Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002
        Wolfgang Gehrcke
        24942
        (C)(A)
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24943
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Altmaier, Peter CDU/CSU 28.06.2002
        Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        Gila DIE GRÜNEN
        Behrendt, Wolfgang SPD 28.06.2002*
        Bierwirth, Petra SPD 28.06.2002
        Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2002
        Bohl, Friedrich CDU/CSU 28.06.2002
        Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 28.06.2002*
        Klaus
        Buwitt, Dankward CDU/CSU 28.06.2002*
        Dr. Däubler-Gmelin, SPD 28.06.2002
        Herta
        Dr. Doss, Hansjürgen CDU/CSU 28.06.2002
        Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 28.06.2002
        Friedrich (Altenburg), SPD 28.06.2002
        Peter
        Dr. Grygier, Bärbel PDS 28.06.2002
        Hartnagel, Anke SPD 28.06.2002
        Hauser (Rednitz- CDU/CSU 28.06.2002
        hembach), Hansgeorg
        Helling, Detlef CDU/CSU 28.06.2002
        Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Hilsberg, Stephan SPD 28.06.2002
        Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Hoffmann (Chemnitz), SPD 28.06.2002
        Jelena
        Dr. Hornhues, CDU/CSU 28.06.2002*
        Karl-Heinz
        Hornung, Siegfried CDU/CSU 28.06.2002*
        Hovermann, Eike Maria SPD 28.06.2002
        Hustedt, Michaele BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Irmer, Ulrich FDP 28.06.2002
        Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 28.06.2002
        Kasparick, Ulrich SPD 28.06.2002
        Körper, Fritz Rudolf SPD 28.06.2002
        Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 28.06.2002
        Koppelin, Jürgen FDP 28.06.2002
        Koschyk, Hartmut CDU/CSU 28.06.2002
        Dr. Küster, Uwe SPD 28.06.2002
        Lange (Backnang), SPD 28.06.2002
        Christian
        Lehn, Waltraud SPD 28.06.2002
        Dr. Leonhard, Elke SPD 28.06.2002
        Lintner, Eduard CDU/CSU 28.06.2002*
        Dr. Lippold CDU/CSU 28.06.2002
        (Offenbach), Klaus W.
        Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 28.06.2002*
        Erich
        Mante, Winfried SPD 28.06.2002
        Dr. Meyer (Ulm), SPD 28.06.2002
        Jürgen
        Müller (Berlin), PDS 28.06.2002*
        Manfred
        Neumann (Bremen), CDU/CSU 28.06.2002
        Bernd
        Neumann (Gotha), SPD 28.06.2002
        Gerhard
        Nietan, Dietmar SPD 28.06.2002
        Nolte, Claudia CDU/CSU 28.06.2002
        Ost, Friedhelm CDU/CSU 28.06.2002
        Ostrowski, Christine PDS 28.06.2002
        Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 28.06.2002
        Ronsöhr, CDU/CSU 28.06.2002
        Heinrich-Wilhelm
        Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 28.06.2002
        Dr. Scheer, Hermann SPD 28.06.2002*
        Schily, Otto SPD 28.06.2002
        entschuldigt bis
        Abgeordnete(r) einschließlich
        entschuldigt bis
        Abgeordnete(r) einschließlich
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Anlagen zum Stenographischen Bericht
        – Beschlussempfehlung und Bericht:
        – Förderung der Energiespeicherforschung –
        Gegen ein Forschungsverbot in der Gashy-
        dratforschung
        – Faktenbericht Forschung 2002 zum Bundes-
        bericht Forschung 2000
        – Beschlussempfehlung und Bericht: Mehr Frauen
        an die Spitze von Wissenschaft und Forschung –
        durch GenderMainstreaming Frauen in Wissen-
        schaft und Forschung stärken
        – Beschlussempfehlung und Bericht: Ressortfor-
        schung überprüfen – Effizienz der Forschung
        steigern
        – Beschlussempfehlung und Bericht:
        – Die Brennstoffzelle – Technik des 3. Jahrtau-
        sends
        – Technikfolgenabschätzung: hier: TA-Projekt
        „Brennstoffzellen-Technologie“
        – Antrag: Eine neue Offensive für eine moderne
        Forschungspolitik
        – Antrag: Wissenschaft und Forschung als Motor
        der gesellschaftlichen Entwicklung und des wirt-
        schaftlichen Aufschwungs in Deutschland nutzen
        (Tagesordnungspunkt 27 a bis f, Zusatztagesord-
        nungspunkte 15 und 16)
        Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
        Regierung Kohl hatte bei der Bildungs- und Forschungs-
        politik massiv gestrichen. Rot-Grün hat dagegen die Mit-
        tel sehr deutlich angehoben. Schwarz-Gelb versucht dies
        zu ignorieren und verspricht deutliche Mittelerhöhungen.
        Der FDP ist es sogar gelungen, beim Hochschulbau eine
        Mittelanhebung zu versprechen, die unter dem derzeiti-
        gen Mittelansatz liegt. War das nur ein Fehler oder will die
        FDP hier wirklich kürzen? Seit 1998 sind die Mittel für
        Bildung und Forschung um 21 Prozent auf 8,8 Milliarden
        Euro gestiegen. Wir werden so weitermachen. Der Regie-
        rungsentwurf enthält eine weitere deutliche Steigerung
        auf 9,3 Milliarden Euro. Das Schlimmste, was diesem
        Lande passieren könnte, wäre, dass Schwarz-Gelb die
        Forschungspolitik der Vergangenheit wieder aufgreifen
        und die Mittel erneut kürzen würde. Unter Kohl und
        Rüttgers wurden zwischen 1993 und 1998 die Mittel um
        358 Millionen Euro abgesenkt. Ich bin mir ganz sicher,
        dass Herr Rüttgers unsere Forschungsministerin Edelgard
        Bulmahn beneidet. Vermutlich drückt Herr Rüttgers Rot-
        Grün heimlich die Daumen und wer weiß, vielleicht tun
        dies auch einige Damen und Herren der Union und FDP
        in diesem Hause. Bei der Forschungspolitik darf es kein
        Zurück in die Vergangenheit geben. Im Folgenden nenne
        ich einige Erfolge unserer Politik, die deutlich machen,
        dass es am 22. September bei der rotgrünen Regierungs-
        verantwortung bleiben muss:
        Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm und dem Ver-
        netzungsfonds für erneuerbare Energien haben wir die
        nicht nukleare Energieforschung gestärkt. Die Forschung
        an neuen Reaktoren haben wir in Deutschland eingestellt.
        Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Schlee, Dietmar CDU/CSU 28.06.2002
        Schloten, Dieter SPD 28.06.2002*
        Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 28.06.2002
        Hans Peter
        von Schmude, Michael CDU/CSU 28.06.2002*
        Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 28.06.2002
        Andreas
        Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 28.06.2002
        Schröder, Gerhard SPD 28.06.2002
        Schultz (Everswinkel), SPD 28.06.2002
        Reinhard
        Seehofer, Horst CDU/CSU 28.06.2002
        Dr. Stadler, Max FDP 28.06.2002
        Dr. Freiherr von CDU/CSU 28.06.2002
        Stetten, Wolfgang
        Dr. Struck, Peter SPD 28.06.2002
        Thiele, Carl-Ludwig FDP 28.06.2002
        Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 28.06.2002
        DIE GRÜNEN
        Türk, Jürgen FDP 28.06.2002
        Vogt (Pforzheim), Ute SPD 28.06.2002
        Wagner, Hans Georg SPD 28.06.2002
        Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 28.06.2002
        Wieczorek (Duisburg), SPD 28.06.2002
        Helmut
        Wohlleben, Verena SPD 28.06.2002
        Zierer, Benno CDU/CSU 28.06.2002*
        * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung des Europarates
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – Große Anfrage: Forschungsförderung in Deutsch-
        land
        – Unterrichtung: Bericht zur technologischen
        Leistungsfähigkeit Deutschlands 2001 und Stel-
        lungnahme der Bundesregierung
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224944
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        entschuldigt bis
        Abgeordnete(r) einschließlich
        Darüber hinaus haben wir erreicht, dass die For-
        schungsförderung für neue Atomkraftwerke europaweit
        auch im 6. Forschungsrahmenprogramm der Europä-
        ischen Union eingestellt wird.
        Wir haben dafür gesorgt, dass bei der Genehmigung
        des Neutronen-Forschungsreaktors München II nach
        Recht und Gesetz vorgegangen wird und keine politische
        Genehmigung ausgesprochen wird wie zum Beispiel da-
        mals unter Kohl bei dem längst stillgelegten Reaktor Mül-
        heim-Kärlich. Nur ein grünes Umweltministerium kommt
        garantiert seiner Aufsichtspflicht nach. Wer Gefälligkeits-
        bewilligungen möchte, sollte Schwarz wählen.
        Wir haben das erfolgreiche Forschungsprogramm für
        Pflanzenöltraktoren initiiert. Nur mit uns wird es ein
        Nachfolgeprogramm geben, in dessen Rahmen die neuen
        Traktoren auf Pflanzenöle umgestellt werden.
        Rot-Grün hat die Mittel für Technikfolgenabschätzung
        mehr als verdoppelt und die Mittel für Nachhaltigkeits-
        forschung um 44,3 Millionen Euro erhöht. Davon haben
        insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaften pro-
        fitiert.
        Die Bundesregierung fördert die von der Union so ver-
        schmähte Friedensforschung wieder und hat die „Deut-
        sche Stiftung Friedensforschung“ gegründet. Wir stehen
        hier eindeutig im Kontrast zur FDP, die in ihrem Wahlpro-
        gramm eine Verstärkung der Rüstungsforschung fordert.
        Wir nehmen die Ängste vor dem Mobilfunk in der Be-
        völkerung ernst. Daher haben wir die Mittel für vorsor-
        gende Mobilfunkforschung verdreifacht. Die Mittel
        fließen in die Erforschung gesundheitlicher Gefahren und
        die Erforschung neuer Mobilfunktechniken mit weit nied-
        rigeren Strahlenemissionen.
        Gentechnik: Wir haben Mittel für Sicherheitsfor-
        schung und Ethik im Bereich der Gentechnik um
        11,5 Millionen Euro erhöht und liegen damit an der Welt-
        spitze. Zudem haben wir uns erfolgreich für ein möglichst
        restriktives Stammzellengesetz eingesetzt, das den ver-
        brauchenden Embryonenschutz verbietet.
        Wir haben fraktionsübergreifend mit den meisten an-
        deren Fraktionen die Tötung von Embryonen für die
        Stammzellenforschung verhindert. Nur für die FDP spielt
        es leider keine Rolle, ob für die Stammzellenforschung
        Embryonen getötet werden oder nicht.
        Gesundheitsforschung: Auch die gentechnik-unabhän-
        gige Gesundheitsforschung – darunter die Vorsorge- und
        Pflegeforschung – hat deutlich zugelegt. 2002 werden
        13,8 Millionen Euro mehr als 1998 ausgegeben.
        Wir haben ein Forschungsinstitut für ökologischen
        Landbau in Trenthorst in Schleswig-Holstein gegründet
        und die Forschung für den ökologischen Landbau ge-
        stärkt.
        Wir haben mit einer Vielzahl von Maßnahmen gezielt
        die Forschung in den neuen Bundesländern gefördert.
        Hervorheben möchte ich hier die Wettbewerbe „lnno-Re-
        gio“ und „Innovative regionale Wachstumskerne“ sowie
        das „Programm zur Förderung innovativer Forschungs-
        strukturen“.
        Wir haben die Gleichstellung von Frauen und Männern
        wieder zu einem großen gesellschaftlichen Reformprojekt
        und einem Schwerpunkt unserer Politik gemacht. Gender
        Mainstreaming haben wir sowohl im Bildungshaushalt
        als auch an den Forschungseinrichtungen durchgesetzt.
        Wir haben das Programm „Chancengleichheit für
        Frauen in Forschung und Lehre“ mit jährlich 60 Millionen
        DM aufgelegt. Die Bundesregierung hat darüber hinaus
        neue Kompetenzzentren für die Frauenförderungen ge-
        schaffen. Hierzu zählen die Zentren Frauen in der Infor-
        mationsgesellschaft und Technologie sowie Frauen in
        Wissenschaft und Forschung. Hervorheben möchte ich
        auch das umfangreiche Programm „Anstoß zum Auf-
        stieg“, das zum Ziel hat, Frauen in Hochschulen und For-
        schungseinrichtungen auf Führungspositionen vorzube-
        reiten.
        Ich komme zu den Anträgen zu Methanhydraten: Die
        Diskussion um die Forschungsförderung für die energeti-
        sche Nutzung der Methanhydrate hat erneut deutlich ge-
        macht: Wir alle sind für die Grundlagenforschung bei
        Methanhydraten. Diese ist wichtig für die Klimafor-
        schung. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten schon
        auf. Wir wollen, dass die Methanhydrate auf dem Mee-
        resboden bleiben. Die Union und die FDP hingegen
        möchten die Methanhydrate nutzen ohne Rücksicht auf
        die Folgen für den Klimaschutz. Dies wird besonders
        deutlich in der Union-Pressemitteilung der Herren
        Wissmann und Börnsen vom Zehnten dieses Monats.
        Ich zitiere aus der Pressemitteilung der Union: „Die Ent-
        wicklung der Meerestechnik wird durch die rot-grüne
        Bundesregierung gehemmt, wenn sie Wissenschaft und
        Forschung unter das Diktat der Klima- und Umwelt-
        schutzziele stellt.“ Die Union und FDP gehen mit ihren
        Anträgen wissentlich und verantwortungslos gegen den
        Klimaschutz vor. Dies zeigt dem Wähler, dass er die Wahl
        hat zwischen rot-grüner Vorsorgepolitik oder einer
        schwarz-gelben Politik.
        Der Antrag der FDP zu Brennstoffzellen kann besten-
        falls mit gut gemeint bewertet werden. Brennstoffzellen
        werden sehr wahrscheinlich eine große Zukunft als de-
        zentrale Energieerzeugungstechnologie zur Strom- und
        Wärmeversorgung haben. Für den stationären Markt
        scheint sich die FDP aber nicht zu interessieren. Vielmehr
        sorgt sie sich um die Atomenergie. Sie kommt daher nicht
        zu der offen liegenden Erkenntnis, dass Brennstoffzellen
        Atomkraftwerke verdrängen werden. Nein, die FDP will
        Brennstoffzellen sogar mit Atomstrom betreiben. Dazu
        wären alleine im Verkehrssektor vermutlich über 100 zu-
        sätzliche Atomkraftwerke in Deutschland erforderlich.
        Aus dem Antrag der FDPmüssen wir entnehmen, dass sie
        dazu bereit ist, das politisch durchzusetzen. Wir freuen
        uns sehr auf diese Auseinandersetzung. Im Übrigen läuft
        der Brennstoffzellenantrag der FDP in großem Maße den
        Erkenntnissen der Brennstoffzellenstudie des Büros für
        Technikfolgenabschätzung zuwider. Ich möchte der FDP
        und allen wirklich Interessierten diese Studie sehr emp-
        fehlen.
        Ähnlich erheiternd ist der Antrag der FDP zur Energie-
        speicherung. Willkürlich wird hier ein Förderanteil für
        große zentrale Energieforschungstechnologien in Höhe
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24945
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        von 30 Prozent der Energieforschungsmittel gefordert.
        Leider sagt die FDP nicht, wo sie die Mittel einsparen
        will. Ich vermute, dass die FDP dabei an die von ihr un-
        geliebte Photovoltaik denkt. Oder an die von ihr
        bekämpfte Windenergie? Vielleicht auch an die Brenn-
        stoffzelle, die sie scheinbar nicht richtig ernst nimmt. Ich
        kann nur vermuten, dass das Lieblingsspielzeug der FDP,
        die Kernfusion, von Einsparungen verschont werden soll.
        Die FDP erklärt ebenfalls nicht, wieso sie gerade
        auf 30 Prozent kommt, unabhängig davon, wie hochwer-
        tig gerade die Forschungsprojekte sind, die in den einzel-
        nen Energieforschungsbereichen anstehen. Im Übrigen
        möchte ich auf Folgendes hinweisen. Würde die FDP ihre
        übrigen Anträge zur Energiepolitik ernst nehmen,
        bräuchte sie sich um die Energiespeicherung nicht zu
        kümmern. Die FDP tat alles, um Wind- und Sonnenener-
        gie zu bekämpfen. Wer dies so aggressiv wie die FDP tut,
        braucht sich um die Speicherung von Wind- und Solar-
        strom keine Gedanken zu machen. Wir hingegen nehmen
        die erneuerbaren Energien und die Brennstoffzellentech-
        nologie ernst. Deswegen haben wir in dieser Wahlperiode
        die Mittel für Speicherforschung unter anderem für Bat-
        terien und Wasserstoff deutlich erhöht.
        Die rot-grüne Zwischenbilanz kann sich sehen lassen.
        Wir haben die Forschung an dem Prinzip der Nachhaltig-
        keit ausgerichtet. Wir nehmen die Ergebnisse der Tech-
        nikfolgenabschätzung ernst und wir übernehmen damit
        Verantwortung für die Gesellschaft. Ich möchte der Union
        und der FDP ausdrücklich für ihre Anträge danken, die
        aufzeigen, dass die schwarz-gelbe Forschungspolitik
        nicht mehr zu bieten hat als die Konzepte der Vergangen-
        heit.
        Maritta Böttcher (PDS): Zur Beratung des Faktenbe-
        richts Forschung im Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung haben SPD und Bündnis 90/
        Die Grünen einen bemerkenswerten Entschließungs-
        antrag vorgelegt, der in die vorliegende Beschlussemp-
        fehlung eingegangen ist. Bemerkenswert ist er nicht des-
        halb, weil die Koalitionsfraktionen zunächst in einer
        Lobeshymne auf die Wohltaten der rot-grünen Bundesre-
        gierung anstimmen – daran haben wir uns schon gewöhnt.
        Ungewöhnlich ist es aber, dass SPD und Grüne darüber
        hinaus auf konkrete Defizite der bisherigen rot-grünen
        Forschungspolitik aufmerksam machen. So fordern die
        Koalitionsfraktionen beispielsweise von der Regierung
        einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz. In der Gesund-
        heitsforschung müsse Prävention und Gesundheitsfor-
        schung eine höhere Priorität erhalten. Die Energiefor-
        schung habe sich auf Energieeffizienz und erneuerbare
        Energien zu konzentrieren. Durch zielgerichtete Pro-
        gramme seien Perspektiven für Forscherinnen und For-
        scher in den neuen Ländern zu eröffnen. All dies findet die
        Zustimmung der PDS. Ich respektiere das Eingeständnis
        der beiden Regierungsparteien, dass die Forschungspoli-
        tik der Bundesregierung eine Reihe von Schwachstellen
        aufweist.
        Eine kritische Lektüre des aktuellen Faktenberichts
        Forschung fördere jedoch noch weitere Probleme zutage,
        die in der Stellungnahme von SPD und Grünen nicht zur
        Sprache kommen. Beispiel erneuerbare Energien/ratio-
        nelle Energieverwendung: Warum werden im Jahr 2002
        ausgerechnet in diesem Bereich von einer Regierung, die
        vorgibt, aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen zu
        wollen, die Forschungs- und Entwicklungsausgaben um
        16 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt? Und warum
        stagnieren in diesem Jahr darüber hinaus die Ausgaben für
        nachhaltige Entwicklung, für sozial-ökologische For-
        schung und für Bildungsforschung? Warum wird die För-
        derung der Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-
        ten zurückgefahren? Die PDS ist der festen Überzeugung:
        Wir brauchen eine sozial-ökologische Umorientierung
        der Forschungspolitik; es ist das falsche Signal, aus-
        gerechnet im PISA-Jahr, den Aufwand für die Bildungs-
        forschung einzufrieren; unsere Gesellschaft ist auf
        Orientierungen durch eine solide geistes- und sozialwis-
        senschaftliche Forschung angewiesen. Nach der Bundes-
        tagswahl soll es nach dem Willen von SPD und Grünen
        nicht besser, sondern schlechter werden. Dies belegt ein
        Blick in den jüngsten Entwurf der Bundesregierung für
        Bundeshaushalt und Finanzplan. Mit Steigerungen des
        Bildungs- und Forschungsetats soll ab 2004 Schluss sein:
        Erstmals seit der Regierung Kohl soll der BMBF-Haus-
        halt wieder schrumpfen, und zwar um satte 2,8 Prozent.
        Die Kritik der PDS wiegt umso schwerer, als höchst
        umstrittene und früher von SPD und Grünen massiv kriti-
        sierte Forschungsbereiche jede Haushaltskonsolidierung
        ungeschoren überstanden haben. So können Weltraum-
        forschung und Weltraumtechnik auch unter einer sozial-
        demokratischen Ministerin seit 1998 kontinuierliche Zu-
        wächse verzeichnen. Fast 800 Millionen Euro werden
        Jahr für Jahr im All verpulvert – elfmal so viel, wie für die
        Bildungsforschung ausgegeben wird. Investitionen in Ra-
        keten statt in die Köpfe, scheint auch die Devise von Rot-
        Grün zu lauten.
        Richtig ist: Die Struktur der deutschen Forschungs-
        landschaft bedarf einer grundlegenden Überprüfung. An-
        zuerkennen ist: Durch Einführung der Programmsteue-
        rung bei den HGF-Großforschungseinrichtungen hat die
        Bundesregierung die ersten Schritte zu einer Neuordnung
        eingeleitet. Die Chance des neuen Förderinstruments sehe
        ich darin, dass der politische Gestaltungsanspruch von
        Politik und Gesellschaft gestärkt werden könnte. Es geht
        in der Forschungspolitik um ein angemessenes Verhältnis
        zwischen staatlicher Steuerung, wissenschaftlicher Auto-
        nomie und der Einflussnahme von gesellschaftlichen Ak-
        teuren. Die SPD selbst hat dieses Leitbild vor zehn Jahren
        in einem Antrag „Zur Zukunft der Großforschungsein-
        richtungen“, Bundestagsdrucksache 12/2064, formuliert,
        von dem sie heute nichts mehr wissen will: Parlamente,
        Gewerkschaften und Umweltverbände bleiben im Prozess
        der Programmsteuerung der Großforschungseinrichtun-
        gen außen vor. Die Strukturreform der Bundesregierung
        zielt nicht auf eine Demokratisierung, sondern auf eine
        Ökonomisierung der Forschungsförderung ab, vorhan-
        dene wissenschaftliche Kapazitäten werden nicht pro-
        duktiv umgesteuert, sondern substanziell gefährdet.
        Schließlich ist die Gefahr nicht ausgeräumt, dass die Pro-
        grammsteuerung mit einer weiteren Flexibilisierung
        von Arbeitsverhältnissen des Forschungspersonals ein-
        hergeht.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224946
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Die PDS unterstützt die Forderung der Gewerkschaf-
        ten, endlich auch allen Beschäftigten in Wissenschaft und
        Forschung tarifvertraglichen Schutz zu gewährleisten. Ob
        die Tarifpartner dies im Rahmen eines neuen Tarifvertrags
        Wissenschaft leisten oder unter dem Dach des guten alten
        BAT, ist allein ihre Sache. Die Politik darf sich in diese
        Frage nicht einmischen. Ihre Aufgabe ist es jedoch, Ar-
        beitgebern und Gewerkschaften überhaupt den recht-
        lichen Spielraum für Tarifverhandlungen zu eröffnen. Die
        PDS hat daher bereits zweimal – in Änderungsanträgen
        zur fünften und zur sechsten HRG-Novelle – eine Öff-
        nung der Tarifsperre im Hochschulrahmengesetz bean-
        tragt. Leider vergeblich: SPD und Grüne konnten sich le-
        diglich zu einer eingeschränkten Experimentierklausel für
        einzelne Fachrichtungen oder Forschungsbereiche durch-
        ringen. Ein flächendeckender Tarifvertrag ist weiterhin
        ausgeschlossen. In Sachen Wissenschaftstarif ist erneut
        die Bundesregierung am Zug.
        Mit der Art und Weise der Beratung des Antrags von
        SPD und Grünen zum Gender Mainstreaming in Wissen-
        schaft und Forschung machen Sie deutlich, wie man nach
        den Prinzipien des Gender Mainstreaming gerade nicht
        mit den Belangen von Frauen umgehen sollte: das Thema
        Frauenförderung einfach in letzter Minute an eine Debatte
        anhängen und in den zentralen Vorlagen zur Forschungs-
        politik souverän ignorieren. Gender Mainstreaming ernst
        nehmen heißt, Chancengleichheit als durchgehendes Leit-
        prinzip in allen Politikbereichen zu verankern. Weder der
        vorgelegte Faktenbericht noch die zu beratenden Anträge
        vermochten dies auch nur in Ansätzen zu leisten. „Chan-
        cengleichheit für Frauen“ – dieses Stichwort taucht in
        Ihrem Bericht in Form eines kurzen Abschnitts im Kapi-
        tel „Übrige, anderen Bereichen nicht zugeordnete Akti-
        vitäten“ auf – deutlicher könnte nicht ausgedrückt wer-
        den, dass der Grad der Realisierung von Gender
        Mainstreaming in der Forschungspolitik gegen null ten-
        diert. Der Bericht erschöpft sich schließlich in einigen we-
        nig aussagekräftigen Angaben zum Frauenanteil am For-
        schungspersonal. Dabei sind längst sehr viel präzisere
        Daten der BLK zugänglich. Was diese Zahlen belegen, ist
        verheerend: Der Frauenanteil bei den Führungspositionen
        an Forschungseinrichtungen in den alten Bundesländern
        liegt zum Beispiel bei nur zwei Prozent. In diesem Be-
        reich steht die rot-grüne Gleichstellungspolitik noch ganz
        am Anfang.
        Die Bundesregierung hat es versäumt, bei der Reform
        des Hochschuldienstrechts zu einem wirklichen Durch-
        bruch bei der Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft
        und Forschung zu kommen. Warum hat Bundesministerin
        Bulmahn die Vergabe der Fördermittel für Juniorprofes-
        suren nicht mit der verbindlichen Auflage verbunden,
        dass die Hochschulen die Hälfte ihrer Juniorprofessuren
        mit Frauen besetzen müssen? Das fragt sie nicht nur die
        PDS, sondern auch die Bundeskonferenz der Frauen- und
        Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen. Es kann sie
        doch nicht ernstlich überraschen, dass ein freundliches
        Rundschreiben an die Hochschulleitungen nicht aus-
        reicht.
        Die Bundesregierung ist Weltmeister im Schreiben
        blumiger Anträge und Berichte. Doch die kritische Öf-
        fentlichkeit ist an nüchternen Daten und Fakten interes-
        siert. Der haben Sie 1998 einen Politikwechsel verspro-
        chen, sind aber beim Regierungswechsel stehen geblie-
        ben. Die PDS wird weiter auf einer qualitativen,
        sozial-ökologischen Veränderung der Forschungspolitik
        bestehen, in der auch die Interessen von Frauen nicht un-
        ter den Tisch fallen.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurf eines Gesetzes
        zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
        (5. StUÄndG) (Tagesordnungspunkt 28)
        Dieter Wiefelspütz (SPD): Es gibt im Deutschen
        Bundestag eine breite Übereinstimmung, dass eine No-
        velle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes notwendig ist. Dies
        belegen der Gesetzentwurf der Koalition und die Ände-
        rungsanträge der Opposition.
        Im Bundestag und außerhalb des Bundestags existiert
        ein breiter Konsens, dass § 14 StUG gestrichen werden
        sollte. Wir wollen nicht dazu beitragen, dass auch nur
        Teile der Stasi-Akten unwiderruflich zerstört werden. Es
        ist vielmehr unser gemeinsames Ziel, die Stasi-Akten zu
        vervollständigen. Denken Sie an die Rosenholz-CDs, an
        die Wiederherstellung vorvernichteter Akten und der Ein-
        gliederung vagabundierender Aktenteile in den Bestand
        der Birthler-Behörde.
        Umstritten ist hingegen, ob und vor allem in welchem
        Umfang die Stasi-Akten von Personen der Zeitgeschichte
        der Öffentlichkeit zugänglich sein können. Ja, über diese
        Fragen darf man, muss man intensiv ringen, wenn nötig
        auch streiten. Davon zeugen zwei öffentliche Anhörungen
        vor dem Innenausschuss und eine intensive, dem Gegen-
        stand angemessene Beratung vorgestern im Innenaus-
        schuss des Bundestages.
        Ich bin der festen Überzeugung, dass das Urteil des
        Bundesverwaltungsgerichts in Sachen unseres Kollegen
        Dr. Kohl nicht das letzte Wort sein kann. Ich betone: Das
        Urteil kritisiere ich nicht; den Kläger kritisiere ich nicht.
        In einem Rechtsstaat darf jeder klagen, ohne Ansehen der
        Person. Wenn das Bundesverwaltungsgericht allerdings das
        StUG so versteht, dass die gesamte Stasi-Akte einer Person
        der Zeitgeschichte ohne Zustimmung des Betroffenen ge-
        schlossen bleibt, dann muss nach meiner Überzeugung
        der Wortlaut des StUG geändert werden. Andernfalls wür-
        den die Intentionen, die mit dem Gesetz von Anfang an
        verfolgt werden, auf den Kopf gestellt. Ja, Opferschutz
        hat Vorrang. Menschen dürfen nicht instrumentalisiert
        werden. Die Stasi darf nicht mehr als zehn Jahre nach
        ihrem Untergang erneut Menschen zu Opfern machen.
