelingt es Frau M., psychisch und physisch wieder zu neuen Kräf- ten und innerer Ruhe zu gelangen. Die körperlichen Be- schwerden haben sich weitgehend gebessert. Frau M. blickt der Zukunft mit Zuversicht entgegen und fühlt sich den häuslichen Belastungen und zukünftigen Anforderun- gen gewachsen. Zweitens. Eine Mutter von zwei Töchtern – acht und zwölf Jahre –, verheiratet, leitende Angestellte, erkrankt im April 2000 an Gebärmutterhalskrebs. Es erfolgen OP, Chemotherapie und Bestrahlungen. Durch Bestrahlungs- schäden entsteht in der Folge Nierenstau, es müssen alle sechs Wochen Nierenschienen gelegt werden; ein Eier- stock, Teile des Magens und der Bauchspeicheldrüse wer- den entfernt. Die Patientin hat in eineinhalb Jahren zwölf Krankenhausaufenthalte. Onkologische Nachsorgemaß- nahmen ohne Kinder lehnt sie ab, um den Kindern nicht weitere Trennungen zuzumuten. Bei beiden Kindern ent- wickeln sich zunehmend Verlust- und Trennungsängste, Schulschwierigkeiten und Schlafstörungen. Besonders die ältere Tochter zeigt massive Verhaltensstörungen. Es kommen finanzielle Probleme durch den Verdienstausfall der Frau hinzu. Dies ist die Ausgangssituation, als die Mutter mit beiden Töchtern im Frühjahr 2002 zur Schwer- punktkur für krebserkrankte Mütter mit ihren Kindern in das „Haus am Kurpark“ kommt. Nach 28 Tagen Kurdauer verlassen Mutter und Kinder deutlich gestärkt – körper- lich und seelisch – mit neuen Perspektiven, neuem Mut und Hoffnung und mit der Unterstützung hier geschlosse- ner Kontakte und Freundschaften zu ebenfalls Betroffe- nen das Haus. Gemeinsam besprochene Nachsorge- empfehlungen werden den Kurerfolg stabilisieren. Die verbesserte psychische Befindlichkeit verbessert nach- weislich auch Therapie- und Heilungsverlauf bei Krebs- erkrankungen. Wenn so viel für Mütter-Kind-Kuren spricht, wo liegt dann das Problem, das der Lösung durch einen Beschluss des Deutschen Bundestages bedarf? Solche so genannten Mütter-Kind-Kuren sind Bestandteil des Leistungsspek- trums der gesetzlichen Krankenversicherungen. Die der- zeitige gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Kranken- kassen in ihren Satzungen individuell bestimmen können, dass die Kosten für bewilligte Maßnahmen nicht voll, sondern nur anteilig übernommen werden. Von dieser Möglichkeit machten die Kassen bisher nicht Gebrauch. Allerdings gehen jetzt einige Kassen – die AOK Bayern mit Vorreiterrolle – dazu über, die Vollfinanzierung durch eine nur anteilige Finanzierung von Mütter-Kind-Kuren zu ersetzen. Die aktuelle Gesetzeslage bedeutet also für den Einzelnen keine sichere vollständige Erstattung der Kosten für Mütter-Kind-Kuren. Zusätzlich ist bundesweit keine Einheitlichkeit gegeben. Zwar erlaubt generell der Gesetzgeber den Kassen in Grenzen Unterschiedlichkeit beim Leistungskatalog, und dies aus gutem Grund: Wett- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224954 (C) (D) (A) (B) bewerb. Aber im vorliegenden Fall gibt es aus meiner Sicht Regelungsbedarf, weil erstens gerade die Mutter- schaft bzw. die Erziehung eines Kindes ein besonders schützenswertes Gut ist, zweitens, weil wir im Rahmen der demographischen Entwicklung seitens des Gesetzge- bers alles tun sollten, um Mutterschaft zu ermöglichen oder organisatorisch zu unterstützen und drittens, weil es nicht sein kann und nicht vermittelbar ist, dass eine Mut- ter in Bayern gegenüber einer Mutter in Schleswig-Hol- stein benachteiligt wird. Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, eine Sicherung der vollen Finanzierung von Mütter-Kind-Kuren in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Zukunft sicher- zustellen. Im Zeitalter der Gleichberechtigung sind Väter hier natürlich gleichgestellt, woraus sich im Beamten-Ab- kürzungsdeutsch für den Gesetzentwurf die wunderbaren Silben „MüVäKiKuGe“ ergeben haben. Die Sicherstel- lung der Finanzierung geschieht technisch durch Um- wandlung der bisherigen satzungsgemäßen „Mehrleis- tung“ in den Erhalt einer „Ermessensleistung“. Als kurzen Hinweis für unsere anwesenden Experten möchte ich be- tonen, dass es sich damit nicht um eine Umwandlung in eine so genannte Regelleistung handelt, die andere, wei- ter gehende Probleme und Verpflichtungen mit sich brin- gen würde. Dies bedeutet aber trotzdem eine Sicherstel- lung: Wenn die sozialversicherungsrechtlichen und sozialmedizinischen Voraussetzungen vorliegen, ist eine pflichtgemäße Ermessensausübung mit dem Ergebnis ei- ner Ablehnung nicht vorstellbar. Das heißt, dass die von uns nun im Gesetzentwurf vorgesehene Gestaltung als „Ermessensleistung“ eine Sicherstellung des Geldstroms für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet, ohne dass für die Kassen weiter gehende interne Probleme entstehen. Ein solches Thema sollte, ja darf über die Parteien hin- weg nicht strittig sein. Vielmehr ist der Schutz von Müt- tern ein Konsensthema, das hier im Haus aus meiner Sicht eine breite Mehrheit finden müsste. Für meine Behaup- tung spricht auch eine launige blauweiße Geschichte, die sich im April – nicht dem 1. April – dieses Jahres zu- getragen hat: Die bayerische SPD-Fraktion hatte am 17. April einen Dringlichkeitsantrag in den bayerischen Landtag einge- bracht, der den Fortbestand der Mütter-Kind-Kuren si- chern sollte. Dieser Antrag wurde von der CSU-Land- tagsfraktion mit der ortsüblichen parteipolitischen Ignoranz ohne große fachliche Befassung abgelehnt. Glücklicherweise hat die bayerische Sozial- und Famili- enministerin Stewens dann wenig später, am 25. April, ganz selbstständig die Forderung nach der Sicherung von Mütter-Kind-Kuren an die Presse gegeben. Deshalb bin ich sicher und guten Mutes, dass zumindest die anwesen- den CSU-Kollegen heute mit uns stimmen. Aber allen Ernstes: Ein Thema wie dieses sollte unser Haus im Ziele einen. Zumal es noch weitere Argumente gibt, die für eine schnelle und klare Regelung sprechen: Erstens. Die Mehrbelastung der GKV durch dieses Ge- setz beträgt circa 5 Millionen Euro. Dies ist ein Betrag, der trotz der angespannten Finanzlage der Kassen ver- träglich ist. Zweitens. Für das Jahr 2001 geht aus vorläufigen Rechnungsergebnissen hervor, dass bei einer Reihe kleinerer Betriebskrankenkassen – betroffen sind circa 40 000 Mitglieder – keine Ausgaben für Mütterkuren an- gefallen sind. Hieraus kann man zwar nicht schließen, dass in den Satzungen dieser Kassen keine Leistungsan- sprüche vorgesehen sind. Aber bei einer so wichtigen ge- sellschaftlichen Aufgabe – Leistungen für Mütter und Vä- ter – ist, so meine ich, jeder vereinheitlichende Schritt ein richtiger Schritt. Ich komme zum Fazit: Der Gesetzentwurf der Koaliti- onsfraktionen schafft für Bürgerinnen und Bürger unab- hängig vom Einkommen die Möglichkeit, Mütter- bezie- hungsweise Väter-Kind-Kuren wahrzunehmen, sofern die medizinische Indikation vorliegt. Hubert Hüppe (CDU/CSU):Die Behandlung des vor- liegenden Gesetzentwurfes zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel dafür, dass es auch in heißen Wahl- kampfzeiten politische Themen gibt, über die unter den Parteien nicht gestritten wird, um einen politischen Vor- teil daraus zu ziehen. Und in der Tat, wenn es um ster- benskranke Kinder geht, werden wir einen Antrag als Op- position nicht deshalb ablehnen, weil er von den Regierungsparteien eingebracht worden ist. Wir stimmen dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil auch wir wol- len, dass zumindest ein Elternteil die Möglichkeit hat, sich um ihr schwerstkrankes Kind zu kümmern und den Betreuungs- und pflegerischen Pflichten nachzukommen. Wenn es jetzt in Zukunft einen Anspruch auf Kranken- geld gibt, der nicht der zeitlichen Begrenzung des § 45 Abs. 2 des Fünften Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – unterliegt, wird man der besonde- ren Situation sterbender Kinder und ihrer Eltern gerecht. Wichtig ist dies besonders für Alleinerziehende. Wichtig ist dies aber auch in den Fällen, in denen beide Elternteile berufstätig sind. Die Anhörung des Gesundheitsausschusses hat die Notwendigkeit einer solchen Regelung bestätigt. Aller- dings wurde in der Anhörung durchgängig die Begren- zung des Anspruches auf Kinder bis zum zwölften Le- bensjahr kritisiert, weil viele der tödlich verlaufenden Erkrankungen im Kinder- und Jugendalter eine „altersge- rechte Entwicklung“ des Kindes nicht zulassen. Deswe- gen halten wir auch den Änderungsantrag für richtig, dass das Krankengeld über das zwölfte Lebensjahr hinaus ge- währt werden soll, wenn das Kind behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Sollte sich herausstellen, dass es Fälle gibt – zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit Krebserkran- kungen oder AIDS im Endstadium –, die durch diese Regelung nicht erfasst sind, müssen wir darüber nach- denken, die Altersgrenze generell zu erhöhen, weil ich glaube, dass auch dreizehn- und vierzehnjährige Kinder in ihrer letzten Lebensphase die Begleitung ihrer Eltern brauchen. Die Gewährung von Krankengeld kann natürlich in den genannten Fällen nur ein Mosaikstein in dem Bereich Sterbebegleitung bei Kindern und Jugendlichen und natürlich auch bei Erwachsenen sein. Ich sage dies auch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24955 (C) (D) (A) (B) besonders vor dem Hintergrund, dass seit April dieses Jahres in unserem Nachbarland, den Niederlanden, eine Regelung existiert, nach der zwölfjährige Kinder ihre ei- gene Tötung verlangen und einfordern können, wenn ein Elternteil dieser Tötung zustimmt. Bei sechzehnjährigen Jugendlichen ist die Tötung auf Verlangen sogar möglich, ohne dass die Zustimmung der Eltern vorliegt. Diese Ju- gendlichen dürfen also in den Niederlanden zwar kein Auto fahren, aber sich töten lassen. Wenn wir eine solche Entwicklung in unserem Land vermeiden wollen – und ich hoffe, wir sind uns hier im Hause alle darüber einig, dass wir sie auch vermeiden wollen – dann müssen wir die Möglichkeiten der Hilfe für die Betroffenen bedarfsgerecht ausgestalten. Die Anhörung des Gesundheitsausschusses hat ge- zeigt, dass die noch nicht sehr lange existierenden Kin- derhospize in Deutschland einen wertvollen Beitrag hierzu leisten. Allerdings gibt es in anderen Ländern, so zum Beispiel in Großbritannien, bereits seit vielen Jahren ein quantitativ wie qualitativ gut ausgebautes Netz von Kinderhospizen mit jahrzehntelanger Erfahrung. Auch diese Erfahrungen sollten wir nutzen. Dabei gehört natür- lich auch eine schnelle Krisenintervention durch intensive pflegerische und therapeutische Bemühungen ebenso zum Konzept wie die zielgerechte Entlastung der pfle- genden Angehörigen. Ich hoffe, dass wir die Gesamtproblematik der Hilfe beim Sterben nach den Wahlen wieder aufnehmen und dass wir dann die Situation der Betroffenen weiter ver- bessern können; wenn möglich im Konsens, wie es heute auch der Fall ist. Wolfgang Zöller (CDU/CSU):Die Union begrüßt den Gesetzentwurf der Koalition zur Verbesserung der Vor- sorge und Rehabilitation von Müttern und Vätern und un- terstützt ausdrücklich die Forderung nach einer Vollfinan- zierung der Mütter- bzw. Mutter-Kind-Kuren. Obgleich durch diesen Gesetzentwurf auch Väter in den Genuss dieser Maßnahme gelangen, richtet sich die Maßnahme primär an Frauen. Sie sind häufiger als Männer Mehr- fachbelastungen durch Beruf, Familie und Haushalt aus- gesetzt. Nach der gegenwärtigen Rechtslage können die Kran- kenkassen durch Satzungsbestimmungen die Leistungen für Mutter-Kind-Kuren mit einer Teilfinanzierung verse- hen. In den vergangenen zwei Jahren, also unter rot-grü- ner Verantwortung, ist es immer häufiger zu Satzungsän- derungen gekommen mit der Folge, dass nur noch 20 Prozent der Krankenkassen eine Mutter-Kind-Maß- nahme finanzieren und zwar mit einem Zuschuss in Höhe von 90, 50 oder sogar nur 10 Prozent der Kosten. Die Be- troffenen beklagen zudem, dass die Härtefallregelung nach § 61 SGB V bei Anteilsfinanzierungen nicht greift. Bedürftige Mütter müssen daher zunehmend die Rest- finanzierung bei den Kommunen als Träger der Sozial- hilfe beantragen. Typisch für ein derartiges Verhalten ist die AOK in Bayern. Unter Hinweis auf die desolate Finanzsituation der Krankenkassen hat der Verwaltungsrat der AOK Bay- ern unter Vorsitz des SPD-Bundestagsabgeordneten Fritz Schösser in seiner Sitzung am 2. April 2002 beschlossen, künftig die Kosten einer Mutter-Kind-Kur nicht mehr voll zu übernehmen, sondern nur Festzuschüsse zu gewähren, die nach Patienten und Begleitkinder gestaffelt werden. Das Verhalten der AOK Bayern ist Anlass für die bayeri- sche Sozialministerin Stewens gewesen, sich mit Schrei- ben vom 23. April 2002 an Bundesgesundheitsministerin Schmidt zu wenden. Ministerin Stewens hat nicht zu Un- recht befürchtet, dass das Verhalten der AOK Bayern dazu führt, dass ein Großteil der Familien bis zur Hälfte der Kosten einer Mutter-Kind-Kur selbst tragen müssten, was letztlich einer Streichung der Mutter-Kind-Kuren gleich kommt. Familienpolitisch ist dies nicht vertretbar; denn auf- grund der hohen sozialen und gesundheitlichen Belastun- gen für Frauen sind Mütter-Kind-Kuren notwendiger denn je. Die Zunahme der Erwerbstätigkeit bei Frauen und damit die Zunahme der Doppelbelastung mit Berufs- und Familienarbeit, die Veränderung der familiären Struk- turen, insbesondere die gestiegene Zahl allein erziehender Eltern und die Situation von Familien in besonders schwierigen Lebenssituationen bedeuten für viele Eltern eine Belastung, die sie an den Rand ihrer physischen und psychischen Möglichkeiten bringt. Oft kommen dazu noch wirtschaftliche Probleme, insbesondere bei kinder- reichen Familien. Durch die Teilnahme an Mütter/Väter- Kind-Kuren haben Eltern die Möglichkeit, sich gemein- sam mit ihren Kindern zu regenerieren und neue Kräfte für den Alltag zu gewinnen. Diesen Kuren kommt deshalb größte Bedeutung als präventive Maßnahme zu. Der Brief von Ministerin Stewens hat Bundesgesund- heitsministerin Schmidt und die Koalitionsfraktionen nicht unbeeindruckt gelassen. Der vorliegende Gesetzent- wurf ist relativ zügig entstanden. Allerdings ist die von der Union geforderte Umwandlung einer Satzungsleis- tung in eine Pflichtleistung nicht erfolgt. Die öffentliche Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hat überraschend deutlich gemacht, dass dies kein Verband mehr fordert. Den berechtigten Befürchtungen des Müttergene- sungswerkes, durch diesen Gesetzentwurf könnte der Be- standsschutz für bestehende Einrichtungen infrage ge- stellt werden, wurde durch eine Übergangsregelung Rechnung getragen. Einrichtungen des Müttergenesungs- werkes, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes be- reits stationäre medizinische Leistungen für die Kassen erbracht haben, erhalten einen Versorgungsvertrag in dem Umfang der im Jahr 2001 erbrachten Leistungen. Es ist je- doch auch aus Gründen der Qualitätssicherung durchaus vertretbar, diesen Bestandsschutz nicht zu gewähren, wenn eine Einrichtung die Qualitätsanforderungen nach § 111 Abs. 2 nicht erfüllt. Mit der Übergangsregelung wird nunmehr sichergestellt, dass Einrichtungen des Müt- tergenesungswerkes auch ausreichend Zeit haben, sich auf die gesetzlich geforderten Qualitätsstandards einzu- stellen. Ich denke, dass mit dieser Lösung ein guter Aus- gleich zwischen den berechtigten Interessen des Mütter- genesungswerkes und der Gewährleistung einer hohen Qualität gefunden wurde. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224956 (C) (D) (A) (B) Aus Sicht der betroffenen Mütter und Väter ist das Ge- setz ein willkommendes Geschenk. Es sorgt dafür, dass sie eine genehmigte Kur auch wirklich antreten können in einer Einrichtung, die für höchste Qualität bürgt. Es bleibt nun zu hoffen, dass jetzt nicht durch die von den Kran- kenkassen beeinflusste Genehmigungspraxis des MDK dazu führt, dass weniger Mütter/Väter-Kind-Kuren ge- nehmigt werden. Wir werden diese Entwicklung auf- merksam beobachten. Nunmehr freuen wir uns aber ge- meinsam mit den Müttern und Vätern und dem Müttergenesungswerk, dass es parteiübergreifend gelun- gen ist, die Vollfinanzierung von Mütter/Väter-Kind-Ku- ren sicherzustellen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bündnis 90/Die Grünen haben gemeinsam mit der SPD heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf die Be- dürfnisse der Menschen eingeht. Anders als die ange- drohte Gesundheitspolitik der Union erwarten lässt, wis- sen wir, wo die Menschen Hilfe brauchen. Wir lassen vom Schicksal Gezeichnete nicht im Regen stehen. Bei uns muss sich keiner mit 20 entscheiden, ob er mit 70 mal eine Prothese brauchen könnte und sich deshalb doch versi- chern sollte. Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft eine schwierige Lebensphase von Kindern und deren Eltern. Polemik ist hier fehl am Platz. Zur Sache: Nach dem geltenden Kran- kenversicherungsrecht ist der Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes zeitlich begrenzt. Nach § 45 Abs. 2 KVG besteht der Anspruch in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für zehn Arbeitstage, für allein erziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Diese Begrenzung gilt auch bei schwersten, lebensbedro- henden Erkrankungen des Kindes und führt in diesen Fäl- len zu unzumutbaren Belastungen der Eltern. Insbesondere für berufstätige Alleinerziehende, aber auch in Fällen, in denen beide Elternteile berufstätig sind, kollidiert der erhöhte Betreuungsbedarf für das Kind mit den beruflichen Verpflichtungen. Wir wollen deshalb die Begrenzung des Krankengel- des für schwerstkranke Kinder, die nach ärzlichem Zeug- nis nur noch eine Lebenserwartung von Wochen oder we- nigen Monaten haben, aufheben, damit sie in dieser Phase von einem Elternteil betreut und begleitet werden können. Wir wollen einen Anspruch auf Krankengeld bei schwe- rer, unheilbarer Erkrankung eines Kindes für einen El- ternteil schaffen, der nicht einer zeitlichen Begrenzung bei Erkrankung eines Kindes unterliegt. Für die Dauer dieses Anspruchs auf Krankengeld soll zudem ein An- spruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleis- tung gelten. Die bisherigen Regelungen auf Kinderkrankengeld und Freistellung konnten für Kinder, die das 12. Lebens- jahr noch nicht vollendet hatten, in Anspruch genommen werden. Die von uns vorgeschlagene Verlängerung des Krankengeldes auf mehr als zehn Tage je Elternteil bedarf eines ärztlichen Attestes, welches die Anspruchvorausset- zung bestätigt. Neu ist, dass der Anspruch auf verlänger- tes Kinderkrankengeld auch dann besteht, wenn die er- krankten Kinder älter als zwölf Jahre sind und aufgrund einer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind. Mit den von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Regelungen verschaffen wir den betroffenen Familien ein wenig Frei- raum, um in einer für sie besonders schweren Zeit sich um ihre Angehörigen in einem menschenwürdigen Umfang widmen zu können. Im Zuge einer einheitlichen und nachvollziehbaren Po- litik kann ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung im Falle eines schwerstkranken Kindes nicht nur für Versi- cherte der Gesetzlichen Krankenversicherung gelten. Deshalb umfasst unser Gesetzentwurf auch die Versicher- ten der Privaten Krankenversicherung. Denn eine Zwei- klassenmedizin, egal, wer schlechter oder besser gestellt sein soll, wird es mit uns nicht geben. Detlef Parr (FDP): In unserem Sozialsystem dürfen nicht die Findigen belohnt werden, vielmehr müssen die finanziellen Mittel bei den wirklich Bedürftigen ankom- men. In dieser Debatte geht es zum einen um Mütter und Kinder, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und zum anderen um Väter und Mütter in einer Lebens- situation, in der wir ihnen eine besonders intensive Zu- wendung zu ihrem Kind ermöglichen müssen. Auch wir sehen uns in der Verpflichtung, hier mehr als bisher zu tun. Dies vor allem vor dem Hintergrund unklar definier- ter Leistungen, die zu ungerechtfertigten Einschränkun- gen und zu Ungleichbehandlungen geführt haben, wie wir in den Anhörungen erfahren mussten. Die PISA-Studie hat uns auf viele Missstände im Bildungssystem hin- gewiesen. Nicht zuletzt die zunehmenden Verhaltens- störungen vieler Kinder führen zu Defiziten, die wir nach- drücklich abbauen müssen. Steigende Scheidungsraten, negative Umwelteinflüsse wie Reizüberflutung und schwierige Lebensumstände wie Arbeitslosigkeit sind Gründe für diesen Zustand, mit dem viele Mütter und Kinder nicht mehr fertig werden. Deshalb ist es richtig, bei körperlicher und vor allem seelischer Überforderung die Hilfsangebote zu verbes- sern. Wir müssen möglichst frühzeitig diese Probleme er- kennen und gegensteuern, damit nicht bleibende Schäden entstehen, die uns später volkswirtschaftlich wesentlich teurer zu stehen kommen. Wenn man den Experten der Anhörung glauben darf, ist der Erfolg der bisherigen Maßnahmen im Rahmen der üblichen Grenzen gesichert. Die Forderungen nach Qualität und Effizienz der Vor- sorge- und Rehabilitationsleistungen sind berechtigt und finden unsere volle Unterstützung. Wir müssen aber sorg- sam darauf achten, dass wir des Guten nicht zu viel tun. Wenn die Anforderungen so hoch geschraubt sind, dass sie die Existenz bestehender Einrichtungen gefährden, müssen wir sie noch einmal überprüfen. Wir stimmen dem Gesetzentwurf unter der Vorausset- zung zu, dass sichergestellt ist, dass alle Einrichtungen, die einen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V haben und die im Bereich der Mutter-Kind-Maßnahmen in der Vergangenheit mit Zustimmung der Kostenträger beson- dere bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versor- gungsstrukturen entwickelt und entsprechende Maßnah- men durchgeführt haben, dies mit Bestandsschutz auch weiterhin tun können. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24957 (C) (D) (A) (B) Beim zweiten Gesetzentwurf, den wir heute beraten, habe ich mich an eine fraktionsübergreifende Initiative der Vergangenheit erinnert gefühlt. Mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen habe ich mich 1994 dafür ein- gesetzt, Mitmenschlichkeit und Toleranz in unsere Ver- fassung aufzunehmen – leider ohne Erfolg. Es ist eigent- lich ein Trauerspiel, wenn für die Betreuung und Begleitung eines sterbenden Kindes gesetzliche Regelun- gen notwendig werden. Bei einer so tiefen seelischen Not- lage müsste es doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit in einer humanen Gesellschaft sein, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich entgegenkommen und eine dieser Ausnahmesituation angemessene Lösung finden. Jetzt schaffen wir wieder neue Ansprüche, wo doch eigentlich für uns alle hier im Bundestag klar sein sollte: gelingt es uns nicht, das Anspruchsdenken in der Bevölkerung zu re- duzieren und gleichzeitig die Eigenverantwortung zu stär- ken, ist unser Sozialsystem auf Dauer nicht mehr zu fi- nanzieren. Der Gesetzentwurf ist mit der heißen Nadel gestrickt in einen Beratungsschnelldurchgang geschickt worden, der der Bedeutung des Themas nicht gerecht wird. Dazu kam eine nur einstündige Anhörung. Wir hät- ten uns ausreichend Beratungszeit gewünscht – dazu hat es mit Blick auf die zu Ende gehende Legislaturperiode nicht mehr gereicht. Die FDP geht davon aus, dass nach der heutigen Zu- stimmung des Bundestages – auch durch uns – dieses Ge- setz nach dem 22. September auf der Grundlage eines Er- fahrungsberichts noch einmal diskutiert und bewertet wird. Dr. Ruth Fuchs (PDS):Die Krankenkassen können in ihrem Satzungsrecht festlegen, die Kosten für Mütter- genesungskuren nicht vollständig, sondern nur anteilig zu übernehmen. Vor dem Hintergrund des wachsenden Fi- nanzdrucks haben in jüngster Zeit immer mehr Kranken- kassen von diesem Recht Gebrauch gemacht. Die bisher vollständige Kostenübernahme wurde zum Teil drastisch reduziert. Die Praxis, die Kuren in unterschiedlicher Höhe zu bezuschussen, führt dazu, dass vor allem Frauen mit mehreren Kindern und geringem Familieneinkommen dringend erforderliche Kuren nicht mehr wahrnehmen können. Dabei sind es gerade diese Frauen – oft durch Beruf, Familie und Haushalt mehrfach belastet – die eine Stärkung und Unterstützung ihrer Gesundheit am nötigs- ten haben. Bekanntlich handelt es sich häufig um Allein- erziehende, um Mütter, die von Sozialhilfe leben müssen, um Mütter mit eigenen Behinderungen oder um Mütter mit chronisch kranken oder behinderten Kindern. Gerade sie sollten am wenigsten auf solche Gesundheitsleistun- gen verzichten müssen. Nicht fehlende finanzielle Mittel, sondern allein die gesundheitlichen Notwendigkeiten müssen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen be- stimmend sein. Die PDS hat die berechtigten Forderungen der betrof- fenen Frauen sowie der Vertreterinnen des Müttergene- sungswerkes nach Vollfinanzierung der Mütterkuren von Anfang an unterstützt. Mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung haben wir im ersten Halbjahr 2002 auf die restriktive Bewilligungspraxis einer zunehmenden Zahl von Krankenkassen und auf die so entstandene gesundheits- und sozialpolitisch unhaltbare Situation hin- gewiesen. Zugleich haben wir auf die damit einher- gehende Gefährdung der entsprechenden Genesungsein- richtungen und der sie tragenden Verbände aufmerksam gemacht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Krankenkassen grundsätzlich dazu verpflichtet, die ent- sprechenden Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen für Mütter in Häusern des Müttergenesungswerkes und anderen gleichartigen Einrichtungen in voller Höhe zu fi- nanzieren. Das ist ein dringend notwendiger Schritt, den wir begrüßen und dem wir zustimmen. Er wird dazu führen, diese medizinischen Maßnahmen allen Müttern, die sie benötigen, besser zu ermöglichen. Die mit der Neuregelung einhergehenden Mehraus- gaben von circa 5 Millionen Euro dienen damit einem richtigen Zweck. Gleichzeitig wird – analog zum ge- nerellen Verfahren bei Kur- und Rehabilitationsein- richtungen – auch für Einrichtungen des Mütterge- nesungswerkes zu einem geregelten Vertragssystem übergegangen, das heißt zum Beispiel, dass Mütterkuren für GKV-versicherte Mütter nur noch dort durchgeführt werden können, wo ein Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen besteht. Die Krankenkassen können auf diese Weise systematischer als bisher auf die Qualität der Leistungen achten. Sinnvollerweise erhalten dabei Ein- richtungen Bestandsschutz, die bisher schon Müttergene- sungskuren auf Kosten der Krankenkassen durchgeführt haben. Wir halten es auch für zweckmäßig, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen Ende 2005 einen Er- fahrungsbericht über die entstandene Situation vorlegen sollen. Dem ebenfalls zur Debatte stehenden Gesetz zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder, das die Koalitionsfraktionen eingebracht haben, kann sich vom Anliegen her niemand verschließen, dem Würde und Lebensqualität von kranken Kindern, ins- besondere von schwer und unheilbar erkrankten Kindern am Herzen liegen. Auch die außergewöhnlich hohen Be- lastungen von Eltern und Familienangehörigen dieser Kinder verlangen dringlichst nach einer Unterstützung. Allerdings weckt der Gesetzentwurf mehr Hoffnungen, als er erfüllen kann. Es geht hier nur um punktuelle, statt um umfassende Regelungen. Die Vorschläge sind nicht eindeutig und nicht ausreichend finanziell abgesichert. Darauf wurde bereits in der Anhörung hingewiesen. Auf dieser Grundlage sind Rechtsunsicherheiten und -strei- tigkeiten vorprogrammiert. Dabei sind gerade im Bereich der Betreuung und Pflege chronisch kranker und behin- derter Kinder viele Dinge offen. Insofern ist bedauerlich und unverständlich, dass der PDS-Antrag „Pflege reformieren – Lebensqualität in Gegenwart und Zukunft sichern“ abgelehnt wurde, ob- wohl in ihm generell die Sicherstellung einer am in- dividuellen Bedarf orientierten Pflege, Betreuung und Versorgung von chronisch Kranken, Behinderten und Pflegebedürftigen gefordert wird. Besonders auch Kinder sollen dabei in stärkerem Maße berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224958 (C) (D) (A) (B) Wie weit geht aber die Sorge der Koalition um schwerst- betroffene Kinder bzw. um deren Eltern und Familien- angehörige, wenn sie einen solchen Antrag ablehnt? Dennoch begrüßen wir den vorliegenden Gesetzent- wurf als einen ersten – wenn auch nicht ausreichenden – Schritt in die richtige Richtung. Deshalb werden wir ihm trotz der bestehenden Unklarheiten und offenen Fragen zustimmen. Gleichzeitig hoffen wir, dass sich in der nächs- ten Legislaturperiode auf der Grundlage einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über Fraktionsgrenzen hin- weg eine Mehrheit für eine grundlegende Reform der Pflege findet. Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit: Viele von Ihnen sind Eltern. Sie wissen aus eigener Er- fahrung, wie groß die Belastungen durch Kinder, Haus- halt, Beruf und manchmal auch durch pflegebedürftige Angehörige sind. Und Sie können die Belastungen für eine Familie erahnen, wenn ein Kind schwer erkrankt. Wir sorgen dafür, dass Eltern, die ihre todkranken Kin- der betreuen, unbegrenzt Krankengeld erhalten. Wir sorgen dafür, dass Eltern wieder Anspruch auf eine Vollfinanzierung von Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind- Kuren haben. Das Kind ist krank und die Mutter bzw. der Vater am Ende ihrer Kräfte. Oder die Eltern sind krank und das Kind leidet mit. In diesen Fällen hilft die Mutter- Kind- bzw. Vater-Kind-Kur. Das wichtigste Ziel ist: Den Eltern und ihren Kindern neue Kraft zu geben. Kraft im Kampf gegen Krankheiten, Kraft für den Alltag und Kraft für neue Perspektiven. Diese Kuren erfüllen noch einen wichtigen Zweck: Sie sind praktische Prävention. Denn die Kinder lernen schon frühzeitig, was zu einem gesunden Lebensstil gehört: Zum Beispiel ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Sie lernen es gemeinsam mit Mutter oder Va- ter und motivieren sich zu Hause gegenseitig, sie ermun- tern sich, sie spornen sich an. In der Vergangenheit haben die Krankenkassen die Kosten für Kuren oder andere Rehabilitations- und Vor- sorgemaßnahmen für Mütter vollständig übernommen. In letzter Zeit sind einige Kassen dazu übergegangen, nur noch Zuschüsse zu gewähren. Das geltende Gesetz räumt den Kassen diese Möglichkeit ein, weil diese Kuren Sat- zungsleistungen sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass die- jenigen, die es vielleicht am dringendsten brauchen – zum Beispiel allein erziehende oder kinderreiche Mütter – dies mit ihrer und ihrer Kinder Gesundheit bezahlen müssen, weil sie sich die Mutter-Kind-Kur nicht leisten können Unser Gesetzentwurf nimmt die Krankenkassen bei der Finanzierung von Mütter-Kuren und Mutter-Kind- Kuren wieder in die volle finanzielle Verantwortung. Wir sorgen für eine flächendeckende Vollfinanzierung dieser wichtigen gesundheits- und familienpolitischen Leistung. Gleichzeitig sichern wir die Qualität und Effizienz dieser Leistungen auf einem hohen Niveau, denn die Kuren dür- fen nur noch in Einrichtungen erbracht werden, mit denen die Krankenkassen einen Versorgungsvertrag abgeschlos- sen haben. Voraussetzung für den Versorgungsvertrag ist, dass die Einrichtung fachlich medizinisch unter ständiger ärztlicher Verantwortung steht. Für Eltern gibt es nichts Schlimmeres als eine schwere Erkrankung ihrer Kinder. Die Tatsache, dass der weitere Krankheitsverlauf nicht mehr aufzuhalten ist, ist schwer genug zu akzeptieren. Diese Tatsache ist aber auch eine Herausforderung für die Gesundheitspolitik. Für mich be- deutet dies konkret, dass wir ein Umfeld gestalten müs- sen, dass den kleinen Patienten ein menschenwürdiges Sterben und den Familien die Betreuung ihrer Kinder er- möglicht. Ein erster Schritt war das Gesetz zur Förderung der ambulanten Hospitzarbeit. Ein zweiter Schritt ist un- ser Gesetzentwurf zur Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker Kinder. Wir wollen, dass die be- troffenen Familien sich in ihrer schwierigen Situation nicht auch noch mit finanziellen Problemen oder Schwie- rigkeiten am Arbeitsplatz belasten müssen. Eltern, die ihre todkranken Kinder betreuen, sollen unbegrenzt Kran- kengeld erhalten. Solange sie Krankengeld beziehen, sind sie unbezahlt von ihrer Arbeit freigestellt. Beide Gesetzentwürfe sind wichtige gesundheitspoli- tische und familienpolitische Maßnahmen. Mit Ihrer Zu- stimmung können Sie zeigen, dass Familienpolitik für Sie mehr ist, als nur ein Lippenbekenntnis. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Brustkrebs – Mehr Qualität bei Früherkennung, Versorgung und Forschung – Für ein Mammographie-Scree- ning nach europäischen Leitlinien – Antrag: Für ein Gesamtkonzept zur Verbesse- rung der Versorgung bei Brustkrebs (Tagesordnungspunkt 31 a und b) Helga Kühn-Mengel (SPD): Heute ist ein guter Tag für alle Frauen: Wir beschließen heute die qualitätsgesi- cherte Früherkennung von Brustkrebs nach europäischen Leitlinien in Deutschland. Dies ist ein Durchbruch, ein wichtiger Schritt unserer Qualitätsoffensive im Bereich Gesundheit. Wir haben ein leistungsfähiges Gesundheits- wesen, um das uns viele auf der Welt beneiden. Zu seinen unverwechselbaren Stärken gehören die solidarische Fi- nanzierung, ein umfassender Gesundheitsschutz für alle, die wohnortnahe Versorgung durch qualifiziertes Perso- nal unterschiedlicher Professionen und ein Leistungsan- spruch, der allein durch den medizinischen Bedarf defi- niert wird. Wir wissen aber auch, dass unser Gesundheitswesen Mängel hat. Die meisten Qualitätsverluste haben wir, wenn Leistungen nicht aufeinander abgestimmt sind, be- sonders bei der Behandlung chronisch kranker Menschen. Das dritte Gutachten des von uns eingesetzten Sach- verständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen fasst es prägnant zusammen: „Bei allen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24959 (C) (D) (A) (B) Krankheitsgruppen sieht der Rat erheblichen Bedarf zur Verbesserung ihrer Versorgungskette...“ Während Liberale und Christdemokraten nur noch von Wahlleistungen und Eigenverantwortung reden und damit eigentlich den Kahlschlag des solidarischen Systems mei- nen, haben wir genau hingeschaut, wo die Versorgung nicht stimmig ist, wo es Defizite gibt. Wir haben Qualität im Gesundheitssystem zum Thema gemacht. Ein Beispiel für die Struktur- und Qualitätsprobleme ist die Versorgung beim Brustkrebs. Die Zahlen sind bekannt: Jedes Jahr er- kranken 47 000 Frauen an dieser Krebsart, 17 000 sterben jährlich daran. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkran- kung bei Frauen. Internationale Studien belegen, dass sich die Zahl der Todesfälle bei Frauen zwischen 50 und 70 Jahren, wenn sie an einem Screening teilnehmen, deut- lich, um 30 Prozent, verringern ließe, wenn die Früher- kennung unter gesicherten Qualitätsbedingungen statt- fände. Wir kennen die Defizite in allen Bereichen der Brust- krebsversorgungskette. Sie reichen von der nicht vorhan- denen qualitätsgesicherten Früherkennung bis hin zur fast ausschließlich technisch-operativ orientierten Nachsorge. Keine Frau kann es ertragen, dass circa 200 000 falsch- positive Befunde produziert werden, dass im Bereich Brustkrebs-Diagnostik circa 100 000 unnötige operative Biopsien vorgenommen werden und dass in Deutschland zu viele Brüste amputiert werden, wie der „Essener Skan- dal“ gezeigt hat, und dass jedes Jahr rund 3 500 Frauen unnötig sterben. Es wird in Deutschland viel Geld rund um den Brust- krebs verdient: Besonders das bislang außerhalb von qua- litätsgesicherten Programmen durchgeführte so genannte graue Mammographie-Screening beschert einigen ein lu- kratives Einkommen, ohne dass Frauen sicher sein kön- nen, flächendeckend auf höchster Qualitätsstufe behandelt zu werden. Die derzeitige Praxis der grauen Mammogra- phie ist nicht nur medizinisch fragwürdig; sie ist auch ethisch nicht vertretbar und teuer durch fehlende Qualität und unnötige Folgeuntersuchungen. Hier ergeben sich ro- buste Potenziale für die Verbesserung der Versorgungs- qualität, verbunden mit einer langfristigen Kosten- senkung. Vor einem Jahr haben wir unseren Antrag hier eingebracht. Er ist ausführlich diskutiert worden, mit Frauen und Selbsthilfegruppen, im Ausschuss, bei An- hörungen, im Gespräch mit vielen Akteuren, mit Wissen- schaftlern und Wissenschaftlerinnen hier im Parlament. In der letzten Zeit wurde – insbesondere aufgrund des Cochrane-Reviews und damit zusammenhängenden Pu- blikationen – die Frage des Nutzens eines Mammogra- phie-Screenings noch einmal eingehend beleuchtet. Da- bei stand keineswegs die Kosten/Nutzen-Frage im Vordergrund, sondern die Nutzen/Risiko-Frage, da es sich bei der Mammographie um eine Röntgenuntersuchung handelt und somit zu einer Exposition gegenüber ionisie- renden Strahlen führt. Die Strahlenschutzkommission hat in einer Stellung- nahme vom 27. Februar 2002 nach Würdigung der wis- senschaftlichen Argumente und Daten unter anderem festgestellt, dass der von einem Mammographie-Scree- ning-Programm zu erwartende Nutzen das geringe Risiko durch die Strahlenexposition überwiegt. Allerdings weist die Strahlenschutzkommission auch darauf hin, dass dies nur bei Zugrundelegung der hohen Qualitätsanforderun- gen gemäß den europäischen Leitlinien gilt. Im März hat sich die International Agency for Research on Cancer, ARC, eine weltweit anerkannte Einrichtung der WHO, zur Evidenz des Mammographie-Screenings geäußert. Die dabei versammelten 24 Experten aus elf Ländern haben die vorliegende Datenlage sehr kritisch geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass bei Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr die Teil- nahme, insbesondere an organisierten Mammographie- Screening-Programmen, zu einer geschätzten Reduktion der Brustkrebsmortalität von circa 35 Prozent führt. Das internationale Gremium zog die Schlussfolgerung, dass in Studien ausreichend die Evidenz des mammographischen Screenings bei Frauen vorgelegt wurde. Insoweit darf davon ausgegangen werden, dass die Einführung eines Mammographie Screenings für Frauen zwischen dem der 50. und 69. Lebensjahr in Deutschland berechtigt und nützlich ist unter der Voraussetzung, dass es sich um ein qualitätsgesichertes Programm gemäß den europäischen Leitlinien handelt. Es bleibt also hier und heute festzuhalten: Unser An- trag wurde in allen Punkten bestätigt. Wir haben die Zeit aber auch bereits genutzt, um folgende Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Brustkrebsversorgung zu errei- chen: Aufgrund der bekannten Vorfälle sind erhebliche Zweifel aufgekommen, ob alle Ärztinnen und Ärzte, die bereits heute legitim zu diagnostischen Zwecken Mam- mographien durchführen, ausreichend qualifiziert sind und bleiben. Deshalb wurden stringente Qualitätssiche- rungsregelungen für die so genannte kurative Mammo- graphie vereinbart, die zum 1. April 2002 in Kraft getre- ten sind. Dazu gehören Eingangsprüfungen für Ärztinnen und Ärzte, Stichprobenkontrollen bei jedem mammogra- phierenden Arzt, die standardisierte Dokumentation und die Evaluation aller Maßnahmen durch die Planungsstelle Mammographie-Screening. Brustkrebs wurde als eine der vorrangig zu behandeln- den Gesundheitsziele ausgewählt. Eine Arbeitsgruppe ar- beitet hier bereits auf Hochtouren. Des Weiteren haben wir uns dafür eingesetzt, dass Brustkrebs als eine der vier Krankheiten für die Disease-Management-Programme benannt worden ist. Am 13. Juli hat der Koordinierungsausschuss seine Empfehlungen für die strukturierten Behandlungspro- gramme, die Disease-Management-Programme, ein- vernehmlich beschlossen. Die Behandlungsprogramme werden insbesondere sicherstellen, dass unnötige Brust- amputationen vermieden, notwendige Maßnahmen gesi- chert sind und dass der psychosozialen Betreuung und Begleitung erkrankter Patientinnen ein größerer Stellen- wert eingeräumt wird. Empört war ich, als ich die Pressemitteilung des Kol- legen Parr dazu las. Das möllemannsche Virus mit den be- kannten Symptomen scheint sich auszubreiten: Schlag- zeilen um jeden Preis, auch wenn sie zulasten der Frauen gehen, die durch solche Falschmeldungen unnötig verun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224960 (C) (D) (A) (B) sichert werden. Die Vorwürfe des Kollegen sind haltlos: Es wurden keine Fachgesellschaften ausgeschlossen, die Brustkrebsversorgung wird nicht verschlechtert, sondern erfährt eine qualitative Verbesserung. Der Koordinierungsausschuss hat mit seiner einver- nehmlichen Empfehlung dem Bundesministerium für Ge- sundheit die Grundlage für die anstehende Rechtsverord- nung geliefert. Daran beteiligt waren die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe, die Gesell- schaft für Senologie. Damit ist ein wesentliches Etappen- ziel zu einer Verbesserung der gesamten Behandlungs- kette getan, von dem alle Patientinnen profitieren werden, die sich in das Programm einschreiben lassen Es ist also nicht richtig, wenn die FDP behauptet, dass die Empfeh- lungen nicht von den zuständigen Fachgesellschaften ge- prüft werden konnten. Es ist schlicht unseriöse Wahl- kampfpropaganda, zu behaupten, Patientinnen seien durch diese Programme „gefährdet“ bzw. die Programme ver- schlechterten gar die Brustkrebsversorgung. Einige glauben wohl noch immer, dass Frauen in die- sem Land nicht wissen, was gut für sie ist. Das nenne ich eine gefährliche Fehleinschätzung: In dem aktuellen Auf- ruf der Stiftung „Koalition Brustkrebs im Paritätischen Stifterverbund NRW“ für eine verstärkte Brustkrebs- bekämpfung in Deutschland kommen die Verfasserinnen zu folgendem Urteil über unsere Anstrengungen: „Die jetzt beschlossenen Gesetze zu den DRGs Brustkrebs und dem Antrag „Mammographie-Screening nach europä- ischen Leitlinien“ sind ein Durchbruch. Wir sind auf dem richtigen Weg und wir werden ihn konsequent zu Ende gehen. Und ich hoffe, dass sich hier im Hause alle Abgeordneten dem Votum des Gesund- heitsausschusses anschließen und interfraktionell unse- rem Antrag zustimmen. Allen Frauen möchte ich versi- chern, dass wir nicht nachlassen werden, für eine wirksame Brustkrebserkennung und -behandlung nach europäischem Qualitätsstandard zu kämpfen. Die verbes- serte Früherkennung auf höchstem Qualitätsniveau ist der erste wichtige Schritt zur Verbesserung der gesamten Ver- sorgungskette. Unser Auftrag ist unmissverständlich: Sollte der Bun- desausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht alle nötigen Maßnahmen ergreifen, damit im nächsten Jahr die nach der europäischen Leitlinie erforderlichen Maßnah- men umgesetzt werden, dann wird Rot-Grün mit einem Gesetz für die Einführung des Krebsfrüherkennungspro- grammes nach europäischen Leitlinien sorgen. Es darf keine Kompromisse bei der Behandlung von Brustkrebs geben. Frauen fordern allerbeste Qualität – wir unterstüt- zen sie darin. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Etwa 47 000 Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Brustkrebs, bei 40 bis 80 Prozent wird die Brust amputiert, circa 18 000 sterben daran. Diese hohe Anzahl an Erkrankun- gen bedeutet, dass alle 12 Minuten in Deutschland eine Brustkrebserkrankung neu diagnostiziert wird, und dass bei einer Amputationsrate von 50 Prozent alle 24 Minuten eine Brust amputiert wird. Brustkrebs, der früher lediglich als „Alterskrankheit“ galt, ist heute die häufigste Todesursache bei 45- bis 60- jährigen Frauen. Hinzu kommt: Immer mehr und immer jüngere Frauen erkranken daran, und die Tumore werden immer aggressiver. Diese schrecklichen Zahlen und Fakten, hinter denen Tausende von traurigen Schicksalen von Frauen stehen, haben mich in den letzten Jahren dazu bewegt, mich in- tensiv diesem Thema zu widmen, mich massiv für Ver- besserungen in der Frauengesundheit einzusetzen und mich nicht mit halbherzigen Lösungsansätzen zufrieden zu geben. Angesichts der viel zu hohen Sterberate, der oftmals viel zu spät erkannten Brustkrebserkrankung und der noch immer viel zu schlechten Behandlungsmöglichkei- ten in Deutschland habe ich es mir mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion zur Aufgabe gemacht, grundlegende Verbesserungen in der Frauengesundheit voran zu bringen. Wie Sie wissen, kämpfe ich an dieser Stelle wie eine Löwin und werde nicht davon ablassen, bis eine grundlegende Verbesserung der Brustkrebsvorsorge und der Brustkrebsbehandlung für Frauen in Deutschland erreicht ist. Leider bin ich mit diesem Anliegen und den richtigen Ansätzen und Konzepten der Unionsfraktion bei den Re- gierungsfraktionen nicht von Anfang an und – wie ich finde – noch immer nicht ausreichend auf offene Ohren und Zustimmung gestoßen. Bereits im Jahr 2000 hat meine Fraktion mit dem Antrag „Konkrete Gesundheitspolitik für Frauen“ auf die große Wichtigkeit der Brustkrebsfrüher- kennung aufmerksam gemacht und Verbesserungswege in der Frauengesundheit aufgezeigt. Wir haben schon damals unter anderem ein qualitätsgesichertes, flächendeckendes Mammographie-Screening gefordert. Unser Antrag wurde jedoch von den Regierungsfraktionen abgelehnt. In den vergangenen Debatten zum Thema Frauenge- sundheit und zahlreichen Stellungnahmen haben wir von der CDU/CSU immer wieder darauf hingewiesen, dass keine Zeit für die betroffenen Frauen verloren werden darf. Heute, nach nunmehr bald zwei Jahren, sind wir ein Stück weiter – jedoch noch immer nicht weit genug. Wir sind uns heute hoffentlich darüber einig, dass es gar keine Frage mehr ist, dass ein qualitätsgesichertes Screening- Verfahren die beste Methode zur Erkennung von Brust- krebs ist. Wir sind uns auch erfreulicherweise darüber ei- nig geworden, dass es nicht reicht, weitere fünf bis sechs Jahre zu warten, bis die laufenden Modellversuche zum Brustkrebs ausgewertet worden sind. Vor ein paar Monaten noch waren Sie, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, da ganz anderer Meinung. Noch in der letzten Debatte Ende Januar dieses Jahres haben Sie lediglich auf die Modellversuche ver- wiesen. Jetzt aber ist hoffentlich klar: Unsere Forderun- gen nach einem flächendeckenden, qualitätsgesicherten und fachübergreifenden Brustkrebs-Früherkennungskon- zept waren von Anfang an richtig. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24961 (C) (D) (A) (B) Nach monatelangem Drängen unsererseits ist es uns im Mai dieses Jahres im Gesundheitsausschuss gelungen, ei- nen Durchbruch bei der Verbesserung der Brustkrebs- früherkennung zu erreichen. Nach dem Änderungsantrag aller Fraktionen zu dem heute zu diskutierenden Antrag der Regierungsfraktionen sollen bis 2003 die Vorausset- zungen für ein flächendeckendes Screening-Programm für Frauen nach den europäischen Leitlinien durch zerti- fizierte Mammographie-Einrichtungen geschaffen wer- den. Dieser Erfolg ist viel wert und ich möchte auch ganz klar sagen: Es war sehr wichtig und notwendig, dass diese Erkenntnis nun endlich von allen Fraktionen mitgetragen wird. In diesem Zusammenhang war mir persönlich fol- gender Punkt des Änderungsantrages besonders wichtig: Wenn bis 2003 vonseiten der gemeinsamen Selbstverwal- tung von Ärzten und Krankenkassen dieses wichtige Vor- haben nicht umgesetzt wird, soll eine gesetzliche Rege- lung auf den Weg gebracht werden. Die Einführung des flächendeckenden Screening-Programmes soll so nach- haltig beschleunigt werden. Die Forderung nach einer qualitätsgesicherten und flächendeckenden Früherkennung muss mit der Nutzung der in Deutschland vorhandenen Versorgungsstrukturen verknüpft werden. Diese sind nicht immer unmittelbar vergleichbar mit denen anderer europäischer Länder und dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden. Eine ausschließliche Konzentration auf Frauengesundheits- zentren schränkt unsere Chancen auf eine bessere Frau- engesundheit ein. Wir brauchen die Möglichkeit, auf ge- wachsene und flächendeckende Strukturen zurückgreifen zu können. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kas- senärztliche Bundesvereinigung haben angekündigt, die- ser Forderung nachzukommen. Dies begrüße ich nach- drücklich. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle an die Verantwortung erinnern, die dieser Ankündigung inne- wohnt. Ich appelliere an dieser Stelle an die Krankenkas- sen und Ärzte: Enttäuschen Sie die Hoffnungen vieler Frauen nicht. Viele Menschenleben können auf diesem Wege gerettet werden. Wenn der heute vorliegende Antrag mit unseren Ände- rungen bald umgesetzt wird, können sich bald alle betrof- fenen Frauen einem qualitätsgesicherten Screening unter- ziehen: nicht mehr nur jene, die in Modellregionen wohnen. Dies ist eine Chance im Kampf gegen den Brust- krebs, die wir nicht verstreichen lassen dürfen. Die Ver- einbarung, auf die Länder einzuwirken, ein vollständiges, flächendeckendes Krebsregister einzurichten, ist eben- falls mehr als sinnvoll. Ein solches Krebsregister ist not- wendig für eine nachhaltige Gesundheitsberichterstat- tung, die weitere Forschung und für den Aufbau verbesserter Behandlungsqualität. Jetzt muss nachdrück- lich darauf hingewirkt werden, dass diese Vereinbarung auch umgesetzt wird. An dieser Stelle möchte ich nochmals deutlich machen: Mindestens ebenso wichtig wie die richtige Bekämpfung einer Krankheit ist die Prävention. Erfolgreiche Früherkennung braucht hohe Beteiligungsquoten. Deshalb brauchen wir mehr Öffent- lichkeitsarbeit und eine verstärkte Patientinnenberatung. Hier muss die Politik ansetzen. Das von der Union gefor- derte „Aktionsprogramm Prävention“ ist hier der richtige Weg zum Ziel. Um die verschiedenen Anreizsysteme zur Verbesserung der Inanspruchnahme von Präventionsleis- tungen sinnvoll zu nutzen und auszubauen, brauchen wir ein Präventionsgesetz, mit dem eine Bündelung der Vor- gaben erreicht werden kann. Die Zeit drängt. Mehr Vor- sorge ist vordringlich. Um mehr in der Bekämpfung des Brustkrebses erreichen zu können, ist ein ganzheitliches Vorgehen notwendig. Die Brustkrebs-Vorsorge und die Brustkrebs-Behandlung sind hierbei zwei Aspekte, die nicht auseinander dividiert werden dürfen. Die Qualität der Brustkrebs-Behandlung muss gesichert werden. Die Bundesregierung versucht derzeit, eine Qualitätsver- besserung durch das Disease-Management-Programm „Brustkrebs“ zu erreichen. Dabei hapert es gewaltig. Mit großer Enttäuschung musste ich am vergangenen Mittwoch in der Fragestunde feststellen, dass die Bun- desregierung, vertreten durch die Parlamentarische Staatssekretärin Schaich-Walch, von der berechtigten Kritik der „Konzertierten Aktion Brustkrebs-Früherken- nung in Deutschland“ bislang keine Kenntnis genommen hat. Es ist ein Skandal, dass ein Offener Brief an die Bun- desgesundheitsministerin vom 20. Juni 2002 einfach ignoriert wird. Qualitätssicherung in der Behandlung ist mit einer derartigen Scheuklappenpolitik und einem ignoranten Umgang mit berechtigter Kritik nie und nim- mer zu erreichen. Die Bundesregierung ist offensichtlich der Ansicht, dass eine notwendige enge Verzahnung der Brustkrebsfrüherkennung und -versorgung mit dem Disease-Management-Programm weder gegeben noch beabsichtigt sein soll. Dies halten wir für einen grundle- genden Fehler. Ich möchte Sie über die Kritikpunkte der „Konzertierten Aktion zur Brustkrebs-Früherkennung“ nicht weiter in Unkenntnis verweilen lassen. Es wird kri- tisiert, dass die Beschlussvorlage zur Umsetzung des Disease-Management-Programms ungeeignet ist, um die Versorgung von Frauen mit Brustkrebs substanziell zu verbessern und die Früherkennung grundlegend voranzu- bringen. Diese Kritik hat Hand und Fuß, denn für ein wir- kungsvolles Disease-Management-Programm Brustkrebs sind folgende Prämissen notwendig: Erstens: Eine leitli- nienkonforme Ausgestaltung des Programms muss gewährleistet sein. Nur dann ist es möglich, Qualität zu sichern und ein Datenmanagement zu begründen. Zwei- tens: Das Disease-Management-Programm darf nicht los- gelöst von einem Konzept der Brustkrebsfrüherkennung betrachtet werden. Drittens: Den negativen Erfahrungen bei den Modellversuchen muss Rechnung getragen wer- den: Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der multidisziplinären Versorgungskette ist dringend erfor- derlich. Diese unverzichtbaren Voraussetzungen sind im Programm der Bundesregierung nicht erfüllt. Auch von- seiten der Women’s Health Coalition wird darauf hinge- wiesen, dass der derzeitige Entwurf zu einem Disease-Management-Programm Brustkrebs nicht nur unbrauchbar sei, sondern sogar Risiken für die Versor- gung an Brustkrebs erkrankter Frauen erwarten lasse. Vor diesem Hintergrund ist Folgendes nicht mehr von der Hand zu weisen: Sie wollen von dem Zeitrahmen, der zu einer Erstellung einer leitlinienkonformen Beschlussvor- lage notwendig ist, abrücken, um noch vor der Bundes- tagswahl – wenn auch zweifelhafte – Ergebnisse in der Frauengesundheitspolitik vorweisen zu können. Sie be- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224962 (C) (D) (A) (B) treiben Wahlkampf auf Kosten der Frauengesundheit in Deutschland und nehmen dabei sehenden Auges Ver- schlechterungen für die betroffenen Frauen in Kauf. Wir stellen uns einem solchen Vorgehen entgegen. Die Qualität bei der geplanten Verbesserung der Brustkrebs- früherkennung darf nicht einem Wahlkampfaktionismus zum Opfer fallen. Die Kritik der Fachleute muss aufge- nommen werden, um ein Versagen der Versorgungs- kette in Zukunft verhindern zu können. Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden eine Mogel- packung nicht unterstützen. Nach dem Wahlsieg der Union am 22. September dieses Jahres werden wir grund- legende Verbesserungen in der Frauengesundheit durch- setzen. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn wir, von einem „Gesamtkonzept zur Verbesserung der Versorgung bei Brustkrebs“ sprechen, dann sprechen wir über geschlechtsspezifische Gesundheitsversorgung in einem Gesamtsystem, das bislang eklatante Qualitäts- mängel in der Früherkennung und in der Ausschlussdia- gnostik sowie in den Behandlungsstandards hervorge- bracht hat. Ich möchte sagen: Gäbe es uns Frauen in der Schaltstelle der Gesundheitspolitik nicht, dann hätte sich daran auch noch eine Weile nichts Wesentliches geändert. Lange genug wurde das unterdurchschnittliche Pro- blembewusstsein in Deutschland bei Kassen, Politik und organisierter Ärzteschaft nacht skandalisiert. Deshalb lobe ich uns Frauen im Parlament und in der Öffentlich- keit, das Engagement der Patientinnengruppe, ohne die es nicht zu diesem qualitativen Sprung gekommen wäre. Als Nebeneffekt oder Mitnahmeeffekt lernt das System insge- samt, wie aus der Perspektive von Erkrankten – „potenzi- ell betroffene Nutznießerinnen“ – von Veränderungen. Sie werden durch qualifizierte Früherkennungsangebote, Re- formmaßnahmen, die diesen Namen verdienen, in das deutsche Gesundheitswesen Einzug finden können. Sie geben Beispiel, wie das Gesundheitssystem zukunftsfähi- ger und effizienter gemacht wird. Es sei hier noch einmal betont: Die Selbstverwaltung, Ärzte, Krankenkassen, die für die Etablierung und Wei- terentwicklung von Gesundheitsversorgung die Zustän- digkeit haben, haben an Lösungsoptionen am Überwin- den lebenszeitfressender Fehlallokationen kein echtes Interesse gezeigt. Anders in anderen europäischen Staa- ten. Dort wurden Qualitätsstandards entwickelt und im- plementiert. Hier bei uns bedurfte es ausdrücklicher par- lamentarischer Einflussnahme, weil sonst wieder im Interessendschungel von Fachgesellschaften, kassenärzt- lichem Sicherstellungsauftrag und separiertem Versor- gungssektor die Gesundheit der Frau der nachrangigste Faktor geblieben wäre, um den man sich streitet. Obgleich – das sei auch gesagt – es hervorragende me- dizinische Angebote gibt, Frauen mit Brustkrebs mit hochinnovativen Verfahren zu therapieren, bleiben doch die Standards unterschiedlich. Und für die betroffenen Pa- tientinnen ist es meist unklar, ob sie die beste Therapie zum richtigen Zeitpunkt erfahren. Das Disease-Management-Program, so lautet das Vor- haben der Ministerin, soll hier zu einheitlichen oder ver- gleichbar hohen Standards an allen Orten der Kranken- versorgung führen. So wie die Lage der DMP nach dem Scheitern auf der Ebene der Kassenärztlichen Bundesver- einigung sich darstellt, kann ich Stand heute nicht sagen, ob sich überall für alle an Brustkrebs erkrankten Frauen gleiche Bedingungen nach dem Behandlungsprogramm vorfinden lassen werden. DMP an den Risikostrukturaus- gleich zu koppeln, das war von Anfang an klar, ist pro- blematisch, weil es eigentlich RSA-System fremd sind. Aber heute geht es darum, nach einem guten Bera- tungsverlauf den von Frau Kühn-Mengel und mir maß- geblich entwickelten Antrag zu beschließen. Er beinhaltet im Detail, darauf hinzuwirken, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesverei- nigung ab dem Jahr 2003 ein flächendeckendes Scree- ning-Programm für Frauen nach den europäischen Leit- linien durch zertifizierte Mammographie-Einrichtungen einführen müssen, was sie angekündigt haben und an die- ser Stelle zu würdigen ist. Und für den Fall, dass das nicht so kommt, eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. Die am Screening teilnehmenden Zentren müssen nach Leitlinien der Europäischen Union von den Spitzenver- bänden der Krankenkassen unter Einbeziehung unabhän- gigen wissenschaftlichen Sachverstands nach den EUREF- Standard zertifiziert werden. Darüber hinaus soll die Selbstverwaltung bis zum Jahr 2005 alle ambulant durch- geführten Mammographien, das heißt auch die der Ab- klärung von verdächtigen Befunden dienenden Mammo- graphien, in die am Screening teilnehmenden Zentren überführen. In die Finanzierung der Screening-Pro- gramme sind die bisher von den Krankenkassen über die Gesamtvergütung für Mammographie aufgebrachten Mit- tel einzubringen. Im Weiteren soll auf die Länder einge- wirkt werden, ein vollständiges, flächendeckendes Krebs- register nach IARC-Standard einzurichten, welches als Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung sowie für weitere klinische epidemilogische Forschung und damit auch dem Aufbau verbesserter Behandlungsqualität dient. Darüber hinaus ist es nötig, die Zertifizierung von Ein- richtungen zu fördern, die leitlinienorientierte, qualitäts- gesicherte Mammographie anbieten, die Qualität der Behandlung zu fördern, die Öffentlichkeit und die Patien- tinnenberatung zu verstärken sowie die Versorgungsfor- schung zu intensivieren. Dies zeigt auf, wie genau wir uns um die tatsächliche Implementierbarkeit der europäischen Standards ins spezielle deutsche System verständigt ha- ben. Denn wir wollen im Einzelnen erreichen, dass der mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz eingeschlagene Weg der Qualitätssicherung, der Möglichkeit zur inte- grierten Versorgung, der evidenzbasierten Medizin kon- sequent ausgebaut und gezielt die Qualitätsverbesserung in der Brustkrebsfrüherkennung gefördert wird. Dazu sind alle Voraussetzungen für die Einführung eines flächendeckenden Mammographie-Screenings nach eu- ropäischen Leitlinien zu schaffen. Mammographie-Screening ist eine Früherkennungs- maßnahme. Sie kann die Genesungschancen von Frauen mit Brustkrebs verbessern und in vielen Fällen Lebenszeit verlängern. Sie kann den Weg zu einer Therapie früher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24963 (C) (D) (A) (B) öffnen. Sie ist ein Angebot, das nur für Frauen ab dem 50. Lebensjahr sinnvoll ist. Mammographie-Screening ist für jüngere Frauen kein regelrechtes Angebot. Den eige- nen Körper kennen, die Brust ertasten, keine Ängste vor dem Älterwerden zu entwickeln, sorgsam mit der eigenen Brust sein, das ist etwas Wichtiges, das Frauen selbstver- ständlich leben können sollten. Und wenn eine Frau diese Krankheit trifft, soll sie sich gewiss sein können, dass sie die bestmögliche Medizin und menschliche Unterstützung findet. Denn gute Tech- nik und Chirurgie sind eben doch nur eine Weise, die hel- fen kann, eine Krankheit, die einer wiederfährt, zu durch- leben. Die andere Seite ist die seelische, die individuelle, die soziale Seite, die auch gelebt wird. Und deshalb ist eine ganzheitliche Betrachtung und eine multidisziplinäre Versorgung eine ebenfalls unverzichtbare Komponente im Behandlungsverlauf. Das kommt nach dem Befund „Brustkrebs“. Ob eine Frau an Brustkrebs erkrankt ist, ist unter Anwendung bester Diagnostik im Rahmen von Mammographie-Screening die entscheidende Frage. Erst wenn nicht „Nein“ gesagt werden kann, wenn ein positi- ver Befund vorliegt, kann die qualitätsgerichtete Behand- lungsleitlinie ihren Sinn erfüllen. Deshalb sollte von allen Parteien „Ja“ gesagt werden zu unserem Antrag einer ver- besserten Früherkennung für Frauen ab den Wechsel- jahren. Detlef Parr (FDP): Seit Wochen steht die Frage der Brustkrebs-Früherkennung auf der Agenda des Gesund- heitsausschusses – die Debatte hat der Sache leider bisher nicht so gedient, wie wir alle uns das gewünscht haben. Es gibt Streit bei den laufenden Modellversuchen, es gibt Streit bei der Implementierung des Disease-Management- Programms Brustkrebs. Es muss uns schon zu denken geben, wenn in Bremen ein namhaftes Institut aus dem Modellprojekt des Mammographie-Screenings mit der Begründung aussteigt, die Daten des Projektes sollten gar nicht erst ausgewertet werden, weil die politische Entscheidung über die Einführung eines bundesweiten Screenings im Jahre 2003 bereits gefallen sei. Die FDP hat auf dieses Problem bereits vor Wochen hingewiesen und die übereilte Festlegung der Regierungsfraktionen kritisiert. Laut Ärztezeitung vom 13. Juni 2002 ist damit die Basis für ein wirkungsvolles Screening in Gefahr, nämlich Vertrauen und Akzeptanz. Eine Konsens-Fin- dung ist eben unverzichtbar. Es muss uns ebenfalls zu denken geben, wenn die „Kon- zertierte Aktion Brustkrebs-Früherkennung in Deutsch- land“ nach einer Anhörung zur Beschlussvorlage des Koordinierungsausschusses zum Thema „Disease-Manage- ment-Programm Mammakarzinom“ Alarm schlägt – auch hier wieder wegen des Zeitdrucks, mehr aber noch wegen inhaltlicher Mängel und fehlender Abstimmung mit den Fachgesellschaften und Berufsverbänden. Danach verschlechtert sich sogar die Versorgungs- situation bis hin zu einer Gefährdung betroffener Frauen im Einzelfall. Die medizinischen Inhalte richten sich nicht an den Leitlinien aus. Folglich können Anforderungen an die notwendige Qualitätssicherung, die wir alle ja zu Recht immer wieder betonen, nicht formuliert werden. Auch die fach- und sektorübergreifende Zusammenarbeit als entscheidende Voraussetzung für den Erfolg eines Chroniker-Programms ist nicht geregelt. Um die Frage des Datenmanagements, die hochsensibel ist, weil den Krankenkassen erstmals über den bisherigen Rahmen hi- naus ohne Zustimmung der Betroffenen Daten übermittelt werden sollen, hat man sich herumgedrückt. Die Techni- ker-Krankenkasse beklagt den fehlenden verbindlichen Umfang an Prüfungen sowie wirksame Sanktionen bei festgestellten Fehlern und befürchtet Manipulationen im Zusammenhang mit dem RSA. Die FDP hat in ihrem Antrag, der noch in der Beratung ist, neben dem Selbstbestimmungsrecht der Frau zwei For- derungen in den Mittelpunkt gerückt: Erstens. Eine qualitätsgesicherte Diagnosekette ist an- stelle einer Fokussierung auf die Mammographie zu ga- rantieren. Zweitens. Zur Sicherung einer qualitätsgesicherten Brustkrebs-Früherkennung muss eine systematisch evi- denz- und konsensbasierte Leitlinie für eine Diagnose- kette implementiert werden. So einig wir uns in der Zielsetzung sind, so unter- schiedlich sind die Schwerpunkte, die wir setzen. Die wachsende Kritik an den Vorstellungen von Rot-Grün sollte dazu führen, den Antrag noch einmal zu überarbei- ten. Wir lehnen ihn in der vorliegenden Fassung ab, ste- hen aber gerne zu Abstimmungsgesprächen der dringen- den Sache wegen zur Verfügung. Petra Bläss (PDS): Spät, aber nicht zu spät kommt die über die Jahre geführte Parlamentsdebatte über die Brustkrebsprävention und -bekämpfung zu einem vorläu- figen Abschluss. Mittlerweile erkrankt jede zehnte Frau in Deutschland an Brustkrebs. Dabei ist die Brustkrebsrate hier zu Lande nicht wesentlich höher als in anderen euro- päischen Staaten – jedoch die Sterblichkeitsrate ist es. Durch das Fehlen von Früherkennungsprogrammen ster- ben bei uns ein Drittel mehr Frauen an dieser Krankheit als in den Niederlanden, Großbritannien und Schweden. Das ist ein Skandal. Seit Jahren verweisen Brustkrebsinitiativen darauf, dass sich die Zahl der Todesfällle durch Brustkrebs durch qualitätsgesicherte Früherkennung nach europäischen Leitlinien erheblich senken lässt. Deswegen stimmen wir den beiden vorliegenden Anträgen der Koalition und der FDP zu, mit denen das Screening für Frauen ab 50 Jahren, flächendeckend eingeführt werden soll. Hierbei muss je- doch beachtet werden, dass in Deutschland Frauen nicht nur wegen fehlenden qualitätsgesicherten Mammogra- phien sterben, sondern auch traumatischen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Deshalb unterstützen wir vor allem die in den Anträgen geforderte Einführung von verbindlichen Qualitätsstandards und ex- ternem Qualitätsmonitoring. Denn es darf nicht länger sein, dass die Qualität der Beratung, Diagnose, Therapie und Nachsorge und somit die Überlebenschance von Brustkrebspatientinnen von Ärzten zu Ärzten unter- schiedlich ist. Frauen dürfen hierzulande nicht länger von der Willkür der Ärtze und Ärztinnen abhängig sein, ob bei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224964 (C) (D) (A) (B) ihnen eine Mammographie durchgeführt wird oder nicht. Außerdem ist es eine Schande, dass in Deutschland Ärzte und Ärztinnen Untersuchungen durchführen dürfen, für die sie nicht speziell geschult sind und obendrauf auch noch Apparaturen verwenden, die schon längst veraltet sind. So wurde in Essen 300 Frauen eine Brust amputiert, weil der Arzt die Mammographiebilder nicht lesen konnte. Kein Wunder, denn nur sehr gut ausgebildete Ärzte und Ärztinnen sind in der Lage, Mammographien richtig zu interpretieren sowie brusterhaltende Krebs- therapien vorzunehmen. All dies ist aber nicht genug, denn Mammographien helfen vorrangig nur den 50- bis 70-jährigen Frauen. Was passiert mit allen anderen, die ebenfalls von Brustkrebs betroffen sind? Nicht nur in andern Ländern, sondern auch in Deutschland muss es letztlich darum gehen, den Brustkrebs vollständig auszurotten. Was wir brauchen ist also nicht nur eine intensivere Versorgungsforschung, wie von der Koalition gefordert, sondern auch eine stärkere Finanzierung der Krebsursachenforschung und Krebs- prävention. Denn seit Jahren stellen wir eine Zunahme von Brustkrebserkrankungen fest und wissen noch immer relativ wenig über die Ursachen. Die Erstellung eines flächendeckendes Krebsregisters, wie in den Anträgen ge- fordert, ist dazu nur ein erster Schritt. Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit: Die Früherkennung und Versorgung bei Brustkrebs müssen verbessert werden, weil sie Leben retten können. Darüber sind wir uns alle einig. Im Gegensatz zu einigen Nach- barländern gibt es in Deutschland noch kein Mammo- graphie-Screening-Programm nach europäischen Leit- linien. Das heißt: keine Doppelbefundung, keine tägliche Qualitätskontrolle der Technik, die Mindestzahl von 5 000 Mammographien pro Jahr und Auswerter wird oft nicht erreicht und es gibt kein Einladesystem für die be- troffenen Frauen. Das alles soll sich ändern durch ein qua- litätsgesichertes Mammographie-Screening-Programm für Deutschland. Zu viel Zeit ist in der Vergangenheit vertan worden. Schon Anfang 1998 habe ich dem Kollegen Seehofer ge- schrieben, dass ich die Einführung des Screenings in Deutschland und eine systematische Qualitätssicherung für einen wichtigen und längst überfälligen Schritt halte. Rund ein halbes Jahr später hat mir Herr Seehofer seine Unterstützung bei der Durchführung von Modellversu- chen zugesagt. Aber erst nach dem Regierungswechsel haben wir er- reicht, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Kranken- kassen die Modellversuche zum Mammographie-Scree- ning beschlossen hat. Sie sind gut angelaufen und die Basis für den Beschluss des Bundesausschusses zur flächendeckenden Einführung eines Mammographie- Screening-Programms im nächsten Jahr. Ich habe keinen Zweifel, dass der Bundesausschuss alle notwendigen Maßnahmen ergreift, damit ab nächstem Jahr alle Frauen zwischen 50 und 70 mammographiert werden können, und zwar nach strengen Regularien, die für eine qualitäts- gesicherte Durchführung nach den europäischen Leitli- nien unverzichtbar sind. Ich verspreche Ihnen: Sollte die Selbstverwaltung wi- der Erwarten ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen, dann werde ich die Initiative ergreifen. Ich bin aber optimistisch, denn die Selbstverwaltung hat ihre Handlungsfähigkeit mit neuen, stringenten Qua- litätssicherungsregelungen für die kurative Mammogra- phie bewiesen. Neben der Mammographie gibt es bereits heute Angebote zur Brustkrebsfrüherkennung im Rahmen des jährlichen Krebsfrüherkennungsprogramms. Wir müssen die Frauen noch stärker als bisher motivieren, diese Angebote anzunehmen. Wir haben das umgesetzt, was die Opposition während ihrer Regierungszeit nicht geschafft hat: Den Beginn ei- nes flächendeckenden, qualitätsgesicherten Früherken- nungsprogramms und eine bessere Versorgung von Brust- krebspatientinnen. Ab dem 1. Juli können Brustkrebspatientinnen an Di- sease-Management-Programmen teilnehmen. Diese Pro- gramme stellen sicher, dass in Zukunft unnötige Brust- amputationen vermieden, notwendige Bestrahlungen gesichert und der psychosozialen Betreuung und Beglei- tung der Patientinnen ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Alle diese Maßnahmen: Mammographie-Screening, Qualitätssicherungsvereinbarung der Selbstverwaltung, Früherkennung für Frauen ab 30, aber auch die novellierte Strahlenschutzverordnung des Bundesministeriums für Umwelt, Brustkrebs als Gesundheitsziel, die Einrichtung des Brustkrebstelefons beim Deutschen Krebsfor- schungszentrum und die laufende finanzielle Unterstüt- zung der Krebsregister der Länder zeigen: Wir machen keine leeren Versprechungen. Wir haben ein umfassendes Programm. Wir verbessern die Früherkennung, Diagnos- tik und Behandlung bei Brustkrebs entscheidend. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Deutsche Einheit in der Bundeswehr herstellen (Tagesordnungs- punkt 32) Uwe Göllner (SPD): Schon der Titel des Antrages transportiert, die Deutsche Einheit sei in der Bundeswehr noch nicht vollendet. Ich wage zu behaupten, diese Mei- nung vertritt nur eine Fraktion in diesem Hause, nämlich die Antragsfraktion. Ich habe nichts dagegen, dass uns vornehmlich durch die PDS-Fraktion die jüngste Vergangenheit immer wie- der einholt. Ihr selbst geht es trotz stets versicherter in- nerparteilicher Aufarbeitung ja ebenso. Auch wenn der Weg der wirtschaftlichen und sozialen Angleichung zwi- schen Ost und West noch nicht abgeschlossen ist, möchte ich hier und heute betonen, dass gerade die Bundeswehr ein Schrittmacher der inneren Einheit Deutschlands ist. Nirgendwo sonst wurde eine engere deutsch-deutsche Integration und Zusammengehörigkeit befördert. Denn Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24965 (C) (D) (A) (B) obwohl die Kreiswehrersatzämter versuchen, die Wehr- pflichtigen möglichst heimatnah einzusetzen, geht es doch häufig über die Bundesländergrenzen hinaus. Die PDS erweckt mit ihrem Antrag hingegen den Ein- druck, die Bundeswehr sei von einer „Einheit“ noch wei- ter entfernt als beisammen. Dass dem nicht so ist, zeigen rund 11 000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 50 000 zivile Mitarbeiter der ehemaligen NVA, die in die Bundeswehr integriert wurden. Das ist menschlich und organisatorisch eine einmalige Leistung. 18 bedeutende Führungs- und Ausbildungszentren der Bundeswehr befinden sich in den neuen Bundesländern, darunter die Offiziersschule des Heeres in Dresden, das Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Altmark, ein Marineamt in Rostock, die Bundeswehrkrankenhäuser in Berlin und Leipzig, das zentrale Institut des Sanitätsdiens- tes der Bundeswehr in Berlin und das militärgeschichtli- che Forschungsinstitut in Potsdam. Als stellvertretender Vorsitzender des Unterausschus- ses „Streitkräftefragen in den neuen Bundesländern“ überzeuge ich mich regelmäßig bei Besuchen der Stand- orte von den Fortschritten dieses Entwicklungsprozesses. Vor dieser Bilanz schlägt die PDS dagegen das Jahr 1990 und sogar das Jahr 1962 im Buch der Weltgeschichte wieder auf: Kuba-Krise, Führungsmächte, NATO, Warschauer Pakt – der altbekannte geschichtspolitische Exkurs der PDS: Kalter Krieg zur Erhaltung des Weltfrie- dens. Mit dem Antrag, der hier beraten wird, möchte sie der NVA endlich einen gebührenden Platz in der deut- schen Geschichte verschaffen. Bedauerlich, dass sie dafür geltendes Recht in einen falschen Zusammenhang stellt bzw. die Intention relevanter Gesetze verfremdet. Dies tut sie zum Beispiel mit der Forderung „Wehr- dienst in fremden Streitkräften“. Zu Beginn ihres Antra- ges stellt die PDS-Fraktion noch korrekt fest, dass die Bundesrepublik gemäß Einigungsvertrag nicht die Rechtsnachfolge für die NVA angetreten hat. Das heißt, die NVAwurde vor dem Beitritt aufgelöst und nicht in das staatliche Ordnungsgefüge übernommen. Für die unter 25-jährigen Männer hätte eine solche institutionelle Übernahme unter Umständen bedeutet, dass ihr bereits in der DDR abgeleisteter Grundwehrdienst nicht zwangs- läufig angerechnet worden wäre. Um zu verhindern, dass sie erneut zum Grundwehrdienst eingezogen werden, fand für die betroffenen Jahrgänge stattdessen § 8 des Wehrpflichtgesetzes Anwendung. Danach kann das Bun- desministerium der Verteidigung den Wehrdienst als ge- leisteten anderen Dienst anerkennen, wenn er in fremden Streitkräften bereits geleistet wurde. Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, die PDS versucht hier mit ihrer Forderung, ehemalige Soldaten der NVA nicht länger als „Gediente in fremden Streitkräften“ zu beurteilen, eine in meinen Augen Begünstigung in eine Benachteiligung zu verkehren. Im Übrigen bezeichnet § 8 des Wehrpflichtgesetzes seit 1956 jeglichen Dienst in einer anderen Armee als der Bundeswehr als „Wehrdienst in fremden Streitkräften“, ohne dass daran jemals Betrof- fene oder fremde Staaten Anstoß genommen hätten. Dieselbe Umkehrung von Ursache und Wirkung findet sich bei der Forderung nach voller bzw. genereller Aner- kennung der Laufbahn, von NVA-Vordienstzeiten, von Dienstgradbezeichnungen der NVAund von militärischen Bildungsabschlüssen. Für das Weiterführen von NVA-Dienstgraden mit dem Zusatz „a. D.“ oder „d. R.“ fehlt ebenfalls die Rechts- grundlage. Die Reservistenverordnung der DDR wurde nicht in den Einigungsvertrag übernommen, wodurch die früher geltenden Befugnisse erloschen. Das Bundesver- teidigungsministerium stellte bei gegebenen Anlässen stets klar, dass in der DDR erworbene Dienstgradbe- zeichnungen mit und ohne Zusätzen nicht geführt werden dürfen. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die anderen Teilbereiche des öffentlichen Dienstes, wie zum Beispiel bei der Polizei, beim Zoll, beim Auswärtigen Dienst und als Minister. Aus diesen Bereichen wurden allerdings auch nie Forderungen der Art erhoben, Amts- und Dienst- bezeichnungen aus der DDR weiterzuführen. In einem weiteren Punkt wird die Übernahme von Sanitätsoffizieren auf Zeit zu Berufsoffizieren gefordert. Wie die PDS in der Begründung dazu ausführt, sind es nur wenige Sanitätsoffiziere auf Zeit, die bis heute wegen der soldatenrechtlichen Bestimmungen im Einigungsvertrag nicht in Dienstverhältnisse von Berufssoldaten übernom- men werden konnten. Denn danach durfte der Zeitsoldat zum Zeitpunkt der Umwandlung des Dienstverhältnisses das 50. Lebensjahr nicht vollendet haben. Ähnliche Alters- vorgaben finden wir im Öffentlichen Dienstrecht. Hier lie- gen die Altersgrenzen für Beamtenanwärter in der Regel noch wesentlich unter der eben genannten. Hinzu kam, dass durch einen Überhang von geeigneten jüngeren Bewerbern zum damaligen Zeitpunkt auch kein Raum für Ausnahme- zustimmungen des Bundesfinanzministers blieb. Den lebensälteren Sanitätssoldaten wurde jedoch – wo immer möglich – eine Dienstverlängerung als Soldat auf Zeit bis zum Erreichen der geltenden Altersgrenzen ange- boten. Ausscheidende Sanitätsoffiziere wurden mit zu- sätzlichen Haushaltsmitteln bei der zivilen Weiterbe- schäftigung unterstützt. Mit der Ausplanung des Personalstrukturmodells 2000 ergab sich in der Sanitäts- gruppe ein erhöhter Personalbedarf, sodass den Betref- fenden erneut Dienstverlängerungen angeboten wurden. Mit dieser Maßnahme wurde auch die letzte Lücke bei den Sanitätsoffizieren zwischen Dienstzeit und gesetzli- chem Rentenanspruch geschlossen. Die Forderung der PDS aus Gerechtigkeitsgründen ist demzufolge längst überholt. Noch einige Worte zu der Forderung, Soldaten und zi- vile Beschäftigte in der Bundeswehr in Ost und West ein- heitlich mit 100 Prozent zu besolden. Ich verrate kein Ge- heimnis, wenn ich Ihnen sage, dass es ein wesentliches politisches Ziel der Bundesregierung bleibt, die ostdeut- schen Bezüge an das westdeutsche Niveau anzugleichen. Immer wieder hat sie mit Unterstützung des Verteidi- gungsausschusses Anlauf genommen, eine Angleichung der Besoldung herbeizuführen. Seit der Herstellung der deutschen Einheit ist es jedoch bewährte Praxis, die von den Tarifparteien für den öffent- lichen Dienst in den neuen Bundesländern getroffenen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224966 (C) (D) (A) (B) Vereinbarungen zeit- und inhaltsgleich auf Beamte, Richter und Soldaten zu übertragen: Da die meisten Be- amten im Dienste der Länder stehen und die Regelungen den Bundesrat passieren müssen, war die vollständige An- passung bislang wegen der fehlenden Zustimmung der Länder nicht möglich. Dazu zählen auch Länder, in denen die PDS an der Regierung beteiligt ist. Die Laufzeit der derzeitigen Tarifvereinbarung endet am 31. Dezember 2002. Bundeskanzler Schröder hat bereits auf dem Partei- tag im März dieses Jahres in Magdeburg den Vorschlag aus Sachsen-Anhalt unterstützt, die Ost-Tarife bis spätes- tens 2007 auf 100 Prozent anzuheben. Eine eigenständige Besoldung für die Bundeswehr, über die ebenfalls von uns diskutiert wurde, lehnte der Deutsche Bundeswehrverband ab. Er befürchtet, dass sich die Vorteile, die sich kurzfristig aus einer Abkopplung vom übrigen öffentlichen Dienst ergeben, sich mittel- oder langfristig bei Tarifverhandlungen vielleicht als Nachteil entpuppen könnten. Soweit die Zuständigkeit allein beim Bund liegt, hat der seine Hausaufgaben gemacht. Der Wehrsold für un- sere Wehrpflichtigen wird seit dem Zusammenschluss von NVAund Bundeswehr überall in der Republik in ein- heitlicher Höhe gezahlt. Dass wir bei der „Herstellung der deutschen Einheit in der Bundeswehr“ schon so weit vorangekommen sind, ist das Verdienst aller Parteien hier im Deutschen Bundestag und aller Menschen hier im Land. Bei der vorhin vorge- tragenen Bilanz um das Erreichen gleicher Verhältnisse – auch in der Bundeswehr – ist deutlich geworden: Es ist immer Raum für Kritik bzw. es gibt stets beste Gründe für weitere Verbesserungen. Doch ebenso lohnt sich gerade hier auch der Blick auf bereits Erreichtes. Die PDS reißt auch mit diesem Antrag wieder Tatsachen aus dem Zu- sammenhang und verallgemeinert. Keine von ihr aufge- zählte Benachteiligung hält einer Überprüfung stand. Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen. Kurt Palis (SPD): Die PDS trägt auch mit diesem An- trag wieder ein selbstgewirktes Banner sozialer Gerech- tigkeit vor ihr Wahlvolk. Diesmal geht es ihr darum, in der Bundeswehr „die Deutsche Einheit ... herzustellen“. Wir Sozialdemokraten halten den Antragstellern ent- gegen: Die Bundeswehr verdient das Lob, das mit dem Begriff „Armee der Einheit“ ausgedrückt wird, zu Recht. In kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich ist der Prozess des Zusammenwachsens so zügig, so konfliktfrei und so erfolgreich für die Beteiligten auf beiden Seiten vonstatten gegangen wie bei unseren Soldatinnen und Soldaten. Die PDS sollte sich mit mir darüber freuen, statt zu behaupten, die Realität sehe anders aus. Sie sollte wei- terhin den Begriff der „Armee der Einheit“ nicht länger als bloßes Schlagwort diffamieren sowie die dreiste For- mulierung nicht weiter verwenden, die Zusammen- führung beider Armeen sei „einseitig zulasten der Solda- ten der NVA“ gegangen. Zulasten der NVA, das wäre sogar richtig, nicht aber zulasten der Soldaten! Ich hatte in der auslaufenden Wahlperiode Gelegen- heit, fast alle wichtigen Standorte in den ostdeutschen Ländern zu besuchen. Im Unterausschuss „Streitkräfte- fragen in den Neuen Bundesländern“ haben wir gesehen, wie stark die Investitionen in Material und Unterbringung nach Osten verlagert worden sind. Haben Sie von der PDS eine Ahnung, warum das geschehen ist? Mich würde nicht wundern, wenn Sie es nicht wüssten. Denn in den vier Jahren habe ich aus Ihren Reihen keine nennenswerte Mitarbeit beobachten können. Auch die Gespräche mit Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr in Ost- deutschland haben wir in Ihrer Abwesenheit bestritten. Menschenwürdige Bedingungen zur Verrichtung des Dienstes sind doch nicht von der NVA hinterlassen wor- den. Sie sind mit erheblichem Aufwand erst nach der Deut- schen Einigung geschaffen worden. Und dafür sind auch die Ehemaligen der NVA immer wieder dankbar gewesen. Natürlich, bei unseren Gesprächen kamen auch Pro- bleme zur Sprache. Immer wiederkehrend und bis heute unbefriedigend geregelt: die Angleichung der Besoldung von Ost und West. Wir haben immer wieder deutlich ge- macht, dass dies ein wesentliches politisches Ziel sein muss. Wir haben in dieser Frage auch die Unterstützung des Bundesverteidigungsministeriums. Auch dort weiß man, dass die noch bestehenden Unterschiede in der Be- soldung den Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bun- deswehr in den ostdeutschen Bundesländern kaum noch zu vermitteln sind. Aber mit Ausnahme der PDS und der FDP, die mit der Scheinlösung einer eigenen Soldatenbe- soldungsordnung Don Quichotes Siege nachstellen will, wissen alle in diesem Hause, dass die weitere Anglei- chung den Tarifparteien überlassen bleiben muss. Ihre Vereinbarungen für den öffentlichen Dienst in den ostdeutschen Ländern werden alsdann im Wesentlichen inhalts- und zeitgleich auf die Beamten- und Soldatenbe- soldung übertragen. Die letzte Anpassung wurde mit Ge- setzesdatum vom 19. April 2001 vollzogen. Ich nutze gern die Gelegenheit, die Entwicklung der Bemessungssätze seit 1991 kurz darzustellen: 1. Juli 1991 : 60 von Hundert; 1. Mai 1991 : 70 von Hundert; 1. Dezember 1992 : 74 von Hundert; 1. Juli 1993 : 80 von Hundert; 1. Oktober 1994 : 82 von Hundert; 1. Oktober 1995 : 84 von Hundert; 1. Sep- tember 1997 : 85 von Hundert; 1. September 1998 : 86,5 von Hundert; 1. August 2000 : 87 von Hundert; 1. Januar 2001 : 88,5 von Hundert; 1. Januar 2002 : 90 von Hundert. Die Laufzeit der derzeitigen Tarifvereinbarung endet am 31. Dezember 2002. Die Frage der weiteren Anpas- sungsschritte wird in den nächsten Tarifverhandlungen si- cherlich eingehend erörtert werden. Bundeskanzler Schröder hat in einer Rede am 10. März dieses Jahres aus- geführt, dass er sich vorstellen könne, dass die Tarife im Osten bis 2007 schrittweise auf 100 Prozent angehoben werden und dies mit einem Verhandlungsangebot an die Gewerkschaften verbunden. Hier zeichnet sich also mit- telfristig eine Lösung ab. Wer die sofortige Anhebung auf 100 Prozent fordert wie die PDS, sollte sich tunlichst mit seinen Parteifreunden in ostdeutscher Regierungsverantwortung abstimmen. Die haben nämlich nicht das Geld, um auf Landesebene mit- zuziehen. Letzteres ist aber verfassungsrechtlich geboten. Meine Zeit erlaubt es nicht, auf all die anderen Forde- rungen des PDS-Antrages einzugehen. Mein Kollege Göllner hat in seiner protokollierten Rede im Einzelnen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24967 (C) (D) (A) (B) Stellung dazu bezogen. Da die aktiven Bundeswehrsolda- ten mit NVA-Vordienstzeiten Forderungen etwa nach Ab- schaffung von Begriffen wie „Wehrdienst in fremden Streitkräften“ für NVA-Dienstzeiten oder nach Weiter- führen von NVA-Dienstgraden mit dem Zusatz „a. D.“ oder „d. R.“ in meiner Gegenwart nicht erhoben haben, empfinde ich den Leitmangel nicht einmal als schwer- wiegend. Wenn Ihnen von der PDS das Wohlergehen der ehema- ligen NVA-Soldaten ein echtes Anliegen ist, so beteiligen Sie sich bitte laufend an den diesbezüglichen Beratungen. Soweit es Ihnen jedoch um die Ehre der ostdeutschen Bundeswehrsoldaten geht, so streiten Sie weniger um Dienstgrade mit Zusatz „a. D.“ oder „i. R.“, sondern schneiden Sie bitte künftig diesen jungen Männern nicht länger die Ehre ab, indem Sie deren risikoreichen Aus- landsdienst zur Friedenssicherung in Parlamentarischen Debatten mit Begriffen wie „Agression“, „NATO-An- griffskrieg“ und Schlimmerem belegen. Überdenken Sie Ihre realitätsfernen Urteile über die Aufträge, mit denen alle übrigen Fraktionen dieses Parlaments unsere Solda- ten hinausschicken. 10 000 Soldaten in verschiedenen Missionen eingesetzt, zum Teil seit Jahren. Kein Einziger von ihnen erobert Länder oder schießt auf Menschen. Sie werden nicht wirklich im Deutschland des 21. Jahrhun- derts ankommen, wenn Sie fortfahren, Ihre Klischees aus vergangener Zeit einem modernen, demokratischen und friedliebenden Deutschland anzuheften. Paul Breuer (CDU/CSU): Bevor ich mich dem An- trag der PDS zuwende, möchte ich – im Namen meiner Fraktion – den Mitgliedern im Unterausschuss „Streit- kräftefragen in den Neuen Bundesländern“ unter Vorsitz unseres Kollegen Georg Janovsky aufrichtig danken für die Arbeit in den vergangenen Jahren. In vielen Besuchen und Gesprächskontakten hat der Unterausschuss die Sor- gen, Nöte und Probleme der Soldaten und Soldatinnen in den Neuen Ländern aufgenommen und politisch einer Lö- sung zugeführt. Die Fortschritte, die dabei erreicht wur- den, sind im Wesentlichen Ihr Verdienst. Dafür unser aller Dank. Die PDS fordert mit ihrem Antrag, die deutsche Einheit in der Bundeswehr herzustellen. Bereits mit dem Titel des Antrages wird eine Situation konstruiert, die so nicht exis- tiert. Sie von der PDS unterstellen, dass Soldaten der ehe- maligen NVA in der Bundeswehr einen Status der Zweit- klassigkeit einnehmen. Das ist die typische Spalterei der PDS, blanker Unsinn aus purem Populismus. Wenn es in unserem Land eine gesellschaftliche Gruppe gibt, in der die Einheit vorbildlich verwirklicht ist, dann ist es die Bundeswehr. Die Bundeswehr als „Ar- mee der Einheit“ ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte. In der Bundeswehr wird schon lange nicht mehr von Ost und West, von Wessis und Ossis gesprochen. Männer und Frauen aus allen Teilen unseres Landes dienen heute Seite an Seite in den Garnisonen, aber auch und vor allem bei Auslandseinsätzen. Unterschiede sind allenfalls noch in den Dialekten festzustellen, deren Vielfalt durch die Vereinigung unseres Landes zugenommen hat. So, und nicht anders, sieht die Realität in der Bundeswehr aus. Sprechen Sie doch einmal mit den Soldaten und Sie werden ein völlig anderes Bild erhalten. Die Soldaten der früheren NVA hatten eine faire Chance, in die gesamt- deutsche Bundeswehr übernommen zu werden. Das Aus- wahlverfahren war transparent und für jedermann nach- vollziehbar. Einige unserer Kollegen aus dem damaligen Deutschen Bundestag haben daran maßgeblich mitge- wirkt. Wer heute etwas anderes behauptet, verfolgt poli- tisch andere Absichten. Ausgerechnet jene Partei, die für vier Jahrzehnte der Spaltung in unserem Lande maßgeblich verantwortlich ist, spielt sich heute als Mentor für die Einheit auf; eine Partei, die die Menschen in der DDR und die NVA-Sol- daten zum Hass auf den Klassenfeind indoktriniert hat und eine Partei, die Kritik im eigenen Lager mit Repres- sion und Drangsalierung beantwortet hat. Der Mauerpar- tei PDS spreche ich das Recht ab, uns moralisch zu be- lehren. Die PDS kritisiert beispielsweise, dass Dienst in der NVAnur als „gedient in fremden Streitkräften“ anerkannt wird. Damit wurde jedoch verhindert, dass junge Männer, die Wehrdienst in der DDR geleistet hatten, nicht erneut Wehrdienst in der Bundeswehr leisten mussten. Der von Ihnen kritisierte Begriff soll also nicht diskriminieren, sondern hat einen rein formal-juristischen Charakter. Ei- gentlich sind „andere“ Streitkräfte gemeint. Das ist viel- leicht auch der bessere Begriff. Sie bemängeln weiter, dass ehemalige Dienstgrade der NVA nicht anerkannt würden. Die Bundeswehr ist durch den Einigungsvertrag bewusst und aus vielen guten Grün- den nicht zur Rechtsnachfolgerin der NVA geworden. Eine gesetzliche Regelung, die NVA-Soldaten erlaubt, ihren NVA-Dienstgrad mit dem Zusatz „a.D.“ zu führen, kommt also nicht in Betracht. Ungeachtet dessen steht es jedem ehemaligen NVA-Soldaten frei, jederzeit seinen NVA-Dienstgrad kenntlich zu machen und im privaten Schriftverkehr zu führen. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass Vor- dienstzeiten in der NVA und Bildungsabschlüsse angeb- lich nicht ausreichend gewürdigt würden. Sie wissen ge- nau, dass die in der DDR erworbenen Abschlüsse und akademischen Grade durchaus weitergelten. Artikel 37 des Einigungsvertrages macht hierzu klare Aussagen. Dies gilt auch für Abschlüsse, die in der NVA erworben wurden. Ausgenommen sind jedoch Qualifikationen, die sich ausschließlich auf das politische System der DDR kon- zentrierten und wie sie vor allem „Politoffiziere“ in der NVA erwarben. Wir werden Ihnen nicht die Hand dazu reichen, Systemstützen der DDR nachträglich auf eine Stufe mit unbescholtenen NVA-Soldaten zu stellen. Geradezu Legenden werden gestrickt um die so ge- nannte Versorgungslücke. Diese Lücke gab es in der Tat. Sie wurde jedoch mit dem Versorgungsreformgesetz vom 29. Juni 1998 weitgehend geschlossen. Danach wird der Ruhegehaltssatz vorübergehend um 1 Prozent für jedes Jahr rentenversicherungspflichtiger Tätigkeit in der frühe- ren DDR bis auf maximal 70 Prozent der ruhegehaltsfähi- gen Dienstbezüge erhöht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224968 (C) (D) (A) (B) Im Übrigen darf ich auf die Beschäftigungs- und Ver- sorgungssituation außerhalb der Bundeswehr in den neuen Ländern hinweisen. Viele Mitbürger würden sich wünschen, eine Beschäftigung und spätere Versorgung wie die von der Bundeswehr übernommenen Soldaten der früheren NVA zu haben. Mit Rücksicht auf die Grundsatzentscheidung im Eini- gungsvertrag, NVA-Dienstzeiten wie Zeiten anderer Be- rufsgruppen der DDR als rentenrechtliche Zeit zu berück- sichtigen, ist eine Gleichgewichtung der NVA-Dienstzeit bei der Ruhegehaltsfestsetzung mit der Dienstzeit bei der Bundeswehr, 1,875 Prozent als Ruhegehaltssatz für jedes Jahr, nicht möglich. Es sollte zudem auch bedacht werden, dass Zeiten in der ehemaligen DDR nach früheren Überlegungen mit le- diglich 0,75 Prozent pro Jahr berücksichtigt werden soll- ten. Insofern konnten wir hier bereits eine erhebliche Ver- besserung für die Kameraden und Kameradinnen der früheren NVA erreichen. Die CDU/CSU plant deshalb wegen der eindeutigen Regelung im Einigungsvertrag und im Hinblick auf die angespannte Lage bei den Versorgungssystemen im öf- fentlichen Dienst nach einer Regierungsübernahme keine Änderung der geltenden Rechtslage. Mit ihrem Antrag versuchen Sie von der PDS ernsthaft den Eindruck zu erwecken, Bundeswehr und NVA seien gleichwertige Armeen in gleichwertigen Militärbündnis- sen gewesen. Die UdSSR steht bei Ihnen gleichrangig zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Dass Sie Meister im Verdrängen der Tatsachen sind, ist ja hinreichend be- kannt. Dass Sie offenbar auch ein anderes Werteverständ- nis haben, zeigen Sie mit diesem Antrag. Die alte Sowjetunion – ein Staat mit Gulags, politischer Verfolgung und aggressiv-antidemokratischer Politik – auf eine Stufe mit der Führungsmacht der westlichen De- mokratien stellen zu wollen, offenbart, dass Sie noch im- mer nicht den Unterschied zwischen Demokratie und To- talitarismus verinnerlicht haben. Wir werden Ihnen nicht erlauben, sich aus Ihrer historischen Verantwortung zu stehlen. Natürlich sehen auch wir Nachbesserungsbedarf für die Soldaten aus den neuen Bundesländern. Dies gilt ins- besondere für den Grundsatz gleiches Geld für gleiche Leistung und steht für die so genannte Ostbesoldung; wo- bei allerdings nicht der Herkunftsort, sondern der Einstel- lungsort entscheidend ist. Während der Dresdner, der in München einrückt, die volle Westbesoldung bekommt, er- hält der Münchner, der in Dresden einrückt, lediglich Ost- besoldung. Da wir die Einheit der Besoldung im öffentlichen Dienst nicht gefährden wollen, verbietet es sich, die Be- züge der Bundesbediensteten – also auch der Soldaten – alleine, das heißt ohne die meisten Beschäftigten im öf- fentlichen Dienst in den neuen Ländern, auf das West- niveau anzuheben. Würden die Länder bzw. Kommunen dies tun, dann wären sie pleite. Oder sie müssten Leistungen für die Bür- ger abschaffen bzw. in erheblicher Weise kürzen. Ich bin davon überzeugt, dass die PDS gerade dieses Ziel ver- folgt, um dann den Protest auf ihre politischen Mühlen zu leiten. Die CDU/CSU hingegen spricht sich in ihrem Regie- rungsprogramm – realistisch, wie ich denke – für die stu- fenweise Angleichung der Besoldung bis 2007 aus. Wir unterstützen auch, dass Soldaten, die vor einem Auslands- einsatz mit dem Osttarif besoldet wurden, nicht nur während des Einsatzes 100 Prozent der Westbesoldung erhalten, sondern auch nach ihrer Rückkehr. Lassen Sie mich zum Abschluss aus dem Bericht des Unterausschusses zitieren, der Probleme sachlich und of- fen anspricht. Demnach hat die Bundeswehr bei den Men- schen in den neuen Ländern ein außerordentlich hohes Ansehen. Die Infrastrukturlage hat ein Niveau erreicht, dass von Standortnachteilen in den neuen Ländern keine Rede mehr sein kann. Insgesamt ist – mit Ausnahme der Besoldungsfrage –, weitgehende Angleichung der Ver- hältnisse in der Bundeswehr erreicht. Ihr Antrag, meine Damen und Herren der PDS, geht hingegen aus durch- schaubaren ideologischen Gründen an den Realitäten weit vorbei. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die PDS bringt heute, also kurz vor Ende der Le- gislaturperiode, einen Antrag in den Bundestag ein, in dem sie sich für Belange ehemaliger Soldaten der NVA einsetzt. Die Frage drängt sich auf, warum der Antrag so spät kommt, wo eine vernünftige parlamentarische Bera- tung in den Ausschüssen nicht mehr möglich ist. Wa- rum wurde nicht die Möglichkeit des Unterausschusses „Streitkräftefragen in den Neuen Bundesländern“ genutzt, in dem die PDS auffällig sporadisch präsent ist? Wir fragen uns natürlich auch, warum der Antrag na- mentlich in erster Linie von Abgeordneten wie Frau Lippmann, Herrn Gehrke oder Herrn Wolf unterstützt wird, die nicht aus Ostdeutschland kommen und sich als die Friedensapostel der PDS präsentieren. Dies ist vor al- lem auch deshalb bemerkenswert, weil sie in diesem Antrag ein Loblied auf das deutsche Soldatentum, das Wettrüsten und die militärische Abschreckung singen. Wir kennen das aus den Hochzeiten der Nachrüstungs- debatte. Während die Grünen immer darauf bestanden ha- ben, dass Mittelstreckenwaffen in Ost und West geächtet werden müssen, haben unsere so genannten Friedens- freunde aus dem kommunistischen Spektrum die Statio- nierung von Mittelstreckenraketen in der DDR gerecht- fertigt. Die PDS fordert eine „differenzierte Beurteilung der Rolle der NVA im Rahmen der zwischen den beiden da- maligem Supermächten verabredeten gegenseitigen Ab- schreckung durch militärische Stärke“. „Differenzierte Beurteilungen“ kann man selbstverständlich nur be- fürworten. Es gibt keine Pauschalverurteilung der circa 2,5 Millionen Menschen, die ihren Dienst in der NVA geleistet haben. Was wir hier aber von der PDS im ideo- logischen Teil präsentiert bekommen, ist alles andere als differenziert. Ich hätte gerne auch ein selbstkritisches Wort zur Rolle und Verantwortung der SED gehört. Es kann doch nicht sein, dass man sich hier hinstellt und so Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24969 (C) (D) (A) (B) tut, als seien die Entscheidungen nur in Moskau getroffen worden und ansonsten hätten die Soldaten der NVA nur ihre soldatische Pflicht erfüllt. Diese Argumentation ist uns vonseiten ehemaliger Wehrmachtsangehöriger wohl vertraut. Der Tenor des Antrages läuft darauf hinaus, die höchst unterschiedlichen Armeen der beiden deutschen Staaten „gleichzumachen“. Die PDS tut so, als sei auch die NVA der Demokratie verpflichtet und rechtsstaatlich eingebun- den gewesen, als hätte es keine ideologische Ausrichtung auf die Partei, keine militärische Offensivorientierung und keine Auslandseinsätze der NVA gegeben. Völlig begründet ist allerdings die Kritik an einer bun- desrepublikanischen Praxis, die den Dienst in der Wehr- macht höher bewertet als den Dienst in der NVA. Vergli- chen mit der verbreiteten „differenzierten“ Beurteilung der Wehrmacht ist die Bewertung der NVA vielfach auf- fällig pauschal. Wenn die Bundeswehr, wie jüngst zu Pfingsten geschehen, in Anwesenheit von hakenkreuz- tragenden Wehrmachtsveteranen Gebirgsjäger der Wehr- macht durch Kranzniederlegung ehrt, ist das aus meiner Sicht unverantwortbar. Diese Praxis muss überdacht wer- den. Ich hoffe, dass der Fingerzeig der PDS auf die „eh- renrührige“ Zentrale Dienstvorschrift 10/8 keine Auffor- derung ist, künftig auch NVA-Generäle mit militärischen Ehren beizusetzen. Warum die Bezeichnung des NVA-Dienstes als „Wehr- dienst in fremden Streitkräften“ als entwürdigend emp- funden wird, ist angesichts des Anspruchs der früheren DDR auf staatliche Eigenständigkeit nicht nachvollzieh- bar. Dienstgrade haben in den hierarchischen Organisatio- nen von Armeen generell einen besonderen Stellenwert. Sie gehören deshalb auch zum Selbstverständnis vieler – ehemaliger – Soldaten. Dienstgradbezeichnungen auch außer Dienst tragen zu dürfen, betrifft das Selbstwert- gefühl etlicher ehemaliger Armeeangehöriger. Dies kön- nen ehemalige NVA-Angehörige im Rahmen einer Sachverhaltsschilderung tun. So führt zum Beispiel das Inhaltsverzeichnis des von einer Arbeitsgruppe beim Lan- desvorstand Ost des Deutschen Bundeswehrverbandes herausgegebenen Werkes „Was war die NVA?“ lauter ehemalige NVA-Offiziere mit Dienstgradbezeichnung an. Verkompliziert wird der Umgang mit militärischen Dienstgradbezeichnungen der DDR durch die Tatsache, dass auch Angehörige der Grenztruppen und des Ministe- riums für Staatssicherheit als NVA-Reservisten einen NVA-Dienstgrad mit den Zusätzen „d. R.“ bzw. „a. D.“ trugen. Außerdem muss man darauf hinweisen, dass das wiederholt unterbreitete Angebot, den Dienstgrad mit dem Zusatz „der NVA“ von den Betroffenen abgelehnt wurde. Einen Handlungsbedarf, der auf eine rechtliche Gleichstellung mit den Soldaten der Bundeswehr hinaus- laufen würde, sehen wir nicht. Die PDS fordert, in der NVA erworbene Bildungsab- schlüsse und akademische Grade nach dem Äquivalenz- prinzip anzuerkennen. Dabei wird verschwiegen, dass es in diesem Bereich bereits eine weit gehende Anerkennung von Abschlüssen gibt. Die Feststellung der Gleichwer- tigkeit liegt in der Zuständigkeit der Länder und kann nur differenziert erfolgen. Im Ergebnis gibt es etliche Abschlüsse, die gleichwertig sind mit Abschlüssen an Universitäten und Fachhochschulen der alten Bundes- republik. Wo aber bestimmte Ausbildungsprofile weitest- gehend auf militärische Qualifikationen und auf das Ge- sellschaftssystem der DDR bezogen waren, konnte und kann Gleichwertigkeit nicht festgestellt werden. Die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit erlaubt es nicht, auf die anderen Punkte einzugehen. Eine Schlussbemerkung ist allerdings notwendig. Dass sich die PDS besonders für die Belange ehemali- ger NVA-Angehöriger einsetzt, ist selbstverständlich le- gitim und angesichts ihres hohen Anteils an der PDS- Mitgliedschaft nahe liegend. Ihr Engagement und ihr Bemühen um eine „Rehabilitierung“ der besonders mili- taristischen NVAsteht aber zugleich in bemerkenswertem Kontrast zu ihrem sonstigen Anspruch, einzige antimilita- ristische Friedenspartei in Deutschland zu sein. Wenn die PDS in ihrem Wahlprogramm bekräftigt, „ein Deutschland ohne Bundeswehr“ bleibe ihr Ziel, dann ist die Vermeidung des pazifistischen „Bundesrepublik ohne Armee“ offensichtlich nicht zufällig, sondern ge- wollt. Der vorliegende Antrag beweist, dass es der PDS nicht um Überwindung von Militär insgesamt geht, son- dern um eine indirekte nachträgliche Relegitimierung der SED-Armee. Vielleicht wurde deshalb der Antrag so spät in den Bundestag eingebracht, um Aufsehen in der Frie- densbewegung zu vermeiden, um zugleich gegenüber der eigenen Klientel etwas vorweisen zu können. Dirk Niebel (FDP): Im September 2000 verteilte die Bundesregierung eine ihrer vielen Hochglanzbroschüren. Herausgeber war das Bundesministerium der Verteidi- gung. Die Broschüre trug den Namen „Armee der Ein- heit“. Zehn Jahre Bundeswehr wurden dargestellt, von 1990 bis 2000. In der Bilanzierung der zehn Jahre heißt es dann: „Zur Vollendung der deutschen Einheit hat die Bun- deswehr von Beginn an ihren Beitrag geleistet. Der Auf- bau der Armee der Einheit war menschlich und organisa- torisch eine in der Geschichte beispiellose Leistung der gesamten Bundeswehr.“ Das ist wohl wahr! Alle Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr haben eine großartige Leistung vollbracht; alle, also auch diejenigen, die vormals in der Nationalen Volksarmee, der NVA, ihren Dienst geleistet haben. Es gibt nicht den geringsten Leistungsunterschied zwi- schen denen aus den alten Bundesländern und denen aus Ostdeutschland – aber es gibt gravierende Unterschiede in der Behandlung durch die Bundesregierung. Beispiel 1: In 2001 haben von 31 005 in den östlichen Bundesländern stationierten Soldaten 14 867 – oder 48 Prozent – die abgesenkte Ostbesoldung erhalten. Auch in diesem Jahr, dem zwölften nach der deutschen Eini- gung, wird ihr Gehalt um 10 Prozent gekürzt. Die FDP- Fraktion hat in den letzten drei Jahren die Angleichung der Gehälter gefordert und stieß jedes Mal auf die Ableh- nung von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Nur eine Besoldungsordnung S für Soldaten und Solda- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224970 (C) (D) (A) (B) tinnen analog zur Besoldungsordnung R für Richter und Staatsanwälte kann kurzfristig das Problem der Wahrung der finanziellen Möglichkeiten lösen. Beispiel 2: Ehemaligen Soldaten der NVA ist es unver- ändert untersagt, ihren früheren Dienstgrad mit dem Zu- satz a. D. zu führen. Als Begründung wird der Einigungs- vertrag herangezogen. Völlig außer Acht gelassen wird dabei, dass sich Europa nach dem Einigungsvertrag grundlegend verändert hat. Polen, Tschechien und Ungarn sind heute Mitglieder der NATO. Estland, Lettland, Li- tauen, Slowenien, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien werden bald folgen und Russland ist mittlerweile eng mit der Altantischen Allianz verbunden. Deren ehemalige Soldaten dürfen selbstverständlich den Zusatz a. D. führen, nur Deutschland verbietet es den ehemaligen Sol- daten der NVA. Was hat das mit Einheit, mit der ,,Armee der Einheit“ zu tun? Beispiel 3: Die Bundesrepublik Deutschland hat die DDR nie als souveränen Staat anerkannt und in der Präambel des Grundgesetzes bis zur Vollendung der deut- schen Einheit den Alleinvertretungsanspruch für das ganze deutsche Volk erhoben. Wie kann dann der in der NVAgeleistete Wehrdienst durch die Bundesregierung als Wehrdienst in fremden Streitkräften gewertet werden? Beispiel 4: Die Bundesregierung hält ausdrücklich an der Versorgungslücke bei den Soldaten fest, die von der NVA in die Bundeswehr übernommen wurden. Bei einem Stabsfeldwebel, der Mitte 2003 im Alter von 53 Jahren in Pension geht, bedeutet der auf 56,8 Prozent gekürzte Versorgungsanspruch konkret, dass er eine Pension von 1 070 Euro erhält. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmun- gen darf er in einem anderen Beschäftigungsverhältnis le- diglich 315 Euro hinzuverdienen, das heißt, er hat maximal 1385 Euro zur Verfügung und ist dadurch seinem west- deutschen Kameraden gegenüber deutlich benachteiligt. Nein, das kann den Soldatinnen und Soldaten sowie den zivilen Bediensteten der „Armee der Einheit“ nicht länger zugemutet werden. Abhilfe ist dringend angezeigt. Die Bundesregierung, der für die Bundeswehr zuständige Bundesminister der Verteidigung hat nicht nur die „Ar- mee der Einheit“ im Glanzdruck zu propagieren, sondern die in dieser Armee dienenden Menschen sind auch schleunigst gleich zu behandeln, und das in jeder Bezie- hung! Anlage 8 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 777. Sitzung am 21. Juni 2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staats- ziel Tierschutz) – Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes – Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hütten- knappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Ände- rung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zu- satzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz – HZvNG) – Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für be- hinderte Kinder“ – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum NATO-Trup- penstatut und anderer Gesetze (Verteidigungslasten- zuständigkeitsänderungsgesetz – VertLastÄndG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeug- steuergesetzes – Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes und anderer Gesetze – Gesetz zurÄnderung des Solidarpaktfortführungs- gesetzes – Zweites Gesetz zur Änderung des Gentechnikge- setzes (2. GenTG-ÄndG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Sprengstoffge- setzes und anderer Vorschriften (2. SprengÄndG) – Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geld- wäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz) – Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanz- rechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) – Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungs- gesetzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften – Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG) – Gesetz zur Änderung des Fernstraßenbauprivat- finanzierungsgesetzes und straßenverkehrsrecht- licherVorschriften (FstrPrivFinÄndG) – Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vor- schriften (StVRÄndG) – Gesetz zur Erleichterung des Marktzugangs im Luftverkehr – Gesetz zur Neuregelung der Energiestatistik und zur Änderung des Statistikregistergesetzes und des Umsatzsteuergesetzes – Gesetz zur Änderung wohnungsrechtlicher Vor- schriften – Gesetz zu dem Protokoll vom 30. November 2000 zur Änderung des Europol-Ubereinkommens – Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europä- ischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Fischen und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsge- setz – FischEtikettG) – Gesetz zurNeuregelung des Zollfahndungsdienstes (Zollfahndungsneuregelungsgesetz – ZFnrG) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24971 (C) (D) (A) (B) – Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts (WaffR- NeuRegG) – Gesetz zur Änderung des Bewachungsgewerbe- rechts – Gesetz zu dem Protokoll vom 3. Juni 1999 betref- fend die Änderung des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahn- verkehr (COTIF) – Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmer- trinkgeldern – Elftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgeset- zes Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge- fasst: 1. Der Bundesrat begrüßt die Entscheidung des Deutschen Bundestages, auf der Grundlage von Vorschlägen des Bundesrates die tierarzneimittel- rechtlichen Vorschriften neu zu ordnen, insbeson- dere die Regelungen über Fütterungsarzneimittel, zur Umwidmung von Arzneimitteln und über Mel- depflichten zum Bezug von Stoffen mit pharma- kologischer Wirkung. 