        Dazu dürfte der Bundestag niemals seine Hand reichen.
        Der Opferschutz darf und muss äußerstenfalls so weit rei-
        chen, wie die Person der Zeitgeschichte Opfer gewesen
        ist. Da, wo Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht er-
        kennbar sind, wo jemand nicht Opfer ist, kann und muss
        die Akte öffentlich zugänglich sein.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24947
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Die nicht immer einfache Abgrenzung wird nach der
        neuen Fassung des § 32 StUG durch eine Abwägung vor-
        genommen. Danach wird in Zukunft die Akte einer Person
        der Zeitgeschichte auch ohne ihre Zustimmung so weit öf-
        fentlich zugänglich sein, soweit überwiegende schutzwür-
        dige Interessen dieser Person nicht beeinträchtigt werden.
        Bei der Abwägung der schutzwürdigen Interessen sind
        insbesondere Inhalt und Art der Informationserhebung
        von Bedeutung. Personenbezogene Informationen, die
        von der Stasi erkennbar durch Drohung, Folter,
        Lauschangriffe, Bruch des Fernmeldegeheimnisses oder
        ähnliche schwere Rechtsverletzungen erhoben wurden,
        dürfen nur mit Zustimmung des Betroffenen der Öffent-
        lichkeit zugänglich gemacht werden. Wir haben darüber
        eindringlich im Innenausschuss gesprochen. Ich verweise
        auf meine Ausführungen dort. Die Interessenlage der Per-
        son der Zeitgeschichte muss umfassend gewürdigt wer-
        den. Dem dient das Verfahren nach § 32 a StUG. Dieser
        „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ ist längst Praxis der
        Birthler-Behörde. Er erhält jetzt eine gesetzliche Grund-
        lage.
        Sylvia Bonitz (CDU/CSU):Die heute anstehende Än-
        derung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bringt mich per-
        sönlich in einen Zwiespalt: Zum einen halte ich die Auf-
        arbeitung der SED-Diktatur und des Unrechtsregimes der
        DDR für eine historisch bedeutsame Pflicht. Denn allzu
        schnell hat sich der Mantel des Vergessens oder gar des
        Beschönigens und Verklärens über dieses dunkle Kapitel
        deutscher Geschichte gelegt. Auch endet der Geschichts-
        unterricht allzu häufig mit der Darstellung von National-
        sozialismus und Zweitem Weltkrieg. Die menschen-
        verachtende und entwürdigende Behandlung der
        Bürgerinnen und Bürger im SED-dominierten „Schnüf-
        fel-Staat“ DDR wird mitunter leider gar nicht oder nur am
        Rande behandelt.
        Insofern habe ich ein elementares Interesse daran; dass
        die Stasi-Unterlagen soweit, wie es nur irgend möglich ist,
        für Wissenschaft und Forschung geöffnet bleiben. Dieses
        gilt umso mehr, als zahlreiche Dokumente, die die Ma-
        chenschaften und Täterstrukturen der Stasi belegen könn-
        ten, immer noch nicht rekonstruiert und ausgewertet wor-
        den sind.
        Zum anderen bin ich in besonderer Weise den Opfern
        der Stasi verpflichtet, die – ganz gleich, ob in Ost oder
        West – als Objekt staatlicher Schnüffelei und Repressa-
        lien missbraucht und entehrt wurden. Würden Informa-
        tionen, die durch die Stasi in grundrechtswidriger Weise
        gewonnen wurden, gegen den ausdrücklichen Willen der
        Opfer herausgegeben werden, so wäre dies ihre erneute,
        diesmal öffentliche Vergewaltigung. Als Abgeordnete
        eines demokratischen Rechtsstaates will ich bei einem
        solchen Tun nicht zum Handlanger werden.
        Dies gilt auch für die Behandlung von Personen der
        Zeitgeschichte. Gewiss, diese müssen sich schon auf-
        grund des geltenden Presserechtes einige Einschränkun-
        gen ihrer Rechte gefallen lassen. Aber auch sie dürfen
        nicht völlig schutzlos gestellt werden, wenn es um die
        Preisgabe von Informationen geht, die mit rechtswidrigen
        Methoden gewonnen wurden.
        Ich bin mir bei meiner heutigen Entscheidung
        schmerzlich bewusst, dass aus dem Gedanken des Opfer-
        schutzes heraus Restriktionen erforderlich sind, die leider
        auch einen Personenkreis begünstigen, der am schamlo-
        sesten von unserem Rechtsstaat profitiert: Es sind dieje-
        nigen, die bislang als Täter noch unentdeckt geblieben
        sind und bei denen der Nachweis ihrer Täterschaft erst
        durch eine noch ausstehende umfangreiche wissenschaft-
        liche Forschung erbracht werden kann.
        Gerade diese Denunzianten und Schmarotzer des
        DDR-Unrechtsregimes könnten sich bis zum Beweis des
        Gegenteils als vermeintliche Opfer tarnen und darauf hof-
        fen, dass ihre Täterschaft aufgrund eingeschränkter wis-
        senschaftlicher Recherchemöglichkeiten für immer uner-
        kannt bleibt. Das wäre in der Tat bitter, gerade auch aus
        der Sicht ihrer Opfer, die vielfach heute noch unter einem
        schlimmen persönlichen Leidensdruck stehen.
        Gerade dieser Respekt vor den Opfern ist es jedoch, der
        mich persönlich zwingt, den Opferschutz stärker zu ge-
        wichten und die bislang unerkannten Täter der Stasi einer
        anderen, einer höheren Gerechtigkeit zu überantworten.
        Würde ich dem Gesetzentwurf von SPD und Grünen zu-
        stimmen, so würden die Herren Honecker und Mielke
        sowie ihre skrupellosen Schergen heute erneut über ihre
        Opfer und über unseren Rechtsstaat triumphieren. Aus
        diesem Grunde werde ich dem Gesetzentwurf von Rot-
        Grün meine Zustimmung verweigern.
        Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU): Zehn Jahre
        nach seiner Verabschiedung steht das Stasi-Unterlagen-
        Gesetz vor seiner wohl größten Belastungsprobe. Die
        Aufgeregtheit dieser Tage über die Auswirkungen eines
        Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes zur Verwendung
        von Stasi-Unterlagen für Forschung und Medien, droht
        die großartige Akzeptanz des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
        in den Hintergrund zu drängen.
        Dabei sind die Verursacher der manchmal etwas schie-
        fen Diskussion politisch sehr breit gestreut. Da wird von
        dem einen ein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit
        dem politischen Erbe der DDR gefordert. Es wird sugge-
        riert, dass „der im Osten Aufgewachsene im Zweifel an-
        hand der Stasi-Akten belegen muss, dass er kein Täter
        war, während der geborene Westdeutsche diesbezüglich
        nur Opfer war“.
        Andere nahmen diesen politischen Ball gern auf und
        begrüßten die Äußerungen: „Das ist ja fast wortwörtlich
        so, wie ich das schon vor Jahren gesagt habe. Man kann
        die Schatten der DDR Vergangenheit nicht auf das MfS
        und seine Akten reduzieren. Da kommt man schon ins
        Staunen.“ zitiere ich einen Kommentar von PDS-Frakti-
        onschef Roland Claus. Er kommentierte übrigens eine
        Äußerung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom
        11. März dieses Jahres gegenüber der „Leipziger Volks-
        zeitung“. Kein Wunder, dass zusätzlich auch die PDS
        Bundesvorsitzende Gabi Zimmer die Äußerung des Bun-
        deskanzlers ausdrücklich begrüßte.
        Ein weiterer analysierte: „Die Zeit der Regelanfrage
        bei der Behörde ist vorbei. In Zukunft sollten Überprü-
        fungen nur noch im konkreten Verdachtsfalle erfolgen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224948
        (C)
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        (A)
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        oder bei besonders herausgehobenen Funktionen.“ Diese
        Analyse provozierte gleich einen ganzen Sturm von Re-
        aktionen.
        Der Kollege Schulz von den Grünen meinte hierzu, der
        Analyst sei „ahnungslos“. Man könne nicht pauschal sa-
        gen, dass Stasi-Informanten zwangsläufig wegen ihrer
        veröffentlichten Akten im wiedervereinigten Deutschland
        gestrauchelt seien. Im Bundestag würden beispielsweise
        etliche IMs sitzen, welche demokratisch gewählt seien.
        Das Bürgerkomitee Leipzig betonte, mit dieser Äuße-
        rung reihe sich der Autor, nämlich kein geringerer als un-
        ser Kollege Wolfgang Thierse, in den Kreis der Schluss-
        strich-Protagonisten ein. Ich zitiere weiter: „Wenn der
        Bundestagspräsident eine solche Schlussfolgerung aus
        dem Urteil zieht, dann hat er es entweder nicht verstanden
        oder nutzt es bewusst, um Polemik zu verbreiten.“
        Diese Diskussion könnte ich noch um viele Seiten Zi-
        tate von halbrichtigen, halbfalschen, richtigen und
        falschen Informationen aus vielen politischen Richtungen
        erweitern. Die Art der Diskussion hat auch zur absoluten
        Verwirrung der Öffentlichkeit geführt.
        Ich kann hier nur zu Besonnenheit und Augenmaß und
        zu einer realistischen Beurteilung der tatsächlichen Fak-
        ten raten: Wirklich betroffen von dem Urteil sind etwa
        80 Prozent der 1 700 vorliegenden Anträge von For-
        schung und Medien.
        Alle anderen Teile der Arbeit der Stasi-Unterlagen-
        Behörde werden durch die Urteile überhaupt nicht tan-
        giert. So kann das Herzstück des Gesetzes, die Aktenein-
        sicht für die ehemals bespitzelten Bürger, genauso
        weitergehen wie bisher. Auch die Informationen der
        Behörde an öffentliche und nicht öffentliche Stellen für
        die vielfältigen im Gesetz genannten Verwendungs-
        zwecke werden wie bisher fortgeführt. Fragen der Reha-
        bilitierung, rentenrechtliche Probleme, Informationen an
        Strafverfolgungsbehörden über Straftaten und Verbre-
        chen, die im Zusammenhang mit dem SED-Regime be-
        gangen worden sind, werden ungeschmälert fortgeführt.
        Soweit es noch einen Bedarf für eine Überprüfung auf
        eine frühere Stasi-Mitarbeit gibt, kann auch diese weiter-
        geführt werden. Ob diese Überprüfung allerdings tatsäch-
        lich vorgenommen wird, richtet sich allein danach, ob die
        anfragende Stelle dies wünscht.
        Ein Zusammenhang mit den Urteilen und einem Ende
        der Überprüfungspraxis, wie vom Bundeskanzler und
        vom Bundestagspräsidenten hergestellt, gibt es jedenfalls
        überhaupt nicht. Die Überprüfungsmöglichkeit auf eine
        MfS-Mitarbeit besteht nur noch bis zum 20. Dezember
        2006. Danach darf eine Stasi-Mitarbeit nicht mehr vorge-
        halten werden.
        Der deutsche Bundestag wäre gut beraten, mit Blick
        auf dieses Datum, etwa in der Mitte der nächsten Legisla-
        turperiode, endgültige Regelungen für die Endlagerung
        des Stasiaktenbestandes zu treffen.
        Aktuellen Regelungsbedarf haben wir aber jetzt in je-
        dem Fall zum § 14 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Wenn
        nichts geschieht, tritt am 31. Dezember 2002 die Vernich-
        tung oder Schwärzung von Originalunterlagen in Kraft.
        Für die Entscheidungsfindung meiner Fraktion war die
        Einschätzung der Sachverständigen und der Opferver-
        bände bei der Anhörung des Innenausschusses sehr wich-
        tig. Das Fazit ist: Wir können den § 14 ersatzlos streichen,
        ohne dass der Opferschutz darunter leidet. Der Innenaus-
        schuss hat diese Streichung deshalb auch einstimmig
        empfohlen.
        Ich finde es richtig und gut, dass durch das Urteil der
        Persönlichkeitsschutz der Bespitzelten und Abgehörten
        verstärkt wird, auch wenn diese Bespitzelten Politiker,
        Amtsträger oder Personen der Zeitgeschichte sind.
        In der Urteilsbegründung wird die Entstehungsge-
        schichte des Stasi-Unterlagen-Gesetzes herangezogen.
        Vollkommen korrekt wird dargestellt, dass Politiker und
        Personen der Zeitgeschichte, wenn sie Betroffene oder
        Dritte sind, keineswegs weniger geschützt werden dürfen
        als sonstige Betroffene. Damit ist die auch von mir seit
        langem vertretene Interpretation von den Verwaltungsge-
        richten als korrekt anerkannt worden.
        Keinesfalls dürfen die Grundsätze der Entscheidungen
        der Verwaltungsgerichte durch neue gesetzliche Bestim-
        mungen in ihr Gegenteil verkehrt werden. Das klare Pri-
        mat des Opferschutzes darf nicht relativiert werden. Die-
        ser Anforderung wird der rot-grüne Gesetzentwurf nicht
        gerecht. In der Anhörung am Montag sind sogar „massive
        verfassungsrechtliche Bedenken“ vorgetragen worden.
        Der Gesetzentwurf stelle Opfer und Täter gleich und
        verletze den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Per-
        sönlichkeitsschutz.
        Jochen Gauck hatte uns in der Anhörung noch einmal
        eindringlich gemahnt, den fraktionsübergreifenden Kon-
        sens nicht leichtfertig auf dem Altar des Wahlkampfes zu
        opfern. Recht hat er. Dies ist auch der Grund, warum ich
        bis zur letzten Minute versucht habe, jede Chance zu nut-
        zen, um doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung zu
        kommen. Wir haben uns deshalb auch für die Beratungen
        im Innenausschuss einen Formulierungsvorschlag des
        Bundesdatenschutzbeauftragten zu Eigen gemacht und
        zur Abstimmung gestellt.
        Aber nichts hat geholfen. Das von SPD und Grünen
        einst mit Stolz verkündete „Grundrecht auf informatio-
        nelle Selbstbestimmung“ wird jetzt offensichtlich als
        nicht mehr so wichtig angesehen.
        Wir wollen eine Regelung, welche die Verwendung
        von sämtlichen offenkundigen Informationen auch von
        Personen der Zeitgeschichte, Politikern und Amtsträgern
        für Aufarbeitung und Medien ermöglicht. Ebenso sollen
        die Unterlagen genutzt werden, die keine personenbezo-
        genen Informationen enthalten.
        Wir stimmen auch der Einführung eines neuen § 32 a
        zu, der eine Information des Betroffenen über die heraus-
        zugebenden Unterlagen vorsieht. Im Gegensatz zur rot-
        grünen Koalition wollen wir allerdings dem Betroffenen
        hierbei das Recht der letzten Entscheidung geben. Sollte
        der Betroffene nicht von der Behörde überzeugt werden,
        dass er einer Herausgabe an Medien oder für die For-
        schung in Gänze oder in Teilen zustimmt, hat er in jedem
        Fall das letzte Wort.
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        Zur besonders sensiblen Frage, ob wir nicht verhindern
        können, dass sich Hilde Benjamin und andere prominente
        Systemträger der DDR als juristische Trittbrettfahrer
        betätigen können, hatte Dr. Jacob eine verfassungsfeste
        Lösung vorgeschlagen.
        Durch diese Lösung wäre die Nutzung von Unterlagen
        von solchen Personen, die das staatliche oder gesell-
        schaftliche Herrschaftssystem der DDR in herausgehobe-
        ner Position aktiv mitgetragen oder unterstützt haben, er-
        möglicht worden. Zu diesem sinnvollen Vorschlag ist
        sofort ein immer noch wirksames Totschlagargument ak-
        tiviert worden: Damit würde eine neue Ost-West-Tren-
        nung vorgenommen werden.
        Auf eine entsprechende Frage des Kollegen Özdemir
        war es wieder Joachim Gauck, der uns in der Anhörung
        ins Stammbuch schrieb: „Es würde jedoch einen Fort-
        schritt bringen, Herr Özdemir, wenn diese Funktionsträ-
        ger eines nicht demokratischen Systems als eine extra
        Personengruppe qualifiziert würden. Es ist ja nicht so,
        dass wir diese Qualifizierung nachträglich schaffen, son-
        dern sie liegt auf der Hand.
        Es ist nicht jeder persönlich, moralisch oder strafrecht-
        lich belastet; aber alle sind strukturell belastet, weil sie ein
        gegen die Normen des Rechtsstaates gerichtetes System
        auch gegen die Interessen ihrer eigenen Staatsinsassen an-
        gewendet haben. Das macht sie zu Personen, die einen an-
        deren politischen Charakter als die Funktionsträger des
        Rechtsstaates haben.“
        Im Übrigen ist hier jede Menge Heuchelei im Spiel:
        Das Stasi-Unterlagen-Gesetz wimmelt von faktischen
        Ost-West-Unterscheidungen. Eine Reihe von Personen-
        gruppen gab es nur in der DDR und nicht in der Bundes-
        republik Deutschland. Ich nenne hier nur beispielhaft:
        Hauptamtliche MfS-Mitarbeiter, Mitglieder der K 1 oder
        Begünstigte, die von der Stasi erhebliche berufliche Vor-
        teile erhalten hatten. Ausgerechnet in dieser wichtigen
        Frage die Ost-West-Karte auszuspielen, ist der billige Ver-
        such, Vorurteile zu schüren.
        Bei aller politischen Kontroverse sollten wir den Be-
        reich, in dem wir einig sind, auch separat abstimmen. Ich
        beantrage hiermit formell die gesonderte Abstimmung
        über eine Streichung des § 14. Trotz der Rückschläge in
        diesen Tagen wollen wir uns weiterhin um eine Zusam-
        menarbeit im Rahmen der Koalition der Vernunft
        bemühen. Die große Akzeptanz des StUG ist vor allem er-
        reicht worden, weil es in der Vergangenheit zu Problem-
        bereichen eben keinen kleinkarierten parteipolitischen
        Streit gab. Wir sind zu einer Erneuerung der Zusammen-
        arbeit bereit.
        Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        nunmehr zustande gekommene Gesetzentwurf der Koali-
        tion ist auch nach der Verständigung mit der FDP abge-
        wogen und für alle Beteiligten akzeptabel. Er greift viele
        Vorschläge und Überlegungen der Anhörung des Innen-
        ausschusses des Bundestags vom April auf und setzt diese
        um. Er beseitigt die Missverständlichkeit der Formulie-
        rung in § 32 StUG, die uns die Urteile des Verwaltungs-
        gerichts Berlin und des Bundesverwaltungsgerichts im
        Fall Kohl eingebrockt haben.
        Der Koalitionsentwurf sieht eine Änderung des § 32
        StUG selbst und die Einfügung eines neuen § 32 a StUG
        vor. Dieser von uns im Parlament eingebrachte Gesetz-
        entwurf, Bundestagsdrucksache 14/19290, stellt für die
        Zukunft die Herausgabe von personenbezogenen Infor-
        mationen über Personen der Zeitgeschichte und Inhabern
        politischer Funktionen sicher. Wir greifen die Richtlinie
        der Behörde der Bundesbeauftragten auf und schreiben
        faktisch deren Wesensgehalt im Gesetz fest. Ich weiß,
        dass diese Richtlinie vonseiten der Aufarbeitungsinitiati-
        ven durchaus auch kritisch gesehen wird, weil sie die Ak-
        teneinsicht für die Antragsteller schwieriger und langwie-
        riger macht. Nach dem Stand der Rechtsprechung und
        nach dem Stand der politischen Debatte ist diese Richtli-
        nie aber unumgänglich, um die Zweckbindung bei der
        Herausgabe zu präzisieren und den Betroffenen durch In-
        formation besser einzubinden.
        Scheitert das Gesetz in dieser Legislaturperiode an der
        Verzögerungstaktik der Union in Bundestag und Bundes-
        rat, würden auch weiterhin die Inhaber politischer Funk-
        tionen und Amtsträger in jedem Falle selbst darüber ent-
        scheiden können, welche Informationen über ihre
        amtliche Tätigkeit in den Prozess der wissenschaftlichen
        oder publizistischen Aufbereitung der Stasi-Tätigkeit
        fließen und welche nicht. Ein Bürgermeister oder ein
        Schulleiter oder ein Richter können im Schlepptau des
        Urteils zu Helmut Kohl die Weitergabe sperren. Dies kann
        und darf nicht geschehen.
        Für die Wissenschaft wäre eine Fortdauer der durch die
        Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hervorge-
        rufenen Sperre des Zugangs eine erhebliche Blockade.
        Faktisch wären wichtige Bereiche der Geschichte so sehr
        geschwärzt, dass die Arbeitsweise der Stasi nicht mehr
        nachvollziehbar wäre. Beispiel: Maßnahmebefehle, um
        die Stimmung in bestimmten Personengruppen in Erfah-
        rung zu bringen. Wie soll der Aufarbeitungsprozess funk-
        tionieren, wenn alle genannten Personen und ihre Funk-
        tion nicht mehr kenntlich sein dürfen?
        Der Gesetzentwurf regelt neben dem § 32 StUG noch
        einen weiteren wichtigen Bereich, die Aufhebung des An-
        spruchs auf Anonymisierung der Akten in § 14 des Geset-
        zes. Auch hier warnen uns Archivare und Wissenschaftler
        mit Nachdruck, Akten zu schwärzen und damit zu ver-
        nichten, weil sie personenbezogene Informationen ent-
        halten. Als dieser Anspruch mit einer Frist ins Gesetz ge-
        schrieben wurde, konnte niemand ahnen, dass auch nach
        zehn Jahren längst nicht alle Unterlagen aufgearbeitet
        wurden. Würde die Anonymisierung zum Jahresende
        Pflicht werden, wäre die Einsicht von Betroffenen in ihre
        Akten behindert, weil Daten Dritter in diesen Akten ge-
        schwärzt werden müssten. Eine Verschleppung der Ge-
        setzesänderung an dieser Stelle wäre verheerend.
        Ich möchte noch einmal auch im Namen der Opferver-
        bände an die Union und an die Bundesländer appellieren,
        den Weg für die Rückkehr in die Koalition der Vernunft
        offen zu halten. Die mahnende Stimme der Initiativen und
        der Verbände der Opfer des SED-Regimes sollten ihre
        Wirkung nicht verfehlen.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224950
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        Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): Wir stimmen
        der Streichung des § 14 StUG ohne Wenn und Aber zu und
        sind auch bei der vorgeschlagenen Verfahrensregelung in
        § 32 a StUG durchaus konsensbereit. Hinsichtlich des
        § 32 hatten die Sachverständigen der Koalition ins
        Stammbuch geschrieben, dass die gewählte Form erheb-
        liche verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken
        aufwerfe. Der ursprüngliche Entwurf war daher mit den
        Liberalen nicht zu machen. Für uns hat der Opferschutz
        Priorität. Deshalb hatten wir einen auf die Sicherung des
        Opferschutzes abstellenden Änderungsantrag vorgelegt.
        Nun haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen je-
        doch in Richtung dieses FDP-Vorschlags bewegt. Wir hal-
        ten gerade in Sachen Stasi-Unterlagen einen fraktions-
        übergreifenden Konsens der Demokraten nach wie vor für
        notwendig. Nur so erlangt die Änderung des Stasi-Unter-
        lagen-Gesetzes die Autorität, die für eine gesamtgesell-
        schaftliche Akzeptanz der Novellierung unerlässlich ist.
        Deshalb haben wir uns mit der Regierungskoalition auf
        eine Neuformulierung des § 32 StUG geeinigt, die Opfer-
        schutzrechte weitestgehend berücksichtigt.
        Die Birthler-Behörde muss zukünftig bei ihrer Ent-
        scheidung über die Herausgabe von Akten exakt zwischen
        den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen und dem
        Informationsrecht der Öffentlichkeit abwägen. Bei der
        Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die In-
        formationserhebung erkennbar auf einer Menschen-
        rechtsverletzung beruht. Von besonderer Bedeutung sind
        dabei Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmelde-
        geheimnis, in die Unverletzlichkeit der Wohnung oder in
        das Berufsgeheimnis.
        Wird die Verletzung von Menschenrechten im Rahmen
        der Abwägung festgestellt, hindert dies die Aktenheraus-
        gabe. Von der Herausgabe per se ausgeschlossen sind In-
        formationen, die unter der Anwendung von Folter erlangt
        worden sind. Aus Sicht der Liberalen sind damit die Op-
        ferrechte hinreichend berücksichtigt und – im Vergleich
        zum bisherigen Vorschlag von Rot-Grün – weitgehend ge-
        stärkt worden.
        Petra Pau (PDS): Die PDS wird sich bei der Abstim-
        mung über diesen Gesetzentwurf der Stimme enthalten.
        Der Gesetzentwurf greift zwar wichtige Forderungen auf,
        die im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundes-
        verwaltungsgerichts über die Klage von Helmut Kohl ge-
        gen die Herausgabe ihn betreffender Stasi-Akten erhoben
        worden sind. Insbesondere werden in ihm Anregungen
        umgesetzt, die von mehreren Sachverständigen auf An-
        hörungen des Bundestags-Innenausschusses zu diesem
        Thema vorgebracht wurden. Gleichwohl trägt der Gesetz-
        entwurf nicht in ausreichendem Maße den schwerwie-
        genden datenschutz- und verfassungsrechtlichen Beden-
        ken Rechnung, die mehrere Sachverständige in der
        Diskussion erhoben haben.
        Die PDS verkennt nicht den Novellierungsbedarf. Sie
        betont ihn sogar ausdrücklich. Aber jetzt wird wieder von
        der Regierungskoalition ein Gesetzentwurf durch die
        Gremien gejagt, ohne dass man sich Zeit genommen
        hätte, saubere und tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir
        werden in der 15. Legislaturperiode deshalb erneut über
        den Problemkomplex Stasi-Unterlagen beraten müssen.
        Dabei kommt es der PDS auf folgende Gesichtspunkte,
        die wir auch in einem Entschließungsantrag hervorgeho-
        ben haben, ganz besonders an: Das Änderungsgesetz kann
        nur den Einstieg in eine weitere Novellierung des StUG
        mit dem Ziel seiner schrittweisen Überführung in die Ar-
        chivgesetzgebung darstellen. Opfern der Ausspähung
        durch das MfS muss weiterhin ein uneingeschränktes
        Recht auf Einsicht in ihre Akten zugesichert werden. Per-
        sonenbezogene Informationen, die die Privatsphäre be-
        treffen, müssen in jedem Fall – unabhängig davon, wel-
        che Fallgruppe nach dem StUG betroffen ist – für die
        Öffentlichkeit unzugänglich sein.
        Die PDS schließt sich den Bedenken des Bundesbe-
        auftragten für den Datenschutz an, wonach ein derart
        schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf informa-
        tionelle Selbstbestimmung, wie ihn die Herausgabe von
        Akten auch gegen den Willen der betroffenen Personen
        darstellt, „besonders problematisch“ erscheint, weil er
        fast zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung kaum noch
        mit der Zweckbestimmung „Forschung zum Zwecke der
        politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit
        des Staatssicherheitsdienstes sowie für die Zwecke der
        politischen Bildung“ begründet werden kann. Viele Un-
        terlagen werden gerade von Journalisten nur genutzt, weil
        sie bestimmte Personen betreffen, nicht aber um die Ar-
        beit der Stasi aufzuarbeiten.
        Ziel der weiteren Novellierungen muss es sein, die Er-
        forschung der Funktionsweisen und Tätigkeiten von Ge-
        heimdiensten möglich zu machen. Für ein vollständiges
        Bild sowohl der DDR-Geschichte als auch der deutsch-
        deutschen Beziehungen sind die „Gegenstücke“ zu den
        Stasi-Unterlagen in den Akten der westdeutschen Ge-
        heimdienste unverzichtbar. Vor diesem Hintergrund kriti-
        siert die PDS, dass die Regierungskoalition ihr Verspre-
        chen, ein Informationsfreiheitsgesetz vorzulegen, nicht
        eingehalten hat. Diese Punkte in unserem Ent-
        schließungsantrag sind wichtige Elemente für die not-
        wendige weitere Diskussion über den Umgang mit den
        Stasi-Unterlagen. Deshalb bitte ich Sie hierfür um Ihre
        Zustimmung.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zurBeratung des Antrags: Rechtssicherheit fürdie
        bewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte schaf-
        fen – ein Gesetz zur Mitwirkung des Deutschen
        Bundestages bei Auslandseinsätzen der Bundes-
        wehr einbringen (Tagesordnungspunkt 29)
        Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Seit ihrem Beste-
        hen hat sich die Bundeswehr an weit mehr als 130 Hilfs-
        aktionen in über 50 Ländern der Welt beteiligt. Im März
        2002 beteiligten sich unsere Streitkräfte an Einsätzen auf
        vier Kontinenten: im Rahmen der internationalen Frie-
        denstruppen SFOR in Bosnien-Herzegowina sowie
        KFOR im Kosovo, die Taskforce FOX in Mazedonien,
        durch die Mission „Enduring Freedom“ in Afghanistan,
        am Horn von Afrika, Kuwait und Usbekistan, im Rahmen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24951
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        der International Security Assistance Force (ISAF) in der
        afghanischen Hauptstadt Kabul sowie der UN-Mission in
        Georgien (UNOMIG). Zudem waren deutsche Soldaten
        an der Luftraumüberwachung in den USA beteiligt.
        Bis heute waren über 80 000 deutsche Soldaten im
        Ausland im Einsatz!
        Am lebendigsten in Erinnerung dürfte uns allen die Ab-
        stimmung über den Einsatz deutscher Soldaten in Afgha-
        nistan sein: zum einen deshalb, weil er bedauerlicher-
        weise mit der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers
        verknüpft war; zum anderen aber, weil hier besonders
        deutlich wurde, dass der Bundestag nicht nur Verantwor-
        tung für die Soldaten trägt, die er ins Ausland schickt, son-
        dern auch Verantwortung für das Renommee der Bundes-
        republik im Ausland.
        An dieser Entscheidung, die sich viele Parlamentarier
        nicht ohne Grund so schwer gemacht haben und die das
        gespaltene Verhältnis von Rot-Grün zu einer verlässlichen
        Sicherheitspolitik gezeigt hat, wurde deutlich, worin das
        Problem von Auslandseinsätzen der Bundeswehr liegt: Es
        geht um die verfassungspolititsche Balance von Regie-
        rung und Parlament und zugleich um die außenpolitische
        Handlungsfähigkeit Deutschlands.
        Wie ist die Situation zurzeit? Die Außenpolitik ist vor-
        rangig Angelegenheit der Regierung. Sie muss es auch
        sein. Das bedeutet nicht, dass das Parlament keinen Ein-
        fluss auf außenpolitische Grundsatzentscheidungen hat.
        Doch die Entscheidungsbefugnis liegt in erster Linie bei
        der Regierung. Zur so genannten operativen Außenpolitik
        gehört auch der Einsatz von Streitkräften. Da dieser, was
        die Bundeswehr betrifft, ausschließlich im Rahmen von
        Bündnissen erfolgt, ist die Entscheidung über ihn bereits
        das Ergebnis eines komplizierten Abstimmungsprozesses
        innerhalb dieser Bündnisse. Beteiligt an diesem Abstim-
        mungsprozess ist aber ausschließlich die Regierung.
        Auch künftig werden Kriseneinsätze der Bundeswehr
        ausschließlich im Rahmen der Vereinten Nationen, der
        OSZE, der NATO stattfinden; die EU und so genannte Ad-
        hoc-Koalitionen, wie sie beispielweise nach dem 11. Sep-
        tember gebildet wurden, nicht zu vergessen.
        Klar ist, dass die Bundesregierung in diesen Gremien
        ihre Zustimmung zur Beteiligung deutscher Truppen nur
        unter der Bedingung erklärt, dass der Bundestag sie
        nachträglich billigt. Dieser ist damit in der Zwickmühle,
        entweder zuzustimmen oder aber durch eine Ablehnung
        das Ansehen der Bundesregierung und der Bundesrepu-
        blik im Ausland zu beschädigen.
        Durch die geplanten Krisenkräfte der EU wird diese
        Zwickmühle noch verschärft, da die Krisenkräfte und ihre
        Einsatzfähigkeit ein wesentlicher Teil der für die Weiter-
        entwicklung der politischen Integration unerlässlichen
        Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sein wer-
        den. Das Fehlen deutscher Truppen bei einer militärischen
        oder polizeilichen Maßnahme der EU wäre politisch
        äußerst problematisch und würde den Einsatz bewusst
        multinationaler Verbände unmöglich machen oder zumin-
        dest erschweren.
        Im Vergleich zum außenpolitischen Schaden, den der
        Bundestag theoretisch anrichten kann, sind seine Mög-
        lichkeiten, über einen Einsatz der Bundeswehr und die
        Modalitäten eines solchen Einsatzes zu entscheiden, eher
        gering.
        Das Initiativrecht für einen Bundeswehreinsatz steht
        nur der Bundesregierung zu. Sie hat über die Modalitäten,
        den Umfang und die Dauer eines Einsatzes, die notwen-
        dige Koordination in und mit Organen internationaler
        Organisationen zu entscheiden. Der Jurist würde sagen,
        der Bundesregierung obliegt die Entscheidung über die
        essentialia negotii eines solchen Einsatzes.
        Hinzu kommt, dass der Bundestag mit seinen Ent-
        scheidungen über Auslandseinsätze oft zu spät kommt.
        Dies wurde besonders deutlich beim Einsatz „Essential
        Harvest“. Als der Bundestag endlich zugestimmt hatte
        und die Bundeswehr am Einsatzort angekommen war, war
        der Großteil der Waffen bereits eingesammelt.
        In seiner Entscheidung vom 12. Juli 1994 hat das Bun-
        desverfassungsgericht eine weitere Einschränkung ge-
        macht. Die verfassungsrechtlich gebotene Mitwirkung
        des Bundestages bei Entscheidungen über den Einsatz be-
        waffneter Streitkräfte darf nach Auffassung des Bundes-
        verfassungsgerichtes die militärische Wehrfähigkeit und
        die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland
        nicht beeinträchtigen. Das bedeutet, dass es der Bundes-
        regierung obliegt, in welchem Umfang sie das Parlament
        über Art und Ausmaß des Einsatzes informiert.
        Ist aber eine Zustimmung erst einmal erteilt, kann der
        Bundestag nicht über die Rückholung der Soldaten ent-
        scheiden, sondern muss den Ablauf der Einsatzfrist oder
        einen neuen Antrag abwarten.
        In der eben von mir genannten Entscheidung hat das
        Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, ja gera-
        dezu angeregt, dass der Gesetzgeber ein Entsendegesetz
        erlassen kann, in dem er Form und Ausmaß der parla-
        mentarischen Mitwirkung näher ausgestaltet. Über den
        Antrag der FDP-Fraktion, die Bundesregierung zu ver-
        pflichten, ein solches Entsendegesetz zu erlassen, spre-
        chen wir heute.
        Mit diesem Antrag hat die FDP eine Forderung aufge-
        griffen, die aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion heraus
        bereits seit langem erhoben wurde. Ich erinnere in diesem
        Zusammenhang insbesondere an Wolfgang Schäuble, der,
        als er erstmals nach einem Entsendegesetz verlangte,
        noch massiv vom Regierungslager kritisiert wurde. In-
        zwischen hat zumindest die SPD, wie so oft in letzter Zeit
        und seitdem die Wahlen näher rücken, ihre Meinung
        geändert.
        Kritiker eines Entsendegesetzes, zum Beispiel die PDS
        auf ihrer Fraktions-Homepage, behaupten, dass der Bun-
        destag durch ein „Entsendegesetz“ seine Entmachtung be-
        schließen solle. Dies ist nicht der Fall.
        Auch der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz, den
        ich in einer Veröffentlichung las, ist mehr als an den Haa-
        ren herbeigezogen. Es geht nicht darum, dass sich das Par-
        lament seiner Verantwortung entzieht und die Regierung
        ermächtigt, künftig allein über Einsätze abzustimmen.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224952
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        Kritiker eines deutschen Entsendegesetzes weisen da-
        rauf hin, dass selbst in den Vereinigten Staaten der Kon-
        gress über Kriegseinsätze entscheiden müsse. Was er
        nicht erwähnt, ist, dass der Präsident der Vereinigten Staa-
        ten die Entscheidung über einen solchen Einsatz zunächst
        trifft und anschließend den Kongress binnen 48 Stunden
        über den Einsatz der Truppen unterrichten muss. Nur
        wenn das Parlament die Operation nicht genehmigt, hat er
        sie nach 60 Tagen zurückzuholen.
        Die Vereinigten Staaten haben damit das gefunden, an
        dem auch wir uns ausrichten könnten: einen vernünftigen
        Ausgleich zu finden zwischen den Rechten des Parla-
        ments und den Aufgaben der Regierung. Die Zustimmung
        des Parlaments soll auch künftig erforderlich sein, aber
        die Formen, wie man solche Entscheidungen trifft und
        wie man die Verantwortung zwischen Regierung und Par-
        lament genau justiert, sollten gründlicher bedacht und ge-
        nau geregelt werden.
        Dies ist in dem Antrag der FDP-Fraktion noch nicht ge-
        schehen und dies ist auch der Grund, warum wir uns bei
        einer Entscheidung über den Antrag enthalten werden.
        Die Linien eines solchen Gesetzes, das einige Tragweite
        für künftige Entscheidungen hat, jetzt, so kurz vor dem
        Ende der Legislaturperiode, übers Knie brechen zu wol-
        len, können wir nicht vertreten. Es bedarf zunächst einer
        profunden und tragfähigen Analyse, die wir in der Zeit
        nach dem 22. September erheben werden.
        Für den Einsatz deutscher Streitkräfte könnte folgen-
        des Verfahren eingeführt werden: Die Bundesregierung
        sollte den Bundestag in Form eines vertraulichen Gremi-
        ums fortlaufend unterrichten. Die politischen und mi-
        litärischen Strukturen müssten darauf überprüft werden,
        ob sie in der Vorbereitung und während Kriseneinsätzen
        jederzeit eine aufgabengerechte Kommunikation mit den
        wichtigsten Partnern zulassen. Darüber hinaus bedürften
        bei Gefahr im Verzug ohne parlamentarische Konsulta-
        tion getroffene Einsatzentscheidungen der baldmöglichen
        nachträglichen Zustimmung des Bundestages. Das Recht
        des Bundestages, Einsatzentscheidungen zu widerrufen,
        müsste gesetzlich geregelt werden.
        Ein solches Verfahren würde besser als das gegenwär-
        tige die von der Verfassung beabsichtigte Balance zwi-
        schen Parlament und Regierung in außenpolitischen Fra-
        gen gewährleisten. Es entspräche der weitgehenden
        Integration der deutschen Streitkräfte im Bündnis und si-
        cherte die außenpolitische Handlungs- und Bündnisfähig-
        keit Deutschlands.
        Dr. Evelyn Kenzler (PDS):Lassen Sie mich für meine
        Fraktion sagen, dass wir dafür sind, den Einsatz der Bun-
        deswehr im Ausland auf eine klare gesetzliche Grundlage
        zu stellen, auch wenn wir den Auftrag der Bundeswehr
        strikt auf die Verteidigung beschränken wollen, wie es das
        Grundgesetz in Art. 87 a vorsieht. Dies nicht zuletzt des-
        wegen, weil das Bundesverfassungsgericht in seinem Ur-
        teil vom 12. Juli 1994 festgestellt hat, dass es Sache des
        Gesetzgebers ist, „die Form und das Ausmaß der parla-
        mentarischen Mitwirkung näher auszugestalten“. Ge-
        nauso deutlich möchte ich aber auch sagen, dass wir ei-
        nem eventuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung
        keinesfalls zustimmen werden, der dem Parlament im
        Entscheidungsprozess eine Nebenrolle zuweist. Die Fest-
        legung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Grund-
        gesetz die Bundesregierung verpflichtet, „für einen Einsatz
        bewaffneter Streitkräfte die – grundsätzlich vorherige –
        konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages
        einzuholen“, darf nicht unterlaufen werden.
        Die Bundeswehr ist ein Parlamentsheer, und bei dieser
        guten bundesrepublikanischen Tradition soll es auch blei-
        ben, solange die Bundeswehr besteht. Es gibt überhaupt
        keinen Grund, daran etwas zu ändern, vor allem keinen si-
        cherheitspolitischen, es sei denn, man möchte das „Mi-
        litärische enttabuisieren“, wie der Herr Bundeskanzler.
        Andere Länder haben ihre Traditionen, wir haben unsere,
        und da braucht man überhaupt keine verschämten Blicke
        über den Zaun nach England oder Amerika zu werfen.
        Wenn es um Aufträge geht, die Leib und Leben der Sol-
        daten bedrohen, wäre es der falsche Weg, der Exekutive
        zu viel Spielraum zu überlassen. Deswegen gilt für uns als
        Richtschnur für ein Gesetz: Es darf in keinem Fall hinter
        die derzeitig praktizierten Verfahren zurückfallen, das die
        Kompetenzen des Bundestages angeht. Das Bundesver-
        fassungsgericht hat im Urteil vom 22. November 2001 zu
        dem von meiner Fraktion angestrengten Organstreit den
        Parlamentsvorbehalt noch einmal ausdrücklich bekräf-
        tigt. Ich bin der Auffassung, dass für Auslandseinsätze
        künftig dieselbe Hürde im Parlament gelten muss, wie bei
        der Feststellung des Verteidigungsfalles nach Art. 115 a
        GG, also zwei Drittel der abgegebenen Stimmen, mindes-
        tens die Mehrheit der Mitglieder des Bundestags und Zu-
        stimmung des Bundesrats.
        Es wird mit uns auch keine Regelungen geben, die
        bündnistechnische Verfahren über die Parlamentsrechte
        stellen. Wir halten das für ein recht eigenartiges Verfas-
        sungsverständnis, um es milde auszudrücken. So etwas
        wäre im Übrigen in keinem anderen NATO-Land auch nur
        denkbar.
        Wenn die Kolleginnen und Kollegen von der FDPglau-
        ben, dieses Parlament würde jemals von einem Rückhol-
        recht Gebrauch machen, kann ich nur sagen: Welche
        Blauäugigkeit angesichts des Verhaltens dieses Hauses in
        den einschlägigen Debatten der letzten vier Jahre, die von
        Vokabeln wie außenpolitische Zuverlässigkeit, Ansehens-
        verlust, Dankbarkeit und uneingeschränkte Solidarität ge-
        prägt waren. Wir würden auch einem Gesetz unsere Zu-
        stimmung verweigern, das Sonderregelungen für Fälle
        vorsieht, in denen vorgeblich Gefahr im Verzuge ist. We-
        der wollen wir neue Geheimgremien, noch ist unser Ver-
        trauen in die Bundesregierung, in jede Bundesregierung,
        groß genug, als dass wir bereit wären, ihr eine „Carte
        Blanche“ zuzugestehen. Nein, die Gewichte in diesem
        Land sind ohnehin bereits zulasten des Parlaments und
        zugunsten der Exekutive verschoben.
        Ein Gesetz, das die Rechte des Parlaments beschneidet,
        wäre ein Verstoß gegen das Grundgesetz und gegen Ur-
        teile des Bundesverfassungsgerichts. An einer solchen
        Produktion von Sargnägeln für den Bundestag beteiligen
        wir uns nicht.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24953
        (C)
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        Anlage 5
        Zu Protokoll gegeben Reden
        zur Beratung
        – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der
        Vorsorge und Rehabilitation von Müttern
        – Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Be-
        treuung und Pflege schwerstkranker Kinder
        (Tagesordnungspunkt 30 a und b)
        Dr. Martin Pfaff (SPD):Bei einzelnen Mitbürgerinnen
        und auch einigen Mitbürgern kann eine Doppelbelastung
        zwischen überlebensnotwendigem Job und zu organisie-
        rendem Kind in bestimmten Konstellationen zu Gesund-
        heitsschäden führen. Vor allem Mütter, die eine Dreifach-
        belastung von Job, Haushalt und Kind zu bewältigen
        haben, sind oft überfordert. Dies ist erst recht der Fall,
        wenn kritische Lebensumstände oder andere psychoso-
        ziale Faktoren zusätzlich zur bestehenden Mehrfachbelas-
        tung auftreten. Wir sollten beachten: Die berufliche Leis-
        tungsfähigkeit dieser Menschen ist gefährdet oder steht
        unserer Gesellschaft im schlimmsten Fall auf Dauer nicht
        mehr zur Verfügung, wenn erstens eine ernsthafte,
        womöglich chronische Erkrankung droht und zweitens
        keine präventive oder bei akutem Fall rehabilitative Maß-
        nahme ergriffen werden kann.
        Notwendig wird in solchen Fällen in der Regel eine
        Kur, die zur Entlastung vor allem der Elternteile zusam-
        men mit dem Kind angetreten wird. Gesundheitspolitisch
        sind solche so genannten Mütter-Kind-Kuren sehr wün-
        schenswert, sowohl im Rahmen einer sinnvollen Präven-
        tion wie auch einer notwendigen Rehabilitation. Natürlich
        in beiden Fällen ausschließlich, wenn sie medizinisch in-
        diziert sind.
        Lassen Sie mich zwei Beispiele skizzieren:
        Frau M., 32 Jahre, verheiratet, Hausfrau, Mutter von
        zwei Kindern im Alter von zehn und zwei Jahren – bei je-
        dem Kind gab es während der Schwangerschaft schwere,
        zum Teil lebensbedrohliche Komplikationen –, ist derzeit
        zum dritten Mal schwanger in der 31. Schwangerschafts-
        woche. Sechs Monate vorher gab es einen Selbstmord-
        versuch der schwer an Depression erkrankten Mutter. Die
        Indikation zu einer Mütterkur ergibt sich aus einem
        schweren physischen und psychischen Erschöpfungszu-
        stand, in dem Frau M. nicht mehr in der Lage ist, die der-
        zeitige Lebenssituation emotional zu bewältigen und den
        Alltagsanforderungen zu entsprechen. Es bestehen ausge-
        prägte innere Unruhe, Nervosität, Schlaflosigkeit, große
        Angst vor einer erneuten Schwangerschaftskomplikation
        und zum Teil erhebliche körperliche Beschwerden mit
        Rückenschmerzen und Kopfschmerzen. Während der
        Mütterkur wird die Therapie spezifisch auf die persönli-
        che Situation der Patientin ausgerichtet. Zur Stabilisie-
        rung der vegetativen Dysfunktion und körperlichen
        Beschwerden werden balneophysikalische Therapiemaß-
        nahmen und Bewegungstherapie mit besonderer Rück-
        sicht auf die Schwangerschaft angewendet. Im Bereich
        der Soziopsychotherapie wird die Patientin unterstützt in
        der Bearbeitung ihrer persönlichen Lebenssituation, be-
        sonders bei der Verarbeitung des Todes ihrer Mutter und
        in der Vorbereitung auf die dritte Geburt. Sowohl im kör-
        perlichen als auch im psychischen Bereich werden kon-
        krete Hilfen und Verhaltensmaßnahmen erarbeitet, die
        Frau M. in ihrem Alltag zu Hause erleichternd umsetzen
        kann. Durch den Abstand von dem belastenden häusli-
        chen Umfeld und den Alltagsverpflichtungen gelingt es
        Frau M., psychisch und physisch wieder zu neuen Kräf-
        ten und innerer Ruhe zu gelangen. Die körperlichen Be-
        schwerden haben sich weitgehend gebessert. Frau M.
        blickt der Zukunft mit Zuversicht entgegen und fühlt sich
        den häuslichen Belastungen und zukünftigen Anforderun-
        gen gewachsen.
        Zweitens. Eine Mutter von zwei Töchtern – acht und
        zwölf Jahre –, verheiratet, leitende Angestellte, erkrankt
        im April 2000 an Gebärmutterhalskrebs. Es erfolgen OP,
        Chemotherapie und Bestrahlungen. Durch Bestrahlungs-
        schäden entsteht in der Folge Nierenstau, es müssen alle
        sechs Wochen Nierenschienen gelegt werden; ein Eier-
        stock, Teile des Magens und der Bauchspeicheldrüse wer-
        den entfernt. Die Patientin hat in eineinhalb Jahren zwölf
        Krankenhausaufenthalte. Onkologische Nachsorgemaß-
        nahmen ohne Kinder lehnt sie ab, um den Kindern nicht
        weitere Trennungen zuzumuten. Bei beiden Kindern ent-
        wickeln sich zunehmend Verlust- und Trennungsängste,
        Schulschwierigkeiten und Schlafstörungen. Besonders
        die ältere Tochter zeigt massive Verhaltensstörungen. Es
        kommen finanzielle Probleme durch den Verdienstausfall
        der Frau hinzu. Dies ist die Ausgangssituation, als die
        Mutter mit beiden Töchtern im Frühjahr 2002 zur Schwer-
        punktkur für krebserkrankte Mütter mit ihren Kindern in
        das „Haus am Kurpark“ kommt. Nach 28 Tagen Kurdauer
        verlassen Mutter und Kinder deutlich gestärkt – körper-
        lich und seelisch – mit neuen Perspektiven, neuem Mut
        und Hoffnung und mit der Unterstützung hier geschlosse-
        ner Kontakte und Freundschaften zu ebenfalls Betroffe-
        nen das Haus. Gemeinsam besprochene Nachsorge-
        empfehlungen werden den Kurerfolg stabilisieren. Die
        verbesserte psychische Befindlichkeit verbessert nach-
        weislich auch Therapie- und Heilungsverlauf bei Krebs-
        erkrankungen.
        Wenn so viel für Mütter-Kind-Kuren spricht, wo liegt
        dann das Problem, das der Lösung durch einen Beschluss
        des Deutschen Bundestages bedarf? Solche so genannten
        Mütter-Kind-Kuren sind Bestandteil des Leistungsspek-
        trums der gesetzlichen Krankenversicherungen. Die der-
        zeitige gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Kranken-
        kassen in ihren Satzungen individuell bestimmen können,
        dass die Kosten für bewilligte Maßnahmen nicht voll,
        sondern nur anteilig übernommen werden. Von dieser
        Möglichkeit machten die Kassen bisher nicht Gebrauch.
        Allerdings gehen jetzt einige Kassen – die AOK Bayern
        mit Vorreiterrolle – dazu über, die Vollfinanzierung durch
        eine nur anteilige Finanzierung von Mütter-Kind-Kuren
        zu ersetzen. Die aktuelle Gesetzeslage bedeutet also für
        den Einzelnen keine sichere vollständige Erstattung der
        Kosten für Mütter-Kind-Kuren. Zusätzlich ist bundesweit
        keine Einheitlichkeit gegeben. Zwar erlaubt generell der
        Gesetzgeber den Kassen in Grenzen Unterschiedlichkeit
        beim Leistungskatalog, und dies aus gutem Grund: Wett-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224954
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        bewerb. Aber im vorliegenden Fall gibt es aus meiner
        Sicht Regelungsbedarf, weil erstens gerade die Mutter-
        schaft bzw. die Erziehung eines Kindes ein besonders
        schützenswertes Gut ist, zweitens, weil wir im Rahmen
        der demographischen Entwicklung seitens des Gesetzge-
        bers alles tun sollten, um Mutterschaft zu ermöglichen
        oder organisatorisch zu unterstützen und drittens, weil es
        nicht sein kann und nicht vermittelbar ist, dass eine Mut-
        ter in Bayern gegenüber einer Mutter in Schleswig-Hol-
        stein benachteiligt wird.
        Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, eine Sicherung
        der vollen Finanzierung von Mütter-Kind-Kuren in der
        gesetzlichen Krankenversicherung für die Zukunft sicher-
        zustellen. Im Zeitalter der Gleichberechtigung sind Väter
        hier natürlich gleichgestellt, woraus sich im Beamten-Ab-
        kürzungsdeutsch für den Gesetzentwurf die wunderbaren
        Silben „MüVäKiKuGe“ ergeben haben. Die Sicherstel-
        lung der Finanzierung geschieht technisch durch Um-
        wandlung der bisherigen satzungsgemäßen „Mehrleis-
        tung“ in den Erhalt einer „Ermessensleistung“. Als kurzen
        Hinweis für unsere anwesenden Experten möchte ich be-
        tonen, dass es sich damit nicht um eine Umwandlung in
        eine so genannte Regelleistung handelt, die andere, wei-
        ter gehende Probleme und Verpflichtungen mit sich brin-
        gen würde. Dies bedeutet aber trotzdem eine Sicherstel-
        lung: Wenn die sozialversicherungsrechtlichen und
        sozialmedizinischen Voraussetzungen vorliegen, ist eine
        pflichtgemäße Ermessensausübung mit dem Ergebnis ei-
        ner Ablehnung nicht vorstellbar. Das heißt, dass die von
        uns nun im Gesetzentwurf vorgesehene Gestaltung als
        „Ermessensleistung“ eine Sicherstellung des Geldstroms
        für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet, ohne dass für
        die Kassen weiter gehende interne Probleme entstehen.
        Ein solches Thema sollte, ja darf über die Parteien hin-
        weg nicht strittig sein. Vielmehr ist der Schutz von Müt-
        tern ein Konsensthema, das hier im Haus aus meiner Sicht
        eine breite Mehrheit finden müsste. Für meine Behaup-
        tung spricht auch eine launige blauweiße Geschichte, die
        sich im April – nicht dem 1. April – dieses Jahres zu-
        getragen hat:
        Die bayerische SPD-Fraktion hatte am 17. April einen
        Dringlichkeitsantrag in den bayerischen Landtag einge-
        bracht, der den Fortbestand der Mütter-Kind-Kuren si-
        chern sollte. Dieser Antrag wurde von der CSU-Land-
        tagsfraktion mit der ortsüblichen parteipolitischen
        Ignoranz ohne große fachliche Befassung abgelehnt.
        Glücklicherweise hat die bayerische Sozial- und Famili-
        enministerin Stewens dann wenig später, am 25. April,
        ganz selbstständig die Forderung nach der Sicherung von
        Mütter-Kind-Kuren an die Presse gegeben. Deshalb bin
        ich sicher und guten Mutes, dass zumindest die anwesen-
        den CSU-Kollegen heute mit uns stimmen. Aber allen
        Ernstes: Ein Thema wie dieses sollte unser Haus im Ziele
        einen. Zumal es noch weitere Argumente gibt, die für eine
        schnelle und klare Regelung sprechen:
        Erstens. Die Mehrbelastung der GKV durch dieses Ge-
        setz beträgt circa 5 Millionen Euro. Dies ist ein Betrag,
        der trotz der angespannten Finanzlage der Kassen ver-
        träglich ist.
        Zweitens. Für das Jahr 2001 geht aus vorläufigen
        Rechnungsergebnissen hervor, dass bei einer Reihe
        kleinerer Betriebskrankenkassen – betroffen sind circa
        40 000 Mitglieder – keine Ausgaben für Mütterkuren an-
        gefallen sind. Hieraus kann man zwar nicht schließen,
        dass in den Satzungen dieser Kassen keine Leistungsan-
        sprüche vorgesehen sind. Aber bei einer so wichtigen ge-
        sellschaftlichen Aufgabe – Leistungen für Mütter und Vä-
        ter – ist, so meine ich, jeder vereinheitlichende Schritt ein
        richtiger Schritt.
        Ich komme zum Fazit: Der Gesetzentwurf der Koaliti-
        onsfraktionen schafft für Bürgerinnen und Bürger unab-
        hängig vom Einkommen die Möglichkeit, Mütter- bezie-
        hungsweise Väter-Kind-Kuren wahrzunehmen, sofern die
        medizinische Indikation vorliegt.
        Hubert Hüppe (CDU/CSU):Die Behandlung des vor-
        liegenden Gesetzentwurfes zur Sicherung der Betreuung
        und Pflege schwerstkranker Kinder ist aus meiner Sicht
        ein gutes Beispiel dafür, dass es auch in heißen Wahl-
        kampfzeiten politische Themen gibt, über die unter den
        Parteien nicht gestritten wird, um einen politischen Vor-
        teil daraus zu ziehen. Und in der Tat, wenn es um ster-
        benskranke Kinder geht, werden wir einen Antrag als Op-
        position nicht deshalb ablehnen, weil er von den
        Regierungsparteien eingebracht worden ist. Wir stimmen
        dem vorliegenden Gesetzentwurf zu, weil auch wir wol-
        len, dass zumindest ein Elternteil die Möglichkeit hat,
        sich um ihr schwerstkrankes Kind zu kümmern und den
        Betreuungs- und pflegerischen Pflichten nachzukommen.
        Wenn es jetzt in Zukunft einen Anspruch auf Kranken-
        geld gibt, der nicht der zeitlichen Begrenzung des § 45
        Abs. 2 des Fünften Sozialgesetzbuches – Gesetzliche
        Krankenversicherung – unterliegt, wird man der besonde-
        ren Situation sterbender Kinder und ihrer Eltern gerecht.
        Wichtig ist dies besonders für Alleinerziehende. Wichtig
        ist dies aber auch in den Fällen, in denen beide Elternteile
        berufstätig sind.
        Die Anhörung des Gesundheitsausschusses hat die
        Notwendigkeit einer solchen Regelung bestätigt. Aller-
        dings wurde in der Anhörung durchgängig die Begren-
        zung des Anspruches auf Kinder bis zum zwölften Le-
        bensjahr kritisiert, weil viele der tödlich verlaufenden
        Erkrankungen im Kinder- und Jugendalter eine „altersge-
        rechte Entwicklung“ des Kindes nicht zulassen. Deswe-
        gen halten wir auch den Änderungsantrag für richtig, dass
        das Krankengeld über das zwölfte Lebensjahr hinaus ge-
        währt werden soll, wenn das Kind behindert und auf Hilfe
        angewiesen ist. Sollte sich herausstellen, dass es Fälle gibt
        – zum Beispiel Kinder und Jugendliche mit Krebserkran-
        kungen oder AIDS im Endstadium –, die durch diese
        Regelung nicht erfasst sind, müssen wir darüber nach-
        denken, die Altersgrenze generell zu erhöhen, weil ich
        glaube, dass auch dreizehn- und vierzehnjährige Kinder in
        ihrer letzten Lebensphase die Begleitung ihrer Eltern
        brauchen.