2. Der Bundesrat hält die vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Regelungen jedoch für noch nicht ausreichend, um einen angemessenen vorsorgen- den Verbraucherschutz – insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Antibiotika-Resis- tenz – zu gewährleisten. Daher ist beispielsweise ausdrücklich die Auf- nahme der Antibiotika-Leitlinien in die Rechtsvor- schriften erforderlich. Auch die Nichtberücksichtigung des Erlaubnisver- fahrens zum Führen einer tierärztlichen Hausapo- theke – wie es zum Führen einer Apotheke vorge- schrieben ist – ermöglicht es den Ländern beim Vollzug der arzneimittelrechtlichen Vorschriften nicht, in ausreichendem Maße präventiv tätig zu werden. Darüber hinaus ist es besonders bedauerlich, dass die vom Bundesrat vorgeschlagenen konkreten Rahmenbedingungen zur Etablierung einer zeit- gemäßen Bestandsbetreuung nicht aufgegriffen worden sind. Dadurch wird – anders als dies vom Deutschen Bundestag gesehen wird – eine Ein- schränkung der Selbstmedikation von Tieren durch deren Halter nicht zu erreichen sein. 3. Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit einer Anpassung der geltenden Rechtslage stimmt der Bundesrat dem Gesetz mit den Änderungen des Deutschen Bundestages zu, hält es darüber hinaus- gehend aber für notwendig, die Diskussion über die vom Deutschen Bundestag abgelehnten arznei- mittelrechtlichen Änderungen fortzuführen und diese bei weiteren anstehenden Änderungsvorha- ben erneut in ein Rechtssetzungsverfahren einzu- bringen. Ferner wird die Bundesregierung gebeten, die im Zusammenhang mit der Novelle des Arzneimittel- gesetzes stehenden erforderlichen Anpassungen der einschlägigen Rechtverordnungen unverzüg- lich zu erarbeiten und diese dem Bundesrat vorzu- legen. – Jugendschutzgesetz (JuSchG) Entschließung zum Jugendschutzgesetz (JuSchG) 1. Der Bundesrat stellt fest, dass der Schutz von Kin- dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor schädlichen Einflüssen auf ihre Persönlichkeits- und Werteentwicklung nachhaltig verbessert wer- den muss. Der wachsenden Gewaltbereitschaft gerade bei der jüngeren Generation muss entschie- den entgegengetreten werden. Nachdem es der Bundesregierung trotz anders lautenden Ankündi- gungen im Koalitionsvertrag in dieser Legislatur- periode nicht gelungen ist, eine mit den Ländern abgestimmte Novelle des Jugendschutzgesetzes zu erarbeiten, wurde nach dem schrecklichen Vorfall in Erfurt in höchster Eile eine fachlich unzurei- chende Änderung des Jugendschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Dieses Jugendschutzgesetz wird seinem Anspruch nicht gerecht, nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass es als Fraktionsent- wurf in den Deutschen Bundestag eingebracht wurde und damit eine Einbringung des Sachver- stands der Länder über einen ersten Durchgang im Bundesrat nicht erfolgen konnte. 2. Das Jugendschutzgesetz schafft den erforderlichen Rechtsrahmen, den die Länder benötigen, um den Jugendschutz in den Telemedien im Jugendme- dienschutz-Staatsvertrag zu regeln. Es setzt die zwischen den Ministerpräsidenten am 8. März 2002 beschlossenen Eckpunkte für die Reform der Medienordnung um. Jedoch sollte die mit den Län- dern abgestimmte Definition für Telemedien aus dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag übernom- men werden, um Abgrenzungsschwierigkeiten und terminologische Verwirrungen zu vermeiden. 3. Allerdings bedarf das Jugendschutzgesetz in zahl- reichen Punkten der Nachbesserung, um jungen Menschen ein effektives Schutzsystem zu schaf- fen. Der Bundesrat erwartet daher, dass baldmög- lichst die im Folgenden genannten erforderlichen Nachbesserungen umgesetzt werden. 4. Obwohl der Bundeskanzler mit den Ministerpräsi- denten den politischen Konsens erzielt hat, dass neben einer verbindlichen Alterskennzeichnung für Video- und Computerspiele analog den Rege- lungen der Video- und Kinofilme auch ein gene- relles, altersunabhängiges Vermiet- und Verleih- verbot schwer jugendgefährdender Videofilme, Video- und Computerspiele sowie ein Verbot ge- werblicher Videoverleihautomaten in das Jugend- schutzgesetz aufgenommen werden sollte, ist dies nicht erfolgt. Im Gegenteil: Im Bereich der Video- verleihautomaten wurde die bestehende Gesetzes- lage „aufgeweicht“, indem nunmehr Automaten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224972 (C) (D) (A) (B) öffentlich aufgestellt werden dürfen. Der Bundes- rat kritisiert, dass ein wirksamer Schutz der Kinder und Jugendlichen vor schwer jugendgefährdenden Darstellungen dadurch nicht bewirkt wird und for- dert weiterhin ein altersunabhängiges Vermiet- und Verleihverbot schwer jugendgefährdender Bildträger sowie das Verbot von Videoverleihauto- maten. 5. Der Bundesrat stellt fest, dass eine Reihe von Neu- regelungen (§ 1 und § 27 Abs. 4 JuSchG) mit zen- tralen Begriffen und Jugendschutzregelungen des Strafgesetzbuchs nicht in Einklang steht. Dies gilt namentlich für den strafrechtlichen Schriftenbe- griff (§ 11 Abs. 3 StGB), das in zahlreichen Straf- vorschriften enthaltene Merkmal des Verbreitens, den Begriff des Versandhandels (§ 184 Abs. l Nr. 4 StGB) sowie das sog. Erzieherprivileg (§ 27 Abs. 4 JuSchG einerseits, § 131 Abs. 4 und § 184 Abs. 6 Satz 1 StGB andererseits). Der Bundesrat hält es für unerträglich, dass das Gesetz eine un- terschiedliche Rechtsanwendung sowie beträchtli- che Rechtsunsicherheiten bewusst in Kauf nimmt. Eine Harmonisierung ist dringend erforderlich. 6. Der Bundesrat weist ferner darauf hin und bedau- ert, dass der Bundeskanzler ebenfalls seine Zu- sage, sog. Killerspiele wie Gotcha Paintball oder Laserdrome-Spektakel, bei denen real an Mitspie- lern Verletzungs- oder Tötungshandlungen simu- liert werden, im Ordnungswidrigkeitengesetz zu verbieten, nicht eingehalten hat. Den Worten folg- ten keine Taten. Derartige Spiele sind aber geeig- net, die allgemeinen Hemmschwellen zur Gewalt- anwendung abzubauen und eine Abstumpfung gegenüber Verletzungs- und Tötungshandlungen zu fördern, weshalb der Bundesrat das Verbot wei- terhin für dringend erforderlich hält. 7. Der Bundesrat bemängelt, dass das Jugendschutz- gesetz Lockerungen vorsieht, die die Eltern in ih- rer Erziehungsverantwortung weder stärken noch unterstützen. Erziehungskompetenz stärken heißt auch Grenzen setzen. Die Erziehungsleistungen der Eltern dürfen durch gesetzliche Regelungen nicht konterkariert werden. Nicht zuletzt aus die- sem Grunde sollte es Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren nicht erlaubt werden, in Begleitung eines Erziehungsberechtigten einen Film im Kino zu sehen, der die Altersfreigabe „frei ab 12 Jahren“ hat. Alterskennzeichnungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) sind ver- bindlich; das Verfahren hierzu ist anerkannt und bewährt. Sie berücksichtigen die Wirkung auf Kin- der und Jugendliche. Eltern können sich nicht in allen Fällen vorab so umfassend informieren, wel- che Wirkung Filme auf ihre Kinder haben. Die Neuregelung bewirkt, dass Kinder und Jugendli- chen den Wirkungen von Filmen ausgesetzt wer- den, die für ihre Altersstufe als nicht angemessen erachtet wurden. 8. Für den Bundesrat ist auch die Lockerung der Schutzbestimmungen bei Spielautomaten nicht nachvollziehbar. Das Jugendschutzgesetz ermög- licht es, dass Bildschirmgeräte entgegen der bishe- rigen Rechtslage auf Kindern und Jugendlichen zugänglichen öffentlichen Verkehrsflächen aufge- stellt werden können. Bei diesen Bildschirmspiel- geräten handelt es sich in der Regel um niveaulose „Ballerspiele“. Die von diesen Spielautomaten ausgehende Sogwirkung gilt es zu vermeiden und nicht dadurch zu erhöhen, dass das Spielen Kin- dern und Jugendlichen erlaubt wird. 9. Ebenfalls ablehnend steht der Bundesrat der Ein- führung des Begriffs der „erziehungsbeauftragten Person“ gegenüber. Er erfüllt ebenfalls nicht das Ziel, Elternkompetenzen zu stärken. Für das Ver- hältnis des Minderjährigen zu einer „erziehungs- beauftragten Person“ ist es nicht erforderlich, dass ein Autoritätsverhältnis besteht. Dies ist aber bei dem Verhältnis Minderjähriger zu Erziehungsbe- rechtigten der Fall. In der Praxis wird es sich zukünftig in der Regel um den volljährigen er- wachsenen Freund handeln, der sich als Erzie- hungsbeauftragter ausgeben wird. Nach einem modernen Partnerschaftsverständnis kann aber in einer Beziehung nicht ein Partner die Erziehungs- berechtigung über den anderen ausüben. Unter dem Gesichtspunkt des mädchenspezifischen er- zieherischen Jugendschutzes ist diese Regelung daher kontraproduktiv. 10.Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Ju- gendschutzgesetz auch nicht dem Schutzinteresse von Kindern und Jugendlichen gerecht wird, die auf Trägermedien in unnatürlicher, geschlechtsbe- tonter Körperhaltung dargestellt sind. Diese Art der Darstellungen soll gerade auch von Erwachse- nen nicht erworben werden können. Kinder und Jugendliche sind keine Sexualobjekte. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit hierfür darf nicht in den Hintergrund rücken. Kinder und Ju- gendliche müssen davor geschützt werden, dass Erwachsene mit pädophilen Neigungen ihre Dar- stellungen zur Animation benutzen. Pädophile Er- wachsene sollen nicht mit diesen Darstellungen ihren Opfern die Normalität ihres Tuns vermitteln können und sie damit gefügig machen. 11. Der Bundesrat betont, dass er eine Erhöhung des Bußgeldrahmens für unabdingbar hält. Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz dürfen sich für Gewerbetreibende und Veranstalter nicht lohnen. Angesichts der bestehenden Wirtschaftskraft ins- besondere der Medienbranche muss der Bußgeld- rahmen auch hier die Möglichkeit eröffnen, den re- pressiven Charakter der Schutzregelungen zu unterstreichen. Darüber hinaus steigert ein erhöh- ter Bußgeldrahmen nicht nur das Verfolgungsin- teresse, sondern auch das Bestreben der Gewerbe- treibenden, Anbieter und Veranstalter an der Einhaltung der Bestimmungen, was letztlich zu ei- ner Verbesserung des Jugendschutzes führt. 12.Der Bundesrat betont die große Verantwortung der Medienwirtschaft. Auch eine zunehmende Inter- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24973 (C) (D) (A) (B) nationalisierung beseitigt nicht das Bedürfnis, die wirtschaftlichen Interessen mit denn Schutzbe- dürfnis junger Menschen und den Erziehungswer- ten unseres Gemeinwesens in ein ausgewogeneres Verhältnis zu bringen. Der Bundesrat appelliert an alle Medienverantwortlichen im Online- und Off- linebereich, dem Schutz der jungen Menschen ins- besondere vor Gewalt in den Medien einen höhe- ren Stellenwert einzuräumen. Mehr als andere gesellschaftliche Kräfte sind die Medien gefordert, Verantwortung für die Vermittlung von Normen und Werten zu übernehmen, die unverzichtbare Voraussetzung unserer Gesellschafts- und Sozial- ordnung sind. – Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes Entschließungen zum Gesetz zur Änderung des Apo- thekengesetzes 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die durch die Änderung des Apothekengesetzes in § 11 Abs. 3 eingeführte neue Rechtssituation bei der Herstellung und Abgabe von Rezepturen (hier anwendungsfertige Zytostatika-Zubereitun- gen) durch öffentliche und Krankenhausapotheken zeitnah mit den notwendigen Folgeregelungen und Klarstellungen des Gewollten in der Apothekenbe- triebsordnung und im Arzneimittelgesetz zu unter- legen. Die Sicherung einer angemessenen Qualität der Herstellung und ein geordneter Vertriebsweg sind sicherzustellen. Ungleichbehandlungen von Betrieben mit Herstellungserlaubnis gem. § 13 Arzneimittelgesetz und öffentlichen sowie Kran- kenhausapotheken mit Betriebserlaubnis gem. § 1 Apothekengesetz sind zu vermeiden. Es müssen die Rahmenbedingungen für die Her- stellung und Abgabe dieser Rezepturunikate hin- sichtlich der folgenden Aspekte geprüft und fest- gelegt werden: Verantwortlichkeit für die Herstellung; Qualitäts- niveau der Herstellung; anzuwendende Rechtsvor- schriften (Apothekenbetriebsordnung oder Phar- mabetriebsverordnung) und daraus sich ableitende Dokumentationspflichten, verantwortliche Perso- nen und Qualitätssicherungsmaßnahmen; räum- liche Anbindung der Herstellungsräume an die übrigen Apothekenbetriebsräume; Verantwortlich- keiten der abgebenden Apotheke (u. a. für Plausi- bilitätsprüfung der onkologischen Verschreibung, Produktkennzeichnung); Vertriebsweg (z. B. Ent- fernung zwischen herstellender und abgebender Apotheke, möglicher Versand oder Botendienst, Transportstandards für diese i. d. R. auch krebser- regenden Arzneimittel); Haftungsfragen bei Her- stellung und Abgabe. Die vorgesehene Formulierung des § 11 Abs. 3 Apothekengesetz wird dem Anliegen des Geset- zesvorhabens im Hinblick auf die sichere Versor- gung der Bevölkerung mit anwendungsbereiten Zytostatika-Zubereitungen nicht umfassend ge- recht. Begründung: Die vorgesehene Änderung beinhaltet, dass von öffentlichen und Krankenhausapotheken an End- verbraucher anwendungsfertige Zytostatika-Zube- reitungen (Rezepturen) abgegeben werden dürfen, die nicht dort in dieser rezeptbeliefernden Apo- theke hergestellt wurden. Diese individuell ver- ordneten Rezepturen (Unikate) sollen in einer an- deren öffentlichen oder Krankenhausapotheke hergestellt und an die rezeptbeliefernde Apotheke abgegeben werden dürfen. Dazu soll es eines Ver- sorgungsvertrages nach § 14 Abs. 5 Apothekenge- setz, wie er bei der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern durch öffentliche krankenhaus- versorgende oder andere Krankenhausapotheken vorgesehen ist, nicht bedürfen. Die Regelung ist nicht praktikabel, da die hierfür ggf. erforderliche Herstellungserlaubnis gem. § 13 Arzneimittelgesetz und sonstige ggf. notwendige Folgeregelungen in der Apothekenbetriebsord- nung sowie haftungsrechtliche Konsequenzen un- berücksichtigt geblieben sind. Darüber hinaus ist diese Verfahrensweise nicht zwingend erforderlich, da die Versorgung mit an- wendungsfertigen Zytostatika-Zubereitungen über herstellende und gleichzeitig beliefernde Apothe- ken sowie über Hersteller mit Herstellungserlaub- nis flächendeckend gesichert ist. Die Regelung würde die Belieferung einer Ver- schreibung von der tatsächlichen Herstellung der verschriebenen Rezeptur abkoppeln. Dies würde dem bisherigen rechtlich verankerten Grundsatz der Einheit von Herstellung und Abgabe bei der re- zepturmäßigen Versorgung der Bevölkerung durch Apotheken widersprechen. Im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs benötigt eine Apotheke zur Herstellung und Ab- gabe von Arzneimitteln an die Verbraucher (Ein- zelhandel) keine arzneimittelrechtliche Herstel- lungserlaubnis. Nach derzeitiger Rechtslage ist für die herstellende Apotheke jedoch dann eine Her- stellungserlaubnis erforderlich, wenn sie anwen- dungsfertige Zytostatika-Zubereitungen an andere Apotheken abgibt (Verkauf an andere Wiederver- käufer), denn damit wird die herstellende Apotheke zum Großhändler. Diese Tätigkeit ist durch die er- teilte Apothekenbetriebserlaubnis nicht abgedeckt. Die lediglich in der Begründung aufgeführte Über- legung zur Haftung für das abgegebene Rezeptur- arzneimittel entspricht nicht den wirklichen Gege- benheiten, denn die Herstellung erfolgte eben nicht im Rahmen des üblichen Apothekenbetrie- bes. Die rezeptbeliefernde Apotheke kann die Qualität des eingekauften Rezepturarzneimittels weder prüfen noch beurteilen. Ein Anbruch zur Probenahme verbietet sich sowohl aufgrund des Re- zepturcharakters .als auch aufgrund der Natur der Zubereitung (anwendungsfertig und üblicherweise steril). Die Qualität der Unikate ist ausschließlich durch das Herstellungsverfahren gesichert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224974 (C) (D) (A) (B) Die vorgesehene mögliche Vermischung von Herstellung in einer Krankenhausapotheke und Abgabe durch eine öffentliche Apotheke kann auf- grund unterschiedlicher Preiskalkulationsgrundla- gen sowie abweichender Steuer- und Gewinnver- pflichtungen zu einer Marktverzerrung führen. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die durch Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Apothekengesetzes eingeführte neue Fassung des § 73 Abs. 3 Satz 2 Arzneimittelgesetz im nächsten anstehenden Gesetzgebungsverfahren zum Arzneimittelgesetz einer weiteren Änderung zu unterziehen. Es sollte die Möglichkeit eröffnet werden, dass die in Rede stehenden Arzneimittel von Apotheken nicht nur dann bezogen und in Not- fällen auf Einzelverschreibung abgegeben werden dürfen, „soweit sie nach den apothekenrechtlichen Vorschriften für Notfälle vorrätig gehalten oder kurzfristig beschaffbar sein müssen“, sondern dass diese Arzneimittel von Apotheken auch bezogen und ohne vorliegende Einzelverschreibung an an- dere Empfänger abgegeben werden dürfen, wenn diese Empfänger nachweislich nach anderen Vor- gaben, insbesondere berufsgenossenschaftlichen Sicherheitsregein, eigene Notfallvorräte anlegen und pflegen müssen. Begründung: Tierparks und Zoos halten einheimische und nichteinheimische Gifttiere und sind als Unterneh- mer aufgrund der berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften ZH 1/70 „Sicher- heitsregeln für die Haltung von Wildtieren“ ver- pflichtet, eine Mindestmenge jederzeit voll wirk- samer Seren gegen die Gifte der vorhandenen Gifttiere vorrätig zu halten. Die erforderlichen Seren sind größtenteils nicht als in Deutschland bzw. der EU zugelassene Fertig- arzneimittel erhältlich, sondern werden meist aus- schließlich in den jeweiligen Drittländern produ- ziert, wo die Tiere natürlich vorkommen. Durch Produktionseinstellungen von pharmazeutischen Unternehmern in Deutschland und Europa wird verstärkt darauf zurückgegriffen werden müssen. Neben Zoos und Tierparks können auch sog. Schlangenfarmen sowie jeder Tierhändler, der Gifttiere vertreibt und dem Schutz seiner Ange- stellten verpflichtet ist, betroffen sein. Der Import der betreffenden Seren für die genann- ten Einrichtungen als Voraussetzung für das Anle- gen und Betreiben eines solchen Depots war bis- lang und ist auch nach der jetzigen Fassung des § 73 Abs. 3 Satz 2 Arzneimittelgesetz rechtlich nicht möglich, da sie nicht unter das einschlägige Recht fallen. Der Import zur Abgabe der Seren durch Apotheken an betroffene Einrichtungen sollte unabhängig von der Notwendigkeit einer Einzelverschreibung ermöglicht werden, damit diese ihre berufsgenossenschaftlichen Verpflich- tungen erfüllen können. In Anbetracht fehlender Alternativen und im Sinne des vorbeugenden Ge- sundheitsschutzes und der Gefahrenabwehr ist diese Vorsorgemaßnahme rechtlich abzusichern. – Gesetz zur Einführung des Völkerstrafgesetz- buches Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung an- genommen: 1. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass den Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen ein effektives Ermittlungsin- strumentarium zur Verfügung gestellt werden muss. Er hält es deswegen weiterhin für unabding- bar, die Deliktskataloge für die Überwachung der Telekommunikation, den Einsatz technischer Mit- tel und die Anordnung der Untersuchungshaft auf diese schwersten Verbrechen zu erstrecken. Es ist dem Bundesrat unverständlich, dass der Gesetzes- beschluss des Deutschen Bundestages zur Ein- führung eines Völkerstrafgesetzbuches den Forde- rungen des Bundesrates nicht Rechnung trägt. 2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, un- verzüglich Vorschläge in das Gesetzgebungsver- fahren zu bringen, mit denen die Anliegen des Bundesrates baldmöglichst umgesetzt werden kön- nen. Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 14. Juni 2002 mitgeteilt, dass sie den Antrag RUGMARK stärken und eigenständig erhalten auf Drucksache 14/5553 zurückgezogen hat. Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN haben mit Schreiben vom 24. Juni 2002 mitgeteilt, dass sie den Antrag Sicherung und Optimierung der kind- gerechten medizinischen Versorgung auf Drucksache 14/8652 zurückgezogen haben. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Eu- roparates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. bis 28. September 2001 in Straßburg und die Debatte der Erweiterten Parlamentarischen Ver- sammlung über die Aktivitäten der OECD am 26. Sep- tember 2001 – Drucksachen 14/8329, 14/8681 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung so- wie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jah- resabrüstungsbericht 2001) – Drucksache 14/8941 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24975 (C) (D) (A) (B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bilanzierender Gesamtbericht zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemein- samen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Ver- einten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikver- trags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen – Drucksache 14/8990 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2000 – Drucksachen 14/3488, 14/3574 Nr. 1.5 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2000 – Drucksachen 14/3996, 14/4093 Nr. 1.11 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2000 – Drucksachen 14/4877, 14/5112 Nr. 4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2000 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2000 – Drucksachen 14/5631, 14/5729 Nr. 4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 26 Titel 5264 44 – Planungskosten für Baumaßnahmen im Parlaments- viertel – – Drucksachen 14/9012, 14/9133 Nr. 1.4 – Ausschuss fürWirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Neugestaltung des OECD-Schiffbau-Übereinkommens – Drucksachen 14/8741, 14/8829 Nr. 1.12 – Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für den Zeitraum 2001 bis 2004 – Drucksache 14/5900 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestal- tung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) hier: Rahmenplan 2002 bis 2005 – Drucksachen 14/7057, 14/7413 Nr. 3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes für den Zeitraum 2002 bis 2005 – Drucksachen 14/9009, 14/9309 Nr. 8 – Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2001 – Drucksache 14/7945 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für Deutschland – Nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung – Drucksache 14/8953 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Bundesregierung Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des Bundes und Bericht der Bundesregierung über die Beteiligung des Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland – Drucksache 14/1569 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Beteiligung des Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland – Drucksache 13/8486 – Berichtigung Im Stenographischen Bericht der 243. Sitzung des Deutschen Bundestages ist auf Seite 24561 (B) die – Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Bundesbeauf- tragten fürden Datenschutz – 18. Tätigkeitsbericht – – Drucksachen 14/5555, 14/8829 Nr. 1.1 – als Kenntnisnahme gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge- schäftsordnung gemeldet worden. Diese Mitteilung ist hinfällig, da der Innenausschuss eine Beschlussempfeh- lung und Bericht auf Druckasche 14/9490 vorgelegt hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224976 (C) (D) (A) (B) Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU-Vor- lagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/7708 Nr. 1.11 Drucksache 14/7883 Nr. 2.26 Drucksache 14/8339 Nr. 2.45 Drucksache 14/9137 Nr. 1.4 Finanzausschuss Drucksache 14/8832 Nr. 1.1 Drucksache 14/8832 Nr. 2.16 Drucksache 14/8940 Nr. 2.11 Drucksache 14/8940 Nr. 2.12 Drucksache 14/8940 Nr. 2.25 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/8940 Nr. 1.1 Drucksache 14/8940 Nr. 2.13 Drucksache 14/8940 Nr. 2.14 Drucksache 14/8940 Nr. 2.15 Drucksache 14/8940 Nr. 2.27 Drucksache 14/8940 Nr. 2.29 Drucksache 14/8940 Nr. 2.30 Drucksache 14/8940 Nr. 2.31 Drucksache 14/9137 Nr. 1.5 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/8940 Nr. 2.17 Drucksache 14/9137 Nr. 1.1 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/6026 Nr. 2.34 Drucksache 14/7708 Nr. 2.5 Drucksache 14/8179 Nr. 2.48 Drucksache 14/8562 Nr. 2.43 Drucksache 14/8562 Nr. 2.44 Drucksache 14/8691 Nr. 2.3 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/8179 Nr. 2.57 Drucksache 14/8339 Nr. 2.19 Drucksache 14/8339 Nr. 2.20 Drucksache 14/8339 Nr. 2.22 Drucksache 14/8562 Nr. 1.3 Drucksache 14/8562 Nr. 2.47 Drucksache 14/8562 Nr. 2.50 Drucksache 14/8691 Nr. 2.4 Drucksache 14/8832 Nr. 1.2 Drucksache 14/8832 Nr. 2.3 Drucksache 14/8832 Nr. 2.4 Drucksache 14/8832 Nr. 2.5 Drucksache 14/8832 Nr. 2.23 Drucksache 14/8940 Nr. 1.4 Drucksache 14/8940 Nr. 2.10 Drucksache 14/8940 Nr. 2.2 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/9137 Nr. 1.15 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/8940 Nr. 2.7 Drucksache 14/8940 Nr. 2.8 Drucksache 14/8940 Nr. 2.37 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/7883 Nr. 2.14 Drucksache 14/8339 Nr. 1.3 Drucksache 14/8428 Nr. 2.15 Drucksache 14/8562 Nr. 2.6 Drucksache 14/9137 Nr. 1.6 Drucksache 14/9137 Nr. 1.9 Drucksache 14/9305 Nr. 2.36 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/7409 Nr. 1.2 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24977 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Gabriele Lösekrug-Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident!
    Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Auf den ersten Blick
    ist eine Petitionsakte eine Akte wie viele, die parlamenta-
    rische Geschäftsabläufe begleiten. Doch schon der zweite
    Blick lässt erkennen, dass es hier um etwas ganz anderes
    geht: kein innovatives Gesetzesvorhaben, kein mutiger
    Entschließungsantrag, kein seitenstarker inhaltsreicher
    Bericht.