        Die Gewährung von Krankengeld kann natürlich in
        den genannten Fällen nur ein Mosaikstein in dem Bereich
        Sterbebegleitung bei Kindern und Jugendlichen und
        natürlich auch bei Erwachsenen sein. Ich sage dies auch
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24955
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        besonders vor dem Hintergrund, dass seit April dieses
        Jahres in unserem Nachbarland, den Niederlanden, eine
        Regelung existiert, nach der zwölfjährige Kinder ihre ei-
        gene Tötung verlangen und einfordern können, wenn ein
        Elternteil dieser Tötung zustimmt. Bei sechzehnjährigen
        Jugendlichen ist die Tötung auf Verlangen sogar möglich,
        ohne dass die Zustimmung der Eltern vorliegt. Diese Ju-
        gendlichen dürfen also in den Niederlanden zwar kein
        Auto fahren, aber sich töten lassen.
        Wenn wir eine solche Entwicklung in unserem Land
        vermeiden wollen – und ich hoffe, wir sind uns hier im
        Hause alle darüber einig, dass wir sie auch vermeiden
        wollen – dann müssen wir die Möglichkeiten der Hilfe für
        die Betroffenen bedarfsgerecht ausgestalten.
        Die Anhörung des Gesundheitsausschusses hat ge-
        zeigt, dass die noch nicht sehr lange existierenden Kin-
        derhospize in Deutschland einen wertvollen Beitrag
        hierzu leisten. Allerdings gibt es in anderen Ländern, so
        zum Beispiel in Großbritannien, bereits seit vielen Jahren
        ein quantitativ wie qualitativ gut ausgebautes Netz von
        Kinderhospizen mit jahrzehntelanger Erfahrung. Auch
        diese Erfahrungen sollten wir nutzen. Dabei gehört natür-
        lich auch eine schnelle Krisenintervention durch intensive
        pflegerische und therapeutische Bemühungen ebenso
        zum Konzept wie die zielgerechte Entlastung der pfle-
        genden Angehörigen.
        Ich hoffe, dass wir die Gesamtproblematik der Hilfe
        beim Sterben nach den Wahlen wieder aufnehmen und
        dass wir dann die Situation der Betroffenen weiter ver-
        bessern können; wenn möglich im Konsens, wie es heute
        auch der Fall ist.
        Wolfgang Zöller (CDU/CSU):Die Union begrüßt den
        Gesetzentwurf der Koalition zur Verbesserung der Vor-
        sorge und Rehabilitation von Müttern und Vätern und un-
        terstützt ausdrücklich die Forderung nach einer Vollfinan-
        zierung der Mütter- bzw. Mutter-Kind-Kuren. Obgleich
        durch diesen Gesetzentwurf auch Väter in den Genuss
        dieser Maßnahme gelangen, richtet sich die Maßnahme
        primär an Frauen. Sie sind häufiger als Männer Mehr-
        fachbelastungen durch Beruf, Familie und Haushalt aus-
        gesetzt.
        Nach der gegenwärtigen Rechtslage können die Kran-
        kenkassen durch Satzungsbestimmungen die Leistungen
        für Mutter-Kind-Kuren mit einer Teilfinanzierung verse-
        hen. In den vergangenen zwei Jahren, also unter rot-grü-
        ner Verantwortung, ist es immer häufiger zu Satzungsän-
        derungen gekommen mit der Folge, dass nur noch
        20 Prozent der Krankenkassen eine Mutter-Kind-Maß-
        nahme finanzieren und zwar mit einem Zuschuss in Höhe
        von 90, 50 oder sogar nur 10 Prozent der Kosten. Die Be-
        troffenen beklagen zudem, dass die Härtefallregelung
        nach § 61 SGB V bei Anteilsfinanzierungen nicht greift.
        Bedürftige Mütter müssen daher zunehmend die Rest-
        finanzierung bei den Kommunen als Träger der Sozial-
        hilfe beantragen.
        Typisch für ein derartiges Verhalten ist die AOK in
        Bayern. Unter Hinweis auf die desolate Finanzsituation
        der Krankenkassen hat der Verwaltungsrat der AOK Bay-
        ern unter Vorsitz des SPD-Bundestagsabgeordneten Fritz
        Schösser in seiner Sitzung am 2. April 2002 beschlossen,
        künftig die Kosten einer Mutter-Kind-Kur nicht mehr voll
        zu übernehmen, sondern nur Festzuschüsse zu gewähren,
        die nach Patienten und Begleitkinder gestaffelt werden.
        Das Verhalten der AOK Bayern ist Anlass für die bayeri-
        sche Sozialministerin Stewens gewesen, sich mit Schrei-
        ben vom 23. April 2002 an Bundesgesundheitsministerin
        Schmidt zu wenden. Ministerin Stewens hat nicht zu Un-
        recht befürchtet, dass das Verhalten der AOK Bayern dazu
        führt, dass ein Großteil der Familien bis zur Hälfte der
        Kosten einer Mutter-Kind-Kur selbst tragen müssten, was
        letztlich einer Streichung der Mutter-Kind-Kuren gleich
        kommt.
        Familienpolitisch ist dies nicht vertretbar; denn auf-
        grund der hohen sozialen und gesundheitlichen Belastun-
        gen für Frauen sind Mütter-Kind-Kuren notwendiger
        denn je. Die Zunahme der Erwerbstätigkeit bei Frauen
        und damit die Zunahme der Doppelbelastung mit Berufs-
        und Familienarbeit, die Veränderung der familiären Struk-
        turen, insbesondere die gestiegene Zahl allein erziehender
        Eltern und die Situation von Familien in besonders
        schwierigen Lebenssituationen bedeuten für viele Eltern
        eine Belastung, die sie an den Rand ihrer physischen und
        psychischen Möglichkeiten bringt. Oft kommen dazu
        noch wirtschaftliche Probleme, insbesondere bei kinder-
        reichen Familien. Durch die Teilnahme an Mütter/Väter-
        Kind-Kuren haben Eltern die Möglichkeit, sich gemein-
        sam mit ihren Kindern zu regenerieren und neue Kräfte
        für den Alltag zu gewinnen. Diesen Kuren kommt deshalb
        größte Bedeutung als präventive Maßnahme zu.
        Der Brief von Ministerin Stewens hat Bundesgesund-
        heitsministerin Schmidt und die Koalitionsfraktionen
        nicht unbeeindruckt gelassen. Der vorliegende Gesetzent-
        wurf ist relativ zügig entstanden. Allerdings ist die von
        der Union geforderte Umwandlung einer Satzungsleis-
        tung in eine Pflichtleistung nicht erfolgt. Die öffentliche
        Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hat überraschend
        deutlich gemacht, dass dies kein Verband mehr fordert.
        Den berechtigten Befürchtungen des Müttergene-
        sungswerkes, durch diesen Gesetzentwurf könnte der Be-
        standsschutz für bestehende Einrichtungen infrage ge-
        stellt werden, wurde durch eine Übergangsregelung
        Rechnung getragen. Einrichtungen des Müttergenesungs-
        werkes, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes be-
        reits stationäre medizinische Leistungen für die Kassen
        erbracht haben, erhalten einen Versorgungsvertrag in dem
        Umfang der im Jahr 2001 erbrachten Leistungen. Es ist je-
        doch auch aus Gründen der Qualitätssicherung durchaus
        vertretbar, diesen Bestandsschutz nicht zu gewähren,
        wenn eine Einrichtung die Qualitätsanforderungen nach
        § 111 Abs. 2 nicht erfüllt. Mit der Übergangsregelung
        wird nunmehr sichergestellt, dass Einrichtungen des Müt-
        tergenesungswerkes auch ausreichend Zeit haben, sich
        auf die gesetzlich geforderten Qualitätsstandards einzu-
        stellen. Ich denke, dass mit dieser Lösung ein guter Aus-
        gleich zwischen den berechtigten Interessen des Mütter-
        genesungswerkes und der Gewährleistung einer hohen
        Qualität gefunden wurde.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224956
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        Aus Sicht der betroffenen Mütter und Väter ist das Ge-
        setz ein willkommendes Geschenk. Es sorgt dafür, dass
        sie eine genehmigte Kur auch wirklich antreten können in
        einer Einrichtung, die für höchste Qualität bürgt. Es bleibt
        nun zu hoffen, dass jetzt nicht durch die von den Kran-
        kenkassen beeinflusste Genehmigungspraxis des MDK
        dazu führt, dass weniger Mütter/Väter-Kind-Kuren ge-
        nehmigt werden. Wir werden diese Entwicklung auf-
        merksam beobachten. Nunmehr freuen wir uns aber ge-
        meinsam mit den Müttern und Vätern und dem
        Müttergenesungswerk, dass es parteiübergreifend gelun-
        gen ist, die Vollfinanzierung von Mütter/Väter-Kind-Ku-
        ren sicherzustellen.
        Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Bündnis 90/Die Grünen haben gemeinsam mit der
        SPD heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf die Be-
        dürfnisse der Menschen eingeht. Anders als die ange-
        drohte Gesundheitspolitik der Union erwarten lässt, wis-
        sen wir, wo die Menschen Hilfe brauchen. Wir lassen vom
        Schicksal Gezeichnete nicht im Regen stehen. Bei uns
        muss sich keiner mit 20 entscheiden, ob er mit 70 mal eine
        Prothese brauchen könnte und sich deshalb doch versi-
        chern sollte.
        Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft eine schwierige
        Lebensphase von Kindern und deren Eltern. Polemik ist
        hier fehl am Platz. Zur Sache: Nach dem geltenden Kran-
        kenversicherungsrecht ist der Anspruch auf Krankengeld
        bei Erkrankung eines Kindes zeitlich begrenzt. Nach § 45
        Abs. 2 KVG besteht der Anspruch in jedem Kalenderjahr
        für jedes Kind längstens für zehn Arbeitstage, für allein
        erziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage.
        Diese Begrenzung gilt auch bei schwersten, lebensbedro-
        henden Erkrankungen des Kindes und führt in diesen Fäl-
        len zu unzumutbaren Belastungen der Eltern.
        Insbesondere für berufstätige Alleinerziehende, aber
        auch in Fällen, in denen beide Elternteile berufstätig sind,
        kollidiert der erhöhte Betreuungsbedarf für das Kind mit
        den beruflichen Verpflichtungen.
        Wir wollen deshalb die Begrenzung des Krankengel-
        des für schwerstkranke Kinder, die nach ärzlichem Zeug-
        nis nur noch eine Lebenserwartung von Wochen oder we-
        nigen Monaten haben, aufheben, damit sie in dieser Phase
        von einem Elternteil betreut und begleitet werden können.
        Wir wollen einen Anspruch auf Krankengeld bei schwe-
        rer, unheilbarer Erkrankung eines Kindes für einen El-
        ternteil schaffen, der nicht einer zeitlichen Begrenzung
        bei Erkrankung eines Kindes unterliegt. Für die Dauer
        dieses Anspruchs auf Krankengeld soll zudem ein An-
        spruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleis-
        tung gelten.
        Die bisherigen Regelungen auf Kinderkrankengeld
        und Freistellung konnten für Kinder, die das 12. Lebens-
        jahr noch nicht vollendet hatten, in Anspruch genommen
        werden. Die von uns vorgeschlagene Verlängerung des
        Krankengeldes auf mehr als zehn Tage je Elternteil bedarf
        eines ärztlichen Attestes, welches die Anspruchvorausset-
        zung bestätigt. Neu ist, dass der Anspruch auf verlänger-
        tes Kinderkrankengeld auch dann besteht, wenn die er-
        krankten Kinder älter als zwölf Jahre sind und aufgrund
        einer Behinderung auf Hilfe angewiesen sind. Mit den
        von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Regelungen
        verschaffen wir den betroffenen Familien ein wenig Frei-
        raum, um in einer für sie besonders schweren Zeit sich um
        ihre Angehörigen in einem menschenwürdigen Umfang
        widmen zu können.
        Im Zuge einer einheitlichen und nachvollziehbaren Po-
        litik kann ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung im
        Falle eines schwerstkranken Kindes nicht nur für Versi-
        cherte der Gesetzlichen Krankenversicherung gelten.
        Deshalb umfasst unser Gesetzentwurf auch die Versicher-
        ten der Privaten Krankenversicherung. Denn eine Zwei-
        klassenmedizin, egal, wer schlechter oder besser gestellt
        sein soll, wird es mit uns nicht geben.
        Detlef Parr (FDP): In unserem Sozialsystem dürfen
        nicht die Findigen belohnt werden, vielmehr müssen die
        finanziellen Mittel bei den wirklich Bedürftigen ankom-
        men. In dieser Debatte geht es zum einen um Mütter und
        Kinder, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen
        und zum anderen um Väter und Mütter in einer Lebens-
        situation, in der wir ihnen eine besonders intensive Zu-
        wendung zu ihrem Kind ermöglichen müssen. Auch wir
        sehen uns in der Verpflichtung, hier mehr als bisher zu
        tun. Dies vor allem vor dem Hintergrund unklar definier-
        ter Leistungen, die zu ungerechtfertigten Einschränkun-
        gen und zu Ungleichbehandlungen geführt haben, wie wir
        in den Anhörungen erfahren mussten. Die PISA-Studie
        hat uns auf viele Missstände im Bildungssystem hin-
        gewiesen. Nicht zuletzt die zunehmenden Verhaltens-
        störungen vieler Kinder führen zu Defiziten, die wir nach-
        drücklich abbauen müssen. Steigende Scheidungsraten,
        negative Umwelteinflüsse wie Reizüberflutung und
        schwierige Lebensumstände wie Arbeitslosigkeit sind
        Gründe für diesen Zustand, mit dem viele Mütter und
        Kinder nicht mehr fertig werden.
        Deshalb ist es richtig, bei körperlicher und vor allem
        seelischer Überforderung die Hilfsangebote zu verbes-
        sern. Wir müssen möglichst frühzeitig diese Probleme er-
        kennen und gegensteuern, damit nicht bleibende Schäden
        entstehen, die uns später volkswirtschaftlich wesentlich
        teurer zu stehen kommen. Wenn man den Experten der
        Anhörung glauben darf, ist der Erfolg der bisherigen
        Maßnahmen im Rahmen der üblichen Grenzen gesichert.
        Die Forderungen nach Qualität und Effizienz der Vor-
        sorge- und Rehabilitationsleistungen sind berechtigt und
        finden unsere volle Unterstützung. Wir müssen aber sorg-
        sam darauf achten, dass wir des Guten nicht zu viel tun.
        Wenn die Anforderungen so hoch geschraubt sind, dass
        sie die Existenz bestehender Einrichtungen gefährden,
        müssen wir sie noch einmal überprüfen.
        Wir stimmen dem Gesetzentwurf unter der Vorausset-
        zung zu, dass sichergestellt ist, dass alle Einrichtungen,
        die einen Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V haben
        und die im Bereich der Mutter-Kind-Maßnahmen in der
        Vergangenheit mit Zustimmung der Kostenträger beson-
        dere bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versor-
        gungsstrukturen entwickelt und entsprechende Maßnah-
        men durchgeführt haben, dies mit Bestandsschutz auch
        weiterhin tun können.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24957
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        Beim zweiten Gesetzentwurf, den wir heute beraten,
        habe ich mich an eine fraktionsübergreifende Initiative
        der Vergangenheit erinnert gefühlt. Mit vielen anderen
        Kolleginnen und Kollegen habe ich mich 1994 dafür ein-
        gesetzt, Mitmenschlichkeit und Toleranz in unsere Ver-
        fassung aufzunehmen – leider ohne Erfolg. Es ist eigent-
        lich ein Trauerspiel, wenn für die Betreuung und
        Begleitung eines sterbenden Kindes gesetzliche Regelun-
        gen notwendig werden. Bei einer so tiefen seelischen Not-
        lage müsste es doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit
        in einer humanen Gesellschaft sein, dass Arbeitnehmer
        und Arbeitgeber sich entgegenkommen und eine dieser
        Ausnahmesituation angemessene Lösung finden. Jetzt
        schaffen wir wieder neue Ansprüche, wo doch eigentlich
        für uns alle hier im Bundestag klar sein sollte: gelingt es
        uns nicht, das Anspruchsdenken in der Bevölkerung zu re-
        duzieren und gleichzeitig die Eigenverantwortung zu stär-
        ken, ist unser Sozialsystem auf Dauer nicht mehr zu fi-
        nanzieren. Der Gesetzentwurf ist mit der heißen Nadel
        gestrickt in einen Beratungsschnelldurchgang geschickt
        worden, der der Bedeutung des Themas nicht gerecht
        wird. Dazu kam eine nur einstündige Anhörung. Wir hät-
        ten uns ausreichend Beratungszeit gewünscht – dazu hat
        es mit Blick auf die zu Ende gehende Legislaturperiode
        nicht mehr gereicht.
        Die FDP geht davon aus, dass nach der heutigen Zu-
        stimmung des Bundestages – auch durch uns – dieses Ge-
        setz nach dem 22. September auf der Grundlage eines Er-
        fahrungsberichts noch einmal diskutiert und bewertet
        wird.
        Dr. Ruth Fuchs (PDS):Die Krankenkassen können in
        ihrem Satzungsrecht festlegen, die Kosten für Mütter-
        genesungskuren nicht vollständig, sondern nur anteilig zu
        übernehmen. Vor dem Hintergrund des wachsenden Fi-
        nanzdrucks haben in jüngster Zeit immer mehr Kranken-
        kassen von diesem Recht Gebrauch gemacht. Die bisher
        vollständige Kostenübernahme wurde zum Teil drastisch
        reduziert.
        Die Praxis, die Kuren in unterschiedlicher Höhe zu
        bezuschussen, führt dazu, dass vor allem Frauen mit
        mehreren Kindern und geringem Familieneinkommen
        dringend erforderliche Kuren nicht mehr wahrnehmen
        können. Dabei sind es gerade diese Frauen – oft durch
        Beruf, Familie und Haushalt mehrfach belastet – die eine
        Stärkung und Unterstützung ihrer Gesundheit am nötigs-
        ten haben. Bekanntlich handelt es sich häufig um Allein-
        erziehende, um Mütter, die von Sozialhilfe leben müssen,
        um Mütter mit eigenen Behinderungen oder um Mütter
        mit chronisch kranken oder behinderten Kindern. Gerade
        sie sollten am wenigsten auf solche Gesundheitsleistun-
        gen verzichten müssen. Nicht fehlende finanzielle Mittel,
        sondern allein die gesundheitlichen Notwendigkeiten
        müssen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen be-
        stimmend sein.
        Die PDS hat die berechtigten Forderungen der betrof-
        fenen Frauen sowie der Vertreterinnen des Müttergene-
        sungswerkes nach Vollfinanzierung der Mütterkuren von
        Anfang an unterstützt. Mit einer Kleinen Anfrage an die
        Bundesregierung haben wir im ersten Halbjahr 2002 auf
        die restriktive Bewilligungspraxis einer zunehmenden
        Zahl von Krankenkassen und auf die so entstandene
        gesundheits- und sozialpolitisch unhaltbare Situation hin-
        gewiesen. Zugleich haben wir auf die damit einher-
        gehende Gefährdung der entsprechenden Genesungsein-
        richtungen und der sie tragenden Verbände aufmerksam
        gemacht.
        Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die
        Krankenkassen grundsätzlich dazu verpflichtet, die ent-
        sprechenden Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen
        für Mütter in Häusern des Müttergenesungswerkes und
        anderen gleichartigen Einrichtungen in voller Höhe zu fi-
        nanzieren. Das ist ein dringend notwendiger Schritt, den
        wir begrüßen und dem wir zustimmen. Er wird dazu
        führen, diese medizinischen Maßnahmen allen Müttern,
        die sie benötigen, besser zu ermöglichen.
        Die mit der Neuregelung einhergehenden Mehraus-
        gaben von circa 5 Millionen Euro dienen damit einem
        richtigen Zweck. Gleichzeitig wird – analog zum ge-
        nerellen Verfahren bei Kur- und Rehabilitationsein-
        richtungen – auch für Einrichtungen des Mütterge-
        nesungswerkes zu einem geregelten Vertragssystem
        übergegangen, das heißt zum Beispiel, dass Mütterkuren
        für GKV-versicherte Mütter nur noch dort durchgeführt
        werden können, wo ein Versorgungsvertrag mit den
        Krankenkassen besteht. Die Krankenkassen können auf
        diese Weise systematischer als bisher auf die Qualität der
        Leistungen achten. Sinnvollerweise erhalten dabei Ein-
        richtungen Bestandsschutz, die bisher schon Müttergene-
        sungskuren auf Kosten der Krankenkassen durchgeführt
        haben. Wir halten es auch für zweckmäßig, dass die
        Spitzenverbände der Krankenkassen Ende 2005 einen Er-
        fahrungsbericht über die entstandene Situation vorlegen
        sollen.
        Dem ebenfalls zur Debatte stehenden Gesetz zur
        Sicherung der Betreuung und Pflege schwerstkranker
        Kinder, das die Koalitionsfraktionen eingebracht haben,
        kann sich vom Anliegen her niemand verschließen, dem
        Würde und Lebensqualität von kranken Kindern, ins-
        besondere von schwer und unheilbar erkrankten Kindern
        am Herzen liegen. Auch die außergewöhnlich hohen Be-
        lastungen von Eltern und Familienangehörigen dieser
        Kinder verlangen dringlichst nach einer Unterstützung.
        Allerdings weckt der Gesetzentwurf mehr Hoffnungen,
        als er erfüllen kann. Es geht hier nur um punktuelle, statt
        um umfassende Regelungen. Die Vorschläge sind nicht
        eindeutig und nicht ausreichend finanziell abgesichert.
        Darauf wurde bereits in der Anhörung hingewiesen. Auf
        dieser Grundlage sind Rechtsunsicherheiten und -strei-
        tigkeiten vorprogrammiert. Dabei sind gerade im Bereich
        der Betreuung und Pflege chronisch kranker und behin-
        derter Kinder viele Dinge offen.
        Insofern ist bedauerlich und unverständlich, dass der
        PDS-Antrag „Pflege reformieren – Lebensqualität in
        Gegenwart und Zukunft sichern“ abgelehnt wurde, ob-
        wohl in ihm generell die Sicherstellung einer am in-
        dividuellen Bedarf orientierten Pflege, Betreuung und
        Versorgung von chronisch Kranken, Behinderten und
        Pflegebedürftigen gefordert wird. Besonders auch Kinder
        sollen dabei in stärkerem Maße berücksichtigt werden.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224958
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        (A)
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        Wie weit geht aber die Sorge der Koalition um schwerst-
        betroffene Kinder bzw. um deren Eltern und Familien-
        angehörige, wenn sie einen solchen Antrag ablehnt?
        Dennoch begrüßen wir den vorliegenden Gesetzent-
        wurf als einen ersten – wenn auch nicht ausreichenden –
        Schritt in die richtige Richtung. Deshalb werden wir ihm
        trotz der bestehenden Unklarheiten und offenen Fragen
        zustimmen. Gleichzeitig hoffen wir, dass sich in der nächs-
        ten Legislaturperiode auf der Grundlage einer breiten
        gesellschaftlichen Diskussion über Fraktionsgrenzen hin-
        weg eine Mehrheit für eine grundlegende Reform der
        Pflege findet.
        Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
        Viele von Ihnen sind Eltern. Sie wissen aus eigener Er-
        fahrung, wie groß die Belastungen durch Kinder, Haus-
        halt, Beruf und manchmal auch durch pflegebedürftige
        Angehörige sind. Und Sie können die Belastungen für
        eine Familie erahnen, wenn ein Kind schwer erkrankt.
        Wir sorgen dafür, dass Eltern, die ihre todkranken Kin-
        der betreuen, unbegrenzt Krankengeld erhalten.
        Wir sorgen dafür, dass Eltern wieder Anspruch auf eine
        Vollfinanzierung von Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-
        Kuren haben. Das Kind ist krank und die Mutter bzw. der
        Vater am Ende ihrer Kräfte. Oder die Eltern sind krank
        und das Kind leidet mit. In diesen Fällen hilft die Mutter-
        Kind- bzw. Vater-Kind-Kur. Das wichtigste Ziel ist: Den
        Eltern und ihren Kindern neue Kraft zu geben. Kraft im
        Kampf gegen Krankheiten, Kraft für den Alltag und Kraft
        für neue Perspektiven.
        Diese Kuren erfüllen noch einen wichtigen Zweck: Sie
        sind praktische Prävention. Denn die Kinder lernen schon
        frühzeitig, was zu einem gesunden Lebensstil gehört:
        Zum Beispiel ausgewogene Ernährung und ausreichend
        Bewegung. Sie lernen es gemeinsam mit Mutter oder Va-
        ter und motivieren sich zu Hause gegenseitig, sie ermun-
        tern sich, sie spornen sich an.
        In der Vergangenheit haben die Krankenkassen die
        Kosten für Kuren oder andere Rehabilitations- und Vor-
        sorgemaßnahmen für Mütter vollständig übernommen. In
        letzter Zeit sind einige Kassen dazu übergegangen, nur
        noch Zuschüsse zu gewähren. Das geltende Gesetz räumt
        den Kassen diese Möglichkeit ein, weil diese Kuren Sat-
        zungsleistungen sind. Wir dürfen nicht zulassen, dass die-
        jenigen, die es vielleicht am dringendsten brauchen – zum
        Beispiel allein erziehende oder kinderreiche Mütter – dies
        mit ihrer und ihrer Kinder Gesundheit bezahlen müssen,
        weil sie sich die Mutter-Kind-Kur nicht leisten können
        Unser Gesetzentwurf nimmt die Krankenkassen bei
        der Finanzierung von Mütter-Kuren und Mutter-Kind-
        Kuren wieder in die volle finanzielle Verantwortung. Wir
        sorgen für eine flächendeckende Vollfinanzierung dieser
        wichtigen gesundheits- und familienpolitischen Leistung.
        Gleichzeitig sichern wir die Qualität und Effizienz dieser
        Leistungen auf einem hohen Niveau, denn die Kuren dür-
        fen nur noch in Einrichtungen erbracht werden, mit denen
        die Krankenkassen einen Versorgungsvertrag abgeschlos-
        sen haben. Voraussetzung für den Versorgungsvertrag ist,
        dass die Einrichtung fachlich medizinisch unter ständiger
        ärztlicher Verantwortung steht.
        Für Eltern gibt es nichts Schlimmeres als eine schwere
        Erkrankung ihrer Kinder. Die Tatsache, dass der weitere
        Krankheitsverlauf nicht mehr aufzuhalten ist, ist schwer
        genug zu akzeptieren. Diese Tatsache ist aber auch eine
        Herausforderung für die Gesundheitspolitik. Für mich be-
        deutet dies konkret, dass wir ein Umfeld gestalten müs-
        sen, dass den kleinen Patienten ein menschenwürdiges
        Sterben und den Familien die Betreuung ihrer Kinder er-
        möglicht. Ein erster Schritt war das Gesetz zur Förderung
        der ambulanten Hospitzarbeit. Ein zweiter Schritt ist un-
        ser Gesetzentwurf zur Sicherung der Betreuung und
        Pflege schwerstkranker Kinder. Wir wollen, dass die be-
        troffenen Familien sich in ihrer schwierigen Situation
        nicht auch noch mit finanziellen Problemen oder Schwie-
        rigkeiten am Arbeitsplatz belasten müssen. Eltern, die
        ihre todkranken Kinder betreuen, sollen unbegrenzt Kran-
        kengeld erhalten. Solange sie Krankengeld beziehen, sind
        sie unbezahlt von ihrer Arbeit freigestellt.
        Beide Gesetzentwürfe sind wichtige gesundheitspoli-
        tische und familienpolitische Maßnahmen. Mit Ihrer Zu-
        stimmung können Sie zeigen, dass Familienpolitik für Sie
        mehr ist, als nur ein Lippenbekenntnis.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung:
        – Beschlussempfehlung und Bericht: Brustkrebs –
        Mehr Qualität bei Früherkennung, Versorgung
        und Forschung – Für ein Mammographie-Scree-
        ning nach europäischen Leitlinien
        – Antrag: Für ein Gesamtkonzept zur Verbesse-
        rung der Versorgung bei Brustkrebs
        (Tagesordnungspunkt 31 a und b)
        Helga Kühn-Mengel (SPD): Heute ist ein guter Tag
        für alle Frauen: Wir beschließen heute die qualitätsgesi-
        cherte Früherkennung von Brustkrebs nach europäischen
        Leitlinien in Deutschland. Dies ist ein Durchbruch, ein
        wichtiger Schritt unserer Qualitätsoffensive im Bereich
        Gesundheit. Wir haben ein leistungsfähiges Gesundheits-
        wesen, um das uns viele auf der Welt beneiden. Zu seinen
        unverwechselbaren Stärken gehören die solidarische Fi-
        nanzierung, ein umfassender Gesundheitsschutz für alle,
        die wohnortnahe Versorgung durch qualifiziertes Perso-
        nal unterschiedlicher Professionen und ein Leistungsan-
        spruch, der allein durch den medizinischen Bedarf defi-
        niert wird.
        Wir wissen aber auch, dass unser Gesundheitswesen
        Mängel hat. Die meisten Qualitätsverluste haben wir,
        wenn Leistungen nicht aufeinander abgestimmt sind, be-
        sonders bei der Behandlung chronisch kranker Menschen.