    Bei einer Petition befasst sich der Bundestag unmittel-
    bar mit der Bitte oder der Beschwerde eines oder einer
    Einzelnen. Kein anderer Weg ist so kurz, so direkt zwi-
    schen Individuen und Parlament. In der Tat können wir
    stolz sein auf dieses Grundrecht und froh darüber, dass es
    von so vielen in Anspruch genommen und mit Leben er-
    füllt wird.

    Die Reden zum Vorjahresbericht beschreiben den Peti-
    tionsausschuss als „Sprachrohr der Bürger und zugleich
    Hörrohr des Parlamentes“ – so hat es der Kollege Wilhelm
    ausgedrückt –, als „vorgeschobenen Posten des Bundesta-
    ges“ und „Sensorium für legislative Fehlentwicklungen“ –
    so benannte es der Kollege Hohmann – und als „aktive
    Schnittstelle zwischen dem demokratischen Parlament
    und den sich in Form von Petitionen demokratisch enga-
    gierenden Bürgerinnen und Bürgern“; so hat es die Kolle-
    gin Lüth beschrieben. Diese zutreffenden Beschreibungen
    bringen auf den Punkt, was das Besondere an diesem Aus-
    schuss ist. Dass die Arbeit des Ausschussdienstes hervor-
    ragend ist, der Vorsitz klar, sachlich und herzlich wahrge-
    nommen wird und das Arbeitsklima der Abgeordneten
    kollegial und lösungsorientiert ist, konnte ich in der kurzen
    Zeit meiner Zugehörigkeit feststellen. Wenn fast alle Red-
    nerinnen und Redner das so formulieren, dann ist das wie
    der Refrain eines guten Liedes, in dem die Essenz an Kom-
    plimenten enthalten ist, und die sind sehr wahrhaftig.