        Das dritte Gutachten des von uns eingesetzten Sach-
        verständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesund-
        heitswesen fasst es prägnant zusammen: „Bei allen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24959
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        Krankheitsgruppen sieht der Rat erheblichen Bedarf zur
        Verbesserung ihrer Versorgungskette...“
        Während Liberale und Christdemokraten nur noch von
        Wahlleistungen und Eigenverantwortung reden und damit
        eigentlich den Kahlschlag des solidarischen Systems mei-
        nen, haben wir genau hingeschaut, wo die Versorgung
        nicht stimmig ist, wo es Defizite gibt. Wir haben Qualität
        im Gesundheitssystem zum Thema gemacht. Ein Beispiel
        für die Struktur- und Qualitätsprobleme ist die Versorgung
        beim Brustkrebs. Die Zahlen sind bekannt: Jedes Jahr er-
        kranken 47 000 Frauen an dieser Krebsart, 17 000 sterben
        jährlich daran. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkran-
        kung bei Frauen. Internationale Studien belegen, dass sich
        die Zahl der Todesfälle bei Frauen zwischen 50 und 70
        Jahren, wenn sie an einem Screening teilnehmen, deut-
        lich, um 30 Prozent, verringern ließe, wenn die Früher-
        kennung unter gesicherten Qualitätsbedingungen statt-
        fände.
        Wir kennen die Defizite in allen Bereichen der Brust-
        krebsversorgungskette. Sie reichen von der nicht vorhan-
        denen qualitätsgesicherten Früherkennung bis hin zur fast
        ausschließlich technisch-operativ orientierten Nachsorge.
        Keine Frau kann es ertragen, dass circa 200 000 falsch-
        positive Befunde produziert werden, dass im Bereich
        Brustkrebs-Diagnostik circa 100 000 unnötige operative
        Biopsien vorgenommen werden und dass in Deutschland
        zu viele Brüste amputiert werden, wie der „Essener Skan-
        dal“ gezeigt hat, und dass jedes Jahr rund 3 500 Frauen
        unnötig sterben.
        Es wird in Deutschland viel Geld rund um den Brust-
        krebs verdient: Besonders das bislang außerhalb von qua-
        litätsgesicherten Programmen durchgeführte so genannte
        graue Mammographie-Screening beschert einigen ein lu-
        kratives Einkommen, ohne dass Frauen sicher sein kön-
        nen, flächendeckend auf höchster Qualitätsstufe behandelt
        zu werden. Die derzeitige Praxis der grauen Mammogra-
        phie ist nicht nur medizinisch fragwürdig; sie ist auch
        ethisch nicht vertretbar und teuer durch fehlende Qualität
        und unnötige Folgeuntersuchungen. Hier ergeben sich ro-
        buste Potenziale für die Verbesserung der Versorgungs-
        qualität, verbunden mit einer langfristigen Kosten-
        senkung. Vor einem Jahr haben wir unseren Antrag hier
        eingebracht. Er ist ausführlich diskutiert worden, mit
        Frauen und Selbsthilfegruppen, im Ausschuss, bei An-
        hörungen, im Gespräch mit vielen Akteuren, mit Wissen-
        schaftlern und Wissenschaftlerinnen hier im Parlament. In
        der letzten Zeit wurde – insbesondere aufgrund des
        Cochrane-Reviews und damit zusammenhängenden Pu-
        blikationen – die Frage des Nutzens eines Mammogra-
        phie-Screenings noch einmal eingehend beleuchtet. Da-
        bei stand keineswegs die Kosten/Nutzen-Frage im
        Vordergrund, sondern die Nutzen/Risiko-Frage, da es sich
        bei der Mammographie um eine Röntgenuntersuchung
        handelt und somit zu einer Exposition gegenüber ionisie-
        renden Strahlen führt.
        Die Strahlenschutzkommission hat in einer Stellung-
        nahme vom 27. Februar 2002 nach Würdigung der wis-
        senschaftlichen Argumente und Daten unter anderem
        festgestellt, dass der von einem Mammographie-Scree-
        ning-Programm zu erwartende Nutzen das geringe Risiko
        durch die Strahlenexposition überwiegt. Allerdings weist
        die Strahlenschutzkommission auch darauf hin, dass dies
        nur bei Zugrundelegung der hohen Qualitätsanforderun-
        gen gemäß den europäischen Leitlinien gilt.
        Im März hat sich die International Agency for Research
        on Cancer, ARC, eine weltweit anerkannte Einrichtung
        der WHO, zur Evidenz des Mammographie-Screenings
        geäußert. Die dabei versammelten 24 Experten aus elf
        Ländern haben die vorliegende Datenlage sehr kritisch
        geprüft und sind zu dem Schluss gekommen, dass bei
        Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr die Teil-
        nahme, insbesondere an organisierten Mammographie-
        Screening-Programmen, zu einer geschätzten Reduktion
        der Brustkrebsmortalität von circa 35 Prozent führt. Das
        internationale Gremium zog die Schlussfolgerung, dass in
        Studien ausreichend die Evidenz des mammographischen
        Screenings bei Frauen vorgelegt wurde.
        Insoweit darf davon ausgegangen werden, dass die
        Einführung eines Mammographie Screenings für Frauen
        zwischen dem der 50. und 69. Lebensjahr in Deutschland
        berechtigt und nützlich ist unter der Voraussetzung, dass
        es sich um ein qualitätsgesichertes Programm gemäß den
        europäischen Leitlinien handelt.
        Es bleibt also hier und heute festzuhalten: Unser An-
        trag wurde in allen Punkten bestätigt. Wir haben die Zeit
        aber auch bereits genutzt, um folgende Maßnahmen zur
        Qualitätssicherung in der Brustkrebsversorgung zu errei-
        chen: Aufgrund der bekannten Vorfälle sind erhebliche
        Zweifel aufgekommen, ob alle Ärztinnen und Ärzte, die
        bereits heute legitim zu diagnostischen Zwecken Mam-
        mographien durchführen, ausreichend qualifiziert sind
        und bleiben. Deshalb wurden stringente Qualitätssiche-
        rungsregelungen für die so genannte kurative Mammo-
        graphie vereinbart, die zum 1. April 2002 in Kraft getre-
        ten sind. Dazu gehören Eingangsprüfungen für Ärztinnen
        und Ärzte, Stichprobenkontrollen bei jedem mammogra-
        phierenden Arzt, die standardisierte Dokumentation und
        die Evaluation aller Maßnahmen durch die Planungsstelle
        Mammographie-Screening.
        Brustkrebs wurde als eine der vorrangig zu behandeln-
        den Gesundheitsziele ausgewählt. Eine Arbeitsgruppe ar-
        beitet hier bereits auf Hochtouren. Des Weiteren haben
        wir uns dafür eingesetzt, dass Brustkrebs als eine der vier
        Krankheiten für die Disease-Management-Programme
        benannt worden ist.
        Am 13. Juli hat der Koordinierungsausschuss seine
        Empfehlungen für die strukturierten Behandlungspro-
        gramme, die Disease-Management-Programme, ein-
        vernehmlich beschlossen. Die Behandlungsprogramme
        werden insbesondere sicherstellen, dass unnötige Brust-
        amputationen vermieden, notwendige Maßnahmen gesi-
        chert sind und dass der psychosozialen Betreuung und
        Begleitung erkrankter Patientinnen ein größerer Stellen-
        wert eingeräumt wird.
        Empört war ich, als ich die Pressemitteilung des Kol-
        legen Parr dazu las. Das möllemannsche Virus mit den be-
        kannten Symptomen scheint sich auszubreiten: Schlag-
        zeilen um jeden Preis, auch wenn sie zulasten der Frauen
        gehen, die durch solche Falschmeldungen unnötig verun-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224960
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        sichert werden. Die Vorwürfe des Kollegen sind haltlos:
        Es wurden keine Fachgesellschaften ausgeschlossen, die
        Brustkrebsversorgung wird nicht verschlechtert, sondern
        erfährt eine qualitative Verbesserung.
        Der Koordinierungsausschuss hat mit seiner einver-
        nehmlichen Empfehlung dem Bundesministerium für Ge-
        sundheit die Grundlage für die anstehende Rechtsverord-
        nung geliefert. Daran beteiligt waren die Deutsche
        Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe, die Gesell-
        schaft für Senologie. Damit ist ein wesentliches Etappen-
        ziel zu einer Verbesserung der gesamten Behandlungs-
        kette getan, von dem alle Patientinnen profitieren werden,
        die sich in das Programm einschreiben lassen Es ist also
        nicht richtig, wenn die FDP behauptet, dass die Empfeh-
        lungen nicht von den zuständigen Fachgesellschaften ge-
        prüft werden konnten. Es ist schlicht unseriöse Wahl-
        kampfpropaganda, zu behaupten, Patientinnen seien durch
        diese Programme „gefährdet“ bzw. die Programme ver-
        schlechterten gar die Brustkrebsversorgung.
        Einige glauben wohl noch immer, dass Frauen in die-
        sem Land nicht wissen, was gut für sie ist. Das nenne ich
        eine gefährliche Fehleinschätzung: In dem aktuellen Auf-
        ruf der Stiftung „Koalition Brustkrebs im Paritätischen
        Stifterverbund NRW“ für eine verstärkte Brustkrebs-
        bekämpfung in Deutschland kommen die Verfasserinnen
        zu folgendem Urteil über unsere Anstrengungen: „Die
        jetzt beschlossenen Gesetze zu den DRGs Brustkrebs und
        dem Antrag „Mammographie-Screening nach europä-
        ischen Leitlinien“ sind ein Durchbruch.
        Wir sind auf dem richtigen Weg und wir werden ihn
        konsequent zu Ende gehen. Und ich hoffe, dass sich hier
        im Hause alle Abgeordneten dem Votum des Gesund-
        heitsausschusses anschließen und interfraktionell unse-
        rem Antrag zustimmen. Allen Frauen möchte ich versi-
        chern, dass wir nicht nachlassen werden, für eine
        wirksame Brustkrebserkennung und -behandlung nach
        europäischem Qualitätsstandard zu kämpfen. Die verbes-
        serte Früherkennung auf höchstem Qualitätsniveau ist der
        erste wichtige Schritt zur Verbesserung der gesamten Ver-
        sorgungskette.
        Unser Auftrag ist unmissverständlich: Sollte der Bun-
        desausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht alle
        nötigen Maßnahmen ergreifen, damit im nächsten Jahr die
        nach der europäischen Leitlinie erforderlichen Maßnah-
        men umgesetzt werden, dann wird Rot-Grün mit einem
        Gesetz für die Einführung des Krebsfrüherkennungspro-
        grammes nach europäischen Leitlinien sorgen. Es darf
        keine Kompromisse bei der Behandlung von Brustkrebs
        geben. Frauen fordern allerbeste Qualität – wir unterstüt-
        zen sie darin.
        Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Etwa 47 000
        Frauen erkranken jährlich in Deutschland an Brustkrebs,
        bei 40 bis 80 Prozent wird die Brust amputiert, circa
        18 000 sterben daran. Diese hohe Anzahl an Erkrankun-
        gen bedeutet, dass alle 12 Minuten in Deutschland eine
        Brustkrebserkrankung neu diagnostiziert wird, und dass
        bei einer Amputationsrate von 50 Prozent alle 24 Minuten
        eine Brust amputiert wird.
        Brustkrebs, der früher lediglich als „Alterskrankheit“
        galt, ist heute die häufigste Todesursache bei 45- bis 60-
        jährigen Frauen. Hinzu kommt: Immer mehr und immer
        jüngere Frauen erkranken daran, und die Tumore werden
        immer aggressiver.
        Diese schrecklichen Zahlen und Fakten, hinter denen
        Tausende von traurigen Schicksalen von Frauen stehen,
        haben mich in den letzten Jahren dazu bewegt, mich in-
        tensiv diesem Thema zu widmen, mich massiv für Ver-
        besserungen in der Frauengesundheit einzusetzen und
        mich nicht mit halbherzigen Lösungsansätzen zufrieden
        zu geben.
        Angesichts der viel zu hohen Sterberate, der oftmals
        viel zu spät erkannten Brustkrebserkrankung und der
        noch immer viel zu schlechten Behandlungsmöglichkei-
        ten in Deutschland habe ich es mir mit den Kolleginnen
        und Kollegen meiner Fraktion zur Aufgabe gemacht,
        grundlegende Verbesserungen in der Frauengesundheit
        voran zu bringen. Wie Sie wissen, kämpfe ich an dieser
        Stelle wie eine Löwin und werde nicht davon ablassen, bis
        eine grundlegende Verbesserung der Brustkrebsvorsorge
        und der Brustkrebsbehandlung für Frauen in Deutschland
        erreicht ist.
        Leider bin ich mit diesem Anliegen und den richtigen
        Ansätzen und Konzepten der Unionsfraktion bei den Re-
        gierungsfraktionen nicht von Anfang an und – wie ich
        finde – noch immer nicht ausreichend auf offene Ohren
        und Zustimmung gestoßen. Bereits im Jahr 2000 hat meine
        Fraktion mit dem Antrag „Konkrete Gesundheitspolitik für
        Frauen“ auf die große Wichtigkeit der Brustkrebsfrüher-
        kennung aufmerksam gemacht und Verbesserungswege in
        der Frauengesundheit aufgezeigt. Wir haben schon damals
        unter anderem ein qualitätsgesichertes, flächendeckendes
        Mammographie-Screening gefordert. Unser Antrag wurde
        jedoch von den Regierungsfraktionen abgelehnt.
        In den vergangenen Debatten zum Thema Frauenge-
        sundheit und zahlreichen Stellungnahmen haben wir von
        der CDU/CSU immer wieder darauf hingewiesen, dass
        keine Zeit für die betroffenen Frauen verloren werden
        darf. Heute, nach nunmehr bald zwei Jahren, sind wir ein
        Stück weiter – jedoch noch immer nicht weit genug. Wir
        sind uns heute hoffentlich darüber einig, dass es gar keine
        Frage mehr ist, dass ein qualitätsgesichertes Screening-
        Verfahren die beste Methode zur Erkennung von Brust-
        krebs ist. Wir sind uns auch erfreulicherweise darüber ei-
        nig geworden, dass es nicht reicht, weitere fünf bis sechs
        Jahre zu warten, bis die laufenden Modellversuche zum
        Brustkrebs ausgewertet worden sind.
        Vor ein paar Monaten noch waren Sie, meine Damen
        und Herren der Regierungsfraktionen, da ganz anderer
        Meinung. Noch in der letzten Debatte Ende Januar dieses
        Jahres haben Sie lediglich auf die Modellversuche ver-
        wiesen. Jetzt aber ist hoffentlich klar: Unsere Forderun-
        gen nach einem flächendeckenden, qualitätsgesicherten
        und fachübergreifenden Brustkrebs-Früherkennungskon-
        zept waren von Anfang an richtig.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24961
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        Nach monatelangem Drängen unsererseits ist es uns im
        Mai dieses Jahres im Gesundheitsausschuss gelungen, ei-
        nen Durchbruch bei der Verbesserung der Brustkrebs-
        früherkennung zu erreichen. Nach dem Änderungsantrag
        aller Fraktionen zu dem heute zu diskutierenden Antrag
        der Regierungsfraktionen sollen bis 2003 die Vorausset-
        zungen für ein flächendeckendes Screening-Programm
        für Frauen nach den europäischen Leitlinien durch zerti-
        fizierte Mammographie-Einrichtungen geschaffen wer-
        den. Dieser Erfolg ist viel wert und ich möchte auch ganz
        klar sagen: Es war sehr wichtig und notwendig, dass diese
        Erkenntnis nun endlich von allen Fraktionen mitgetragen
        wird. In diesem Zusammenhang war mir persönlich fol-
        gender Punkt des Änderungsantrages besonders wichtig:
        Wenn bis 2003 vonseiten der gemeinsamen Selbstverwal-
        tung von Ärzten und Krankenkassen dieses wichtige Vor-
        haben nicht umgesetzt wird, soll eine gesetzliche Rege-
        lung auf den Weg gebracht werden. Die Einführung des
        flächendeckenden Screening-Programmes soll so nach-
        haltig beschleunigt werden.
        Die Forderung nach einer qualitätsgesicherten und
        flächendeckenden Früherkennung muss mit der Nutzung
        der in Deutschland vorhandenen Versorgungsstrukturen
        verknüpft werden. Diese sind nicht immer unmittelbar
        vergleichbar mit denen anderer europäischer Länder und
        dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden. Eine
        ausschließliche Konzentration auf Frauengesundheits-
        zentren schränkt unsere Chancen auf eine bessere Frau-
        engesundheit ein. Wir brauchen die Möglichkeit, auf ge-
        wachsene und flächendeckende Strukturen zurückgreifen
        zu können.
        Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kas-
        senärztliche Bundesvereinigung haben angekündigt, die-
        ser Forderung nachzukommen. Dies begrüße ich nach-
        drücklich. Gleichzeitig möchte ich an dieser Stelle an die
        Verantwortung erinnern, die dieser Ankündigung inne-
        wohnt. Ich appelliere an dieser Stelle an die Krankenkas-
        sen und Ärzte: Enttäuschen Sie die Hoffnungen vieler
        Frauen nicht. Viele Menschenleben können auf diesem
        Wege gerettet werden.
        Wenn der heute vorliegende Antrag mit unseren Ände-
        rungen bald umgesetzt wird, können sich bald alle betrof-
        fenen Frauen einem qualitätsgesicherten Screening unter-
        ziehen: nicht mehr nur jene, die in Modellregionen
        wohnen. Dies ist eine Chance im Kampf gegen den Brust-
        krebs, die wir nicht verstreichen lassen dürfen. Die Ver-
        einbarung, auf die Länder einzuwirken, ein vollständiges,
        flächendeckendes Krebsregister einzurichten, ist eben-
        falls mehr als sinnvoll. Ein solches Krebsregister ist not-
        wendig für eine nachhaltige Gesundheitsberichterstat-
        tung, die weitere Forschung und für den Aufbau
        verbesserter Behandlungsqualität. Jetzt muss nachdrück-
        lich darauf hingewirkt werden, dass diese Vereinbarung
        auch umgesetzt wird. An dieser Stelle möchte ich
        nochmals deutlich machen: Mindestens ebenso wichtig
        wie die richtige Bekämpfung einer Krankheit ist die
        Prävention. Erfolgreiche Früherkennung braucht hohe
        Beteiligungsquoten. Deshalb brauchen wir mehr Öffent-
        lichkeitsarbeit und eine verstärkte Patientinnenberatung.
        Hier muss die Politik ansetzen. Das von der Union gefor-
        derte „Aktionsprogramm Prävention“ ist hier der richtige
        Weg zum Ziel. Um die verschiedenen Anreizsysteme zur
        Verbesserung der Inanspruchnahme von Präventionsleis-
        tungen sinnvoll zu nutzen und auszubauen, brauchen wir
        ein Präventionsgesetz, mit dem eine Bündelung der Vor-
        gaben erreicht werden kann. Die Zeit drängt. Mehr Vor-
        sorge ist vordringlich. Um mehr in der Bekämpfung des
        Brustkrebses erreichen zu können, ist ein ganzheitliches
        Vorgehen notwendig. Die Brustkrebs-Vorsorge und die
        Brustkrebs-Behandlung sind hierbei zwei Aspekte, die
        nicht auseinander dividiert werden dürfen. Die Qualität
        der Brustkrebs-Behandlung muss gesichert werden. Die
        Bundesregierung versucht derzeit, eine Qualitätsver-
        besserung durch das Disease-Management-Programm
        „Brustkrebs“ zu erreichen. Dabei hapert es gewaltig.
        Mit großer Enttäuschung musste ich am vergangenen
        Mittwoch in der Fragestunde feststellen, dass die Bun-
        desregierung, vertreten durch die Parlamentarische
        Staatssekretärin Schaich-Walch, von der berechtigten
        Kritik der „Konzertierten Aktion Brustkrebs-Früherken-
        nung in Deutschland“ bislang keine Kenntnis genommen
        hat. Es ist ein Skandal, dass ein Offener Brief an die Bun-
        desgesundheitsministerin vom 20. Juni 2002 einfach
        ignoriert wird. Qualitätssicherung in der Behandlung ist
        mit einer derartigen Scheuklappenpolitik und einem
        ignoranten Umgang mit berechtigter Kritik nie und nim-
        mer zu erreichen. Die Bundesregierung ist offensichtlich
        der Ansicht, dass eine notwendige enge Verzahnung der
        Brustkrebsfrüherkennung und -versorgung mit dem
        Disease-Management-Programm weder gegeben noch
        beabsichtigt sein soll. Dies halten wir für einen grundle-
        genden Fehler. Ich möchte Sie über die Kritikpunkte der
        „Konzertierten Aktion zur Brustkrebs-Früherkennung“
        nicht weiter in Unkenntnis verweilen lassen. Es wird kri-
        tisiert, dass die Beschlussvorlage zur Umsetzung des
        Disease-Management-Programms ungeeignet ist, um die
        Versorgung von Frauen mit Brustkrebs substanziell zu
        verbessern und die Früherkennung grundlegend voranzu-
        bringen. Diese Kritik hat Hand und Fuß, denn für ein wir-
        kungsvolles Disease-Management-Programm Brustkrebs
        sind folgende Prämissen notwendig: Erstens: Eine leitli-
        nienkonforme Ausgestaltung des Programms muss
        gewährleistet sein. Nur dann ist es möglich, Qualität zu
        sichern und ein Datenmanagement zu begründen. Zwei-
        tens: Das Disease-Management-Programm darf nicht los-
        gelöst von einem Konzept der Brustkrebsfrüherkennung
        betrachtet werden. Drittens: Den negativen Erfahrungen
        bei den Modellversuchen muss Rechnung getragen wer-
        den: Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der
        multidisziplinären Versorgungskette ist dringend erfor-
        derlich. Diese unverzichtbaren Voraussetzungen sind im
        Programm der Bundesregierung nicht erfüllt. Auch von-
        seiten der Women’s Health Coalition wird darauf hinge-
        wiesen, dass der derzeitige Entwurf zu einem
        Disease-Management-Programm Brustkrebs nicht nur
        unbrauchbar sei, sondern sogar Risiken für die Versor-
        gung an Brustkrebs erkrankter Frauen erwarten lasse. Vor
        diesem Hintergrund ist Folgendes nicht mehr von der
        Hand zu weisen: Sie wollen von dem Zeitrahmen, der zu
        einer Erstellung einer leitlinienkonformen Beschlussvor-
        lage notwendig ist, abrücken, um noch vor der Bundes-
        tagswahl – wenn auch zweifelhafte – Ergebnisse in der
        Frauengesundheitspolitik vorweisen zu können. Sie be-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224962
        (C)
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        treiben Wahlkampf auf Kosten der Frauengesundheit in
        Deutschland und nehmen dabei sehenden Auges Ver-
        schlechterungen für die betroffenen Frauen in Kauf. Wir
        stellen uns einem solchen Vorgehen entgegen. Die
        Qualität bei der geplanten Verbesserung der Brustkrebs-
        früherkennung darf nicht einem Wahlkampfaktionismus
        zum Opfer fallen. Die Kritik der Fachleute muss aufge-
        nommen werden, um ein Versagen der Versorgungs-
        kette in Zukunft verhindern zu können. Wir in der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden eine Mogel-
        packung nicht unterstützen. Nach dem Wahlsieg der
        Union am 22. September dieses Jahres werden wir grund-
        legende Verbesserungen in der Frauengesundheit durch-
        setzen.
        Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Wenn wir, von einem „Gesamtkonzept zur Verbesserung
        der Versorgung bei Brustkrebs“ sprechen, dann sprechen
        wir über geschlechtsspezifische Gesundheitsversorgung
        in einem Gesamtsystem, das bislang eklatante Qualitäts-
        mängel in der Früherkennung und in der Ausschlussdia-
        gnostik sowie in den Behandlungsstandards hervorge-
        bracht hat. Ich möchte sagen: Gäbe es uns Frauen in der
        Schaltstelle der Gesundheitspolitik nicht, dann hätte sich
        daran auch noch eine Weile nichts Wesentliches geändert.
        Lange genug wurde das unterdurchschnittliche Pro-
        blembewusstsein in Deutschland bei Kassen, Politik und
        organisierter Ärzteschaft nacht skandalisiert. Deshalb
        lobe ich uns Frauen im Parlament und in der Öffentlich-
        keit, das Engagement der Patientinnengruppe, ohne die es
        nicht zu diesem qualitativen Sprung gekommen wäre. Als
        Nebeneffekt oder Mitnahmeeffekt lernt das System insge-
        samt, wie aus der Perspektive von Erkrankten – „potenzi-
        ell betroffene Nutznießerinnen“ – von Veränderungen. Sie
        werden durch qualifizierte Früherkennungsangebote, Re-
        formmaßnahmen, die diesen Namen verdienen, in das
        deutsche Gesundheitswesen Einzug finden können. Sie
        geben Beispiel, wie das Gesundheitssystem zukunftsfähi-
        ger und effizienter gemacht wird.
        Es sei hier noch einmal betont: Die Selbstverwaltung,
        Ärzte, Krankenkassen, die für die Etablierung und Wei-
        terentwicklung von Gesundheitsversorgung die Zustän-
        digkeit haben, haben an Lösungsoptionen am Überwin-
        den lebenszeitfressender Fehlallokationen kein echtes
        Interesse gezeigt. Anders in anderen europäischen Staa-
        ten. Dort wurden Qualitätsstandards entwickelt und im-
        plementiert. Hier bei uns bedurfte es ausdrücklicher par-
        lamentarischer Einflussnahme, weil sonst wieder im
        Interessendschungel von Fachgesellschaften, kassenärzt-
        lichem Sicherstellungsauftrag und separiertem Versor-
        gungssektor die Gesundheit der Frau der nachrangigste
        Faktor geblieben wäre, um den man sich streitet.
        Obgleich – das sei auch gesagt – es hervorragende me-
        dizinische Angebote gibt, Frauen mit Brustkrebs mit
        hochinnovativen Verfahren zu therapieren, bleiben doch
        die Standards unterschiedlich. Und für die betroffenen Pa-
        tientinnen ist es meist unklar, ob sie die beste Therapie
        zum richtigen Zeitpunkt erfahren.
        Das Disease-Management-Program, so lautet das Vor-
        haben der Ministerin, soll hier zu einheitlichen oder ver-
        gleichbar hohen Standards an allen Orten der Kranken-
        versorgung führen. So wie die Lage der DMP nach dem
        Scheitern auf der Ebene der Kassenärztlichen Bundesver-
        einigung sich darstellt, kann ich Stand heute nicht sagen,
        ob sich überall für alle an Brustkrebs erkrankten Frauen
        gleiche Bedingungen nach dem Behandlungsprogramm
        vorfinden lassen werden. DMP an den Risikostrukturaus-
        gleich zu koppeln, das war von Anfang an klar, ist pro-
        blematisch, weil es eigentlich RSA-System fremd sind.
        Aber heute geht es darum, nach einem guten Bera-
        tungsverlauf den von Frau Kühn-Mengel und mir maß-
        geblich entwickelten Antrag zu beschließen. Er beinhaltet
        im Detail, darauf hinzuwirken, dass die Spitzenverbände
        der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesverei-
        nigung ab dem Jahr 2003 ein flächendeckendes Scree-
        ning-Programm für Frauen nach den europäischen Leit-
        linien durch zertifizierte Mammographie-Einrichtungen
        einführen müssen, was sie angekündigt haben und an die-
        ser Stelle zu würdigen ist. Und für den Fall, dass das nicht
        so kommt, eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu
        bringen.
        Die am Screening teilnehmenden Zentren müssen nach
        Leitlinien der Europäischen Union von den Spitzenver-
        bänden der Krankenkassen unter Einbeziehung unabhän-
        gigen wissenschaftlichen Sachverstands nach den EUREF-
        Standard zertifiziert werden. Darüber hinaus soll die
        Selbstverwaltung bis zum Jahr 2005 alle ambulant durch-
        geführten Mammographien, das heißt auch die der Ab-
        klärung von verdächtigen Befunden dienenden Mammo-
        graphien, in die am Screening teilnehmenden Zentren
        überführen. In die Finanzierung der Screening-Pro-
        gramme sind die bisher von den Krankenkassen über die
        Gesamtvergütung für Mammographie aufgebrachten Mit-
        tel einzubringen. Im Weiteren soll auf die Länder einge-
        wirkt werden, ein vollständiges, flächendeckendes Krebs-
        register nach IARC-Standard einzurichten, welches als
        Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung sowie für
        weitere klinische epidemilogische Forschung und damit
        auch dem Aufbau verbesserter Behandlungsqualität dient.
        Darüber hinaus ist es nötig, die Zertifizierung von Ein-
        richtungen zu fördern, die leitlinienorientierte, qualitäts-
        gesicherte Mammographie anbieten, die Qualität der
        Behandlung zu fördern, die Öffentlichkeit und die Patien-
        tinnenberatung zu verstärken sowie die Versorgungsfor-
        schung zu intensivieren. Dies zeigt auf, wie genau wir uns
        um die tatsächliche Implementierbarkeit der europäischen
        Standards ins spezielle deutsche System verständigt ha-
        ben. Denn wir wollen im Einzelnen erreichen, dass der
        mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz eingeschlagene
        Weg der Qualitätssicherung, der Möglichkeit zur inte-
        grierten Versorgung, der evidenzbasierten Medizin kon-
        sequent ausgebaut und gezielt die Qualitätsverbesserung
        in der Brustkrebsfrüherkennung gefördert wird. Dazu
        sind alle Voraussetzungen für die Einführung eines
        flächendeckenden Mammographie-Screenings nach eu-
        ropäischen Leitlinien zu schaffen.
        Mammographie-Screening ist eine Früherkennungs-
        maßnahme. Sie kann die Genesungschancen von Frauen
        mit Brustkrebs verbessern und in vielen Fällen Lebenszeit
        verlängern. Sie kann den Weg zu einer Therapie früher
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24963
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        öffnen. Sie ist ein Angebot, das nur für Frauen ab dem
        50. Lebensjahr sinnvoll ist. Mammographie-Screening ist
        für jüngere Frauen kein regelrechtes Angebot. Den eige-
        nen Körper kennen, die Brust ertasten, keine Ängste vor
        dem Älterwerden zu entwickeln, sorgsam mit der eigenen
        Brust sein, das ist etwas Wichtiges, das Frauen selbstver-
        ständlich leben können sollten.
        Und wenn eine Frau diese Krankheit trifft, soll sie sich
        gewiss sein können, dass sie die bestmögliche Medizin
        und menschliche Unterstützung findet. Denn gute Tech-
        nik und Chirurgie sind eben doch nur eine Weise, die hel-
        fen kann, eine Krankheit, die einer wiederfährt, zu durch-
        leben. Die andere Seite ist die seelische, die individuelle,
        die soziale Seite, die auch gelebt wird. Und deshalb ist
        eine ganzheitliche Betrachtung und eine multidisziplinäre
        Versorgung eine ebenfalls unverzichtbare Komponente
        im Behandlungsverlauf. Das kommt nach dem Befund
        „Brustkrebs“. Ob eine Frau an Brustkrebs erkrankt ist, ist
        unter Anwendung bester Diagnostik im Rahmen von
        Mammographie-Screening die entscheidende Frage. Erst
        wenn nicht „Nein“ gesagt werden kann, wenn ein positi-
        ver Befund vorliegt, kann die qualitätsgerichtete Behand-
        lungsleitlinie ihren Sinn erfüllen. Deshalb sollte von allen
        Parteien „Ja“ gesagt werden zu unserem Antrag einer ver-
        besserten Früherkennung für Frauen ab den Wechsel-
        jahren.
        Detlef Parr (FDP): Seit Wochen steht die Frage der
        Brustkrebs-Früherkennung auf der Agenda des Gesund-
        heitsausschusses – die Debatte hat der Sache leider bisher
        nicht so gedient, wie wir alle uns das gewünscht haben.
        Es gibt Streit bei den laufenden Modellversuchen, es gibt
        Streit bei der Implementierung des Disease-Management-
        Programms Brustkrebs. Es muss uns schon zu denken
        geben, wenn in Bremen ein namhaftes Institut aus dem
        Modellprojekt des Mammographie-Screenings mit der
        Begründung aussteigt, die Daten des Projektes sollten
        gar nicht erst ausgewertet werden, weil die politische
        Entscheidung über die Einführung eines bundesweiten
        Screenings im Jahre 2003 bereits gefallen sei. Die FDP
        hat auf dieses Problem bereits vor Wochen hingewiesen
        und die übereilte Festlegung der Regierungsfraktionen
        kritisiert. Laut Ärztezeitung vom 13. Juni 2002 ist damit
        die Basis für ein wirkungsvolles Screening in Gefahr,
        nämlich Vertrauen und Akzeptanz. Eine Konsens-Fin-
        dung ist eben unverzichtbar.
        Es muss uns ebenfalls zu denken geben, wenn die „Kon-
        zertierte Aktion Brustkrebs-Früherkennung in Deutsch-
        land“ nach einer Anhörung zur Beschlussvorlage des
        Koordinierungsausschusses zum Thema „Disease-Manage-
        ment-Programm Mammakarzinom“ Alarm schlägt – auch
        hier wieder wegen des Zeitdrucks, mehr aber noch wegen
        inhaltlicher Mängel und fehlender Abstimmung mit den
        Fachgesellschaften und Berufsverbänden.
        Danach verschlechtert sich sogar die Versorgungs-
        situation bis hin zu einer Gefährdung betroffener Frauen
        im Einzelfall. Die medizinischen Inhalte richten sich nicht
        an den Leitlinien aus. Folglich können Anforderungen an
        die notwendige Qualitätssicherung, die wir alle ja zu
        Recht immer wieder betonen, nicht formuliert werden.
        Auch die fach- und sektorübergreifende Zusammenarbeit
        als entscheidende Voraussetzung für den Erfolg eines
        Chroniker-Programms ist nicht geregelt. Um die Frage
        des Datenmanagements, die hochsensibel ist, weil den
        Krankenkassen erstmals über den bisherigen Rahmen hi-
        naus ohne Zustimmung der Betroffenen Daten übermittelt
        werden sollen, hat man sich herumgedrückt. Die Techni-
        ker-Krankenkasse beklagt den fehlenden verbindlichen
        Umfang an Prüfungen sowie wirksame Sanktionen bei
        festgestellten Fehlern und befürchtet Manipulationen im
        Zusammenhang mit dem RSA.
        Die FDP hat in ihrem Antrag, der noch in der Beratung
        ist, neben dem Selbstbestimmungsrecht der Frau zwei For-
        derungen in den Mittelpunkt gerückt:
        Erstens. Eine qualitätsgesicherte Diagnosekette ist an-
        stelle einer Fokussierung auf die Mammographie zu ga-
        rantieren.
        Zweitens. Zur Sicherung einer qualitätsgesicherten
        Brustkrebs-Früherkennung muss eine systematisch evi-
        denz- und konsensbasierte Leitlinie für eine Diagnose-
        kette implementiert werden.
        So einig wir uns in der Zielsetzung sind, so unter-
        schiedlich sind die Schwerpunkte, die wir setzen. Die
        wachsende Kritik an den Vorstellungen von Rot-Grün
        sollte dazu führen, den Antrag noch einmal zu überarbei-
        ten. Wir lehnen ihn in der vorliegenden Fassung ab, ste-
        hen aber gerne zu Abstimmungsgesprächen der dringen-
        den Sache wegen zur Verfügung.
        Petra Bläss (PDS): Spät, aber nicht zu spät kommt
        die über die Jahre geführte Parlamentsdebatte über die
        Brustkrebsprävention und -bekämpfung zu einem vorläu-
        figen Abschluss. Mittlerweile erkrankt jede zehnte Frau in
        Deutschland an Brustkrebs. Dabei ist die Brustkrebsrate
        hier zu Lande nicht wesentlich höher als in anderen euro-
        päischen Staaten – jedoch die Sterblichkeitsrate ist es.
        Durch das Fehlen von Früherkennungsprogrammen ster-
        ben bei uns ein Drittel mehr Frauen an dieser Krankheit
        als in den Niederlanden, Großbritannien und Schweden.
        Das ist ein Skandal.
        Seit Jahren verweisen Brustkrebsinitiativen darauf,
        dass sich die Zahl der Todesfällle durch Brustkrebs durch
        qualitätsgesicherte Früherkennung nach europäischen
        Leitlinien erheblich senken lässt. Deswegen stimmen wir
        den beiden vorliegenden Anträgen der Koalition und der
        FDP zu, mit denen das Screening für Frauen ab 50 Jahren,
        flächendeckend eingeführt werden soll. Hierbei muss je-
        doch beachtet werden, dass in Deutschland Frauen nicht
        nur wegen fehlenden qualitätsgesicherten Mammogra-
        phien sterben, sondern auch traumatischen körperlichen
        und psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Deshalb
        unterstützen wir vor allem die in den Anträgen geforderte
        Einführung von verbindlichen Qualitätsstandards und ex-
        ternem Qualitätsmonitoring. Denn es darf nicht länger
        sein, dass die Qualität der Beratung, Diagnose, Therapie
        und Nachsorge und somit die Überlebenschance von
        Brustkrebspatientinnen von Ärzten zu Ärzten unter-
        schiedlich ist. Frauen dürfen hierzulande nicht länger von
        der Willkür der Ärtze und Ärztinnen abhängig sein, ob bei
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224964
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        ihnen eine Mammographie durchgeführt wird oder nicht.
        Außerdem ist es eine Schande, dass in Deutschland Ärzte
        und Ärztinnen Untersuchungen durchführen dürfen, für
        die sie nicht speziell geschult sind und obendrauf auch
        noch Apparaturen verwenden, die schon längst veraltet
        sind. So wurde in Essen 300 Frauen eine Brust amputiert,
        weil der Arzt die Mammographiebilder nicht lesen
        konnte. Kein Wunder, denn nur sehr gut ausgebildete
        Ärzte und Ärztinnen sind in der Lage, Mammographien
        richtig zu interpretieren sowie brusterhaltende Krebs-
        therapien vorzunehmen.
        All dies ist aber nicht genug, denn Mammographien
        helfen vorrangig nur den 50- bis 70-jährigen Frauen. Was
        passiert mit allen anderen, die ebenfalls von Brustkrebs
        betroffen sind? Nicht nur in andern Ländern, sondern
        auch in Deutschland muss es letztlich darum gehen, den
        Brustkrebs vollständig auszurotten. Was wir brauchen ist
        also nicht nur eine intensivere Versorgungsforschung, wie
        von der Koalition gefordert, sondern auch eine stärkere
        Finanzierung der Krebsursachenforschung und Krebs-
        prävention. Denn seit Jahren stellen wir eine Zunahme
        von Brustkrebserkrankungen fest und wissen noch immer
        relativ wenig über die Ursachen. Die Erstellung eines
        flächendeckendes Krebsregisters, wie in den Anträgen ge-
        fordert, ist dazu nur ein erster Schritt.
        Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit: Die
        Früherkennung und Versorgung bei Brustkrebs müssen
        verbessert werden, weil sie Leben retten können. Darüber
        sind wir uns alle einig. Im Gegensatz zu einigen Nach-
        barländern gibt es in Deutschland noch kein Mammo-
        graphie-Screening-Programm nach europäischen Leit-
        linien. Das heißt: keine Doppelbefundung, keine tägliche
        Qualitätskontrolle der Technik, die Mindestzahl von
        5 000 Mammographien pro Jahr und Auswerter wird oft
        nicht erreicht und es gibt kein Einladesystem für die be-
        troffenen Frauen. Das alles soll sich ändern durch ein qua-
        litätsgesichertes Mammographie-Screening-Programm
        für Deutschland.
        Zu viel Zeit ist in der Vergangenheit vertan worden.
        Schon Anfang 1998 habe ich dem Kollegen Seehofer ge-
        schrieben, dass ich die Einführung des Screenings in
        Deutschland und eine systematische Qualitätssicherung
        für einen wichtigen und längst überfälligen Schritt halte.
        Rund ein halbes Jahr später hat mir Herr Seehofer seine
        Unterstützung bei der Durchführung von Modellversu-
        chen zugesagt.
        Aber erst nach dem Regierungswechsel haben wir er-
        reicht, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Kranken-
        kassen die Modellversuche zum Mammographie-Scree-
        ning beschlossen hat. Sie sind gut angelaufen und die
        Basis für den Beschluss des Bundesausschusses zur
        flächendeckenden Einführung eines Mammographie-
        Screening-Programms im nächsten Jahr. Ich habe keinen
        Zweifel, dass der Bundesausschuss alle notwendigen
        Maßnahmen ergreift, damit ab nächstem Jahr alle Frauen
        zwischen 50 und 70 mammographiert werden können,
        und zwar nach strengen Regularien, die für eine qualitäts-
        gesicherte Durchführung nach den europäischen Leitli-
        nien unverzichtbar sind.
        Ich verspreche Ihnen: Sollte die Selbstverwaltung wi-
        der Erwarten ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen,
        dann werde ich die Initiative ergreifen.
        Ich bin aber optimistisch, denn die Selbstverwaltung
        hat ihre Handlungsfähigkeit mit neuen, stringenten Qua-
        litätssicherungsregelungen für die kurative Mammogra-
        phie bewiesen. Neben der Mammographie gibt es bereits
        heute Angebote zur Brustkrebsfrüherkennung im Rahmen
        des jährlichen Krebsfrüherkennungsprogramms. Wir
        müssen die Frauen noch stärker als bisher motivieren,
        diese Angebote anzunehmen.
        Wir haben das umgesetzt, was die Opposition während
        ihrer Regierungszeit nicht geschafft hat: Den Beginn ei-
        nes flächendeckenden, qualitätsgesicherten Früherken-
        nungsprogramms und eine bessere Versorgung von Brust-
        krebspatientinnen.
        Ab dem 1. Juli können Brustkrebspatientinnen an Di-
        sease-Management-Programmen teilnehmen. Diese Pro-
        gramme stellen sicher, dass in Zukunft unnötige Brust-
        amputationen vermieden, notwendige Bestrahlungen
        gesichert und der psychosozialen Betreuung und Beglei-
        tung der Patientinnen ein großer Stellenwert eingeräumt
        wird.
        Alle diese Maßnahmen: Mammographie-Screening,
        Qualitätssicherungsvereinbarung der Selbstverwaltung,
        Früherkennung für Frauen ab 30, aber auch die novellierte
        Strahlenschutzverordnung des Bundesministeriums für
        Umwelt, Brustkrebs als Gesundheitsziel, die Einrichtung
        des Brustkrebstelefons beim Deutschen Krebsfor-
        schungszentrum und die laufende finanzielle Unterstüt-
        zung der Krebsregister der Länder zeigen: Wir machen
        keine leeren Versprechungen. Wir haben ein umfassendes
        Programm. Wir verbessern die Früherkennung, Diagnos-
        tik und Behandlung bei Brustkrebs entscheidend.
        Anlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrages: Deutsche Einheit in
        der Bundeswehr herstellen (Tagesordnungs-
        punkt 32)
        Uwe Göllner (SPD): Schon der Titel des Antrages
        transportiert, die Deutsche Einheit sei in der Bundeswehr
        noch nicht vollendet. Ich wage zu behaupten, diese Mei-
        nung vertritt nur eine Fraktion in diesem Hause, nämlich
        die Antragsfraktion.
        Ich habe nichts dagegen, dass uns vornehmlich durch
        die PDS-Fraktion die jüngste Vergangenheit immer wie-
        der einholt. Ihr selbst geht es trotz stets versicherter in-
        nerparteilicher Aufarbeitung ja ebenso. Auch wenn der
        Weg der wirtschaftlichen und sozialen Angleichung zwi-
        schen Ost und West noch nicht abgeschlossen ist, möchte
        ich hier und heute betonen, dass gerade die Bundeswehr
        ein Schrittmacher der inneren Einheit Deutschlands ist.
        Nirgendwo sonst wurde eine engere deutsch-deutsche
        Integration und Zusammengehörigkeit befördert. Denn
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24965
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        obwohl die Kreiswehrersatzämter versuchen, die Wehr-
        pflichtigen möglichst heimatnah einzusetzen, geht es
        doch häufig über die Bundesländergrenzen hinaus.
        Die PDS erweckt mit ihrem Antrag hingegen den Ein-
        druck, die Bundeswehr sei von einer „Einheit“ noch wei-
        ter entfernt als beisammen. Dass dem nicht so ist, zeigen
        rund 11 000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 50 000 zivile
        Mitarbeiter der ehemaligen NVA, die in die Bundeswehr
        integriert wurden. Das ist menschlich und organisatorisch
        eine einmalige Leistung.
        18 bedeutende Führungs- und Ausbildungszentren der
        Bundeswehr befinden sich in den neuen Bundesländern,
        darunter die Offiziersschule des Heeres in Dresden, das
        Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Altmark, ein
        Marineamt in Rostock, die Bundeswehrkrankenhäuser in
        Berlin und Leipzig, das zentrale Institut des Sanitätsdiens-
        tes der Bundeswehr in Berlin und das militärgeschichtli-
        che Forschungsinstitut in Potsdam.
        Als stellvertretender Vorsitzender des Unterausschus-
        ses „Streitkräftefragen in den neuen Bundesländern“
        überzeuge ich mich regelmäßig bei Besuchen der Stand-
        orte von den Fortschritten dieses Entwicklungsprozesses.
        Vor dieser Bilanz schlägt die PDS dagegen das Jahr 1990
        und sogar das Jahr 1962 im Buch der Weltgeschichte
        wieder auf: Kuba-Krise, Führungsmächte, NATO,
        Warschauer Pakt – der altbekannte geschichtspolitische
        Exkurs der PDS: Kalter Krieg zur Erhaltung des Weltfrie-
        dens. Mit dem Antrag, der hier beraten wird, möchte sie
        der NVA endlich einen gebührenden Platz in der deut-
        schen Geschichte verschaffen. Bedauerlich, dass sie dafür
        geltendes Recht in einen falschen Zusammenhang stellt
        bzw. die Intention relevanter Gesetze verfremdet.
        Dies tut sie zum Beispiel mit der Forderung „Wehr-
        dienst in fremden Streitkräften“. Zu Beginn ihres Antra-
        ges stellt die PDS-Fraktion noch korrekt fest, dass die
        Bundesrepublik gemäß Einigungsvertrag nicht die
        Rechtsnachfolge für die NVA angetreten hat. Das heißt,
        die NVAwurde vor dem Beitritt aufgelöst und nicht in das
        staatliche Ordnungsgefüge übernommen. Für die unter
        25-jährigen Männer hätte eine solche institutionelle
        Übernahme unter Umständen bedeutet, dass ihr bereits in
        der DDR abgeleisteter Grundwehrdienst nicht zwangs-
        läufig angerechnet worden wäre. Um zu verhindern, dass
        sie erneut zum Grundwehrdienst eingezogen werden,
        fand für die betroffenen Jahrgänge stattdessen § 8 des
        Wehrpflichtgesetzes Anwendung. Danach kann das Bun-
        desministerium der Verteidigung den Wehrdienst als ge-
        leisteten anderen Dienst anerkennen, wenn er in fremden
        Streitkräften bereits geleistet wurde.
        Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, die PDS
        versucht hier mit ihrer Forderung, ehemalige Soldaten der
        NVA nicht länger als „Gediente in fremden Streitkräften“
        zu beurteilen, eine in meinen Augen Begünstigung in eine
        Benachteiligung zu verkehren. Im Übrigen bezeichnet
        § 8 des Wehrpflichtgesetzes seit 1956 jeglichen Dienst in
        einer anderen Armee als der Bundeswehr als „Wehrdienst
        in fremden Streitkräften“, ohne dass daran jemals Betrof-
        fene oder fremde Staaten Anstoß genommen hätten.
        Dieselbe Umkehrung von Ursache und Wirkung findet
        sich bei der Forderung nach voller bzw. genereller Aner-
        kennung der Laufbahn, von NVA-Vordienstzeiten, von
        Dienstgradbezeichnungen der NVAund von militärischen
        Bildungsabschlüssen.
        Für das Weiterführen von NVA-Dienstgraden mit dem
        Zusatz „a. D.“ oder „d. R.“ fehlt ebenfalls die Rechts-
        grundlage. Die Reservistenverordnung der DDR wurde
        nicht in den Einigungsvertrag übernommen, wodurch die
        früher geltenden Befugnisse erloschen. Das Bundesver-
        teidigungsministerium stellte bei gegebenen Anlässen
        stets klar, dass in der DDR erworbene Dienstgradbe-
        zeichnungen mit und ohne Zusätzen nicht geführt werden
        dürfen. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die anderen
        Teilbereiche des öffentlichen Dienstes, wie zum Beispiel
        bei der Polizei, beim Zoll, beim Auswärtigen Dienst und
        als Minister. Aus diesen Bereichen wurden allerdings
        auch nie Forderungen der Art erhoben, Amts- und Dienst-
        bezeichnungen aus der DDR weiterzuführen.
        In einem weiteren Punkt wird die Übernahme von
        Sanitätsoffizieren auf Zeit zu Berufsoffizieren gefordert.
        Wie die PDS in der Begründung dazu ausführt, sind es nur
        wenige Sanitätsoffiziere auf Zeit, die bis heute wegen der
        soldatenrechtlichen Bestimmungen im Einigungsvertrag
        nicht in Dienstverhältnisse von Berufssoldaten übernom-
        men werden konnten. Denn danach durfte der Zeitsoldat
        zum Zeitpunkt der Umwandlung des Dienstverhältnisses
        das 50. Lebensjahr nicht vollendet haben. Ähnliche Alters-
        vorgaben finden wir im Öffentlichen Dienstrecht. Hier lie-
        gen die Altersgrenzen für Beamtenanwärter in der Regel
        noch wesentlich unter der eben genannten. Hinzu kam, dass
        durch einen Überhang von geeigneten jüngeren Bewerbern
        zum damaligen Zeitpunkt auch kein Raum für Ausnahme-
        zustimmungen des Bundesfinanzministers blieb.
        Den lebensälteren Sanitätssoldaten wurde jedoch – wo
        immer möglich – eine Dienstverlängerung als Soldat auf
        Zeit bis zum Erreichen der geltenden Altersgrenzen ange-
        boten. Ausscheidende Sanitätsoffiziere wurden mit zu-
        sätzlichen Haushaltsmitteln bei der zivilen Weiterbe-
        schäftigung unterstützt. Mit der Ausplanung des
        Personalstrukturmodells 2000 ergab sich in der Sanitäts-
        gruppe ein erhöhter Personalbedarf, sodass den Betref-
        fenden erneut Dienstverlängerungen angeboten wurden.
        Mit dieser Maßnahme wurde auch die letzte Lücke bei
        den Sanitätsoffizieren zwischen Dienstzeit und gesetzli-
        chem Rentenanspruch geschlossen. Die Forderung der
        PDS aus Gerechtigkeitsgründen ist demzufolge längst
        überholt.
        Noch einige Worte zu der Forderung, Soldaten und zi-
        vile Beschäftigte in der Bundeswehr in Ost und West ein-
        heitlich mit 100 Prozent zu besolden. Ich verrate kein Ge-
        heimnis, wenn ich Ihnen sage, dass es ein wesentliches
        politisches Ziel der Bundesregierung bleibt, die ostdeut-
        schen Bezüge an das westdeutsche Niveau anzugleichen.
        Immer wieder hat sie mit Unterstützung des Verteidi-
        gungsausschusses Anlauf genommen, eine Angleichung
        der Besoldung herbeizuführen.
        Seit der Herstellung der deutschen Einheit ist es jedoch
        bewährte Praxis, die von den Tarifparteien für den öffent-
        lichen Dienst in den neuen Bundesländern getroffenen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224966
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        Vereinbarungen zeit- und inhaltsgleich auf Beamte,
        Richter und Soldaten zu übertragen: Da die meisten Be-
        amten im Dienste der Länder stehen und die Regelungen
        den Bundesrat passieren müssen, war die vollständige An-
        passung bislang wegen der fehlenden Zustimmung der
        Länder nicht möglich. Dazu zählen auch Länder, in denen
        die PDS an der Regierung beteiligt ist. Die Laufzeit der
        derzeitigen Tarifvereinbarung endet am 31. Dezember
        2002. Bundeskanzler Schröder hat bereits auf dem Partei-
        tag im März dieses Jahres in Magdeburg den Vorschlag
        aus Sachsen-Anhalt unterstützt, die Ost-Tarife bis spätes-
        tens 2007 auf 100 Prozent anzuheben.
        Eine eigenständige Besoldung für die Bundeswehr,
        über die ebenfalls von uns diskutiert wurde, lehnte der
        Deutsche Bundeswehrverband ab. Er befürchtet, dass sich
        die Vorteile, die sich kurzfristig aus einer Abkopplung
        vom übrigen öffentlichen Dienst ergeben, sich mittel-
        oder langfristig bei Tarifverhandlungen vielleicht als
        Nachteil entpuppen könnten.
        Soweit die Zuständigkeit allein beim Bund liegt, hat
        der seine Hausaufgaben gemacht. Der Wehrsold für un-
        sere Wehrpflichtigen wird seit dem Zusammenschluss
        von NVAund Bundeswehr überall in der Republik in ein-
        heitlicher Höhe gezahlt.
        Dass wir bei der „Herstellung der deutschen Einheit in
        der Bundeswehr“ schon so weit vorangekommen sind, ist
        das Verdienst aller Parteien hier im Deutschen Bundestag
        und aller Menschen hier im Land. Bei der vorhin vorge-
        tragenen Bilanz um das Erreichen gleicher Verhältnisse
        – auch in der Bundeswehr – ist deutlich geworden: Es ist
        immer Raum für Kritik bzw. es gibt stets beste Gründe für
        weitere Verbesserungen. Doch ebenso lohnt sich gerade
        hier auch der Blick auf bereits Erreichtes. Die PDS reißt
        auch mit diesem Antrag wieder Tatsachen aus dem Zu-
        sammenhang und verallgemeinert. Keine von ihr aufge-
        zählte Benachteiligung hält einer Überprüfung stand. Ich
        bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen.
        Kurt Palis (SPD): Die PDS trägt auch mit diesem An-
        trag wieder ein selbstgewirktes Banner sozialer Gerech-
        tigkeit vor ihr Wahlvolk. Diesmal geht es ihr darum, in der
        Bundeswehr „die Deutsche Einheit ... herzustellen“.
        Wir Sozialdemokraten halten den Antragstellern ent-
        gegen: Die Bundeswehr verdient das Lob, das mit dem
        Begriff „Armee der Einheit“ ausgedrückt wird, zu Recht.
        In kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich ist der
        Prozess des Zusammenwachsens so zügig, so konfliktfrei
        und so erfolgreich für die Beteiligten auf beiden Seiten
        vonstatten gegangen wie bei unseren Soldatinnen und
        Soldaten. Die PDS sollte sich mit mir darüber freuen, statt
        zu behaupten, die Realität sehe anders aus. Sie sollte wei-
        terhin den Begriff der „Armee der Einheit“ nicht länger
        als bloßes Schlagwort diffamieren sowie die dreiste For-
        mulierung nicht weiter verwenden, die Zusammen-
        führung beider Armeen sei „einseitig zulasten der Solda-
        ten der NVA“ gegangen. Zulasten der NVA, das wäre
        sogar richtig, nicht aber zulasten der Soldaten!
        Ich hatte in der auslaufenden Wahlperiode Gelegen-
        heit, fast alle wichtigen Standorte in den ostdeutschen
        Ländern zu besuchen. Im Unterausschuss „Streitkräfte-
        fragen in den Neuen Bundesländern“ haben wir gesehen,
        wie stark die Investitionen in Material und Unterbringung
        nach Osten verlagert worden sind. Haben Sie von der PDS
        eine Ahnung, warum das geschehen ist? Mich würde nicht
        wundern, wenn Sie es nicht wüssten. Denn in den vier
        Jahren habe ich aus Ihren Reihen keine nennenswerte
        Mitarbeit beobachten können. Auch die Gespräche mit
        Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr in Ost-
        deutschland haben wir in Ihrer Abwesenheit bestritten.
        Menschenwürdige Bedingungen zur Verrichtung des
        Dienstes sind doch nicht von der NVA hinterlassen wor-
        den. Sie sind mit erheblichem Aufwand erst nach der Deut-
        schen Einigung geschaffen worden. Und dafür sind auch
        die Ehemaligen der NVA immer wieder dankbar gewesen.
        Natürlich, bei unseren Gesprächen kamen auch Pro-
        bleme zur Sprache. Immer wiederkehrend und bis heute
        unbefriedigend geregelt: die Angleichung der Besoldung
        von Ost und West. Wir haben immer wieder deutlich ge-
        macht, dass dies ein wesentliches politisches Ziel sein
        muss. Wir haben in dieser Frage auch die Unterstützung
        des Bundesverteidigungsministeriums. Auch dort weiß
        man, dass die noch bestehenden Unterschiede in der Be-
        soldung den Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Bun-
        deswehr in den ostdeutschen Bundesländern kaum noch
        zu vermitteln sind. Aber mit Ausnahme der PDS und der
        FDP, die mit der Scheinlösung einer eigenen Soldatenbe-
        soldungsordnung Don Quichotes Siege nachstellen will,
        wissen alle in diesem Hause, dass die weitere Anglei-
        chung den Tarifparteien überlassen bleiben muss.
        Ihre Vereinbarungen für den öffentlichen Dienst in den
        ostdeutschen Ländern werden alsdann im Wesentlichen
        inhalts- und zeitgleich auf die Beamten- und Soldatenbe-
        soldung übertragen. Die letzte Anpassung wurde mit Ge-
        setzesdatum vom 19. April 2001 vollzogen. Ich nutze gern
        die Gelegenheit, die Entwicklung der Bemessungssätze
        seit 1991 kurz darzustellen: 1. Juli 1991 : 60 von Hundert;
        1. Mai 1991 : 70 von Hundert; 1. Dezember 1992 : 74 von
        Hundert; 1. Juli 1993 : 80 von Hundert; 1. Oktober 1994 :
        82 von Hundert; 1. Oktober 1995 : 84 von Hundert; 1. Sep-
        tember 1997 : 85 von Hundert; 1. September 1998 : 86,5 von
        Hundert; 1. August 2000 : 87 von Hundert; 1. Januar 2001 :
        88,5 von Hundert; 1. Januar 2002 : 90 von Hundert.
        Die Laufzeit der derzeitigen Tarifvereinbarung endet
        am 31. Dezember 2002. Die Frage der weiteren Anpas-
        sungsschritte wird in den nächsten Tarifverhandlungen si-
        cherlich eingehend erörtert werden. Bundeskanzler
        Schröder hat in einer Rede am 10. März dieses Jahres aus-
        geführt, dass er sich vorstellen könne, dass die Tarife im
        Osten bis 2007 schrittweise auf 100 Prozent angehoben
        werden und dies mit einem Verhandlungsangebot an die
        Gewerkschaften verbunden. Hier zeichnet sich also mit-
        telfristig eine Lösung ab.