    Allerdings erfuhr ich ebenso, dass der Petitionsaus-
    schuss eine Art Mauerblümchen-Gremium sei. „Graue
    Maus unter den Bundestagsausschüssen“ und „nicht ge-
    rade der Nabel der Welt im Sinne des parlamentarischen
    Universums“, so lauteten die Formulierungen in der De-
    batte zum letzten Bericht. Als „Nachgerückte“ bin ich
    eher überrascht über dieses verhaltene Selbstbewusstsein
    und den zurückhaltenden Respekt, mit dem die Nichtaus-
    schussmitglieder unter den Parlamentariern den Peti-
    tionsausschuss würdigen. „Gut für Fleißige und/oder für
    Neue“, so ließe sich das zusammenfassen.

    Zutreffend ist, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Pe-
    titionen machen Arbeit. So ist das auch gedacht. Oftmals
    haben Petitionen einen langen, schwierigen, konfliktrei-
    chen Vorlauf. Vielfach fühlen sich Petenten und Petentin-
    nen mit ihrer Sicht der Dinge überhaupt nicht verstanden
    von Ämtern und Behörden. Deshalb ist es kein Wunder,
    dass nahezu die Hälfte aller eingehenden Petitionen be-
    reits durch Informationen und Hinweise, Rat und Aus-
    kunft erledigt werden können. Dies spricht sehr für die
    Qualität unseres Ausschussdienstes. Aber was lernen wir
    noch daraus? Unsere Verwaltungen sind immer noch
    nicht bürgerfreundlich genug. Es mangelt meiner Mei-
    nung nach nach wie vor an Kundenorientierung.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Über die Zahl der Petitionen wurde bereits gesprochen.
    Beispiele für erfolgreiche Petitionen haben wir auch
    gehört; mögen sie auch nicht alle so spektakulär sein wie
    jene, die unlängst einer ganzen Gemeinde in Bayern wie-
    der Hoffnung gab, dass die Sorge um ihre Gesundheit
    ernst genommen wird. Nein, es ist eher die Ausnahme,
    dass eine öffentliche Feier am Ende eines erfolgreichen
    Abschlusses einer Petition steht. Dennoch wiegt es nicht
    weniger, wenn in Einzelfällen geholfen werden kann.