        Wer die sofortige Anhebung auf 100 Prozent fordert wie
        die PDS, sollte sich tunlichst mit seinen Parteifreunden in
        ostdeutscher Regierungsverantwortung abstimmen. Die
        haben nämlich nicht das Geld, um auf Landesebene mit-
        zuziehen. Letzteres ist aber verfassungsrechtlich geboten.
        Meine Zeit erlaubt es nicht, auf all die anderen Forde-
        rungen des PDS-Antrages einzugehen. Mein Kollege
        Göllner hat in seiner protokollierten Rede im Einzelnen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24967
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        Stellung dazu bezogen. Da die aktiven Bundeswehrsolda-
        ten mit NVA-Vordienstzeiten Forderungen etwa nach Ab-
        schaffung von Begriffen wie „Wehrdienst in fremden
        Streitkräften“ für NVA-Dienstzeiten oder nach Weiter-
        führen von NVA-Dienstgraden mit dem Zusatz „a. D.“
        oder „d. R.“ in meiner Gegenwart nicht erhoben haben,
        empfinde ich den Leitmangel nicht einmal als schwer-
        wiegend.
        Wenn Ihnen von der PDS das Wohlergehen der ehema-
        ligen NVA-Soldaten ein echtes Anliegen ist, so beteiligen
        Sie sich bitte laufend an den diesbezüglichen Beratungen.
        Soweit es Ihnen jedoch um die Ehre der ostdeutschen
        Bundeswehrsoldaten geht, so streiten Sie weniger um
        Dienstgrade mit Zusatz „a. D.“ oder „i. R.“, sondern
        schneiden Sie bitte künftig diesen jungen Männern nicht
        länger die Ehre ab, indem Sie deren risikoreichen Aus-
        landsdienst zur Friedenssicherung in Parlamentarischen
        Debatten mit Begriffen wie „Agression“, „NATO-An-
        griffskrieg“ und Schlimmerem belegen. Überdenken Sie
        Ihre realitätsfernen Urteile über die Aufträge, mit denen
        alle übrigen Fraktionen dieses Parlaments unsere Solda-
        ten hinausschicken. 10 000 Soldaten in verschiedenen
        Missionen eingesetzt, zum Teil seit Jahren. Kein Einziger
        von ihnen erobert Länder oder schießt auf Menschen. Sie
        werden nicht wirklich im Deutschland des 21. Jahrhun-
        derts ankommen, wenn Sie fortfahren, Ihre Klischees aus
        vergangener Zeit einem modernen, demokratischen und
        friedliebenden Deutschland anzuheften.
        Paul Breuer (CDU/CSU): Bevor ich mich dem An-
        trag der PDS zuwende, möchte ich – im Namen meiner
        Fraktion – den Mitgliedern im Unterausschuss „Streit-
        kräftefragen in den Neuen Bundesländern“ unter Vorsitz
        unseres Kollegen Georg Janovsky aufrichtig danken für
        die Arbeit in den vergangenen Jahren. In vielen Besuchen
        und Gesprächskontakten hat der Unterausschuss die Sor-
        gen, Nöte und Probleme der Soldaten und Soldatinnen in
        den Neuen Ländern aufgenommen und politisch einer Lö-
        sung zugeführt. Die Fortschritte, die dabei erreicht wur-
        den, sind im Wesentlichen Ihr Verdienst. Dafür unser aller
        Dank.
        Die PDS fordert mit ihrem Antrag, die deutsche Einheit
        in der Bundeswehr herzustellen. Bereits mit dem Titel des
        Antrages wird eine Situation konstruiert, die so nicht exis-
        tiert. Sie von der PDS unterstellen, dass Soldaten der ehe-
        maligen NVA in der Bundeswehr einen Status der Zweit-
        klassigkeit einnehmen. Das ist die typische Spalterei der
        PDS, blanker Unsinn aus purem Populismus.
        Wenn es in unserem Land eine gesellschaftliche
        Gruppe gibt, in der die Einheit vorbildlich verwirklicht
        ist, dann ist es die Bundeswehr. Die Bundeswehr als „Ar-
        mee der Einheit“ ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte.
        In der Bundeswehr wird schon lange nicht mehr von
        Ost und West, von Wessis und Ossis gesprochen. Männer
        und Frauen aus allen Teilen unseres Landes dienen heute
        Seite an Seite in den Garnisonen, aber auch und vor allem
        bei Auslandseinsätzen. Unterschiede sind allenfalls noch
        in den Dialekten festzustellen, deren Vielfalt durch die
        Vereinigung unseres Landes zugenommen hat. So, und
        nicht anders, sieht die Realität in der Bundeswehr aus.
        Sprechen Sie doch einmal mit den Soldaten und Sie
        werden ein völlig anderes Bild erhalten. Die Soldaten der
        früheren NVA hatten eine faire Chance, in die gesamt-
        deutsche Bundeswehr übernommen zu werden. Das Aus-
        wahlverfahren war transparent und für jedermann nach-
        vollziehbar. Einige unserer Kollegen aus dem damaligen
        Deutschen Bundestag haben daran maßgeblich mitge-
        wirkt. Wer heute etwas anderes behauptet, verfolgt poli-
        tisch andere Absichten.
        Ausgerechnet jene Partei, die für vier Jahrzehnte der
        Spaltung in unserem Lande maßgeblich verantwortlich
        ist, spielt sich heute als Mentor für die Einheit auf; eine
        Partei, die die Menschen in der DDR und die NVA-Sol-
        daten zum Hass auf den Klassenfeind indoktriniert hat
        und eine Partei, die Kritik im eigenen Lager mit Repres-
        sion und Drangsalierung beantwortet hat. Der Mauerpar-
        tei PDS spreche ich das Recht ab, uns moralisch zu be-
        lehren.
        Die PDS kritisiert beispielsweise, dass Dienst in der
        NVAnur als „gedient in fremden Streitkräften“ anerkannt
        wird. Damit wurde jedoch verhindert, dass junge Männer,
        die Wehrdienst in der DDR geleistet hatten, nicht erneut
        Wehrdienst in der Bundeswehr leisten mussten. Der von
        Ihnen kritisierte Begriff soll also nicht diskriminieren,
        sondern hat einen rein formal-juristischen Charakter. Ei-
        gentlich sind „andere“ Streitkräfte gemeint. Das ist viel-
        leicht auch der bessere Begriff.
        Sie bemängeln weiter, dass ehemalige Dienstgrade der
        NVA nicht anerkannt würden. Die Bundeswehr ist durch
        den Einigungsvertrag bewusst und aus vielen guten Grün-
        den nicht zur Rechtsnachfolgerin der NVA geworden.
        Eine gesetzliche Regelung, die NVA-Soldaten erlaubt,
        ihren NVA-Dienstgrad mit dem Zusatz „a.D.“ zu führen,
        kommt also nicht in Betracht. Ungeachtet dessen steht es
        jedem ehemaligen NVA-Soldaten frei, jederzeit seinen
        NVA-Dienstgrad kenntlich zu machen und im privaten
        Schriftverkehr zu führen.
        Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass Vor-
        dienstzeiten in der NVA und Bildungsabschlüsse angeb-
        lich nicht ausreichend gewürdigt würden. Sie wissen ge-
        nau, dass die in der DDR erworbenen Abschlüsse und
        akademischen Grade durchaus weitergelten. Artikel 37
        des Einigungsvertrages macht hierzu klare Aussagen.
        Dies gilt auch für Abschlüsse, die in der NVA erworben
        wurden.
        Ausgenommen sind jedoch Qualifikationen, die sich
        ausschließlich auf das politische System der DDR kon-
        zentrierten und wie sie vor allem „Politoffiziere“ in der
        NVA erwarben. Wir werden Ihnen nicht die Hand dazu
        reichen, Systemstützen der DDR nachträglich auf eine
        Stufe mit unbescholtenen NVA-Soldaten zu stellen.
        Geradezu Legenden werden gestrickt um die so ge-
        nannte Versorgungslücke. Diese Lücke gab es in der Tat.
        Sie wurde jedoch mit dem Versorgungsreformgesetz vom
        29. Juni 1998 weitgehend geschlossen. Danach wird der
        Ruhegehaltssatz vorübergehend um 1 Prozent für jedes
        Jahr rentenversicherungspflichtiger Tätigkeit in der frühe-
        ren DDR bis auf maximal 70 Prozent der ruhegehaltsfähi-
        gen Dienstbezüge erhöht.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224968
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        Im Übrigen darf ich auf die Beschäftigungs- und Ver-
        sorgungssituation außerhalb der Bundeswehr in den
        neuen Ländern hinweisen. Viele Mitbürger würden sich
        wünschen, eine Beschäftigung und spätere Versorgung
        wie die von der Bundeswehr übernommenen Soldaten der
        früheren NVA zu haben.
        Mit Rücksicht auf die Grundsatzentscheidung im Eini-
        gungsvertrag, NVA-Dienstzeiten wie Zeiten anderer Be-
        rufsgruppen der DDR als rentenrechtliche Zeit zu berück-
        sichtigen, ist eine Gleichgewichtung der NVA-Dienstzeit
        bei der Ruhegehaltsfestsetzung mit der Dienstzeit bei der
        Bundeswehr, 1,875 Prozent als Ruhegehaltssatz für jedes
        Jahr, nicht möglich.
        Es sollte zudem auch bedacht werden, dass Zeiten in
        der ehemaligen DDR nach früheren Überlegungen mit le-
        diglich 0,75 Prozent pro Jahr berücksichtigt werden soll-
        ten. Insofern konnten wir hier bereits eine erhebliche Ver-
        besserung für die Kameraden und Kameradinnen der
        früheren NVA erreichen.
        Die CDU/CSU plant deshalb wegen der eindeutigen
        Regelung im Einigungsvertrag und im Hinblick auf die
        angespannte Lage bei den Versorgungssystemen im öf-
        fentlichen Dienst nach einer Regierungsübernahme keine
        Änderung der geltenden Rechtslage.
        Mit ihrem Antrag versuchen Sie von der PDS ernsthaft
        den Eindruck zu erwecken, Bundeswehr und NVA seien
        gleichwertige Armeen in gleichwertigen Militärbündnis-
        sen gewesen. Die UdSSR steht bei Ihnen gleichrangig zu
        den Vereinigten Staaten von Amerika. Dass Sie Meister
        im Verdrängen der Tatsachen sind, ist ja hinreichend be-
        kannt. Dass Sie offenbar auch ein anderes Werteverständ-
        nis haben, zeigen Sie mit diesem Antrag.
        Die alte Sowjetunion – ein Staat mit Gulags, politischer
        Verfolgung und aggressiv-antidemokratischer Politik –
        auf eine Stufe mit der Führungsmacht der westlichen De-
        mokratien stellen zu wollen, offenbart, dass Sie noch im-
        mer nicht den Unterschied zwischen Demokratie und To-
        talitarismus verinnerlicht haben. Wir werden Ihnen nicht
        erlauben, sich aus Ihrer historischen Verantwortung zu
        stehlen.
        Natürlich sehen auch wir Nachbesserungsbedarf für
        die Soldaten aus den neuen Bundesländern. Dies gilt ins-
        besondere für den Grundsatz gleiches Geld für gleiche
        Leistung und steht für die so genannte Ostbesoldung; wo-
        bei allerdings nicht der Herkunftsort, sondern der Einstel-
        lungsort entscheidend ist. Während der Dresdner, der in
        München einrückt, die volle Westbesoldung bekommt, er-
        hält der Münchner, der in Dresden einrückt, lediglich Ost-
        besoldung.
        Da wir die Einheit der Besoldung im öffentlichen
        Dienst nicht gefährden wollen, verbietet es sich, die Be-
        züge der Bundesbediensteten – also auch der Soldaten –
        alleine, das heißt ohne die meisten Beschäftigten im öf-
        fentlichen Dienst in den neuen Ländern, auf das West-
        niveau anzuheben.
        Würden die Länder bzw. Kommunen dies tun, dann
        wären sie pleite. Oder sie müssten Leistungen für die Bür-
        ger abschaffen bzw. in erheblicher Weise kürzen. Ich bin
        davon überzeugt, dass die PDS gerade dieses Ziel ver-
        folgt, um dann den Protest auf ihre politischen Mühlen zu
        leiten.
        Die CDU/CSU hingegen spricht sich in ihrem Regie-
        rungsprogramm – realistisch, wie ich denke – für die stu-
        fenweise Angleichung der Besoldung bis 2007 aus. Wir
        unterstützen auch, dass Soldaten, die vor einem Auslands-
        einsatz mit dem Osttarif besoldet wurden, nicht nur
        während des Einsatzes 100 Prozent der Westbesoldung
        erhalten, sondern auch nach ihrer Rückkehr.
        Lassen Sie mich zum Abschluss aus dem Bericht des
        Unterausschusses zitieren, der Probleme sachlich und of-
        fen anspricht. Demnach hat die Bundeswehr bei den Men-
        schen in den neuen Ländern ein außerordentlich hohes
        Ansehen. Die Infrastrukturlage hat ein Niveau erreicht,
        dass von Standortnachteilen in den neuen Ländern keine
        Rede mehr sein kann. Insgesamt ist – mit Ausnahme der
        Besoldungsfrage –, weitgehende Angleichung der Ver-
        hältnisse in der Bundeswehr erreicht. Ihr Antrag, meine
        Damen und Herren der PDS, geht hingegen aus durch-
        schaubaren ideologischen Gründen an den Realitäten weit
        vorbei.
        Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die PDS bringt heute, also kurz vor Ende der Le-
        gislaturperiode, einen Antrag in den Bundestag ein, in
        dem sie sich für Belange ehemaliger Soldaten der NVA
        einsetzt. Die Frage drängt sich auf, warum der Antrag so
        spät kommt, wo eine vernünftige parlamentarische Bera-
        tung in den Ausschüssen nicht mehr möglich ist. Wa-
        rum wurde nicht die Möglichkeit des Unterausschusses
        „Streitkräftefragen in den Neuen Bundesländern“ genutzt,
        in dem die PDS auffällig sporadisch präsent ist?
        Wir fragen uns natürlich auch, warum der Antrag na-
        mentlich in erster Linie von Abgeordneten wie Frau
        Lippmann, Herrn Gehrke oder Herrn Wolf unterstützt
        wird, die nicht aus Ostdeutschland kommen und sich als
        die Friedensapostel der PDS präsentieren. Dies ist vor al-
        lem auch deshalb bemerkenswert, weil sie in diesem
        Antrag ein Loblied auf das deutsche Soldatentum, das
        Wettrüsten und die militärische Abschreckung singen.
        Wir kennen das aus den Hochzeiten der Nachrüstungs-
        debatte. Während die Grünen immer darauf bestanden ha-
        ben, dass Mittelstreckenwaffen in Ost und West geächtet
        werden müssen, haben unsere so genannten Friedens-
        freunde aus dem kommunistischen Spektrum die Statio-
        nierung von Mittelstreckenraketen in der DDR gerecht-
        fertigt.
        Die PDS fordert eine „differenzierte Beurteilung der
        Rolle der NVA im Rahmen der zwischen den beiden da-
        maligem Supermächten verabredeten gegenseitigen Ab-
        schreckung durch militärische Stärke“. „Differenzierte
        Beurteilungen“ kann man selbstverständlich nur be-
        fürworten. Es gibt keine Pauschalverurteilung der circa
        2,5 Millionen Menschen, die ihren Dienst in der NVA
        geleistet haben. Was wir hier aber von der PDS im ideo-
        logischen Teil präsentiert bekommen, ist alles andere als
        differenziert. Ich hätte gerne auch ein selbstkritisches
        Wort zur Rolle und Verantwortung der SED gehört. Es
        kann doch nicht sein, dass man sich hier hinstellt und so
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24969
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        tut, als seien die Entscheidungen nur in Moskau getroffen
        worden und ansonsten hätten die Soldaten der NVA nur
        ihre soldatische Pflicht erfüllt. Diese Argumentation ist
        uns vonseiten ehemaliger Wehrmachtsangehöriger wohl
        vertraut.
        Der Tenor des Antrages läuft darauf hinaus, die höchst
        unterschiedlichen Armeen der beiden deutschen Staaten
        „gleichzumachen“. Die PDS tut so, als sei auch die NVA
        der Demokratie verpflichtet und rechtsstaatlich eingebun-
        den gewesen, als hätte es keine ideologische Ausrichtung
        auf die Partei, keine militärische Offensivorientierung
        und keine Auslandseinsätze der NVA gegeben.
        Völlig begründet ist allerdings die Kritik an einer bun-
        desrepublikanischen Praxis, die den Dienst in der Wehr-
        macht höher bewertet als den Dienst in der NVA. Vergli-
        chen mit der verbreiteten „differenzierten“ Beurteilung
        der Wehrmacht ist die Bewertung der NVA vielfach auf-
        fällig pauschal. Wenn die Bundeswehr, wie jüngst zu
        Pfingsten geschehen, in Anwesenheit von hakenkreuz-
        tragenden Wehrmachtsveteranen Gebirgsjäger der Wehr-
        macht durch Kranzniederlegung ehrt, ist das aus meiner
        Sicht unverantwortbar. Diese Praxis muss überdacht wer-
        den. Ich hoffe, dass der Fingerzeig der PDS auf die „eh-
        renrührige“ Zentrale Dienstvorschrift 10/8 keine Auffor-
        derung ist, künftig auch NVA-Generäle mit militärischen
        Ehren beizusetzen.
        Warum die Bezeichnung des NVA-Dienstes als „Wehr-
        dienst in fremden Streitkräften“ als entwürdigend emp-
        funden wird, ist angesichts des Anspruchs der früheren
        DDR auf staatliche Eigenständigkeit nicht nachvollzieh-
        bar.
        Dienstgrade haben in den hierarchischen Organisatio-
        nen von Armeen generell einen besonderen Stellenwert.
        Sie gehören deshalb auch zum Selbstverständnis vieler
        – ehemaliger – Soldaten. Dienstgradbezeichnungen auch
        außer Dienst tragen zu dürfen, betrifft das Selbstwert-
        gefühl etlicher ehemaliger Armeeangehöriger. Dies kön-
        nen ehemalige NVA-Angehörige im Rahmen einer
        Sachverhaltsschilderung tun. So führt zum Beispiel das
        Inhaltsverzeichnis des von einer Arbeitsgruppe beim Lan-
        desvorstand Ost des Deutschen Bundeswehrverbandes
        herausgegebenen Werkes „Was war die NVA?“ lauter
        ehemalige NVA-Offiziere mit Dienstgradbezeichnung an.
        Verkompliziert wird der Umgang mit militärischen
        Dienstgradbezeichnungen der DDR durch die Tatsache,
        dass auch Angehörige der Grenztruppen und des Ministe-
        riums für Staatssicherheit als NVA-Reservisten einen
        NVA-Dienstgrad mit den Zusätzen „d. R.“ bzw. „a. D.“
        trugen. Außerdem muss man darauf hinweisen, dass das
        wiederholt unterbreitete Angebot, den Dienstgrad mit
        dem Zusatz „der NVA“ von den Betroffenen abgelehnt
        wurde. Einen Handlungsbedarf, der auf eine rechtliche
        Gleichstellung mit den Soldaten der Bundeswehr hinaus-
        laufen würde, sehen wir nicht.
        Die PDS fordert, in der NVA erworbene Bildungsab-
        schlüsse und akademische Grade nach dem Äquivalenz-
        prinzip anzuerkennen. Dabei wird verschwiegen, dass es
        in diesem Bereich bereits eine weit gehende Anerkennung
        von Abschlüssen gibt. Die Feststellung der Gleichwer-
        tigkeit liegt in der Zuständigkeit der Länder und kann
        nur differenziert erfolgen. Im Ergebnis gibt es etliche
        Abschlüsse, die gleichwertig sind mit Abschlüssen an
        Universitäten und Fachhochschulen der alten Bundes-
        republik. Wo aber bestimmte Ausbildungsprofile weitest-
        gehend auf militärische Qualifikationen und auf das Ge-
        sellschaftssystem der DDR bezogen waren, konnte und
        kann Gleichwertigkeit nicht festgestellt werden.
        Die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit erlaubt es
        nicht, auf die anderen Punkte einzugehen.
        Eine Schlussbemerkung ist allerdings notwendig.
        Dass sich die PDS besonders für die Belange ehemali-
        ger NVA-Angehöriger einsetzt, ist selbstverständlich le-
        gitim und angesichts ihres hohen Anteils an der PDS-
        Mitgliedschaft nahe liegend. Ihr Engagement und ihr
        Bemühen um eine „Rehabilitierung“ der besonders mili-
        taristischen NVAsteht aber zugleich in bemerkenswertem
        Kontrast zu ihrem sonstigen Anspruch, einzige antimilita-
        ristische Friedenspartei in Deutschland zu sein.
        Wenn die PDS in ihrem Wahlprogramm bekräftigt,
        „ein Deutschland ohne Bundeswehr“ bleibe ihr Ziel, dann
        ist die Vermeidung des pazifistischen „Bundesrepublik
        ohne Armee“ offensichtlich nicht zufällig, sondern ge-
        wollt. Der vorliegende Antrag beweist, dass es der PDS
        nicht um Überwindung von Militär insgesamt geht, son-
        dern um eine indirekte nachträgliche Relegitimierung der
        SED-Armee. Vielleicht wurde deshalb der Antrag so spät
        in den Bundestag eingebracht, um Aufsehen in der Frie-
        densbewegung zu vermeiden, um zugleich gegenüber der
        eigenen Klientel etwas vorweisen zu können.
        Dirk Niebel (FDP): Im September 2000 verteilte die
        Bundesregierung eine ihrer vielen Hochglanzbroschüren.
        Herausgeber war das Bundesministerium der Verteidi-
        gung. Die Broschüre trug den Namen „Armee der Ein-
        heit“. Zehn Jahre Bundeswehr wurden dargestellt, von
        1990 bis 2000. In der Bilanzierung der zehn Jahre heißt es
        dann: „Zur Vollendung der deutschen Einheit hat die Bun-
        deswehr von Beginn an ihren Beitrag geleistet. Der Auf-
        bau der Armee der Einheit war menschlich und organisa-
        torisch eine in der Geschichte beispiellose Leistung der
        gesamten Bundeswehr.“ Das ist wohl wahr! Alle Soldaten
        und zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr haben eine
        großartige Leistung vollbracht; alle, also auch diejenigen,
        die vormals in der Nationalen Volksarmee, der NVA,
        ihren Dienst geleistet haben.
        Es gibt nicht den geringsten Leistungsunterschied zwi-
        schen denen aus den alten Bundesländern und denen aus
        Ostdeutschland – aber es gibt gravierende Unterschiede in
        der Behandlung durch die Bundesregierung.
        Beispiel 1: In 2001 haben von 31 005 in den östlichen
        Bundesländern stationierten Soldaten 14 867 – oder
        48 Prozent – die abgesenkte Ostbesoldung erhalten. Auch
        in diesem Jahr, dem zwölften nach der deutschen Eini-
        gung, wird ihr Gehalt um 10 Prozent gekürzt. Die FDP-
        Fraktion hat in den letzten drei Jahren die Angleichung
        der Gehälter gefordert und stieß jedes Mal auf die Ableh-
        nung von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.
        Nur eine Besoldungsordnung S für Soldaten und Solda-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224970
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        tinnen analog zur Besoldungsordnung R für Richter und
        Staatsanwälte kann kurzfristig das Problem der Wahrung
        der finanziellen Möglichkeiten lösen.
        Beispiel 2: Ehemaligen Soldaten der NVA ist es unver-
        ändert untersagt, ihren früheren Dienstgrad mit dem Zu-
        satz a. D. zu führen. Als Begründung wird der Einigungs-
        vertrag herangezogen. Völlig außer Acht gelassen wird
        dabei, dass sich Europa nach dem Einigungsvertrag
        grundlegend verändert hat. Polen, Tschechien und Ungarn
        sind heute Mitglieder der NATO. Estland, Lettland, Li-
        tauen, Slowenien, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien
        werden bald folgen und Russland ist mittlerweile eng mit
        der Altantischen Allianz verbunden. Deren ehemalige
        Soldaten dürfen selbstverständlich den Zusatz a. D.
        führen, nur Deutschland verbietet es den ehemaligen Sol-
        daten der NVA. Was hat das mit Einheit, mit der ,,Armee
        der Einheit“ zu tun?
        Beispiel 3: Die Bundesrepublik Deutschland hat die
        DDR nie als souveränen Staat anerkannt und in der
        Präambel des Grundgesetzes bis zur Vollendung der deut-
        schen Einheit den Alleinvertretungsanspruch für das
        ganze deutsche Volk erhoben. Wie kann dann der in der
        NVAgeleistete Wehrdienst durch die Bundesregierung als
        Wehrdienst in fremden Streitkräften gewertet werden?
        Beispiel 4: Die Bundesregierung hält ausdrücklich an
        der Versorgungslücke bei den Soldaten fest, die von der
        NVA in die Bundeswehr übernommen wurden. Bei einem
        Stabsfeldwebel, der Mitte 2003 im Alter von 53 Jahren
        in Pension geht, bedeutet der auf 56,8 Prozent gekürzte
        Versorgungsanspruch konkret, dass er eine Pension von
        1 070 Euro erhält. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmun-
        gen darf er in einem anderen Beschäftigungsverhältnis le-
        diglich 315 Euro hinzuverdienen, das heißt, er hat maximal
        1385 Euro zur Verfügung und ist dadurch seinem west-
        deutschen Kameraden gegenüber deutlich benachteiligt.
        Nein, das kann den Soldatinnen und Soldaten sowie
        den zivilen Bediensteten der „Armee der Einheit“ nicht
        länger zugemutet werden. Abhilfe ist dringend angezeigt.
        Die Bundesregierung, der für die Bundeswehr zuständige
        Bundesminister der Verteidigung hat nicht nur die „Ar-
        mee der Einheit“ im Glanzdruck zu propagieren, sondern
        die in dieser Armee dienenden Menschen sind auch
        schleunigst gleich zu behandeln, und das in jeder Bezie-
        hung!
        Anlage 8
        Amtliche Mitteilungen
        Der Bundesrat hat in seiner 777. Sitzung am 21. Juni
        2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
        stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
        Grundgesetz nicht zu stellen:
        – Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staats-
        ziel Tierschutz)
        – Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes
        – Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hütten-
        knappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Ände-
        rung anderer Gesetze (Hüttenknappschaftliches Zu-
        satzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz – HZvNG)
        – Neuntes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über
        die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für be-
        hinderte Kinder“
        – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum NATO-Trup-
        penstatut und anderer Gesetze (Verteidigungslasten-
        zuständigkeitsänderungsgesetz – VertLastÄndG)
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeug-
        steuergesetzes
        – Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
        und anderer Gesetze
        – Gesetz zurÄnderung des Solidarpaktfortführungs-
        gesetzes
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Gentechnikge-
        setzes (2. GenTG-ÄndG)
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Sprengstoffge-
        setzes und anderer Vorschriften (2. SprengÄndG)
        – Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geld-
        wäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des
        Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz)
        – Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanz-
        rechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz-
        und Publizitätsgesetz)
        – Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungs-
        gesetzes und anderer versicherungsrechtlicher
        Vorschriften
        – Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung
        – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung
        nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
        Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG)
        – Gesetz zur Änderung des Fernstraßenbauprivat-
        finanzierungsgesetzes und straßenverkehrsrecht-
        licherVorschriften (FstrPrivFinÄndG)
        – Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
        und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vor-
        schriften (StVRÄndG)
        – Gesetz zur Erleichterung des Marktzugangs im
        Luftverkehr
        – Gesetz zur Neuregelung der Energiestatistik und
        zur Änderung des Statistikregistergesetzes und des
        Umsatzsteuergesetzes
        – Gesetz zur Änderung wohnungsrechtlicher Vor-
        schriften
        – Gesetz zu dem Protokoll vom 30. November 2000
        zur Änderung des Europol-Ubereinkommens
        – Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europä-
        ischen Gemeinschaft über die Etikettierung von Fischen
        und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsge-
        setz – FischEtikettG)
        – Gesetz zurNeuregelung des Zollfahndungsdienstes
        (Zollfahndungsneuregelungsgesetz – ZFnrG)
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24971
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        – Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts (WaffR-
        NeuRegG)
        – Gesetz zur Änderung des Bewachungsgewerbe-
        rechts
        – Gesetz zu dem Protokoll vom 3. Juni 1999 betref-
        fend die Änderung des Übereinkommens vom
        9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahn-
        verkehr (COTIF)
        – Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmer-
        trinkgeldern
        – Elftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgeset-
        zes
        Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge-
        fasst:
        1. Der Bundesrat begrüßt die Entscheidung des
        Deutschen Bundestages, auf der Grundlage von
        Vorschlägen des Bundesrates die tierarzneimittel-
        rechtlichen Vorschriften neu zu ordnen, insbeson-
        dere die Regelungen über Fütterungsarzneimittel,
        zur Umwidmung von Arzneimitteln und über Mel-
        depflichten zum Bezug von Stoffen mit pharma-
        kologischer Wirkung.