    Was aber folgt aus jenen Petitionen – es sind nicht we-
    nige –, denen nicht entsprochen werden kann, wo am
    Ende ein für die Petenten enttäuschender Brief aus Berlin
    kommt? Vielfach haben sie einen richtigen Kern, ein
    nachvollziehbares Anliegen. Dennoch bleiben sie unter
    der Schwelle, überwiesen oder zur Kenntnis gegeben
    werden zu können. Ich finde sie jedoch hilfreich für die




    Dr. Karlheinz Guttmacher

    24921


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    parlamentarische Arbeit, bilden auch diese Petitionen Le-
    benswirklichkeiten ab, spiegeln sie Alltag wider, den wir
    Abgeordnete politisch gestalten.

    Seien wir einmal ehrlich: Brauchen wir nicht geradezu
    Rückmeldungen über schwierige Lebenssituationen und
    komplizierte Sachlagen, die Einzelne bedrücken, um ein
    realistisches Bild vom Alltag in unserem Land zu bekom-
    men? Ich überspitze kaum, wenn ich sage, dass das aus-
    geübte Petitionsrecht ein Segen für das Parlament ist.
    Schon deshalb scheint mir die Arbeit eines Ausschusses
    für Petitionen im Vergleich zu der eines Ombudsmanns
    sinnvoller zu sein. Sie ist damit nicht nur nahe am Parla-
    ment, sondern mittendrin. In dieser Einschätzung sehe ich
    mich bestätigt auch durch Gespräche im Rahmen der Om-
    budsmann-Konferenz im Mai dieses Jahres in Krakau.
    Dort war auch eine Delegation unseres Ausschusses zu-
    gegen.

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Pflege der
    internationalen Kontakte zu loben. Gerade die sich ent-
    wickelnden neuen Demokratien verdienen Unterstützung
    im Aufbau ihres Petitionswesens, bei ihrer Gestaltung des
    Zusammenwirkens von Nichtregierungsorganisationen
    und Staat sowie bei ihrem Ringen um die Wahrung der
    Menschenrechte insgesamt und in einzelnen Fällen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Wir sollten auch zukünftig bereit sein, hier unsere Erfah-
    rungen zur Verfügung zu stellen und, wenn gewünscht,
    mit Rat und Tat zu helfen.

    Doch zurück zu uns und dem Bericht des Jahres 2001.
    Das Studium der älteren Berichte lässt erkennen, dass
    Petitionsarbeit große Kontinuität innewohnt. So ist zum
    Beispiel in den vergangenen Jahren das zahlenmäßige
    Verhältnis von Petentinnen zu Petenten gleich geblieben:
    ein Drittel zu zwei Drittel. Ich verzichte an dieser Stelle
    auf eine Kommentierung dieses Sachverhalts. Wir ken-
    nen ihn aus vielen Lebenslagen in unserer Gesellschaft.
    So ist das auch bei Petitionen. Ich wünschte mir, es wäre
    anders.

    Personelle Kontinuität aufseiten der Abgeordneten hat
    wesentlich zu der erfolgreichen Arbeit des Ausschusses
    beigetragen. Über viele Legislaturperioden Petitions-
    arbeit zu machen verdient große Anerkennung – nicht nur
    wegen des bereits erwähnten erforderlichen Fleißes, son-
    dern wegen der anhaltenden Bereitschaft, jede Petition als
    die für den Petenten wichtigste anzunehmen und mit
    großer Erfahrung nach Lösungen zu suchen.

    Einige dieser Abgeordneten werden – das ist schon
    vielfach angeklungen – in der nächsten Runde nicht mehr
    dabei sein. Das wird ein Verlust. Sie werden uns fehlen.
    Darüber kann auch kein modernes „PetKom-System“
    hinweghelfen.

    Meine letzten drei Sätze: Petitionsarbeit ist unverzicht-
    bar; Petentinnen und Petenten sind wichtige Akteure in
    unserer Demokratie. Je besser es uns gelingt, dieses klas-
    sische Instrument direkter Kommunikation zwischen
    Bürgerinnen und Bürgern einerseits und Parlament ande-
    rerseits populär zu machen, umso öfter können wir der
    Parlamentsferne und Politikverdrossenheit abhelfen. Das,

    liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch wohl unser aller
    Ziel.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall im ganzen Hause)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Kolle-
gen Günter Baumann von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günter Baumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr
    Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 1998 neu in
    den Bundestag kam, wurde ich für den Innen- und Peti-
    tionsausschuss nominiert. Dem Petitionsausschuss eilte
    kein guter Ruf voraus. Erfahrene Kollegen warnten mich
    vor einem großen Arbeitsaufwand; andere klagten über
    die Komplexität der Themen, die bis in die letzten Veräs-
    telungen unserer Gesetzgebung gehen.

    Nach vier Jahren Ausschussarbeit kann ich – das gilt
    insbesondere für den Bericht des Jahres 2001 – eine posi-
    tive Bilanz ziehen. Zum einen hat die Themenvielfalt ein
    Gutes. In keinem anderen Gremium haben Abgeordnete
    die Möglichkeit, die Sorgen und Nöte unserer Gesell-
    schaft, zum Beispiel das Rentenrecht, das Gesundheitssys-
    tem, Fragen der inneren Sicherheit und vieles andere
    mehr, so umfassend kennen zu lernen. Zum anderen sind
    in diesem Ausschuss – für diese Erfahrung bin ich beson-
    ders dankbar – sachorientierte Lösungen über Parteigren-
    zen hinweg möglich, was in anderen Ausschüssen fast un-
    möglich ist. Das hängt zweifellos mit dem starken
    Sachbezug der Petitionen selbst zusammen.

    Bekanntlich wird das Petitionsrecht von den Bürgern
    in den neuen Bundesländern weitaus intensiver genutzt
    als von den Bürgern in den alten Bundesländern. Zum
    Beispiel in Sachsen kamen im Jahr 2001 auf eine Mil-
    lion Bürger 397 Petitionen; in Nordrhein-Westfalen wa-
    ren es 131. Probleme der Bürger aus den neuen Ländern
    bilden so einen Schwerpunkt unserer Ausschussarbeit.

    Als ostdeutscher Abgeordneter bekomme meist ich
    diese ostdeutschen Petitionen zur Bearbeitung. Oft geht es
    hierbei um unbewältigte Probleme der DDR-Vergangen-
    heit, zum Beispiel um offene Vermögensfragen. So hat
    sich der Ausschuss in dieser Legislaturperiode einmütig
    für eine gesetzliche Regelung der so genannten stecken
    gebliebenen Entschädigungen eingesetzt. Es handelt sich
    hierbei um Entschädigungen für enteignetes Vermögen,
    die von der DDR zwar zugesagt, aber nicht ausgezahlt
    wurden. Die betroffenen Bürger haben bis vor kurzem
    vergeblich auf die Auszahlung gewartet und dafür
    gekämpft. Jetzt haben sie einen Rechtsanspruch.

    Außerdem beschäftigen den Ausschuss immer wieder
    vermögensrechtliche Streitfragen, die mit der ehemaligen
    Treuhandanstalt zusammenhängen. Dabei kann der
    Ausschuss von seinen ganz besonderen Rechten profitie-
    ren. Bei unklarer Sachlage kann er Akteneinsicht beantra-
    gen und er kann Sachverständige laden. Als wertvoll hat
    sich hierbei herausgestellt, dass eine Kooperation unseres
    Petitionsausschusses mit den Petitionsausschüssen in den
    Bundesländern möglich war und auch praktiziert wurde.


    (Beifall der Abg. Heidemarie Lüth [PDS])





    Gabriele Lösekrug-Möller
    24922


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Diese Möglichkeiten haben wir in einem Fall ganz be-
    sonders intensiv genutzt. Der mittelständische Betrieb ei-
    nes betroffenen Petenten wurde 1972 enteignet. Obwohl
    nach der Wende alle Voraussetzungen für eine Rücküber-
    tragung vorhanden waren, hat der Alteigentümer seinen
    Betrieb nicht zurückbekommen. Dank der hervorragen-
    den Kooperation aller Berichterstatter, der Mitarbeiter der
    Büros der beteiligten Abgeordneten und des Ausschuss-
    dienstes war es uns möglich, Licht in das Dunkel dieses
    Falles zu bringen. In monatelangen Verhandlungen mit
    den zuständigen Behörden konnten wir den Weg für eine
    Entschädigung frei machen.

    Ich möchte mich vor dem Hintergrund dieses Falles bei
    den Mitstreitern im Ausschuss – das Engagement ging
    über Parteigrenzen hinweg – ganz herzlich für die erfolg-
    reiche Zusammenarbeit bedanken. Hier konnten wir et-
    was erreichen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, als ob
    der Petitionsausschuss eine Harmonieveranstaltung sei
    und immer die gleiche Meinung herrsche. Gerade in den
    Problemfeldern, in denen die jetzige Regierung bereits
    gesetzgeberisch tätig geworden ist oder Anträge der Op-
    position abgelehnt wurden, sind die Ausschussmitglieder
    der Koalition leider meist nicht bereit, Kompromisse ein-
    zugehen. Insbesondere zwei Petitionsverfahren, die ty-
    pisch für die Probleme in den neuen Bundesländern sind,
    scheiterten am Willen von Rot-Grün.

    Erstes Beispiel: Eine Kreishandwerkerschaft aus Fins-
    terwalde hat einen Lösungsvorschlag gemacht, wie der
    mangelnden Zahlungsmoral von Auftraggebern auf dem
    Bausektor entgegengetreten werden könnte. Die Koali-
    tion weigerte sich, der Regierung diese Petition zumindest
    zur Kenntnis zu geben. Sie hielt das bestehende Gesetz
    zur Beschleunigung fälliger Zahlungen bereits für voll-
    kommen. Jeder weiß: Das Gegenteil ist der Fall. Gerade
    im Osten summieren sich weiterhin in Millionenhöhe die
    Außenstände mittelständischer Handwerksbetriebe und
    es gibt für die Betroffenen noch keine hinreichenden Mit-
    tel, drohende Firmenpleiten zu verhindern.

    Das zweite Beispiel: Viele Petenten aus den neuen
    Ländern beklagen die Gerechtigkeitslücke zwischen Tä-
    tern und Opfern des SED-Regimes. Durch höchtsrichter-
    liche Entscheidungen wurden die Rentenansprüche ehe-
    maliger Partei- und Stasi-Funktionäre schon mehrmals
    nachgebessert; für die Verfolgten dagegen sind echte Ver-
    besserungen zum Beispiel im Rentenrecht so gut wie aus-
    geblieben. Viele Opfer haben daher mit Petitionen eine
    „Ehrenpension“ gefordert. Diese von der CDU/CSU
    schon seit längerem erhobene Forderung scheiterte an der
    parteipolitischen Konstellation.

    Trotzdem fällt meine Bilanz der Ausschussarbeit ins-
    gesamt positiv aus. Bei den meisten Petitionen ist der
    Ausschuss auch im Jahre 2001 zu pragmatischen und par-
    teiübergreifenden Lösungen gekommen. Er bietet so auch
    den Abgeordneten der Opposition in diesem Ausschuss
    mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten als in anderen Aus-
    schüssen. Das Wichtigste aber ist: Der Petitionsausschuss

    wird von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes
    angenommen. Das beweist die hohe Anzahl an Bitten und
    Beschwerden, die wir jedes Jahr bekommen.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der PDS)