        2. Der Bundesrat hält die vom Deutschen Bundestag
        verabschiedeten Regelungen jedoch für noch nicht
        ausreichend, um einen angemessenen vorsorgen-
        den Verbraucherschutz – insbesondere vor dem
        Hintergrund der zunehmenden Antibiotika-Resis-
        tenz – zu gewährleisten.
        Daher ist beispielsweise ausdrücklich die Auf-
        nahme der Antibiotika-Leitlinien in die Rechtsvor-
        schriften erforderlich.
        Auch die Nichtberücksichtigung des Erlaubnisver-
        fahrens zum Führen einer tierärztlichen Hausapo-
        theke – wie es zum Führen einer Apotheke vorge-
        schrieben ist – ermöglicht es den Ländern beim
        Vollzug der arzneimittelrechtlichen Vorschriften
        nicht, in ausreichendem Maße präventiv tätig zu
        werden.
        Darüber hinaus ist es besonders bedauerlich, dass
        die vom Bundesrat vorgeschlagenen konkreten
        Rahmenbedingungen zur Etablierung einer zeit-
        gemäßen Bestandsbetreuung nicht aufgegriffen
        worden sind. Dadurch wird – anders als dies vom
        Deutschen Bundestag gesehen wird – eine Ein-
        schränkung der Selbstmedikation von Tieren
        durch deren Halter nicht zu erreichen sein.
        3. Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit einer
        Anpassung der geltenden Rechtslage stimmt der
        Bundesrat dem Gesetz mit den Änderungen des
        Deutschen Bundestages zu, hält es darüber hinaus-
        gehend aber für notwendig, die Diskussion über
        die vom Deutschen Bundestag abgelehnten arznei-
        mittelrechtlichen Änderungen fortzuführen und
        diese bei weiteren anstehenden Änderungsvorha-
        ben erneut in ein Rechtssetzungsverfahren einzu-
        bringen.
        Ferner wird die Bundesregierung gebeten, die im
        Zusammenhang mit der Novelle des Arzneimittel-
        gesetzes stehenden erforderlichen Anpassungen
        der einschlägigen Rechtverordnungen unverzüg-
        lich zu erarbeiten und diese dem Bundesrat vorzu-
        legen.
        – Jugendschutzgesetz (JuSchG)
        Entschließung zum Jugendschutzgesetz (JuSchG)
        1. Der Bundesrat stellt fest, dass der Schutz von Kin-
        dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor
        schädlichen Einflüssen auf ihre Persönlichkeits-
        und Werteentwicklung nachhaltig verbessert wer-
        den muss. Der wachsenden Gewaltbereitschaft
        gerade bei der jüngeren Generation muss entschie-
        den entgegengetreten werden. Nachdem es der
        Bundesregierung trotz anders lautenden Ankündi-
        gungen im Koalitionsvertrag in dieser Legislatur-
        periode nicht gelungen ist, eine mit den Ländern
        abgestimmte Novelle des Jugendschutzgesetzes zu
        erarbeiten, wurde nach dem schrecklichen Vorfall
        in Erfurt in höchster Eile eine fachlich unzurei-
        chende Änderung des Jugendschutzgesetzes auf
        den Weg gebracht. Dieses Jugendschutzgesetz
        wird seinem Anspruch nicht gerecht, nicht zuletzt
        auf Grund der Tatsache, dass es als Fraktionsent-
        wurf in den Deutschen Bundestag eingebracht
        wurde und damit eine Einbringung des Sachver-
        stands der Länder über einen ersten Durchgang im
        Bundesrat nicht erfolgen konnte.
        2. Das Jugendschutzgesetz schafft den erforderlichen
        Rechtsrahmen, den die Länder benötigen, um den
        Jugendschutz in den Telemedien im Jugendme-
        dienschutz-Staatsvertrag zu regeln. Es setzt die
        zwischen den Ministerpräsidenten am 8. März
        2002 beschlossenen Eckpunkte für die Reform der
        Medienordnung um. Jedoch sollte die mit den Län-
        dern abgestimmte Definition für Telemedien aus
        dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag übernom-
        men werden, um Abgrenzungsschwierigkeiten
        und terminologische Verwirrungen zu vermeiden.
        3. Allerdings bedarf das Jugendschutzgesetz in zahl-
        reichen Punkten der Nachbesserung, um jungen
        Menschen ein effektives Schutzsystem zu schaf-
        fen. Der Bundesrat erwartet daher, dass baldmög-
        lichst die im Folgenden genannten erforderlichen
        Nachbesserungen umgesetzt werden.
        4. Obwohl der Bundeskanzler mit den Ministerpräsi-
        denten den politischen Konsens erzielt hat, dass
        neben einer verbindlichen Alterskennzeichnung
        für Video- und Computerspiele analog den Rege-
        lungen der Video- und Kinofilme auch ein gene-
        relles, altersunabhängiges Vermiet- und Verleih-
        verbot schwer jugendgefährdender Videofilme,
        Video- und Computerspiele sowie ein Verbot ge-
        werblicher Videoverleihautomaten in das Jugend-
        schutzgesetz aufgenommen werden sollte, ist dies
        nicht erfolgt. Im Gegenteil: Im Bereich der Video-
        verleihautomaten wurde die bestehende Gesetzes-
        lage „aufgeweicht“, indem nunmehr Automaten
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224972
        (C)
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        (B)
        öffentlich aufgestellt werden dürfen. Der Bundes-
        rat kritisiert, dass ein wirksamer Schutz der Kinder
        und Jugendlichen vor schwer jugendgefährdenden
        Darstellungen dadurch nicht bewirkt wird und for-
        dert weiterhin ein altersunabhängiges Vermiet-
        und Verleihverbot schwer jugendgefährdender
        Bildträger sowie das Verbot von Videoverleihauto-
        maten.
        5. Der Bundesrat stellt fest, dass eine Reihe von Neu-
        regelungen (§ 1 und § 27 Abs. 4 JuSchG) mit zen-
        tralen Begriffen und Jugendschutzregelungen des
        Strafgesetzbuchs nicht in Einklang steht. Dies gilt
        namentlich für den strafrechtlichen Schriftenbe-
        griff (§ 11 Abs. 3 StGB), das in zahlreichen Straf-
        vorschriften enthaltene Merkmal des Verbreitens,
        den Begriff des Versandhandels (§ 184 Abs. l Nr. 4
        StGB) sowie das sog. Erzieherprivileg (§ 27
        Abs. 4 JuSchG einerseits, § 131 Abs. 4 und § 184
        Abs. 6 Satz 1 StGB andererseits). Der Bundesrat
        hält es für unerträglich, dass das Gesetz eine un-
        terschiedliche Rechtsanwendung sowie beträchtli-
        che Rechtsunsicherheiten bewusst in Kauf nimmt.
        Eine Harmonisierung ist dringend erforderlich.
        6. Der Bundesrat weist ferner darauf hin und bedau-
        ert, dass der Bundeskanzler ebenfalls seine Zu-
        sage, sog. Killerspiele wie Gotcha Paintball oder
        Laserdrome-Spektakel, bei denen real an Mitspie-
        lern Verletzungs- oder Tötungshandlungen simu-
        liert werden, im Ordnungswidrigkeitengesetz zu
        verbieten, nicht eingehalten hat. Den Worten folg-
        ten keine Taten. Derartige Spiele sind aber geeig-
        net, die allgemeinen Hemmschwellen zur Gewalt-
        anwendung abzubauen und eine Abstumpfung
        gegenüber Verletzungs- und Tötungshandlungen
        zu fördern, weshalb der Bundesrat das Verbot wei-
        terhin für dringend erforderlich hält.
        7. Der Bundesrat bemängelt, dass das Jugendschutz-
        gesetz Lockerungen vorsieht, die die Eltern in ih-
        rer Erziehungsverantwortung weder stärken noch
        unterstützen. Erziehungskompetenz stärken heißt
        auch Grenzen setzen. Die Erziehungsleistungen
        der Eltern dürfen durch gesetzliche Regelungen
        nicht konterkariert werden. Nicht zuletzt aus die-
        sem Grunde sollte es Kindern im Alter von sechs
        bis elf Jahren nicht erlaubt werden, in Begleitung
        eines Erziehungsberechtigten einen Film im Kino
        zu sehen, der die Altersfreigabe „frei ab 12 Jahren“
        hat. Alterskennzeichnungen der Freiwilligen
        Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) sind ver-
        bindlich; das Verfahren hierzu ist anerkannt und
        bewährt. Sie berücksichtigen die Wirkung auf Kin-
        der und Jugendliche. Eltern können sich nicht in
        allen Fällen vorab so umfassend informieren, wel-
        che Wirkung Filme auf ihre Kinder haben. Die
        Neuregelung bewirkt, dass Kinder und Jugendli-
        chen den Wirkungen von Filmen ausgesetzt wer-
        den, die für ihre Altersstufe als nicht angemessen
        erachtet wurden.
        8. Für den Bundesrat ist auch die Lockerung der
        Schutzbestimmungen bei Spielautomaten nicht
        nachvollziehbar. Das Jugendschutzgesetz ermög-
        licht es, dass Bildschirmgeräte entgegen der bishe-
        rigen Rechtslage auf Kindern und Jugendlichen
        zugänglichen öffentlichen Verkehrsflächen aufge-
        stellt werden können. Bei diesen Bildschirmspiel-
        geräten handelt es sich in der Regel um niveaulose
        „Ballerspiele“. Die von diesen Spielautomaten
        ausgehende Sogwirkung gilt es zu vermeiden und
        nicht dadurch zu erhöhen, dass das Spielen Kin-
        dern und Jugendlichen erlaubt wird.
        9. Ebenfalls ablehnend steht der Bundesrat der Ein-
        führung des Begriffs der „erziehungsbeauftragten
        Person“ gegenüber. Er erfüllt ebenfalls nicht das
        Ziel, Elternkompetenzen zu stärken. Für das Ver-
        hältnis des Minderjährigen zu einer „erziehungs-
        beauftragten Person“ ist es nicht erforderlich, dass
        ein Autoritätsverhältnis besteht. Dies ist aber bei
        dem Verhältnis Minderjähriger zu Erziehungsbe-
        rechtigten der Fall. In der Praxis wird es sich
        zukünftig in der Regel um den volljährigen er-
        wachsenen Freund handeln, der sich als Erzie-
        hungsbeauftragter ausgeben wird. Nach einem
        modernen Partnerschaftsverständnis kann aber in
        einer Beziehung nicht ein Partner die Erziehungs-
        berechtigung über den anderen ausüben. Unter
        dem Gesichtspunkt des mädchenspezifischen er-
        zieherischen Jugendschutzes ist diese Regelung
        daher kontraproduktiv.
        10.Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Ju-
        gendschutzgesetz auch nicht dem Schutzinteresse
        von Kindern und Jugendlichen gerecht wird, die
        auf Trägermedien in unnatürlicher, geschlechtsbe-
        tonter Körperhaltung dargestellt sind. Diese Art
        der Darstellungen soll gerade auch von Erwachse-
        nen nicht erworben werden können. Kinder und
        Jugendliche sind keine Sexualobjekte.
        Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit hierfür darf
        nicht in den Hintergrund rücken. Kinder und Ju-
        gendliche müssen davor geschützt werden, dass
        Erwachsene mit pädophilen Neigungen ihre Dar-
        stellungen zur Animation benutzen. Pädophile Er-
        wachsene sollen nicht mit diesen Darstellungen
        ihren Opfern die Normalität ihres Tuns vermitteln
        können und sie damit gefügig machen.
        11. Der Bundesrat betont, dass er eine Erhöhung des
        Bußgeldrahmens für unabdingbar hält. Verstöße
        gegen das Jugendschutzgesetz dürfen sich für
        Gewerbetreibende und Veranstalter nicht lohnen.
        Angesichts der bestehenden Wirtschaftskraft ins-
        besondere der Medienbranche muss der Bußgeld-
        rahmen auch hier die Möglichkeit eröffnen, den re-
        pressiven Charakter der Schutzregelungen zu
        unterstreichen. Darüber hinaus steigert ein erhöh-
        ter Bußgeldrahmen nicht nur das Verfolgungsin-
        teresse, sondern auch das Bestreben der Gewerbe-
        treibenden, Anbieter und Veranstalter an der
        Einhaltung der Bestimmungen, was letztlich zu ei-
        ner Verbesserung des Jugendschutzes führt.
        12.Der Bundesrat betont die große Verantwortung der
        Medienwirtschaft. Auch eine zunehmende Inter-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24973
        (C)
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        nationalisierung beseitigt nicht das Bedürfnis, die
        wirtschaftlichen Interessen mit denn Schutzbe-
        dürfnis junger Menschen und den Erziehungswer-
        ten unseres Gemeinwesens in ein ausgewogeneres
        Verhältnis zu bringen. Der Bundesrat appelliert an
        alle Medienverantwortlichen im Online- und Off-
        linebereich, dem Schutz der jungen Menschen ins-
        besondere vor Gewalt in den Medien einen höhe-
        ren Stellenwert einzuräumen. Mehr als andere
        gesellschaftliche Kräfte sind die Medien gefordert,
        Verantwortung für die Vermittlung von Normen
        und Werten zu übernehmen, die unverzichtbare
        Voraussetzung unserer Gesellschafts- und Sozial-
        ordnung sind.
        – Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes
        Entschließungen zum Gesetz zur Änderung des Apo-
        thekengesetzes
        1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die
        durch die Änderung des Apothekengesetzes in
        § 11 Abs. 3 eingeführte neue Rechtssituation
        bei der Herstellung und Abgabe von Rezepturen
        (hier anwendungsfertige Zytostatika-Zubereitun-
        gen) durch öffentliche und Krankenhausapotheken
        zeitnah mit den notwendigen Folgeregelungen und
        Klarstellungen des Gewollten in der Apothekenbe-
        triebsordnung und im Arzneimittelgesetz zu unter-
        legen. Die Sicherung einer angemessenen Qualität
        der Herstellung und ein geordneter Vertriebsweg
        sind sicherzustellen. Ungleichbehandlungen von
        Betrieben mit Herstellungserlaubnis gem. § 13
        Arzneimittelgesetz und öffentlichen sowie Kran-
        kenhausapotheken mit Betriebserlaubnis gem. § 1
        Apothekengesetz sind zu vermeiden.
        Es müssen die Rahmenbedingungen für die Her-
        stellung und Abgabe dieser Rezepturunikate hin-
        sichtlich der folgenden Aspekte geprüft und fest-
        gelegt werden:
        Verantwortlichkeit für die Herstellung; Qualitäts-
        niveau der Herstellung; anzuwendende Rechtsvor-
        schriften (Apothekenbetriebsordnung oder Phar-
        mabetriebsverordnung) und daraus sich ableitende
        Dokumentationspflichten, verantwortliche Perso-
        nen und Qualitätssicherungsmaßnahmen; räum-
        liche Anbindung der Herstellungsräume an die
        übrigen Apothekenbetriebsräume; Verantwortlich-
        keiten der abgebenden Apotheke (u. a. für Plausi-
        bilitätsprüfung der onkologischen Verschreibung,
        Produktkennzeichnung); Vertriebsweg (z. B. Ent-
        fernung zwischen herstellender und abgebender
        Apotheke, möglicher Versand oder Botendienst,
        Transportstandards für diese i. d. R. auch krebser-
        regenden Arzneimittel); Haftungsfragen bei Her-
        stellung und Abgabe.
        Die vorgesehene Formulierung des § 11 Abs. 3
        Apothekengesetz wird dem Anliegen des Geset-
        zesvorhabens im Hinblick auf die sichere Versor-
        gung der Bevölkerung mit anwendungsbereiten
        Zytostatika-Zubereitungen nicht umfassend ge-
        recht.
        Begründung:
        Die vorgesehene Änderung beinhaltet, dass von
        öffentlichen und Krankenhausapotheken an End-
        verbraucher anwendungsfertige Zytostatika-Zube-
        reitungen (Rezepturen) abgegeben werden dürfen,
        die nicht dort in dieser rezeptbeliefernden Apo-
        theke hergestellt wurden. Diese individuell ver-
        ordneten Rezepturen (Unikate) sollen in einer an-
        deren öffentlichen oder Krankenhausapotheke
        hergestellt und an die rezeptbeliefernde Apotheke
        abgegeben werden dürfen. Dazu soll es eines Ver-
        sorgungsvertrages nach § 14 Abs. 5 Apothekenge-
        setz, wie er bei der Arzneimittelversorgung von
        Krankenhäusern durch öffentliche krankenhaus-
        versorgende oder andere Krankenhausapotheken
        vorgesehen ist, nicht bedürfen.
        Die Regelung ist nicht praktikabel, da die hierfür
        ggf. erforderliche Herstellungserlaubnis gem. § 13
        Arzneimittelgesetz und sonstige ggf. notwendige
        Folgeregelungen in der Apothekenbetriebsord-
        nung sowie haftungsrechtliche Konsequenzen un-
        berücksichtigt geblieben sind.
        Darüber hinaus ist diese Verfahrensweise nicht
        zwingend erforderlich, da die Versorgung mit an-
        wendungsfertigen Zytostatika-Zubereitungen über
        herstellende und gleichzeitig beliefernde Apothe-
        ken sowie über Hersteller mit Herstellungserlaub-
        nis flächendeckend gesichert ist.
        Die Regelung würde die Belieferung einer Ver-
        schreibung von der tatsächlichen Herstellung der
        verschriebenen Rezeptur abkoppeln. Dies würde
        dem bisherigen rechtlich verankerten Grundsatz
        der Einheit von Herstellung und Abgabe bei der re-
        zepturmäßigen Versorgung der Bevölkerung durch
        Apotheken widersprechen.
        Im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs
        benötigt eine Apotheke zur Herstellung und Ab-
        gabe von Arzneimitteln an die Verbraucher (Ein-
        zelhandel) keine arzneimittelrechtliche Herstel-
        lungserlaubnis. Nach derzeitiger Rechtslage ist für
        die herstellende Apotheke jedoch dann eine Her-
        stellungserlaubnis erforderlich, wenn sie anwen-
        dungsfertige Zytostatika-Zubereitungen an andere
        Apotheken abgibt (Verkauf an andere Wiederver-
        käufer), denn damit wird die herstellende Apotheke
        zum Großhändler. Diese Tätigkeit ist durch die er-
        teilte Apothekenbetriebserlaubnis nicht abgedeckt.
        Die lediglich in der Begründung aufgeführte Über-
        legung zur Haftung für das abgegebene Rezeptur-
        arzneimittel entspricht nicht den wirklichen Gege-
        benheiten, denn die Herstellung erfolgte eben
        nicht im Rahmen des üblichen Apothekenbetrie-
        bes. Die rezeptbeliefernde Apotheke kann die
        Qualität des eingekauften Rezepturarzneimittels
        weder prüfen noch beurteilen. Ein Anbruch zur
        Probenahme verbietet sich sowohl aufgrund des Re-
        zepturcharakters .als auch aufgrund der Natur der
        Zubereitung (anwendungsfertig und üblicherweise
        steril). Die Qualität der Unikate ist ausschließlich
        durch das Herstellungsverfahren gesichert.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224974
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Die vorgesehene mögliche Vermischung von
        Herstellung in einer Krankenhausapotheke und
        Abgabe durch eine öffentliche Apotheke kann auf-
        grund unterschiedlicher Preiskalkulationsgrundla-
        gen sowie abweichender Steuer- und Gewinnver-
        pflichtungen zu einer Marktverzerrung führen.
        2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die
        durch Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung
        des Apothekengesetzes eingeführte neue Fassung
        des § 73 Abs. 3 Satz 2 Arzneimittelgesetz im
        nächsten anstehenden Gesetzgebungsverfahren
        zum Arzneimittelgesetz einer weiteren Änderung
        zu unterziehen. Es sollte die Möglichkeit eröffnet
        werden, dass die in Rede stehenden Arzneimittel
        von Apotheken nicht nur dann bezogen und in Not-
        fällen auf Einzelverschreibung abgegeben werden
        dürfen, „soweit sie nach den apothekenrechtlichen
        Vorschriften für Notfälle vorrätig gehalten oder
        kurzfristig beschaffbar sein müssen“, sondern dass
        diese Arzneimittel von Apotheken auch bezogen
        und ohne vorliegende Einzelverschreibung an an-
        dere Empfänger abgegeben werden dürfen, wenn
        diese Empfänger nachweislich nach anderen Vor-
        gaben, insbesondere berufsgenossenschaftlichen
        Sicherheitsregein, eigene Notfallvorräte anlegen
        und pflegen müssen.
        Begründung:
        Tierparks und Zoos halten einheimische und
        nichteinheimische Gifttiere und sind als Unterneh-
        mer aufgrund der berufsgenossenschaftlichen
        Unfallverhütungsvorschriften ZH 1/70 „Sicher-
        heitsregeln für die Haltung von Wildtieren“ ver-
        pflichtet, eine Mindestmenge jederzeit voll wirk-
        samer Seren gegen die Gifte der vorhandenen
        Gifttiere vorrätig zu halten.
        Die erforderlichen Seren sind größtenteils nicht als
        in Deutschland bzw. der EU zugelassene Fertig-
        arzneimittel erhältlich, sondern werden meist aus-
        schließlich in den jeweiligen Drittländern produ-
        ziert, wo die Tiere natürlich vorkommen. Durch
        Produktionseinstellungen von pharmazeutischen
        Unternehmern in Deutschland und Europa wird
        verstärkt darauf zurückgegriffen werden müssen.
        Neben Zoos und Tierparks können auch sog.
        Schlangenfarmen sowie jeder Tierhändler, der
        Gifttiere vertreibt und dem Schutz seiner Ange-
        stellten verpflichtet ist, betroffen sein.
        Der Import der betreffenden Seren für die genann-
        ten Einrichtungen als Voraussetzung für das Anle-
        gen und Betreiben eines solchen Depots war bis-
        lang und ist auch nach der jetzigen Fassung des
        § 73 Abs. 3 Satz 2 Arzneimittelgesetz rechtlich
        nicht möglich, da sie nicht unter das einschlägige
        Recht fallen. Der Import zur Abgabe der Seren
        durch Apotheken an betroffene Einrichtungen
        sollte unabhängig von der Notwendigkeit einer
        Einzelverschreibung ermöglicht werden, damit
        diese ihre berufsgenossenschaftlichen Verpflich-
        tungen erfüllen können. In Anbetracht fehlender
        Alternativen und im Sinne des vorbeugenden Ge-
        sundheitsschutzes und der Gefahrenabwehr ist
        diese Vorsorgemaßnahme rechtlich abzusichern.
        – Gesetz zur Einführung des Völkerstrafgesetz-
        buches
        Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung an-
        genommen:
        1. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass den
        Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung von
        Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von
        Kriegsverbrechen ein effektives Ermittlungsin-
        strumentarium zur Verfügung gestellt werden
        muss. Er hält es deswegen weiterhin für unabding-
        bar, die Deliktskataloge für die Überwachung der
        Telekommunikation, den Einsatz technischer Mit-
        tel und die Anordnung der Untersuchungshaft auf
        diese schwersten Verbrechen zu erstrecken. Es ist
        dem Bundesrat unverständlich, dass der Gesetzes-
        beschluss des Deutschen Bundestages zur Ein-
        führung eines Völkerstrafgesetzbuches den Forde-
        rungen des Bundesrates nicht Rechnung trägt.
        2. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, un-
        verzüglich Vorschläge in das Gesetzgebungsver-
        fahren zu bringen, mit denen die Anliegen des
        Bundesrates baldmöglichst umgesetzt werden kön-
        nen.
        Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom
        14. Juni 2002 mitgeteilt, dass sie den Antrag RUGMARK
        stärken und eigenständig erhalten auf Drucksache
        14/5553 zurückgezogen hat.
        Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN haben mit Schreiben vom 24. Juni 2002 mitgeteilt,
        dass sie den Antrag Sicherung und Optimierung der kind-
        gerechten medizinischen Versorgung auf Drucksache
        14/8652 zurückgezogen haben.
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
        der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
        nachstehenden Vorlagen absieht:
        Auswärtiger Ausschuss
        – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik
        Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Eu-
        roparates
        über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung
        des Europarates vom 24. bis 28. September 2001 in
        Straßburg
        und die Debatte der Erweiterten Parlamentarischen Ver-
        sammlung über die Aktivitäten der OECD am 26. Sep-
        tember 2001
        – Drucksachen 14/8329, 14/8681 Nr. 2 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen
        um Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung so-
        wie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jah-
        resabrüstungsbericht 2001)
        – Drucksache 14/8941 –
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24975
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bilanzierender Gesamtbericht zum Einsatz bewaffneter
        deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemein-
        samen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die
        USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Ver-
        einten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikver-
        trags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001)
        des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
        – Drucksache 14/8990 –
        Haushaltsausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2000
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2000
        – Drucksachen 14/3488, 14/3574 Nr. 1.5 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2000
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2000
        – Drucksachen 14/3996, 14/4093 Nr. 1.11 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2000
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2000
        – Drucksachen 14/4877, 14/5112 Nr. 4 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2000
        Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich-
        tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus-
        haltsjahres 2000
        – Drucksachen 14/5631, 14/5729 Nr. 4 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2002
        Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 26 Titel 5264 44 –
        Planungskosten für Baumaßnahmen im Parlaments-
        viertel –
        – Drucksachen 14/9012, 14/9133 Nr. 1.4 –
        Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über die Neugestaltung des
        OECD-Schiffbau-Übereinkommens
        – Drucksachen 14/8741, 14/8829 Nr. 1.12 –
        Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
        wirtschaft
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
        der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für den
        Zeitraum 2001 bis 2004
        – Drucksache 14/5900 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestal-
        tung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der
        Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) hier:
        Rahmenplan 2002 bis 2005
        – Drucksachen 14/7057, 14/7413 Nr. 3 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
        der Agrarstruktur und des Küstenschutzes für den
        Zeitraum 2002 bis 2005
        – Drucksachen 14/9009, 14/9309 Nr. 8 –
        Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2001
        – Drucksache 14/7945 –
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für
        Deutschland – Nationale Strategie für eine nachhaltige
        Entwicklung
        – Drucksache 14/8953 –
        Ausschuss für Kultur und Medien
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung des
        Bundes
        und
        Bericht der Bundesregierung über die Beteiligung des
        Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik
        Deutschland
        – Drucksache 14/1569 –
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über die Beteiligung des
        Bundes an Gedenkstätten in der Bundesrepublik
        Deutschland
        – Drucksache 13/8486 –
        Berichtigung
        Im Stenographischen Bericht der 243. Sitzung des
        Deutschen Bundestages ist auf Seite 24561 (B) die
        – Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den
        Datenschutz
        Tätigkeitsbericht 1999 und 2000 des Bundesbeauf-
        tragten fürden Datenschutz – 18. Tätigkeitsbericht –
        – Drucksachen 14/5555, 14/8829 Nr. 1.1 –
        als Kenntnisnahme gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge-
        schäftsordnung gemeldet worden. Diese Mitteilung ist
        hinfällig, da der Innenausschuss eine Beschlussempfeh-
        lung und Bericht auf Druckasche 14/9490 vorgelegt hat.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 200224976
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU-Vor-
        lagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
        ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
        abgesehen hat.
        Auswärtiger Ausschuss
        Drucksache 14/7708 Nr. 1.11
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.26
        Drucksache 14/8339 Nr. 2.45
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.4
        Finanzausschuss
        Drucksache 14/8832 Nr. 1.1
        Drucksache 14/8832 Nr. 2.16
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.11
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.12
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.25
        Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
        Drucksache 14/8940 Nr. 1.1
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.13
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.14
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.15
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.27
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.29
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.30
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.31
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.5
        Ausschuss für Verbraucherschutz,
        Ernährung und Landwirtschaft
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.17
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.1
        Ausschuss für Verkehr, Bau-
        und Wohnungswesen
        Drucksache 14/6026 Nr. 2.34
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.5
        Drucksache 14/8179 Nr. 2.48
        Drucksache 14/8562 Nr. 2.43
        Drucksache 14/8562 Nr. 2.44
        Drucksache 14/8691 Nr. 2.3
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
        und Reaktorsicherheit
        Drucksache 14/8179 Nr. 2.57
        Drucksache 14/8339 Nr. 2.19
        Drucksache 14/8339 Nr. 2.20
        Drucksache 14/8339 Nr. 2.22
        Drucksache 14/8562 Nr. 1.3
        Drucksache 14/8562 Nr. 2.47
        Drucksache 14/8562 Nr. 2.50
        Drucksache 14/8691 Nr. 2.4
        Drucksache 14/8832 Nr. 1.2
        Drucksache 14/8832 Nr. 2.3
        Drucksache 14/8832 Nr. 2.4
        Drucksache 14/8832 Nr. 2.5
        Drucksache 14/8832 Nr. 2.23
        Drucksache 14/8940 Nr. 1.4
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.10
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.2
        Ausschuss für Bildung, Forschung
        und Technikfolgenabschätzung
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.15
        Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
        und Entwicklung
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.7
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.8
        Drucksache 14/8940 Nr. 2.37
        Ausschuss für die Angelegenheiten
        der Europäischen Union
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.14
        Drucksache 14/8339 Nr. 1.3
        Drucksache 14/8428 Nr. 2.15
        Drucksache 14/8562 Nr. 2.6
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.6
        Drucksache 14/9137 Nr. 1.9
        Drucksache 14/9305 Nr. 2.36
        Ausschuss für Kultur und Medien
        Drucksache 14/7409 Nr. 1.2
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 246. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2002 24977
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin