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ID1424512700

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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Friedhelm Ost, Wolfgang Zöller und Lothar Fischer (Homburg) . . . . . 24611 A Benennung der Abgeordneten Hans- Eberhard Urbaniak, Jörg-Otto Spiller, Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert und Christine Scheel als ordentliche Mitglieder des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . 24611 B Benennung der Abgeordneten Dr. Konstanze Wegner, Nina Hauer, Bartholomäus Kalb, Otto Bernhard und Antje Hermenau als stellvertretende Mitglieder des Verwaltungs- rates der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- tungsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24611 B Erweiterung und Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24611 B, 24650 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 7 f . . . 24612 D Änderung einer Ausschussüberweisung . . . . . 24612 D Begrüßung des Präsidenten des Bundesrech- nungshofes, Herrn Dr. Dieter Engels . . . . . . 24783 D Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung: Inves- titionen für eine leistungsfähige Ver- kehrsinfrastruktur – Mobilität für die Zukunft sichern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24613 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Politik für ein mobiles Deutschland (Drucksache 14/9551) . . . . . . . . . . . . . . . . 24613 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Pia Maier, Roland Claus und der Fraktion der PDS: Erhalt des ICE-Schie- nenknotens Mannheim – flächenhafter Ausbau der Bahn mit Stärkung des ICE- Knotens Mannheim und Einbindung von Darmstadt und Heidelberg in den Schienenpersonenverkehr (Drucksache 14/9546) . . . . . . . . . . . . . . . . 24613 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Erhalt der Bahnwerke – behinderten- gerechte Umrüstung des Wagenparks der DB AG (Drucksachen 14/9365, 14/9559) . . . . . . . 24613 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen zu dem Antrag der Abgeordneten Plenarprotokoll 14/245 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 245. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 I n h a l t : Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter, Rosel Neuhäuser und der Fraktion der PDS: Innerdeutschen Luftverkehr auf die Bahn verlagern (Drucksachen 14/9255, 14/9592) . . . . . . . 24613 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Heide Mattischeck, Reinhard Weis (Stendal), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Zukunft der Instandhaltungswerke der Deut- schen Bahn AG – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Dr. Hans-Peter Uhl, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Nürnberg und München erhalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Luther, Wolfgang Dehnel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Instandhaltungs- werke der Deutschen Bahn AG in Delitzsch, Chemnitz, Opladen und Zwickau erhalten – neue Investoren für Stendal, Leipzig-Engelsdorf und Neustrelitz – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neues Konzept für Ausbesserungswerke der Deut- schen Bahn AG vorlegen (Drucksachen 14/7179, 14/7147, 14/7282, 14/7158, 14/8528) . . . . . . . . . 24613 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 24613 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 24618 B Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . 24620 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24621 D Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . . 24624 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24626 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24630 A Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24631 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24633 B Hans-Günter Bruckmann SPD . . . . . . . . . . . . 24634 C Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24635 D Klaus Hasenfratz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24637 D Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . 24639 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 24641 D Tagesordnungspunkt 3: a) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU: Situation und Perspek- tiven der Landwirtschaft in Deutsch- land (Drucksachen 14/8072, 14/9461) . . . . . 24642 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Agrarbericht 2001 – Agrar- und ernährungspoliti- scher Bericht der Bundesregie- rung – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Marita Sehn, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Agrarbericht 2001 – Agrar- und ernährungspoliti- scher Bericht der Bundesregie- rung – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Agrarbericht 2001 – Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung – zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Agrarbericht 2001 – Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung (Drucksachen 14/5326, 14/6343, 14/6345, 14/6347, 14/7118) . . . . . . . . . . . . . . . . 24642 C c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Ernährungs- und agrarpoliti- scher Bericht 2002 der Bundesregie- rung (Drucksache 14/8202) . . . . . . . . . . . . . 24643 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002II d) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Lagebericht der Bundesregie- rung über die Alterssicherung der Landwirte 2001 (Drucksache 14/7798) . . . . . . . . . . . . . 24643 A e) Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Rainer Funke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Fleischvernichtung stoppen – hun- gernden Menschen helfen (Drucksache 14/5675) . . . . . . . . . . . . . 24643 A f) Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Marita Sehn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Maul- und Klauenseuche – Impfen statt töten (Drucksache 14/5691) . . . . . . . . . . . . . 24643 B g) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Ulrich Heinrich, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: MKS- und BSE-Erfahrungsbericht umgehend vorlegen (Drucksache 14/6176) . . . . . . . . . . . . . 24643 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu dem An- trag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Modellprojekt zum Heil- und Gewürzpflanzen-Anbau in Ostwestfalen-Lippe (Drucksachen 14/3107, 14/4449) . . . . . . . 24643 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Obstbauern vor dem Ruin retten – Plantomycin für Notfall- maßnahmen zulassen – zu dem Antrag der Abgeordneten Marita Sehn, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Pflanzenschutzpolitik neu ausrichten, heimische Produzenten unterstützen und Verbraucher schützen (Drucksachen 14/8180, 14/8430, 14/9366) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24643 C Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . . . . 24643 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 24645 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . 24647 A Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 24648 C Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 24648 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24649 A Marianne Klappert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24650 C Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . 24651 B Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24652 B Heidemarie Wright SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24654 A Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24656 A Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24658 A Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU 24658 D Marita Sehn FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24660 D Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . . 24661 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24662 C Meinolf Michels CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24663 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . 24664 D Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 24666 C Zusatztagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- ordnung zu einem Antrag auf Geneh- migung zum Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahme- beschlüsse (Drucksache 14/9610) . . . . . . . . . . . . . . . . 24650 B Tagesordnungspunkt 33: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Er- höhung der Rechtssicherheit beim Betriebsübergang (Drucksache 14/8496) . . . . . . . . . . . . . 24668 D b) Antrag des Präsidenten des Bundes- rechnungshofes: Rechnung des Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 III desrechnungshofes für das Haus- haltsjahr 2001 – Einzelplan 20 (Drucksache 14/9178) . . . . . . . . . . . . . 24668 D c) Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Rainer Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Betriebliche Altersvorsorge ver- bessern (Drucksache 14/4418) . . . . . . . . . . . . . 24669 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 33) a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Sicherstellung einer Über- gangsregelung für die Umsatz- besteuerung von Alt-Sportanlagen (Drucksache 14/9543) . . . . . . . . . . . . . 24669 A b) Antrag der Abgeordneten Renate Gradistanac, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Durchführung des Bun- deswettbewerbes „Ferien für Fami- lien, in denen Angehörige mit Behin- derung leben“ (Drucksache 14/9542) . . . . . . . . . . . . . 24669 A c) Antrag der Abgeordneten Rosel Neuhäuser, Maritta Böttcher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland (Drucksache 14/9545) . . . . . . . . . . . . . 24669 B Tagesordnungspunkt 34: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 20. Dezember 2001 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik zum Ab- kommen vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerun- gen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (Drucksachen 14/8982, 14/9549) . . . . . 24669 C c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Heinrich Fink, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der PDS einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einkommenbesteuerung von aus- ländischen Künstlerinnen und Künstlern (Drucksachen 14/6111, 14/9268) . . . . . 24669 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und FDP: Für die demo- kratische Erneuerung Pakistans (Drucksachen 14/5684, 14/7533) . . . . . 24669 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- nität und Geschäftsordnung zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake- Werner, Dr. Evelyn Kenzler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Aufgaben des jüngsten Mitglie- des des Deutschen Bundestages (Drucksachen 14/8166, 14/9168) . . . . . 24670 A f) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, Heidemarie Lüth, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der PDS: Bestel- lung einer Amtsanklägerin/eines Amtsanklägers (Drucksachen 14/7227, 14/9291) . . . . . 24670 B g) – k) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 402, 403, 404, 405, 406 zu Petitionen (Drucksachen 14/9386, 14/9399, 14/9389, 14/9390, 14/9391) . . . . . . . . . . . . . . . . 24670 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 34) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Euro- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002IV päischen Union zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: 62. Bericht der Bundesregierung über die Integra- tion der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeit- raum: 1. Januar bis 31. Dezember 2001) (Drucksachen 14/8565, 14/8829 Nr. 1.9, 14/9560) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24670 D Zusatztagesordnungspunkt 11: Aktuelle Stunde betr. Bildungsgefälle nach dem Ergebnis der PISA-Studie und Forderungen aus der Bundesregierung nach deutschlandweiten Bildungsstan- dards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24671 A Dr. Annette Schavan, Ministerin (Baden- Württemberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24671 B Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 24672 C Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24674 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24676 A Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24677 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24678 C Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 24679 D Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 24681 B Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24682 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 24683 D Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24685 A Klaus Barthel (Starnberg) SPD . . . . . . . . . . . 24686 A Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU 24687 B Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24688 B Monika Hohlmeier, Staatsministerin (Bayern) 24689 B Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24691 C Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24692 B Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform des Sanktionenrechts (Drucksache 14/9358) . . . . . . . . . . . . . . . . 24693 C Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24693 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24695 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24697 B Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24699 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24700 C Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24702 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24704 B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD . . . . . . . . 24705 A Tagesordnungspunkt 5: Vereinbarte Debatte: Aufgaben und Per- spektiven der transatlantischen Zusam- menarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24705 D Volkmar Schultz (Köln) SPD . . . . . . . . . . . . . 24706 A Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 24707 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24710 D Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 24711 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24713 B Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 24714 A Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 24715 C Tagesordnungspunkt 6: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Berufsbildungsbericht 2002 (Drucksache 14/8950) . . . . . . . . . . . . . 24717 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mit einem individuellen Ausbildungspass durchs Leben – für ein liberales, duales und mo- dulares Berufsausbildungssystem in Deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Lehrstellenmangel in den neuen Bundesländern be- kämpfen – Reformen in der be- ruflichen Bildung vorantreiben – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungs- bericht 2001 (Drucksachen 14/5984, 14/7281, 14/5946, 14/7910) . . . . . . . . . . . . . . . . 24717 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 V Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24717 D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . . . . . . . . . . 24719 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24722 A Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . . . . . . . 24722 B Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24723 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24725 A Willi Brase SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24726 A Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 24727 D Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulf Fink, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Verstärkung der Perso- nalausstattung in Pflegeheimen (Perso- nalverstärkungsgesetz Pflege) (Drucksachen 14/8364, 14/9561) . . . . . 24729 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüden- scheid), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gesundheits- wesen patientenorientiert, freiheit- lich und zukunftssicher gestalten (Drucksachen 14/8595, 14/9570) . . . . . 24729 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Pflege reformieren – Lebensqualität in Gegenwart und Zukunft sichern (Drucksachen 14/6327, 14/9569) . . . . . 24729 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Fortentwicklung der sozialen Pflege- versicherung (Drucksachen 14/8864, 14/9562) . . . . . 24730 A e) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Medizinische Versorgung von Kindern und Jugend- lichen sichern und verbessern (Drucksache 14/9544) . . . . . . . . . . . . . 24730 A Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . . 24730 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 24731 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24733 C Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 24735 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24737 B Marga Elser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24738 C Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 24740 A Dr. Margrit Spielmann SPD . . . . . . . . . . . . . . 24742 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24743 C Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Thierse, Doris Barnett, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD, der Abge- ordneten Dr. Rita Süssmuth, Hans-Dirk Bierling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Rita Grießhaber, Winfried Nachtwei, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Helmut Haussmann, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP: Parlamentarische Dimension und die Zukunft der Organi- sation für Sicherheit und Zusam- menarbeit in Europa (OSZE) (Drucksache 14/9554) . . . . . . . . . . . . . . . . 24744 C Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24744 D Dr. Rita Süssmuth CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24746 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24748 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24749 B Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Sperrzeiten für Gaststätten und Biergärten kundenfreundlicher ge- stalten (Drucksachen 14/6188, 14/9520) . . . . . . . 24750 C Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24750 C Brunhilde Irber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24751 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24753 A Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24754 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 24754 C Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24756 C Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . 24756 D Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24757 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002VI Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Antisemitismus ächten – Zu- sammenhalt in Deutschland stärken – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Jüdisches Leben in Deutschland – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Antisemitismus ächten – Zusammenhalt in Deutsch- land stärken (Drucksachen 14/9226, 14/4245, 14/9261, 14/9480) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24758 D Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24759 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 24760 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24761 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP 24763 C Dagmar Schmidt (Meschede) SPD . . . . . 24764 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24765 A Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . . . . . . . . 24765 D Tagesordnungspunkt 11: a) Große Anfrage der Abgeordneten Kurt- Dieter Grill, Matthias Wissmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Der Energiebericht des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie und seine Bedeutung für ein Energiekonzept der Bundesregie- rung (Drucksachen 14/7854, 14/9171) . . . . 24767 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Jochen-Konrad Fromme, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ausgleich für die nuklea- ren Entsorgungsstandorte Gorleben und Salzgitter (Schacht Konrad) in Niedersachsen und Morsleben in Sachsen-Anhalt (Drucksachen 14/7786, 14/8708) . . . . 24767 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Rolf Hempelmann, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Michaele Hustedt, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Deutsche Exportinitiative – Erneuer- bare Energien (Drucksachen 14/8278, 14/9120) . . . . 24767 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Matthias Wissmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mehr Chancen für den Export und die Forschungs- und Entwicklungszusam- menarbeit durch marktwirtschaftliche Ansätze bei den erneuerbaren Energien (Drucksache 14/9539) . . . . . . . . . . . . . . . . 24767 C Rolf Hempelmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24767 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24769 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24772 B Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24774 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 24775 B Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24776 B Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24778 B Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24778 C Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24779 A Horst Kubatschka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24780 A Tagesordnungspunkt 34: b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Margot von Renesse, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der SPD so- wie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Magnus- Hirschfeld-Stiftung (Drucksachen 14/9218, 14/9593, 14/9594) 24782 A Tagesordnungspunkt 13: a) Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Francke, Matthias Wissmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wirtschaftspolitische Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 VII Auswirkungen der EU-Osterweite- rung (Drucksachen 14/8316 (neu), 14/9497) 24782 C b) Große Anfrage der Abgeordneten Uwe Hiksch, Monika Balt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterweiterung der EU (Drucksachen 14/8001, 14/9498) . . . . . 24782 C Tagesordnungspunkt 14: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Zu- sammenarbeit zwischen der Bundes- republik Deutschland und den Vereinten Nationen im Jahr 2001 (Drucksache 14/9466) . . . . . . . . . . . . . . . . 24782 D Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Anwendung von Gentests in Medizin und Versicherungen (Drucksachen 14/6640, 14/9584) . . . . . . . 24783 A Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Christian Lange (Backnang), Dr. Hans-Peter Bartels, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Katrin Göring- Eckardt, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bun- destages – Verhaltensregeln für Mitglie- der des Deutschen Bundestages (Drucksache 14/9100) . . . . . . . . . . . . . . . . 24783 B Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundes- regierung für das Haushaltsjahr 2000 – Vorlage der Haushaltsrech- nung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 2000) – zu der Unterrichtung durch den Bun- desrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2001 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2000) (Drucksachen 14/5858, 14/7018, 14/7413 Nr. 2, 14/9460) . . . . . . . . . . . . 24783 C Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24783 D Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Müller (Zittau), Dr. Rainer Wend, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Werner Schulz (Leip- zig), Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Die Gemeinschaftsauf- gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als regelgebunde- nes Fördersystem erhalten (Drucksachen 14/9242, 14/9589) . . . . . . . 24787 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Matthias Wissmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Re- gionalpolitik stärken – Chancen nutzen (Drucksache 14/9595) . . . . . . . . . . . . . . . . 24787 B Tagesordnungspunkt 19: Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Verteilung und Verteilungswirkun- gen der Steuern und Abgaben (Drucksachen 14/7912, 14/9492) . . . . . . . 24787 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24787 D Tagesordnungspunkt 20: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Margrit Wetzel, Dr. Rainer Wend, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Werner Schulz (Leipzig), Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Weltweite Märkte für Meerestechnik erschließen (Drucksachen 14/9223, 14/9587) . . . . . 24789 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002VIII nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Matthias Wissmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Zukunft Meer – Für eine verantwor- tungsbewusste Nutzung der Meeres- technologie (Drucksachen 14/9352, 14/9588) . . . . 24789 B Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Georg Brunnhuber und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs (Kommunale Rechte bei Windkraftanla- gen stärken) (Drucksache 14/9132) . . . . . . . . . . . . . . . . 24789 D Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurEinrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Drucksache 14/9356) . . . . . . . . . . . . . . . . 24790 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24790 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24791 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 24793 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Aufgaben des jüngsten Mitgliedes des Deutschen Bundes- tages (Tagesordnungspunkt 34 e) . . . . . . . . . . 24793 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Bestellung ei- ner Amtsanklägerin/eines Amtsanklägers (Ta- gesordnungspunkt 34 f) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24794 B Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rosel Neuhäuser (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sichern und verbes- sern (Tagesordnungspunkt 7 e) . . . . . . . . . . . . 24794 D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- tung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung (Ta- gesordnungspunkt 34 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24795 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Sank- tionenrechts (Tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . 24795 C Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24795 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Parlamentarische Dimension und die Zukunft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) (Tages- ordnungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24796 B Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24796 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Sperr- zeiten für Gaststätten und Biergärten kunden- freundlicher gestalten (Tagesordnungspunkt 9) 24796 D Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24796 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung ei- ner Magnus-Hirschfeld-Stiftung (Tagesord- nungspunkt 34 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24797 B Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24797 B Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 24798 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24799 D Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24800 C Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24800 D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfragen: – Wirtschaftspolitische Auswirkungen der EU-Osterweiterung – Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterweiterung der EU (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . 24801 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 IX Christian Müller (Zittau) SPD . . . . . . . . . . . . 24801 C Klaus Francke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24802 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24803 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24804 C Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24805 C Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24806 C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Be- richt der Bundesregierung zur Zusammenar- beit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen im Jahr 2001 (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . . . . . . . . . . 24807 C Brigitte Adler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24807 C Clemens Schwalbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24809 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 24810 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24811 C Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . . 24812 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: An- wendung von Gentests in Medizin und Versi- cherungen (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . 24813 A Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24813 B Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24814 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24815 B Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24816 C Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24817 A Gudrun Schaich-Walch, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24817 C Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages – Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Tages- ordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24818 D Dr. Hans-Peter Bartels SPD . . . . . . . . . . . . . 24818 D Christian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . 24819 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 24820 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24821 D Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24823 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24823 C Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2000 – Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögens- rechnung des Bundes (Jahresrechnung 2000) – zu der Unterrichtung durch den Bundes- rechnungshof: Bemerkungen des Bundes- rechnungshofes 2001 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2000) (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 24824 A Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24824 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24825 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24825 D Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24826 C Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als regelgebundenes Fördersystem erhalten – des Antrags: Regionalpolitik stärken – Chancen nutzen (Tagesordnungspunkt 18 und Zusatztagesord- nungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24827 A Christian Müller (Zittau) SPD . . . . . . . . . . . . 24827 A Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24828 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24828 C Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24829 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24829 C Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24930 B Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Verteilung und Verteilungs- wirkungen der Steuern und Abgaben (Tages- ordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24831 B Dr. Frank Schmidt (Weilburg) SPD . . . . . . . . 24831 B Wolfgang Steiger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 24833 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24834 B Gisela Frick FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24835 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002X Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Weltweite Märkte für Meerestechnik er- schließen – Zukunft Meer – Für eine verantwortungs- bewusste Nutzung der Meerestechnologie (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 24835C Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 24835 D Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24837 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 24839 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24840 D Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 24841 D Wolfgang Bierstedt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 24842 D Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24843 C Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (Kommunale Rechte bei Windkraftanlagen stärken) (Tagesord- nungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24844 C Wolfgang Spanier SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24844 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 24846 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24848 B Marita Sehn FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24849 A Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 24849 D Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unterneh- men (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . 24850 C Klaus Wiesehügel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 24850 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24851 B Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24851 C Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24852 B Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 24852 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 XI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 Hartmut Schauerte 24791 (C)(A) 1) Anlage 19 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24793 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 27.06.2002 Gila DIE GRÜNEN Dr. Bartsch, Dietmar PDS 27.06.2002 Behrendt, Wolfgang SPD 27.06.2002* Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27.06.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 27.06.2002* Klaus Buwitt, Dankward CDU/CSU 27.06.2002* Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 27.06.2002 DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 27.06.2002 Peter Dr. Grygier, Bärbel PDS 27.06.2002 Haack (Extertal), SPD 27.06.2002* Karl-Hermann Hartnagel, Anke SPD 27.06.2002 Hilsberg, Stephan SPD 27.06.2002 Dr. Hornhues, CDU/CSU 27.06.2002* Karl-Heinz Hornung, Siegfried CDU/CSU 27.06.2002* Hovermann, Eike Maria SPD 27.06.2002 Irmer, Ulrich FDP 27.06.2002 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 27.06.2002 Kasparick, Ulrich SPD 27.06.2002 Dr. Küster, Uwe SPD 27.06.2002 Lehn, Waltraud SPD 27.06.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 27.06.2002* Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 27.06.2002* DIE GRÜNEN Lörcher, Christa fraktionslos 27.06.2002* Dr. Lucyga, Christine SPD 27.06.2002* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 27.06.2002* Erich Mante, Winfried SPD 27.06.2002 Dr. Meyer (Ulm), SPD 27.06.2002 Jürgen Müller (Berlin), PDS 27.06.2002* Manfred Neumann (Bremen), CDU/CSU 27.06.2002 Bernd Neumann (Gotha), SPD 27.06.2002 Gerhard Palis, Kurt SPD 27.06.2002* Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 27.06.2002 Ronsöhr, CDU/CSU 27.06.2002 Heinrich-Wilhelm Dr. Scheer, Hermann SPD 27.06.2002* Schlee, Dietmar CDU/CSU 27.06.2002 Schloten, Dieter SPD 27.06.2002* Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 27.06.2002 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 27.06.2002* Schröder, Gerhard SPD 27.06.2002 Schultz (Everswinkel), SPD 27.06.2002 Reinhard Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 27.06.2002 Christian Seehofer, Horst CDU/CSU 27.06.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 27.06.2002 Stetten, Wolfgang Türk, Jürgen FDP 27.06.2002 Wohlleben, Verena SPD 27.06.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 27.06.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO derAbgeordneten Dr. Evelyn Kenzler (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Aufgaben des jüngsten Mitgliedes des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 34 e) Sie haben – folgt man der vorliegenden Beschluss- empfehlung des Geschäftsordnungsausschusses – die Ab- sicht, in der folgenden Abstimmung gegen den Antrag der entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht PDS-Bundestagsfraktion „Aufgaben des jüngsten Mit- gliedes des Deutschen Bundestages“ zu stimmen. Ich und die PDS-Bundestagsfraktion werden der Beschlussemp- fehlung nicht zustimmen. Der Alterspräsident Fred Gebhardt unterbreitete mit folgenden Worten bei der Eröffnung des 14. Deutschen Bundestag am 26. Oktober 1998 einen Vorschlag zur Tra- ditionserweiterung: Wenn Ihnen so wie mir das Schicksal der Jugend so wichtig ist, dann sollten wir dies auch durch symbo- lische Akte unterstreichen. Was spräche eigentlich dagegen, daß der 15. Deutsche Bundestag wie bisher von seinem ältesten Mitglied eröffnet würde, zusätz- lich aber das jüngste Mitglied die Gelegenheit zu ei- ner Ansprache erhielte? Dafür erhielt er Beifall von den Fraktionen der PDS, der SPD, Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP. Wir können heute aus dem Beifall eine Entscheidung machen und beschließen, dass der 15. Deutsche Bundes- tag im Oktober 2002 auch vom jüngsten Mitglied eröffnet wird. Das kostet kein Geld, setzt aber Zeichen, vor allem für die Jugend dieses Landes. Die Ablehnung des Vorschlages des Alterspräsidenten wird in der Beschlussempfehlung wie folgt begründet: Der Einführung eines Rederechtes des jüngsten Mit- gliedes stünde entgegen, dass dies Forderungen nach vergleichbarer Berücksichtigung anderer Bevölke- rungs- und Wählergruppen nach sich ziehen könnte. Dieses Argument trägt nicht und ist unglaubwürdig, denn mit derselben Begründung könnte auch das Rede- recht des Alterspräsidenten infrage gestellt werden. Wir werden die Beschlussempfehlung deshalb ablehnen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Be- stellung einer Amtsanklägerin/eines Amtsanklä- gers (Tagesordnungspunkt 34 f) Ich möchte mein Abstimmungsverhalten zur Be- schlussempfehlung des Haushaltsausschusses, Drucksa- che 14/9291, zum Antrag der PDS-Fraktion „Bestellung einer Amtsanklägerin/eines Amtsanklägers“ erläutern: Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung des Haus- haltsausschusses, weil sowohl die erste als auch die zweite Lesung des Antrages „Bestellung einer Amts- anklägerin/eines Amtsanklägers“, Drucksache 14/7227, ohne Debatte im Deutschen Bundestag erfolgte. Offen- sichtlich fürchten sich die anderen Fraktionen vor einer Debatte zur Bekämpfung der Verschwendung von öffent- lichen Geldern. Nur, opponieren allein hilft nicht, das ist meine Feststellung nach dem heutigen Tage. Das trifft für die CDU/CSU-Fraktion genauso zu wie für die FDP. Und die Regierungskoalition sollte darüber nachdenken, in- wieweit sich der Umgang mit öffentlichen Mitteln an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit orientiert. Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung des Aus- schusses, weil angesichts leerer Kassen in Bund, Länder und Gemeinden und der sich daraus als dringend notwen- dig ergebenden Sparpolitik es immer dringlicher wird, ernsthaft zu prüfen, wo Gelder tatsächlich eingespart wer- den können. Gegenwärtig wird fast das Fünffache dessen an Steuern vergeudet, was Haushaltspolitikerinnen und Haushaltspolitiker an Finanzierungslücken zu den entwe- der laufenden Reformen wie auch den noch bevorstehen- den ausmachen. Erfahrene Prüfer aus staatlichen Rechnungshöfen haben geschätzt, dass 5 Prozent der öffentlichen Mittel nicht sorgfältig verwendet werden, was auch durch den Europäischen Rechnungshof be- stätigt wurde. Bei dem jetzigen Volumen der öffentlichen Ausgaben in unserem Land dürfte die Verschwendung der öffentlichen Mittel bei etwa 25 Milliarden Euro pro Jahr liegen, das sind rund 20 Prozent des Aufkommens an Lohn- und Einkommensteuer des Jahres 2001. Ich stimme gegen die Beschlussempfehlung, weil damit Lösungsansätze zur Verhinderung von Steuerverschwen- dung, so im Haushalts- und Aufsichtsrecht, aber auch die Möglichkeiten von dienstrechtlichen, zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen ad acta gelegt werden. Aller- dings setzen solche möglichen Lösungen voraus, dass vor- handene Strukturen geändert oder tiefer greifende gesetz- liche Neuregelungen geschaffen werden. Bisher fehlte aber die Bereitschaft, diesbezüglich tätig zu werden. Dies zeigt der Umgang mit Strafanzeigen, die der Bund der Steuerzahler in den vergangenen Jahren gegen Steuergeld- verschwender wegen des Verdachts der Untreue nach § 266 Abs. 1 des Strafgesetzbuches erstattet hat. Der Bund der Steuerzahler forderte bereits seit 1982 einen solchen öffentlichen Vertreter, der auf der Basis der Ermittlungen der Rechnungshöfe arbeitet und diese zur Grundlage gerichtlicher Verfahren nutzt. Ich stimme gegen die Empfehlung des Ausschusses, weil ich den Eindruck erhalten habe, dass die für Ver- schwendung öffentlicher Gelder Verantwortlichen meines Erachtens nicht belangt werden sollen und weil bei ver- fehlten Ausgaben der öffentlichen Hand am Ende der Steuerzahler für diese aufkommen muss. Aber noch ist nicht aller Tage Abend und vielleicht greift ja die eine oder andere Fraktion diesen Vorschlag in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl oder in der 15. Legislaturperiode auf. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rosel Neuhäuser (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen si- chern und verbessern (Tagesordnungspunkt 7 e) Dem vorliegenden Antrag zur medizinischen Versor- gung von Kindern werde ich zustimmen. Ich begrüße es außerordentlich, dass dieser interfraktionelle Antrag zur Kindergesundheit entstanden ist. Umso enttäuschender ist es für mich, dass die Fraktion der PDS nicht mit auf dem Antrag erscheint. Das liegt keinesfalls an mangelnder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224794 (C) (D) (A) (B) Bereitschaft aus unserer Fraktion, diesem Antrag zuzu- stimmen. Ganz im Gegenteil, im Rahmen meiner turnusmäßigen Vorsitzzeit in der Kinderkommission des Deutschen Bun- destages habe ich das Thema Kindergesundheit zu meinem Schwerpunktthema gemacht. Dabei ist, federführend aus meinem Büro, der gemeinsame Antrag zur verantwor- tungsbewussten Vergabe von Methylphenidat entstanden, den viele von Ihnen unterstützt haben. Dieser Antrag ist nun in den vorliegenden Antrag mit eingeflossen. Als Kinderkommission des Deutschen Bundestages sind wir und ich im Besonderen darum bemüht, dass die Belange der Kinder auch hier im Parlament Gehör finden. Dies ist in diesem Falle geglückt. Zugleich bedauere ich es, obwohl ich diesem Antrag meine Zustimmung gebe, dass nun, bei der Einrichung des Antrages, wieder andere Dinge im Vordergrund ste- hen. Dass dies so ist, hat wieder einmal mit der Ausgren- zung der PDS zu tun. Obwohl alle Fachleute der Fraktio- nen und die Mitglieder der Kinderkommission an einem Strang ziehen wollten, konnte man wieder einmal nicht über den eigenen Schatten springen. Es siegte die Par- teiräson über das fachliche Anliegen – für mich immer wieder ein beredtes Beispiel dafür, wie politisches Schub- ladendenken und Wahlkampftaktiken über Sachthemen siegen. Wen wundert es dann noch, wenn die Politik im- mer mehr an Vertrauen verliert? Schade also. Es stünde uns gut, gerade bei einem solchen Antrag zur Kinder- gesundheit, wenn wir durch einen Antrag aller Fraktionen unsere Bemühungen, eine kinderfreundlichere Gesell- schaft zu schaffen, unterstrichen hätten. Die Kinder beim „Children’s Forum“ auf dem Weltkindergipfel in New York haben es uns vorgemacht, wie man über die größten Unterschiede hinweg im Sinne der Kinder zusammen- arbeiten kann. Wir können noch viel von ihnen lernen. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld- Stiftung (Tagesordnungspunkt 34 b) In vorbezeichneter Angelegenheit bin ich sehr dafür, dass die nationalsozialistische Verfolgung Homosexueller erforscht, dargestellt und in Erinnerung gehalten wird. Angesichts der allseits diskutierten Situation der öf- fentlichen Haushalte halte ich eine Belastung der nächs- ten Haushalte in einer Gesamtsumme von 15 Millionen Euro zur Finanzierung des Stiftungskapitals der Magnus- Hirschfeld-Stiftung für absolut zu hoch. Dieses würde bei einer nur fünfprozentigen Verzinsung des Stiftungskapi- tals zu einem jährlichen Etat von weit mehr als einer Mil- lion DM bis in die Ewigkeit führen. Es kann nicht sein, dass hier über den Umweg einer Stiftung das Jährlichkeitsprinzip des Haushaltsrechts aus- gehöhlt wird und auf Dauer diese neue Aufgabe aus Steu- ermitteln finanziert wird. Dieses lehne ich ab. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Sanktionenrechts (Tagesordnungs- punkt 4) Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Schwitzen statt Sitzen – das ist ein zentrales Motto für die Reform des Sanktio- nensystems. Aber warum, Herr Kollege Hartenbach, las- sen Sie uns jetzt so kurz vor Ultimo sitzen und schwitzen? Warum kommt der Gesetzentwurf erst jetzt, ganz am Ende der Wahlperiode, in der vorletzten Sitzungswoche? Die Veränderungen im Vergleich zum zwei Jahre alten Referentenentwurf sind – ich kann mir nicht helfen – nicht so riesig. Aber es drängt sich geradezu der Eindruck auf, als wenn hier vor allem in Richtung Wahlkampf gepunk- tet werden soll. Ansonsten hätten Sie uns, Ihren Kollegen von der Opposition, die nötige Zeit gegeben, um eine so wichtige Reform mit der notwendigen Gründlichkeit zu beraten. Man könnte ja fast meinen, Sie haben Angst da- vor, dass Ihnen die Reform zerredet wird. Oder meinen Sie, auf Vorschläge, Hinweise, Kritiken von uns Kollegen aus den anderen Parteien verzichten zu können? Ich halte es grundsätzlich für richtig und wichtig, das Sanktionensystem zu reformieren und „Reform“ nicht einfach nur mit „Strafverschärfung“ gleichzusetzen. Ich begrüße auch eine Reihe Ihrer Vorschläge, zum Beispiel zur Aufwertung der gemeinnützen Arbeit, zur verbesser- ten Opferentschädigung oder zur erleichterten „Verurtei- lung von Strafvorbehalt“, auch wenn ich mir an der einen oder anderen Stelle noch mehr Konsequenz wünsche. Ich habe auch noch einigen Diskussionsbedarf beispielsweise bei der Ausweitung des Fahrverbots auf weitere Delikts- arten. Da Sie uns aber den Zeithahn zugedreht haben, bleibt das nur ein frommer Wunsch von mir. Eine wirkliche Reform des Sanktionensystems sollte auch Anlass sein, noch einmal über grundsätzlichere Fra- gen nachzudenken: Sollte sie nicht sowohl nach oben wie nach unten weiter angelegt werden? Im System der Stra- fen sollte auch über den Strafrahmen „lebenslänglich“ diskutiert werden. Die mögliche Entlassung wird als festes Kalkül in das Bedingungsgefüge der Haftschick- sale einbezogen, auch wenn sie mitunter in sehr weiter Ferne liegt. Vor diesem Hintergrund erscheint die lebens- lange Freiheitsstrafe jedoch praktisch als Freiheitsstrafe von unbestimmter Dauer. Dieser Aspekt und das Verfas- sungsgebot der Resozialisierung sollten Anlass sein, dieses unpopuläre und unbequeme Thema bei der Re- formdiskussion nicht außen vor zu lassen. Denn der Straf- vollzug muss grundsätzlich auch eine Station auf dem Weg zurück in die Gesellschaft sein. Ich erinnere nur an den Satz des Bundesverfassungsgerichts: „Jeder Verur- teilte hat einen Rechtsanspruch auf seine Resozialisie- rung, für die Justizbehörden besteht eine Pflicht dazu.“ Zur Schaffung zeitgemäßer Sanktionsformen gehört meines Erachtens auch das bei Ihnen unbeliebte Thema der Entkriminalisierung im Bagatellbereich und im Betäubungsmittelrecht. Trauen Sie sich auch an dieses Thema heran! Namhafte Strafrechtler fordern seit Jahr Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24795 (C) (D) (A) (B) und Tag die Herausnahme der Bagatelldelikte aus dem Strafgesetzbuch und ihre Eingliederung in das Ordnungs- widrigkeitenrecht. Das könnten zum Beispiel geringfü- gige Diebstähle im Konsumbereich oder auch das Schwarzfahren sein. Hier brauchten wir noch klarere Al- ternativen zur strafrechtlichen Konfliktbewältigung auch und gerade im Interesse der konsequenten Verfolgung von mittlerer und schwerer Kriminalität. Der Gesetzentwurf berücksichtigt die Interessen der Opfer besser, indem der Opferentschädigung Vorrang ein- geräumt wird. Sehr richtig! Ich finde es auch gut, dass 10 Prozent jeder Geldstrafe einer anerkannten Einrichtung der Opferhilfe zugute kommen soll. Aber was ist mit der effektiven Verteilung? Hier brauchen wir eine klarstel- lende Regelung, die Verteilungsgerechtigkeit schafft und Rechenschaft der Opferhilfeeinrichtungen festschreibt. Der Gesetzentwurf zeigt auch die Einsicht, dass die Möglichkeiten, menschliches Verhalten durch die bislang vorhandenen Sanktionen positiv zu beeinflussen, begrenzt sind. Ja, sie werden häufig überschätzt. Alternativsanktio- nen zwischen bzw. unterhalb von Geld- und Freiheitsstrafe sind dort, wo sie angewendet werden können, häufig wirkungsvoller. Ich denke nur an die gemeinnützige Ar- beit. Rechtsfriedliche Konfliktregulierung und verstärkte Orientierung auf die soziale Verantwortung des Täters bringen einen konstruktiveren Ansatz in das Strafrecht. Leider haben Sie uns, liebe Kollegen von der Koali- tion, die Möglichkeit genommen, diese Diskussion auch wirklich führen zu können. Ich fordere Sie deshalb auf – wenn Sie es tatsächlich ernst meinen mit der Reform –, Ihren mir durchaus sympathischen Entwurf jetzt zurück- zuziehen und in der nächsten Wahlperiode dann ohne Zeitdruck zu beraten. Eine Anhörung ist in diesem Fall sinnvoll und notwendig. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Parlamentarische Dimension und die Zukunft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) (Tagesordnungspunkt 8) Heidi Lippmann (PDS): Die Kernaussagen des vor- liegenden interfraktionellen Antrags gehen in die richtige Richtung, doch sie gehen längst nicht weit genug. Dass die OSZE inzwischen Strukturen im Bereich der zivilen Krisenbearbeitung und der Demokratieentwicklung auf- gebaut hat, ist schön und gut. Aber sie leidet darunter, dass sie in eine untergeordnete Funktion gebracht wurde. Sie wird je nach Bedarf von den Großmächten und/oder dem militärisch geprägten Bündnis NATO instrumentalisiert oder neutralisiert. Beispiel: der OSZE-Medienbeauftragte. Als die NATO im Luftkrieg gegen Jugoslawien dortige Rundfunk- und Fernsehsender bombardierte und damit eindeutig gegen Völkerrecht verstieß, äußerte der Medienbeauftragte nur sehr lau Bedenken, und dies nicht nur, weil er den Krieg befürwortete, sondern weil er sich offenkundig mit der mächtigen NATO nicht anlegen wollte. Beispiel: OSZE-Krisenmission im Kosovo zwischen Oktober 1998 und März 1999. Dass die OSZE größte Mühe hatte, ihr Kontingent an Verifikateuren aufzufüllen, war die eine Seite. Die andere war, dass der OSZE auf merkwür- dige Weise der merkwürdige Mr. Walker oktroyiert wurde, der als Missionsleiter eine mehr als fragwürdige Rolle bei der Eskalation der Gewalt spielte. Im Übrigen bleibt bis heute der Verdacht, dass diese OSZE-Beobachter von führenden NATO-Staaten missbraucht wurden, um den anschließenden Luftkrieg vorzubereiten. Bis heute ist die OSZE in der Rolle eines Subunter- nehmers von KFOR, also der NATO, dort geblieben. Un- sere Meinung: So kann und darf man mit der OSZE nicht umgehen. Sie muss endlich eine eigenständigere und ge- wichtigere Rolle spielen. Solange dies nicht der Fall ist, bleiben Ihre schönen Aufgabenbestimmungen am Ende des Antrags weitgehend Papier. Wir sind dafür, dass „die zivile Komponente in der Sicherheitspolitik weiter ver- stärkt wird“, wie Sie in Ihrem Antrag formulieren. So- lange die Weichen in Richtung Rüstungsmodernisierung und Ausbau militärischer Interventionsfähigkeit gestellt sind, bleibt diese Forderung Makulatur. Wir sind auch dafür, dass die wirtschaftliche, soziale, ökologische und menschenrechtliche Dimension in eine umfassende Friedens- und Sicherheitspolitik integriert wird. Doch gerade dafür stehen der OSZE nahezu keine Instrumente zur Verfügung. Wenn das gewollt wird, dann müssen dafür schleunigst konkrete Konzepte auf den Tisch. Auch hier reichen Lippenbekenntnisse nicht. Der Appell, der angesichts der OSZE-Jahrestagung von Berlin ausgehen sollte, lautet: OSZE first! Dabei darf es nicht nur um eine „bessere Vermittlung der Aufgaben und Aktivitäten der OSZE gegenüber der Öffentlichkeit“, wie es im Antrag heißt, gehen, sondern um ihre wirkliche Aufwertung, so zum Beispiel indem die jetzt im Rahmen der EU im Aufbau befindlichen Instrumente der Krisen- frühwarnung und der zivilen Streitbeilegung in den Hand- lungsrahmen der OSZE gebracht werden, beispielsweise indem neue Initiativen zur Abrüstung und Rüstungskon- trolle entwickelt werden. Mit diesen Forderungen ginge von dem Antrag tatsäch- lich eine Signalwirkung aus. So wohnt ihm leider ledig- lich ein Verlautbarkeitscharakter inne. Die PDS-Fraktion wird sich deswegen enthalten. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Sperrzeiten für Gaststätten und Bier- gärten kundenfreundlicher gestalten (Tagesord- nungspunkt 9) Rosel Neuhäuser (PDS): Stellen Sie sich vor, Deutschland wird am Sonntag Fußballweltmeister und keiner darf in den Freiluftgaststätten fernsehen und feiern! Welch ein Glück für die Fußballfans, dass es zu mitteleuropäischer Sommerzeit stattfindet! Aber selbst Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224796 (C) (D) (A) (B) die stärksten Kritiker der Öffnungszeiten der Außengas- tronomie würden hier zum Samariter werden. Allerdings gibt es auch Menschen, die für derartige Freizeitvergnügen nichts übrig haben, jedenfalls dann nicht, wenn sie in unmittelbarer Umgebung ihrer Woh- nung stattfinden. Dort wollen sie auch in lauen Som- mernächten ihre Ruhe oder ihren ungestörten Schlaf ha- ben. Wer früh einschlafen will, weil er am nächsten Morgen früh aufstehen muss, möchte nicht gestört werden und verlangt ein frühes Ende der Außengastromomie. Gastronomen wiederum, die deshalb früh schließen müs- sen, beklagen Wettbewerbsverzerrungen, weil anderen Gastronomen in günstigeren Lagen längere Öffnungszei- ten zugestanden werden. Diese unterschiedlichen Interes- sen sind schwer unter einen Hut zu bringen, wie die zurückliegenden Diskussionen gezeigt haben. Aber zu einer belebenden Innenstadt gehört eben auch eine belebende Gaststättenstruktur. Dies verlangt von Bund, Ländern und Kommunen eine entsprechende Ge- staltung der Rahmenbedingungen für die Außengastrono- mie. Darüber haben wir vor ungefähr einem Jahr bei der Einbringung des Antrages ausführlich diskutiert. Wir haben über alle Fraktionen hinweg festgestellt, dass sich der Be- such in Freiluftgaststätten infolge gewandelten Konsum- verhaltens – Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr –, veränderter Freizeitgewohnheiten und eines anderen Ausgehverhaltens in den letzten Jahren mehr und mehr verändert hat. Einmütigkeit bestand auch darin, möglichst schnell auf Bundesebene verträgliche Lösungen auf den Weg zu bringen, ohne dabei Landes- bzw. Kommunalkompeten- zen zu unterlaufen. Auf Bundesebene ist deshalb vorder- gründig zu prüfen, inwiefern das Bundes-Immissionsge- setz einer Novellierung unterzogen werden kann, damit „menschlicher Kommunikationslärm“ nicht wie techni- scher Lärm behandelt wird – damit man nicht sagen kann: Lachen und Sägen verboten. Ich halte es lieber ganz im Sinne von § 1 der Straßen- verkehrsordnung. Was zählt, ist die gegenseitige Rück- sichtnahme. Geltendes Recht und dazu ergangene Recht- sprechung ermöglichen eine den Interessen bzw. Bedürfnissen aller Beteiligten angemessene Entschei- dung in bestimmten Toleranzbereichen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung (Tagesordnungspunkt 34 b) Margot von Renesse (SPD): Zum Gedächtnis an Magnus Hirschfeld, der als Jude, Homosexueller und So- zialdemokrat der dreifach tödlichen Feindschaft der Na- zis zum Opfer gefallen ist, soll heute eine Stiftung mit sei- nem Namen errichtet werden. Sie dient zugleich dem Gedächtnis an alle, die während der Nazidiktatur verfolgt und ermordet wurden und die auch danach noch, im Osten und im Westen, gesellschaftliche und rechtliche Ausgren- zung erfahren mussten. Sie soll schließlich dazu beitra- gen, dass in Gegenwart und Zukunft jeder Mensch ohne Angst anders sein kann und Anderssein auch nicht Angst erzeugt. Ein solches Projekt müsste vom Bundestag einstimmig verabschiedet werden, verwirklicht es doch den einstim- migen Beschluss dieses Hauses, der eine kollektive Wie- dergutmachung durch Gedächtnisarbeit und konkrete Un- terstützung beispielhafter Aktivitäten für Toleranz und Akzeptanz forderte. Dass wir diese Einstimmigkeit jetzt nicht mehr erreichen, ist zum Teil – ich räume dies freimütig ein – die Folge von Missverständnissen und Fehleinschätzungen auf unserer Seite, aber auch von Kleinlichkeit, Mangel an Sachlichkeit und Unterstellun- gen bei der Opposition. Die Ziele der Stiftung konnten wir noch gemeinsam formulieren, sodass an ihnen wohl nichts auszusetzen ist. An ihnen – und nur an ihnen – ist die Zusammensetzung des Kuratoriums zu messen. Mit den im Gesetzentwurf vorgesehenen 22 Mitgliedern, von denen die Hälfte aus Regierung und Parlament kommen soll, dürfte die maxi- male Größe für das Lenkungsgremium der finanziell nicht gerade üppig ausgestatteten Stiftung erreicht sein. Für die Verbände gleichgeschlechtlicher Menschen bleiben damit elf Sitze, mit denen man unmöglich, wie von Ihnen ge- fordert, „die gesamte Breite des homosexuellen Vereins- wesens“ repräsentieren kann. Es gibt nämlich bei genauer Betrachtung dafür eine zu große Zahl von Vereinen, die homosexuellen Männern und Frauen gemeinsame Akti- vitäten anbieten. Da also Auswahl sein musste, hatte sich diese an den Zielen der Stiftung zu orientieren. Liegen sachliche Gründe vor, so kann weder von Begünstigung noch von Benachteiligung die Rede sein. Wer dann gleichwohl sol- ches unterstellt, handelt blind vor Ablehnung oder als schierer Lobbyist. Wir haben für unsere Auswahl sachliche Gründe, näm- lich die folgenden: Als Stiftung auf Bundesebene sollen dem Kuratorium nur bundesweit organisierte Verbände angehören, weil es nicht Platz gibt für bis zu 16 nur in ein- zelnen Bundesländern aktive Organisationen. Die Akti- vität der infrage kommenden Verbände muss außerdem möglichst allen Aspekten homosexueller Existenz gewid- met sein. Denn werden Akzente auf einzelne Schwer- punkte gelegt, so bleiben zwangsläufig andere Bereiche, die ebenfalls von Bedeutung sind, unterrepräsentiert. Schließlich ist der Gefahr zu begegnen, dass die Interes- sen, Sichtweisen und Erfahrungen von Frauen zu wenig berücksichtigt werden, da sie weniger als Männer dazu tendieren, sich in Verbänden zu organisieren. An diese Vorgaben haben wir uns gehalten, allerdings mit einer Ausnahme: Wir haben den Völklinger Kreis, der sich selber als „Gay Manager“ bezeichnet, und die Ge- werkschaft ver.di mit je einem Sitz im Kuratorium verse- hen, obgleich in beiden Organisationen homosexuelles Leben nicht in der ganzen Breite, sondern vorwiegend in Bezug auf die Arbeitswelt Thema ist. Das schien uns deshalb vertretbar, weil aus beiden Verbänden in der Vergangenheit erhebliche Impulse gekommen sind, ge- sellschaftliche Diskriminierung von homosexuellen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24797 (C) (D) (A) (B) Menschen zu beseitigen. Was die Gewerkschaft angeht, so gehen wir davon aus, dass sie Mitglieder aus ihrem en- gagierten Arbeitskreis gleichgeschlechtlicher Arbeitneh- mer entsendet. Grundsätzlich haben die im Kuratorium vertretenen Organisationen je eine Stimme. In zwei Fällen haben wir davon Ausnahmen gemacht, um uns dem Ziel einer nicht allzu geringen Repräsentanz von Frauen anzunähern. Die Verbände nämlich, die eine nicht nur mikroskopisch kleine Anzahl weiblicher Mitglieder aufweisen, haben je zwei Sitze. Bei diesen Verbänden lässt sich gesetzlich bestim- men, dass sie sich durch einen Mann und eine Frau ver- treten lassen. Sonst wäre es hoch wahrscheinlich, dass sich im Kuratorium nur ein einziges weibliches Mitglied befindet, nämlich die Vertreterin des Lesbenringes. Dagegen richtet sich der wütende Protest der Opposi- tion. Man ruft „Begünstigung!“, weil der Kollege Beck Mitglied eines dieser Verbände ist. Stellt die Mitglied- schaft des Kollegen Beck im LSVD in Ihren Augen denn wirklich einen zureichenden Grund dar, um sachliche Gründe für die von uns gewählte Regelung auszuhebeln? Nun, wir waren im Berichterstattergespräch insoweit so- gar entgegen unserer Überzeugung zum Einlenken bereit. Eine Einigung schien möglich. Sie scheiterte nur daran, dass Herr Dr. Gehb ohne jeden sachlichen Grund auf ei- nen Sitz im Kuratorium für einen Landesverband bestand, nämlich für das Schwule Netzwerk NRW. Wie kann je- mand, der so offensichtlich Lobbytum für eine Gruppe be- treibt, es auch nur wagen, anderen Lobbyismus vorzu- werfen. Frau Schenk fordert neuerdings zwei Sitze für den Lesbenring. Dies hatte sie im Berichterstattergespräch nicht getan. Sie hat mir erklärt, es gehe ihr weniger um eine angemessene Anzahl von Frauen im Kuratorium als vielmehr darum, dass dort die in ihren Augen „richtige Politik“ vertreten werde. Darunter versteht sie die Besei- tigung des Art. 6 aus der Verfassung. Abgesehen davon, dass ich persönlich von diesem Ziel nichts, aber auch gar nichts halte, kann es nicht Sache des Gesetzgebers sein, bestimmte Lieblingsideen einzelner Abgeordneter zu för- dern, seien sie nun gescheit oder abwegig. Es ist Sache der Verbände und ihrer Vertreter selbst, ihre Sichtweisen zu formulieren. Darum sind wir daran interessiert, die An- wesenheit möglichst vieler Frauen im Kuratorium sicher- zustellen. Ernsthaft nachgedacht haben wir über das Anliegen des Jugendverbandes Lambda, im Kuratorium vertreten zu sein. Dessen Argumente in der Anhörung waren beden- kenswert. Wir sind dennoch im Ergebnis dabei geblieben, bis auf den Völklinger Kreis und die Gewerkschaft ver.di keine weiteren Verbände mit speziellen Zielsetzungen aufzunehmen, weil wir sonst nicht hätten rechtfertigen können, warum nicht auch andere Gruppierungen mit an- deren Interessen im Kuratorium vertreten sein sollen. Dem berechtigten Anliegen, dass gerade Jugendarbeit im Kuratorium durch Personen repräsentiert ist, die diese Ar- beit aus eigener Erfahrung kennen, sollte jedoch durch die Auswahl der Vertreter des Jugendministeriums Rechnung getragen werden. Die Opposition hätte gerne in der Satzung eine Klausel gesehen, die den Ausschluss eines Verbandes mit einem Quorum der Mitglieder ermöglicht. Wir halten dies für kontraproduktiv. Gibt es Konflikte mit einem Verband, so wird man schon deshalb von einem Ausschluss durch Ku- ratoriumsbeschluss absehen müssen, weil solche Be- schlüsse gerade dann extrem untunlich sind. Wir möchten zudem auch nicht den Eindruck erwecken, als bestünde schon bei Errichtung der Stiftung der Verdacht, die Ko- operation mit homosexuellen Menschen werde zu unlös- baren Konflikten führen. Bei der Entstehung des Gesetzentwurfs hätte manches auf unserer Seite möglicherweise klüger hantiert werden können. Ich selber habe zum Beispiel nicht verstanden – und ich begreife es auch jetzt nur mühsam –, warum es Ihnen so wichtig war, dass die Regierung und nicht die Regierungskoalition das Gesetz vorlegt. Ich hätte mit Herrn Dr. Gehb mehr Kontakt halten müssen, um Ihre An- liegen besser zu verstehen. Mir ging und geht es darum, mit der Person des ermordeten Dr. Magnus Hirschfeld stellvertretend für viele Opfer einen Menschen angemes- sen zu ehren, dem furchtbares Unrecht angetan wurde. Angemessene Ehrung bedeutet in diesem Falle – und da weiß ich mich trotz allem auch mit der Opposition einig –, dass in unserer Gesellschaft die Würde aller Menschen, auch der homosexuellen, geachtet wird. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Gern hätte ich heute eine andere Rede gehalten. Ich bedaure dies sehr, denn ich empfinde persönliches Wohlwollen dem Anliegen gegen- über. Auch die Bereitschaft meiner Fraktion war gegeben, eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung auf den Weg zu bringen. Schließlich haben wir als Christdemokraten den einstim- migen Beschluss vom 7. Dezember 2000 aktiv mit her- beigeführt, der als Ausgangspunkt für eine mögliche Stif- tung anzusehen ist. Dieser einstimmige Beschluss ist ein kostbares Kapital. Entsprechend hätte damit umgegangen werden müssen. Bedauerlicherweise ist insbesondere Herr Beck mit diesem Kapital nicht mit der Verantwor- tung umgegangen, wie es um der Sache willen angezeigt gewesen wäre. Die historische Zunft mag in späteren Zei- ten beurteilen, welche Chance die Koalition damit ver- spielt hat. Um jeglicher Geschichtsklitterung von Anfang an ent- gegenzuwirken, will ich noch einmal von dieser Stelle aus klar aussprechen, was streitig und was unstreitig ist. Un- streitig ist die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stif- tung als Form der kollektiven Entschädigung für die Ver- folgung homosexueller Männer und Frauen während der NS-Zeit. Die Stiftung soll selbstverständlich Initiativen unterstützen, die die historische Aufarbeitung der natio- nalsozialistischen Homosexuellenverfolgung und des späteren Umgangs mit ihren Opfern zum Gegenstand ha- ben, und damit auch Punkt III der Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/4894 mit Leben erfüllen: Damit ist der Ausgangspunkt für diese Stiftung klar und selbstver- ständlich auch die damit verbundene Verantwortung aller Beteiligten gegenüber den Opfern und dem Namensgeber Magnus Hirschfeld. Es reicht aber nicht aus – auch wenn sich viele Lesben und Schwule eventuell dazu verleiten lassen und dies dem einen oder anderen Politiker und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224798 (C) (D) (A) (B) Verbandsvertreter auch nicht unlieb wäre –, sich nur mit Überschriften zu beschäftigen. Es reicht nicht aus, einfach nur Beifall zu klatschen, dass eine Magnus- Hirschfeld-Stiftung errichtet werden soll. So unstreitig die Stiftung als solche ist, so streitig sind die Details. Und dieser Streit ist wichtig und legitim, denn es kann nicht sein, dass unter dem Deckmantel einer ehrenwerten Stif- tung ungebührliche Eigeninteressen überhand gewinnen. Völlig zu Recht wurde vom Sachverständigen Maas in der Öffentlichen Anhörung angemahnt: „Es darf auch nicht der Hauch des Eindrucks entstehen, dass hier ein- zelne Verbandsinteressen über den ideellen Zweck des Stiftungsanliegens gestellt werden.“ Heute lautet mein bitteres Resümee: Von Hauch kann keine Rede mehr sein. Selbstbedienung ist nur mühsam verschleiert. Uns liegt mit diesem Gesetzentwurf eine „Lex Beck“ vor – und die Sozialdemokraten haben es durchgehen lassen. Was ist passiert? Wir hatten einstimmig in diesem Haus die Bundesregierung beauftragt, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Stattdessen wird nach 18 Monaten von den Koalitionsfraktionen ein Gesetzentwurf vorgelegt, um in- nerhalb einer Woche durch das Parlament gepeitscht zu werden, wie der ursprüngliche Zeitplan es vorsah. Also geradezu klammheimlich – und inzwischen glaube ich, dies war auch so gewollt. Denn eine breite öffentliche Diskussion über Sinn, Zweck und Ausgestaltung der Stif- tung, die auch für unsere parlamentarischen Beratungen hätte von Nutzen sein können, ist faktisch wenige Wochen vor dem Ende dieser Wahlperiode und innerhalb dieser kurzen parlamentarischen Beratungszeit nicht mehr mög- lich, wie äußerst kritisch dies auch der Sachverständige Norporth in seiner Stellungnahme anmerkte. Dies war of- fensichtlich aber auch nicht gewollt. Die Öffentlichkeit wurde bei diesem Projekt von Herrn Beck offenbar ge- scheut wie das Weihwasser vom Teufel. Hierzu passt auch das Ansinnen, nach der ersten Lesung ebenfalls die heu- tige zweite und dritte Lesung ohne Debatte stattfinden zu lassen. Absurd ist die Vorstellung, ein solch wichtiges Projekt im Kontext der Wiedergutmachung ohne jegliche Parlamentsdebatte zu begleiten. Inzwischen ist aber auch offenbar geworden, warum die Öffentlichkeit so sehr ge- scheut wird, denn im Frühjahr gab es einen ordentlichen und diskussionswürdigen Entwurf aus dem Bundesfi- nanzministerium zur Errichtung der Stiftung. Der hatte nur einen Nachteil. Er lief den Interessen des Abgeordne- ten Beck zuwider. Also wurde der Entwurf auf die eige- nen Belange hin zugeschnitten, um nicht zu sagen frisiert. Welcher Schaden für das Ansehen einer möglichen Stiftung, die den Namen Magnus Hirschfeld tragen solle, durch diese „Lex Beck“ entsteht, ist mehr als offenbar. Dabei war ursprünglich die Bereitschaft da, in einem fairen Gespräch unter allen Berichterstattern zu einem vertretbaren, gemeinsam Ergebnis zu kommen. Die Chance wurde vertan. Als Chance begriff ich auch die von uns beantragte öffentliche Anhörung. Dies sah die Koali- tion offensichtlich anders, denn erstmals wurden für eine Anhörung überhaupt keine Sachverständigen von der Ko- alition benannt. Die Botschaft an uns, aber auch an die Öf- fentlichkeit, sollte wohl lauten: Wir haben es nicht nötig. Schade. Ich jedenfalls habe gelernt, welch große Band- breite es an schwulem und lesbischem Leben in unserm Land gibt, und dass nicht ein einziger Verband den An- spruch erheben kann, für die Gesamtheit der Schwulen und Lesben zu sprechen. Mir war das vorher nicht so be- wusst. Es gab auch noch weitere neue und diskussions- würdige Vorschläge. Ich hatte jedenfalls erwartet – und aus den anderen Fraktionen vernahm ich auch diese Signale –, dass die Koalition die Berichterstatter nach der Anhörung noch einmal zu einem interfraktionellen Gespräch bittet. Eine Diskussion unter den Berichterstattern war aber offen- sichtlich unerwünscht. Es war alles längst entschieden. Die Koalition hat sich entschieden, grünes Licht für eine „Lex Beck“ zu erteilen. Die einmütige Kritik in der An- hörung, dass sich die Bandbreite lesbisch-schwulen Le- bens im Kuratorium überhaupt nicht widerspiegele, und selbstverständlich die Gleichrangigkeit der Verbände aus Prinzip gewährleistet sein müsse, wurde überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und geradezu vorsätzlich miss- achtet. Stattdessen sind sachlich überhaupt nicht zu recht- fertigende Privilegierungen für gewisse Verbände un- übersehbar und bewusst von Herrn Beck gewollt. Man mag hierzu nur die Stellungnahmen der Sachverständigen nachlesen. Völlig zu Recht hat sich auch der Sachver- ständige Dose dafür ausgesprochen, eine moderate und mit einem hohen Quorum bewehrte Zu- und Abwahlbe- stimmung für die im Kuratorium vertretenen Organisatio- nen in das Gesetz aufzunehmen. Auch dieser Wunsch wurde geflissentlich missachtet. Auf die rechtsförmlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken meiner Fraktion will ich im Einzelnen nicht mehr eingehen. Sie sind dem Bericht des Rechtsausschusses zu entnehmen. Es bleibt als traurige Quintessenz dieses ersten An- laufs, eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung zu errichten, nur festzuhalten: Der ursprünglich über die Fraktionsgrenzen hinweg geltenden Vereinbarung, für die kollektive Ent- schädigung homosexueller Opfer eine würdige Form zu finden, wurde durch die Art und Weise, wie die Koalition das Gesetzgebungsverfahren betrieb, ein Bärendienst er- wiesen. Wir können als Christdemokraten dem vorliegen- den Gesetzentwurf, dieser „Lex Beck“, nicht zustimmen. Sollte das Gesetzgebungsverfahren bis zum Ende der Le- gislaturperiode nicht abgeschlossen sein und damit der Diskontinuität verfallen, besteht die Chance, in einem neuen Anlauf eine Magnus-Hirschfeld-Stiftung auf den Weg zu bringen, die in einer breiten Öffentlichkeit Ak- zeptanz und Anerkennung finden wird. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einige Worte zum historischen Hintergrund: Am 6. Mai 1933 wurde das von Magnus Hirschfeld gegründete Insti- tut für Sexualwissenschaften von NS-Studenten verwüs- tet und geplündert. Es war der Auftakt zur so genannten „Aktion wider den undeutschen Geist“. Aus dem Institut geraubtes Inventar wurde am 10. Mai 1933 bei der Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz ins Feuer geworfen. Dieses Institut war nicht nur Forschungsstätte und Be- ratungsstelle. Dort hatte auch die homosexuelle Bürger- rechtsarbeit eine wichtige Basis. Daneben existierten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24799 (C) (D) (A) (B) zahlreiche weitere Vereinigungen. Diese Verbände und Vereine von homosexuellen Männern und Frauen wurden von den Nazis verboten oder zur Selbstauflösung ge- zwungen. Zeitschriften mussten ihr Erscheinen einstellen. Die Zerschlagung der homosexuellen Bürgerrechts- bewegung, der schwulen und lesbischen Infrastruktur er- folgte so gründlich, dass sie sich weit über das Kriegsende hinaus zum Nachteil der Schwulen und Lesben auswirkte. Anders als bei anderen Opfergruppen hat es hierfür für die Homosexuellen bislang keinen kollektiven Ausgleich ge- geben. Dem dient nun die Stiftung. Sie soll die Erinnerung wach halten aber ebenso gegenwarts- und zukunftsbezo- gen arbeiten. In das Kuratorium berufen wird ein breites Spektrum bundesweiter oder internationaler Organisationen. Ein Problem war dabei zu bedenken: In der deutschen Ver- bändelandschaft gibt es weit mehr Vereinigungen schwu- ler Männer als Organisationen lesbischer Frauen. Um eine Mindestrepräsentanz von Frauen abzusichern, erhalten gemischtgeschlechtliche Verbände, die über einen rele- vanten Frauenanteil in der Mitgliedschaft verfügen, zwei Sitze mit der verbindlichen Maßgabe, davon mindestens einen mit einer Frau zu besetzen. Die Koalition hat das Gespräch mit allen Fraktionen gesucht, um einen Konsens beim Stiftungsgesetz zu errei- chen. Wir sind der Opposition weit entgegengekommen. Wir haben Anliegen der FDP wie der PDS aufgegriffen und waren – unter Zurückstellung fachlicher Bedenken – auch bereit, Vorschläge der CDU/CSU aufzunehmen, um zu einer Einigung zu kommen. Die Union war zum Konsens nicht bereit. In den Ver- handlungen hatten Sie von der Union verlangt, Verbände wie die Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche und die ILGAaus dem Kuratorium zu entfernen. Selbst die Betei- ligung des Bundesverbandes der Eltern, Freunde und An- gehörigen von Homosexuellen haben Sie infrage gestellt. So hat die Union eine Verständigung verhindert. Jetzt kri- tisiert die CDU/CSU die Zusammensetzung des Kurato- riums. Diese Kritik erscheint mir vorgeschoben. Schließ- lich hätten Sie die Gelegenheit gehabt, mit einem Änderungsantrag im Rechtsausschuss einen eigenen Vor- schlag vorzulegen. Das haben Sie nicht getan. Noch verräterischer ist Ihr Verhalten im Haushaltsaus- schuss. Dort hat die CDU/CSU laut Ausschussbericht da- gegen gestimmt, weil sie die Stiftung nicht mit der Haus- haltslage des Bundes vereinbar hält. Im Klartext heißt das doch: Die Union will die Stiftung gar nicht. Ich habe den Eindruck, Sie wollen sich aus dem Konsens vom Dezem- ber 2000 stehlen. Um das zu bemänteln, bauen Sie eine wüste Vorwurfskulisse auf. Sie spielen wieder einmal po- litisches Theater. Ihre Vorwürfe verraten vielleicht einiges über Ihre Gedankenwelt, in der Sache treffen sie nicht zu. Es sind Projektionen. Um es klar zu sagen: Das Stiftungskapital ist kein Jack- pot. Das Kuratorium ist keine Gewinnausschüttungsge- meinschaft. Bei der Besetzung des Kuratoriums geht es nicht darum, Zuwendungen an die dort vertretenen Ver- bände zu leisten, sondern darum, deren Sachverstand für die Erfüllung der Stiftungszwecke zu nutzen. Lassen Sie mich noch eines betonen: Es wäre keines- wegs im Sinne der Sache, dass die Stiftung nun die För- derung schwuler und lesbischer Projekte durch Bund, Länder oder Gemeinden ersetzen soll. Die Stiftung soll im Bereich schwul-lesbischer Erinnerungs- sowie Emanzi- pations-, Bürger- und Menschenrechtsarbeit ergänzend tätig werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Mit der Hirschfeld-Stif- tung wird ein großer Schritt nach vorne getan. Jörg van Essen (FDP): Die FDP begrüßt ausdrück- lich, dass es endlich gelingt, eine Magnus-Hirschfeld- Stiftung zu errichten. Wir können damit den Beschluss des Bundestages vom 7. Dezember 2000 umsetzen. Die Stiftung soll dem kollektiven Ausgleich dienen und die Lücken bei Entschädigungsleistungen für homosexuelle NS-Opfer schließen. Dem wird auch der Stiftungszweck gerecht. Ich bin froh, dass wir uns bei dessen Formulie- rung interfraktionell einigen konnten. Eine fraktionsüber- greifende Einigung über das gesamte Gesetz lag bereits in greifbarer Nähe. Es wäre ein wichtiges Signal gewesen, wenn sich der ganze Bundestag zu dieser Form des kol- lektiven Ausgleichs bekannt hätte. Ich bedaure daher sehr, das Rot-Grün diese Einigung verhindert hat. Eine Einigung über die Kuratoriumsbesetzung war nicht möglich. Insbesondere Bündnis 90/Die Grünen be- harrten auf der Forderung, dass dem LSVD und der ILGA als einzigen Verbänden je zwei Kuratoriumsmitglieder zu- stehen, während alle anderen Verbände nur je einen Ver- treter entsenden dürfen. Der FDP war wichtig; dass alle Verbände gleichberechtigt im Kuratorium vertreten sind. Rot-Grün sieht dies anders. Besonders ärgerlich ist, dass das schwul-lesbische Jugendnetzwerk Lambda bei der Ku- ratoriumsbesetzung völlig unberücksichtigt geblieben ist. Die Besetzung des Kuratoriums zeigt, dass es Rot-Grün nicht um die Stiftung geht, sondern nur um die rücksichts- lose Durchsetzung von Verbandsinteressen. Es geht nicht in erster Linie um die historische Aufarbeitung von natio- nalsozialistischem Unrecht und um die Durchsetzung des Stiftungszwecks; es geht vielmehr um die Befriedigung der eigenen Klientel. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Kollegen nicht in der Lage sind, ihr politisches Mandat von ihrer Verbandsfunktion zu trennen. Obwohl wir die Stiftung als solche sehr begrüßen, war auf dieser Grundlage der Gesetzentwurf für die FDP nicht zustimmungsfähig. In der Abstimmung im Bundestag wird sich die FDP deshalb der Stimme enthalten. Christina Schenk (PDS): Die PDS-Fraktion begrüßt die Errichtung einer Magnus-Hirschfeld-Stiftung als Form der kollektiven Rehabilitierung und Entschädigung der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus. Damit wird dem einstimmigen Beschluss des Bundestages vom Dezember 2000 entsprochen. Wir sagen aber auch ganz klar: Es ist ein Skandal, dass sich die Bundesregierung noch immer weigert, endlich die wenigen noch lebenden Opfer der Homosexuellen- verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus individu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224800 (C) (D) (A) (B) ell zu entschädigen. Sie setzten auf Zeit – ein beschämen- des Kalkül. Die Hauptaufgabe der Stiftung wird es sein, die Diffa- mierung, Verfolgung und Vernichtung homosexueller Männer und Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus wissenschaftlich zu erforschen. Was die Aufarbeitung die- ses Kapitels deutscher Geschichte angeht, besteht noch immer ein erhebliches Defizit hinsichtlich der Quellensi- cherung, der Forschung und der Erinnerung. Das betrifft insbesondere auch das Schicksal lesbischer Frauen. Wir bewerten es als positiv, dass im Ergebnis der Be- ratungen im Rechtsausschuss die im Stiftungszweck vor- gesehene Bürger- und Menschenrechtsarbeit um die Emanzipationsarbeit, das heißt die Förderung von Projek- ten, die dazu beitragen sollen, den Gründen gesellschaft- licher Ab- und Ausgrenzungen so genanner Minderheiten auf den Grund zu gehen und die Ursachen hierfür abzu- bauen, erweitert wurde. In den Beratungen ist die Zusammensetzung des Kura- toriums und die Stimmverteilung zwischen den darin ver- tretenen Verbänden auf massive Kritik gestoßen. Diese wurde auch in der Anhörung von ausnahmslos allen Ex- perten vorgebracht. Die vorgeschlagene Zusammenset- zung wird dem Hauptzweck der Stiftung, die Aufarbei- tung der Homosexuellenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus sowie die Gedenk- und Erinnerungs- arbeit zu fördern, nicht gerecht. Lediglich zwei der neun Verbände arbeiten explizit historisch. Zugleich spiegelt die Zusammensetzung – auch das ist in der Anhörung sehr deutlich geworden – nicht die tatsächliche Vielfalt des les- bisch-schwulen Spektrums wider. Zudem ist die Vertre- tung lesbischer Interessen völlig unterrepräsentiert. Die überproportionale Präsenz des Teils des politischen Spek- trums, der durch den LSVD und die ihm nahe stehenden Organisationen repräsentiert wird, begründet den Ver- dacht, dass die Stiftung dem überproportionalen Einfluss eben dieser politischen Richtung ausgesetzt sein wird. Diese Befürchtung wird noch dadurch erhärtet, dass der LSVD und die ILGA im Kuratorium zwei und nicht wie alle anderen eine Stimme erhalten. Damit wird eine Ungleichrangigkeit der Verbände erzeugt, die nicht mit dem Stiftungszweck, sondern lediglich machtpolitisch begründbar ist. Volker Beck von den Grünen ist der Vor- wurf zu machen, die Stiftung mit der Makel der ver- bandseigenen Vorteilsnahme belastet zu haben. Wer die Stiftung für seine verbands- und machtpolitische Interes- sen funktionalisiert, lässt es an Achtung vor den homose- xuellen Opfer des Nationalsozialismus fehlen. Er schmälert ihre Akzeptanz innerhalb der lesbisch-schwu- len Communitiy. Beides ist für die Arbeit der Stiftung kontraproduktiv. Der Missstand der politischen Unausgewogenheit und der Eindruck, dass Verbandsinteressen über den Stif- tungszweck gestellt werden, ist im Ergebnis der Beratun- gen im Rechtsausschuss nicht beseitigt, sondern eher noch verstärkt worden. Die fehlende Bereitschaft der Ko- alitionsfraktionen, insbesondere der Grünen, zu konsens- fähigen Änderungen verhindert die mögliche, einmütige Zustimmung des Bundestages zu diesem Gesetzentwurf. Das bedauern wir sehr. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfragen: – Wirtschaftspolitische Auswirkungen der EU- Osterweiterung – Vorbereitung der Grenzregionen auf die Ost- erweiterung der EU (Tagesordnungspunkt 13) Christian Müller (Zittau) (SPD): Die Osterweiterung der Europäischen Union ist ein länger andauernder Pro- zess. Er begann mit der Assoziierung der MOE-Länder, wird mit dem zu erwartenden Beitritt einen vorläufigen Höhepunkt erreichen und reicht darüber hinaus in die Zu- kunft. Am Ende dieses Prozesses dürften die gesamtwirt- schaftlichen Vorteile die auch eintretenden ökonomischen Nachteile überwiegen. Dieser Prozess muss so gestaltet werden, dass die potenziellen gesamtwirtschaftlichen Vorteile tatsächlich eintreten. Mit den Antworten der Bundesregierung zu zwei Großen Anfragen und der von ihr selbst in Auftrag gege- benen Studie „Preparity“ liegen sowohl eine umfassende Analyse als auch Handlungsempfehlungen für Wirtschaft und Politik vor. Lassen Sie mich kurz auf einige wenige Aspekte ein- gehen. Der erste soll am Beispiel der „Euroregion Neiße“ die regionale Bedeutung der Osterweiterung aufgreifen. Die im Mai 1991 gegründete trinationale „Euroregion Neiße“ im Dreiländereck Polens, Deutschlands und Tschechiens hat gemeinsame historische Bezüge und Wurzeln. Das heutige Dreiländereck war früher der Kern eines prosperierenden Wirtschaftsraumes. In der Ge- schichte der Region führte das Abschneiden traditioneller Verbindungen mehrfach zu Stagnation und wirtschaftli- chem Niedergang, nach 1945 in eine weitgehende Isola- tion der Teilgebiete. Seit 1990 durchschneidet eine EU- Außengrenze das Dreiländereck. Es wird derzeit in seiner wirtschaftlichen Entwicklungen eher behindert als inte- griert, auch wegen einer starken Asymmetrie in Rahmen- bedingungen und Förderung beiderseits der EU-Grenze. Seit Gründung der Euroregion geht es darum, sich „von unten her“, also in den Kommunen und Regionen, als Interessenvertretung des gesamten Grenzgebiets zu or- ganisieren. Dazu gehört, „von oben her“ nationalstaatli- che Absprachen im planerischen und wirtschaftlichen Be- reich zu treffen. Ein umfassendes Strukturkonzept wird erarbeitet, in das lokale und regionale Initiativen einge- passt werden können. Vielfältige Aktivitäten stehen für diesen Prozess, von der Abwasserentsorgung über Ver- kehrsprojekte und neuen Grenzübergängen im Interesse der Tourismuswirtschaft bis hin zu Projekten im Bereich Kultur und Sport. Die Zwillingsstädte Görlitz und Zgorzelec haben sich als Europastadt konstituiert. Zittau, Hrádek und Bogaty- nia kooperieren im Verbund „Kleines Dreieck“. Es geht künftig um grenzüberschreitende Regionalentwicklungs- konzepte, Raumordnung und Infrastruktur. Dies mag als Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24801 (C) (D) (A) (B) Beispiel dafür dienen, wie Chancen für die Zukunft erar- beitet werden, die vor allem mit der Osterweiterung ihre eigentliche Grundlage erhalten werden. Zweitens darf natürlich nicht übersehen werden, dass die Erweiterung der EU eine strukturpolitische Herausfor- derung darstellt. Dazu darf auf die vorliegenden Antwor- ten der Bundesregierung verwiesen werden. Lassen Sie mich daher abschließend auf einige Optionen für die struk- turpolitische Flankierung der Osterweiterung eingehen. Regionen mit nicht wettbewerbsfähigen Strukturen werden unter verstärkten Anpassungsdruck geraten und müssen dies grundsätzlich mit eigenen Mitteln bewälti- gen. Aufgabe des Staates ist es, hierfür den geeigneten rechtlichen und finanziellen Rahmen bereitzustellen. Dies ist eine der wichtigen Aufgaben der anstehenden Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung. Wenn Regionen die notwendige Umstrukturierung al- lein nicht bewältigen können, sind Bund und Länder ge- fordert, regional gezielt zu helfen. Die Strukturpolitik muss darauf achten, dass sie auch nach 2006 dazu noch in der Lage ist. Bei der Überprüfung der EU-Leitlinien für Regional- beihilfen muss darauf hingewirkt werden, den in der Bei- hilfekontrolle verankerten Zusammenhang zwischen Umfang des nationalen Fördergebietes und EU-Durch- schnitten aufzuheben. Die Mitgliedstaaten brauchen ausreichende regionalpolitische Spielräume. Die EU-Bei- hilfenkontrolle muss stärker in Richtung Miss- brauchskontrolle entwickelt werden. Die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ muss als regel- gebundenes System der gemeinsamen Regionalförderung von Bund und Ländern erhalten bleiben. Sie ist das wich- tigste Instrument für die Förderung von gewerblichen In- vestitionen und zur Bewältigung erweiterungsbedingter Herausforderungen in strukturschwachen Regionen. Sie bietet zugleich einen Koordinierungsrahmen für die re- gionale Wirtschaftsförderung der Länder und andere raumwirksame Maßnahmen. Bund und Länder müssen zur Flankierung der Ost- erweiterung ihre strukturwirksamen Maßnahmen stärker aufeinander abstimmen und in Zukunft stärker als bisher die Rolle als Initiator, Moderator und Mediator im regio- nalen Strukturwandel suchen und übernehmen. Klaus Francke (CDU/CSU): Wenn Europa einmal einträchtig sein gemeinsames Erbe verwalten würde, dann könnten seine drei- oder vierhundert Millionen Einwohner ein Glück, einen Wohlstand und einen Ruhm ohne Grenzen genie- ßen. ... Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa schaffen. ... Wenn das Gebäude der Vereinig- ten Staaten von Europa gut und gewissenhaft errich- tet wird, muss darin die materielle Stärke eines ein- zelnen Staates von untergeordneter Bedeutung sein. Kleine Nationen werden ebenso zählen wie große und sich durch ihren Beitrag zur gemeinsamen Sache Ehre erwerben. Diese Sätze, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben, sprach Sir Winston Churchill am 16. Sep- tember 1946 in Zürich. In starker Überzeichnung der jetzigen Situation, aber nicht ohne Besorgnis erregenden Hintergrund, konnten wir am vergangenen Sonnabend in der „Welt“ eine Karikatur sehen, die die Errichtung einer nach außen wirkenden Mauer mit dem Emblem „EU – frisch gestrichen“ zeigt. Sosehr es notwendig ist, eine Fülle von Detailfragen vor dem Beitritt neuer Länder zu verhandeln, so warne ich davor, das große politische Ziel des 20. und 21. Jahr- hunderts, geboren aus den Erfahrungen des beginnenden 20. Jahrhunderts, aus den Augen zu verlieren. Nicht Egois- men und Rechthaberei bringen uns dem Ziel näher, son- dern staatsmännische Weisheit und gelegentlicher Ver- zicht zugunsten der Gemeinschaft aller Europäer. Zu der Antwort auf die Große Anfrage beschränke ich mich auf einige aus unserer Sicht wesentliche Punkte des wirtschaftlichen Erweiterungsprozesses. In der Antwort heißt es unter anderem: Beitrittsbedingten Risiken wird im Rahmen der Bei- trittsverhandlungen durch einen fairen Ausgleich der Interessen der Beteiligten Rechnung getragen. Diese Bemerkungen treffen ganz sicher nicht für das Ergebnis in Sevilla zu, wenn man hier überhaupt von ei- nem Ergebnis reden kann. In diesem Zusammenhang zitiere ich aus der Antwort auf Frage 17: Für die Bundesregierung stellt die nachhaltige Un- terstützung des Umstrukturierungsprozesses in der Land- und Ernährungswirtschaft der Beitrittsländer einen Schwerpunkt ihrer Verhandlungsstrategie im Kapitel Landwirtschaft dar. Das Verschieben eines Ergebnisses auf den November bzw. Dezember durch die Bundesregierung, wie in Sevilla geschehen, erleichtert die Verhandlungen nicht, sondern gefährdet den allseits erklärten Willen, das Gesamtpaket der Erweiterung entscheidungsreif zum Ende dieses Jah- res vorzulegen. In den Antworten der Bundesregierung zu unseren Fra- gen bezüglich der Übernahme des „Acquis commun- autaire“ durch die Beitrittsländer wird zu stark auf die rein faktische Übernahme abgestellt. Die tatsächlichen Ver- hältnisse werden unterbewertet. Nach wie vor, wenn auch mit auffälligen Unterschieden, lässt die tatsächliche An- wendung europäischen Rechts in den Beitrittsländern trotz wiederholter Hinweise aus der deutschen Wirtschaft sehr zu wünschen übrig. Rechtssicherheit aber ist ein we- sentliches Entscheidungsmerkmal für Auslandsinvestitio- nen. Hier bleibt unsere Forderung an Bund und Länder be- stehen, ihre Bemühungen zur Verbesserung der Rechts- und Verwaltungsstrukturen durch entsprechende Hilfen zu verstärken. Hinweise in der deutschen Presse, dass Gelder aus den EU-Vorbeitrittsprogrammen aus Mangel an entsprechen- den Verwaltungsstrukturen und qualifiziertem Personal nicht in vollem Umfang abgerufen worden sind, unter- streichen dieses Anliegen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224802 (C) (D) (A) (B) In der Europäischen Union leben heute rund 373 Mil- lionen Menschen. Nach dem Beitritt der zwölf Beitritts- kandidaten erhöht sich ihre Zahl um circa 105 Millionen auf rund 480 Millionen Menschen. Die EU wird damit zum größten Binnenmarkt der Welt. Für die deutsche Wirtschaft eröffnen sich neue Absatzmärkte. Dies müssen wir Zweiflern im eigenen Lande immer wieder erklären. Es sind drei Bereiche, denen wir unsere besondere Auf- merksamkeit zuwenden müssen: Erstens den Grenzregionen. Die Antworten der Bun- desregierung zu unseren Fragen sind statisch. Sie lassen jegliche zukunftsweisenden Zielvorgaben vermissen. Un- ser Vorschlag, die EU-Regionalförderung mit zusätz- lichen nationalen Mitteln kozufinanzieren – Drucksache 14/6638 –, fand keine Berücksichtigung. Folge: Die Haushaltsmittel für die Regionalförderung im Rahmen der bestehenden Programme und Instrumente wurden nicht im Bundeshaushalt 2002 erhöht. Damit ist die na- tionale Kofinanzierung des geplanten EU-Förderpro- gramms für die Grenzregionen nicht sichergestellt und der Programmstart verzögert sich. Die Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung zur Frage „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und der Zukunft der Gemeinschaftsaufgabe nach 2006 vor dem Hintergrund der Beschlüsse der EU wurde am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss überdeutlich, als der Vertreter der Bundesregierung auf eine entsprechende Frage meiner Fraktion antwortete: „Eine abgestimmte Po- sition der Bundesregierung zu dieser Frage gibt es nicht.“ In diesem Kontext will ich auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wir haben in Deutschland das erfolgreiche Konzept der Handels- und Handwerkskammern. Im An- satz sind vergleichbare Strukturen in den Beitrittsländern vorhanden. Die Zusammenarbeit, wo sie denn vorhanden ist, ist reibungslos und gut. Dennoch fehlt es ausländi- schen Kammern oftmals an geschultem Personal, um zum Beispiel in den Grenzregionen durch gemeinsame Bear- beitung von Ausschreibungen auf Europa-, Bundes- und Länderebene gerade mittelständischen Unternehmen bei- derseits der Grenze einen angemessenen Anteil am Wirt- schaftsaufkommen zu sichern. Hier ist eine Unterstützung von deutscher Seite notwendig. Zweitens. Jegliche Verstärkung der Wirtschaftskraft und damit Reduzierung der hohen Arbeitslosigkeit in den Grenzregionen setzt eine exzellente Verkehrsinfrastruktur voraus. Folgendem Satz in der Antwort der Bundesregie- rung kann ich deshalb nur zustimmen: In Erwartung der enger werdenden Wirtschaftsver- flechtungen geht die Verkehrsprognose 2015 von ei- nem überpropotional starken Wirtschafts- und Ver- kehrswachstum in den Beitrittsländern aus. Und was nun? Auch hier keine zielorientierte Antwort, mit der die Menschen in den betroffenen Regionen etwas anfangen und sich auf die Situation einstellen könnten. Aus rein taktischen Gründen haben die Koalitionsfraktio- nen unseren Antrag 14/7455 „Deutsche Verkehrsinfra- struktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten“ abgelehnt. Drittens. Unsere Fragen zum Bereich „Bildung, Aus- bildung und Weiterbildung“ hat die Bundesregierung mit der Darstellung der jetzigen Verhältnisse beantwortet. Was wir auch hier vermissen, sind neue zukunftsfähige Ansätze. Wenn zu Recht auf die Chancen gerade der jungen Ge- neration beiderseits der Grenzen durch die Erweiterung aufmerksam gemacht wird, dann muss es ein besonderes Anliegen des Bundes, der Länder und der Beitrittsländer sein, den Unterricht in der Sprache des jeweils angren- zenden Landes zu fördern. Das Deutsch-Polnische Gym- nasium in Löcknitz, Mecklenburg-Vorpommern, und ähn- liche Einrichtungen in Brandenburg oder Sachsen sind gute Beispiele. Die Kapazitäten reichen jedoch bei weitem nicht aus. An einer notwendigen Initiative des Landes Mecklen- burg-Vorpommern zum Beispiel, durch entsprechende Bildungs- und Lehrpersonalpolitik investitionshem- mende Sprachbarrieren abzubauen, mangelt es. Auch der Bund muss sich dieser Frage annehmen. Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückkommen. Michaele Schreyer, die Kommissarin für Haushalt und Finanzkontrolle, hat kürz- lich einen Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung betitelt mit „Vereinigung Europas nicht an Schafsprämien koppeln“. Ganz so simpel ist es sicherlich nicht, aber ein Kern von Wahrheit steckt schon in diesem Satz. Die Regierung Helmut Kohl hatte sich mit Zustim- mung dieses Hauses zu Beginn der Wendezeit berechtig- terweise zum Anwalt der jetzigen Beitrittskandidaten auf ihrem Weg nach Europa gemacht. Dafür ist ihm und ganz Deutschland Dank gezollt worden. Vergessen wir dies nicht! Die Erweiterung setzt der Teilung Europas ein Ende und sichert damit Frieden und Wohlstand. Dieses Ziel zu erreichen, bleibt der nachdrückliche Auftrag auch des nächsten Bundestages. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Europäische Union steht vor einer epochalen Herausforderung. Mit der Erweiterung und der Stärkung ihres inneren Zusammenhalts stellen sich zwei große poli- tische Gestaltungsaufgaben. Ihr Gelingen ist für die Zu- kunftsfähigkeit Europas von entscheidender Bedeutung. Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten und Südosten ist eine politische Notwendigkeit und Chance. Bündnis 90/Die Grünen wollen die zügige Erweiterung. Wir fordern dies aus dem Bewusstsein der historischen Bedeutung des Projektes, vor allem seiner friedens- und demokratiepolitischen Dimension, und in dem Wissen, dass sich die Herausforderungen, die sich mit der Aus- dehnung der Union auch für die deutsche Gesellschaft er- geben, meistern lassen und die Vorteile die Anpassungs- lasten bei weitem überwiegen. Die Erweiterung der EU ist das Signal an die mittel- und osteuropäischen Länder, dass die künstliche Grenze des Kalten Krieges endgültig überwunden ist. Die Erwei- terung stabilisiert die enormen wirtschaftlichen und politischen Anpassungsprozesse, welche die Kandidaten- länder, teils unter erheblichen Entbehrungen und Belas- tungen ihrer Bürgerinnen und Bürger, unternommen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24803 (C) (D) (A) (B) haben. Gerade vor diesem Hintergrund darf die Hoffnung der jungen Demokratien auf einen EU-Beitritt nicht ent- täuscht werden. Wenn wir den Zeitplan einhalten, dann werden wir die Beitrittsverhandlungen mit rund zehn Ländern noch in diesem Jahre abschließen. Dann könnten bereits im Jahre 2004, bei den nächsten Wahlen, die ers- ten Abgeordneten aus den Beitrittstaaten ins Europäische Parlament einziehen. Das laufende Jahr hat somit im- mense Bedeutung für die größte Erweiterung der EU, die es bislang gegeben hat. Es entsteht der größte Binnen- markt der Welt. Rund 100 Millionen Menschen werden der EU beitreten. Die Bundesrepublik Deutschland ist aufgrund der geo- graphischen Lage der wichtigste Handelspartner der Bei- trittsländer, Schon jetzt profitiert Deutschland durch einen hohen Handelsüberschuss von den Vorbereitungen auf den Beitritt. Gleichzeitig haben die Direktinvestitionen erheblich zugenommen. Nach der Erweiterung werden sich die Handelsbeziehungen noch intensivieren. Die Aussichten auf ein noch stärkeres Wachstum in den Bei- trittsstaaten wird die Exportmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft weiter steigern. Mittlerweile gehen fast zehn Prozent der deutschen Exporte in die Länder Mittel- und Osteuropas. Bereits jetzt sind die Beschränkungen im Wa- renhandel mit unseren östlichen Nachbarn weitgehend liberalisiert. Der Strukturwandel ist in den Grenzregionen bereits in vollem Gange. Die Erweiterung selbst wird zu keinen neuen ökonomischen Schocks führen. Stattdessen gilt es, den bereits laufenden Strukturwandel, der sich in den kommenden Jahren forcieren wird und muss, poli- tisch zu begleiten. Mit der EU-Osterweiterung eröffnet sich für Ost- deutschland die Chance, von einem transfergestützten Beitrittsgebiet zu einer beispielhaften europäischen Ver- bindungsregion zu werden. Als zentrale Region im zu- sammenwachsenden Europa bietet Ostdeutschland Stan- dortvorteile für alle Unternehmen, die die Märkte in den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern erschließen wollen. Infrastrukturell sind die ostdeutschen Bundeslän- der bereits heute gut auf die künftigen Herausforderungen vorbereitet. Die Investitionen der vergangenen Jahre ma- chen sich bezahlt. Die Kommunikationsnetze zählen zu den besten Europas. Die überregionalen Verkehrsverbin- dungen, Logistik und Dienstleistungsbereiche sowie For- schungs- und Technologieeinrichtungen sind allerdings bedarfsgerecht zu ergänzen und auszubauen. Die Osterweiterung der Europäischen Union ist ein äußerst komplexer Vorgang. Auch wenn längerfristig die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen, sind Risiken nicht auszuschließen. Je nach Region, Wirtschaftsbereich oder anderen spezifischen Bedingungen – etwa die Qualifizie- rung der Menschen – sind unterschiedliche Effekte denk- bar. Ängste, Sorgen und Skepsis gegenüber Europa sind auch nachvollziehbar, weil viele Menschen nicht verste- hen, wer warum von weitem in ihren Alltag eingreift. Für uns Bündnisgrüne liegt ein besonderes Augenmerk auf der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die sich nicht auf wirtschaftliche Kooperation beschränken darf. Vor allem in der kulturellen, gesellschaftlichen und poli- tischen Zusammenarbeit liegt ein enormes Potenzial für das Gelingen des Erweiterungsprozesses. Die Erweite- rung stärkt die historische und kulturelle Identität Euro- pas, die auf gemeinsamen Werten und Wurzeln basiert. Das Verständnis von Sprache, Geschichte und gegenseiti- ger Befindlichkeit liefert den Schlüssel für die Veranke- rung des gesamteuropäischen Einigungsprozesses auch in den Herzen der Menschen und damit für eine breite Ak- zeptanz und Solidarität in den nationalen Bevölkerungen. Nicht zuletzt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wie sie bereits seit Jahren von vielen Kommunen und Re- gionen, aber vor allem auch von vielen Nichtregierungs- organisationen, gepflegt werden, führen bereits heute vor Augen, was die Erweiterung bedeutet: eine gegenseitige Bereicherung. Gudrun Kopp (FDP): Die europäische Geschichte lehrt uns einige interessante Erfahrungen: Holländische und hugenottische Handwerker haben das vom Dreißig- jährigen Krieg und extrem geringer Bevölkerungsdichte gekennzeichnete Brandenburg im 17. Jahrhundert aufge- baut. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit waren Grundvoraussetzungen für den Aufstieg Preußens. Polni- sche Zuwanderer haben dafür gesorgt, dass das Ruhrge- biet im 19. Jahrhundert seinen Aufschwung zur wichtigs- ten Region Europas vollziehen konnte. Der Einsatz polnischer Saisonkräfte bei der Ernte ist auch schon vor dem Ersten Weltkrieg gang und gäbe gewesen. Die deut- sche Gastronomie dürfte unter dem Strich von den in den 50er-Jahren aus Italien gekommenen Impulsen erheblich profitiert haben. Die erwarteten Probleme mit spanischen oder portugiesischen Wanderarbeitnehmern sind nach 1986 bei weitem nicht in der befürchteten Weise aufge- treten, obwohl das Lohn- und Gehaltsgefälle durchaus vergleichbar mit dem Gefälle zu den osteuropäischen Ländern jetzt war. Die Bauwirtschaft hat seit vielen Jah- ren Erfahrungen mit dem Versuch einer wirksamen Ab- schottung gegen billige Arbeitskräfte gemacht. Im Ergeb- nis haben weder die EU-Entsenderichtlinie noch das deutsche Entsendegesetz oder für allgemein verbindlich erklärte Mindestlöhne die unbestreitbare Krise der Bau- wirtschaft wesentlich mildern können. In der ökonomischen Diskussion wird die Zuwande- rung zurzeit auf der einen Seite als eine Lösungsmöglich- keit demographischer Probleme angepriesen und als Hilfe bei Spezialistenmangel bemüht. Auf der anderen Seite steht die Angst vor Billigkonkurrenz. Um es klar zu sa- gen: Diese Billigkonkurrenz ist längst da. Es geht darum, Zuwanderung auf eine einwandfreie und transparente Ba- sis zu stellen. Das geht besser mit EU-Mitgliedstaaten. Bei den EU-Kategorien von Freizügigkeit ist aus- drücklich zu unterscheiden zwischen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer auf der einen Seite und der Dienstleis- tungsfreiheit bzw. der Niederlassungsfreiheit auf der an- deren Seite. Zwar sind beide Arbeiten der Freizügigkeit in den ökonomischen Auswirkungen vergleichbar, aber Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit fallen im juris- tischen Sinne unter die Bestimmung zum Dienstleistungs- handel und sind an anderer Stelle als Arbeitnehmerfreizü- gigkeit geregelt. Übergangs- oder Quotenregelungen hat es in diesem Bereich bei früheren Erweiterungsrunden nicht gegeben. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer hingegen wurde im Falle Spaniens und Portugals für sieben Jahre Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224804 (C) (D) (A) (B) eingeschränkt. Es hat sich jedoch bald herausgestellt, dass diese Regelung überflüssig war: Durch die Aussicht auf wirtschaftliche Besserung in ihren Herkunftsländern, die sich durch den EU-Beitritt ergab, sind nicht nur weniger Portugiesen und Spanier von dort ausgewandert, sondern es sind bereits in Deutschland lebende Gastarbeiter sogar wieder in ihre Länder zurückgekehrt. Netto ergab sich für Deutschland daraus mehr Ab- als Zuwanderung. Es ist nicht auszuschließen, dass die Dienstleistungs- freiheit in Deutschland ökonomisch sehr viel weitrei- chendere Folgen als die Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer haben wird. Polnische Reparaturwerk- stätten und Handwerksbetriebe bieten schon jetzt ihre Leistungen in Grenznähe an. Ähnliche Probleme könnten im Verkehrssektor auftreten. Dennoch sollte man hier nicht zu verzagt sein und den deutschen Unternehmen zu- trauen, dass sie der neuen Konkurrenz etwas entgegenzu- setzen haben. Wettbewerb belebt bekanntlich das Ge- schäft. Denn auch das zurzeit noch vorhandene Wohlstandsgefälle wird sich mit der Zeit vermindern. Die Angleichung bei den Lohn- und Arbeitsbedingungen ist keine Einbahnstraße nach unten, sondern wird sich auch in Polen und Tschechien, und zwar nach oben, vollziehen. Dazu wird nicht zuletzt die Übernahme vieler EU-rechtli- cher Bestimmungen beitragen. Schon heute liegt die Arbeitslosenquote in Branden- burg höher als in Westpolen – Brandenburg: rund 17 Pro- zent, Westpolen: rund 15 Prozent. Das West-Ost-Gefälle bei den Einkommen ist beim Vergleich der Grenzregionen deutlich geringer als bei einem Vergleich ganzer Länder. Es liegt in Kaufkraftparitäten gerechnet vielfach nur noch bei 10 Prozentpunkten, während die Einkommen in Kauf- kraftparitäten gerechnet in Tschechien im Schnitt 60 Pro- zent, in Polen 40 Prozent des deutschen Niveaus betragen. Zu beachten ist auch das erhebliche Wohlstandsgefälle im Innnern vieler Beitrittsländer, das dort jedoch nicht zu entsprechenden Binnenwanderungen führt. Für die Grenzregionen ergeben sich durchaus einige Chancen: In strukturell schwachen Regionen, die oft un- ter der Abwanderung junger, gut qualifizierter Arbeits- kräfte leiden, können Migranten und Pendler einen wich- tigen Beitrag zur Erhöhung der Produktivität leisten. Die regionalen Entwicklungschancen im Strukturwandel kön- nen so vergrößert werden. Ein Zustrom junger, gut ausge- bildeter Arbeitskräfte könnte hier helfen, vorhandene Qualifikationslücken zu schließen. Diese Chancen wer- den teilweise dort auch anerkannt, zum Teil überwiegen aber die Befürchtungen. Daher verdienen die Initiativen zahlreicher Grenzlandkammern, die sich gemeinsam mit den Kammern aus den Beitrittsländern aktiv auf die Er- weiterung vorbereiten, besondere Unterstützung. Die Erweiterung der Europäischen Union liegt poli- tisch und ökonomisch im deutschen Interesse: Vom EU- Beitritt werden nicht nur die Staaten Mittel- und Osteuro- pas profitieren. Auch für die bisherigen 15 Mitgliedstaaten wird es höhere Wachstumsperspektiven geben. Das stärks- te Wachstumspotenzial hat Deutschland. Die Sorgen vor zu viel Freizügigkeit hingegen sind unbegründet. Neuauf- nahme-Kandidaten sind: Bulgarien, Estland, Lettland, Li- tauen, Polen, Rumänien, Slowenien, Tschechien, Ungarn und die Slowakei. Zur Frage des passenden Zeitplans für die Aufnahme in die EU wird es entscheidend sein, wel- che Beitrittskandidaten schnellstens das notwendige wirt- schaftspolitische Reformprogramm abgeschlossen haben. Hier darf es keinen politischen Sonderrabatt geben. Besonders brisant stellt sich die Problematik der Agrarsubventionen dar. Eindeutig ist, dass das Gewicht des landwirtschaftlichen Sektors in den Beitrittsländern wesentlich größer ist als in der jetzigen EU. Davon geht ein erheblicher Reformdruck auf die EU-Agrarpolitik aus, den die einen als heilsam und die anderen als bedrohlich empfinden. Für die FDP steht schon längst fest: Erstens. Die europäische Landwirtschaft braucht einen massiven Abbau von Bürokratie. Nötig sind mehr Markt- wirtschaft und weniger bürokratische Marktregulierungen. Zweitens. An der Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion führt kein Weg vorbei. Die FDPweist dafür folgende Richtung: Eine produktionsunabhängige Kulturlandschaftsprämie soll gezahlt werden als Honorar für erbrachte Leistungen und muss auf die gesamte land- wirtschaftliche Fläche ausgedehnt werden. Fazit: In der Summe stößt die Osterweiterung bei der Bevölkerung leider noch auf Skepsis. Hier ist die Bun- desregierung in der Pflicht, die Menschen über den Bei- trittsprozess und seine Folgen weit besser zu informieren und von der Notwendigkeit der Osterweiterung zu über- zeugen, als dies bisher geschehen ist. Uwe Hiksch (PDS): In den nächsten Monaten wird sich entscheiden, ob die Erweiterung der EU zu einer Erfolgsgeschichte wird oder durch falsche Weichenstel- lungen der Politik strukturelle Verwerfungen für Land- wirtschaft, Industrie und Arbeitnehmerinnen und Arbeit- nehmer noch verstärkt werden. Die Erweiterung der Europäischen Union darf nicht al- leine unter dem Spardiktat des Bundesfinanzministers ge- staltet werden. Mit den aktuellen Forderungen der rot- grünen Bundesregierung wird eine Europäische Union in zwei Klassen geschaffen. Dies kann auch unter Gerech- tigkeitsgesichtspunkten nicht aktzeptiert werden. Dies be- deutet jedoch auch, dass die Verteilungsmechanismen in der EU auf den Prüfstand müssen. Mit der Erweiterung der Europäischen Union muss sich auch der so genannte Briten-Rabatt erledigen. Wenn die Bundesregierung ihre fragwürdige Verzöge- rungstaktitk in der Agrarfrage aufgibt, wird es möglich sein, die Bürgerinnen und Bürger der zehn Kandidaten- länder 2004 an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu beteiligen. Nicht nur diese Wahlen, sondern auch die Referenden über die Beitrittsverträge verpflichten uns, al- les Mögliche dafür zu tun, dass die Menschen in Mittel- und Osteuropa die Integration in die Europäische Union als einen Gewinn betrachten können, der zwar mit vielen schmerzlichen Anpassungen verbunden ist, ihnen aber auf längere Sicht auch ökonomische und soziale Vorteile brin- gen wird. Eine Chance, das europäische Projekt für die Men- schen erfahrbar zu machen und die Erweiterung erfolg- reich zu gestalten, bieten vor allem die Grenzregionen, die in der Geschichte der europäischen Integration immer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24805 (C) (D) (A) (B) eine besondere Rolle für die Herausbildung einer europä- ischen Identität und eines europäischen Alltags gespielt haben. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der PDS hat aber eines deutlich gemacht: Die Bundesregierung weigert sich, aus der vielstimmigen Kri- tik am EU-Aktionsprogramm Konsequenzen zu ziehen. Die PDS erneuert deshalb ihre Kritik an der zu gerin- gen Finanzausstattung des EU-Grenzregionenprogramms und die einseitige Fixierung auf die großen Ost-West-Ver- kehrsverbindungen. 195 Millionen Euro für 23 Grenzre- gionen mit 33 Millionen Einwohnern sind zu wenig. Nur durch massiven Druck des Europäischen Parlamentes konnte das Programm noch einmal um 65 Millionen Euro aufgestockt werden. Dass davon 150 Millionen Euro für großräumige Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen vorgese- hen sind, ist in vielen Fällen – wie zum Beispiel der Fich- telgebirgsautobahn – nicht nur ökologisch fragwürdig, sondern geht auch am realen Bedarf an kleinräumigen und grenzüberschreitenden Verkehrsverbindungen vorbei. Nicht zuletzt wird durch die Tatsache, dass für das Ak- tionsprogramm kaum zusätzliche EU-Mittel mobilisiert wurden, bei den Menschen in den Grenzregionen der Ein- druck verstärkt, von den nationalen und europäischen Entscheidungsträgern allein gelassen zu werden. Maßnahmen, die keinen Cent kosten, aber den Akteu- ren vor Ort zeigen würden, dass ihre Probleme ernst ge- nommen werden, wie einfachere Antragsverfahren bei Förderprogrammen oder eine bessere Abstimmung zwi- schen Interreg und PHARE/CBC wurden bisher nicht in Angriff genommen. Die Bundesregierung verfährt jetzt nach dem altbe- kannten Muster: Mehr war eben in Brüssel nicht zu holen. Aber auch die Bilanz ihres eigenen Engagements sieht mehr als mager aus: Die Bundesregierung weigert sich, ein eigenständiges Förderprogramm für die Grenzregio- nen aufzulegen, und verweist auf die bestehenden För- dermöglichkeiten, die ja auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Unternehmen in den Grenzregionen wahrgenommen werden könnten, oder sie schiebt die Verantwortung auf die Länder ab. Insgesamt wird deshalb deutlich: Die Bundesregie- rung hat sich auf die defensiven Maßnahmen wie zu lange Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügig- keit und der Dienstleistungesfreiheit beschränkt. Eine vorausschauende Politik der Bundesregierung für die Grenzregionen ist nicht erkennbar. Die Förderung von grenzüberschreitenden Projekten und regionalen Wirt- schaftskreisläufen steckt noch in den Kinderschuhen. Ergebnis dieser verfehlten Politik ist eine in der Bun- desrepublik weiter vorherrschende skeptische Haltung gegenüber der EU-Erweiterung und eine mangelnde Be- reitschaft von Unternehmen, grenzüberschreitend aktiv zu werden. In Polen und Tschechien dagegen schwindet die Unterstützung für den Erweiterungsprozess vor allem aufgrund der Politik nach Gutsherrenart, wie sie der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Edmund Stoiber, mit sei- nen geschichtsrevisionistischen Thesen repäsentiert, aber auch infolge der diskriminierenden Behandlung der ost- europäischen Landwirte. In den polnischen und tschechi- schen Grenzregionen gewinnt nicht zuletzt deshalb eine Stimmung wieder die Oberhand, die eine neuerliche deut- sche Landnahme befürchtet. Diese Stimmungslagen auf beiden Seiten der Grenze sind nicht das Klima für innovative und kooperative Pro- jekte, die für ein Zusammenwachsen in den Grenzregio- nen so bitter vonnöten sind. Wenn wir nicht erleben wol- len, dass die Referenden in Osteuropa scheitern und die Grenzregionen zu reinen Transitstrecken degenerieren, gilt es jetzt ein wirkliches Programm für diese Regionen aufzulegen und damit den Willen der Politik zum Aus- druck zu bringen, das Jahrhundertprojekt Osterweiterung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Ich emp- fehle deshalb, dem Entschließungsantrag und dem Wahl- programm der PDS zu folgen. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Wirtschaft und Technologie: Die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion „Wirtschaftspolitische Auswir- kungen der EU-Osterweiterung“ und die Große Anfrage der PDS-Fraktion „Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterweiterung der EU“ befassen sich mit dem euro- päischen Projekt der nahen Zukunft, mit der EU-Erweite- rung. In den Antworten der Bundesregierung wird deut- lich, welche großen Chancen und allerdings auch wenige, aber beherrschbare Risiken die EU-Erweiterung für un- sere Bevölkerung, unsere Wirtschaft und besonders auch für unsere Regionen an den Grenzen zu den Beitrittslän- dern Polen und Tschechien mit sich bringt und welche in- tensiven und erfolgreichen Bemühungen die Bundesre- gierung unternimmt, um die EU-Erweiterung erfolgreich zu gestalten. Erstens. Auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Erweiterung gibt die Bundesregierung einen umfas- senden Überblick über die wirtschaftlichen Perspektiven und Herausforderungen der EU-Erweiterung. Die Ant- worten können in folgender politischer Kernaussage zu- sammengefasst werden: Die EU-Erweiterung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht gut für Deutschland und für Europa. Mögliche beitrittsbedingte Risiken werden durch eine vorausschauende Politik der Bundesregierung auf euro- päischer Ebene beherrschbar. Der Prozess der EU-Erweiterung befindet sich in seiner entscheidenden Phase. Die Diskussion zu den finanzwirk- samen Fragen hat gerade zum Ende der spanischen Präsi- dentschaft einen ersten Höhepunkt erlebt. Auch in diesen ebenso schwierigen wie wichtigen Verhandlungskapiteln arbeitet die Bundesregierung entschieden daran, eine für die Beitrittsländer, für die EU und für Deutschland akzep- table Lösung in dem vorgegebenen Zeitrahmen zu finden. Ziel bleibt trotz der noch zu lösenden Probleme wei- terhin, die Beitrittsverhandlungen mit bis zu zehn Bei- trittsländern Ende des Jahres 2002 abzuschließen, damit die Erweiterung 2004 erfolgen kann. Danach ist die EU der größte Binnenmarkt der Welt, auf dem Unternehmen für ihre Investitionen und Handelsaktivitäten ein Höchst- maß an Handlungsfreiheit bei gleichzeitiger Rechts- und Planungssicherheit vorfinden werden. Hiervon werden auch die kleinen und mittleren Unternehmen profitieren. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224806 (C) (D) (A) (B) Mit dem näher rückenden Beitrittstermin wächst auch das Interesse der Bevölkerung an diesem Thema. Nach Meinungsumfragen hat die Zustimmungsquote in den vergangenen Monaten spürbar zugenommen. Dazu hat beispielsweise der erfolgreiche Einsatz der Bundesregie- rung für eine flexible Beschränkung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus den neuen Mitgliedstaaten und ana- loge Regelungen für besonders sensible Bereiche des Dienstleistungssektors einen wesentlichen Beitrag geleis- tet. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, dass diese Maßnahmen und eine vernünftige Lösung der Finanz- fragen den Meinungstrend in der deutschen Bevölkerung auch in den nächsten Monaten positiv beeinflussen werden. Zweitens. Die Antworten auf die Große Anfrage der PDS „Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterwei- terung der EU“ enthalten sowohl umfassende als auch de- taillierte Aussagen und Informationen zu diesem Prozess. Der Bogen wird gespannt über die Notwendigkeit der strukturellen Anpassung der Grenzregionen an die EU- Osterweiterung bis zu den vielfältigen Möglichkeiten ei- ner spezifischen, strukturpolitischen Flankierung des An- passungsprozesses durch EU, Bund und Länder und des EU-Aktionsprogramms, mit dem die EU den Grenzregio- nen in den fünf von der Osterweiterung betroffenen Mit- gliedstaaten zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung stellt. Mit der EU-Erweiterung gewinnen die Grenzregionen in der EU an Zentralität. Das führt zu einem Zugewinn aus der grenzüberschreitenden Arbeitsteilung und gibt damit neue Impulse für die Wettbewerbsfähigkeit der Grenzre- gionen. Fit gemacht werden die Grenzregionen zum Beispiel durch Projekte, die im Rahmen der EU-Förderprogramme Interreg III A und PHARE/CBC zur Steigerung der Wirt- schaftskraft durchgeführt werden, aber auch durch das spezielle Beratungsprogramm „Absatzförderung Ost“, die Deutsch-Polnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft, durch Kooperationszentren der Industrie- und Handels- kammern, durch Kooperationen, Bündnisse und Netz- werke zwischen Deutschland und Polen sowie Tschechien auf den verschiedenen Gebieten. Die EU-Erweiterung wird zu einem deutlich steigen- dem Verkehrsaufkommen führen. Damit erhöhen sich die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur in den Grenzregionen und die Notwendigkeit ihres weiteren Ausbaus. Die Bundesregierung unterstützt Verkehrspro- jekte mit besonderer Bedeutung für die Grenzregionen. Durch die in den Antworten zu den beiden Großen An- fragen dargestellten Maßnahmen ist sichergestellt, dass die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt wird und es nicht zu Verwerfungen für Bevölkerung und Wirtschaft, insbesondere in den grenznahen Regionen zu den Beitrittsländern, kommt. Die Bundesregierung wird ihren eingeschlagenen Kurs bei den Beitrittsverhandlungen auch weiter zielstrebig verfolgen, damit die Erweiterung für alle Beteiligten ein Erfolg wird. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen im Jahr 2001 (Tagesordnungs- punkt 14) Brigitte Adler (SPD): Was wäre, wenn es die Verein- ten Nationen nicht gäbe? Wie könnte die Völkergemein- schaft auf Krisen, Bürgerkriege oder Epidemien reagie- ren? Der Streit, der hin und wieder aufflammt, ob mehr bilateral oder multilateral geregelt werden sollte, ist über- flüssig. Ohne multilaterale Vereinbarungen und Organisa- tionen wären so manche Probleme nicht zu lösen gewesen, da oft ein einzelner Staat mit der Hilfe überfordert wäre. Die Weltbank, der IWF, die VN mit ihren Unterorgani- sationen werden dringend gebraucht. Vor allem die VN-Organisationen, die sich um die Länder des Südens kümmern, sind eine wertvolle Ergänzung der bilateralen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Als Beispiele seien die UNDP, die FAO, die UNIDO, der UNHCR, die ILO und die WHO genannt. Die Arbeit der VN-Institutionen muss aber auch der breiten Öffentlichkeit weltweit und bei uns verdeutlicht werden. UNIC unterhält unter anderem in Bonn, der deut- schen UN-Stadt, mit einer Außenstelle in Berlin, ein In- formationszentrum. Die Mitarbeiter informieren über die Presse, den Rundfunk und das Fernsehen über die Arbeit der VN. Aber auch die Bürger haben die Möglichkeit, sich dort zu unterrichten. Die Bundesregierung legt mit ihrem Bericht zur Zu- sammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und den VN dar, wie sie die Aufgaben der VN unterstützt, aber auch, wenn nötig kritisch hinterfragt, so zum Beispiel, wenn Reformen angemahnt werden. Aber nicht nur um Anmah- nen geht es, sondern es werden konstruktive Vorschläge unterbreitet, für die man dann wirbt. So hat die deutsche VN-Vertretung im Auftrag der Bundesregierung einen, wie es im Bericht heißt, „straffen und zukunftsorientier- ten Resolutionstext für Afghanistan vorgelegt“. Auch bei Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle konnte auf Anregung von deutscher Seite eine Konsensresolution verabschiedet werden. Der Generalsekretär der VN, Kofi Annan, hat bei seinem Besuch im Februar dieses Jahres im Deutschen Bundestag auf die neue Rolle Deutschlands in der Weltgemeinschaft hingewiesen und sich für die große Unterstützung durch die Bundesregierung bedankt. In seiner Rede ging er unter an- derem auf die friedenserhaltenden Einsätze internationaler Truppen in verschiedenen Ländern ein. Der Einsatz deut- scher Soldaten auf dem Balkan und in Afghanistan konnte aufgrund der Beschlüsse des Weltsicherheitsrates durch den Bundestag genehmigt werden. So wichtig die militärischen Einsätze in Krisengebieten sind, so bedeutsam sind die Aufarbeitung und Bekämp- fung der Ursachen der Konflikte. Hunger und Armut sind dabei die wichtigsten Gründe, die anderes nach sich zie- hen, wie Krankheit, Unterernährung oder Hungertod. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24807 (C) (D) (A) (B) Anfang der 90er-Jahre haben die VN mit großen Welt- konferenzen versucht, die Ursachen offen zu legen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Rio 1992, die große Umweltkonferenz, machte den Anfang, im September dieses Jahres wird in Johannesburg die zweite Folgekon- ferenz stattfinden. Der Schwerpunkt dieser Konferenz wird auf Nachhaltigkeit und Entwicklung liegen. In den zehn Jahren nach Rio hat es einen Nachdenkensprozess gegeben, dessen Ergebnis ist, dass Armut umweltzerstö- rerisch wirken kann, ebenso wie die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen durch die Industrieländer des Nordens. Beide, der Süden und der Norden, tragen Ver- antwortung, um diese Prozesse umzukehren. Schutz der Wälder und der naturnahe Umgang mit den Böden gilt es ernst zu nehmen. Die Förderung von Handwerk und Ge- werbe, um Arbeit zu schaffen, muss angepackt werden. Ehrliche, also betriebswirtschaftliche und volkswirt- schaftliche Preise für Rohstoffe und verarbeitende Pro- dukte müssen bezahlt werden, um ruinöse Methoden ab- zustellen. Die Finanzierung der Entwicklungsaufgaben waren be- reits im mexikanischen Monterrey behandelt worden. Der Fortschritt sei eben eine Schnecke, wird oft behauptet. Der Konsens auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gibt trotzdem Hoffnung für die Weiterarbeit an den gewonne- nen Erkenntnissen. Die Gesprächsrunden während der Konferenz zeigten, dass noch Überzeugungsarbeit bei de- nen geleistet werden muss, die sich als Bremser betätigen. Den VN ist es zu verdanken, dass auf dem so genann- ten Millenniumsgipfel 2000 ein ehrgeiziges Ziel formu- liert worden ist, nämlich die Halbierung der Armut bis 2015. Die Bundesregierung hat dazu ein Aktionspro- gramm verabschiedet, damit in der deutschen Zusam- menarbeit mit den Ländern des Südens dieses Ziel er- reicht werden kann. Auch im eigenen Land gilt es, solch ein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Bundesre- gierung hat mit Umweltminister Trittin und Frau Wieczorek-Zeul, der Bundesministerin für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung, zwei kompetente Minister mit der Vorbereitung für Johannesburg beauf- tragt. Dadurch wird deutlich, dass beide Bereiche im Blick der politischen Aufgabe stehen. Wie bedeutsam diese Konferenzen sind, kann man an den internationalen Verträgen und Vereinbarungen mit verpflichtendem Charakter ablesen. Die Konsensfindung ist oft nicht leicht, muss aber immer wieder in Angriff ge- nommen werden. Als Beispiel sei auf die WTO-Verhand- lungen oder die Konferenzen für Frauenrechte, Habitat, Weltkindergipfel und anderes hingewiesen. Ein schwieri- ges Kapitel solcher Verhandlungen war und ist nach wie vor der Internationale Strafgerichtshof. Das Abseitsstehen der USAmacht noch Kopfzerbrechen. In einen anderen schwierigen Themenfeld konnte Übereinstimmung erzielt werden, wenngleich die Umset- zung problematisch bleibt. Es geht um die Aids-/HIV- Bekämpfung. Auch hier hat die Bundesrepublik sich po- sitiv eingemischt. Bei der Frage des Preises für Aids-Medikamente konnte die Bundesministerin Wieczorek-Zeul mit einem deutschen Pharmaunterneh- men Hilfe erreichen. Die finanzielle Ausstattung des Aids-Fonds lässt leider noch zu wünschen übrig. Die Finanzen sind weiterhin ein heikles Thema für die VN. Auf Seite 61 des Berichtes kann eine Zusammenstel- lung des deutschen Pflichtbeitrages von 1991 bis heute nachgesehen werden. Die enorme Aufstockung ist natür- lich auf die Finanzierung der militärischen Missionen zurückzuführen. Nicht verschwiegen werden soll, dass aufgrund unserer Haushaltskonsolidierung die freiwilli- gen Leistungen nicht weiter steigen konnten. Dennoch ist die Bundesregierung bereit, die Verant- wortung in der Weltgemeinschaft durch multilaterale Zu- sammenarbeit zu übernehmen. Bereit zu sein, zu vermit- teln und dabei gute Kompromisse auszuhandeln ist ein Markenzeichen deutscher Beteiligung. Zu erkennen, dass Prävention wichtiger ist als Reparatur, macht es möglich, Vorschläge vorzulegen, die akzeptiert werden. Mit dem Zivilen Friedensdienst, ZFD, hat die Bundesregierung sich zusammen mit NGOs ein Instrument geschaffen, um im Vorfeld, und wenn nötig in krisenhaften Situationen – nicht während kriegerischer Handlungen –, Hilfe anzu- bieten. Wenn es gelingen könnte, Ursachen aufzudecken und nicht nur an „Wirkungen“ zu arbeiten, könnte dem Terro- rismus der Nährboden entzogen werden. Leider stehen politische Interessen einzelner Staaten dem oft entgegen. Diese zu identifizieren und zu einer Verhaltensänderung zu bewegen ist notwendig und ein anzustrebendes Ziel. Die Instrumentalisierung von religiösen und ethnischen Einstellungen, um politische und wirtschaftliche Macht auszuüben, ist abzulehnen und zu verhindern. In diesem Zusammenhang steht die Stärkung der Zi- vilgesellschaft durch die VN. Hier anzusetzen ist eine wichtige Aufgabe, um die Menschen gegen „Verführer“ unempfindlich zu machen und sich wehren zu können. Die Sorgen der Menschen über die auf sie zukommen- den Auswirkungen einer ungezügelten Globalisierung ha- ben die VN und die Bundesregierung aufgenommen und konkrete Vorschläge unterbreitet. Ein mühsamer Prozess, um zu konkreten Vereinbarungen zu kommen, sei nicht unterschlagen. So zeigen zum Beispiel die WTO-Ver- handlungen, wie schwierig es ist, voranzukommen. Mit der großen Wasserkonferenz in Bonn im vergan- genen Jahr hat die Bundesregierung ein Problem aufge- nommen, das immer stärker ins Bewusstsein der Weltöf- fentlichkeit rückt. Sauberes Wasser, ein öffentliches Gut, das es dringend zu schützen gilt. Mit der Stärkung und dem Ausbau des VN-Standortes Bonn zeigt die Bundesregierung, wie ernst es ihr mit der Zusammenarbeit mit den VN ist. Reformen des VN-Sys- tems werden konstruktiv begleitet. Sitz und Stimme im Sicherheitsrat werden angestrebt, dabei wird aber nicht übersehen, dass auch andere Weltregionen besser und an- gemessener vertreten sein müssen. Der Bericht der Bundesregierung zeigt auf, wie viel- fältig die Aufgaben im VN-System sind. Alles in der ge- botenen Kürze darzustellen, um die Breite der Arbeit er- kennen zu lassen, geht nicht. Aber auf eines möchte ich zum Schluss noch hinweisen: Die Bundesregierung hat auch in dem Berichtszeitraum zusammen mit den VN die Politik der Anerkennung der Menschenrechte und die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224808 (C) (D) (A) (B) Förderung der Demokratie vorangetrieben. Frieden, Ent- wicklung, Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen als weitere Ziele institutionell zu verankern strebt sie wei- ter an, Ziele, die Schritt für Schritt umgesetzt werden müssen. Ohne die multilaterale Institutionen der VN wäre dies nicht möglich. Der Bundesregierung ist zu danken, dass sie so nachdrücklich diese Arbeit unterstützt und mit konkreten Vorschlägen die gesteckten Ziele zu erreichen sucht. Diese Aufgabe konsequent fortzusetzen ist Auftrag und Verantwortung zugleich. Die Koalitionsfraktionen unter- stützen die Bundesregierung in dieser Aufgabe. Den Be- richt nehmen wir dankbar zur Kenntnis. Clemens Schwalbe (CDU/CSU): Die Anschläge vom 11. September in den Vereinigten Staaten haben schmerzlich gezeigt, dass sich nach dem Zusammenbruch des Ostblockes die Welt nicht mehr in Konfrontation von Staatenblöcken einteilen lässt, sondern Feindschaften durch radikale Gruppierungen innerhalb von Staaten he- raus entwickelt werden können, die in unserer globalisier- ten Welt jeden Tag und jede Stunde Anschläge auf die ge- samte zivilisierte Welt verüben können. Hieraus erwächst meiner Ansicht nach die größte Konsequenz für eine Re- form der Vereinten Nationen. Erfreulicherweise hat der Generalsekretär der Verein- ten Nationen Kofi Annan dies nach dem 11. September mit den Worten zum Ausdruck gebracht: „Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft müssen den Mut haben, zu erkennen, dass es nicht nur gemein- same Ziele, sondern auch gemeinsame Feinde gibt.“ So haben sich auch schnell der Sicherheitsrat und die Gene- ralversammlung der Vereinten Nationen der Verurteilung der Anschläge angeschlossen und sich für die Unterstüt- zung von Maßnahmen gegen die Verantwortlichen sowie gegen jene Staaten ausgesprochen, die den Tätern Hilfe, Unterstützung oder Unterschlupf gewährt haben. Die Hal- tung vieler Staaten aller Glaubensrichtungen und aller Re- gionen, entschieden gegen den Terrorismus vorgehen zu wollen, verdeutlicht am besten die globale Antwort auf die grausamen Anschläge. Die bisherigen Konventionen der Vereinten Nationen haben einen rechtlichen Rahmen zur Ausrottung des Ter- rorismus geschaffen, so die Auslieferung und die Strafver- folgung der Täter oder die Bekämpfung der Geldwäsche. Diese Konventionen müssen uneingeschränkt verwirklicht werden. In diesem Zusammenhang müssen sich die Ver- einten Nationen aber auch über eine klare und unmissver- ständliche Definition des Begriffes „Terrorismus“ einigen, um auch die Verfolgung durch den Internationalen Ge- richtshof zu ermöglichen. Unser gemeinsamer Antrag „Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend“ vom letzten Jahr unterstützt die Charta der VN zum Weltfrieden, verlangt aber auch, dass die Verantwortlichkeit Deutschlands bei den Vereinten Nationen gestärkt werden soll. Ich begrüße deshalb den letzte Woche von der Bundesregierung vor- gelegten Bericht im Parlament über die deutsche VN-Po- litik, ist dies doch ein konkretes Ergebnis dieses Antrages. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die militärische Rolle Deutschlands in den Vereinten Nationen. Ich kann zwar das „Stand-by-Arrangement“ der Bundesregierung be- grüßen, ich kritisiere jedoch gleichzeitig die desolate Rea- lität bei der Bundeswehr. Bei ihrer schwierigen und ge- fährlichen Aufgabe hat die Bundeswehr unsere nachhaltige und volle Unterstützung verdient. Womit wir uns aber nicht mehr abfinden werden und können, ist, dass die Absiche- rung und Ausstattung dieser Einsatztruppen zu einer deut- lichen Verschlechterung der übrigen Bereiche der Bun- deswehr führt. Es muss sich endlich auch in der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr insgesamt nie- derschlagen, sonst sind wir unglaubwürdig gegenüber un- seren Soldaten und gegenüber unseren Verbündeten. Friedenssicherung ist ein Aufgabengebiet, das ange- sichts der vielen kriegerischen Konflikte in aller Welt nach wie vor im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Das „Peace-keeping“ der UN steht heute vor einer kom- plizierteren Situation; die Mehrzahl der Konflikte spielen sich nicht mehr wie früher zwischen souveränen Staaten ab, sondern innerhalb der Staaten selber, als Bürgerkriege, vor meist ethnischem oder religiösem Hintergrund. Es ist also weiterhin zu erwarten, dass vermehrte Peace-Keeping-Einsätze zur Erhaltung des Friedens in verschiedenen Regionen notwendig werden. Der Erfolg solcher Missionen wird aber immer mehr davon abhängig sein, inwieweit die Konfliktparteien selbst eine größere Bereitschaft zur Konfliktbeseitigung erkennen lassen. Am Beispiel Naher Osten oder Afrika sehen wir, dass ein Misstrauen bzw. ein fehlender Friedenswille der Kon- fliktparteien die Regel ist, und damit können die VN nicht zielführend tätig werden. Aber auch hier gilt, Friedensprävention und -erhaltung kosten Geld. Wenn wir als Deutsche mehr Engagement in den verschiedenen UN- Friedensmissionen bzw. Unteror- ganisationen in Krisengebieten fordern und erwarten, steht dies in Widerspruch zur Absenkung der freiwilligen Beiträge in Bereichen wie UNDP, UNICEF oder UNFPA. Dies wird nicht nur als sehr bedauerlich angesehen, son- dern hat auch eine Signalwirkung auf die Zahlungsbereit- schaft anderer Geberländer. Die wichtigste Reform der UNO ist jedoch die Reform des Sicherheitsrates. Hierbei wird auch das Interesse Deutschlands an einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat bekundet. Jedoch besteht die Reform nicht nur in einer Er- höhung der Zahl der Mitglieder im Sicherheitsrat, wenn zum Beispiel das bisherige Vetorecht bestehen bleibt. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang aber auch Gedan- ken machen, was ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat für Deutschland bedeuten wird. Neben dem Aspekt der Ver- pflichtung der deutschen Außenpolitik auf einen koopera- tiven Internationalismus wird deutlich, dass Deutschland im Falle einer ständigen Sicherheitsratmitgliedschaft nicht nur einen wachsenden Beitrag an politischem Enga- gement zu leisten, sondern den Vereinten Nationen auch einiges mehr an personeller und materieller Unterstützung zur Verfügung zu stellen hätte als bisher. Aber gerade im personellen Bereich muss Deutschland eine strategisch bessere Arbeit leisten. Angesichts der Beitragshöhe sind wir in verantwortungsvollen Positionen in VN-Gremien weit unterrepräsentiert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24809 (C) (D) (A) (B) Ein anderer Aspekt ist, dass die Mandate, die den Ver- einten Nationen und anderen Organisationen übertragen werden, häufig deren Kapazität übersteigen, weil Organi- sationsstrukturen bzw. Verantwortliche vor Ort fehlen, da- mit die Hilfe auch die Bedürftigen erreicht. Dadurch ent- steht oft eine zu große zeitliche Lücke zwischen der Zusage von Mitteln und ihrer Ausreichung. Dies zeigt sich gerade deutlich im Falle Afghanistans. Denn hier ist die Friedenskonsolidierung auf die Dynamik eines möglichst schnellen Wiederaufbaus angewiesen. Zurzeit ist es von äußerster Wichtigkeit, zum Beispiel Lehrern und Polizisten ihre Gehälter auszuzahlen, um nicht neuer Korruption Vorschub zu leisten, Saatgut für die neue Ernte bereitzustellen und in den Städten wie auf dem Land Arbeitsplätze zu schaffen. Solche schnell wir- kenden Projekte können in den frühen Phasen einer Frie- denskonsolidierungsoperation vieles ausmachen – vor al- lem wenn es um die Hilfe der örtlichen Bevölkerung geht. Generalsekretär Annan hat es sich zur vorrangigen Auf- gabe gemacht, die Vereinten Nationen durch ein umfas- sendes Reformprogramm neu zu beleben; den traditionel- len Einsatz der Organisation im Bereich der Entwicklung und der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu stärken; die Menschenrechte, die Rechts- staatlichkeit und die allgemeinen Grundwerte der Gleich- heit, Toleranz und Menschenwürde, die in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt sind, zu fördern und zu ver- teidigen; schließlich das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Organisation dadurch zu stärken, dass Kontakte zu neuen Partnern geknüpft und „die Vereinten Nationen näher an die Menschen herangebracht“ werden. Konkret sieht es so aus, dass seit 1997 versucht wird, eine neue Führungs- und Managementstruktur zu schaf- fen. Weitere Reformen sind die Sicherstellung der Zah- lungsfähigkeit durch die Einrichtung eines Kreditfonds, die Zusammenfassung von zwölf Sekretariatseinheiten auf nunmehr fünf, die Einführung einer neuen Manage- mentkultur mit Management- und Effizienzsteigerungs- maßnahmen, die Überprüfung der erforderlichen Kennt- nisse und Bedingungen im Bereich Personalwesen, eine Verbesserung der Schnelleingreifkapazitäten der VN bei Friedenseinsätzen sowie die Stärkung der Friedenskonso- lidierung in der Konfliktfolgezeit. Mehr Menschenrechts- aktivitäten, die Förderung der Abrüstungsagenda, eine Verbesserung der Reaktionsfähigkeit bei humanitären Notsituationen und die Verbesserung der Öffentlichkeits- arbeit sind dabei auch zu nennen. Dennoch können die Vereinten Nationen alleine die zukünftigen Herausforderungen nicht bewältigen, wir alle müssen dazu das Unsere tun. Alles hängt davon ab, wie sich die Mitgliedstaaten und Regierungen dafür engagie- ren. Eine Herausbildung von globalen Politiknetzwerken halte ich ebenfalls für sehr wichtig. Diese Netzwerke ver- einen internationale Institutionen, Organisationen der Zi- vilgesellschaft und des Privatsektors sowie Regierungen bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele. Dies zu erreichen bedarf weiterhin großer Anstrengungen. Die VN müssen eine stärker ergebnisorientierte Organisation werden. Hierbei wächst auch und insbesondere Deutschland eine besondere Rolle zu. Nach der Wiedervereinigung wird dies auch von Deutschland erwartet. Die besondere Rolle bezieht sich aber nicht nur auf die Beteiligung an militärischen Aktionen, sondern auf die Bereitschaft und Fähigkeit, Vermittlungs- und Führungsfunktion auszu- führen. Aus der Erfüllung dieser Aufgaben ergibt sich meiner Ansicht nach die beste Empfehlung für einen Sitz im Sicherheitsrat. Lassen Sie mich zum Schluss noch ein persönliches Wort sagen, da dies meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag ist. Nachdem ich acht Jahre als Parlamentari- scher Geschäftsführer in meiner Fraktion gearbeitet habe und diese Funktion zu einer der interessantesten Aufga- ben innerhalb des Parlamentes gehört, habe ich in den letzten vier Jahren schwerpunktmäßig im Auswärtigen Ausschuss und als stellvertretender Vorsitzender des Un- terausschusses „Vereinte Nationen“ arbeiten können. Diese Arbeit hat mir viel Freude gemacht, aber gleichzei- tig in mir persönlich die Fähigkeit gestärkt, Probleme im eigenen Land auch in differenzierter Sichtweise zu wirk- lichen Problemen in der Welt zu betrachten. Ich hatte immer wieder Gelegenheit, zahlreiche UN- Missionen vor Ort zu besuchen, und – ich kann dies nach- drücklich sagen – die Realität vor Ort macht häufig sehr nachdenklich, jedenfalls darüber, ob wir nicht mehr dank- bar sein müssten, dass wir seit Jahrzehnten von Krieg, Not und Elend verschont sind. Deshalb wünsche ich mir ab- schließend, dass die VN-Politik im deutschen Parlament zukünftig nicht mehr so stiefmütterlich und im Verborge- nen wie bisher behandelt wird, sondern einen gebühren- den Platz in der Außenpolitik erhält. Ihnen allen wünsche ich für die Zukunft alles Gute. Birgit Homburger (FDP): Dem unermüdlichen Ein- satz von Generalsekretär Kofi Annan und der verantwor- tungsvollen Haltung des Sicherheitsrates ist es zu verdan- ken, dass die Vereinten Nationen nach dem 11. September 2001 ihre zentrale Rolle in der Weltpolitik wieder über- nehmen können. Die Zahlung rückständiger Beiträge der USA, die Verleihung des Friedensnobelpreises an Kofi Annan und die wiedergewonnene Funktionsfähigkeit des Sicherheitsrates im weltweiten Kampf gegen den Terro- rismus bieten jetzt eine günstige Ausgangslage für eine weitere Stärkung der Vereinten Nationen. Kofi Annans Besuch in Berlin vor wenigen Monaten hätte Anlass für die Bundesregierung sein sollen, dem Ge- neralsekretär hierfür konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Doch außer unverbindlichen Freundlichkeiten war von der Bundesregierung nichts zu vernehmen. Und auch im vorliegenden Bericht der Bundesregierung finden sich keine Hinweise auf neue Initiativen. Als drittgrößter Bei- tragszahler steht Deutschland nicht nur in einer ganz be- sonderen Verantwortung, es sollte auch eigenes Interesse daran haben, Einfluss zu nehmen. Der Afghanistan-Einsatz wie schon vor ihm die Einsätze auf dem Balkan zeigen, dass es sich bei zukünf- tiger weltweiter Streitschlichtung nicht nur um Aktionen einzelner Staaten handeln kann, sondern dass die Staaten- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224810 (C) (D) (A) (B) gemeinschaft als Ganzes gefordert ist. Das Gewaltmono- pol der UNO muss unangetastet bleiben. Es darf nicht sein, dass immer neue Streitkräfteeinsätze auf fragwürdi- gen völkerrechtlichen Grundlagen erfolgen. Wenn die Vereinten Nationen für die Wahrung des Weltfriedens mehr Verantwortung übernehmen sollen, muss ihre politi- sche Koordinierungsfunktion durch eigene streitschlich- tende und Frieden schaffende Kapazitäten ergänzt werden. Wir brauchen daher eine Stärkung friedenserhaltender und Frieden schaffender Maßnahmen durch den Aufbau per- manenter Blauhelmkapazitäten im Sinne des Brahimi-Be- richtes. Es müssen endlich die innenpolitischen Voraus- setzungen dafür geschaffen werden, dem Generalsekretär unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Pflichten des Deutschen Bundestages militärische Kontingente zur Teilnahme an UNO-Friedensmissionen zur Verfügung zu stellen. Wir haben hierfür einen Antrag vorgelegt. Die deutsche VN-Politik darf sich nicht auf den eher halbherzig vorgetragenen Wunsch einer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat beschränken. Wer mitreden will, muss auch mithandeln. Dies setzt sowohl größeres Engagement in den VN-Reformbestrebungen als auch eine aktivere deutsche VN-Personalpolitik sowie ein entsprechendes deutsches Engagement an VN-Blauhelmmissionen vo- raus. Dies bedeutet aber auch, dass die Bundesregierung die Bemühungen um einen dauerhaften Sitz im Sicher- heitsrat verstärken muss. Es kann nicht sein, dass deutsche Streitkräfte an zehn Friedensmissionen weltweit beteiligt sind, der Sicherheitsrat aber ohne unsere Beteiligung über Einsatzmodalitäten entscheidet. Wir meinen, der Berichtszeitraum hätte zum Anlass ge- nommen werden können, gegenüber unseren Partnern in der Europäischen Union eine Initiative zur Stärkung der Vereinten Nationen als zentralem Instrument zur Bewäl- tigung der neuen globalen Herausforderungen zu ergrei- fen. Im Zentrum dieser Initiative sollte unter anderem ste- hen: eine zügige Umsetzung der VN-Reform, eine Aufwertung der Generalversammlung durch Stärkung ih- rer Ausschüsse und Kommissionen, eine weitere Stärkung der Stellung des Generalsekretärs, der Ausbau der ent- wicklungspolitischen humanitären VN-Organisationen und eine Stärkung der VN-Blauhelmkapazitäten. Dringend nötig ist ferner eine bessere Koordinierung der EU-Mitgliedstaaten untereinander. Es ist beileibe nicht so – wie im Bericht der Bundesregierung behauptet – dass sich die EU „durch ihr verstärktes gemeinsames Auftreten innerhalb weniger Jahre zum einflussreichen Gestalter“ in den VN entwickelt hätte. Wir fordern daher eine gemein- same Europäische VN-Politik. Einen entsprechenden An- trag haben wir vorgelegt. Darüber hinaus sollte die Dezentralisierung der Verant- wortung des Sicherheitsrates durch Übertragung von Kompetenzen an regionale Abmachungen im Sinne von Kapitel VIII der UNO-Charta ein Schwerpunkt der zukünftigen deutschen UNO-Politik werden. Der Sicher- heitsrat darf nicht mit der Lösung sämtlicher regionaler Konflikte überfordert werden. Die Bundesregierung sollte mit ihren Partnern in der EU ferner in der Generalver- sammlung eine Initiative mit dem Ziel ergreifen, das er- folgreiche KSZE/OSZE-Modell der Vertrauensbildung und Konfliktschlichtung in anderen Regionen – wie etwa im Nahostkonflikt oder für die Krisenregion um Afghanis- tan – umzusetzen. Um jedoch eine dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht Deutschlands angemessene Position einnehmen zu können, muss die Bundesregierung auch endlich ihre Hausaufgaben erledigen. Es darf nicht sein, dass die deut- schen Beiträge zu humanitären VN-Organisationen weiter reduziert werden. Die Bundesregierung muss endlich ei- nen verbindlichen Finanzplan für die Realisierung der von ihr angekündigten Politik der Armutsreduzierung im Rah- men des VN-Millenniumprogramms vorlegen. Schließlich sollte es gerade ein vorrangiges deutsches Anliegen sein, das Netzwerk der VN-Gerichtsbarkeit weiter zu stärken. Die Durchsetzung von Völkerrecht und Menschen- rechten im Rahmen der Globalisierung hat Kofi Annan zum Hauptanliegen seiner Amtszeit gemacht. Wir Deut- schen sollten ihn hierbei nach Kräften unterstützen. Petra Bläss (PDS): Der Bericht gibt einen umfas- senden Überblick über deutsche Aktivitäten in dieser uni- versellen Weltorganisation. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen diesen Gremien, die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen eingeschlossen, gebührt Dank. In Anbetracht der riesigen globalen Probleme und He- rausforderungen und nicht zuletzt aufgrund der grausa- men Erfahrungen des 11. September ist die Bedeutung dieser einmaligen Organisation nicht hoch genug einzu- schätzen. Wir haben uns immer für ihre Stärkung einge- setzt und wir haben immer kritisiert, wenn sie – vor allem von der einzig verbliebenen Weltmacht – an den Rand geschoben wurde, wenn ihr die notwendigen Mittel vor- enthalten und wenn diese Organisation und damit das Völkerrecht generell geschwächt wurden. Die Bundesre- gierung ist an solchen Entwicklungen nicht unbeteiligt – ich nenne für die Vergangenheit nur das Stichwort Koso- vokrieg. Aber auch der ansonsten penibel alle deutschen Aktivitäten auflistende Bericht lässt solches erkennen. Nur wenige Beispiele: Erstens. Der Bericht weist aus, dass vor allem die frei- willigen Beiträge der Bundesrepublik erheblich zurück- gegangen sind. Für die Zukunft wird infrage gestellt, dass die frühere – an den Potenzen Deutschlands gemessene auch nicht gerade überragende – Höhe in absehbarer Zeit erreicht wird. Dabei ist die Welt weder friedlicher noch stabiler geworden. Die Zahl der bewaffneten Konflikte hat zugenommen. In Regionen wie dem Nahen Osten oder Südasien stiegen die Spannungen vehement – von den Er- fordernissen der Entwicklungszusammenarbeit oder der Lösung globaler Probleme nicht zu reden. Zweitens. Im Bericht nehmen Fragen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtweiterverbreitung von Mas- senvernichtungswaffen breiten Raum ein. in der Tat ar- beitet die Bundesrepublik in den verschiedenen UN-Gre- mien mit, bemüht sie sich um eine Intensiverung des globalen und regionalen Dialogs. Wo bleibt aber das ei- gene Beispiel zur Reduzierung der Streitkräfte und Rüs- tungsausgaben? Wo bleiben deutsche Abrüstungsvor- schläge? Wo bleibt angesichts der jüngsten Erklärungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24811 (C) (D) (A) (B) aus den USA für so genannte „defensive Interventionen“ das ganze Spektrum konventioneller und nuklearer An- griffsoptionen einsetzen zu wollen, zum Beispiel das ent- schiedene deutsche Auftreten und Wirken gegen die nu- kleare Erstschlagsoption? Drittens. Im Bericht wird der deutsche Anteil am Zu- standekommen des Internationalen Strafgerichtshofes hervorgehoben. Jüngsten Presseberichten zufolge soll aber Deutschland auch zu den Staaten gehören, die mit der afghanischen Übergangsregierung ein Abkommen ge- schlossen haben, das Klagen gegen Soldaten und Zivilis- ten der ISAF für eventuell dort begangene Verbrechen verhindern soll. Hier möchten wir Aufklärung von der Bundesregierung. Wenn dem so sein sollte, wäre es der Gipfel der Doppelzüngigkeit. Damit würde nicht nur von vornherein die Autorität dieses Gerichtshofes untergra- ben; vielmehr würden zugleich zweierlei Maßstäbe im Völkerrecht eingeführt. Es wäre die gleiche Arroganz, wie sie von den USA gegenüber internationalen Verein- barungen, den Internationalen Strafgerichtshof einge- schlossen, an den Tag gelegt wird. Eine solche Entschei- dung, wenn es sie denn gibt, müsste unbedingt revidiert werden. Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Mit dem vorliegenden Bericht der Bundesregierung über ihre Tätigkeit in den Vereinten Nationen im Jahr 2001 liegt dem deutschen Bundestag erstmals ein umfas- sendes Dokument über Herausforderungen, Ereignisse und Initiativen deutscher VN-Politik vor. Eines wird da- bei mehr als deutlich: Die Bundesregierung sieht in den Vereinten Nationen die zentrale Organisation zur Lösung der Aufgaben der Weltgemeinschaft. Die Vereinten Nationen werden im 21. Jahrhundert weiter an Bedeutung gewinnen. Antworten auf die großen Weltprobleme zu finden wird im Rahmen der klassischen Nationalstaaten nicht mehr möglich sein. In einer multi- polaren Welt, die sich immer stärker vernetzt, in der Ab- hängigkeiten und Wechselwirkungen politischer Entschei- dungen immer mehr regionale und globale Auswirkungen haben, ist multilaterales Handeln jedes einzelnen Mit- gliedstaates gefordert. Deutschland setzt sich deshalb für eine Strategie des Multilateralismus ein. Eine handlungs- fähige Weltorganisation ist der wesentliche Baustein zur Lösung der drei großen, eng miteinander zusammenhän- genden Menschheitsaufgaben: Sicherung des Weltfrie- dens, Durchsetzung der Menschenrechte und Sicherung einer sozial gerechteren, nachhaltigen Entwicklung in al- len Ländern. Die Vereinten Nationen zu stärken liegt des- halb im fundamentalen Interesse unseres Landes. Eine Kernaufgabe der Vereinten Nationen bleibt der Erhalt von Frieden und Sicherheit. Dies gilt auch für neue Bedrohungsszenarien. Die VN haben ihre Rolle als Platt- form für Konsensbildung, Rechtsetzung und den aktiven Kampf gegen den internationalen Terrorismus nach den Anschlägen vom 11. September erfolgreich angenom- men. Eine umfassende Strategie gegen Terrorismus muss Grundlagen einer kooperativen Ordnungspolitik für das 21. Jahrhundert entwerfen, einer Politik, die Zonen der Ordnungslosigkeit nicht mehr zulässt, die auf eine Welt- ordnung zielt, die allen Völkern eine volle und gerechte Teilhabe ermöglicht und die durch konsequente Orientie- rung an einem gemeinsamen Werterahmen die Globali- sierung gerecht gestaltet. Erfolgreiche Friedenspolitik der Vereinten Nationen erfordert eine konzeptionelle und strukturelle Weiterent- wicklung der vorhandenen Instrumentarien. Dies gilt für das gesamte Spektrum der zivilen, polizeilichen und mi- litärischen Beteiligung an Friedensmissionen, von der Prävention bis hin zur Friedenskonsolidierung. Die Bun- desregierung engagiert sich in diesem Prozess sowohl in der konzeptionellen Debatte als auch durch eine aktive Politik der personellen und materiellen Unterstützung von Friedensmissionen. Erst in dieser Woche habe ich hier in Berlin das Zentrum für internationale Friedenseinsätze eröffnet. Unser Engagement, sei es im Inland, sei es im Kosovo, in Afghanistan oder Georgien, dient der Erhal- tung oder Wiederherstellung von Stabilitä, die auch für unsere politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unverzichtbar ist. Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung des Men- schenrechtsschutzes für die Sicherung von Frieden und Stabilität und der Rolle der Vereinten Nationen für die Weiterentwicklung und die Einhaltung der Menschen- rechte bewusst. Im Hinblick auf die morgige Debatte zur Menschenrechtspolitik möchte ich an dieser Stelle auf eine breitere Behandlung des Themas verzichten. Dritte Kernaufgabe der Vereinten Nationen ist die Ent- wicklungspolitik. Die Vereinten Nationen sind das ein- zige globale Dialogforum, in dem die Entwicklungsländer ihre Vorstellungen, Wünsche und Forderungen an ihre staatlichen Entwicklungspartner formulieren können. In diesem Jahr finden zwei wichtige VN-Konferenzen im Bereich der Entwicklungs- und Umweltpolitik statt. Auf- bauend auf der Millenniumserklärung, in der sich die Mit- gliedstaaten unter anderem auf richtungsweisende Ziele zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung geeinigt ha- ben, stehen die Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung vom März 2002 in Monterrey/Mexiko sowie der Weltgip- fel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg/Süd- afrika im September 2002 im Mittelpunkt. Angesichts weltweit wachsender Armut bleibt das Ziel der Armutsbekämpfung und der Reduzierung des Anteils der Armen um 50 Prozent bis zum Jahre 2015 unbestrit- ten vorrangig. Der von der Bundesregierung verabschie- dete Aktionsplan dient diesem Ziel. Die Staatengemeinschaft braucht handlungsfähige Ver- einte Nationen auch für die drängenden globalen Fragen der Umwelt, der Biotechnologie und der Bekämpfung der weiteren Verbreitung von HIV/Aids, aber auch von Mala- ria und Tuberkulose. Die Millenniumserklärung enthält auch für den Umweltschutz klare Beschlüsse, die unsere Arbeit in den Vereinten Nationen in den kommenden Mo- naten und Jahren leiten müssen. Sichtbarer Ausdruck des deutschen Engagements für die Vereinten Nationen ist auch unsere Bereitschaft, den neuen VN-Standort Bundesstadt Bonn weiter und nach- haltig auszubauen. Dies gilt besonders für die Bereiche Entwicklung, Umwelt und Gesundheit, für die Bonn zu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224812 (C) (D) (A) (B) einem Schwerpunkt mit vielen Synergieeffekten mit Wirt- schaft, Forschung, Administration und Nichtregierungs- organisationen geworden ist. Die Vereinbarung über den VN-Standort Bonn und das Internationale Kongresszen- trum Bundeshaus Bonn einschließlich der Schaffung eines VN-Campus, im ehemaligen Plenarbereich des Deutschen Bundestages, die in Anwesenheit des Bundespräsidenten und des VN-Generalsekretärs am 27. Februar 2002 unter- zeichnet wurde, hat uns auf dem Weg zu einem effizien- ten und dauerhaft lebensfähigen VN-Standort in Deutsch- land einen entscheidenden Schritt vorwärts gebracht. Wenn die VN in der Lage sein sollen, zur Lösung der Menschheitsfragen beizutragen, dann muss ihre Hand- lungsfähigkeit durch Reformen gestärkt werden. Die Bundesregierung hat ihre Vorstellungen hierzu auf dem Millenniumsgipfel noch einmal bekräftigt. Konzentration und Verstärkung der Synergien innerhalb der VN-Familie sind notwendig. Die Generalversammlung muss gestärkt werden, der Sicherheitsrat muss repräsentativer und effi- zienter werden und die Bemühungen zur Stärkung des Wirtschafts- und Sozialrates intensiviert werden. Dies al- les sind Reformen, die in der Verantwortung der Mit- gliedstaaten liegen. Die Bundesregierung wird sich wei- ter nachhaltig dafür einsetzen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Anwendung von Gentests in Medizin und Versicherungen (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Carola Reimann (SPD): Die Problematik der Bio- und Gentechnologie ist im Deutschen Bundestag bis- lang mit großer Ernsthaftigkeit behandelt worden. Nicht zuletzt deshalb haben wir die Enquetekommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ im März 2000 ein- gerichtet. In deren Themengruppe „Genetische Daten“ ist die Frage genetischer Tests ausführlich diskutiert worden. Die Kommission hat kürzlich ihren Abschlussbericht übergeben, auf den ich aufmerksam machen möchte. Die- sen Bericht haben wir in der letzten Sitzungswoche im Plenum diskutiert. Statt nun schnell und undifferenziert Gesetze zu schmieden, sollten wir die umfangreiche Arbeit der Enquete-Kommission würdigen und ihre Empfehlun- gen sorgfältig prüfen, um auf der Basis dieser Vorschläge den Bereich prädiktiver genetischer Tests umfassend und angemessen zu regeln. Gestatten Sie mir vor diesem Hintergrund einige An- merkungen zu Ihrem Antrag. Ich beginne mit dem Positi- vem. Auch wir sind der Meinung, dass genetische Tests nur freiwillig, begleitet von qualifizierter fachlicher und auch psychosozialer Beratung und nur von Medizinern durchgeführt werden dürfen. Die Patienten müssen um- fassend informiert sein, damit sie ihre Entscheidung für oder gegen einen Test auf der Basis von Wissen fällen können. So etwas, so meinen wir, ist nur durch ein diffe- renziertes Beratungskonzept realisierbar. Für uns als SPD steht außerdem fest: Wir wollen keine Verwertung von prädiktiven genetischen Tests bei Abschluss von Versi- cherungs- und Arbeitsverträgen. Ganz kann ich mir die Kritik am Antrag der Union nicht ersparen. Denn insgesamt ist ihr Antrag doch aus sehr groben Holz geschnitzt. Sie sprechen von genetischer Diagnostik ohne jede Differenzierung. Zurzeit werden etwa 300 verschiedene Tests eingesetzt. Schon seit etwa 15 Jahren werden molekulargenetische Tests zur Diagnos- tik klinisch apperenter Erkrankungen angewandt. So würde zum Beispiel keiner heute auf Gentests bei der Tu- mordiagnostik zur Differentialdiagnose, also zur Bestim- mung des Tumortyps verzichten wollen. Dies sind geneti- sche Tests im diagnostischen Alltag, die keiner zusätzlichen Regelung bedürfen. Ihr Antrag zielt auf prädiktive Tests. Jedenfalls vermute ich das; denn genaue Differenzierun- gen und Definitionen hat sie in ihrem Papier einfach aus- gespart. Auf dem Gebiet der prädiktiven Gentests gibt es aber keinen aktuellen Handlungsdruck, einen solch unvoll- ständigen und grobgeschnitzten Antrag in ein Gesetz zu gießen. Dies sage ich Ihnen vor allem vor dem Hinter- grund, dass mit der Versicherungswirtschaft eine freiwil- lige Verpflichtung abgeschlossen worden ist, genetische Tests beim Abschluss von Versicherungen weder anzu- nehmen noch zu fordern. Im Bereich der Krankenversi- cherung betrifft dies zudem nur die privaten Krankenver- sicherungen; die gesetzliche Krankenversicherung arbeitet nach dem Solidarprinzip und kennt eine solche Risikoselektion bei Vertragsabschluss ohnehin nicht. Und 95 Prozent unserer Bürgerinnen und Bürger sind in der ge- setzlichen Krankenversicherung versichert. Diese freiwil- lige Selbstverpflichtung gilt auch für Lebensversicherun- gen bis zu 250 000 Euro. Versicherungen mit größeren als der genannten Summe machen lediglich 1 Prozent aller Vertragsabschlüsse aus. Prädiktive genetische Untersuchungen ermitteln eine Erkrankungswahrscheinlichkeit. Diese prädiktiven Tests zielen in erster Linie auf monogene Erkrankungen. Mo- nogen bedingte Erkrankungen sind jedoch sehr selten. Insgesamt kann man etwa zwei bis drei Prozent aller Er- krankungen auf monogenetische Verursachung zurück- führen. Zurzeit gibt es nur einen einzigen prädiktiven Test mit hoher Vorhersagekraft; das ist der Test auf Chorea Huntington. Bei allen anderen Tests bleibt immer noch ein großer Interpretationsspielraum, der eine fachliche Bera- tung auch unabhängig von der psychosozialen Betreuung unerlässlich macht. Auf der einen Seite mühen Sie sich um Regelungen für Dinge, die man nicht sofort und dringlich regeln muss. Auf der anderen Seite verpassen Sie es, die wirklich sen- siblen Themen überhaupt zu benennen. Die Entwicklung der DNA-Chip-Technologie bleibt bei Ihnen gänzlich un- erwähnt; dabei stellt gerade diese Technologie, dadurch dass sie zusätzliche Informationen über den einzelnen Gen- test hinaus gewinnt, eine Problemquelle dar. Dies allein deshalb, weil mehrere Gentests – also Tests auf verschie- den Sequenzen – auf einem Chip getestet und automati- siert ausgewertet werden. Dadurch werden zusätzliche genetische Daten gewonnen, die über die Abklärung der aktuellen Erkrankung hinaus Ergebnisse liefern, auch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24813 (C) (D) (A) (B) wenn dies nicht explizit beabsichtigt war. Hier muss die Sicherung bzw. Löschung dieser persönlichen Daten ge- regelt werden. Aus der Tatsache, dass der Chip mehrere Tests automatisiert absolviert, ergibt sich außerdem die Problematik einer zweiten Auswertung solcher Ergeb- nisse ohne Wissen und Einwilligung der Patienten. Dies sind Dinge, die in ein Gesetz mit hinein gehören. Und wenn wir schon darüber reden, was in ein solches Gesetz gehört, dann dürfen auch die Felder Präimplanta- tionsdiagnostik und Pränataldiagnostik sowie Screening- programme nicht unberücksichtigt bleiben. Das alles ver- missen wir in Ihrem Antrag. Es macht aber keinen Sinn, einzelne Felder losgelöst voneinander gesetzlich regeln zu wollen. In der nächsten Legislaturperiode werden wir deshalb einen umfassenden, angemessenen und differen- zierten Gesetzentwurf vorlegen. Dazu existieren bereits Eckpunkte, die zusammen mit den Empfehlungen der En- quete-Kommission eine seriöse tragfähige Basis darstel- len. Bis dahin sollten wir nicht in Aktionismus verfallen, sondern uns die Zeit nehmen, die für die Lösung eines komplexen Problems nötig ist. Der Antrag der Union ist gut gemeint, aber ein Schnell- schuss. Ich empfehle daher ihn abzulehnen. Katharina Reiche (CDU/CSU): Wir befinden heute über die Beschlussempfehlung und den Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag unserer Fraktion über die Anwendung von Gentests in Medizin und Ver- sicherungen. Die öffentliche Anhörung der Sachverstän- digen im Gesundheitsausschuss am 5. Juni 2002 hat eindrucksvoll belegt, dass wir in Deutschland eine ge- setzliche Regelung für den Umgang mit Gentests benöti- gen. Das Parlament ist aufgerufen, beim Umgang mit Gendaten Leitplanken zu setzen, um die Entwicklung in die gewünschten Bahnen zu lenken. Ich möchte hierzu gerne den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Joachim Jacobs, zitieren, der in der An- hörung ausführte: Wichtig ist auch die Frage, in welchen Zusammen- hängen die über Gentests gewonnenen Informatio- nen genutzt werden. Hier ist zunächst einmal der Ge- setzgeber aufgerufen, die Fälle deutlich zu machen, wo eine besondere Nutzung dieser Daten zugelassen sein soll. Diese Feststellung deckt sich im Übrigen mit der 62. Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder, die bereits im Oktober des letzten Jahres den Bundestag auf- forderte, genetische Untersuchungen am Menschen ge- setzlich zu regeln. Die CDU/CSU- Fraktion ist mit diesem Antrag genau diesem Verlangen nachgekommen und hat unter anderem die Forderung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, unerlaubte Gentests unter Strafe zu stel- len, explizit mitaufgenommen. Leider hat die Bundesregierung bis zum heutigen Tag trotz anders lautender Ankündigungen keinen Gesetzent- wurf zum Umgang mit Gentests vorgelegt. An dieser Stelle möchte ich gerne noch einmal den Bundesbeauf- tragten für den Datenschutz, Herrn Jacobs, zitieren, der auf die Frage, wie weit denn die Bundesregierung mit ihren Vorstellungen über eine gesetzliche Regelung im Detail sei, antwortete: Wir fragen immer nach. Uns wird dann mitgeteilt, dass es ein sehr komplexes und schwieriges Gebiet ist. Die Bundesregierung hat nicht die vordringliche Auf- gabe, eine Einschätzung darüber abzugeben, wie schwie- rig ein Themenkomplex ist oder nicht, sie soll vielmehr Lösungsansätze für die Probleme in diesem Land ent- wickeln. Die Anhörung der Sachverständigen im Ausschuss für Gesundheit hat ergeben, dass unser Antrag in die richtige Richtung geht und auf der Grundlage unserer Eckpunkte dringend eine rechtliche Grundlage für die Anwendung von Gentests in Medizin und Versicherungen erarbeitet werden muss. Ganz deutlich hat die Anhörung auch er- bracht, dass sich – im Gegensatz zu den diagnostischen Tests – eine gesetzliche Regelung auf die prädiktiven Gentests beziehen muss und wir hier zu einer klaren, all- gemeinen Definition kommen müssen, um der außeror- dentlich raschen Entwicklung der prädiktiven genetischen Diagnostik gerecht zu werden. Ein Beispiel für die rasante Entwicklung auf diesem Gebiet sind die Fortschritte und Erfolge im Fachgebiet der Pharmakogenomik. Erst, wenn wir wissen, ob ein Mensch die Veranlagung für eine bestimmte Erkrankung trägt und wir sagen kön- nen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er an dieser erkran- ken kann, können wir die Krankheitsprävention im Sinne einer Verhütung oder Verzögerung des Krankheitsausbru- ches verbessern. Ein positives Beispiel ist hierfür das Pi- lotprojekt der Kaufmännischen Krankenkasse Hannover, die am Anfang des Jahres als erste deutsche Krankenkasse ihre Versicherten freiwillig zu einer medizinisch-geneti- schen Reihenuntersuchung auf die Eisenspeicher-Krank- heit aufgerufen hatte. Die Eisenspeicher-Krankheit, die Spätschäden wie Herzschwäche oder Leberkrebs verursa- chen kann, ist ein typisches Beispiel dafür, dass eine Krankheit nach Durchführung eines Gentests erfolgreich behandelt werden kann. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die KKH stark an die Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik zur Durchführung von Gentests gehalten hat. Diese Richtlinien wurden bereits von der Amerikanischen Gesellschaft für Humangenetik übernommen. Dies bedeutet, dass Europa Standards im internationalen Vergleich setzen kann. Deutschland ist deshalb aufgefordert, ebenfalls gesetzliche Richtlinien für den Umgang mit Gentests zu entwerfen, um nicht im in- ternationalen Vergleich zurückzufallen. Natürlich ist die Durchführung von prädiktiven Gen- tests sehr anspruchsvoll und stellt besonders hohe fachli- che Anforderungen an den Untersuchenden. Doch wie sieht die Realität in Deutschland aus? Wir haben in Deutschland momentan eine Situation, wo man im Inter- net einen Gentest anfordern kann und dann das Ergebnis in schriftlicher Form mitgeteilt bekommt, ohne dass eine umfassende Beratung gewährleistet ist oder ein Kontakt zwischen Arzt und Patient stattfindet. Dies halte ich für unverantwortbar. Wir haben deshalb in unserem Antrag deutlich gemacht, dass Gentests und die entsprechende Beratung in die Hand des Facharztes gehören und nur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224814 (C) (D) (A) (B) durch ihn bzw. von zugelassenen und qualifizierten Stel- len durchgeführt werden darf. Mittlerweile werden von den genetischen Laboren in Deutschland 200 bis 300 Gentests angeboten. Tatsache ist – auch dies wurde von den Sachverständigen in der Anhörung bestätigt –, dass wir in Deutschland zu wenig Fachärzte für Humangene- tik haben. Nach den Angaben der Bundesärztekammer gibt es in Deutschland momentan lediglich 181 Fachärzte für Humangenetik und 292 Ärzte mit Zusatzbezeichnung. Die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik sieht einen zusätzlichen Bedarf von 400 Fachärzten bundesweit. Eine Regelungslücke ergibt sich auch im Versiche- rungsrecht. Zwar haben sich alle Lebens- und Kranken- versicherungen in einer Selbstverpflichtungserklärung dazu verpflichtet, die Durchführung eines Gentests nicht zur Voraussetzung für den Abschluss eines Versiche- rungsvertrages zu machen, jedoch erscheint die Kontrolle dieser Selbstverpflichtungserklärung noch vage. Die Ver- treter der Versicherungswirtschaft selbst haben in der An- hörung deutlich gemacht, dass die Möglichkeit der Sank- tionen gegen Unternehmen, die gegen dieses freiwillige Memorandum verstoßen, sehr gering sind. Auch hier be- steht Handlungsbedarf für die Politik. Völlig ungeregelt ist im Übrigen der Umgang mit Gen- tests im Arbeitsrecht. Wir wollen, dass prädiktive Gen- tests im Rahmen von medizinischen Eignungsuntersu- chungen weder vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages noch während der Dauer des bestehenden Arbeitsverhält- nisses weder verlangt noch angenommen oder in irgend- einer Form verwertet werden dürfen. Eine Ausnahme soll für solche Fälle gelten, in denen mit Hilfe von prädiktiven Tests der Ausbruch einer Krankheit prognostiziert wird, durch die der Arbeitnehmer schlagartig funktionsuntüch- tig wird und der plötzliche Ausfall am Arbeitsplatz eine erhebliche Gefährdung Dritter bedeuten würde. Wir als Fraktion haben einen Antrag zur Anwendung von Gentests in Medizin und Versicherungen vorgelegt, der von den Sachverständigen positiv aufgenommen wor- den ist und der einen Leitfaden für weitere gesetzliche Re- gelungen bilden soll. Wir hoffen, dass in der nächsten Le- gislaturperiode eine neue Bundesregierung unter der Einbeziehung aller Betroffenen offensiv die Problematik des Umgangs mit Gentests aufgreifen wird und auf der Grundlage unserer formulierten Eckpunkte dem Deut- schen Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen wird. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Thema ist anspruchsvoll. Die Notwendigkeit, gesetzliche Regelungen zu treffen, ist unstrittig. Unstrittig unter vie- len Gesundheitspolitikern und Gesundheitspolitikerinnen ist ebenfalls, dass es möglich hätte sein müssen, in dieser Legislatur ein Gentest-Gesetz zu verabschieden. Anders als in vielen anderen Bereichen gibt es frakti- onsübergreifende Übereinstimmung darin, dass die neuen diagnostischen Möglichkeiten, die genetische Beschaf- fenheit des Menschen zu testen, danach verlangen, den Zuwachs an Kenntnissen über Krankheitsdispositionen mit dem tatsächlichen Zugewinn an Prävention und the- rapeutischen Möglichkeiten auszutarieren. Zweifelsohne bedeutet die Tatsache, dass die genetische Entschlüsse- lung vermehrt möglich ist, nicht, dass wir in der Bundes- republik Deutschland gänzlich neue gesetzliche Rahmen- setzungen bräuchten, um den Schutz vor Diskriminierung und eine sachgerechte medizinische Anwendung zu ge- währleisten. Am meisten beschäftigt die Menschen die Sorge, dass das Wissen, das im Rahmen der medizinischen Diagnos- tik erworben wird, an Versicherungen oder Arbeitgeber weitergegeben werden könnte und sie aufgrund dieses Wissens dann Diskriminierungen ausgesetzt sind. Das Diskriminierungsverbot steht im Grundgesetz. Es ist also sehr wichtig, auf Folgendes hinzuweisen: Selbst gene- tisch bedingte Behinderungen dürfen im Versicherungs- recht kein Kriterium sein, das zu Benachteiligungen führt. Die gesetzliche Krankenversicherung gibt den Patien- ten und Patientinnen und den Versicherten den maxima- len Schutz, den ein Versicherungssystem überhaupt geben kann, weil es völlig irrelevant ist, welche genetisch be- dingte oder nach prädiktiven Tests zu erwartende Erkran- kung eintritt. Durch das Sachleistungsprinzip und den Ausschluss von Versicherungspolicen als Grundlage der Versicherung ist eine Diskriminierung innerhalb der GKV für die Versicherungsgeber nicht nur finanziell völlig un- attraktiv; sie ist auch von der Sache her nicht möglich. Deshalb sollen sich alle folgenden gesetzlichen Regelun- gen an denen der Solidarkasse GKV orientieren. Bei den meisten Tests sagt das diagnostische Ergebnis nichts über den Zeitpunkt der Manifestation einer beste- henden Krankheitsdisposition als behandlungsbedürftige Krankheit aus. Die Tatsache, dass Menschen um ihre ge- netische Disposition wissen, ändert zumindest nichts da- ran, dass die Krankheit eintritt; sie träte auch ein, wenn sie nicht um diese Disposition wüssten. An dem Versiche- rungsumfang und dem Eintritt des Versicherungsfalls än- dert sich also nichts. Interessant ist das Wissen dann, wenn nach solchen prädiktiven Tests für die betreffende Person Primär- und Sekundärprävention im Hinblick auf den Eintritt und die Ausformung der Krankheit hilfreich ist. Gerade dies ver- weist aber darauf, dass wir Gentests ausschließlich im Rahmen des ärztlichen Behandlungsauftrages zulassen dürfen. Nur dort ist die Verschwiegenheit gewahrt, nur dort kann der „informed consent“ überhaupt hergestellt werden und nur dort ist ein Regelwerk vorhanden, um ia- trogene Schäden zu begrenzen und zu vermeiden, die durch eine Diagnostik bei der Patientin bzw. bei dem Pa- tienten ausgelöst werden. Niemals dürfen Gentests frei verkäufliche Waren sein. Niemals darf man Gentests zu einem weiteren Marktseg- ment im ärztlichen Sektor der Privatliquidation, zu einer IGEL-Leistung machen. Vielfach übersehen wir auch, dass aussagekräftige Gentests nicht nur die genetische Disposition der ge- testeten Person offenbaren, sondern zugleich tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der genetisch Verwandten eingreifen. Wegen deren Selbst- bestimmungsrechtes kommt es gerade bei der Gendia- gnostik unausweichlich zu einem Grundrechtekonflikt unter genetisch verwandten Menschen. Ihr Recht auf Wissen müssen wir als Gesetzgeber genauso wahren wie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24815 (C) (D) (A) (B) ihr Recht auf Nichtwissen. Bei der Anhörung zum CDU/CSU-Antrag wurde vom Datenschutzbeauftragten dieses nahezu unauflösbare Dilemma eindrücklich illus- triert, das genetisch Verwandten durch Gendiagnostik aufgedrängt würde. Noch einige Worte zu prädiktiven Tests im Rahmen der Pränataldiagnostik. Die Diagnostik zur Identifizierung der genetischen Beschaffenheit des Fötus hat sich zu ei- ner Routineuntersuchung entwickelt, bei der die aufge- zeigten Anforderungen des „informed consent“ in der Re- gel nicht erfüllt zu sein scheinen. Obwohl in der medizinischen Praxis die Standards der Einwilligung nach erfolgter Aufklärung über die getesteten Merkmale, die Aussagesicherheit des Tests, sein therapeutischer Gewinn, die bei einem positiven Testergebnis bestehen- den Handlungsmöglichkeiten und das Risiko, schwere Schwangerschaftskonflikte auszulösen, Voraussetzung für die Durchführung eines Gentests sind, um die Ver- wirklichung einer Körperverletzung auszuschließen, spricht vieles dafür, dass diese bei schwangeren Frauen nicht eingehalten werden. In Deutschland besteht ein bürgerrechtlich-freiheitli- ches, staatlichen Eingriffen weitgehend entzogenes Arzt- Patienten-Verhältnis. Im SGB V werden keine Indikati- onskataloge festgelegt. Das gilt auch für die Gentests am Embryo und Fötus. Der Staat kann unerwünschte Fehl- allokationen – hier screenings mit eugenischer Implika- tion – nur über mittelbar wirkende Steuerungselemente, nicht jedoch über Verbote oder Indikationskataloge, die ethisch nicht umstritten sind, verhindern. Dem Grundsatz folgend, dass nur die ärztliche Indika- tion zur medizinischen Intervention im Rahmen des ärzt- lichen Behandlungsauftrages eine Finanzierungspflicht der Leistung seitens der Gesetzlichen Krankenversiche- rungen auslöst, müssen die Empfehlungen für eine medi- zinisch und ethisch vertretbare Indikationsbegrenzung der Gentests am Fötus im Rahmen der Selbstverwaltung und der ärztlichen Berufsethik gelöst werden. Wie hier der konkrete Gesetzestext aussehen könnte, hat die CDU noch nicht beantwortet. Ihr Anliegen aber teile ich. Zur Selbstbestimmung und Konsumentensouveränität noch ein Gedanke. Genetische Daten offenbaren intimste Informationen. Sie müssen aufgrund des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung effektivstem Daten- schutz unterliegen. Mit dem Recht auf Wissen allein kann eine allgemeine Zugänglichkeit oder Verordnungsfähig- keit von Gentests nicht begründet werden. Das via Gen- tests erlangte Wissen über genetische Bedingungen bleibt nicht auf die Getesteten beschränkt. Worüber angesichts eines Gentest-Gesetzes unbedingt gesprochen werden muss, ist Folgendes: Über die rechtli- chen Regelungen hinaus beeinflusst dieses neue geneti- sche Wissen die sozialen Beziehungen der Menschen und das individuelle und gesellschaftliche Verständnis von ei- nem „gelungenen“ Leben. Da Gesellschaft und Medizin für dieses menschheitsgeschichtlich und kulturell völlig neue Phänomen noch keine adäquaten ethischen und mo- ralischen Normen entwickelt haben, kann nur mit einer re- striktiven Handhabung der Gendiagnostik reagiert wer- den. Da sich neben diesen zentralen Fragen aber auch Regelungsnotwendigkeiten, wie zum Beispiel im Arznei- mittelrecht, im Medizinproduktegesetz oder im Patent- recht ergeben, die im Rahmen schon bestehender Regel- werke durch Novellierung befriedigt werden können, macht es großen Sinn, in der Federführung des BMG ein Gentest-Gesetz zu verabschieden. Der DBG hat, was das Arbeitsrecht und tarifrechtliche Bedingungen angeht, auf der öffentlichen Ausschuss- anhörung wichtige Beiträge geliefert. Solange sich die private Versicherungswirtschaft durch Selbstbeschrän- kung an ein „imaginiertes Recht“ hält und keine schweren Rechtsverletzungen im Vertragsgeschehen zu erwarten sind, bleibt es letztlich nicht wirklich verständlich, warum die Regierung und das BMG insbesondere auf das Gen- test-Gesetz verzichtet hat. Der nächsten Regierung mögen die, wie ich meine, sehr fundierten Vorarbeiten der Enquete-Kommission und die Debattenbeiträge der fachkundigen Abgeordneten, die es in all diesen Fragen in allen Fraktionen gegeben hat, nützlich sein, damit von der Arbeit, bei der ich die Freude hatte, sie auf diesem neuen wichtigen Feld leisten zu kön- nen, etwas bleibt, sodass die nachkommenden Abgeord- neten zügig und kompetent das Geleistete komplettieren und alsbald ein Gesetz verabschieden können. Erwartet wird ein Gentest-Gesetz in der Bevölkerung schon heute. Detlef Parr (FDP): Nach der Anhörung zu der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Gentests in Medizin und Versicherungen Anwendung fin- den können, ist eines noch deutlicher geworden: Der Bun- destag muss handeln und präventiv Regeln erlassen, die Rechtssicherheit schaffen und Missbrauch verhindern. In- sofern sollten wir der Aufforderung der Enquete-Kom- mission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ bald folgen. Für die FDP steht dabei im Mittelpunkt: Jede Art von Diskriminierung muss ausgeschlossen werden und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darf nicht angetastet werden. Die Ergebnisse prädiktiver und diagnostischer Gen- tests können erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg der Testperson haben. Die persönliche Ent- scheidung, sich nach aufgetretenen Erkrankungen in der Familie „nur zur Beruhigung“, sozusagen im Vorbeige- hen, einem Test zu unterziehen, kann fatale Folgen haben. Deshalb ist es unabdingbar, auch und besonders vor dem Hintergrund eines wachsenden Gentest-Marktes die Be- völkerung verstärkt aufzuklären. Es muss jedem Men- schen deutlich werden, dass eine intensive humangeneti- sche Beratung über Chancen und Risiken vor einer solchen Untersuchung absolut notwendig ist. Gentests dürfen keine Frage von Lifestyle werden, sondern es be- darf einer besonderen Verantwortung aller an solchen Ver- fahren Beteiligten. Gentests sollten nur von dafür qualifi- zierten Ärzten vorgenommen werden. Die FDP stimmt ausdrücklich der Forderung der Bundesärztekammer zu, dass jede genetische Analyse streng zweckorientiert sein muss und es keine undifferenzierten Globaleinwilligun- gen eines Patienten zur Erhebung von genetischen Daten geben darf. Testergebnisse dürfen nur dem Betroffenen selbst mitgeteilt, eine Information Dritter gegen den Wil- len des Patienten muss ausgeschlossen werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224816 (C) (D) (A) (B) Eines sollte selbstverständlich sein: Nach einem posi- tiven Testergebnis darf der Betroffene nicht alleine gelas- sen werden. Eine psychologische Betreuung und Beglei- tung im Hinblick auf die veränderten Lebensverhältnisse muss sichergestellt werden. Ein weiteres Problem bedarf dringend einer Lösung: Wie können wir falsche positive Testergebnisse und die damit verbundenen Zukunftsängste vermeiden? Der Arzt- vorbehalt ist die eine Seite. Ein zweiter Test eines anderen Labors sollte eine weitere Voraussetzung sein. Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode konkrete Rahmenbedingungen für die Anwendung von Gentests erarbeiten und beschließen. Der Antrag der Union bietet dafür eine gute Grundlage. Wie weit wir mit ausdrückli- chen Verboten in einem eigenen Gesetz gehen müssen oder ob die geltende Rechtsauffassung und das Datenschutzge- setz ergänzt durch notwendige Ausnahmevorschriften aus- reichend sein können, wird die weitere Debatte zeigen. Die Selbstverpflichtung der Versicherungswirtschaft, der sich auch die Arbeitgeber anschließen sollten, gibt uns genü- gend Zeit, um die brisanten Fragen in Ruhe und sachorien- tiert zu diskutieren. Angela Marquardt (PDS): Bei der ersten Lesung die- ses Antrages haben wir hier im Hause eine außergewöhn- lich große Übereinstimmung erlebt. Das macht den An- trag der Union nicht verkehrter. Er ist durchaus sinnvoll und weist absolut in die richtige Richtung. Inzwischen gibt es auch von anderen Fraktionen und Ministerien Initiativen, die sogar noch besser sind. Ich denke, dass vor allem die Bewertung und Empfehlungen der Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der moder- nen Medizin“ Grundlage für ein umfassendes Gentestge- setz werden sollte. Allerdings darf ein solches Gesetz letztlich keine Tür für Massengentests öffnen – egal aus welcher Motivation, und auch nicht unter noch so hohen Auflagen. Das Anliegen, Gentest grundsätzlich an die Zustim- mung des Betreffenden zu binden, ist richtig. Ebenso fin- det die Forderung, den Einsatz und die Verwendung von Ergebnissen in bestimmten Bereichen auszuschließen, meine Zustimmung. Sowohl in der Arbeitswelt als auch bei Versicherungen müssen Gentests umfassend verboten werden. Nur das schafft Schutz vor Diskriminierung be- stimmter Bevölkerungsgruppen. Allerdings geht der Antrag nicht weit genug. Natürlich ist der Grundsatz der freiwilligen Zustimmung bei Gen- tests ein guter Grundsatz. Aber er wird nicht verhindern, dass es trotzdem zu einer flächendeckenden Ausbreitung von Gentests kommt und damit auch zu Diskriminierun- gen aufgrund genetischer Disposition. Es ist nur ein Beispiel, aber auch die pränatale Dia- gnostik war in den 70er-Jahren freiwillig und anfangs auf so genannte Risikofrauen beschränkt. Heute ist sie Regel- leistung. Wir haben ein nahezu flächendeckendes Scree- ning mit einer stukturell eugenischen Folgewirkung. Meine Befürchtung ist, dass wir trotz des Vorbehalts einer individuellen Zustimmung eine zunächst langsame, dann jedoch rasante Ausweitung von Gentests erleben werden, Sind die Ergebnisse erst einmal vorhanden, wird nicht mehr durchzusetzen sein, dass diese von Versicherungen oder Arbeitgebern nicht verwendet werden dürfen. Sie selbst müssen dabei gar keine Tests verlangen, sondern nur die Offenlegung früherer Ergebnisse. Durch die so genannte Entdeckung immer neuer Gen- Korrelationen mit bestimmten Erkrankungen oder Behin- derungen werden immer neue „Risikopersonen“ geschaf- fen, die einen Andrang auf Gentests auslösen werden. Denken sie an die unzähligen Gene, die mit Krebserkran- kungen in irgendeinen Zusammenhang gebracht werden. Ich glaube deshalb, dass der erste Schritt wäre, die massive Förderung der Entwicklung von Gendiagnostik über den Haushalt des BMBF endlich zu stoppen. Außer- dem brauchen wir ein Moratorium für Gentests. Nur so kann die unkontrollierte Dynamik des Diagnostikmarkts angehalten werden. Dann muss möglichst schnell ein Gentestgesetz auf den Tisch, in dem auch ein Diskrimi- nierungsverbot von Menschen wegen ihrer genetischen Ausstattung enthalten sein muss ebenso wie ein Verbot so genannter Reihenuntersuchungen. Bei all dem scheint mir darüber hinaus höchste Eile angesagt zu sein. Sonst wer- den immer mehr Fakten geschaffen, bevor die Politik überhaupt zu Handeln begonnen hat. Und das erleben wir leider schon viel zu häufig. Gudrun Schaich-Walch, Parl. Staatsekretärin im Bundesministerium für Gesundheit: Ich gehe davon aus, dass wir uns darin einig sind, dass Gentests nur zum Wohl der getesteten Menschen durchgeführt werden sollten. Gleichwohl kann ich Ihrem Antrag so nicht folgen. Wie Sie ja wissen, bereiten wir im Bundesministerium für Ge- sundheit bereits einen Gesetzentwurf vor. Aber bei der Regelung dieser Materie betreten wir in gewisser Weise Neuland. Wir sollten deshalb alle Facetten dieser kom- plexen Materie bedenken und die Ergebnisse der Enquete- Kommission mit einbeziehen. Auf Grundlage dessen sollte eine breite öffentliche Diskussion geführt werden, die selbstverständlich über die Anwendungsbereiche der Medizin hinausgehen muss. Auch der Nationale Ethikrat wird sich dem Thema widmen. Diese Voten werden wir in die Diskussion einbeziehen. Mit den erweiterten Möglichkeiten der Feststellung ge- netischer Eigenschaften sind die möglichen Auswirkun- gen genetischer Untersuchungen – sowohl Chancen als auch Risiken – verstärkt in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Der qualifizierten Information der Bevölkerung kommt daher besondere Bedeutung zu. Wir wollen für die Durchführung von Gentests klare Kriterien und vor allem Transparenz. Deshalb soll in der nächsten Legislaturperi- ode ein Gesetz verabschiedet werden, das die Durch- führung von Gentests und den Umgang mit genetischen Daten regelt; denn die Prinzipien der Freiwilligkeit und der selbstbestimmten, informierten Entscheidung über die Inanspruchnahme genetischer Tests sind in jedem Fall zu berücksichtigen. Der Schutz des grundrechtlich gewährleisteten allge- meinen Persönlichkeitsrechts bei der Durchführung gene- tischer Untersuchungen und der Verwendung ihrer Ergeb- nisse, die Zulässigkeitsvoraussetzungen von genetischen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24817 (C) (D) (A) (B) Tests, insbesondere auch im Hinblick auf das erhöhte Schutzbedürfnis von Minderjährigen und Nichteinwilli- gungsfähigen, der Arztvorbehalt, das Erfordernis einer in- dividuellen humangenetischen Aufklärung und Beratung vor und nach dem Test, das Diskriminierungsverbot, der Datenschutz sowie die Information der Bevölkerung über die Chancen und Risiken genetischer Untersuchungen werden wesentliche Punkte dieser Regelungen sein. Sie sollen sicherstellen, dass das Recht auf Nichtwis- sen des Einzelnen gewahrt bleibt und genetische Untersu- chungen nur aus medizinischen Gründen zum Wohl des Betroffenen durchgeführt werden. Die genetische Diagnostik bei erblich bedingten und gut behandelbaren oder gar vermeidbaren Krankheiten ist unbestritten sinnvoll. Das trifft gerade auch bei einigen wichtigen Krebser- krankungen wie zum Beispiel Darmkrebs zu. Durch so ge- nannte prädiktive genetische Tests, mit denen Veranlagun- gen für bestimmte Erkrankungen festgestellt und Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Erkrankun- gen getroffen werden können, kann immer mehr Gewiss- heit über individuelle Gesundheitsrisiken erlangt werden. Mit einer frühzeitig einsetzenden Behandlung könnten hier schwere Krankheitsverläufe vermieden werden. Aber nicht jede Erkenntnis aus einem Test kann so un- mittelbar in Prävention und Behandlung umgesetzt wer- den. Es muss ein Ausgleich geschaffen werden zwischen den diagnostischen Möglichkeiten, die die Genomfor- schung bietet und die wir für die Patienten nutzen wollen und dem berechtigten Interesse der Menschen, ihre gene- tische Veranlagung zu kennen oder eben nicht zu kennen. Auch genetische Tests und die Verwendung ihrer Er- gebnisse im Zusammenhang mit privaten Versicherungen sowie im Arbeitsrecht sollen mit diesem Gesetz geregelt werden, um zu verhindern, dass zum Zwecke der Risiko- selektion und Ausgrenzung auf Personen Druck ausgeübt werden kann, einen Gentest durchzuführen oder bereits bekannte genetische Daten offen zu legen. Aber es sind auch noch Fragen offen, ohne deren Klärung eine sinn- volle und ausgewogenen Regelung nicht gelingen kann. Wie die Anhörung im Gesundheitsausschuss gezeigt hat, beginnt das schon mit der Grundlage des Ganzen, nämlich mit der Frage: Was ist ein genetischer Test und welche Formen der Untersuchung sollen geregelt werden? Wir müssen uns auch intensiv mit der Abgrenzung diagnosti- scher von prädiktiv eingesetzten Gentests befassen. Das halte ich für einen wesentlichen Punkt, denn es ist ein grundlegender Unterschied, ob ein Gentest zu Stellung oder Absicherung einer Diagnose eingesetzt wird, oder ob ganz allgemein ein Blick auf die genetische Ausstattung geworfen werden soll. Und das womöglich unter der Be- dingung, dass das gewonnene Wissen belastend ist und Vorbeugung oder Therapie nicht möglich sind. Diskussi- onswürdig sind genetische Untersuchungen aber auch deshalb, weil durch sie genetische Informationen Ver- wandter gewonnen werden können. In diesem Bereich wird es schwer möglich sein, Dritte wirkungsvoll davor zu schützen, ungewollt mit Erkenntnissen über ihre gene- tische Disposition konfrontiert zu werden. Andererseits werden wir für die medizinische Forschung auch weiter- hin genetische Daten benötigen. Nur so kann sich das Wissen um genetische Prozesse und um den Anteil, den genetische Faktoren an der Entstehung von Krankheiten haben, weiter vermehren und praktischen Nutzen bringen. Auch diesen Bereich werden wir zu regeln haben. Unsere Eckpunkte sehen dabei vor, dass bei de Erhe- bung und Verwendung von personenbezogenen Daten ne- ben der unbedingten Erfordernis der Einwilligung und Freiwilligkeit das Forschungsvorhaben vorher durch eine Ethik-Kommission zu beurteilen ist. Ein Informationsan- spruch des Betroffenen über die für seine Gesundheit re- levanten Forschungsergebnisse soll gewährleisten, dass die Ergebnisse dieser Forschung auch dem Betroffen zu- gute kommen können. Das Gesetz wird auch Voraussetzungen für genetische Reihenuntersuchungen festlegen müssen. Diese sollen grundsätzlich nur dann vorgenommen werden dürfen, wenn mit der Untersuchung genetische Eigenschaften mit Bedeutung für eine vermeidbare oder behandelbare Er- krankung festgestellt werden. Außerdem müssen sich aus der Untersuchung Konsequenzen im gesundheitlichen In- teresse der untersuchten Person ergeben. Dies soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass den Risiken von gene- tischen Screenings, wie Stigmatisierung oder Druck zur Teilnahme, große Chancen gegenüberstehen, den Aus- bruch einer Krankheit zu verhindern oder ihren Verlauf positiv zu beeinflussen. Für ein solches Gesetz brauchen wir größtmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung; deshalb sollten wir nicht überstürzt ein Gesetzgebungsverfahren beginnen, das wir schon aus Zeitgründen in dieser Legislaturperiode nicht mehr beenden können. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Änderung der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages – Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Tagesordnungspunkt 16) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Hinter dem etwas bürokratischen Titel des Antrages, den wir hier heute be- raten, verbirgt sich ein Thema, das nicht das erste Mal das Plenum beschäftigt. Es geht um die Erweiterung der Of- fenlegungspflicht der Abgeordneteneinkünfte. Die letzte Debatte führte der Bundestag im September 1995, als im Zuge der Beratungen zur Parlamentsreform auch ein ent- sprechender Antrag der Abgeordneten Norbert Gansel und Peter Conradi sowie 150 weiterer Mitglieder des Deutschen Bundestages beraten wurde. Schon damals hatten die Initiatoren des Antrages die Nebeneinkünfte im Blick. Das Vorhaben, mehr Transparent zu schaffen, wurde aber in namentlicher Abstimmung von der Mehr- heit des Hauses abgelehnt. Die Argumente, die damals die Kollegen Conradi und Gansel dazu veranlassten, den An- trag einzubringen, sind auch sieben Jahre später noch richtig. Es geht nicht um den ,,gläsernen Abgeordneten“. Aber Wählerinnen und Wähler sollen wissen, welchen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224818 (C) (D) (A) (B) – durchaus legitimen – Interessen ihr politischer Vertreter um welchen Lohnes willen verpflichtet ist. Deshalb wollen wir mit einer Änderung der Geschäfts- ordnung erreichen, dass Angaben zu Beraterverträgen, zu gutachterlicher und publizistischer Tätigkeit, die heute nur dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen sind, veröf- fentlicht werden. Die Regelungen, die wir vorschlagen, sind ein angemessener Ausgleich zwischen dem berech- tigten Interesse der Öffentlichkeit auf Offenlegung von Interessenbeziehungen und dem Schutz der individuellen Grundrechte des einzelnen Abgeordneten. Eine solche Regelung ist lange überfällig. Schon vor 27 Jahren führte das Bundesverfassungsgericht im fünf- ten Leitsatz seines Diätenurteils aus, dass Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 ge- setzliche Vorkehrungen dagegen verlange, dass Abgeord- nete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem so genannten Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die da- nach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalte, weil von ihnen im Hinblick auf ihr Mandat erwartet wird, dass sie im Parlament die Interessen des zahlenden Un- ternehmens oder des zahlenden Verbandes vertreten und nach Möglichkeit durchsetzen. Peter Conradi wies 1995 auf diesen Leitsatz des Verfas- sungsgerichtes hin und musste feststellen, dass seither nichts geschehen sei. Das war vor sieben Jahren – und noch immer gibt es keine Regelung. Unser Antrag ist ein Anfang. Niemand in diesem Hause muss deshalb auf Beratertätig- keiten verzichten oder nicht gutachterlich tätig sein – ich meine allerdings, es wäre besser, sich solchen Abhängig- keiten nicht auszusetzen. Die Quellen der Nebeneinkünfte neben den Diäten sollen lediglich veröffentlicht werden. Damit sollen verdeckte Interessenkollisionen verhindert werden, damit soll, wie es mein Wahlkreisvorgänger Norbert Gansel 1995 in der Debatte sagte „... für Wähle- rinnen und Wähler kontrollierbar werden, ob die Abgeord- neten ihre ganze Arbeit wirklich der Volksvertretung wid- men. Wer das nicht tun kann oder will, soll wenigstens verpflichtet sein, sich seinen Wählerinnen und Wählern zu erklären.“ Aus dem gleichen Grund wollen wir die Beteili- gungen an Kapital- und Personengesellschaften in die Ver- öffentlichungspflicht einbeziehen. Das unsere Vorschläge, wie der Abgeordnete von Klaeden vor einigen Tagen der „Welt“ sagte, „unklar“ seien, kann ich nicht sehen. Klarer geht es nicht. Unklar ist mir, wie man dagegen sein kann. Lassen Sie uns heute gemeinsam diesen kleinen Schritt tun. Wenn der Wahlkampf vorbei ist und der neue Bundes- tag sich konstituiert hat, sollten wir uns dann noch einmal grundsätzlicher mit der Frage der Reform der Rechtsstel- lung der Abgeordneten beschäftigen. Der Beschluss, den wir in dieser und der kommenden Woche anstreben, ist ein erster wichtiger Schritt zu einem transparenteren Parla- ment. Christian Lange (Backnang) (SPD):Mit dem Antrag zur Änderung der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages haben wir uns zum Ziel gemacht, durch eine Ausweitung der Offenlegungspflichten außer- parlamentarische Interessenbeziehungen des einzelnen Abgeordneten parlamentsintern und für die Öffentlichkeit transparenter als bisher zu machen. Seit meiner Wahl in den Bundestag 1998 ist es mir ein ganz besonderes Anlie- gen, dafür zu sorgen, dass Abgeordnete die Tätigkeiten, die sie neben Mandat und Beruf ausüben, auch für die Öffent- lichkeit und den interessierten Bürgerinnen und Bürgern anzuzeigen haben. Bisher waren Nebentätigkeiten ledig- lich gegenüber dem Bundestagspräsidenten offenzulegen. Neu ist nun die Veröffentlichungspflicht auch im amtli- chen Handbuch des Bundestages. Somit würden diese In- formationen für jedermann zugänglich und jeder Bürger bzw. Wähler könnte sich umfassend über wirtschaftliche Einflüsse Dritter, zum Beispiel von Firmen oder Verbän- den, auf Parlamentarier informieren. Natürlich wären diese wichtigen Informationen auch im Internet abrufbar. Selbstverständlich wird bei der Ausgestaltung der Ver- haltensregeln die verfassungsrechtliche Stellung des Ab- geordneten, Art. 38 GG, und die Grundrechte, die auch für die Mitglieder des Deutschen Bundestages gelten, berück- sichtigt. Diesbezügliche Sorgen sind völlig unbegründet. Der gläserne Abgeordnete, der seine Einkommensteuerbe- scheide vorlegt ist nicht das Ziel, auch nicht aufgrund ver- fassungsrechtlicher Bedenken. Mit den Änderungen der Verhaltensregeln wird endlich ein angemessener Aus- gleich zwischen dem berechtigten Interesse der Öffent- lichkeit auf Offenlegung von Nebentätigkeiten der Mit- glieder des Deutschen Bundestages und dem Schutz der individuellen Grundrechte des einzelnen Abgeordneten – unter besonderer Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – erreicht. Die bisherige Systematik der Verhaltensregeln wird dabei beibehalten. Ich betone nochmal, dass die Änderungen nicht auf die Schaffung des „gläsernen Abgeordneten“ zielen, der seine gesamten persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Verhält- nisse offen zu legen hat. Es geht vielmehr darum, dass es für den Bürger in Zukunft transparenter ist, ob ein Abge- ordneter während seines Mandats durch Verträge über Be- ratung, Vertretung oder ähnliche Tätigkeiten gebunden ist. Auch über Tätigkeiten, die ein Abgeordneter neben dem Beruf und dem Mandat ausübt, insbesondere über gutachterliche, publizistische und Vortragstätigkeiten, wird die Öffentlichkeit eingehend informiert. Ebenso werden die Beteiligungen an Kapital oder Personenge- sellschaften dann veröffentlicht, wenn sie einen wesentli- chen wirtschaftlichen Einfluss auf das Unternehmen be- gründen. Durch die Neuregelung ist also sichergestellt, dass der Bürger über jede wirtschaftliche Einflussmög- lichkeit eines Dritten auf einen Abgeordneten zeitnah und umfassend informiert ist. Diese Idee ist übrigens nicht neu; schon Norbert Gansel und dem baden-württembergischen SPD-Abge- ordneten Peter Conradi war sie eine Herzensangelegen- heit. Leider scheiterte die gute Idee immer wieder an den Widerständen und Bedenken insbesondere bei der Union und der FDP. Ihre Einwände sind aber prinzipiell alte Hüte, die schon in früheren Debatten gebetsmühlenartig geltend gemacht wurden. Unsere Initiative enthält ja ge- rade nicht die Offenlegung der Einkommensteuerer- klärung, denn auch wir wollen, dass weiterhin Bäcker, Ärzte oder Rechtsanwälte für den Bundestag kandidieren. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24819 (C) (D) (A) (B) Diesbezügliche Kritik zeigt doch nur, dass unser Antrag nicht genau gelesen wurde. Deshalb die Unterscheidung zwischen Beruf und Nebentätigkeit. Dies ist auch nicht kompliziert, denn wir alle müssen uns daran schon heute halten. Es ist geltendes Recht. Die Neuerung ist nur, dass die Information nicht im Tresor des Bundestagspräsiden- ten verschwindet, sondern veröffentlicht wird. Bei der Bevölkerung dürfte dieser Antrag breite Zu- stimmung auslösen: Man kann endlich sehen, ob und in welcher Weise der zuständige Abgeordnete äußeren Ein- flüssen ausgesetzt ist. Ist er etwa ein verkappter Lobbyist? Vertritt er die Interessen eines Verbandes oder einer Firma? Hier wird endlich offen gelegt, was Parteienkriti- ker seit langem verlangen und was den Bürger interessiert und bei seiner Entscheidungsfindung bei Bundestagswah- len beeinflussen wird. Die Bedeutung des Antrags zeigt sich auch mal wieder an der traurigen Aktualität des Falls des CSU-Abgeord- neten Hollerith, wie erst am Montag, 24. Juni 2002, in der „Süddeutschen Zeitung“ nachzulesen war. Den CSU-Bun- destagsabgeordneten wird teuer bezahlter Lobbyismus vorgeworfen, weil er gleichzeitig als Aufsichtsrat und Be- rater bei dem Unternehmen MWG Biotech tätig war. Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat er neben seinen Einkünf- ten als Aufsichtsratsmitglied zusätzlich 204 517 Euro netto dafür erhalten, dass er dem in seinem Wahlkreis ansässi- gen Unternehmen staatliche Fördermittel und Kredite ver- mittelt hat. Wie in der heutigen Ausgabe der „Süddeut- schen Zeitung“ zu lesen war, wird Hollerith nun nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Damit wäre er von den neuen Regelungen nicht betroffen. Das ist allerdings kein sehr eleganter Weg, um das Problem zu lösen, wie ich finde. Im Übrigen kann ich mir vorstellen, dass es für alle Be- teiligten angenehmer wäre, solche Informationen ganz re- gulär vorab veröffentlicht zu sehen. Wenn solche Akti- vitäten per Zufall aufgedeckt werden, ist dies nicht nur für den Einzelnen unangenehm, sondern wirft ein schlechtes Licht auf Mandatsträger im Allgemeinen. Dass sich Union und FDP gegen eine solche Regelung wehren, ist ein Trauerspiel. Der Vorschlag der Koalition schützt Selbstständige mit Blick auf das Grundgesetz vor unziemlicher Einsicht in interne Geschäftsabläufe. Inso- fern drängt sich der Verdacht auf, dass die Opposition mit ihrer Geheimniskrämerei allein Parteipolitische Klientel- interessen vertritt. Die Wähler werden daraus ihre Schlüsse zu ziehen haben. Ich bin der Ansicht, dass sich Offenheit letztlich für alle Beteiligten auszahlen wird. Ganz bestimmt aber für einen demokratischen Parlamentarismus, der von Glaub- würdigkeit lebt. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Bemerkenswert ist, dass SPD und Grüne ihren Antrag heute, eine Woche vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause, kurz vor Ende der Wahlperiode einbringen. Das ist bemerkenswert, weil sie genau wissen, dass damit die notwendige sorgfäl- tige Behandlung im Geschäftsordnungsausschuss nicht mehr möglich ist. Sie wissen ganz genau, dass ihr Antrag in die Diskontinuität fallen wird. Zeit genug hätten sie ge- habt, schließlich haben die Fraktionen angeblich über 2 Jahre beraten. Aber sie haben offensichtlich kein Ergeb- nis gefunden, dass nach ihrer eigenen Überzeugung gut ge- nug gewesen wäre, die geltenden Verhaltensregeln zu än- dern. Sonst hätten sie den Antrag eher gestellt. Jetzt ist ausgeschlossen, dass ihre Vorschläge noch in dieser Wahl- periode beschlossen werden. Sie haben uns heute einen klassischen Schaufensterantrag vorgelegt. CDU/CSU sind der Überzeugung, dass sich die gelten- den Regeln bewährt haben. Sie beruhen auf dem Gedan- ken der Transparenz und ermöglichen ein Nebeneinander von Mandat und beruflicher Tätigkeit ohne übermäßigen Eingriff in die Privatsphäre des Abgeordneten. Transpa- renz ist ein unverzichtbares Gut. CDU/CSU bekennen sich ausdrücklich dazu. Wir stehen zu den geltenden Ver- haltensregeln, die einen umfangreichen Katalog von an- zeigepflichtigen Tatbeständen enthalten, von Tätigkeiten, die neben dem Mandat ausgeübt werden. Richtig ist, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch da- rauf hat, dass die Einkünfte der Abgeordneten, die sich unmittelbar aus der Abgeordnetentätigkeit ergeben, öf- fentlich gemacht werden. Daran gibt es keinen Zweifel. Zweifel gibt es in der Frage, wie weit wir darüber hinaus gehen sollen. Es muss auch über Nebentätigkeiten soweit berichtet werden, dass Abhängigkeiten vermieden oder zumindest bekannt werden. Eine Neuformulierung von Verhaltensregeln für Abgeordnete des Deutschen Bundes- tages verlangt aber immer eine sorgfältige und gewissen- hafte Behandlung. Schließlich sind hier wesentliche Rechtsgrundsätze tangiert; ich nenne hier als Beispiel die informationelle Selbstbestimmung und die Berufsfreiheit. Die weit gehende Veröffentlichung aller Beratungs- und Vertretungsverträge, Gutachtenerstattungen und Be- teiligungen an Kapital- und Personengesellschaften führt zu einer weit gehenden Offenlegung von beruflichen und eben auch finanziellen Details, auch wenn sie betonen, dass der gläserne Abgeordnete, der seine Einkommens- verhältnisse offenbart, gerade nicht ihr Ziel ist. Gerade die Offenlegung von so genannten Nebentätigkeiten stellt bei freiberuflich und selbstständig Tätigen einen massiven Eingriff in die Berufsfreiheit dar, weil Konkurrenten weit gehende Einblicke in deren unternehmerische Tätigkeit erhalten. Dadurch entstehen Wettbewerbsnachteile, die zu einer Unzumutbarkeit solcher Offenlegungspflichten führen können. Außerdem haben wir auch den Schutz der Grundrechte Dritter zu beachten. Diese könnten bereits dann berührt sein, wenn parlamentarische Offenlegungspflichten zu ei- nem Bekanntwerden eines – beispielsweise – geschäftli- chen Kontakts zu einem Abgeordneten führen. Aus dem Grundsatz des freien Mandats und dem Recht auf einen für alle Wahlberechtigten gleichen Zugang zum Mandat ergibt sich aber das Verbot, einzelne Berufsgrup- pen in einer Weise zu belasten, die einer faktischen Zu- gangssperre gleichkommt. Denken Sie an die Schutzwir- kung, die Beratungsverträge bei Rechtsanwälten und Steuerberatern mit sich bringen. Da kann nichts veröf- fentlicht werden und da darf nichts veröffentlicht werden. Da können Sie nicht mehr Transparenz erreichen, da sind Ihnen die Hände gebunden. An diesem Beispiel können Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224820 (C) (D) (A) (B) Sie schon erkennen, dass eine nicht gerechtfertigte Un- gleichbehandlung anderer Berufsgruppen die Folge ihrer Vorschläge wäre. Die Folge ist Scheintransparenz. Wir haben in diesem Parlament ein Defizit an Freibe- ruflern, an Handwerkern, an Mittelständlern. Wir dürfen nichts tun, was zu einer weiteren Benachteiligung dieser Berufsgruppen führt; denn ansonsten ist hier weiterhin der öffentliche Dienst überrepräsentiert. Wer aus seinem Handwerksbetrieb in die Politik wechselt, muss sich un- ter erheblichem Problemdruck um seinen Handwerksbe- trieb kümmern, um die Chance zu haben, dass dieser Be- trieb noch existiert, wenn er in sein mittelständisches Gewerbe zurückkehren muss oder zurückkehren will. Konsequenz Ihrer Vorschläge wäre eine weitere Ge- fährdung der ohnehin schon zu beamtenlastigen Zusam- mensetzung des Bundestages. Denn für viele Selbststän- dige und Freiberufler wäre Ihre Neuregelung unzumutbar. Einseitig werden diese Berufsgruppen zu einer weit ge- henden Offenlegung ihrer beruflichen und finanziellen Details gezwungen. Was wird die Folge sein? Die wach- sende Unattraktivität des Abgeordnetenmandats. Der be- reits jetzt bestehende starke Hang zum Funktionärs- und Beamtenparlament würde verstärkt. Das können auch Sie nicht wollen. Deshalb kann Ihr Antrag auch in der breiten Öffentlichkeit keine Zustimmung erfahren. Die Bürgerin- nen und Bürger müssen ein Interesse daran haben, dass sich das Parlament nicht einseitig aus Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes zusammensetzt. Der Bundestag ist auf Abgeordnete aus beratenden Berufen angewiesen. Lehrer und Gewerkschaftsfunktionäre haben wir ohnehin schon genug. Was dem Bundestag fehlt, sind Selbststän- dige, Ärzte, Ingenieure, Wirtschafts- und Steuerberater. Eine weitere Verarmung der Berufsvielfalt bei den Mit- gliedern des Bundestages muss verhindert werden. Die Damen und Herren von SPD und Grünen üben im- mer mal wieder heftige Kritik an einigen Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, die hauptamtliche Aufgaben in Verbänden übernommen haben. Erlauben Sie mir dann aber auch den Hinweis, dass diesem Parlament immer wieder hervorragende Gewerkschaftsführer angehören und angehört haben. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass diese Kollegen diesem Hause angehören. Aber ak- zeptieren Sie auch, dass Geschäftsführer und Vorsitzende von anderen Verbänden hier tätig sind und sein sollen. Die Formel, dass wir gerade keinen gläsernen Abge- ordneten wollen, muss auch bei einer Neugestaltung der Verhaltensregeln ernst genommen werden. Bereits die Kissel-Kommission, die im Jahre 1993 einen viel beach- teten Bericht zur Reform des Abgeordnetenrechts vorge- legt hat, führt aus: Der gläserne Abgeordnete garantiert weder ausrei- chenden Schutz vor Fehlverhaltensweisen, noch trägt dieses Bild dazu bei, qualifizierte Mitglieder für die Bewerbung um ein Mandat zu gewinnen. Wel- cher Selbständige oder Freiberufler könnte, ohne beruflich Schaden zu nehmen, Einkommenszahlen veröffentlichen, die seinem Konkurrenten Wettbe- werbsvorteile bringen würden. Und weiter führt der Bericht aus: Eine solche Verfahrensweise käme dem Offenba- rungseid sehr nahe und könnte nach dem Verständnis der Kommission auch nicht im Entferntesten mit der im Übrigen vom Bürger zu Recht eingeforderten Transparenz von Abhängigkeiten und wirtschaft- lichen Verbindungen begründet werden. Die Veröf- fentlichungen im Handbuch des Bundestages erfül- len den angestrebten Zweck. Die geltenden Regeln sind nach meiner Überzeugung geeignet, das etwas komplizierte Nebeneinander von Rechten und Pflichten aus dem Mandat und gleichzeitig von vielen, nicht von allen, ausgeübten beruflichen Tätig- keiten zu ermöglichen und transparent zu gestalten. Ich möchte dazu aus der Frankfurter Allgemeinen Zei- tung vom 8. Februar 2000 einen Beitrag von Professor Dr. Naßmacher, einem Politologen aus Oldenburg und, nebenbei bemerkt, SPD-Mitglied, zitieren. Er hat sich mit den amerikanischen Verhältnissen beschäftigt, die ja eine Veröffentlichung der Steuerverhältnisse des einzelnen Abgeordneten vorsehen. Ich zitiere: Bereits in den Vereinigten Staaten kann und will nie- mand die offen gelegten Beträge gründlich analysie- ren. Der vielstimmige Chor der öffentlichen Infor- mationen erzeugt keine Musik mehr, sondern nur noch Geräusch. Wer sich außerhalb des Gesetzestex- tes mit der Rolle des Geldes in der Politik dieser Län- der beschäftigt, wird zunächst auf eine Kette von Korruptionsskandalen und eine Fülle von Umge- hungsmöglichkeiten stoßen. Sie alle machen deut- lich, dass durch „symbolische Politik“ der politische Einfluss des Geldes nur scheinbar gezähmt wurde. Auch Ihrem Vorschlag, die Wertgrenze für Gastge- schenke anzuheben, kann ich nicht zustimmen. Sie wol- len die Wertgrenze fast verdoppeln. Das würde in der Öf- fentlichkeit nicht verstanden werden. Er passt auch nicht in diese Zeit. Mit welcher Scheinheiligkeit Sie arbeiten, wird durch Folgendes deutlich: Bereits zum Ende der letzten Wahlpe- riode haben Sie eine Initiative zur Änderung der Verhal- tensregeln für Abgeordnete gestartet. Aus guten Gründen hatte die Mehrheit des Deutschen Bundestages damals die- sen aus unserer Sicht verfassungsrechtlich zweifelhaften Antrag abgelehnt. Sie haben in der Debatte im Februar 1998 in Bezug auf die Offenlegung von Nebeneinkünften einen erheblichen Reformbedarf gesehen. Sie haben sogar angekündigt, die Diskussion weiterführen zu wollen. Doch vier Jahre haben wir hierzu von Ihnen nichts ver- nommen. Wie beim Volksabstimmungsgesetz wollen Sie mit Schaufensteranträgen doch nur im letzten Moment Ihre Klientel beruhigen, wo Sie doch wissen, dass dieser Antrag keine Aussicht mehr hat, im Parlament verabschie- det zu werden. Ich zitiere wörtlich aus der damaligen Rede des Abgeordneten Wilhelm Schmidt, Salzgitter: ... wir hatten sehr schnell den Eindruck, dass sie – ge- meint ist die Koalition von CDU/CSU und FDP– von vornherein die Absicht haben, die Überprüfung der Verhaltensregeln zu verschleppen und zu blockieren. Das spricht – vier Jahre später – für sich. Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir alle wissen: Das Amt eines Abgeordneten ist schwer. Oft arbeiten wir von morgens bis spät in die Nacht. Und wenn Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24821 (C) (D) (A) (B) für andere Leute das Wochenende kommt, geht es bei uns erst richtig los: Sitzungen, Parteiveranstaltungen, Tagun- gen und Kongresse, bei denen die Mitwirkung des zu- ständigen Abgeordneten erwartet wird. Freizeit bleibt für die meisten von uns kaum über. Trotzdem ist es auch ein schönes Amt. Es erlaubt ein Maß an Freiheit, Verantwor- tung und Mitgestaltung, das weit über das fast aller ande- ren Berufe hinausgeht. Wäre es nicht so, würden sich wohl kaum die meisten von uns bei den bevorstehenden Wahlen um ein Mandat bewerben. Aber es gibt schwarze Schafe. Als Helmut Kohl Bun- deskanzler war, haben namhafte Politiker der Union sich von Personen bzw. Unternehmen Geld geben lassen, die gleichzeitig Gegenstand ihrer politischen Entscheidungen waren. Ähnliches ist gerade auch in der nordrhein-west- fälischen SPD passiert. Solche Vorgänge schaden der Politik und den Politi- kern, sie schaden dem Gemeinwesen. Es liegt daher im In- teresse unserer Demokratie, dort, wo politische Macht gegeben ist, größtmögliche Transparenz herzustellen. Wir wollen damit bei uns selbst anfangen. Abgeordnete sind Volksvertreter und sollten das nie vergessen. Wer einen Abgeordneten wählt, erwartet zu Recht, dass dieser in Re- den und Abstimmungen vor allem die Interessen seines Volkes, der Bürgerinnen und Bürger – und nicht die eige- nen Interessen oder die unbekannter Auftraggeber – im Auge hat. Deshalb gilt: Die Bürgerinnen und Bürger ha- ben ein Recht, zu erfahren, in welcher Weise ein Abge- ordneter äußeren Einflüssen ausgesetzt ist. Deshalb soll zukünftig transparent werden, „ob ein Ab- geordneter während seines Mandats durch Verträge über Beratung, Vertretung und ähnliche Tätigkeiten gebunden ist“. Darauf zielt unser heutiger Antrag. Diese Reform unserer Verhaltensregeln ist deshalb so wichtig, weil das Vertrauen in die Politik in den letzten Jahren erschüttert worden ist. Affären und Skandale von Politikern haben nicht nur die jeweiligen Parteien sondern auch das Vertrauen in die gesamte Politik schwer belastet. Deshalb sind wir auch alle gemeinsam in der Pflicht, An- strengungen zu unternehmen, dieses Vertrauen wieder zu stärken. Hierzu ist dieser Antrag ein wichtiger Schritt. Die Idee geht auf eine Initiative von Bündnis 90/Die Grünen zurück. Bereits in meiner ersten, der 11. Legisla- turperiode, habe ich entsprechende Anträge gestellt. In der 13. Legislaturperiode haben wir dann den zweiten Anlauf unternommen. Auch damals scheiterten unsere Anträge für mehr Transparenz und eine Offenlegung von Nebenein- künften noch an der Mehrheit der damaligen Koalition, die Verdächtigungen und den schlechten Eindruck in der Öf- fentlichkeit noch eher hinnehmen wollte als Öffentlichkeit und Transparenz. Ob zwischen dieser Ablehnung und der Tatsache, dass sich die eklatantesten Fälle von Nebenein- künften, die schließlich alle Abgeordneten – meist zu Un- recht – in ein schlechtes Licht stellten in den Reihen der damaligen Koalition befanden, ein Zusammenhang be- steht, weiß ich nicht zu sagen. Eines aber will ich deutlich sagen: Wenn sich jemand als Abgeordneter wählen lässt und anschließend für ein Gehalt oder Honorar, das seine Abgeordnetendiäten um ein Mehrfaches übersteigt, zum Beispiel bei einem Industrieverband annimmt dessen Ge- schicke er durch seine Abstimmungen im Bundestag ent- scheidend beeinflussen kann, können sich daran schon Zweifel an seine Unabhängigkeit knüpfen. Die Wähler haben, wenn sich schon so etwas nicht ver- bieten lässt, zumindest ein Recht darauf, über solche In- teressenverflechtungen Bescheid zu wissen. Sie werden dann hoffentlich ihre Schlüsse daraus ziehen. Nun haben sich die Mehrheitsverhältnisse geändert. Wir Grünen sind, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, fest ent- schlossen, für mehr Demokratie und mehr Transparenz in unserem Land zu sorgen. Unsere Entscheidung, Loya- litäts- und Interessenkonflikte von Bundestagsabgeordne- ten offen zu legen, ist ein weiterer wichtiger Beitrag hierzu. Es ist zugleich ein Antrag mit Augenmaß. Natür- lich haben wir die Privatsphäre und die Persönlichkeits- rechte der Abgeordneten hinreichend berücksichtigt. Un- ser Antrag wird auch nicht – wie der von mir sonst sehr geschätzte Kollege von Klaeden behauptet – zu einer „Verarmung der Berufsvielfalt“ des Bundestages führen. Denn die Beratungsverträge, die etwa ein Rechtsanwalt in Ausübung seines angezeigten Berufes schließt, sind von der Veröffentlichungspflicht eindeutig ausgenommen. Es geht hier lediglich um Nebentätigkeiten, um Beratung- stätigkeit, Gutachterverträge und publizistische Tätigkeit, die ein Abgeordneter neben seinem Beruf ausübt. Im Übrigen: Wer sich so verhält, dass er Interessenkol- lisionen konsequent vermeidet, braucht die Veröffentli- chung von eventuell neben dem Mandat bestehenden Ein- künften, Honoraren etc. keineswegs zu fürchten. Was aber durch die Neuregelung transparent werden wird, sind In- teressenverflechtungen, die mit der notwendigen Unab- hängigkeit eines Bundestagsabgeordneten unvereinbar sind. Und das ist auch gut so. Es ist richtig, dass diese In- formation künftig nicht nur im Safe des Bundestagspräsi- denten liegt, sondern dass Bürgerinnen und Bürgern und Journalisten sich darüber künftig im Amtlichen Handbuch informieren können. Die Kollegen, die bislang unserem Antrag kritisch gegenüberstehen, sollten bedenken: Mehr Offenheit ist doch im ureigensten Interesse eines jeden Abgeordneten, da dies auch helfen wird, ungerechtfertigte Verdächtigungen und Vorurteile zu widerlegen. Der Antrag verlangt auch, dass künftig die Beteiligung eines Abgeordneten an Unternehmen offen gelegt werden muss, wenn diese ein solches Ausmaß erreicht, dass damit ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf das Unter- nehmen begründet wird. Auch diese Regelung ist wichtig und richtig. Hier mehr Offenheit zu schaffen, schadet niemanden. Wir müssen uns als Bundestagsabgeordnete immer darü- ber im Klaren sein, was eigentlich im Kern unsere Auf- gabe ist. Die von uns selbst festgesetzten Bezüge sollen auch wirtschaftlich die Unabhängigkeit jedes einzelnen Abgeordneten sichern. Diese besondere Stellung der Bun- destagsabgeordneten ist auch nötig, damit wir unsere Ar- beit im Parlament so ausüben können, wie es Artikel 38 des Grundgesetzes vorsieht: „ ... an Aufträge und Weisun- gen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterwor- fen.“ Daraus folgt aber auch, dass es bei der Offenlegung von Nebeneinkünften um mehr geht als um eine in unser Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224822 (C) (D) (A) (B) politisches Belieben gestellte Entscheidung. Es geht mei- nes Erachtens vielmehr um Pflichten; die sich zwingend aus unseren ganz besonderen und beileibe nicht unbedeu- tenden Rechten ergeben. Das folgt übrigens auch schon aus dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975: Die besondere Stellung der Abgeordneten verlangt ...gesetzliche Vorkehrungen dagegen, dass Abgeord- nete Bezüge aus einem Angestelltenverhältnis, aus einem so genannten Beratervertrag oder ähnlichem, ohne die danach geschuldeten Dienste zu leisten, nur deshalb erhalten, weil im Hinblick auf ihr Mandat er- wartet wird, sie würden im Parlament die Interessen des zahlenden Arbeitgebers, Unternehmers oder der zahlenden Großorganisation vertreten und nach Möglichkeit durchzusetzen versuchen. Einkünfte dieser Art sind mit dem unabhängigen Sta- tus der Abgeordneten und ihrem Anspruch auf gleichmäßige finanzielle Ausstattung in ihrem Man- dat unvereinbar. Zu Recht beobachten die Bürgerinnen und Bürger auf- merksam, ob und wie wir solche verfassungsrechtlich ge- forderten Anforderungen umsetzen. Mit dem heutigen Antrag tun wir einen weiteren, wich- tigen Schritt zur Stärkung der Demokratie, der Transpa- renz und damit auch des Vertrauens der Öffentlichkeit in ihre Vertreter und Institutionen. Denn solange wir eine fast ausschließlich repräsentative Demokratie haben ist es nötig, dass die Bürger ihren Abgeordneten vertrauen kön- nen. Ich bin stolz – da dies meine letzte Rede im Deut- schen Bundestag sein wird – so viel und so gut ich konnte daran mitgewirkt zu haben, dass dieses Vertrauen und vor allem auch, dass die Demokratie gestärkt und in der Rich- tung auf mehr Transparenz und eine Stärkung der Bürger- beteiligung weiterentwickelt wird. Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne noch deutlich mehr erreicht und durchgesetzt hätte. Ein Blick in das von mir schon in der vergangenen Legislaturperiode vorge- legte „Große Demokratiepaket“ macht dies deutlich. Aber Politik ist mühsam und bewegt sich, gerade in solchen Fragen, nur in kleinen Schritten. Durch Beharrlichkeit, Überzeugungskraft und klare, nie vernachlässigte Ziele haben wir nun aber doch einige wichtige Schritte ge- schafft. Ich hoffe, dass noch weitere gemacht werden. Lassen Sie mich eines zum Schluss noch sagen: Es ist mir nicht möglich, über dieses Thema zu reden, ohne an Kristin Heyne zu erinnern. Sie, die so warmherzige, kluge, bescheidene und unbestechliche Kollegin, die bis vor kurzem noch unsere Parlamentarische Geschäftsfüh- rerin war und dann so furchtbar früh gestorben ist, hat ganz entscheidend zum Zustandekommen dieses Antra- ges beigetragen. Jörg van Essen (FDP): Der Bundestag hat mit den Verhaltensregeln für seine Mitglieder bislang gute Erfah- rungen gemacht. Die dort vorgesehenen Offenlegungs- pflichten sind notwendig und dienen der Transparenz. Weiteren Reformbedarf sehen wir in diesem Bereich nicht. Für die FDP besteht daher auch keinerlei Notwen- digkeit, die Verhaltensregeln zu ändern in dem Sinne, wie der uns heute vorliegende Antrag von Rot-Grün dies vor- sieht. In der Begründung zu dem Antrag heißt es, die vor- gesehenen Änderungen zielten nicht auf den „gläsernen Abgeordneten“ ab, der seine gesamten persönlichen, be- ruflichen und wirtschaftlichen Verhältnisse offen zu legen habe. Aber gerade dies will der Antrag. Der Abgeordnete, der neben der Ausübung seines Mandats noch einer frei- beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Steuerberater nachgeht, muss seine Mandantenverhältnisse offen legen. Dass dies mit allen berufsstandesrechtlichen Grundsätzen kollidiert, interessiert Rot-Grün offensichtlich wenig. Wenn wir uns die Zusammensetzung des Bundestages im Hinblick auf die Berufsorientierung ansehen, werden wir feststellen, dass die Vertreter der freien Berufe nicht gerade überrepräsentiert sind. Wir müssen aber ein Inte- resse daran haben, dass auch die Vertreter der freien Be- rufe ihr politisches Engagement durch eine Mitglied- schaft im Deutschen Bundestag zum Ausdruck bringen. Durch eine derartige Änderung der Verhaltensregeln wird es uns aber nicht gelingen. Im Gegenteil: Eine Offenle- gung von persönlichen und beruflichen Verhältnissen in diesem Umfang wird jeden Freiberufler von einer Tätig- keit im Bundestag abhalten. Der Antrag ist wieder ein ty- pisches Beispiel für „gut gemeint“. So lässt sich aber keine Politik machen. Der Antrag ist praxisuntauglich und daher kein geeigneter Beitrag zur Reform des Parla- mentsrechts. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Die Erweiterung der zu veröffentlichenden Angaben von Abgeordneten über Ne- bentätigkeiten, zusätzliche Einkünfte und Abhängigkei- ten hätte, wenn es ehrlich gewollt ist, zu Beginn und nicht erst am Ende der Wahlperiode erfolgen können. Ausge- rechnet der Gesetzgeber braucht für die Umstellung von der D-Mark auf den Euro in seinen eigenen Regelungen Monate. Inhaltlich ist an den vorgeschlagenen Änderungen nichts falsch, auch wenn ich anmerken möchte, dass die wirklichen in diesem Zusammenhang stehenden Pro- bleme mit diesen Änderungen der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete nicht gelöst werden. Bundestagsabgeordnete haben nach 48 Art. GG An- spruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit si- chernde Entschädigung. Was darunter zu verstehen ist, wissen wir spätestens seit dem so genannten Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. November 1975. Unsere angemessene Entschädigung ist demnach eine „Vollalimentation aus der Staatskasse“. Wenn die Infor- mationen über die Arbeit der Bundestagsabgeordneten in den vom Bundestag herausgegeben Broschüren und wei- teren Publikationen stimmen, besteht diese „Vollalimen- tation“ angesichts des Fulltimejobs mit teilweise bis zu 14 Stunden Arbeitszeit am Tag zu Recht. Unverständlich ist deswegen, warum Bundestagsabgeordnete in größerem Umfang in zahlreichen Aufsichtsräten sitzen oder anderen profitablen Nebentätigkeiten nachgehen können. Die Abhängigkeiten von der Wirtschaft und Verbänden sowie die Empfänglichkeit für Spenden sind und bleiben ein Problem. Zu Recht vermerkte „Der Spiegel“ im April dieses Jahres, dass bei Korruption für Abgeordnete bis Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24823 (C) (D) (A) (B) heute Sonderregeln gelten, die dafür sorgen, dass Parla- mentarier bislang noch nie wegen Bestechlichkeit verur- teilt wurden. Diesbezügliche Vorschläge der PDS-Bun- destagsfraktion hat dieses Haus in großer Einmütigkeit abgelehnt. Auch die Veröffentlichung der Höhe der Ein- künfte von Bundestagsabgeordneten sollte künftig zu un- seren Verhaltensregeln gehören. Die Koalitionsfraktionen empfehlen dem Bundestags- präsidenten, bei der Änderung der Ausführungsbestim- mungen die anzeigungspflichtigen Beträge durch Neben- tätigkeiten im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung „behutsam“ von 5 000 DM auf 3 000 Euro im Monat bzw. 30 000 DM auf 18 000 Euro im Jahr anzuheben. Alles, was darunter liegt, braucht ein Abgeordneter nicht beim Bundestagspräsidenten anzuzeigen, geschweige denn öf- fentlich zu machen. Ich halte dieses Ansinnen für falsch und empfehle dem Bundestagspräsidenten deshalb, die anzeigenpflichtige Höhe von Nebeneinkünften deutlich abzusenken. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Fi- nanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2000 – Vorlage der Haushaltsrech- nung und Vermögensrechnung des Bundes (Jah- resrechnung 2000) – zu der Unterrichtung durch den Bundesrech- nungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungsho- fes 2001 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Feststellung zur Jahresrech- nung des Bundes 2000) (Tagesordnungspunkt 17) Josef Hollerith (CDU/CSU/): Es ist nicht nur eine gute Übung, sondern mir ein besonderes Anliegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesrechnungs- hofes für die hervorragende Unterstützung unserer Arbeit im Rechnungsprüfungsausschuss herzlich zu danken. Der Bundesrechnungshof arbeitet gewissenhaft, zuverlässig und allein im Interesse der Sache. Da diese Controlling- arbeit im Ergebnis zur Vermeidung von Ausgaben führt und zur Aufdeckung von Fehlleistungen der Verwaltung und überhöhter bzw. nicht vereinnahmter Einnahmen bei den Steuern – zum Beispiel Umsatzsteuerbetrug – führt, ist künftig zu überlegen, inwieweit der Bundesrechnungs- hof von den generellen Personalkürzungen ausgenommen werden soll. Ich bin der Meinung, dass dieses Personal im Ergebnis mehr Geld einbringt, als es kostet. Insoweit plä- diere ich, den Bundesrechnungshof bei den generellen Stellenkürzungen künftig auszunehmen. Mein besonderer Dank gilt unserer Ausschussvorsit- zenden Uta Titze-Stecher, die mit hoher menschlicher Kompetenz, Umsicht und Leitungsqualität den Rech- nungsprüfungsausschuss als Vorsitzende geführt hat. Da sie mit dieser Wahlperiode ihre Arbeit im Deutschen Bun- destag beenden wird, wünsche ich ihr für ihren weiteren Lebensweg vor allem viel Gesundheit und alles Gute. Mein Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen, die als Mitglieder im Rechnungsprüfungsausschuss tätig wa- ren. Die Zusammenarbeit war stets kollegial, offen und sachlich. Bezeichnenderweise hat auch der Rechnungs- prüfungsausschuss in 99 Prozent der Fälle einstimmig ab- gestimmt. Dies ist auch richtig, weil ein solches Verhalten die gemeinsame Absicht aller Fraktionen ihre Controlling- aufgabe ernst zu nehmen, dokumentiert. Mein besonderer Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats, die uns bei unserer Arbeit vorbild- lich unterstützt haben. Die Beschlussempfehlung lautet, der Bundesregierung nach Art. 114 GG in Verbindung mit § 114 der Bundes- haushaltsverordnung die Entlastung für das Haushaltsjahr 2000 zu erteilen. Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, bei der Aufstellung und Ausführung der Bun- deshaushaltspläne die Feststellungen des Haushaltsaus- schusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu befolgen, Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaft- lichkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Ausschusses einzuleiten und die Berichtspflichten fristge- recht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Er- gebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Dabei umfasst diese Aufforderung die Drucksache der Be- schlussempfehlung und den Bericht des Haushaltsaus- schusses mit insgesamt 102 DIN-A-4-Seiten. Dies ist ein beachtlicher Umfang von Rügen und Aufforderungen, de- ren Umsetzung die Bundesregierung durch Ausschussbe- schluss und Beschluss des Hauses verpflichtet. In den folgenden Ausführungen möchte ich ihre Auf- merksamkeit auf die Probleme für den Bundeshaushalt aufgrund der Zahlungspflichten für die Postbeamtenver- sorgungskasse richten. Der dramatische Kursverfall der T-Aktie, die gegenüber ihrem Höchststand fast 90 Prozent ihres Kurswertes verloren hat, führt schon 2002 und 2003 im Bundeshaushalt zu Finanzierungsproblemen für die Postbeamtenversorgungskasse. Langfristig sind diese Lasten des Bundes – auf diesem Kursniveau – aus den An- teilen des Bundes an den Postnachfolgeunternehmen nur noch zu Bruchteilen finanzierbar. Die falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung, die für Deutschlands Wirtschaftsschwäche verantwortlich ist, muss dringend korrigiert werden, um die sich hier ab- zeichnenden massiven zusätzlichen Belastungen der Steuerzahler zurückzuführen. Vor mehr als einem Jahr hat sich Finanzminister Eichel seine Taschen mit den Erlösen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von 51 Milliarden Euro prall gefüllt. Mitgeboten hatte auch die Telekom, die heute ihre drastischen Verluste auch mit den hohen Aufwendungen für die UMTS-Lizenzen be- gründet. Nicht anders geht es den anderen Bietern von da- mals. Mittlerweile herrscht die Meinung vor, dass die UMTS-Technik die Kosten ihrer Einführung niemals wird erwirtschaften können. Man erinnert sich: Der Kurs der Telekom-Aktie stieg, Millionen von Kleinaktionären zeichneten die Papiere. Eichel hat erst aus dem Verkauf von Telekom-Aktien und dann über die „Konsumsteuer“ UMTS nochmals kräftig kassiert. Nicht vergessen werden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224824 (C) (D) (A) (B) darf, dass es Eichel war, der die Freistellung der Post von der Umsatzsteuer in Höhe von fast 1 Milliarde Euro be- schlossen hatte und selbst durch die Privatisierung hieraus kassiert hat. Mittlerweile macht sich bei den Aktionären von Telekom und Post, unter ihren Millionen von Kleinaktionären, Katerstimmung breit. Die Kurse beider Postnachfolgeunternehmen sind im Keller. Entsprechend dem 1995 verabschiedeten Postperso- nalrechtsgesetz, das die Postreform begleitete, muss der Bund die jederzeitige Auszahlungsverpflichtung der drei Postnachfolgeunternehmen Telekom AG, Post AG, Post- bank AG über die gegründete Postbeamtenversorgungs- kasse gewährleisten. Nach einem versicherungsmathematischen Gutachten von November 2000 bedeuten die Zahlungsverpflichtun- gen dieser Postbeamtenversorgungskasse in den Jahren 2001 bis 2090 für den Bund einen Barwert von rund 150 Milliarden Euro Anfang 2001. Diesen Ausgabever- pflichtungen des Bundes stehen bei den derzeitig niedrigen Aktienkursen von Telekom und Post Vermögenswerte des Bundes in Höhe von lediglich knapp 34 Milliarden Euro gegenüber, mithin eine Unterdeckung von 116 Milliarden Euro, ein gewaltiges Haushaltsrisiko für künftige Jahre. Für das laufende Haushaltsjahr 2002 mag Eichel noch mit einem „blauen Auge“ davonkommen. Die Ausgaben für die Postbeamtenversorgungskasse in Höhe von 5,4 Milliarden Euro kann er durch den Rückgriff aus dem beim „Treuhandvermögen Bundesanstalt für Post und Te- lekommunikation“ noch vorhandenen Mitteln in Höhe von rund 5 Milliarden Euro finanzieren. Probleme dürfte es geben, die im Bundeshaushalt 2002 mit weiteren 2,8 Milliarden Euro – 2001: 3,7 Milliarden Euro – einge- stellten Privatisierungserlöse zur allgemeinen Haushalts- finanzierung zu realisieren. Auch hier sind Verkäufe von weiteren Telekom- und Post-Aktien vorgesehen. In Anbe- tracht der niedrigen Kurse würde ein Marktverkauf die Kurse weiter belasten und neuerliche Platzhalterlösungen bei der Kfw kämen einer Verschleuderung von Vermö- genswerten gleich. Ohnehin hat die Kfw gewaltige Mittel durch diese Platzhalterlösungen gebunden und damit ste- hen dem eigentlichen Gegenstand des Unternehmens, der Förderung der deutschen Wirtschaft – insbesondere des Mittelstandes – , entsprechend weniger Mittel zur Verfü- gung, da die Bank ihre Anteile nur im Einvernehmen mit dem Bund verkaufen darf. Wie man es auch dreht und wendet: Eichel hat mit sei- ner Finanzpolitik mit dazu beigetragen, dass die Mittel für die Finanzierung der Postbeamtenversorgungskasse er- schöpft sind und künftigen Bundeshaushalten gewaltige Finanzierungsprobleme hierdurch entstehen. Insbeson- dere der dramatische Kursverfall der Telekom-Aktie ist eine schwere Erblast, die Eichel bei seinem Abgang nach dem 22. September 2002 hinterlässt. Für mich endet mit dieser Rede die Arbeit im Deut- schen Bundestag. Ich blicke dabei auf zwölf erfolgreiche Jahre Arbeit als Bundestagsabgeordneter zurück. Ich freue mich, dass ich den Menschen im Lande dienen konnte, viel für den Wahlkreis bewegt habe und meine Handschrift einige Gesetze wie zum Beispiel das Bauge- setz mitgeprägt hat. Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Jahresabschluss 2000 zeigt, dass wir in diesem Jahr die Wende zu einer soliden und nachhaltigen Haushaltspolitik vollzogen haben. Im Rahmen unseres Zukunftsprogramms 2000 wurde trotz des massiven Gegenwinds das angepeilte Sparvolumen von 30 Milliarden DM fast punktgenau er- reicht. Die Neuverschuldung wurde auf 46,5 Milliarden DM reduziert. Das sind 3,0 Milliarden DM weniger als veranschlagt und 9,9 Milliarde DM weniger als 1998. Gleichzeitig unterschreitet die Neuverschuldung die Investitionsausgaben von 55 Milliarden DM um 8,5 Milli- arden DM. Damit liegt sie deutlich unter der verfassungs- rechtlichen Verschuldungsobergrenze des Artikel 115 GG. In 1998 lag der Abstand nur bei 0,7 Milliarden DM und in den zwei Jahren zuvor war die Neuverschuldung sogar höher als die Investitionsausgaben: 1996 um 17,3 Milliar- den DM und 1997 um 7,3 Milliarden DM. Der erfolgreiche Jahresabschluss 2000 resultiert vor al- lem aus der strikten Haushaltsdisziplin der rot-grünen Bundesregierung. Die Gesamtausgaben liegen mit 478 Mil- liarden DM um 0,8 Milliarden DM unter dem veran- schlagten Soll. Mit strikter Ausgabendisziplin konnten nicht nur der vorgegebene Ausgabenrahmen unterschrit- ten, sondern auch erhebliche zusätzliche Mehr-Belastun- gen aufgefangen werden. So wurden Ausgaben für die Zwangsarbeiterstiftung von 4,6 Milliarden DM, das Wohngeld von 1,5 Milliarden DM und die Heizkosten- pauschale von 1,1 Milliarden DM kompensiert. Auch bei der Einnahmenstruktur konnten weitere Verbesserungen erreicht werden. Während 1998 noch Privatisierungser- löse von 19,8 Milliarden DM zur Deckung laufender Aus- gaben benötigt wurden, wurden hierfür in 2000 nur noch 3,7 Milliarden DM eingesetzt. Neben der konsequenten Umsetzung unseres Zukunfts- programms war in 2000 die größte finanzpolitische Leis- tung die Verwendung des Versteigerungserlöses bei den UMTS-Lizenzen. Statt diese Einmaleinnahmen von fast 100 Milliarden DM für zusätzliche Maßnahmen zu ver- wenden sind wir unserem Leitbild einer nachhaltigen Haushaltspolitik treu geblieben. Die Mittel wurden in vollem Umfang zur Tilgung alter Schulden eingesetzt. Damit haben wir nicht nur eine dauerhafte Entlastung bei den Zinsausgaben erzielt, sondern unsere Verlässlichkeit in der Finanzpolitik bewiesen. Unsere Politik der strikten Haushaltsdisziplin hat sich bewährt. Die von uns vorgelegte Finanzplanung bis 2006 dokumentiert, dass wir auch in der neuen Legislaturperiode an unserem Konsolidierungskurs konsequent festhalten werden. Dieser Kurs ist die Basis für unser Ziel, im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Demge- genüber zeigen die völlig unseriösen Wahlversprechen der Opposition, dass sie an das Jahr 1998 anknüpfen wollen und wieder mit dem Schuldenwahn beginnen wollen. Jürgen Koppelin (FDP): Ich spreche der Vorsitzen- den des Rechnungsprüfungsausschusses, der Kollegin Uta Tietze-Stecher, meinen Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit aus. Dieser Dank gilt selbstverständlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rech- nungsprüfungsausschusses und den Mitgliedern des Bun- desrechnungshofes. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24825 (C) (D) (A) (B) Zur Debatte steht heute der Antrag des Bundesministe- riums der Finanzen zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2000. Innerhalb der mir zur Verfü- gung stehenden Zeit von dreieinhalb Minuten kann si- cherlich nicht alles gesagt werden, was von Relevanz für diesen Haushalt wäre. Daher werde ich mich nur auf ei- nige wesentliche Punkte konzentrieren. Im Haushaltsgesetz 2000 vom 28. Dezember 1999 wurden die Einnahmen und Ausgaben des Bundes auf 478,8 Milliarden DM festgestellt und das Bundesministe- rium der Finanzen zu einer Nettokreditaufnahme bis zur Höhe von 49,5 Milliarden DM ermächtigt. Im Haushaltsvollzug lagen die Einnahmen ohne Münz- einnahmen und Einnahmen aus der Aufnahme von Kredi- ten um rund 2,1 Milliarden DM über dem veranschlagten Soll. Die Ausgaben waren mit 478 Milliarden DM rund 0,8 Milliarden unter dem Ausgabesoll. Auffällig ist, dass das Haushaltsjahr 2000 mit Steuer- einnahmen in Höhe von rund 389 Milliarden DM abge- schlossen hat. Diese sind historisch betrachtet die höchs- ten Steuereinnahmen in der Geschichte Deutschlands. Sie lagen im Vollzug um gut 1,3 Milliarden DM über dem ver- anschlagten Soll. Verglichen mit dem Vorjahr betrug der Zuwachs bei den Steuereinnahmen insgesamt 12,4 Milli- arden DM; dies entspricht einem Plus von 3,3 Prozent. Ursächlich dafür waren die stärkere Besteuerung des Energieverbrauchs durch die Erhöhung der Mineralöl- steuer und Stromsteuer – Ökosteuer – und das höhere Auf- kommen der veranlagten Einkommensteuer wegen hoher Nachzahlungen für vergangene Veranlagungszeiträume und hohe Vorauszahlungen. Die Gesamtausgaben erführen gegenüber dem Vorjahr eine leichte Reduzierung um 1 Prozent auf 478 Milliarden DM. Dabei verharrte der Anteil der konsumptiven Ausga- ben mit 88,5 Prozent bzw. 423 Milliarden DM auf weiter- hin hohem Niveau. Den größten Anteil davon belegten die Sozialausgaben – darunter die Sozialversicherungen, Renten und Unterstützungsleistungen – sowie Zinsausga- ben. Sie erreichten zusammen 260,5 Milliarden DM oder 61,6 Prozent der konsumptiven Ausgaben. Auffällig ist der Anteil der investiven Ausgaben an den Gesamtausgaben. Im Haushaltsvollzug erab sich eine Re- duzierung der investiven Ausgaben um 2,5 Milliarden DM auf 55 Milliarden DM. Dies entspricht einer Investi- tionsquote von 11,5 Prozent und bedeutet eine weitere Absenkung im Vergleich zu den Vorjahren. Dabei ist vor allem die Reduzierung der Sachinvestitionen, also bei- spielsweise der Baumaßnahmen, von 13,9 Milliarden auf 13,2 Milliarden DM bedeutsam. Hinzuweisen wäre bei den Ausgaben auf die Leistungen des Bundes zur Zahlung eines einmaligen Heizkos- tenzuschusses. Die Ursache war eine von der Bundesregie- rung zu verantwortende Verteuerung der Energiekosten. Mit 1,1 Milliarden DM hat die Bundesregierung seinerzeit ein Winterhilfepaket geschnürt. Zu Mehraufwendungen kam es bei der Arbeitslosenhilfe in Höhe von 3,5 Milliar- den DM. Diese Unterveranschlagung wird, vergleicht man die letzten Haushaltsjahre, regelmäßig durch die rot-grüne Bundesregierung praktiziert und verkommt mehr und mehr zu einer Unsitte bei der Haushaltsaufstellung. Allerdings möchte ich nicht erneut eine Generaldebatte über den Haushalt 2000 führen. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2001 zur Haushalts- und Wirt- schaftsführung des Bundes sind die Grundlage für die Entlastung der Bundesregierung durch den Bundestag im Haushaltskreislauf. Insofern haben die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes eine große Wirkung, da sie fi- nanzwirtschaftlich bedeutsam sind und die Kritik mit konkreten Verbesserungen und Vorschlägen verbunden wird. Allein mit 66 Bemerkungen des BRH hat sich der Rechnungsprüfungsausschuss befassen müssen. Fast alle Ressorts waren betroffen. Dies zeigt auch, dass es im Ver- waltungsbereich und innerhalb der Bundesministerien noch viele Unzulänglichkeiten gibt und hier weiterhin ein großes Einsparpotenzial besteht. Daher ist dem Bundes- rechnungshof Dank zu sagen für seine Anstrengungen so- wie für seine Vorschläge und Anregungen. Heidemarie Ehlert (PDS): In diesem Jahr ist es ge- lungen, die Haushaltsrechnung des Bundes für das Jahr 2000 ziemlich zeitgleich mit den Bemerkungen des Bun- desrechnungshofes in den jeweiligen Ausschüssen einzu- reichen und zu behandeln. Das ist gut so; denn nur im Ver- gleich beider Dokumente können die Erfolge und die Beanstandungen hier und heute behandelt werden. Vorab möchte ich für die PDS die Zustimmung zur Ent- lastung signalisieren, obwohl der BRH sehr kritische An- merkungen zur Erstellung der Haushaltsrechnung im All- gemeinen und auch zu den einzelnen Ministerien im Besonderen ausgewiesen hat. Unsere Kritik bezieht sich auf folgende Schwerpunkte: Erstens. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Bundesregierung eine fehlerhafte Jahreshaushaltsrech- nung vorgelegt hatte, die widersprüchliche, unzutreffende oder unklare Angaben enthielt. Meines Erachtens hat es eine solche Feststellung noch nie gegeben, dass der Bun- desrechnungshof die vorgelegte Jahresrechnung korrigie- ren musste. Zweitens. Immer wieder fordert der BRH die Verwal- tung auf, mit den Haushaltsmitteln sparsam und effektiv umzugehen. Aber noch immer werden Haushaltsmittel in Größenordnungen verschwendet; ich denke dabei an die Ministerien und Ämter wie das Auswärtige Amt, den BGS, das Innenministerium, das Verteidigungsministe- rium und den IT-Bereich. Das wird vor allem immer von der Opposition, aber auch von Mitgliedern der Regie- rungsfraktionen kritisiert. Dem aber könnte man entgegenwirken, als Politiker, als Steuerzahler oder als Vereinigung, wenn Sie heute un- serem Antrag zur „Bestellung einer Amtsanklägerin/eines Amtsanklägers“ zugestimmt hätten. Es hat sich in der Ver- gangenheit gezeigt, dass auch das ausgefeilte Sanktions- instrumentarium wirkungslos bleiben muss, solange sich niemand konsequent um die Durchsetzung der Ansprüche gegen Steuergeldverschwender kümmert. Nur durch öf- fentliche Kontrolle kann Verschwendung eingedämmt werden. Bisher fehlte aber die Bereitschaft, diesbezüglich überhaupt tätig zu werden. Der Umgang mit öffentlichen Mitteln muss sich an den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ori- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224826 (C) (D) (A) (B) entieren. Bei verfehlten Ausgaben der öffentlichen Hand muss am Ende der Steuerzahler für diese aufkommen. Die unermüdliche Anprangerung dieser Situation ist zwar in Einzelfällen durchaus wirkungsvoll, doch hat sie eine grundlegende Beseitigung des Missstandes bisher nicht bewirken können. Der Bund der Steuerzahler fordert bereits seit 1982 durch die Einführung einer Amtsanklägerin bzw. eines Amts- anklägers der Verschwendung von Haushaltsmitteln entge- genzuwirken. Aber noch immer werden die Bemerkungen des BRH zwar zur Kenntnis genommen, aber der Ver- schwendung kein Einhalt geboten. Damit muss angesichts der desolaten Haushaltslage Schluss gemacht werden. Anlage 15 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung – der Beschlussempfehlung und des Berichts: Die Ge- meinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als regelgebundenes Förder- system erhalten – des Antrags: Regionalpolitik stärken – Chancen nutzen (Tagesordnungspunkt 18 und Zusatztagesordnungs- punkt 13) Christian Müller (Zittau) (SPD): In den letzten zehn Jahren gab es immer wieder kritische Situationen für die GA. Sie resultierten aus dem Spannungsfeld aufeinander- treffender Förder- und Nichtfördergebiete ebenso, wie aus der Reduzierung der Haushaltsmittel. Dabei war den Re- gionalpolitikern im Deutschen Bundestag immer klar, dass insbesondere die Ausstattung der GAWest mit ange- messenen Haushaltsmitteln eine der Voraussetzungen für das Zustandekommen der Rahmenpläne für ost- und west- deutsche Fördergebiete im Bund-Länder-Planungsaus- schuss ist. Parallel dazu entwickelte sich die Einflussnahme der Europäischen Kommission auf die Regionalförderung an sich, was besonders in Phasen der Neuabgrenzung der Fördergebiete zunehmende Konflikte zur Folge hatte. Un- sere eigenen Interessen waren und sind darauf gerichtet, angesichts vorhandener und wachsender regionaler Disparitäten, auch in der Folge der europäischen Erweite- rung, nationale Spielräume für die Regionalpolitik zu er- halten oder zurückzugewinnen. Die Europäische Kom- mission sollte sich auf eine Missbrauchskontrolle im Beihilferecht zurückziehen. Sowohl in der nationalen als auch in der europäischen Diskussion geht es jetzt um die Zukunft der Regionalförderung. Darin liegen einige poli- tische Herausforderungen. Die Ministerpräsidenten der Länder haben im Juni 2001 auf ihrer Sonderkonferenz Beschlüsse zur Neuord- nung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Län- dern gefasst. Bis zum Abschluss der Europäischen Regie- rungskonferenz im Jahr 2004 soll mit dem Bund die Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfi- nanzierungen vereinbart werden. Im Jahr 2003 sollen dazu entsprechende Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern erfolgen, eine Position des Bundes für das weitere Vorgehen in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll im Herbst formuliert werden. Ich halte es in diesem Zusammenhang für unannehmbar, dass in den Arbeits- gruppen die Wirtschaftsministerien weder auf Bundes-, noch auf Landesebene vertreten sind. Im Kontrast dazu haben erst vor wenigen Wochen, am 6. Mai, die Wirtschaftsminister des Bundes und der Län- der im Planungsausschuss der GA bekräftigt, dass die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen erhalten werden sollte. Es ist heute der nahezu letztmögliche Zeitpunkt, dazu eine Position des 14. Deutschen Bundestages zu diskutieren und zu verabschieden. Wir werden im Ergebnis den vorliegen- den Antrag mit breiter Mehrheit verabschieden. Damit geben wir der Bundesregierung den Auftrag zu prüfen, wie die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der re- gionalen Wirtschaftsstrukturen erhalten werden kann. Wir halten fest, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesse- rung der regionalen Wirtschaftsstrukturen hat als ein ef- fizientes, regelgebundenes Fördersystem klare Struktu- ren des Zusammenwirkens von Bund und Ländern entwickelt. Im Bund-Länder-Planungsausschuss werden nicht nur die Rahmenpläne erarbeitet und verabschiedet, sondern auch alle Probleme im Zusammenwirken von Ländern mit Fördergebieten vernünftig geregelt. Die Rahmenpläne eröffnen auf diese Weise Möglichkeiten zur geförderten Entwicklung der wirtschaftsnahen Infra- struktur, von Qualifizierungsmaßnahmen und den Ein- satz von Regionalmanagern. Ein unverzichtbares Ziel der GA ist und bleibt die Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in der Folge von Investitionen in stabile Unternehmen. Diese gut organisierte Gemeinschaftsaufgabe zur Ver- besserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen ist ein un- verzichtbarer Ordnungsrahmen für die Regionalentwick- lung. Er sichert in einem bundeseinheitlichen Verfahren die Gleichbehandlung von Regionen und verhindert einen ungebremsten Subventionswettlauf der Länder um An- siedlungen. Dies ist ein Systemansatz, der angesichts des eher zunehmenden regionalpolitischen Handlungsbedarfs fortentwickelt werden muss, denn auch die kommenden Jahre werden von einem ständigen Strukturwandel be- gleitet sein. Insbesondere die bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union wird in dieser Hinsicht eine be- sondere Herausforderung darstellen. Deshalb sollten der Bund und die Länder sich stärker als Initiatoren, Media- toren oder auch Moderatoren in den Regionen einbringen. Mit dem Instrumentarium der GA ist es möglich, die raumwirksamen Politikbereiche des Bundes, wie Mittel- stands-, Forschungs-, Städtebau- und Arbeitsmarktpoli- tik projektbezogen zu koordinieren. Die daraus erwach- senden Synergieeffekte führen zu Effizienzgewinnen und einer dauerhaften Entwicklung in den Regionen. Wir brauchen also auch künftig die Gemeinschaftsauf- gabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- turen. Deshalb bitte ich Sie alle, dem vorliegenden An- trag zuzustimmen. Zugleich sollten wir auch gemeinsam die Einbeziehung der Wirtschaftsministerien in die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24827 (C) (D) (A) (B) Bund-Länder-Arbeitsgruppe fordern, was ich von mei- ner Seite jedenfalls unterstreichen möchte. Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Ich denke, es besteht parteiübergreifend Konsens, dass die Gemeinschaftsauf- gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ als modernes und leistungsfähiges Instrument der Wirt- schaftsförderung beibehalten werden muss. Mit ihr kön- nen wir regionale Entwicklungsunterschiede abbauen hel- fen und dauerhaft Arbeitsplätze sichern und schaffen. Sie gewährt einen breiten Gestaltungsspielraum mit regiona- ler Schwerpunktsetzung. Vorhandene Strukturprobleme können dadurch effizient und zielgerichtet gelöst werden. Flexibilität und Eigenständigkeit wird in den Ländern ge- fördert. Besonders für die neuen Bundesländer ist die Ge- meinschaftsaufgabe das entscheidende Mittel gezielter Investitionsförderung. Bei Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe wäre dem Bund das Instrumentarium entzogen, um wirksam den Strukturwandel zu erleichtern und gesamtwirtschaftliche Aspekte in die regionale Strukturpolitik einzubeziehen. Einzelfallbezogene Interventionen des Bundes könnten an die Stelle des regelgebundenen und transparenten För- dersystems der Gemeinschaftsaufgabe treten. Die Fremd- bestimmung der Länder drohte verstärkt zu werden. Glei- ches wäre mit Blick auf die Zentralisierungstendenzen der Struktur- und Beihilfepolitik der EU-Kommission zu er- warten. Die Koordinierung zwischen den Ländern würde sich erheblich erschweren. Dies ist nicht akzeptabel. Die Regionalförderung war in der Vergangenheit unersetzbar notwendig und ist es auch in der Zukunft. Der 31. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe setzt im Wesentlichen den 30. Rahmenplan fort. Für mich als Abgeordneten aus den neuen Bundesländern ist jedoch festzustellen, dass erneut die Mittelausstattung für die Gemeinschaftsaufgabe Ost gekürzt wurde. Waren es im Jahre 1998 für die neuen Bundesländer und Berlin noch 1 494,5 Millionen Euro sind für das Jahr 2002 nur noch 868,5 Millionen Euro vorgesehen. Die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern besteht derzeit bei circa 18 Prozent, obwohl die Abwanderung im vergangenen Jahr so hoch war wie kurz nach der Wende. Allein dieses Beispiel zeigt die dramatische wirtschaftliche und soziale Situation in den neuen Bundesländern. Eine Reduzierung der Barmittel für die Gemeinschaftsaufgabe Ost können wir daher nicht akzeptieren. Das ist besonders kritisch zu sehen, weil unter anderem das Auslaufen der jetzigen Förderperiode im Jahre 2006 und die bevorstehende EU-Osterweiterung einen neuen Anpassungsdruck mit sich bringen. Hiervon werden die Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe, also die struk- turschwachen Regionen und insbesondere die Grenzre- gionen zu den Beitrittsländern betroffen sein. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass die EU-Osterwei- terung politisch notwendig ist und im wirtschaftlichen In- teresse Deutschlands liegt. Jedoch sind die Risiken nicht zu unterschätzen. Standortverlagerungen und Kundenbe- wegungen in die Beitrittsländer sind nur ein kleiner Aus- schnitt anstehender Probleme. Erhebliche Wettbewerbs- verzerrungen sind zu erwarten, wenn die Bundesregierung die Strukturnachteile nicht ausgleicht und Hilfe zur An- gleichung an die neuen Bedingungen anbietet. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Förderbe- dingungen entsprechend den Regionalproblemen noch mehr zu harmonisieren und transparenter zu gestalten. Gleichzeitig sind die Instrumente der Investitionsförde- rung gezielter aneinander anzupassen, um damit die Effi- zienz zu erhöhen. Die Strukturpolitik ist als Thema wesentlich intensiver und entschiedener bei den Beitrittsverhandlungen in Brüssel einzubeziehen; die einzelnen Politiken sind bes- ser aufeinander abzustimmen. Die Bundesregierung muss darauf hinwirken, die Kompetenz für die Regionalförde- rung bei den Mitgliedsländern zu belassen und zu stärken. Die Tendenz der Ausweitung der Beihilfekontrolle der EU- Kommission ist auf eine Missbrauchskontrolle zurückzu- führen und der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten zu bewahren und auszubauen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, die Gemein- schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts- struktur“ weiterzuentwickeln und engagierter die Interes- sen des Bundes, der Länder und der Wirtschaft in Brüssel zu vertreten. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Erhalt ländlicher Regionen als attraktive Lebensräume ist unser besonderes Anliegen. Daher setzen wir uns mit un- serem Antrag für den Erhalt der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ein. Unterstützt werden wir dabei von den Wirtschaftsminis- tern, die in ihrem Beschluss vom Mai diesen Jahres die Notwendigkeit der Gemeinschaftsaufgabe zur Stärkung ländlicher Regionen bestätigt haben. Die Gemeinschaftsaufgabe hat sich als wirksames In- strument zur gezielten Förderung ländlicher Regionen er- wiesen. Besonders für die neuen Bundesländer ist sie un- verzichtbar. Jeder einzelne Betrieb in Ostdeutschland ist in den letzten zwölf Jahren massiv über die GA gefördert worden. Im vorläufigen Bericht der Bundesregierung über die Gemeinschaftsaufgabe ist nachzulesen, dass die einge- setzten Mittel zur Neuschaffung von circa 34 000 und zur Absicherung von weiteren 80 000 Arbeitsplätzen beigetra- gen hat. Die meisten davon sind in Ostdeutschland. Ohne die Gemeinschaftsaufgabe besteht die Gefahr, dass es zu einer zunehmenden Auseinanderentwicklung der Regionen und zu einem Subventionswettlauf der Län- der um Ansiedlungen kommt. Denn die Beteiligung des Bundes an der Gemeinschaftsaufgabe sichert die Gleich- behandlung und verhindert Abhängigkeiten der struktur- schwachen Regionen. Sie garantiert, dass die Förderung regelgeleitet, das heißt anhand bestimmter Förderkriterien und -richtlinien geschieht anstatt willkürlich und unter- schiedlich je nach Region und politischer Zuständigkeit. Sie schützt vor Förderung nach dem Einzelfallprinzip in Form von Ad-hoc-Interventionismus, von der nur verein- zelte Regionen profitieren. Zusätzlich stellt die Gemein- schaftsaufgabe die Koordination zwischen der Förderpoli- tik von EU und Deutschland sicher. Der Bund muss daher seinen Einfluss behalten und seine koordinierende Funk- tion wahrnehmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224828 (C) (D) (A) (B) Die EU-Osterweiterung wird die Regionen vor neue Herausforderungen stellen. Sie wird erhebliche Chancen für die regionale Entwicklung bieten. Sie wird jedoch auch zu Verschärfungen im Wettbewerb führen. Hier müs- sen wir den Ländern die Möglichkeit schaffen, aktiv Hilfe zur Anpassung an die neuen Bedingungen anzubieten. Entscheidend für die Wirksamkeit der Gemeinschafts- aufgaben ist, dass sie an die sich verändernden Rahmen- bedingungen, zum Beispiel durch die EU-Erweiterung, angepasst werden. Für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes ist die Diskussion um die Reformierung bereits in vollem Gange. Im Zuge des Mid-Term-Reviews der Agenda 2000 soll bereits im nächsten Jahr eine Umorientierung der EU- Agrarfördermittel stattfinden; weg vom reinen Produkti- onsbezug und hin zur Förderung von nachhaltigen Pro- duktionsweisen und von Arbeitsplätzen. Mit den Geldern aus der Verordnung Ländlicher Raum sollten in Zukunft beispielsweise auch kleine Handwerksbetriebe unterstützt werden können oder der Aufbau neuer Erwerbszweige in ländlichen Regionen wie die Nutzung erneuerbarer Ener- gien oder Anbau und Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes bereits im Hinblick auf die EU-Entwicklung reformiert. Auch in dieser Ge- meinschaftsaufgabe muss der Tendenz der Länder, die notwendigen Kofinanzierungsmittel nicht zur Verfügung zu stellen, entgegengewirkt werden. Im Haushalt werden daher die GA-Mittel gekürzt – eine gefährliche Entwick- lung. Die vordringlichsten Ziele einer Reform der Gemein- schaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirt- schaftsstruktur sind Verbesserungen in der Transparenz der Mittelverwendung, eine stärkere Regionalverantwor- tung durch verbindliche regionale Entwicklungskonzepte und eine bessere europäische Abstimmung der Förderkri- terien. Die Regionalförderung sollte konsequenter als bis- her darauf ausgerichtet sein, lang- und mittelfristig Stand- ortnachteile von Förderregionen zu beseitigen bzw. auszugleichen, und sie sollte fest in Entwicklungskon- zepte der Region integriert sein. So kann sie als effektive und modernes Instrument die langfristige Entwicklung und Stärkung strukturschwacher Regionen fördern. Gudrun Kopp (FDP): Zur Sachlage: Ende 2003 läuft die Genehmigung der Förderregeln und des Fördergebie- tes der Gemeinschaftsaufgabe aus. Dies bedeutet, dass zum Januar 2004 ein neues Fördergebiet in Brüssel noti- fiziert und genehmigt werden muss. Zentrale Frage in der Zukunft der Regionalförderung wird sein, wie die EU-Förderung aussehen wird, vor al- lem nach dem Beitritt mittel- und osteuropäischer Staaten. Klar ist: Diese Staatenerweiterung wird deutliche Rück- wirkungen auch und gerade auf Deutschland – und hier besonders auf die neuen Länder – haben. Klar ist für die FDP aber auch, dass Deutschland weiter in der Förderung bleiben muss. Wir Liberalen verknüpfen diese Forderung mit sehr konkreten Vorstellungen über eine Verbesserung des bisherigen Fördersystems. Die FDP fordert erstens eine strikte, EU-weite Bei- hilfekontrolle; zweitens den Abbau der verworrenen Mischfinanzierung zwischen EU sowie Bund und Län- dern; drittens eine Stärkung der Entscheidungs- und Fi- nanzautonomie der Länder. Diese Maßnahmen werden entscheidend zum Abbau von Bürokratie, zur Reduzierung der Verwaltungskosten führen und sich zugunsten von mehr Fördertransparenz und Eigenverantwortung im jeweiligen Mitgliedsland auswirken. Vor Ort, in den Ländern, ist das Wissen über eine fehlende ausgewogene Wirtschaftsstruktur und die nötigen Problemlösungen besser bekannt als fernab in den Europäischen Kommissionen in Brüssel. Das bewährte Subsidiaritätsprinzip braucht freie Entfaltungsmöglich- keiten. Rolf Kutzmutz (PDS): SPD und Bündnisgrüne waren offensichtlich sehr erstaunt, dass die PDS mit ihrem Vor- schlag zur Reformierung der Gemeinschaftsaufgaben in die Offensive gegangen ist. Drei Wochen nach der De- batte des PDS-Vorschlages legten sie ein paar windelwei- che, weit ausdeutbare Vorschläge vor. Die beheben aber nicht den Mangel an qualifizierten, realistischen und auf Dauerhaftigkeit angelegten politischen Projekten zu einer Angleichung der Lebenverhältnisse in Ostdeutschland und den strukturschwachen Regionen Westdeutschlands. Obwohl die Regierungsparteien feststellen, dass gerade strukturschwachen Regionen bei der EU-Osterweiterung hoher Konkurrenzdruck droht, schieben sie die Verant- wortung auf die EU und die Regionen selbst ab. Der Bund müsse nur dafür sorgen, dass die EU alle notwendigen Schritte unternimmt. Der schwarze Peter wird den Regio- nen zugeschoben, die mehr Eigenanstrengungen beim Strukturwandel unternehmen und selbigen mehr selbst tragen sollen. Selbst wenn wir beiden Parteien eine gute Absicht zubilligen: Sie verraten sie uns nicht, in welcher Form, mit welcher höheren Wirksamkeit mit welcher Mit- telausstattung nach ihrer Vorstellung die Gemeinschafts- aufgaben erhalten bleiben sollen. Auch nach unserem Vorschlag sind bessere Abstim- mungen und integrierte Lösungsansätze von Regionen, Bund und Ländern und einer engen Verzahnung von Poli- tikbereichen nötig und machbar; aber nicht, wenn dies nur zusätzlich zum politischen Alltagsgeschäft erfolgen soll. SPD und Grüne erweisen sich mit ihrer Vorstellung zur Rolle von Bund und Ländern als Informationsgarant, Ini- tiator, Moderator und Mediator, dann auch eher als Ter- minator der Anstrengungen der Regionen zu einer kom- plexen und integralen Entwicklung. Bekanntermaßen sind die Informationsbereitstellung ohnehin normale Auf- gaben von Bund und Ländern, Mediationsergebnisse un- verbindlich und Moderatorenrollen zeitlich stark einge- schränkt. Das hier wesentlich mehr Gelder langfristig verlässlich fließen müssen und die Initiative sowie die speziellen Bedürfnisse der Regionen im Vordergrund ei- ner ökologisch-sozialen Entwicklung stehen müssen, bleibt ausgeblendet. Es war gerade unser Ansatz, die überfällige Struktur- fondsreform in Europa und die Reform der Gemein- schaftsaufgaben zu nutzen, um endlich Voraussetzungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24829 (C) (D) (A) (B) für die Herausbildung von Verkehrs-, Energie-, Abfall-, Wärmestrukturen in der Fläche herzustellen, eine räumli- che Entwicklung von Natur, Stadt und ländlichem Raum im sozial und ökologisch verträglichen Zusammenhang ermöglichen und darin gesundheits- und bildungspoliti- sche Entwicklungen einzubetten. Doch offensichtlich überfordert ein solch komplexer Politikansatz die Koali- tion. Dies ist besonders erstaunlich, da die Bündnisgrünen solche übergreifende Entwicklung ja auch bis 1998 ge- fordert hatten. Und obwohl selbst der stellvertretende SPD-Vorsitzende Michael Müller ein Weiterdenken von der Ökosteuer zu einer Primärenergiesteuer für den öko- logischen Umbau keinesfalls ausschließt. Wir meinen nach wie vor, dass ein sozial-ökologischer Umbau bei ent- sprechenden politischen Willen möglich ist, und das mit einer Verteilungspolitik zulasten großer Gewinne, Ein- kommen und Vermögen ohne höhere Angaben- und Steu- erbelastung für die breite Masse der Bürgerinnen und Bür- ger. Eine nachhaltige Entwicklung in derzeit struktur- schwachen Regionen und eine Angleichung der Lebens- verhältnisse von Ostdeutschland erfordert entsprechende finanzielle, strukturelle und infrastrukturelle Maßnah- men. Die sind auch langfristig nur in einer abgestimmten gemeinsamen, rechtlich verbindlichen Politik von Bund und Ländern zu schultern. Trotz seiner Unverbindlichkeit lehnen wir diesen Antrag der Koalition nicht ab. Schließ- lich rafft sie sich – anders als die CDU/CSU – wenigstens zu einem Bekenntnis zum Erhalt des GA-Mechanismus auf und stellt sich damit gegen einen gemeisamen Be- schluss der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers. Die PDS wird Rot-Grün an den heutigen Beschluss erin- nern, falls sie auch nach dem 22. September weiter in Re- gierungsverantwortung bleiben sollte. Zum Schluss noch ein paar Worte zum Antrag der CDU/CSU: Ich finde es schon bemerkenswert, dass sie die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen aus- drücklich in Länderverantwortung legen will. Angesichts der Finanzmisere der neuen Länder erweist sich damit nicht nur ihr Wahlkampfgetöse zum Aufbau Ost als leeres Geschwätz. Vierlmehr entpuppen sich auch ihre vernünf- tigen Forderungen zur Grenzland- und zur übrigen Regio- nalförderung als reines Bayern-Programm. So weiß man zwar, wo die Reise hinginge, falls Ministerpräsident Stoiber nach Berlin ziehen darf. Das wir eine solche Rich- tung nicht unterstützen, das dürfte aber ebenso klar sein. Ditmar Staffelt Dr. Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Die Gemein- schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts- struktur“, abgekürzt die GA, hat sich zu einem modernen, leistungsfähigen Instrument der regionalen Wirtschafts- förderung entwickelt. Der Bund stellt für die GA in diesem Jahr rund 1 Milli- arde Euro für die neuen Bundesländer und die struktur- schwachen Regionen in Westdeutschland zur Verfügung, das heißt für Errichtungs- und Erweiterungsinvestitionen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, für Modernisierungs- investitionen, die bestehende Betriebe wettbewerbsfähiger machen und die Arbeitsplätze langfristig sichern, für lohn- kostenbezogene Zuschüsse, damit innovative, personalin- tensive Unternehmen und Dienstleister gezielter gefördert werden, für wirtschaftsnahe Infrastrukturprojekte, um die regionalen Standortbedingungen zu verbessern, für nicht investive Unternehmensaktivitäten von kleinen und mitt- leren Unternehmen sowie für integrierte regionale Ent- wicklungskonzepte und Regionalmanagementvorhaben, um die regionalen Aktivitäten vor Ort zu stärken. Der Erfolg der GA-Förderung lässt sich in Zahlen be- legen: Von 1999 bis 2001 wurden rund 8,7 Milliarden Euro GA-Mittel von Bund und Ländern bewilligt: Damit wurde ein Investitionsvolumen von rund 36 Milliarden Euro aus- gelöst. Durch die gewerbliche Investitionsförderung in den letzten drei Jahren wurden direkt rund 139 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und rund 382 000 Arbeitsplätze gesichert. Die GA-Förderung wird im nächsten Jahr wir- kungsvoll fortgesetzt: Der Bewilligungsrahmen 2003 für neue GA-Projekte in den neuen Bundesländern und in den westdeutschen Fördergebieten beträgt voraussichtlich rund 2,3 Milliarden Euro, einschließlich Kofinanzierung der Länder und eingesetzter EU-Strukturfondsmittel. Die Bundesregierung begrüßt den Antrag der Koali- tionsfraktionen. Erstens ist es wichtig, dass die Diskussion über die Zu- kunft der Regionalförderung auch im Deutschen Bundes- tag und in den Ausschüssen geführt wird. Zweitens ist es richtig, das Thema zum jetzigen Zeitpunkt aufzugreifen. In Kürze steht eine Reihe von Terminen und politischen Entscheidungen an, die sich unmittelbar auf das GA-För- dersystem, das zentrale Instrument von Bund und Län- dern zur regionalen Wirtschaftsförderung, auswirkten: Bis Herbst diesen Jahres soll eine erste Bestandsauf- nahme über die Gemeinschaftsaufgaben und weitere Mischfinanzierungen vorgelegt werden, die die Grund- lage für die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern im Zusammenhang mit der Neuordnung des Bund-Län- der-Finanzausgleichs bilden. Die beihilferechtliche Ge- nehmigung für die Investitionsförderung in Deutschland läuft Ende 2003 aus. Die Beschlüsse zum Solidarpakt 11 ab 2005 müssen instrumentell umgesetzt werden. Wich- tige Entscheidungen über die EU-Osterweiterung sollen noch in diesem Jahr getroffen werden. Modelle für die Ausgestaltung der Strukturfondsförderung nach 2006 werden bereits erörtert. Vor diesem Hintergrund hat der Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, das heißt die Wirtschaftsminister von Bund und Ländern sowie der Bundesfinanzminister, in seiner Sitzung am 2. Mai 2002 in Hamburg eine Grund- satzdiskussion zur zukünftigen Ausgestaltung der Regio- nalförderung in Deutschland geführt. Der vom Planungsausschuss in breitem Konsens zu zen- tralen Grundsatzfragen gefasste Beschluss liegt Ihnen vor. Erlauben Sie mir dennoch, einige Punkte herauszugrei- fen, die sich auf den vorliegenden Antrag beziehen: Der Planungsausschuss spricht sich dafür aus, diese Gemein- schaftsaufgabe beizubehalten. Eine Abschaffung wäre mit der Gefahr verbunden, dass sich die Regionalförderung zu einer diskretionären und einzelfallbezogenen Politik zurückentwickeln würde. Die GA ermöglicht einen regio- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224830 (C) (D) (A) (B) nalpolitischen Konsens zwischen Bund und Ländern, der insbesondere Voraussetzung für das hohe Förderniveau in Ostdeutschland ist. Den Ländern bietet die GA weitge- hende Eigenständigkeit und Flexibilität bei der Durch- führung der Förderung.Es ist kein alternatives Instrument bekannt, das die notwendige Koordinierung, zum Beispiel gegenüber der EU-Kommission, mit einem geringeren Aufwand leisten kann. Soweit Anpassungen als notwendig erscheinen, sollte zunächst geprüft werden, ob diese in- nerhalb des bestehenden Systems vorgenommen werden können. Der Planungsausschuss spricht sich dafür aus, die Effizienz und Transparenz der Investitionsförderung zu er- höhen. Die einzelnen Instrumente, zum Beispiel Zu- schüsse, zinsverbilligte Kredite und Bürgschaften, sollten besser aufeinander abgestimmt werden. Eine echte Har- monisierung der Förderbedingungen sieht der Planungs- ausschuss als Voraussetzung dafür an, dass die verschie- denen Instrumente nach 2003 von den Investoren gleichzeitig in Anspruch genommen werden können. Bund und Länder haben auf Arbeitsebene am 13. und 14. Juni 2002 die ersten Schritte zur Umsetzung des Be- schlusses in die Wege geleitet. Im Übrigen hat der Vorsitzende des Planungsausschus- ses den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zu- geleitet, die die Debatte über die Mischfinanzierungen zwischen Bund und Ländern angestoßen hat. Der Antrag zielt daneben auf ein stärkeres Engagement von Bund und Ländern als Moderator, Initiator oder Me- diator in den Regionen. Dass hierfür ein Bedarf besteht, zeigt sich insbesondere an der guten Resonanz des GA- Modellprojekts Regionalmanagement. Nach Einführung des neuen Fördertatbestands im Sommer 2000 werden derzeit über 30 Regionen mit GA- Mitteln unterstützt, um ihr regionales Entwicklungspo- tenzial zu mobilisieren und die regionalen Entwicklungs- aktivitäten zielgerichtet zu organisieren. Die fortschreitende Globalisierung und die EU-Ost- erweiterung, um nur zwei Beispiele zu nennen, werden auch in Zukunft strukturelle Veränderungen in den Re- gionen auslösen. Zur Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern, zur Flankierung des Strukturwandels und zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen in den strukturschwachen Gebieten brauchen wir in Deutschland weiterhin eine zielgerichtete und effiziente regionale Wirtschaftsförderung. Die Bundesregierung wird den Antrag bei ihren Überlegungen berücksichtigen. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Verteilung und Verteilungswirkungen der Steuern und Ab- gaben (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Frank Schmidt (Weilburg) (SPD): Ja, es steht fest und namhafte Wirtschaftsinstitute bestätigen es: Die Steuer- reform wirkt! Eigentlich müsste man der PDS dankbar sein, diese Große Anfrage gestellt zu haben. Denn die Antwort verdeutlicht anschaulich und unmissverständ- lich: Die rot-grüne Regierung hat den Begriff der sozialen Gerechtigkeit wieder zu einer festen Bank in der Steurpo- litik gemacht. Steursenkungen von jährlich insgesamt 56,1 Milliarden Euro gegenüber 1998 kommen Beziehern kleinern und mittleren Einkommen, Familien und kleinen und mittleren Unternehmen zugute. Dies ist die größte Steuersenkung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, und das – was die Union schier zur Ver- zweiflung bringt, weil sie dazu nie fähig war – sogar noch solide finanziert. Wir senken die Steuern und die Netto- neuverschuldung. Arbeitnehmer haben mehr Geld in der Tasche. Mit unse- rer Steuereform haben wir den Grundfreibetrag von rund 6 300 Euro im Jahr 1998 auf rund 7 700 Euro ab dem Jahr 2005 erhöht. Den Eingangssteuersatz haben wir von rund 26 Prozent auf 15 Prozent und den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent im Jahr 2005 gesenkt. Eine vier- köpfige Familie mit einem Bruttoverdienst von 40 000 Euro zahlt im Jahr 2002 2 189 Euro bzw. 4 281 DM weniger Lohnsteur als 1998. Das ist sozial gerecht und erhöht spür- bar die Nettolöhne. Das Ergebnis: Die Nettolöhne und -gehälter sind in un- serer Regierungszeit um 8,4 Prozent gestiegen, während sie in der vorigen Legislaturperiode – der Regierungszeit von CDU/CSU und FDP – sogar um 0,48 Prozent gesun- ken sind. Sie haben den Arbeitnehmern das Geld aus der Tasche gezogen, um Besserverdienende belohnen zu kön- nen. Das ist das Markenzeichen der Union bis heute. Der Anteil der Steuern am Arbeitsnehmerentgelt ist – dies zeigt die Antwort der Bundesregierung – mit 11,3 Prozent auf der niedrigsten Stand seit derWiederver- einigung gefallen. Die Steuerlast der Arbeitnehmer sinkt, weil wir eine gute Steuerreform gemacht haben. Wir ge- ben den Arbeitnehmern das Geld zurück, das die Vorgän- gerregierung ihnen genommen hat. Das ist das Marken- zeichen unserer Politik. Zur Familienförderung. Wir haben das Kindergeld dreimal um insgeamt über 80 Milliarden DM pro Monat auf heute 154 Euro angehoben. Wir haben damit die steuerliche Familienförderung auf 35,5 Milliarden Euro aufgestockt – ein deutliches Plus von 38,7 Prozent im Ver- gleich zu 1998. Allein dadurch hat eine Familie mit zwei Kindern 1 000 Euro pro Jahr mehr zur Verfügung. Jedes Kind ist uns gleich viel wert. Deshalb bleibt es unser Ziel, durch weitere Erhöhung des Kindergelds den Kinderfrei- betrag überflüssig zu machen. Nachgewiesene Betreuungskosten aufgrund von Er- werbstätigkeit können erstmals bei allen Famlilien steuer- lich berücksichtigt werden. In der nächsten Legislaturpe- riode werden wir den Familienleistungsausgleich weiter ausbauen und uns um besssere Beteuungsmöglichkeiten kümmern. 4 Milliarden Euro für mehr Betreuung sorgen für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dies wol- len unsere Familien. Das so genannte Familiengeld der Union wird von allen Verbänden als reine Prämie fürs Zu- hausebleiben abgelehnt. Ihr Familienbild ist antiquiert und geht völlig an der Realität vorbei. Wir haben insbesondere den so genannten Durch- schnittsfamilien die Steuerlast genommen. 1998 zahlte eine Familie – 60 000 DM Jahresbrutto, verheiratet, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24831 (C) (D) (A) (B) 2 Kinder – noch 6 290 DM Steuern und erhielt 5 280 DM Kindergeld. In diesem Jahr zahlt die gleiche Familie nur noch 4 542 DM Steurn und erhält 7 229 DM Kindergeld. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepbulik er- hält eine Durchschnittsfamilie mehr Kindergeld, als sie Steuern zahlt. Wir haben ihr die Steuerlast genommen. Wir fördern die Familien nachweisbar und solide finan- ziert. Union und FDP verbreiten nichts als Worthülsen – Versprechungen, die nicht finanzierbar sind. Aber was will man von bestens bekannten Schuldentreibern anderes erwarten? Der Mittelstand wird gestärkt, Kommunalfinanzen werden geschont. Handwerk und Mittelstand profitieren von der allgemeinen Senkung des Einkommensteuertarifs genauso wie Arbeitnehmer. Die Zusatzbelastung durch die Gewerbesteur haben wir für Personenunternehmen faktisch abgeschafft, ohne dass die Kommunen dadurch etwas verlieren. Denn die den Gemeinden zustehende Ge- werbesteuer können die Personenunternehmer pauschal mit ihrer Einkommensteuerschuld verrechnen. Mittel- ständische GmbHs sind durch die Senkung des Körper- schaftsteuersatzes auf 25 Prozent ebenfalls deutlich ent- lastet worden. Eine Benachteiligung des zum größten Teil als Perso- nenunternehmen organisierten Mittelstands im Vergleich zu Kapitalgesellschaften gibt es nicht. Sie wird von der Opposition künstilich hochstilisiert – ein Phantom, das in der Praxis nicht existiert. Ein verheirateter Personenun- ternehmer mit einem Gewinn von 50 000 Euro – immer- hin 78 Prozent aller Personenunternehmen haben einen Gewinn bis zu 50 000 Euro – zahlt in diesem Jahr nur noch 10 313 Euro Steuern im Vergleich zu 12 465 Euro im Jahr 1998. Das sind über 17 Prozent weniger Steuern als zu ihrer Regierungszeit. Hätte dieser Unternehmer eine GmbH mit dem glei- chen Gewinn und würde diesen gänzlich im Betrieb be- lassen, müsste er in diesem Jahr 19 323 Euro Steuern zah- len, also mehr als ein Personenunternehmer, aber immerhin über 31 Prozent weniger als 1998. Denn sie ha- ben in Ihrer Regierungszeit Investitionen in den Betrieb verhindert, da hierauf unverhältnismäßig hohe Steuern zu entrichten waren. Wir mussten also auch hier erst einmal Steuergerichtigkeit herstellen. Personengesellschaften und Einzelunternehmer wer- den durch die Maßnahmen bei der Einkommensteuer und den faktischen Wegfall der Gewerbesteuer entlastet. Ka- pitalgesellschaften werden durch die Senkung der Kör- perschaftsteuer auf einheitlich 25 Prozent entlastet. Damit ist der deutsche Körperschaftsteuersatz endlich auf einem international konkurrenzfähigen Niveau. Gleichzeitig wurden große Unternehmen durch eine neue Bewertung ihrer Rückstellungen steurlich erheblich belastet – Kern- kraftwerksbetreiber circa 13,7 Milliarden DM, Versiche- rungswirtschaft 8,75 Milliarden DM – sodass ein Großteil ihrer Entlastungen bereits vorfinanziert wurde. Der aktuelle Rückgang der Körperschaftsteuereinnah- men um rund 45 Milliarden DM im Jahr 2001 beruht – wie prognostiziert – zu einem Drittel auf der Senkung des Kör- perschaftsteurtarifs zu einem weiteren Drittel auf kon- junkturellen Entwicklungen und besonderen Effekten – wie zum Beispiel der steuerlichen Anerkennung der UMST-Aufwendungen und der Zwangsarbeitentschädi- gung – sowie zu einem letzten Drittel auf einem nicht in diesem Maße erwarteten Ausschüttungsverhalten der Un- ternehmen. Diese Ausschütttungen an die Anteilseigener der Kapitalgesellschaften haben auf der anderen Seite aber einen Anstieg der Kapitalertragsteuer in etwa glei- cher Höhe bewirkt. Wer dies nicht glaubt, möge sich doch einfach einmal die jüngst veröffentlichten Zahlen des Steuerabschlusses 2001 anschauen: Mehreinnahmen bei der Kapitalertrags- steuer von über 14 Milliarden DM und weitere Mehrein- nahmen bei der veranlagten Einkommensteuer. Die wei- ter ansteigenden Einnahmen bei der Körperschaftssteuer in diesem Jahr – circa 28 Milliarden DM – zeigen, dass es sich 2001 um Einmaleffekte gehandelt hat. Die falschen Parolen der Union entlarven lediglich, dass der Grund für den Steuerausfall 2001 in ihrem investitionsfeindlichen Körperschaftsteuersystem gelegen hat. An dieser Stelle ein Wort zu den Gemeindefinanzen. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen in vielen Städten und Gemeinden hat mit der Unternehmensteuer- reform nichts zu tun. Dies zeigen schon die großen Un- terschiede in der Aufkommensenwicklung von Kommune zu Kommune. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Unternehmensbesteuerung haben wir im Gegenteil die Einnahmebasis der Kommunen kurzfristig um circa 700 Millionen Euro gestärkt. Hätten wir dies nicht getan, wäre der Rückgang noch stärker gewesen. Allerdings ist die von unseren Vorgängern immer weiter ausgehöhlte wichtigste eigene Einahmequelle der Gemein- den, die Gewerbesteuer, inzwischen extrem konjunkturab- hängig. Das bestätigen sowohl die Aufkommenzuwächse der Jahre 1997 bis 2000 wie auch der scharfe Rückgang im vergangenen Jahr. Deshalb wollen wir – erstmals seit über 30 Jahren – eine umfassende Reform der Gemeindfinanzen beschließen, die vor allem auch für stetigere Einnahmen sorgt. Eine Kommission unter Mitwirkung der kommuna- len Spitzenverbände hat ihre Arbeit aufgenommen und wird uns Vorschläge vorlegen. Soziale Gerechtigkeit bedeutet Verteilungsgerechtig- keit. Ein Markenzeichen der früheren CDU/CSU-FDP- Regierung war die massive Entlastung der Spitzenverdie- ner zulasten von Arbeitnehmern und Familien. Das Verfassungsgerichtsurteil zu einer gerechteren Familien- besteuerung ist ein deutlicher Beweis hierfür – eine Ohr- feige für 16 Jahre Familienpolitik von CDU/CSU und FDP. Steuersparmodelle und Abschreibermodelle für Besserverdienende gabe es an jeder Ecke. Leer stehende Wohnungen, Überkapazitäten im Osten waren die Folge. Allein im Jahr 1995 liefen 51,3 Milliarden DM an Verlus- ten aus Vermietung und Verpachtung auf. 1993 bis 1998 führte dies zu Steuerverlusten von 43,7 Milliarden DM. Dies beweist, dass dieses Strohfeuer vollkommen unge- steuert nur auf Vermögensbildung im Westen ausgerichet war und keine tragfähige Struktur im Osten aufgebaut hat. In meinem Wahlkreis Hochtaunus wohnen statistisch gesehen die meisten Einkommensmillionäre. Diese konn- ten bis 1998 Steurschulpflöcher ausnutzen und ihre Ein- kommensteuerschuld auf null reduzieren. In den Medien Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224832 (C) (D) (A) (B) häuften sich die Berichte, dass Reinemachefrauen bei Zahnärzten in Bad Homburg mehr Steurn zahlten als ihr Arbeitgeber. Dies war eine schreiende soziale Ungerech- tigkeit. Unsere Steuerreform hat mit dieser Ungerechtigkeit aufgeräumt. Die Streichung von über 70 Abschreibungs- tatbeständen und die Einführung einer Mindeststeuer sorgt dafür, dass Besserverdienende ihren Beitrag zum Steueraufkommen leisten müssen. Diese Regelungen zei- gen bereits Wirkungen: 1997 musste mein Finanzamt in Bad Homburg noch 6 Millionen DM mehr an veranlagter Einkommensteur auszahlen, als es eingenommen hat. 2001 ist die Bilanz wieder in Ordnung: Das Finanzamt hat 250 Millionen DM mehr eingenommen als ausgegeben. Die Einkommensmillionäre in meinem Wahlkreis zahlen wieder Steuern – und das ist gut so! Insgesamt haben wir durch unsere sozial gerechte Steuereform dafür gesorgt, dass Einkommensmillionäre wieder mehr zum Steueraufkommen beitragen. In diesem Jahr tragen Einkommensmillionäre mit ihren Steuern be- reits mit 11,3 Prozent zum Steueraufkommen bei. Fazit: Die soziale Schieflage in der Steuerpolitik durch 16 Jahre CDU/CSU-FDP-Regierung ist in vielen Berei- chen bereits abgebaut worden. Wir sind auf dem richtigen Weg. Sozial gerecht werden Familien, Arbeitnehmer und der Mittelstand entlastet – und dies ist alles sogar noch so- lide finanziert, bei gleichzeitiger Senkung der Nettoneu- verschuldung. Besserverdienende tragen wieder zum Steueraufkommen bei und können sich nicht arm rechnen. Soziale Gerichtigkeit ist und bleibt das Markenzeichen dieser Bundesregierung. Wolfgang Steiger (CDU/CSU):Man kann es eigent- lich immer nur wiederholen: Wenn es um das Thema Steu- ern und Abgaben, um die Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung geht, muss jeder Beobachter und vor al- lem jeder Betroffene zu dem Schluss kommen, dass diese Politik schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Kürzlich konnten wir lesen, dass viel weniger Deut- sche in diesem Sommer planen, in Urlaub zu fahren. Der Grund: Es bleibt immer weniger Geld in der Tasche; vor allem herrscht eine quälende Ungewissheit, was Rot- Grün in der nächsten Zeit noch so anstellt. Die Menschen spüren, dieser Bundesregierung fehlt eine generelle Vor- stellung von ordnungspolitischem Denken und vor allen Dingen das Bewusstsein, dass eben Wirtschaftspolitik, Fi- nanzpolitik und Arbeitsmarktpolitik ineinander wirken. Ich muss auch den Vorwurf machen, dass nahezu alle Versprechen von Gerhard Schröder aus dem Wahlkampf 1998 gebrochen wurden. Wenn etwas gemacht worden ist, dann war es nur das Herumdoktern an einzelnen Sympto- men. In nunmehr vier Jahren haben wir keine Aktivitäten feststellen können, mit denen die Wurzel eines Übels bekämpft wurde. Vier Jahre Rot-Grün waren verlorene Jahre für Deutschland. Als Fazit müssen wir feststellen: Unser Land hat sich von den anderen Ländern der Europäischen Union abge- koppelt. Die Hauptgründe sind nicht der 11. September und die Hoffnung auf das Anspringen der Konjunktur in den USA, es sind hausgemachte Probleme. Für diese Aus- sagen haben wir einen Kronzeugen, auf den Sie viel mehr hören sollten, als dies gegenwärtig der Fall ist, nämlich Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Wo Schmidt Recht hat, hat er Recht. So verzeichnen Länder wie Spanien oder Irland höhere Wachstumsraten als die Bundesrepublik Deutschland. Und wenn wir über das Vertrauen von Men- schen, von Unternehmen und von Märkten in unserer Fi- nanzpolitik reden, dann müssen wir feststellen, dass ge- rade der Umgang mit dem angedrohten blauen Brief aus Brüssel mehr als kontraproduktiv war. Sie wissen heute schon, dass Sie das Versprechen, einen ausgeglichenen Haushalt für 2004 vorzulegen, nicht halten können. Eine solche Aussage kann im Prinzip nur von jemandem ge- macht werden, der entweder fernab der Realitäten steht oder der fest damit rechnet, im Jahr 2004 nicht mehr im Amt zu sein. Das Bedrückende ist: Es werden keine positiven Ef- fekte für Wachstum und Beschäftigung erreicht. In einer Zeit, in der eben Mobilität und Flexibilität auf der Tages- ordnung ganz oben stehen, antwortet diese rot-grüne Bun- desregierung mit starren Korsetten, die verhindern, dass die Herausforderung der Zukunft bewältigt werden kann. Deshalb bin ich sehr dankbar für diese Debatte, bei der wir die Gelegenheit haben, auch über die miserable Steuer- und Abgabenpolitik der Bundesregierung zu re- den. Ihre Steuerreform ist geprägt durch die unglaubliche Unterscheidung in gute und schlechte Unternehmer. Der Mittelstand hat bei Ihrer Regierungspolitik nichts Gutes zu erwarten, im Gegenteil. Das Ergebnis Ihrer Steuer- und Abgabenpolitik, Ihrer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sind 40 000 Insol- venzen. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Und nach dem Höchststand in 2001 wird für 2002 ein wei- terer Anstieg prognostiziert. Das kommt nicht von unge- fähr. Eine solche Entwicklung fällt nicht vom Himmel, eine solche Entwicklung hat etwas damit zu tun, dass völ- lig falsche Rahmenbedingungen in Deutschland herr- schen, und das Schlimme dabei ist, dass diesen vielen, vielen, tausend Insolvenzen immer weniger Unterneh- mensneugründungen gegenüberstehen. Aber solche Ergebnisse sind nicht verwunderlich bei einem Finanzminister, der aufgrund seiner politischen Vorgaben sagt, dass ihm Kapitalgesellschaften wichtiger seien als die vielen mittelständischen Unternehmen in diesem Land. Besonders bedrückend ist, dass Ihnen die Politik zulasten des Mittelstandes und zugunsten der Großkonzerne noch nicht einmal gedankt wird. In diesen Tagen lesen wir immer wieder Meldungen, dass Groß- konzerne, die nahezu keine Körperschaftsteuer zahlen und denen die politischen Rahmenbedingungen zugute gekommen sind, massenhaft Personal entlassen. Fakt ist: Ihre Politik ist gescheitert, und das eigentlich Beachtliche daran ist, dass die Gewerkschaften aus tiefer Solidarität zu diesem Vorgang schweigen. Die Gewerkschaften verraten in diesen Tagen massiv die Interessen der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Ich sage Ihnen, wenn wir es nicht schaffen, dass wir auch den Mittelstand in eine wettbewerbsfähige Situation Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24833 (C) (D) (A) (B) versetzen, dann wird er seine große Aufgabe, die meisten Arbeitsplätze zu schaffen und dafür Sorge zu tragen, dass junge Menschen eine Ausbildung erhalten, nicht leisten können. Mittelstandspolitik muss wieder wirklich auf der Tagesordnung stehen und darf nicht nur in irgendwelchen Sonntagsreden vorkommen. Sie haben dem Mittelstand einiges aufgebürdet; 630- Mark-Gesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestim- mungsgesetz, Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbst- ständigkeit. Auch die Entwicklung um Basel II hat Rot-Grün verschlafen. Hätte die Union nicht in einem An- trag auf die Thematik aufmerksam gemacht, Rot-Grün hätte die Bedeutung und die Tragweite gar nicht erkannt. Auch beim gegenwärtigen Zustand unserer Kommu- nen in Deutschland sind die Worte von „Versprochen, ge- brochen“. angebracht. Ihr Ziel war doch, das steht auch in der Koalitionsvereinbarung von 1998 – die Stärkung der Gemeindefinanzen. Fakt ist, dass wir massive Einbußen bei den kommunalen Einnahmen verzeichnen müssen. Ich will wieder einen Sozialdemokraten als Kronzeugen nehmen, nicht einmal einen aus den Reihen der Christ- lich-Demokratischen Union, nämlich Oberbürgermeister Schmalstieg aus Hannover. Er hat gesagt hat: In Anbe- tracht der Haushaltslage müssen wir uns über die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung ernsthafte Gedanken machen. Ich stelle fest: Die Steuer- und Abgabenpolitik dieser Bundesregierung ist die größte Bedrohung für die kom- munale Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutsch- land. Dies werden Sie auch nicht dadurch kaschieren, dass Sie vor der Wahl in hektische Betriebsamkeit verfallen. Sie arbeiten offensichtlich nach dem Motto: Am Abend werden die Faulen fleißig. Ich sage Ihnen: Wir brauchen Konzepte, anstatt Aktio- nismus. Wir brauchen nach der Bundestagswahl zunächst einmal einen umfassenden, ehrlichen Kassensturz. Wir brauchen eine massive Senkung von Steuern und Abga- ben. Wir brauchen vor allen Dingen keine Neubelastun- gen, sondern eine intelligente Steuerpolitik, um auch den Eigenkapitalsektor unserer Unternehmen, der kleinen und mittelständischen Firmen, nicht zuletzt im Zuge der Dis- kussion um Basel II zu stärken. Gerade wenn wir die Ei- genkapitalausstattung verstärken, machen wir die mittel- ständischen Unternehmen weniger krisenanfällig, und wir werden dafür Sorge tragen, dass es zwischen Banken und Unternehmen durch die Diskussion um Basel II sogar po- sitive Effekte zu verzeichnen geben wird. Fakt ist: Vier Jahre Rot-Grün waren bedauerlicher- weise vier verlorene Jahre für Deutschland. Wir brauchen dringend eine andere Politik, ein anderes Angebot an die Bürger und an die Unternehmen in unserem Land. Die Hoffnung der Menschen in diesem Lande ist der 22. Sep- tember. Für diese Koalition ist der Wahltag der Tag der Abrechnung; er wird zum Zahltag. Und es wird Edmund Stoiber gelingen, mit seiner Mannschaft eine bessere Po- litik zu machen. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Die Steuerpolitik der rot-grünen Koalition hat soziale Gerech- tigkeit mit ökologischer Notwendigkeit verbunden. Die Steuerrefrommaßnahmen werden – insbesondere durch die dreistufige Einkommensteuerreform –, nach vollstän- diger Umsetzung im jahr 2005 die Steuerzahler jährlich um rund 56 Milliarden Euro gegenüber 1998 entlasten. Drei Viertel der Entlastung kommen den privaten Haus- halten, also vor allem Arbeitnehmern, Selbständigen und Familien zugute. Durch die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25,9 Prozent im Jahr 1998 auf 15 Prozent im Jahr 2005 um rund elf Punkte und die Anhebung des Grundfreibetrages von rund 6 300 Euro um fast 1 400 Euro auf rund 7 700 Euro werden gerade kleine und mittlere Einkommen erheblich entlastet. Eine Familie mit 2 Kindern und einem Jahre- seinkommen in Höhe von 30 000 Euro wird im Jahr 2005 um 2 421 Euro jährlich gegen über dem Jahr 1998 entlas- tet. Die gleiche Familie muss im jahr 2002 bereits über 1 885 Euro weniger Steuern zahlen als 1998. Auch wenn die Mehrbelastung dieser Familie durch die Ökosteuer berücksichtigt wird, bleibt im Saldo eine erhebliche Ent- lastung bestehen. Das verfügbare Einkommen ist in den letzten 4 Jahren in jedem Jahr gestiegen. Fakt ist auch, dass die Ökosteuer ihre Wirksamkeit be- wiesen hat. Der Energieverbrauch ist heute eine wichtige Größe, wenn Familien einen neuen Kühlschrank oder eine neue Waschmaschine kaufen. Ebenso haben Unternehmen viel mehr in die Entwicklung und Produktion von regene- rativen Energien und Energiespartechnologien investiert und dabei Arbeitsplätze geschaffen. Das Dreiliterauto ist nur Symbol dieser realen Entwicklung. Verhaltensverän- derungen können auch Mehrbelastungen durch die Öko- steuer vermeiden helfen. Das Verhältnis des Steueraufkommens zwischen direk- ten und indirekten Steuern hat sich unter anderem durch die Einführung der Ökosteuer von 1998 bis 2005 um 1,5 Prozentpunkte zulasten der indirekten Steuern ver- schoben. Trotzdem bleiben die Steuereinnahmen aus di- rekten Steuern mit einem Anteil von 50,6 Prozent auch im Jahr 2005 immer noch höher als die Steuereinnahmen aus indirekten Steuern. Wir Bündnisgrüne begrüßen die Strategie, den Faktor Arbeit zu entlasten und den Faktor Umwelt zu belasten. Unsere ökologische Steuerreform ist eben etwas erheblich anderes als eine Belastung der Haushalte mit einer erhöh- ten Mehrwertsteuer à la CDU/CSU und FDP. Gerade diese wollen wir nicht. Wir haben das Kindergeld um rund 40 Prozent auf 154 Euro pro Kind erhöht. Die Vorgaben aus dem Famili- enurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1998 ließen aber eine reine Kindergeldlösung nicht zu. Zusätzlich zum bestehenden Kinderfreibetrag haben wir deshalb ei- nen neuen Freibetrag für den Betreuungs-, Ausbildungs- und Erziehungsbedarf eingeführt. Insgesamt haben wir die steuerlich für jedes Kind zu berücksichtigenden Frei- beträge auf jährlich 5 808 Euro gesteigert. Die Erhöhung hat aber auch eine Schattenseite. Heute ist die Zahl der Haushalte, die von der steuerlichen Entlas- tung durch die Freibeträge stärker profitieren als vom Kin- dergeld größer als 1998. Diese Entwicklung gefällt mir überhaupt nicht. Jedes Kind sollte dem Staat gleich viel wert sein, deshalb streben wir im Rahmen der mittelfristi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224834 (C) (D) (A) (B) gen Haushaltskonsolidierung weiterhin ein einheitliches Kindergeld an. Im Jahr 2005 bei einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent wird bei 200 Euro Kindergeld pro Kind pro Monat eine gleiche und gleichzeitig verfassungsfeste Ent- lastung für alle Eltern erreicht. Damit wäre dann eine so- ziale Unerechtigkeit im Steuerrecht aufgehoben. Mit der Unternehmensteuerreform haben wir attraktive steuerliche Rahmenbedingungen für in- und ausländische Investoren geschaffen. Der Mittelstand ist nicht benach- teiligt; denn wir haben im Grundsatz eine steuerlich ver- gleichbare Belastung zwischen Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften hergestellt. Kapitalgesellschaften werden mit einem Definitivsteuersatz bei der Körper- schaftsteuer von 25 Prozent und mit einer Gewerbesteuer belastet. In der Summe ergibt sich eine Gesamtbelastung von rund 39 Prozent. Für Personengesellschaften wird die Steuerbelastung in drei Stufen abgesenkt. Im Jahr 2005 gilt auch für sie der Eingangssteuersatz von 15 Prozent und der Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Außerdem können die Personenunternehmen ihre Gewerbesteuer pauschal knapp hälftig auf die Einkommensteuerschuld anrechnen, sodass zusammen mit dem Abzug der Gewer- besteuer als Betriebsausgabe faktisch keine Belastung aus der Gewerbesteuer mehr bleibt. Im Ergebnis werden damit rund 95 Prozent der Perso- nengesellschaften niedriger besteuert als Kapitalgesell- schaften. Das ergibt sich ganz einfach daraus, dass diese 95 Prozent der Personengesellschaften einen Gewinn von unter 165 000 Euro für Verheiratete bzw. unter 82 000 Euro für Alleinstehend und damit eine geringere Durchschnitts- belastung als 39 Prozent haben. Der Vergleich zeigt eindeu- tig: Die angeblich ungerecht Behandlung von Personalun- ternehmen im Vergleich zu Kapitalunternehmen gibt es nicht. Bei der Berurteilung der Entwicklung der Beträge zu den Sozialversicherungen ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Rentenversicherungsbeiträge konnten von 20,3 Prozent auf 19,1 Prozent um 1,2 Prozentpunkte ab- gesenkt werden. Dies ist das Resultat der Einführung der Ökosteuer zur Entlastung der Rentenversicherungsbeiträge. Die Beiträge zur Arbeitslosen- und Pflegeversicherung blie- ben stabil. Die explodierenden Gesundheitsausgaben verur- sachten leider einen Anstieg der Beitragssätze zur Gesetz- lichen Krankenversicherung um 0,4 Prozentpunkte. In den letzten beiden Bereichen besteht großer Reformbe- darf, um die Lohnnebenkosten weiter senken zu können. Im Saldo aller Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich im Jahr 2002 im Vergleich zu 1998 eine Minderung der Bei- tragsbelastung um 0,8 Prozentpunkte. Ich gebe zu, ich hätte mir mehr erwünscht. Gisela Frick (FDP): Die Absicht, die die PDS mit der vorliegenden Großen Anfrage verfolgt, lässt sich bereits an der Vorbemerkung der Fragestelle ablesen. Es wird der Zusammenhang hergestellt zwischen dem Ausblenden von Reichtum und seiner Konzentration sowie der „Lö- sung gesellschaftlicher Aufgaben“. Auch ist die Rede von „realen Belastungen und Belastungsmöglichkeiten“. Wie nicht anders zu erwarten, hat sich am Denken der PDS nichts geändert. Wo Geld und Vermögen sind, muss man es wegnehmen, um alle möglichen sinnvollen oder für sinnvoll gehaltenen Projekte zu finanzieren. Ich kann es für die FDP kurz zusammenfassen: Mit uns nicht. Die PDS hat immer noch nicht die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft begriffen. Es geht nicht darum, Leistung zu bestrafen, indem man deren Früchte wegnimmt. Es geht darum, Chancengleichheit für alle zu schaffen, damit jeder möglichst in der Lage ist, für sich zu sorgen. Der Staat ist nicht für alles zuständig. Der Staat ist erst dann an der Reihe, wenn der Einzelne allein es nicht schafft. Unterschwellig wird von der PDS mit ihrer Anfrage auch unterstellt, dass Bezieher größerer Einkommen zu wenig zum Steueraufkommen beitragen. Auch hier sage ich für die FDP: Das stimmt nicht. Wie der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage zu entnehmen ist, finanzieren die 15 Prozent der Bürger mit den höchsten Einkommen im Jahr 2001 über 61 Prozent des Einkom- mensteueraufkommens. Die 50 Prozent der Bürger mit den niedrigen Einkünften finanzieren nicht einmal 20 Pro- zent des Lohn- und Einkommensteueraufkommens. Fazit: Unser System der Besteuerung nach der Leis- tungsfähigkeit funktioniert. Wer mehr verdient, zahlt auch mehr Steuern. Ich sehe keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Weltweite Märkte fürMeerestechnik erschließen – Zukunft Meer – Für eine verantwortungsbewuss- te Nutzung der Meerestechnologie (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Mit der Bestel- lung eines nationalen maritimen Koordinators und der er- folgreichen Durchführung von mehreren nationalen Kon- ferenzen in Emden, Rostock und demnächst auch in Lübeck hat die Bundesregierung gezeigt, dass sie dem maritimen Bereich eine stärkere Bedeutung zumessen will, als dieser unter der früheren Bundesregierung hatte und dass sie sich hierzu um eine entsprechende konzep- tionelle Unterfütterung bemüht. Sie hat damit schon vor längerem eingeleitet, was die CDU mit ihrem vorliegen- den Antrag zur Zukunft des Meeres erst jetzt einfordert. Die CDU folgt im Übrigen der Initiative aus der SPD-Bundestagsfraktion und dem Bündnis 90/Die Grü- nen, die mit ihrer Initiative „weltweite Märkte für Mee- restechnik erschließen“ auch von parlamentarischer Seite aus diesen positiven Prozess, wie er von der Regierung ini- tiiert, geleitet und gefördert wird, mit zusätzlichen Impul- sen versehen will. Da Innovation, Forschung und Entwicklung ein Vor- rangthema der dritten Konferenz sein sollen, die im Früh- jahr 2003 in Lübeck stattfinden wird, und auch das Bun- desministerium für Bildung und Forschung bereits am Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24835 (C) (D) (A) (B) 30.August dieses Jahres eine entsprechende Fachkonfe- renz in Kiel vorbereitet, ist es außerordentlich sinnvoll, dass auch wir seitens des Parlaments deutlich machen, wo wir Handlungsfelder, Schwerpunkte und zusätzliche Ver- besserungsmöglichkeiten, speziell im FuE-Bereich, se- hen. Entscheidend ist hierbei, dass wir alle zusammen da- ran arbeiten, die Meerestechnik in einem umfassenden Sinne zu verstehen und nicht nur auf den klassischen Schiffsbau zu beziehen. Insoweit freuen wir uns, dass auch der Antrag der CDU das gesamte große Aufgaben- potenzial von maritimer Technologie und deren techni- sche, betriebliche und investive Herausforderungen be- schreibt. Als Koalitionsfraktion wissen wir uns einig mit der Re- gierung, die seit Beginn dieser Legislaturperiode über das Wirtschaftsministerium und eben auch das Ministerium für Forschung und Bildung hier aktiv geworden ist. So wurde nicht nur mit dem vom Forschungsministerium ini- tiierten und mitfinanzierten Zentrum für maritime Tech- nologien CMT ein deutliches Signal für Forschung und Entwicklung von Meerestechnik gesetzt, sondern werden in den vier Forschungsprogrammen „Schifffahrt- und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“, „Inno-Regio“, „Meeresforschung“ und „Polarforschung“ die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Schifffahrt, Schiffbau, Offshoretechnik, Unterwassertechnik, Meeresumwelt- schutz, integriertes Küstenmanagment, marine Aquakul- tur und Hydrographie gefördert, um nur die wichtigsten Stichworte zu nennen. Insbesondere mit dem For- schungsprogramm ,,Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“ hat die Bundesregierung Anfang 2000 Innovationen im maritimen Sektor neue Impulse gegeben. Mit der Aufnahme der nicht schiffbaulichen Meerestechnik als neuen Förderschwerpunkt in das For- schungsprogramm hat die Bundesregierung dem Stellen- wert Rechnung getragen, der dieser maritime Wirt- schaftsbereich wegen seines hohen Wachstumspotenzials zukommt. Dabei werden insbesondere in den Technolo- giefeldern Offshoretechnik, maritime Umwelttechnik und Polartechnik für die deutsche meerestechnische Industrie und Wirtschaft wie für die meerestechnische Wissen- schaft und Forschung neue Perspektiven im weltweit ex- pandierenden Meerestechnikmarkt eröffnet. Dies schlägt sich auch in realen Zahlen nieder. In den vergangenen Jahren konnte die Förderung der nicht schiffbaulichen Meerestechnik von 0,5 Millionen Euro in 1999 auf 3,6 Millionen Euro in 2001 erhöht werden. Da- mit stieg der Förderanteil der Meerestechnik im For- schungsprogramm von 4,6 Prozent in 1999 auf beachtli- che 20,7 Prozent in 2001. Dieser Trend setzt sich weiter fort, wenn wir feststellen können, dass im Rahmen des Programms „Schiffbau und Meerestechnik für das 21. Jahr- hundert“ das BMBF 54,9 Millionen Euro für Forschungs- und Entwicklungsprojekte bewilligt hat. Hinzu kommen 8,6 Millionen Euro für maritime Projekte innerhalb des Inno-Regio-Programms. Dabei entfallen in der Gesamt- summe aktuell 17,6 Millionen Euro, das heißt rund 28Prozent, auf Forschungs- und Entwicklungsprojekte der nicht schiffbaulichen Meerestechnik, davon 8,4 Milli- onen Euro für Unterwassertechnik und Polartechnik, 6,5Millionen für Offshoretechnik und 2,7 Millionen Euro für maritimen Umweltschutz und für Ölunfallbekämp- fung. Hinzu kommen die Programme Meeresforschung und Polarforschung, die zusammen pro Jahr Fördermittel in Höhe von 20 Millionen Euro zur Verfügung haben. Ne- ben der Vertiefung des Wissens über die Ozeane und Po- largebiete und deren Rolle im Klimageschehen der Welt wird die Umsetzung der Kenntnisse in politische Ent- scheidungen zum Schutz des Ökosystems und der Res- sourcen angestrebt. Nicht vergessen werden sollte hier, dass die Bundesregierung auch erhebliche Mittel dem Bau eines eisrandfähigen Meeresforschungsschiffes wid- met. Mit ihrem Antrag wollen die Koalitionsfraktionen hier vor allen Dingen noch einmal den Gesichtspunkt der in- novativen nachhaltigen Ansätze der Meerestechnik betont wissen. Ich nenne drei Handlungsfelder: Erstens. Wir stellen uns vor, dass die Anwendungen er- neuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe, zum Beispiel biogener Treib- und Schmierstoffe, der Solar- energie zum Antrieb und zur Energieversorgung und auch der Einsatz von Windkraft in ihren Möglichkeiten noch besser untersucht und dann auch entwickelt werden. Glei- ches gilt für Ansätze, die zum Ziel haben, die Energieef- fizienz in der Meerestechnik zu erhöhen und die Senkung des Ausstoßes von Schadstoffen und Klimagasen zu sen- ken. Schließlich ist die Meerestechnik auch eine große Chance, die Belastung der Meere zu reduzieren. Die Ent- wicklung unschädlicher Anstriche auf Basis der Nano- technologie ist ein Beispiel dafür, wie Spitzenprodukte bei den Zukunftstechnologien unmittelbar zu nachhalti- gen ökologischen Verbesserungen beitragen können. Dies gilt auch für die Nutzung der erneuerbaren Energien auf See, die sich gegenwärtig vor alle Dingen mit der Planung von Offshore-Windparks verbinden. Hier ist nach unseren Kenntnissen noch erhebliche Entwicklungsarbeit und ge- zielte Begleitforschung erforderlich, um die Windparks im Meer sicher, naturverträglich und kostengünstig bauen zu können. Es wäre sicherlich begrüßenswert, hier würde möglichst schnell eine Pilotanlage im kleineren Maßstab, aber zu realen Bedingungen entstehen können, um die be- stehenden Zweifel an der Realisierbarkeit solcher Anla- gen in tieferen Gewässern im positiven Sinne widerlegen zu können. Zweitens. Forschungsrelevant ist auch die Ausrichtung der Meeresforschung an den Klima- und Umweltschutz- zielen, was speziell die Forschung an Gashydraten wie konkret den Methanhydraten rangeht. Wenn die Koaliti- onsfraktionen in ihrem Antrag fordern, nach heutigem Sachstand sich auf die Erforschung der Klima- und Um- weltschutzfragen zu konzentrieren und diesen Grundla- genbereich in allen Konsequenzen zu erforschen, so ist dies angesichts der potenziellen Gefahren, die von einer Aktivierung dieser Energieträger im Meeresboden ausge- hen können, allemal berechtigt. Wir freuen uns, dass auch die Bundesregierung in ihren Forschungsschwerpunkten entsprechende Akzente setzt. Drittens. Nicht vergessen werden soll, dass die For- schungsunterstützung auch aufzubauen ist für das wich- tige und zunehmend bedeutender werdende meerestech- nische Handlungsfeld der marinen Aquakultur. Wir können die Bestrebungen des BMBF nur nachdrücklich unterstützen, den Bau von technischen Pilotanlagen, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224836 (C) (D) (A) (B) Forschung für eine bessere Produktqualität zu betreiben. Die Fangerträge der Fischereiflotten sinken weltweit, bis- herige Aquakulturanlagen verschmutzen die Küstenge- wässer, in den Shrimps aus asiatischen Ländern finden sich Medikamentenrückstände, sodass die EU mittler- weile Importverbote für Garnelen aus Indonesien, Thai- land und Vietnam aussprechen musste. Mit anderen Wor- ten: Die herkömmliche Aquakultur ist kein Garant für eine ökologisch verträgliche Produktion von Meeresorga- nismen mehr. Die Entwicklung einer nachhaltigen Kreis- lauftechnologie für Aquakulturanlagen ist deshalb ein hoch anzusiedelndes Forschungs- und Entwicklungsziel. Von Forschungsseite aus möchten wir zu dem Antrag der Koalitionsfraktion weiter hervorheben, dass bei der Umsetzung der Forschungsprogramme noch mehr Wert als schon in der Vergangenheit geschehen auf die nach- haltige Förderung von kleinen und mittleren Unterneh- men gelegt werden sollte. Wir begrüßen es, dass diese be- reits gegenwärtig auf die regulär bewilligte Fördersumme einen besonderen Zuschlag in Höhe von 10 Prozent als Bonus erhalten. Dieser Bonus hat ja auch schon Wirkung gezeigt. So konnte der Anteil der KMU-Förderung an der Gesamtförderung von etwas 30 Prozent im Jahre 1999 auf 36,8 Prozent im Jahre 2001, also auf mehr als ein Drittel der verfügbaren Fördersumme angehoben werden. Ähn- lich positiv entwickelte sich die Zahl der KMU als Zu- wendungsempfänger 2001. Mit mehr als einem Drittel KMU-Anteil liegt die maritime Forschungs- und Ent- wicklungsförderung deutlich über dem Durchschnitt. Der vom Ministerium eingerichteten Arbeitsgruppe „Verbes- serungen der Förderpraxis in Schifffahrt und Meerestech- nik“ ist deshalb weiterhin viel Erfolg zu wünschen bei ihrem Bemühen, an Reduzierungsmöglichkeiten für den Antrags- und Bearbeitungsaufwand sowie an vereinfach- ten Bonitätsprüfungen an der Minimierung der externen Beratung und der Erweiterung von Pauschalierungen zu arbeiten. Wir haben bereits in der Vergangenheit mit Be- friedigung aufgenommen, dass sich ein negativer Stau von streitigen Förderanträgen im Bereich der mittleren Unternehmen im Schiffbaubereich erfolgreich aufgeklärt und aufgearbeitet hat. Wir sind sicher und möchten dies auch mit unserem Antrag unterstützen, dass das Antrags- verfahren im Forschungsbereich noch effektiver koordi- niert werden kann, wenn alle Beteiligten hierfür klare und einfache Regeln definieren. Erlauben Sie, dass ich zum Schluss noch zwei Hin- weise, speziell aus der Sicht eines Forschungs- und Bil- dungspolitikers geben möchte: Erstens. Wenn der Antrag der Koalitionsfraktionen ins- besondere auch die Leistungsfähigkeit unserer hydrogra- phischen Institute anspricht und die Anstrengungen for- ciert sehen möchte, um zielgerichtet am internationalen Markt von Dienstleistungen und Aufträgen bei hydrogra- phischen Leistungen zu partizipieren, dann liegt eine be- sondere Chance nach den Fachgesprächen und Erkundi- gungen, die wir hierzu einziehen konnten, bei den internationalen Angeboten zur Aus-, Fort- und Weiterbil- dung sowie der wissenschaftlichen Kooperation im hy- drographischen Bereich. Wir regen an, dass die Regierung hier mit relativ geringem Mitteleinsatz den Boden be- reiten kann, um in langfristiger Kooperation nicht nur Leistungen zu internationalisieren, sondern auch Partner in anderen Ländern für die Zukunft zu finden. Zweitens. Aus der Diskussion mit Ländern, wie zum Beispiel Schleswig-Holstein, die sich intensiv um eine Entwicklung ökologischer Strukturen für den Bereich der marinen Aquakultur bemühen, wird der Wunsch an uns heran getragen, auch bei der Entwicklung der Berufsbilder rechtzeitig die neuen Bedingungen zu beachten. Der Fischwirt alter Prägung wird nicht mehr das Berufsbild für die marine Aquakultur der Zukunft sein können. Auch hier rechtzeitig Ausbildungsberufe umzustrukturieren, ist eine Aufgabe, die wir im Bereich von Bildung und Forschung mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit der Meerestechnik im weiteren Sinne aufgreifen und umsetzen müssen. Das BMBF hat für seine Fachkonferenz „Maritime In- novationen – Wettbewerbsvorsprung und Standortvorteile durch Forschung und Entwicklung“ am 30. August in Kiel vier Workshops vorbereitet, die Themen bearbeiten wie „Innovationen in Schifffahrt und Schiffbau – Wett- bewerbsvorteile durch Forschung und Entwicklung“, „Maritime Netzwerke und regionale Kompetenzzentren – Standortvorteile durch Kooperation und Vernetzung“ so- wie „Probleme und Potenziale für die Entwicklung der Meerestechnik“ und „Marine Aquakulturtechnologien – neue Herausforderungen für innovative KMU“. Damit sind zentrale Felder so beschrieben, wie sie auch von den Koalitionsfraktionen in unserem Antrag, angesprochen sind. Es wird nicht zuletzt auch am Deutschen Bundestag liegen, diesen konstruktiven Prozess, wie er aus der Exe- kutive heraus gestaltet wird, parlamentarisch mit zu be- gleiten. Wir regen deshalb an, spätestens nach der dritten maritimen Konferenz zu Innovation, Forschung und Ent- wicklung im Frühjahr 2003 in Lübeck dieses Thema zum Gegenstand von intensiven Erörterungen in den zuständi- gen Fachausschüssen zu machen. Die wirtschaftlichen In- teressen und ökologischen Verpflichtungen rechtfertigen dies allemal. Dr. Margrit Wetzel (SPD): Welch ein Tag der Freude für die maritime Wirtschaft. Endlich ist auch die nicht- schiffbauliche Meerestechnik einmal im Focus des Parla- ments, erfährt Wohlwollen und fraktionsübergreifend die Zusage für nachdrückliche politische Unterstützung. Auch wenn die Oppositionsfraktionen sich alle Mühe ge- ben, das grüne Haar in der Suppe zu finden, sich von un- serem Antrag zu distanzieren und eigene Anträge noch schnell auf den Markt des Parlaments zu bringen – nein, wer genau hinschaut, sieht, dass wir zu 98 Prozent über- einstimmen. Und das ist ein voller Erfolg für die Unter- nehmen dieser zukunftsträchtigen Branche. Der CDU/CSU-Antrag setzt die Schwerpunkte etwas anders und unterscheidet sich in seinen Forderungen nicht wesentlich von unseren, ist also eigentlich überflüssig. Die FDP verkennt offenbar, dass es für die Grundlagen- forschung bei Gashydraten unverzichtbar ist, die Risiken unter Umwelt- und Klimagesichtspunkten sehr ernst zu nehmen und dass die mögliche nachhaltige Nutzung von Gashydraten erst in Jahrzehnten, also erst künftigen Ge- nerationen überhaupt möglich wäre. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24837 (C) (D) (A) (B) Alle Forschungseinrichtungen, die auf diesem Gebiet tätig sind wie GEOMAR in Kiel, das Geoforschungszen- trum in Potsdam, das Alfred-Wegener-Institut in Bremer- haven oder die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, beteiligen sich äußerst verantwortungsbewusst an dieser Grundlagenforschung im Wissen um die mögli- chen Zielkonflikte, die die Nutzung von Gashydraten mit sich bringen kann. Das ist richtig so und das wird auch so bleiben. Es gibt keinen Grund dafür, ausgerechnet jetzt im Jahr der Geowissenschaften irritierende Signale in die eine oder andere Richtung auszusenden. Ich freue mich schon darauf, dass die Meerestechnik Schwerpunkt der dritten Maritimen Konferenz sein wird und dann endlich auch in breiter Öffentlichkeit Aufsehen, Ansehen und An- erkennung erfährt. Diese Branche hat es verdient. Die Weltmeere sind nicht nur Verkehrsträger, sie sind genauso Wirtschaftsraum wie die Kontinente, sie liefern Nahrung, sind Energiequelle, bestimmen wesentlich unser Klima, der Meeresboden enthält vielfältigste Boden- schätze, die Hydrosphäre ist Gegenstand zahlloser techni- scher Dienstleistungen aller naturwissenschaftlichen Spar- ten – Hochtechnologie, mit dem gesamten dazugehörigen anlagentechnischen Umfeld. Forschung, Entwicklung, wissenschaftliche und ingenieurstechnische Ausbildung, in internationaler Zusammenarbeit die eigene System- kompetenz fortzuentwickeln – welch ein gewaltiges wirt- schaftliches Potenzial wartet darauf, nicht nur von deut- schen Unternehmen erschlossen zu werden, sondern sie als Marktführer an der Spitze zu sehen. Ich möchte, dass das Bundeswirtschaftsministerium sich mit dieser Branche noch mehr identifiziert, ihre Bedeutung für den Weltmarkt aktiv aufgreift, wie das Forschungsministerium es in Ge- stalt einschlägiger Programme bereits begonnen hat. Die Küstenländer der Welt sind durch das UN-Seerecht verpflichtet, in den nächsten Jahren ihre Wirtschaftszonen zu vermessen, wenn sie ihre exklusiven Rechte auf die Bodenschätze ihrer Festlandssockel geltend machen wol- len. Viele Küstenländer sind dazu technisch und finanziell überhaupt nicht in der Lage. Die deutsche Hydrographie würde geradezu verkümmern, wenn sie ihre Möglichkei- ten auf den kleinen nationalen Küstenanteil beschränken müsste. Unsere Möglichkeiten, anderen Küsten-Industrie- ländern, aber auch den Schwellen- und Entwicklungs- ländern die Vermessung ihrer Festlandssockel durch tech- nische Hilfe und wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen, dadurch ihre Rechte zu wahren, aber zu- gleich den Einstieg in die bilaterale meerestechnische Zu- sammenarbeit zu gewährleisten, öffnet dauerhaft interna- tionale Märkte und stabile Wirtschaftsbeziehungen zum Nutzen aller Beteiligten. Das ist Entwicklungshilfe, in der die so vielfach beschworene neudeutsche „Win-win-Si- tuation“ tatsächlich für beide Seiten greift. Unsere kleinen Unternehmen können sich Wachstums- märkte erschließen, selber wachsen und zugleich die Wirtschaft, die Wissensgrundlage und die Rechte anderer Länder befördern helfen. Da wird Wirtschaftspolitik ein Stück weit zur Friedenspolitik. Die Bedürfnisse der Bran- che belegen, wie wichtig und richtig es war, dass Bundes- kanzler Gerhard Schröder die maritimen Themen zur Chefsache gemacht, die Stelle des Maritimen Koordina- tors geschaffen und mit Herrn Dr. Gerlach so kompetent und engagiert besetzt hat. Die ressortübergreifende Ver- tretung der Brancheninteressen ist nicht nur international von größter Bedeutung, sondern derzeit sogar national noch unverzichtbar. Warum? Es gibt in der Branche kaum große Unternehmen mit den dazugehörigen Lobbyisten in Berlin. Die kleinen, flexiblen, kreativen und leistungs- fähigen Unternehmen, mit denen wir es hier zu tun haben, sind aber allein nicht noch zusätzlich in der Lage, ihre In- teressen gegenüber dem Staat – zum Beispiel bei der Ent- wicklung von Modellen der Public-Private-Partnership – oder im Ausland wirksam zu vertreten: Ihre jeweiligen Ansprechpartner sitzen im Verkehrsministerium ebenso wie im Forschungs-, im Verteidigungs-, im Ernährungs- oder Umweltministerium, im Wirtschafts- und Entwick- lungshilfeministerium und bei internationaler Zusam- menarbeit allemal im Auswärtigen Amt. Und welch eine Verschwendung von Ressourcen ist es, wenn in den Außenwirtschaftskammern, in den Botschaften und Kon- sulaten engagierte Mitarbeiter auf die Aktivitäten deut- scher Unternehmer vergeblich warten, nur weil die hier herumirren müssen und von einer Nicht-Zuständigkeit zur nächsten weitergereicht werden – nein, das ist nicht die Perspektive des Erfolgs. Genau an der Stelle brauchen wir Koordination, Kooperation und konkrete Hilfe und Unterstützung für die so vielfach beschworenen „Klei- nen“, die KMU, die bei uns Arbeitsplätze schaffen und si- chern wollen. Dazu gehört, dass administrative Hürden abgebaut werden und die Sensibilität für die ressortüber- greifende Unterstützung marktnaher Innovationen in den Behörden geschärft wird. Andererseits dient unsere heutige Debatte aber auch dazu, die kleinen Unternehmen über das zu informieren, was sie an Hilfe bereits ins Anspruch nehmen können. So hat das BMBF eine Arbeitsgruppe „Verbesserung der Förderpraxis“ eingerichtet, prüft die Vereinfachung der Bonitätsprüfung und die Erweiterung von Pauschalierun- gen. Das Wirtschaftsministerium prüft derzeit, ob ein In- ternetportal für die deutsche maritime Wirtschaft, das auch die Meerestechnik mit abdecken könnte, zur Vernet- zung beitragen würde; der „Serviceverbund Außenwirt- schaft“ im Internet-Außenwirtschaftsportal iXPOS, eine Koordinierungsstelle für Auslandsprojekte und zinsgüns- tige Kredite der KfW für Auslandsinvestitionen kleiner Unternehmen tragen bereits deutlich zur Unterstützung der Branche bei. Auch die zunehmende Bedeutung der Marikultur sieht das BMWi durchaus. Ich will die Märkte und die Möglichkeiten der deut- schen Meerestechnik nicht weiter zitieren, sondern ver- weise auf den Antrag der Koalitionsfraktionen, der diese ausführlich beschreibt. Unsere Beratungen in den Aus- schüssen haben die fraktionsübergreifende breite Zustim- mung zu den wesentlichen Inhalten bestätigt: Die Bran- che sollte sich also von den demokratischen Spielchen der Opposition nicht irritieren lassen, sondern die tatsächliche breite politische Unterstützung zur Kenntnis nehmen, nut- zen und in der betrieblichen Praxis zukünftig wo nötig auch energisch einfordern. Die dritte Maritime Konferenz kann ihr Schwerpunktthema im Wissen um die nach- drückliche parlamentarische Unterstützung vorbereiten. Die Unternehmen der nicht schiffbaulichen Meerestech- nik können sich auf uns ebenso verlassen wie die deut- schen Werften. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224838 (C) (D) (A) (B) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU ): „Mehr Meer“ ist für die Union kein Schlagwort, sondern Hand- lungsaufforderung. Bereits in der letzten Legislaturperi- ode haben wir in zahlreichen Initiativen die Perspektiven aufgezeigt. Diese sind von der rot-grünen Bundesregie- rung nicht aufgegriffen worden; vier Jahre ist im Bereich Meerestechnik nichts geschehen. Jetzt, kurz vor Tores- schluss wird von der Regierung hektischer Aktionismus betrieben; vier verlorene Jahre. Verantwortungsbewusstes Regierungshandeln hätte 1998 unsere Initiativen aufgegriffen, nicht so viel Zeit verschenkt. Wir stellen fest: In der Meerestechnik gibt es große, entwicklungsfähige Potenziale; gewaltige Wachstums- chancen für unsere Küstenländer; Schätze, die es zu he- ben gilt. Zum Thema „mehr Meer“ haben wir einen Kata- log mit 17 Feststellungen und vier konkreten Forderungen aufgestellt. Wie bei „17 und 4“ gilt es auch in der Mee- restechnik, gut zu rechnen und Chancen zu ergreifen. Die erste Feststellung lautet: Allein das Marktvolumen der Offshore-Technik wird weltweit auf mehr als 80 Mil- liarden Euro geschätzt, doch der Anteil Deutschlands da- ran von rund 1 Milliarde Euro entspricht keineswegs dem technischen, betrieblichen und investiven Potenzial. Die zweite Feststellung lautet: Der Weltmarkt für Aqua- und Marikultur wächst jährlich um stolze 12 Pro- zent und beträgt mittlerweile 15 Milliarden Euro, unser Anteil daran sind gerade einmal 100 Millionen Euro. Nor- wegen ist hier inzwischen führend und versorgt den deut- schen Massenmarkt mit Meeresprodukten, die noch vor wenigen Jahren gut betuchten Feinschmeckern vorbehal- ten waren. Derzeit werden weltweit über 150 Fischarten, etwa 40 verschiedene Schalentiere und mehr als 70 Mu- schel- bzw. Weichtierarten neben zahlreichen Algen, Was- serpflanzen, Fröschen, Schildkröten und Krokodilen in Aquakultur erzeugt. Der Weltmarkt für Fisch sowie Krusten- und Schalen- tiere belief sich 1999 nach FAO-Statistiken auf insgesamt knapp 126 Millionen Tonnen pro Jahr. Davon entfielen circa 33 Millionen Tonnen auf die Aquakultur; fast 30 Prozent der maritimen Nahrungsmittelproduktion. In diesen Zahlen ist die immer wichtiger werdende Aufzucht von Pflanzen und Algen noch nicht enthalten. Die ge- samte Aquakulturproduktion hat sich in den Jahren 1990 bis 1999 um 150 Prozent erhöht, die Produktion ist heute mehr als zweieinhalb mal so groß wie vor zehn Jahren. Die dritte Feststellung: Im Bereich Unterwassertech- nik und Seekabel beträgt der Weltmarkt 14 Milliarden Euro, Deutschland ist daran mit 300 Millionen Euro be- teiligt. Viertens: In der Meeresforschungstechnik sieht es noch schlechter aus: Mit gerade einmal 150 Millionen Euro sind wir an einem 10 Milliarden Euro umfassenden Weltmarkt beteiligt. Unser Anteil beträgt gerade einmal 1,5 Prozent, exakt genau der gleiche Anteil, den wir an der Weltbevöl- kerung stellen. Das bedeutet, der Pro-Kopf-Anteil Deutschlands am Weltmarkt ist im Durchschnitt genau so hoch wie der eines Einwohners des vom Krieg zerstörten Binnenlandes Afghanistan. Ich meine: Eine Katastrophe für ein Land, dessen einzige Ressource das Wissen und Können seiner Menschen ist. Die Meeresforschung darf nicht länger vernachlässigt werden. Die fünfte Feststellung: Das Marktvolumen für die Meerestechnik insgesamt beträgt 131 Milliarden Euro, daran ist Deutschland mit 2,9 Milliarden Euro oder 2,2 Prozent beteiligt. Die sechste Feststellung ist: In den nächsten Jahren müssen weltweit 8 000 Öl- und Gasplattformen entsorgt werden, 700 allein in der Nordsee, für deren Beseitigung, oder Umnutzung mit einem zweistelligen Miliardenbe- trag gerechnet wird. Siebtens. Deutsche Firmen haben bereits bewiesen, dass sie das notwendige Know-how in der Umwelttech- nik besitzen. Wir erinnern uns an die Proteste als Versen- kung der Ölplattform Brent Spar bevorstand. Greenpeace übergab der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel ein Flugticket auf die britischen Shetland Inseln und bot ihr den Transfer zur Plattform Brent Spar an. Bei der anschließenden Pressekonferenz sprach sich Angela Merkel klar gegen die Versenkung der Plattform aus. Da- mals wurde der Weg frei gemacht für einen völlig neuen Industriezweig im Interesse der Umwelt. Die achte Feststellung lautet: Für den Bau von Off- shore-Windparks rechnen Experten mit einem Investiti- onsvolumen von circa 25 Milliarden Euro in den nächsten 20 Jahren allein in den deutschen Seegebieten. Nicht ein- gerechnet ist hierbei der Bedarf an Forschungsaktivitäten, insbesondere zur Weiterentwicklung der Anlagentechnik, eingeschlossen Gründung, Netzanbindung und Montage. Doch fehlen die notwendigen Rahmenbedingungen – wie unsere Große Anfrage gezeigt hat – um die Initialzündung auszulösen. Neuntens stellen wir fest: Auch der klassische Schiff- bau hat sich zu einem hochinnovativen Industriesektor entwickelt, der mit seinen Spezialschiffen einen weltwei- ten Markt anspricht und einen Anteil von deutlich über 20 Prozent am Gesamtumsatz deutscher Werften hat. So produziert zum Beispiel die Flensburger Schiffbaugesell- schaft mit ihren hochinnovative Ro-Ro- und Ro-Pax- Fähren global nachgefragte „schwimmende Landstraßen“. Zehntens stellen wir fest: Weltweit die einzigen mit Brennstoffzellen betriebenen U-Boote werden bei HDW in Kiel hergestellt. Und als elftes stellen wir fest: Mit dem „Forschungs- schiff der Zukunft“ entwickelt die Lindenau-Werft, eben- falls in Kiel, derzeit ein modular und damit flexibel kon- struiertes Forschungsschiff, das es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Die zwölfte Feststellung lautet: Die Kvarner-Werft in Rostock lieferte 2001 mit der Offshore-Bohrplattform Stena Don seit Jahren wieder die erste Bohrplattform aus Deutschland ab, ein Koloss mit 32 700 Tonnen Wasser- verdrängung., Der dreizehnte Punkt lautet: Unter den Einschätzun- gen der globalen Erwärmung und des Klimaschutzes wird das Aufgabenfeld des „Integrierten Küstenzonen- Managements“ eine neue Bedeutung gewinnen. Das hat Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24839 (C) (D) (A) (B) Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung. Hier geht es um die Integration der Nutzungs- und Schutzan- sprüche im Küstenraum. Unsere vierzehnte Feststellung: Zu den traditionellen Nutzungen wie Tourismus, Hafenwirtschaft und Fischerei kommen neue wirtschaftliche Chancen und Herausforde- rungen hinzu. Die Anforderungen an Ozean-Überwa- chungssysteme werden dementsprechend beständig stei- gen. Hier ist die Unterstützung der Grundlagenforschung besonders gefragt. Die fünfzehnte Feststellung: Ein Umsatzpotenzial in bedeutender Größenordnung wird auch von der Schiff- bauzulieferindustrie erbracht. Mit einer breiten Palette in- novativer Produkte vom Schiffsantrieb bis hin zu den modernsten Navigations- und Positionierungssystemen entfällt auf diese Industrie bis zu 70 Prozent der Wert- schöpfung eines Schiffsneubaus. Mit dem europäischen Satelliten-Navigationssystem GALILEO schlagen wir die Brücke zwischen Meerestechnik und Raumfahrt. Die sechzehnte Feststellung: Globalisierung und Wachstum des Welthandels finden ihren deutlichen Nie- derschlag im Wachstum von Schifffahrt und Hafenum- schlag. Davon profitieren auch die Häfen in Deutschland. Neue Technologien für Ausrüstung, Umschlag und Ent- sorgung erschließen zusätzliche Wachstumspotenziale. Die letzte und siebzehnte Feststellung: Weitere hohe Entwicklungspotenziale weltweit liegen in der Hydrogra- phie, der marinen Umweltschutztechnik und als Grund- lage, um die Offshore-Technik überhaupt nutzen zu kön- nen, die Unterwassertechnik, wie Seekabel, Öl- und Gaspipelines und die dazugehörige Logistik. Ich hatte angekündigt, unser Katalog zum Thema „mehr Meer“ steht unter dem Motto „17 und 4“. Aus un- seren 17 Feststellung folgen genau vier konkrete Forde- rungen an die Bundesregierung: Erstens, die Erweiterung der Forschungsförderung so- wohl für die Grundlagenforschung als auch für anwen- dungsbezogene Projekte sowie die Vereinfachung der Bewilligungsverfahren von Forschungs- und Entwick- lungsanträgen. Zweitens, den Technologietransfer zwischen Wissen- schaft und Wirtschaft im Bereich Meerestechnik mit Sys- tem auszubauen und durch die unbürokratische Genehmi- gung und politische Begleitung von Pilotanlagen den Wissenstransfer beschleunigen. Drittens, die Unterstützung der Unternehmen der Mee- resforschungstechnik bei der Bündelung und internatio- nalen Vermarktung ihrer Produkte und Systeme, insbe- sondere durch die Förderung der Teilnahme, deutscher Firmen an den Programmen internationaler Organisatio- nen insbesondere bei internationalen Umweltprojekten wie Weltbank, UNO und UNIDO durch zielgerichtete In- formation potenzieller deutscher Teilnehmer. Viertens, die Erstellung eines Gesamtkonzepts zum Thema Ausbau der Meerestechnologie unter Berücksich- tigung von Umwelt-, Klimaschutz- und Finanzierungsbe- dingungen. Der Antrag der Regierungskoalition ist auf der ersten Blick anerkennenswert. Er enthält hehre Ziele für die weltweite Zukunft der Meerestechnik. Darin teilen wir die Auffassung der Antragsteller. Doch stellen wir auf den zweiten Blick fest, es handelt sich hier um eine offen- sichtliche Alibi-Initiative. Alle Maßnahmen sollen dem Diktat der Klima- und Umweltschutzziele unterliegen. Keine Grundlagenforschung soll möglich sein, keine Neuentwicklung von Meerestechnologien, so steht es im vorletzten Absatz dieses Antrages. Deutschlands mari- time Wirtschaft braucht Zukunft, aber nicht mit einem Flaggschiff ohne Schraube. Der Grundlagenforschung dürfen nicht von vornherein Scheuklappen aufgesetzt werden; auch nicht wenn sie im schicken Gewand von Klima- und Umweltschutz daher- kommen. So schneiden wir deutschen Unternehmen Ent- wicklungschancen ab, überlassen den schnell wachsen- den Weltmarkt anderen Ländern und verhindern die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeitsplätze. Grundla- genforschung muss möglich sein, sonst wandern qualifi- zierte Fachkräfte weiter ins Ausland ab. Wir norddeutschen Abgeordneten der Union anerken- nen die Unterstützung durch Edmund Stoiber für die Werften und die maritime Wirtschaft. So gehörte zu einer seiner ersten Amtshandlungen als Kanzlerkandidat der Besuch bei HDW in Kiel. Dort bekräftigte er, Deutsch- land müsse ein starker Werftenstandort bleiben und kriti- sierte die mangelnde Unterstützung der Europäischen Union gegen die seit Jahren anhaltende Dumpingpreis- Politik Südkoreas. – Heute Vormittag hat der EU-Minis- terrat endlich die seit zwei Jahren angekündigte WTO- Klage beschlossen und für die Dauer des Verfahrens eine Abwehrbeihilfe von 6 Prozent genehmigt. Anerkennung zollen wir auch dem unermüdlichen Ein- satz des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik und seinem Hauptgeschäftsführer, Dr. Werner Schöttelndreyer, dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Axel Gerlach, dem Vorsitzenden der Gesellschaft für Maritime Technik und begeisterten Polarforscher, Dr.-Ing. Joachim Schwarz, den deutschen Werften und ihren Betriebsräten, den Universitäten und Fachhoch- schulen, um nur einige verdienstvolle Einrichtungen stell- vertretend zu nennen, die im Bereich der Meerestechnik engagiert tätig sind. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutschland hat eine große Tradition im Schiffsbau und der Meerestechnik. Viele Arbeitsplätze sind direkt oder indi- rekt mit der Meerestechnik verbunden. Der Rückgang der Werftenindustrie muss aufgefangen werden durch neue in- novative Techniken. Daraus ergeben sich neue Chancen für den riesigen Weltmarkt. Das Marktpotenzial liegt weltweit über 150 Milliarden Euro. Mit dem bereits im Jahr 2000 aufgelegten Forschungs- programm „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahr- hundert“ hat die Bundesregierung diese Herausforderung bereits erfolgreich angenommen. Der vorliegende rot- grüne Antrag baut auf diesem Forschungsprogramm auf und will weitere Akzente setzen. Vor allem die Umweltfreundlichkeit muss weiter in den Mittelpunkt rücken. So gilt es, die bisherigen Meeres- technologien umweltfreundlicher zu gestalten. Die Ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224840 (C) (D) (A) (B) schmutzung zum Beispiel bei der Ölgewinnung ist auf null zu reduzieren. Die Energieversorgung der Meerestechnikanlagen soll verstärkt auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Schmieröle aus Pflanzenölen bzw. Windkraft, Biomasse und Solarenergie zur Stromversorgung reduzieren die Ge- fahr auslaufender Betriebsmittel und den Schadstoffaus- stoß auf null. Die alltägliche Verschmutzung mit Ölen wird dann der Vergangenheit angehören. Auch muss das Problem der giftigen Anstriche gelöst werden. Hier hat es in der jüngsten Zeit mithilfe der Na- notechnologie wichtige Fortschritte gegeben. Wir müssen diesen Weg schnell weiter gehen. Aquakulturen für die Produktion von Seefischen soll- ten möglichst umweltfreundlich sein. Sie dienen dann nicht nur dem Umweltschutz, sondern auch der Gesund- heit der Verbraucher. Das breite Spektrum der Unterwassertechnik – zum Beispiel in der Kommunikationstechnologie ist auf den Schutz der Meerestiere auszurichten. Zum Beispiel steht Unterwasserlärm im Verdacht, die Wale zu schädigen. Meine Damen und Herren, die Meerestechnik be- kommt eine völlig neue Chance. Diese Chance heißt: er- neuerbare Energien. Konkret handelt es sich um die Windenergie und die Meeresenergien, die mit Meeres- strömungskraftwerken, Wellenkraftwerken und Gezeiten- kraftwerken genutzt werden können. Alleine in Deutsch- land sollen bis 2020 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 25 000 Megawatt installiert werden. Dies ist eine große Chance für den Klimaschutz und eine große Chance für die Werften. Sehr viel versprechend sind auch die Anstrengungen zur Nutzung des Meeresströmungen und der Wellenkraft. Die ersten Pilotprojekte sind in Schottland, England und Japan bereits im Entstehen. Auch die Gezeitenenergie hat gute Chancen. Wir wollen die deutsche Industrie auch für diese Zukunfts-Energietechnologien fit machen. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Meerestech- nik in vielen Bereichen. Aber wir verschweigen die Pro- blemfelder nicht. Angesichts der Klimagefahren wollen wir keine Staatsmittel für die Exploration von fossilen Rohstoffen ausgeben. Diese Forschungsmittel müssen stattdessen für klimaneutrale Technologien ausgegeben werden. Besonders gefährlich wäre die Erschließung der Me- thanhydrate. Die Schätzungen über deren Vorkommen ge- hen weit auseinander. Wir halten es für sinnvoll, für die Klimaforschung mehr über deren Vorkommen zu erfah- ren. Für den Fall, dass diese Methanhydrate wirklich in großen Mengen vorkommen, gehen wir aber ein unver- antwortliches Risiko ein, wenn wir diese Methanhydrate fördern; denn das beim Verbrennen freigesetzte Kohlen- dioxid heizt das Treibhaus Erde an. Lassen wir die Me- thanhydrate auf dem Meeresboden! Die Energie, die wir brauchen, geben uns die Meere über Wind und Wellen, Meeresströmungen und Gezeitenkraft. Wir müssen nur zugreifen. Es wäre töricht, das Weltklima zu riskieren, in- dem wir auf einen Rohstoff zurückgreifen, den wir nicht brauchen. Die Union und die FDP werfen uns einen Angriff auf die Forschungsfreiheit und auf die Grundlagenforschung vor. Dieser Vorwurf ist vollkommen absurd, auch weil un- ser Antrag sich explizit dafür ausspricht, Methanhydrate zu erforschen. Die Grundlagenforschung ist somit nicht angetastet. Wir sprechen uns sogar explizit für die Klima- forschung bei den Methanhydraten aus. Aber wir sind auch ebenso explizit gegen die Vorlaufforschung für die Exploration von Methanhydraten. Die Forscherfreiheit ist überhaupt nicht tangiert. Jeder Forscher, der hier forschen will, kann dies tun, es steht hier nichts von Verbot wie zum Beispiel beim Import neuer Stammzelllinien. Es gibt kein grundgesetzliches Anrecht des Forschers auf staatliche Forschungsmittel. Der Staat hat die Aufgabe, mit seinen Forschungsmitteln verantwortlich umzugehen. Er soll die Mittel eben dort einsetzen, wo sie Nutzen versprechen und nicht dort, wo vor allem mit Schaden gerechnet werden muss. Ange- nommen, die Vorkommen an Methanhydraten wären wirklich so groß wie von einigen Wissenschaftlern be- hauptet, dann liegt auf der Hand, dass ihr Abbau eine Ka- tastrophe für das Klima wäre. Aufgabe des Staates ist es, das Klima zu schützen – wozu etwa die Erforschung der energetischen Nutzung der Erdwärme gehört. Aufgabe des Staates ist es nicht, den Treibhauseffekt zu fördern. Ich entnehme den Anträgen der CDU/CSU und der FDP, dass sie dies anders sehen. Die Herren Wissmann und Börnsen in der Union verstiegen sich am 10. Juni so- gar zu folgender Aussage in einer Pressemitteilung: Die Entwicklung der Meerestechnik wird durch die rot-grüne Bundesregierung gehemmt, wenn sie Wis- senschaft und Forschung unter das Diktat der Klima- und Umweltschutzziele stellt. Daraus können wir entnehmen, dass der Union die Ent- wicklung auch klimaschädlicher Meerestechnik wichtiger ist als der Klima- und Umweltschutz selbst. Die FDP setzt noch eins drauf und fordert sogar „die Technologien zum wirtschaftlichen Abbau von Gashydra- ten, insbesondere in den Permafrostgebieten, zur Siche- rung der Energieversorgung künftiger Generationen wei- ter zu fördern“. Wir sind der Union und der FDP sehr dankbar, dass sie so offen zugeben, dass Umwelt- und Klimaschutz für sie keine Rolle spielen, wenn sie wirtschaftlichen Interessen entgegenstehen. Wir Grünen sehen das anders. Wir neh- men die Klima- und Umweltprobleme ernst und wollen sie lösen anstatt zu verschlimmern. In dem heute zur Debatte stehenden gemeinsamen An- trag von Rot-Grün sind die neuen Chancen der Meeres- techniken gut herausgestellt. Damit werden dem Um- weltschutz und der deutschen Meerestechnikindustrie gemeinsam neue große Perspektiven eröffnet. Hans-Michael Goldmann (FDP):Die heute mir vor- liegenden „Weltweite Märkte für Meerestechnik er- schließen“ und „Zukunft Meer – Für eine verantwor- tungsbewusste Nutzung der Meerestechnologie“ geben uns sehr gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der maritime Sektor und hier speziell die Meerestechnik Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24841 (C) (D) (A) (B) großartige Zukunftschancen für das Küstenland Deutsch- land bietet. Es ist viel zu wenig im Bewusstsein der Bür- gerinnen und Bürger, dass über 70 Prozent der Erde von Ozeanen bedeckt sind, 90 Prozent des Außenhandels der Europäischen Union verschifft werden und die Ozeane – das Wasser insgesamt – für unsere Klimaentwicklung ausschlaggebend sind. Mit Bewunderung sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass seit vielen Millionen Jahren die Weltmeere ein ungeheuer großes Biokraftwerk mit uner- messlichen Vorräten an Nahrungsmitteln, an Lebens- und Heilkraft von bedeutender Qualität, Quantität und Vielge- staltigkeit sind. Die Weltmeere sind das Erbe der Mensch- heit. Dieses Erbe gilt es zu pflegen und zu intensivieren. Meerespolitik befindet sich global in einer dynamischen Entwicklung, dabei kommt der maritimen Technologie eine qualitativ hochwertige Bedeutung als Investitions-, Arbeits- platz- und Zukunftsmotor zu. Ein Teilbereich der maritimen Wirtschaft Deutschlands ist die Meerestechnik. Der Meerestechnik kommt neben den Bereichen Schifffahrt, Schiffbau und Hafenwirtschaft auf der Grundlage folgender Technikfelder herausragende Bedeutung für eis maritimes Hochleistungsland wie die Bundesrepublik Deutschland zu: Aquakultur bzw. Marikultur, Hydrographie, Meeresfor- schungstechnik, maritime Umweltschutztechnik, maritime erneuerbare Energien, maritime Informations- und Lei- tungssysteme, Küstenzonenmanagement und Wasserbau, Offshore-Technik, Polartechnik, Unterwassertechnik und Seekabel. Die wirtschaftliche Bedeutung der Meerestechnik in Deutschlalnd kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das weltweite Marktpotenzial der Meerestechnik wird zurzeit pro Jahr auf über 150 Milliarden Euro Jahres- umsatz geschätzt und ist damit schon heute ein dem Schiffbau vergleichbarer, bedeutsamer Faktor mit erheb- lichem Wachstumspotenzial. Den weitaus größten Anteile daran hat mit 80 Milliarden Euro die Offshore-Industrie. In Deutschland wurde in einem vergleichbaren Zeitraum ein Jahresumsatz von circa 3 Milliarden Euro erzielt. Die- ser Umsatz entspricht in keinster Weise dem Technologie- und Wirtschaftspotenzial Deutschlands. Zwar werden auf einigen Wirtschaftsfeldern der Meerestechnik die Märkte von nationalen Zugangsbehinderungen geprägt, aber die Erfahrungen zeigen, dass mit innovativer Technologie, die zu kostengünstigen und umweltschonenden Produk- ten führt, der Zugang zu diesen Märkten nicht nur er- reicht, sondern auch ausgebaut werden kann. Unerlässlich erscheint in diesem Zusammenhang eine verstärkte, zwi- schen Wirtschaft und Politik intensiver koordinierte Markterschließungstrategie, aber auch eine angemessene Förderung von Forschung und Entwicklung. Gerade in diesen Bereichen wird die FDP-Bundestagsfraktion in der nächsten Periode deutliche Akzente setzen, die Rot-Grün bis jetzt verpasst hat. Das vom Bundesministerium für Bildung und For- schung vor zwei Jahren vorgelegte Forschungsprogramm Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert wurde in der Branche zwar positiv aufgenommen, der An- satz muss aber deutlich ausgebaut werden. Die Perspekti- ven der Meerestechnik für die nächsten zehn bis 20 Jahre sind außerordentlich positiv einzuschätzen. Sie werden hauptsächlich durch umweltpolitische und wirtschaftli- che Entwicklungen bestimmt. Dabei steht die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien zum Beispiel Offshore- Windparks, der umweltverträgliche Rückbau und die Entsorgung von Offshore-Anlagen, die nachhaltige Nut- zung mariner Ressourcen und die Unfallverhütung und Bekämpfung im Zentrum der Überlegungen. Damit das enorme Wachstumspotenzial der Meeres- technik auch wirklich realisiert werden kann und die Chancen für mehr Investitionen und Arbeitsplätze zügig genutzt werden, sind nach meiner Auffassung folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die meerestechnische Wirtschaft zwingend notwendig: Alle an der Wirtschaft Beteiligten, aber auch die Bun- desregierung, die Länderregierungen und die staatlichen Stellen sind für das enorme Wachstumspotenzial der Mee- restechnik zu sensibilisieren. Innovation und Produktent- wicklung bedürfen einer punktgenauen Förderung. Eine Reduzierung administrativer und strukturpolitischer Hin- dernisse ist notwendig. Gerade den kleinen und mittel- ständischen Unternehmen, die sich im Bereich der Mee- restechnik betätigen, muss eine Förderung in Hinblick auf Innovation und Produktentwicklungen zugute kommen. Die internationale Vermarktung bedarf verstärkter Unter- stützung. Die Informations-, Koordinations- und Koope- rationsvernetzung der Meerestechnik im Rahmen der ma- ritimen Wirtschaft sind zu unterstützen. Es ist sicherlich zu überlegen, ob eine Institution zur Koordination von In- formationsbeschaffung von Vernetzung und Kooperation so zu fördern ist, dass sie den Unternehmungen, die im Bereich der Meerestechniken aktiv sind, Zukunftschan- cen eröffnet. Die FDP unterstützt mit großem Nachdruck das Strate- giepapier zur Förderung der Meerestechnik als Teil der maritimen Wirtschaft Deutschlands, das von der Gesell- schaft für maritime Technik e.V., GMT, vorgelegt worden ist. Die FDP und ich ganz persönlich sehen in dem vorge- legten Strategiepapier eine gute Grundlage, um die Tech- nikfelder der Meerestechnik konsequent zu fördern und weiterzuentwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass der Bereich der Meeres- technik mit seinen differenzierten Technikfeldern ein Wachstumsmotor für den Wirtschaftsstandort Deutsch- land ist. Das gilt in ganz besonderer Weise für die Off- shore-Technik, die gerade der norddeutschen Küstenre- gion große Perspektiven im Hinblick auf Investitionen und Arbeitsplätze, aber auch als energiepolitische Alter- native bietet. Das Nahrungsmittel Fisch wird immer teurer, der Ei- weißbedarf immer notweniger, Aquakulturen und Mari- kulturen bieten in diesen Bereichen eine Zukunftschance, die besonders in Schleswig-Holstein schon jetzt realisiert wird. Der CDU/CSU-Antrag zur Meerestechnik ist ein guter Antrag, wir werden diesem daher zustimmen. Der Antrag der Regierungskoalition greift die Zukunftschan- cen der Meerestechnik nur unzureichend auf, wir werden ihn deshalb ablehnen. Wolfgang Bierstedt (PDS): Zum Ende der Legisla- turperiode leistet das Parlament schier Übermenschliches. Alle noch anstehenden Anträge sollen in marathonähnli- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224842 (C) (D) (A) (B) chen Nachtsitzungen durchgezogen werden. Leider geht die wichtige Parlamentsarbeit nicht nur an der interessier- ten Öffentlichkeit vorbei, auch die Kultur des politischen Meinungsstreits leidet nachhaltig darunter. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion fordert ziemlich unverblümt eine verdeckte Wirtschaftsförderung für die Not leidenden deutschen Werftunternehmen im Sinne einer Förderung verschiedener Forschungsprojekte, die sich mit praxisorientierten Meerestechnologien be- schäftigen. Aus diesem Antrag nehmen wir zur Kenntnis, dass die Innovationspotenziale der deutschen Werften groß sind (auch in der Rüstungsproduktion), mit einer breiten Palette innovativer Produkte vom Schiffsantrieb bis zu modernsten Navigationssystemen. Dieser Antrag beschäftigt sich auch mit den Wachstumschancen der ma- ritimen Aquakultur bzw. „Blauen Biotechnologie“. Es ist richtig, dass sich „auf verschiedenen Gebieten der Bio- technologie zurzeit eine rasante Entwicklung vollzieht, die neue Chancen für Wissenschaft und Wirtschaft eröff- nen“. Wir behalten dabei aber den erforderlichen Um- weltschutz der Weltmeere im Auge. Für die Gewährleis- tung eines vorsorgenden Meeresumweltschutzes tragen alle Disziplinen der maritimen Technikforschung hohe Verantwortung. Wir treten für eine umfassende Nutzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ein, wo- durch die Meerestechnologie immer mehr zu einem Be- reich der angewandten Wissenschaft wird. Zugleich be- wahren wir aber kritische Distanz zu dem technisch Machbaren, wenn dieses unübersehbare Risiken für Meere, Natur und Mensch in sich birgt. So bedarf jeder Schritt in der Nutzbarmachung der so genannten blauen Biotechnologie, in der Aquakulturproduktion strikter, ge- setzlich gesicherter Kontrollen, öffentlicher Aufklärung und hoher außerparlamentarischer Aufmerksamkeit und nicht zuletzt eines angemessenen Schutzniveaus für die Aquakulturen, die Umwelt und die potenziell betroffenen Verbraucher. Der Stand der Forschung zur Biotechnologie und Gentechnik lässt insgesamt die Risiken für die Um- welt und Gesundheit noch nicht absehen. Die derzeit ver- fügbaren Methoden für gentechnische Veränderungen bei Fischkulturen für die Lebensmittelproduktion aber auch Shrimps sowie Algen sind noch wenig effizient und ber- gen – einmal in die Umwelt gelangt – große Gefahren für das ökologische Gleichgewicht. Aufgrund der genannten biotechnologischen Risiken und einer verstärkten Förde- rung technologischer Forschungsergebnisse auch in der militärischen U-Bootproduktion wären wir geneigt, die- sen Antrag grundsätzlich abzulehnen. Da wir uns aber auch der notwendigen Sicherung der Arbeitsplätze gerade in diesem Bereich der zivilen maritimen Industrie nicht verwehren wollen, werden wir uns der Stimme enthalten. Die Regierungskoalition hat sich mit dem Antrag – Weltweite Märkte für Meerestechnik erschließen – viel vorgenommen. Auch von ihr wird eine gewisse Unter- stützung bei der Produktentwicklung der Meerestechnik versprochen. Die weltweite Vermarktung von maritimen Umwelt- schutztechniken zur Verhinderung und Bekämpfung von Ölunfällen auf hoher See und zur Sanierung von ver- schmutzten Küsten und Stränden können wir mittragen. In der Frage der effektiven Energiegewinnung und -ver- sorgung meinen wir, dass eine Energiewende durch bes- sere Nutzung regenerativer Energien eingeleitet werden muss. Dabei sind entwicklungs- und anwendungsseitige Forschungen in ihrer Vielfalt und in der Breite zu nutzen. Der Antrag der Regierungskoalition regt zur Entwicklung bestimmter meerestechnischer Technologiebereiche auch eine Kooperation zwischen kreativen KMU an, mit maß- geblicher Unterstützung durch staatliche Einrichtungen und Institutionen. Solcherart Kooperationen wurden im InnoRegio-Projekt „Maritime Allianz“ in Mecklenburg- Vorpommern bereits begonnen und finden auch unsere Zustimmung. Wir müssen aber feststellen, dass sich in diesem Antrag die versprochene Unterstützung auch der Bundesregierung für die Industrie bei der Erschließung der Weltmärkte nur auf die Floskeln „prüfen“, „achten“, „koordinieren“ und „Anstrengungen unterstützen“ be- schränkt. Wir sind uns sicher einig, dass eine solche rela- tiv unbestimmte Handlungsweise der deutschen For- schungslandschaft und der Werftindustrie nicht hilfreich ist. Deshalb enthalten wir uns auch hier der Stimme. Votum: Bundestagsdrucksache 14/9223 Enthaltung Votum: Bundestagsdrucksache 14/9352 Enthaltung Dr. Ditmar Staffelt, Parl Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Es freut mich, heute das Thema Meerestechnik im Bundestag anspre- chen zu können: Wie die Anträge der Regierungskoalition und der CDU/CSU-Fraktion belegen, ist das Interesse an der Meerestechnik deutlich gestiegen. Trotz ihrer Rolle als wichtiger Impulsgeber für die deutsche maritime Wirt- schaft wurde bislang die Meerestechnik in der Öffentlich- keit nicht hinreichend beachtet. Die Meerestechnik ist ein Bereich, der sich durch eine sehr starke Heterogenität aus- zeichnet. Zu diesem Bereich gehören unter anderem pro- duzierende Unternehmen, Ingenieursbüros, Universitäten und Forschungsinstitute. Die Bandbreite der Tätigkeiten reicht dabei von der Hydrographie bis hin zum Bau von Unterwasserfahrzeugen. Daraus folgt eine vielfältige Wirtschaftsorientierung mit durchaus unterschiedlichen Interessenlagen der Akteure. Es bestehen aber auch Gemeinsamkeiten: Die Anfor- derungen an das Know-how der Mitarbeiter sind in allen meerestechnischen Betrieben sehr hoch. Das hängt eng mit der High-Tech-Orientierung des meerestechnischen Wirtschaftszweiges zusammen. Ein weiteres gemeinsa- mes Merkmal ist die starke klein- und mittelständische Orientierung dieser Branche. Ein Problem liegt für die meerestechnische Branche darin, dass aufgrund der geringen Größe des heimischen Marktes ein nachhaltiges Wachstum der deutschen mee- restechnischen Betriebe nur im globalen Kontext möglich ist. Andererseits prognostiziert die Gesellschaft für Mari- time Technik für Deutschland bis 2005 im meerestechni- schen Bereich eine Verdopplung der Umsätze auf circa 3,5 Milliarden Euro. Eine Prognose, die mit lukrativen Entwicklungen in diesem Bereich zusammenhängt. Die Bundesregierung hat sich die Stärkung des mariti- men Standortes in Deutschland zum Ziel gesetzt. Auftakt des damit verbundenen Arbeitsprozesses war die Erste Na- tionale Maritime Konferenz 2000 in Emden. Als zentrale Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24843 (C) (D) (A) (B) Herausforderung wurde damals die Identifikation von Vernetzungspotenzialen innerhalb der maritimen Wert- schöpfungskette erkannt. Damit wurde der entscheidenden Rolle von innovativen Netzwerken bei der Erhöhung der Produktivität einer Branche Rechnung getragen. Um das Kooperationsniveau im maritimen Bereich zu steigern, wurde im Juli 2000 ein maritimer Koordinator eingesetzt. Um Vernetzungspotenziale in der maritimen Wirtschaft zu erkennen und nutzbar zu machen, wurde vom Bundesmi- nisterium für Wirtschaft und Technologie eine Analyse in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse und Implikationen kürzlich auf einer Fachkonferenz im BMWi diskutiert worden sind. Die Meerestechnik wird eine angemessene Berück- sichtigung im Vernetzungsprozess finden. Sie wird auch bei der kommenden nationalen maritimen Konferenz in Lübeck als ein Schwerpunkt thematisiert. Die Bundesre- gierung wird prüfen, ob – entsprechend einer Empfehlung der genannten Analyse zu Vernetzungspotenzialen – ein Internetportal für die deutsche maritime Wirtschaft zur besseren Vernetzung beitragen könnte. Ein solches Portal könnte auch den Bereich der Meerestechnik abdecken. Für den Bereich der Forschung und Entwicklung hat das BMBF das Internetportal für Schifffahrt und Meerestech- nik, das so genannte ma-tec-Netz bereits zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung wird auch weiterhin alles tun, um die Entwicklung der Meerestechnik zu fördern. Ein wich- tiger Ansatz hierbei ist die Unterstützung von F+E-Akti- vitäten, da die Entwicklung neuer Technologien die Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit deut- scher Unternehmen darstellt. Die Meerestechnik profitiert in diesem Zusammenhang unter anderem von dem For- schungsprogramm der Bundesregierung „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“, das auch für klei- nere und mittlere Unternehmen konzipiert ist. Die Bundesregierung ist bereit, die internationale Ver- marktung der Produkte und Dienstleistungen deutscher Meerestechnik zu unterstützen. Deutsche Auslandsvertre- tungen und Außenhandelskammern können die konkreten Projekte flankieren. Auf Initiative des BMWi haben sich die wichtigsten Akteure der Außenwirtschaftsförderung zum „Serviceverbund Außenwirtschaft“ zusammengefun- den und sind im Internet-Außenwirtschaftportal iXPOS vertreten. Auslandsinvestitionen kleiner und mittlerer Un- ternehmen werden durch zinsgünstige Kredite im Rahmen des KfW-Mittelstandsprogramms Ausland erleichtert. Erfolgversprechend ist auch die Nutzung erneuerbarer Energien im maritimen Bereich, insbesondere der Off- Shore-Windenergie. Die Bundesregierung hat durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz für die Entwicklung dieser Branche stabile Rahmenbedingungen geschaffen. Ziel des EEG ist es, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Um die erheblichen Potenziale von Offshore-Windparks mög- lichst schnell erschließen zu können und die nötigen Rah- menbedingungen zu schaffen, hat die Bundesregierung im Januar 2002 eine Strategie zur Windenergienutzung auf See vorgelegt. Eine mittel- und langfristige Steigerung der maritimen Aquakultur – oder so genannte Marikultur – zur Deckung des zunehmenden weltweiten Bedarfs an Nahrung, Eiweiß und den Wirkstoffen für die Pharmaindustrie erfordert ei- nen deutlich stärkeren Einsatz ökologisch verträglicher ge- schlossener Kreislaufanlagen. Derzeit bestehen in Deutschland jedoch nur geringe Erfahrungen mit Marikulturanlagen. Nach allen derzeit vorliegenden Pro- gnosen wird sich der Markt für solche Anlagen in den kommenden Jahren aber deutlich erhöhen. Hier ist ein wichtiges Betätigungsfeld mit Zukunftsorientierung für das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gegeben. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (Kommunale Rechte bei Windkraftanlagen stärken) (Tages- ordnungspunkt 21) Wolfgang Spanier (SPD): Der Gesetzentwurf zur Än- derung des Baugesetzbuchs hat durchaus einen sachlichen Hintergrund. Ich weiß aus der Erfahrung in meinem Wahl- kreis, dass es in vielen Gemeinden durchaus Konflikte gibt, dass es Initiativen gibt gegen die Errichtung von Windkraftanlagen, dass es äußerst problematische Anträge gibt mit Standorten, die zu einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung führen. Wir müssen die Probleme der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen. Dieser Gesetzent- wurf ist hierfür aber vollkommen ungeeignet. Nach dem Regierungswechsel 1998 haben wir eine Wende in der Energiepolitik eingeleitet. Mehr Energieeffi- zienz und Klimaschutz sind die Hauptziele dieser Ener- giepolitik. Neben der Vereinbarung zum Atomausstieg, der ökologischen Steuerreform, dem Ausbau der Kraft- Wärme-Kopplung, der Energieeinsparverordnung, den Programmen zur Wohnraummodernisierung und zur CO2-Minderung ist die Förderung der erneuerbaren Energien, insbesondere durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, eine der wichtigsten energiepolitischen Initiativen. Langfristig ist nur eine Energieversorgung auf der Grundlage erneuerbarer Energien wirklich nachhaltig und zukunftsfähig. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist daher ein zentrales politisches Vorhaben. Überdies ist der Ausbau der erneuerbaren Energien auch beschäftigungs- politisch mittlerweile bedeutsam. Mehr als 100 000 Men- schen arbeiten in diesem Bereich. Wir haben den Beitrag der erneuerbaren Energien zu unserer Stromversorgung in den letzten vier Jahren von 4,6 Prozent auf 7,1 Prozent erhöhen können – ein Zu- wachs von mehr als 50 Prozent. Bis zum Jahr 2010 wol- len wir die Stromerzeugung aus Wind, Wasser, Biomasse, Geothermie und Solarenergie auf mindestens 12 Prozent erhöhen und weiter ausbauen. Wir unterstützen die Ziel- vorgabe der Europäischen Union, bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts die Hälfte unseres Energiebedarfs aus er- neuerbaren Quellen zu speisen. Deutschland ist „Windweltmeister“. Gut ein Drittel der weltweiten Windkraftleistung gewinnt Deutschland. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224844 (C) (D) (A) (B) Ende 2001 wurden bei uns 11 440 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 8 754 Megawatt betrieben. Diese lie- ferten 3 Prozent des deutschen Stromverbrauchs und spar- ten 10 Millionen Tonnen CO2 ein. Die Anlagen werdenimmer effizienter und größer. In dieser Legislaturperiode hat sich die Zahl der Anlagen knapp verdoppelt, ihre Leis- tung hat sich jedoch fast vervierfacht. Im Windenergie- sektor sind rund 35 000 Menschen beschäftigt. Mittler- weile sind Windkraftanlagen ein deutscher Markenartikel und Exportschlager. Zwei gesetzliche Regelungen haben maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen. Wir haben 1996 mit den Stimmen aller im Bundestag vertretenen Parteien die Vor- schrift zur Privilegierung von Windkraftanlagen im § 35 des Baugesetzbuches beschlossen. Im Jahre 2000 haben wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen und die Festlegung der Vergütung auf 9,1 Cent/kWh. Die Änderung des Baugesetzbuches von 1996 ermög- licht die Privilegierung von Windkraftanlagen und fordert die Gemeinden im Rahmen der Flächennutzungspläne auf, besondere Vorranggebiete für die Windenergienut- zung auszuweisen. Davon haben viele Gemeinden Ge- brauch gemacht – in Nordrhein-Westfalen sind es 60 Pro- zent der Gemeinden mit stark steigender Tendenz. Der vorliegende Gesetzentwurf von einer Gruppe von Abge- ordneten der CDU/CSU und der FDP will nun die Ände- rung des Baugesetzbuches erreichen, um auf diese Weise den Bau von Windkraftanlagen zu erschweren. Es ist schon auffällig, dass dieser Antrag weder von der Fraktion der CDU/CSU noch von der Fraktion der FDP unterstützt wird. Er hat auch nicht die Zustimmung der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der beiden Fraktio- nen gefunden. Es ist auch deutlich, dass dieser Gesetzent- wurf wohl eher den Charakter eines Show-Antrages trägt. Weil natürlich den Antragstellern bewusst ist, dass eine Änderung des Baugesetzbuches nicht nur sorgfältig in den zuständigen Gremien des Bundestages beraten werden muss, sondern genauso sorgfältig in dem zuständigen Gremium des Bundesrates. Das ist allein vom zeitlichen Ablauf her von vornherein unmöglich. Deswegen ist allen Beteiligten klar, dass dieser Gesetzentwurf in dieser Le- gislaturperiode nicht mehr abschließend beraten und be- schlossen werden kann. Der Antrag gibt vor, die Planungshoheit der Kommu- nen stärken zu wollen. Die Vorschläge sind dafür untaug- lich. Das geltende Recht gibt den Gemeinden genügend rechtliche Möglichkeiten, die Genehmigung von Wind- kraftanlagen zu versagen, wenn öffentliche Belange be- einträchtigt werden. Die Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben in jüngster Zeit noch einmal alle einschlägigen gesetzlichen Regelungen zusammen- gestellt, die von den Kommunen dabei zu beachten sind. Das gilt zum Beispiel für die TALärm, das gilt für andere emissionsrechtliche Schutzbestimmungen, das gilt auch für Umweltverträglichkeitsprüfungen, wenn mehrere An- lagen beantragt werden. Die Gemeinden verfügen also über genügend rechtliche Instrumente, um nicht sinnvolle Windkraftanlagen verhindern zu können. Allerdings ist eine wichtige Voraussetzung die Ausweisung von so ge- nannten Vorranggebieten innerhalb des Flächennutzungs- plans. Besonders problematisch ist der Vorschlag, den § 245 b BauGB zu ändern. Er sieht vor, Anträge über die Zuläs- sigkeit von Windkraftanlagen bis zum 31. Dezember 2003 zurückzustellen. Ursprünglich war vom Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 1998 eingeräumt worden, um Zeit zu haben für die Vorbereitung von entsprechenden Flächennutzungsplänen. Nach Ablauf der Frist vor über drei Jahren jetzt erneut eine Frist einzuräumen, um lau- fende Genehmigungsanträge zurückzustellen ist rechtlich nicht vertretbar. Die Gemeinden hatten seit In-Kraft-Treten der Privile- gierung von Windkraftanlagen vor nunmehr fünf Jahren ausreichend Zeit, ihre Flächennutzungspläne auf die neue Rechtslage einzustellen. Wir können nicht willkürlich ge- setzliche Änderungen vornehmen. Planungssicherheit ist ein hohes Rechtsgut – gerade auch auf der kommunalen Ebene. Der Antrag ist also in keiner Weise geeignet, die Planungshoheit der Kommunen zu verbessern. Es ist aber nur allzu offenkundig, dass es den Antrag- stellern darum auch gar nicht geht. Das eigentliche Ziel ist es, dass Erneuerbare-Energien-Gesetz auszuhöhlen. In den Wahlprogrammen von CDU/CSU und FDP wird deutlich, dass sie dieses Gesetz kippen wollen. Das ist natürlich auch kein Wunder. Wer die energie- politische Zukunft auf die Kernenergie setzt, der hat natürlich kein Interesse daran, die erneuerbaren Energien wesentlich auszubauen. Allerdings: Wer den Weg der Kernenergie gehen will, der muss zwei Fragen beantwor- ten. Erstens, wie er sich die Endlagerung vorstellt und zweitens, wie er sich die Genehmigung und den Bau von neuen Kernkraftwerken vorstellt, weil die bestehenden 19 Kernkraftwerke sicherlich in absehbarer Zeit – wenn die dauerhafte Nutzung der Kernenergie denn politisch gewollt ist – erneuert werden müssen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist also aus fachpoliti- scher Sicht völlig untauglich. Das sehen auch die Fach- politiker von CDU/CSU und FDP so. Er ist letztlich nicht ernst gemeint, weil den Antragstellern völlig bewusst ist, dass die Änderung des Baugesetzbuches in dieser Legis- laturperiode allein schon aus zeitlichen Gründen über- haupt nicht mehr beschlossen werden kann. Und er gibt nur vor, die Planungshoheit der Kommunen erhöhen zu wollen – letztlich geht es um eine energiepolitische Wende rückwärts. Ich möchte zum Abschluss noch einmal betonen, dass wir die berechtigten Interessen von Anwohnern von Wind- kraftanlagen ernst nehmen. Wir wollen Belastungen ver- meiden. Deshalb ist es sicherlich richtig, in der nächsten Legislaturperiode, wenn wir ohnehin die Novellierung des Baugesetzbuches angehen müssen, auch noch einmal zu überprüfen, wie wir in dem einen oder anderen Punkt mög- licherweise Klarstellungen und damit Hilfen für die Ge- meinden erreichen können. Eines aber muss klar sein: Über das Baugesetz die Förderung der Windenergien auszuhe- beln, dass kann und darf nicht unser politisches Ziel sein. Sollte es allerdings Lücken geben, die wir schließen müssen, um Windkraftanlagen, die zur Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung führen, leichter und schneller ver- hindern zu können, dann ist das sicherlich eine sinnvolle Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24845 (C) (D) (A) (B) Aufgabe im Rahmen der Beratungen zur Novellierung des Baugesetzbuches. Voraussetzung ist eine sorgfältige Beratung im Bundestag und Bundesrat. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Baden-Württemberg hat im Mai 2002 ein Signal gesetzt, indem der Planungsausschuss des Verbandes der Region Stuttgart mit breiter Mehrheit beschlossen hat, die Pla- nung von Windkraftanlagen bis auf weiteres zu stoppen. Für die Schwarzwaldregionen gibt es neue restriktive Richtlinien und andere Regionen in Baden-Württemberg werden folgen. Grund und Ursache war die Flut von An- trägen auf Bau von Tausenden von Windkrafträdern, auch in Baden-Württemberg. Und hier setzt der Antrag der Gruppe der Abgeordne- ten aus CDU/CSU und FDPmit immerhin 80 Mitgliedern des Deutschen Bundestages ein, die sich bereits im März 2002 zusammenfanden, um den Wildwuchs von Wind- krafträdern in den schönsten Teilen Deutschlands zu stop- pen. Wir wollen erreichen, dass nur mit vernünftiger Pla- nung, unter Abwägung von Grundsätzen entschieden wird, nämlich „die natürlichen Lebensgrundlagen für die zukünftigen Generationen zu erhalten“, und das in der Re- gel bei den entsprechenden Landschaften nicht durch Ver- schandelung, sondern durch Erhaltung der Unberührtheit der Landschaft. Auf der einen Seite kann dort, wo der Wind ständig und stark weht, durch Windkrafträder Energie erzeugt werden, die auch sinnvoll in die Netze einspeisbar ist, auf der an- deren Seite stehen die so genannten windarmen Gebiete – oft in landschaftlich reizvollen Gegenden, die der Erho- lungsfunktion der Bevölkerung, dem Gleichgewicht der Natur sowie der Flora und Fauna dienen, die nunmehr auch für Windenergie genutzt werden sollen. Durch mächtige Befürworter der Windenergie ist eine gigantische Industrie daraus geworden, die sich rühmt, Millionen Tonnen von Stahl zu verbrauchen – zweite Stelle nach der Automobilbranche – und Arbeitsplätze zu schaffen und die den Landschaftsverbrauch und die Ein- schränkung der Erholungsfunktion sowie die Gefährdung der Tierwelt und der Umwelt als gering einschätzt, ge- genüber dem wirtschaftlichen, ökonomischen und ökolo- gischen Wert von Windkraftanlagen. Profitstreben ist auch nichts Negatives, wenn andere nicht beeinträchtigt werden. Aber um in den windarmen Gegenden von West-, Mittel- und Süddeutschland Ener- gie zu einigermaßen vernünftigen ökonomischen Bedin- gungen zu erzeugen, müssen die geplanten Windkraft- anlagen zu „Riesenwindkraftanlagen“ mutieren, die immer höher und immer größer werden und dadurch wird die Beeinträchtigung der Landschaft unerträglich. So wird unumwunden von den Herstellern von Wind- krafträdern mitgeteilt, dass wenn die Nabenhöhe auf 50 oder 60 Meter beschränkt würde – damit eine Gesamt- höhe von 100 Metern erreicht würde – die Erzeugung von Strom aus Windkraft in windarmen Gegenden uninteres- sant sei. Deswegen sind die meisten neuen Windkraftan- lagen mit 100 oder 130 Metern Nabenhöhe, teilweise schon 160 Metern Nabenhöhe und damit Gesamthöhen von 130 bis 200 Metern geplant. Sie sind dadurch zum Teil wesentlich höher als der Kölner Dom – 157 Meter – und das Ulmer Münster – 161 Meter – und werden – nach dem Willen der Hersteller und Betreiber – in Zehntausen- den von Exemplaren quer über die Republik verteilt. Hier stimmt etwas nicht und dem wollen wir entgegenarbeiten. Bei der Verabschiedung der Änderung des § 35 Bun- desbaugesetzes wurde die Privilegierung unter anderem von Windkrafträdern aufgenommen, dabei aber deutlich in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Gemeinden bzw. Pla- nungs- oder Regionalgemeinschaften ermächtigt, Stand- orte von Windenergieanlagen restriktiv zu steuern, indem in Flächennutzungsplänen, Bebauungsplänen oder auch Regionalplänen geeignete Standorte positiv festgelegt werden. Damit konnten andere Flächen ausgeschlossen werden, eine Ausnahme von der regelmäßigen Aus- schlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB könnte nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu bejahen sein. Über die Auslegung dieser regelmäßigen Ausschluss- wirkung gab es die verschiedensten verwaltungsrechtli- chen, aber auch juristische Meinungen, die zu den unter- schiedlichsten Entscheidungen führten. In den windarmen Gegenden Mittel- und Süddeutsch- lands wurden in der Regel keine „geeigneten Standorte“ ausgewiesen, weil bis zum Jahre 2000 nur wenige auf die Idee kamen, dort Windkrafträder zu errichten. Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Windkrafträder nur dort geplant werden können, wo der Wind im Durchschnitt sechs Me- ter pro Sekunde nicht unterschreitet. Erst mit dem neuen Einspeisungsgesetz der rot-grünen Regierung im Jahre 2000 wurden auch diese Standorte, durch besondere lang- fristige Garantien, lukrativ und die großen norddeutschen Windkraftunternehmen stürzten sich auf die Räume, die noch keine Vorzugszonen ausgewiesen hatten, um dort Windkrafträder aufzustellen. Alleine in Baden-Württem- berg liegen, nach einer überschlägigen Schätzung, circa 2000 Anträge vor. Weil es bei den Entscheidungen, die zum Teil noch nicht rechtskräftig sind, immer wieder um die Frage von Regel und Ausnahme geht, haben die Gesetzesinitiatoren die Änderung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB vorgeschla- gen, wonach bei Windkraftanlagen das ,,Regel-Aus- nahme-Verhältnis“ aufgehoben wird und ausgewiesene Vorranggebiete einen Ausschluss von andern Windkraft- anlagen, auch Einzelanlagen, bedeuteten. Diese, vom Ge- setzgeber schon 1996 gewollte Stellung der kommunalen Entscheidungsträger, wird dadurch verdeutlicht und klar- gestellt. So hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-West- falen im November 2001, bei der Frage von Vorzugs- gebieten bereits entschieden: Gemeinden haben bei dieser Ausweisung keine beson- dere Pflicht zur Förderung der Windenergie, sie sind auch nicht verpflichtet einen wirtschaftlich optimalen Ertrag der Windenergienutzung sicher zu stellen. Das bedeutet insbesondere, dass die Gemeinden oder die Kommunalen Entscheidungsträger nicht verpflichtet sind, gigantische Windkrafträder – in der Größenordnung von über 100 bis 200 Metern – zuzulassen weil nur in die- ser Höhe wirtschaftlich aus Wind Energie gewonnen wer- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224846 (C) (D) (A) (B) den kann, wenn dadurch Landschaften großflächig in der Eigenart ihrer Schönheit und ihrer Erholungsfunktion be- einträchtigt werden. Die Beeinträchtigung von Menschen durch Geräusche, Windschatten und die optische, psychische Beeinträchti- gung durch sich dauernd drehende Flügel und bei Höhen ab 100 Metern in der Regel notwendige nächtliche Be- leuchtung, sind noch viel zu wenig untersucht worden. So urteilen die Gerichte unterschiedlich über Ortsabstands- grenzen zwischen 300 und 500 Metern. Nach Erkenntnis- sen von Arbeitsmedizinern müssten diese mindestens auf 1 000 Meter festgelegt werden. Dabei spielt die Haupt- windrichtung insbesondere in bevölkerungsarmen, ländli- chen Gebieten eine Rolle, weil es dort keinen Geräusch- pegel wie am Rande von Autobahnen, Städten oder Industriegebieten gibt. Gerade also dort, in den ruhigen und unberührten Ge- genden, wollen die Windkraftradbetreiber ihre Anlagen aufbauen, weil sie glauben, dort am wenigsten Rücksicht auf die dort lebenden Menschen und die Abstände zu Ge- meinden, Dörfern und Wäldern nehmen zu müssen. Der ökonomische Nutzen für Erbauer und Betreiber liegt in den hohen direkten und indirekten Subventionen, insbe- sondere in dem hohen garantierten Abnahmepreis, den der Bürger direkt als Verbraucher von Energie bezahlt. Dabei ist der ökologische Nutzen vom Windstrom höchst umstritten, weil in Deutschland nicht ein einziges Atomkraftwerk, nicht ein einziges Kohlekraftwerk oder sonstiges Energiekraftwerk und nicht ein einziger von den rund 300 000 häßlichen Strommasten abgebaut bzw. still- gelegt oder abgeschaltet werden kann, selbst wenn die utopische Zahl von 50 000 Windkrafträdern – derzeit sind es 11 000 – oder die Träume von Herrn Scheerer mit 166 000 Windkrafträdern wahr werden, denn „der Wind weht wann er will und nicht wenn der Strom gebraucht wird“! Eine naive Begründung ist, man würde dadurch Atom- kraftwerke oder Kohlekraftwerke stilllegen können, weil man ja durch den Verbund mit anderen Ländern notfalls von dort Strom bekomme. Dies ist schon ein Hohn für je- den denkenden Menschen, weil uns zugemutet wird, in Deutschland bei Windstille den billigen Atomstrom aus Frankreich oder sonstwoher zu beziehen. Die politischen Grenzen der Länder sind keine Grenzen der Luft und auch nicht der Atmosphäre. Der Verbrauch an Land, die Versiegelung oder Schot- terung von Zehntausenden von Kilometern Wegen, Hun- derttausenden von Kilometern Leitungen, die in den Bo- den getrieben werden, um den Strom marktgerecht anbieten zu können, die Hunderttausende von Tonnen Ei- senbeton, die für die Stabilität von Windkrafträdern, ins- besondere „Riesenwindkrafträdern“ aufgewendet werden müssen und die Millionen Tonnen von Stahl, die zur Er- richtung benötigt werden, werden alle nicht umwelt- freundlich erzeugt. Bei rund 400 Tonnen Stahl pro Anlage – und der Ver- brauch wird steigen, je größer die Anlagen werden – sind für die bestehenden 11 000 Anlagen rund 4 Millionen Tonnen Stahl erzeugt und verbraucht worden. Bei weite- ren geplanten 50 000 Anlagen wären es bereits 20 Millio- nen Tonnen Stahl. Hier darf man mit Fug und Recht fra- gen, ob die Ökobilanz noch stimmt. Auch die Auswirkung auf den Arbeitsmarkt ist nicht messbar, denn die angeblich 30 000 Arbeitsplätze, die durch Windkraftenergieanlagenbau gesichert werden, sind laut Wirtschaftsministerium eine Mogelpackung. Bei direkten oder indirekten Subvention von 3 Milliarden Euro pro Jahr – laut Wirtschaftsministerium – könnte man ohne weiteres 100 000 Menschen mit 30 000 Euro jähr- lich beschäftigen, die sich mit anderen sinnvollen öko- logischen Energieträgern, wie zum Beispiel Biomasse, Solartechnik, Wasserkraft und Brennstoffzellen beschäf- tigen. Dänemark, das viel gepriesene Vorreiterland, hat bereits einen Schlussstrich unter Windenergie gezogen. Dort werden praktisch keine neuen Windkraftanlagen mehr gebaut. Ein sehr emotional ausgetragener Streitpunkt ist auch der Schutz von Tieren, insbesondere Vögeln. Niemand will mehr verantwortlich sein für das Zitat in der „Welt am Sonntag“, 10. Februar 2002, in dem festgestellt wird, dass Naturschützer den Tod von bis zu 500 000 Vögeln jähr- lich bei den vorhandenen 11 000 Windkraftanlagen schät- zen, die zu gigantischen Zahlen bei weiteren 50 000 Windkraftanlagen führen würde. Es darf aber auch nicht nur auf die Zahl ankommen, sondern die Sache als solche, dass wir ohne Not, um angeblich die Natur zu schützen, andere auch durch das Grundgesetz geschützte Tiere wie Vögel in großem Umfang gefährden. Windkraftanlagenerbauer und Betreiber laufen Sturm gegen diese Behauptung und insbesondere die Forderung, Windkrafträder mit Schutzgittern zu versehen. Dies ist natürlich technisch möglich, aber teuer, und deswegen ist der Protest der Interessierten verständlich. Diesen Streit sollen die Naturschützer und Tierschützer mit den Herstellern und Betreibern von Anlagen austra- gen, weil es darum in dieser Initiative nicht geht. Wir wollen erreichen, dass die Kommunen wieder die Planungshoheit zurückgewinnen und gegebenenfalls auch mutig genug sein können, festzustellen, dass in ihrem Gebiet aus verschiedenen, aber natürlich stichhal- tigen Gründen, überhaupt keine Windkraftanlagen mög- lich sind oder sie auf bestimmte Gebiete zu beschränken sind. Dabei ist Ziel unserer Initiative, dass den Kommu- nen nicht mit der Argumentation der Wirtschaftlichkeit Riesenwindkraftanlagen als „Privilegiertes Muss“ auf- oktroyiert werden. Es gibt gute und stichhaltige Gründe, insbesondere die Einsehbarkeit auf Höhen oder großen Ebenen, dass die Windkrafträder auf 50 Meter Nabenhöhe beschränkt werden. Die Kommunen sind nicht verpflichtet, um nochmals das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zu zi- tieren, für die Wirtschaftlichkeit der Windkraftbetreiber zu sorgen. Um den Kommunen die nötige Planungszeit und Si- cherheit zu gewähren, schlagen wir vor § 245 b BauGB insoweit zu ändern, dass Anträge für Windkraftanlagen bis Dezember 2003 zurückgestellt werden können. Bis dahin gibt es sicher auch neue Erkenntnisse über Immis- sions- und Emissionsbeeinträchtigungen und über die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24847 (C) (D) (A) (B) Frage der Gefährlichkeit von Windkraftanlagen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass neben Bränden von Windkraftanlagen, Abknicken durch Sturmwindschleu- dern von Eisenteilen und Abschleudern von Eisteilen bei Frost eine relativ große Gefährdung für Menschen aus- geht, sodass auch hier größere Abstände zu Straßen und begehbaren Wegen gefordert werden müssen. Völlig un- verständlich ist, dass diese Riesenwindkraftanlagen mit 400 bis 600 Tonnen Stahl, in Höhen bis zu 200 Metern, nicht regelmäßig einer TÜV-Prüfung unterworfen sind, wenn sie denn nach dem Willen der Hersteller und Be- treiber über Jahrzehnte genutzt werden sollen. Auch hier sollte der Gesetzgeber eingreifen. Ich selbst hege große Sympathien für Vorschläge aus den Reihen der CDU, aber auch insbesondere der FDPaus Nordrhein-Westfalen, die generelle Privilegierung in § 35 Abs. 1 Ziffer b BauGB für Windkraftanlagen abzuschaf- fen und diese Anlagen einer Einzelprüfung zu unterwer- fen. Wir wollen mit der Initiative versuchen, mit einem geringeren Eingriff, vernünftige Zustände in der Bundes- republik Deutschland herzustellen, sodass der Schritt der Aufhebung der Privilegierung erst dann gegangen werden müsste, wenn weiterhin die Planungshoheit der Gemein- den, in Bezug auf die Windkrafträder, eingeschränkt wird. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Windkraftanlagen gehören dorthin, wo der Wind so weht, dass eine Wind- kraftanlage ohne hohe Subventionen rentabel arbeiten kann. Die so eingesparten Subventionen für ungünstige Standorte, sollten als Zuschüsse für die Erzeugung von Bioenergie, Wärmekraftkopplungsanlagen, Solaranlagen, Wasserenergie und insbesondere die Entwicklung von Brennstoffzellen sinnvoll ausgegeben werden. Dann könnten wir unserem Ziel, eine Verbesserung der regenerativen Energien, die dann Strom oder Wärme er- zeugen, wenn man sie braucht, näher kommen und wür- den Menschen und Tiere, Landschaft und Umwelt scho- nen und den größeren Dienst erweisen. Mit diesen Ausführungen verabschiede ich mich nach zwölfjähriger Zugehörigkeit vom Deutschen Bundestag. Ich war gerne und leidenschaftlich Abgeordneter und be- danke mich für Entmutigung und Ermutigung bei den Kollegen aus verschiedenen Fraktionen. Mein Dank gilt aber insbesondere der Unterstützung durch meine eigenen Mitarbeiter, den Mitarbeitern der Arbeitsgruppen, der Fraktion und des Deutschen Bundestages insgesamt. Ich wünsche den Mitgliedern des 15. Deutschen Bundestages eine glückliche Hand für die Zukunft Deutschlands. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN): Die Förderung der erneuerbaren Energien ist einer der Er- folge der rot-grünen Bundesregierung. Gerade die Wind- energie hat einen sehr großen Anteil daran. Das werden auch Sie mit Ihrer energiepolitisch rückschrittlichen Sichtweise nicht übersehen können. In Ihrem Antrag verdrehen Sie die Fakten gründlich. Es ging 1995 in der Neufassung des § 35 des Baugesetzbu- ches nicht um eine grundsätzliche Privilegierung der Windenergie, sondern um die Gleichbehandlung der er- neuerbaren Energien mit anderen Elektrizitätsformen. Davor waren fossile und atomare Stromerzeugungsanla- gen privilegiert, umweltfreundliche und emissionsfreie Erneuerbare-Energie-Anlagen jedoch nicht. Dieser wi- dersinnige Umstand wurde damals korrigiert. Sie machen sich in Ihrem Antrag zum Fürsprecher für die Gemeinden, die angeblich unter den Windkraftanla- gen leiden. Dabei lassen Sie aber völlig außer Acht, wel- che Möglichkeiten vorhanden sind, um den Ausbau der Windenergie voranzutreiben, ohne dass es vor Ort zu Spannungen kommt. Der wichtigste Grundsatz ist immer gewesen, dass die Gemeinden vor Ort am besten wissen, wo sie Windenergieanlagen aufstellen sollten. Die Grund- lage einer Standortentscheidung ist immer die Eignung des Gebietes hinsichtlich des Windes, der Umwelt und der Anwohner. Und genau für diesen Abwägungsprozess bie- tet der existierende § 35 des Baugesetzbuches eine her- vorragende Grundlage. Kommunen können Vorrangge- biete ausweisen, auf denen Windenergieanlagen errichtet werden können. Dadurch gibt es eine Konzentration der Windenergieanlagen auf einen geeigneten Standort. Wenn solche Vorranggebiete ausgewiesen sind, können in den übrigen Gebieten Anträge auf Baugenehmigung von Windkraftanlagen mit Verweis auf eben diese Vorrangge- biete abgelehnt werden. Es bleibt in der Entscheidung der Kommune, ob sie diese Möglichkeit nutzen oder nicht. Das ist ein funktionierendes Planungsinstrument, an dem nicht ohne Not herumgepfuscht werden sollte. Besonders ärgert mich an Ihrem Antrag, dass Sie wie- der mit dem altmodischen Argument der „Verspargelung der Landschaft“ hausieren gehen. Sie haben sich anschei- nend immer noch keine Gedanken darüber gemacht, dass circa 12 000 Windkraftanlagen etwa 250 000 Hochspan- nungsmasten gegenüberstehen. Eine fortschrittliche Energiepolitik mit dezentraler Energieerzeugung führt auch zu einer Verringerung der Zahl der Hochspannungs- masten. Und außerdem tun Sie so, als wäre die Alterna- tive zur Windenergie die freie unberührte Natur. Das ist falsch. Die Alternative zur Windenergie sind Braunkohle- tagebaue, die quadratkilometerweise die Landschaft zer- stören, sind Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke. Das bedeutet nicht nur Flächenverbrauch sondern auch Emis- sionen und strahlenden Abfall. Dieses Bild sollten Sie sich vor Augen halten, wenn Sie über Windenergie reden. Wir haben in dieser Legislaturperiode einen beispiello- sen Boom der erneuerbaren Energien angestoßen. Mit un- serer breit angelegten Förderung von Wind, Sonne, Bio- masse, Wasser und Erdwärme haben wir einen breiten Ansatz, der noch viel Entwicklungspotenzial hat. Wir ha- ben mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Förderin- strument, das Vorbild für die Förderung erneuerbarer Ener- gien auf der ganzen Welt ist. Unsere Förderprogramme wie das Marktanreizprogramm und das 100 000-Dächer-Pro- gramm haben ein Vielfaches an Mittelausstattung vergli- chen mit den Förderprogrammen der alten Bundesregie- rung. Bis heute sind etwa 120 000 Arbeitsplätze angesichts der erneuerbaren Energien entstanden. Auch unsere Bilanz der letzten Wochen kann sich se- hen lassen: Wir haben den Deckel für Photovoltalik im Er- neuerbare-Energien-Gesetz auf 1 000 MW angehoben. Damit besteht jetzt Planungssicherheit für die Errichtung von Photovoltaikfabriken und damit auch Planungssi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224848 (C) (D) (A) (B) cherheit für neue Arbeitsplätze. Jetzt sind alle Biotreib- stoffe von der Steuer befreit. Mit der neuen Regelung wird die bisherige Steuerbefreiung von Pflanzenölen wie zum Beispiel Biodiesel auf alle biologische Treibstoffe ausge- dehnt. Dies betrifft unter anderem Biogas sowie syntheti- sches Benzin und Diesel aus fester Biomasse, Bioethanol, Biomethanol und Wasserstoff aus Biomasse. Das Bun- deskabinett hat beschlossen, die Fördermittel für das Marktanreizprogramm Erneuerbare Energien für 2003 um 30 Millionen Euro auf 230 Millionen Euro aufzu- stocken. Wenn ich mir neben diesen Erfolgsmeldungen Ihren Antrag anschaue, kommt mir noch eine Bürgeranfrage in den Sinn, die ähnlich weit daneben lag. Dort wurde nach dem Einfluss von Windkraftanlagen auf die Erdrotation gefragt. Marita Sehn (FDP): Ein Kampf gegen Windmühlen ist nicht zu gewinnen. Das ist historisch belegt und es gibt in diesem Hohen Hause wohl auch keine Ritter von einer traurigen Gestalt, die einen solchen Kampf aufnehmen wollen. Es geht nicht um ein Ja oder Nein zur Windenergie, sondern es geht darum, wie der Ausbau der Windenergie natur- und umweltverträglich erfolgen kann. Genau die- ses ist das Ziel des vorliegenden Antrages. Die massive Förderung von Windenergieanlagen hat in vielen Regionen zu regelrechten Mikadolandschaften ge- führt. Auch im Hunsrück, in der Eifel und in der Region Trier ist die Landschaft mittlerweile gespickt von Wind- rädern. Die anfängliche Begeisterung für die Windenergie ist längst einer Ernüchterung gewichen. Die Gemeinden und Kommunen sind gespalten in Befürworter und Geg- ner dieser Form der Energiegewinnung. Der Widerstand gegen den hemmungslosen Ausbau der Windenergie auf Kosten der Natur, auf Kosten der Landschaft und der Menschen wächst. Das EEG hat sich zu einem ökologi- schen Rohrkrepierer entwickelt. Die überzogene Förderung der Windenergie führt dazu, dass Betreiber von Windkraftanlagen mittlerweile bereit sind, fast jeden Preis für neue Standorte zu zahlen. Kann es Sinn und Zweck einer nachhaltigen Energiepoli- tik sein, aus kurzfristigen ökonomischen Überlegungen heraus langfristig die Landschaft und den Naturhaushalt zu zerstören? Wir reden heute nicht mehr von kleinen Windmühlen, sondern von riesigen Windkraftanlagen mit einer Höhe von über 200 Meter. Damit wird jede Form der Landschaftspla- nung ad absurdum geführt. In weiten Teilen Deutschlands ist ein weiterer Ausbau der Windenergie nicht mehr ver- tretbar. Das ungehemmte Windmühlenwuchern führt zu ei- nem zunehmenden Widerstand und Widerwillen gegen die Windenergie in der Bevölkerung. Er richtet sich gegen die Verschandelung der Landschaft, die Lärmbelästigung und den Schattenwurf. Die Windenergie hat in großem Maße an Akzeptanz und Sympathie verloren. Unsere Bürgerinnen und Bürger sind nicht gegen die Windenergie, aber sie sind gegen den Wildwuchs und den ungehemmten Landschaftsverbrauch durch immer neue Windkraftanlagen. Wir sollten deshalb alles in unserer Macht Stehende tun, dass der Ausbau der Windenergie na- tur- und landschaftsverträglich erfolgt. Die Energiewende hat die rot-grüne Bundesregierung in eine ideologische Sackgasse geführt: auf der einen Seite das Bundesnaturschutzgesetz und die Forderung nach Erhalt und Schutz von Natur und Landschaft um ih- rer selbst willen, auf der anderen Seite die Förderung ei- nes ungehemmten Windräderwachstums. Hier hat sich die grün-rote Katze ganz fest in den eigenen Schwanz verbis- sen. Windkraftanlagen gehören dorthin, wo sie am wenigs- ten stören und am meisten nutzen. In diesem Sinne kön- nen Off-Shore-Windparks eine interessante Alternative sein. Der vorliegende Antrag weist in die richtige Rich- tung. Die Planungshoheit muss bei den Kommunen und den örtlichen Planungsbehörden bleiben; denn das heißt im Endeffekt auch mehr Akzeptanz vor Ort. Für die Zu- kunft der Windenergie ist die gesellschaftliche Akzeptanz von ganz entscheidender Bedeutung. Warum sollen un- sere Steuerzahler mit 9,1 Cent pro Kilowattstunde die Zerstörung unserer Kulturlandschaft subventionieren? Noch ist es an der Zeit, die Weichen in eine Richtung für eine natur- und landschaftsverträgliche Nutzung der Windenergie zu stellen. Eine stärkere Einbindung der Kommunen und Gemeinden und damit der Menschen vor Ort ist erforderlich. Damit gelingt es, mehr Akzeptanz und damit mehr Zukunftssicherheit für die Windenergie zu er- reichen. Ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie den vorlie- genden Antrag und lassen Sie uns den Ausbau der Windenergie natur-, landschafts- und damit auch bürger- verträglich gestalten! Windenergie für Mensch und Natur und nicht auf Kosten von Mensch und Natur – so sollte unsere gemeinsame Forderung lauten. Christine Ostrowski (PDS): 25 Abgeordnete der CDU und der FDPwollen das Baugesetzbuch ändern und damit die kommunalen Planungsrechte beim Bau von Windkraftanlagen stärken. Die Kollegen haben diesen Gesetzentwurf eingereicht, weil nach jetzigem Recht Windkraftanlagen privilegiert und erleichtert genehmi- gungsfähig sind: Wer Windkraftanlagen bauen will, hat einen Rechtsanspruch auf Genehmigung. Spannend ist, dass dieses Privileg aus dem Jahr 1996 stammt, also aus einer Zeit, in der dieselben Abgeordneten in Regierungs- verantwortung standen, die dieses Privileg jetzt wieder abschaffen wollen. Aber sei es drum. Mit der Regelung aus 1996 sollte grundsätzlich der Bau von Windkraftanla- gen in windreichen Regionen ermöglicht werden. Mittler- weile sind – durch neu eingeführte steuerliche Förderun- gen – Windparks auch an Standorten errichtet, die ursprünglich nicht angedacht waren. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, die Entscheidungsfrei- heit von Kommunen in Hinblick auf die Standorte von Windkraftanlagen zu sichern und zu stärken. Dabei er- kennen die Einreicher die Notwendigkeit der Förderung erneuerbarer Energien an, allerdings nur, solange die In- teressen der Gemeinden gewahrt bleiben und negative Faktoren wie Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes, Lärmbelästigung, Schattenwurf und Sonnen- reflektion nicht überwiegen bzw. eingedämmt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24849 (C) (D) (A) (B) Ein „Wildwuchs“ von Windkraftanlangen soll vermie- den werde. Im Einzelnen geht es um folgende Änderungen: Erstens. Beim Bauen im Außenbereich, speziell bei Windkraftanlagen, soll neu geregelt werden, dass Wind- kraftanlagen öffentlichen Belangen nicht nur in der Regel, sondern generell entgegenstehen, wenn im Flächennut- zungsplan oder in Raumordnungszielen der Gemeinde bereits eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt oder vorgeschlagen ist. Zweitens. Bei den Überleitungsvorschriften für Vorha- ben im Außenbereich, speziell für Windkraftanlagen, soll die Frist für die Gemeinden, eine Entscheidung über die Zulässigkeit von Windkraftanlagen auszusetzen, von 1998 auf 2003 verlängert werden, wenn die Gemeinde be- schlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu prüfen, bzw. wenn die Raumordnungs- behörde eine Änderung der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Zielen der Raumordnung zu Windener- gieanlagen eingeleitet hat. Aber andererseits stellt der Deutsche Städtetag in sei- ner Stellungnahme vom April 2002 fest, dass die pla- nungsrechtlichen Steuerungsmöglichkeiten für die Ge- meinden ausreichen; sie müssten von den Gemeinden nur konsequent angewendet werden. Der Städtetag verweist auf den so genannten Planvorbehalt, mit dem die Ge- meinden Vorranggebiete oder Auschlussgebiete für die Windkraftanlagen ausweisen können. Die Gemeinden sollten sich bemühen, ein schlüssiges Planungskonzept zur Ausweisung bzw. Nichtzulässigkeit von Windkraftan- lagen rechtzeitig zu erarbeiten, und mit den Nachbarge- meinden abzustimmen. Darüber hinaus böten Baunut- zungsverordnungen und Bauordnungen der Länder ausreichend Spielraum, über Größe, Höhe und Abstands- kriterien von WKAzu bebauten Gebieten zu entscheiden. Die angestrebte Gesetzesänderung konkretisiert je- doch „in der Rangfolge“. Sie stellt richtigerweise die Raumordnung und den Flächennutzungsplan als überge- ordnetes Ziel voran, dem auch der Bau von Windkraftan- lagen untergeordnet werden soll. Windkraftanlagen wer- den damit nicht verhindert. Aber der übergreifende Aspekt von Raumordnung und Flächennutzung wird ge- stärkt. Raumordnung und Flächennutzungsplan als überge- ordnete Ziele wurden und werden, wie die Praxis zeigt, oft genug vergewaltigt, besonders wenn es um Ansiedlungen von Unternehmen, um den Bau von Gewerbeparks und Einkaufszentren, den Bau von Eigenheimsiedlungen geht. Wenn Investoren winken und die Gemeinde glaubt, einen Vorteil im ökonomischen Wettbewerb zu erzielen, werden in der Regel Flächennutzungspläne im Handumdrehen geändert, wird an Raumordnung nicht mehr gedacht. Dieser reale Zustand hat Sie, die Sie plötzlich auf die übergeordneten raumordnerischen Ziele hinsichtlich des Baus von Windkraftanlagen bestehen, weder in ihrer Re- gierungszeit besonders beunruhigt, noch beunruhigt es Sie es jetzt. Mich beunruhigt es aber. So gern ich ihren vernünftig scheinenden Gesetzesänderungen zustimmen möchte, es macht mich stutzig, dass Sie die gleiche Sorge bei ande- ren großen Bauvorhaben nicht äußern, die Sie haben, wenn Bauvorhaben in die Stadtplanung, die Flächennut- zung, die Umwelt und Raumordnung in gleich störendem Maß oder in größer störendem Maße eingreifen als die Windkraftanlagen. Und so bleibt ein leicht bitterer Beigeschmack. Ob es Ihnen nicht doch nur darum geht, Rot-Grün eins auszuwi- schen? Doch es ist ja erst die erste Lesung, wir müssen noch nicht entscheiden. Ich freue mich auf die fachpolitische Diskussion in den Ausschüssen. Da werde ich ja sehen, ob Ihnen die übergeordneten Ziel der Raumordnung und der Flächennutzung wirklich so viel wert sind, wie Sie uns hier mit diesem Gesetzentwurf glauben machen wollen. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Tagesordnungspunkt 12) Klaus Wiesehügel (SPD): Würde es die Opposition insbesondere von CDU/CSU und FDP in diesem Hause ernst meinen mit der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit, mit einem der Hauptprobleme, unter dem vor allem die Baubranche seit Jahren leidet, dann könnten wir uns diese heutige Debatte wahrlich sparen. Diese Regierung hat der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit von Anfang an den Kampf angesagt. Das ist ein Problem, das über Jahre von der heutigen Opposi- tion verschleppt und durch ihre damalige Politik ver- schärft wurde. Und nun, wo wir die Hausaufgaben ge- macht haben, stellt sich die Opposition ein weiteres Mal hin und blockiert, – dazu noch untereinander uneins – zen- trale Gesetzesvorhaben – wie das Gesetz zur Tariftreue im Bundesrat. Da sie dieses mehr als notwendige und über- fällige Gesetz blockiert bringen wir das heutige Gesetz zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Un- ternehmen, das Bestandteil des Tariftreuegesetzes ist, als eigenständiges Gesetz ein. Uns allen sollte klar sein: Mit Unternehmen, die sich il- legaler Praktiken bedienen, will und darf der Staat kein Geschäft machen. Wem dies klar ist, der sollte mit uns ge- meinsam dafür sorgen, dass korrupte oder in sonstiger Weise unzuverlässige Unternehmen keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen. Das wollen wir mit dem Kor- ruptionsregister erreichen. Es ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ja sogar geltendes Recht, dass an unzuverlässige Unterneh- men keine öffentlichen Aufträge erteilt werden dürfen. Gerade die öffentliche Hand hat eine besondere Vorbild- funktion. Leider ist es aber so, dass aufgrund der Vielzahl von Stellen in Deutschland, die öffentliche Aufträge ver- geben – dies sind circa 35 000 –, die Bekämpfung illega- ler Beschäftigung an dieser Stelle nicht effektiv genug ist und hier eine erhebliche Schwachstelle besteht. Diesem Missstand müssen wir ein Ende machen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224850 (C) (D) (A) (B) Durch die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen werden wir gewährleisten, dass öffentli- che Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis über die Zuverlässigkeit der Unternehmen er- langen. Ziel ist es, dass an unzuverlässige Unternehmen keine öffentlichen Aufträge erteilt werden dürfen. Unter- nehmen, denen schwere Verfehlungen – wie beispiels- weise Korruption, illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit oder Verstöße gegen die Tariftreueregelung – nachgewie- sen werden können, werden in dieses Register aufgenom- men und können dann von der Vergabe öffentlicher Auf- träge ausgeschlossen werden. Das Gesetz wird zwei ganz wesentliche Folgen haben. Erstens. Wir bekommen mit der Einrichtung des Registers unzuverlässige Unternehmen mehr Transparenz in das öf- fentliche Auftragsverfahren. Das ist für alle Beteiligten von Vorteil. Zweitens. Wir werden eine erhebliche Ab- schreckungswirkung auf Unternehmen erzielen, die sich illegaler Praktiken bedienen. Ich fordere Sie deshalb nachdrücklich auf, Sorge dafür zu tragen, dass in Zukunft mit Unternehmen, die sich ille- galer Praktiken bedienen, keine Geschäfte der öffentli- chen Hand gemacht werden. Leisten Sie auch ihren Bei- trag zur wirksamen Bekämfpung von Korruption und illegaler Beschäftigung. Machen Sie mit. Sorgen Sie für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt und dafür, dass gute Jobs besser geschützt werden. Stimmen Sie dem heu- tigen Gesetzentwurf zu. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Koalition bringt ein eigenständiges Gesetz über ein Korruptionsregister auf den Weg. Die Schaffung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen wird von der Union blockiert. Unternehmen, die der Beste- chung überführt worden sind, sollen darin erfasst werden, damit sie von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wer- den können. Diese Regelung ist Teil des Tariftreuegeset- zes, das von der Union im Bundesrat blockiert wird. Wir hatten auf eine Einigung zum Tariftreuegesetz im Vermittlungsausschuss gehofft – eine Regelung, die die Interessen Ostdeutschlands berücksichtigt. Leider blockieren FDP und Union hier – obwohl viele unionsge- führte Länder selbst Tariftreuegesetze haben. Bayern hatte im Dezember 2000 eine entsprechende Bundesrats- initiative gestartet. Jetzt ist Bayern dagegen. Das verstehe wer will. In vielen – auch unionsgeführten – Ländern be- stehen bereits Korruptionsregister dennoch sprechen Union und FDP sich gegen unser Gesetzesvorhaben aus. Offensichtlich haben Union und FDP kein Interesse da- ran, wirksame Instrumente zur Korruptionsbekämpfung einzuführen – obwohl 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger dies wollen, obwohl internationale Initiativen ge- gen die Korruption wie Transperancy International unser Gesetzesvorhaben unterstützen. Bündnis 90/Die Grünen stehen für transparente Verfah- ren, auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Nach dem Gesetzentwurf wird beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ein Register über unzuverlässige Unter- nehmen eingerichtet, die von öffentlichen Auftraggebern wegen Unzuverlässigkeit von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen worden sind. Öffentliche Auf- traggeber werden damit in die Lage versetzt, das geltende Vergaberecht besser anzuwenden. Sie können erfahren, welche Unternehmen sich Korruptionsdelikten schuldig gemacht haben, Damit können diese auf der Grundlage des geltenden Vergaberechtes von der Auftragsvergabe ausge- schlossen werden. Öffentliche Aufträge sind an zuverläs- sige, fachkundige und leistungsfähige Unternehmen zu vergeben. Wer sich der Bestechung, wettbewerbsbe- schränkender Absprachen oder des Betruges schuldig ge- macht hat, ist nicht zuverlässig. Die Aufnahme in das Korruptionsregister bedeutet nicht den automatischen Ausschluss von der Erteilung öf- fentlicher Aufträge. Er gibt den vergebenden Stellen In- formationen darüber, dass ein bestimmtes Unternehmen bereits von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausge- schlossen worden. Diese Information ermöglicht es der vergebenden Stelle umso genauer zu prüfen, ob das Un- ternehmen das im Vergaberecht vorgesehene Kriterium der Zuverlässigkeit erfüllt. Die Einführung des Korrupti- onsregisters wird einen wichtigen Beitrag zur Bekämp- fung der Korruption in Deutschland leisten. Die überwie- gende Mehrheit der legal arbeitenden Unternehmen werden damit besser als bisher vor illegal arbeitenden Konkurrenten geschützt. Gudrun Kopp (FDP): Die rot-grüne Bundesregierung will noch während der letzten Sitzungstage ihrer Regie- rungsmacht ein weiteres weit reichendes Gesetz im Eil- gang durch den Deutschen Bundestag peitschen. Das Gesetz über die Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen und die Korruptionsregis- ter-Verordnung werfen viele rechtlich höchst brisante Fra- gen auf, die für die Existenz von Firmen und ihre Arbeits- plätze von entscheidender Bedeutung sein können. Deshalb ist hier besondere Sorgfalt und intensive Bera- tung erforderlich, um schwerwiegende Fehler zu vermei- den. Zu einer solchen sorgfältigen Erörterung aller rele- vanten Fragen gehört für die FDP unverzichtbar die Einholung von Expertenrat in Form einer Anhörung. Rot- Grün sah aber keine solche zwingende Notwendigkeit und hätte auf eine Anhörung aus Zeitmangel gern ver- zichtet. Besonders von der FDP kam aber Widerstand und nicht nur die Forderung nach einer Anhörung, sondern auch nach einem formal korrekten Beratungsverfahren. Die Regierungsfraktionen muten nun den Ausschussmit- gliedern und den anzuhörenden Experten zu, sich inner- halb nur eines Werktages auf die Anhörung vorzubereiten. Das hat es im Deutschen Bundestag noch nie zuvor gege- ben und ist ein besonderer Ausweis von unsachgemäßer, beinahe fahrlässiger politischer Arbeit. Die gegenwärtigen Fassungen des Gesetzentwurfs und des Korruptionsregisters werfen Fragen auf, die umfas- send beantwortet werden müssen: Die Bundesregierung muss darlegen, weshalb das an- gepeilte Ziel nicht durch bereits vorhandene Instrumente, nämlich das Bundeszentralregister bzw. das Gewerbezen- tralregister, erreicht werden kann. Jede Einrichtung eines neues Registers führt zu zusätzlicher Bürokratie, Intrans- parenz und verlängert Entscheidungswege, was zulasten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24851 (C) (D) (A) (B) der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in der Bundesre- publik Deutschland geht. Die rechtliche Zuverlässigkeit der Ausschreibungsteilnehmer wird für Bauaufträge ab 5 Millionen Euro schließlich auch jetzt schon durch die Vorlage aktueller Auszüge aus dem Bundeszentral- bzw. Gewerbezentralregister geprüft. Bei dem Regierungsvorhaben handelt es sich nicht um ein reines Korruptionsregister, sondern um ein Register, in dem nach § 2 Korruptionsregister-Verordnung alle möglichen Verstöße aufgeführt sind, unter anderem wett- bewerbsbeschränkende Absprachen und illegale Beschäf- tigung. Eine Eintragung in ein Register darf es aber nur bei rechtskräftiger Verurteilung geben. Die Vermutung ei- ner Verfehlung kann nicht ausreichen. Das würde auch der in unserem Rechtssystem zu Recht verankerten Un- schuldsvermutung widersprechen. Die Löschung aus dem Register ist ebenso wie die Handhabung von Fällen fehlerhafter Eintragungen oder die Möglichkeit der Beschreitung des Rechtsweges gegen die Eintragung nicht klar geregelt. Es darf nicht im Er- messen jedes einzelnen Vergabebeamten liegen, ob er Un- ternehmer an einer Vergabe ausschließt. Korrekturmecha- nismen gegenüber dem Register müssen konkret benannt werden; der Rechtsweg gegen unberechtigte Eintragun- gen muss sichergestellt werden. Es besteht angesichts des weiten Ermessens öffentlicher Verwaltungen die Gefahr, dass Anbieter aus fremden Bundesländern oder Landkrei- sen gezielt benachteiligt werden bzw. „Heimatanbieter“ begünstigt werden. Ein sehr großes Problem wirft auch die Übertragung der Vorschrift auf Nachunternehmer auf. Zum einen muss der Hauptauftragnehmer gezwungen werden, seinen Nachunternehmer zu benennen. Zum anderen erfährt er automatisch im Falle einer Ablehnung eines Nachunter- nehmers, dass dieser aus Sicht der öffentlichen Verwal- tung „unzuverlässig“ ist. Daraus ergeben sich Konflikte mit dem Datenschutz. Ursula Lötzer (PDS): Zunächst einmal möchte ich feststellen: Dass wir heute erneut in erster Lesung über das Korruptionsregister beraten, liegt an der Verweige- rungshaltung der CDU/CSU-geführten Länder gegenüber dem Tariftreuegesetz im Bundesrat. Der ÖPNV soll aus- geschlossen werden. Da sollen wohl erst Dumpingzu- stände wie auf dem Bau herbeigeführt werden, bevor Sie über Tariftreue nachzudenken bereit sind. Da soll der re- präsentative Tarifvertrag ausgeschlossen werden. Damit würden Sie Dumping über die Konkurrenz von Tarifver- trägen forcieren. Obwohl es in Bayern ein Tariftreuege- setz gibt, lehnen Sie es jetzt im Bundesrat ab. Wir werden in der Konsequenz im Wahlkampf deutlich machen, was Sie für soziale Demokratie und die Lebens- und Arbeits- bedingungen der Menschen mit dieser Haltung übrig ha- ben. Sie verweigern den Betrieben den Schutz vor ruinö- sem Wettbewerb und bieten den Menschen und ihren Familien Armut trotz Arbeit. Das ist nicht auf den Bau und den öffentlichen Personennahverkehr beschränkt. Ihre Angriffe auf den Flächentarifvertrag im Wahlprogramm werden alle in diese Abwärtsspirale hineinziehen. Aber jetzt zum vorgelegten Entwurf zum Korruptions- register. Öffentliche Auftragsvergabe ist zurzeit als Selbstdienungsladen für Politikerinnen und Parteien im Gespräch. Während man den Beschäftigten den sozialen Schutz raubt, sind Unternehmen offensichtlich bei Politi- kerinnen und Politikern freigebig. Es geht hier nicht um die Verfehlungen Einzelner. Der Korruptionswahrneh- mungsindex, den Transperency International jährlich er- stellt, zeigt: In Deutschland wird immer mehr geschmiert. Seit 1995 ist Deutschland von Platz 13 der Liste auf Platz 20 abgestiegen, hinter Chile, Finnland und Sin- gapur, knapp vor Botswana. Wer so laut, wie die Vertreter der Bundesregierung nach „Good governance“ in Ent- wicklungsländern ruft, sollte erst einmal vor der eigenen Haustür gründlich kehren. Korruption hebelt den Wettbewerb zwischen Unter- nehmen aus und belastet die Kommunen und damit die Bürgerinnen und Bürger mit hohen Kosten und Über- schuldung. Kleine und mittelständische Unternehmen werden oft ausgeschlossen, da ihnen die notwendigen Mittel fehlen. Die Privatisierungswelle und Public-Pri- vate-Partnership-Modelle sind der Nährboden, auf dem Korruption zunehmend gedeiht. Die Konkurrenz um die lukrativen Märkte der öffentlichen Daseinsvorsorge tobt heftig. Insofern sind wirksame Schritte gegen Korruption längst überfällig. In verschiedenen Bundesländern sind bereits Korruptionsregister eingeführt. Allerdings ist de- ren Verbindlichkeit sehr eingeschränkt. Das bundesweite Korruptionsregister ist ein Schritt, den wir begrüßen. Es kann nicht sein, dass eine Firma in Köln wegen Korrup- tion auffällt und in Frankfurt oder Leipzig dann den nächsten Auftrag mit Bestechung erhält. Allerdings fehlt uns auch in diesem Gesetz die Ver- bindlichkeit. Es fehlen die Sanktionen. Wir halten einen zwingenden befristeten Ausschluss für dringend erforder- lich. Es fehlen Maßnahmen für mehr Transparenz in der öffentlichen Auftragsvergabe und im Hinblick auf das Re- gister. Auch Unternehmen müssen durch regelmäßige öf- fentliche Auskunft über Beraterverträge und Spenden in die Korruptionsbekämpfung einbezogen werden. Wiedergewinnung von Akzeptanz setzt entschlossenes Handeln gegenüber Korruption voraus. Deshalb fordere ich Sie auf, in diesem Sinne nachzubessern. Die An- hörung nächste Woche wird Ihnen das sicherlich erleich- tern. Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: Ihnen liegt heute der Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen in erster Le- sung vor. Wenn Ihnen die Vorschriften bereits bekannt vorkommen, so ist das kein Zufall. Die vorgeschlagenen Regelungen zur Schaffung einer Ermächtigungsgrund- lage für ein Korruptionsregister haben Bundesregierung und Regierungsfraktionen schon einmal – zusammen mit dem Tariftreuegesetz – eingebracht. Leider scheitert das Tariftreuegesetz im Bundesrat an den unionsregierten Ländern. Der Widerstand dieser Länder richtet sich aber allein gegen das Tariftreuegesetz. Gegen die Vorschläge Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 200224852 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 245. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2002 24853 (C) (D) (A) (B) zum Korruptionsregister sind noch keine Bedenken vor- gebracht worden. Da eine entschlossene Korruptions- bekämpfung dieser Bundesregierung ein besonderes Anliegen ist, bringen wir die Vorschläge zum Kor- ruptionsregister nun noch einmal – ohne die Bestimmun- gen zum Tariftreuegesetz – ein. Lassen Sie mich – auch wenn das heute eigentlich nicht das Thema ist – doch zwei Worte zum Tariftreuegesetz sagen. Es ist bedauerlich und den Menschen in Deutschland kaum vermittelbar, dass die Opposition unser Bundes-Tariftreuegesetz aus wahl- kampftaktischen Gründen stoppt, obwohl sie selbst in Bayern, im Saarland und anderswo gute Erfahrungen da- mit macht. Nachdem ihr wegen ihrer eigenen Tariftreuegesetze in der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses die Argu- mente gegen unser Tariftreuegesetz ausgegangen sind, hat sich die Opposition auf folgende Abwehrlinie verständigt: „Tariftreue für den Bau ja – für den ÖPNVaber nein.“ Das mag ihr vielleicht vordergründig aus der Patsche helfen, da die Tariftreuegesetze Bayerns und des Saarlandes nur für den Bau gelten. In der Sache aber leistet sie einen Of- fenbarungseid. Warum soll etwas, was sie im Baubereich für richtig erkannt hat, im ÖPNV denn falsch sein? Doch nicht etwa, weil das Kind im ÖPNV – anders als im Baubereich – noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Will die Opposition denn wirklich warten, bis im OPNV Verhältnisse herrschen wie auf dem Bau? Die Liberalisierung des ÖPNV auf EU-Ebene führt bei Tausenden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihren Familien zu Verunsicherung und Existenz- ängsten. Ich appelliere an die Opposition: Spielen Sie nicht mit den Ängsten der Menschen – helfen Sie uns, dass der soziale Schutz in diesem Bereich erhalten bleibt. Durch das Gesetz zur Einrichtung eines Korruptions- registers wird beim Bundesamt für Wirtschaft und Aus- fuhrkontrolle ein Register über unzuverlässige Unterneh- men eingerichtet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, Einzelheiten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Eine entsprechende Rechts- verordnung wird von meinem Ministerium gerade erar- beitet. Heute wird unser Entwurf mit den anderen Res- sorts und den Verbänden diskutiert. An unzuverlässige Unternehmen dürfen öffentliche Aufträge nicht erteilt werden – das ist schon lange gelten- des Recht. Es gibt in Deutschland aber etwa 35 000 Stel- len, die öffentliche Aufträge vergeben: Kommunen, Kran- kenhäuser, Stadtwerke usw. Ist ein Unternehmen bei einem dieser öffentlichen Auftraggeber wegen schwerer Verfehlungen aufgefallen, erfahren die anderen öffentli- chen Auftraggeber davon oft nichts. Eine effektive Bekämpfung illegaler Praktiken bei öffentlichen Aufträ- gen kann deshalb bislang nicht gewährleistet werden. Das wird jetzt anders: In dem neuen Register werden alle Unternehmen erfasst, die wegen Korruption oder an- derer Wirtschaftsdelikte von öffentlichen Aufträgen aus- geschlossen worden sind. Alle öffentlichen Auftraggeber werden so von derartigen Verstößen Kenntnis erhalten und das betroffene Unternehmen so lange von öffentli- chen Aufträgen ausschließen, bis es seine Zuverlässigkeit nachweislich wiederhergestellt hat. Das Korruptionsregis- ter wird auf diese Weise – wie die Vorbilder in einzelnen Bundesländern zeigen – eine erhebliche Abschreckungs- wirkung auf die Unternehmen ausüben. Ich kenne die Stimmen, die sagen, unser Informations- Register reiche nicht aus. Sie wollen Unternehmen, die schwere Verfehlungen begangen haben, automatisch für öffentliche Aufträge sperren – für mindestens drei Jahre: Ich denke, das ginge zu weit: Wenn man einen Straßen- baubetrieb für drei Jahre von öffentlichen Aufträgen aus- schließt, gibt es diesen Betrieb nicht mehr. Die Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer stehen auf der Straße. Das kann aber nicht Ziel unserer Korruptionsbekämpfung sein. Darum meine ich: Wenn ein öffentlicher Auftragge- ber vom Register die Nachricht erhält, dass ein Unterneh- men wegen Unzuverlässigkeit ausgeschlossen worden ist, muss er seinerseits sorgfältig prüfen, ob die Gründe für ei- nen Ausschluss noch fortbestehen. Nur so haben die Un- ternehmen eine Chance, effektiv gegen schwarze Schafe in ihren Reihen vorzugehen. Nur so verhindern wir, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Fehltrit- ten der Unternehmensführung unangemessen zu leiden haben. Der vorliegende Vorschlag für ein Register über unzu- verlässige Unternehmen stellt eine ausgewogene Rege- lung dar, die sich auf positive Erfahrungen in vielen Bun- desländer stützen kann. Dazu gehören auch die unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg. Die Schaffung eines entsprechen- den Registers auf Bundesebene wird schon seit Jahren ge- fordert: Ich erinnere nur an den Beschluss der Innenminis- terkonferenz vom 5. Mai 2000. Lassen Sie uns ein entschlossenes Zeichen setzen ge- gen Korruption und Wirtschaftskriminalität. Lassen Sie dieses Projekt nicht aus wahlkampftaktischen Gründen scheitern. Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau
    Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich
    darf zunächst einmal meine kurze Redezeit nutzen, um
    die Dinge geradezurücken, die geradegerückt werden
    müssen.

    Als Erstes möchte ich gerne wissen, Frau Bundesmi-
    nisterin, ob Sie wie der Bundeskanzler die Bundeskom-
    petenz anstreben oder nicht. Das wüsste ich gern genau,
    denn dann könnte man dazu Stellung nehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Gerhard Friedrich [Erlangen] [CDU/CSU]: Das wissen die selber nicht!)


    Ich halte beide Linien für falsch; denn ich glaube, wir
    wären schon in den vergangenen 20 Jahren wesentlich
    weiter gekommen, wenn die SPD-regierten Länder auch

    die Qualitätskriterien erfüllt hätten, die in den unions-
    regierten Ländern angelegt wurden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Oje!)


    Zweitens. Sie haben gesagt, unsere Kinder dürften
    nicht vom Wohnort abhängig sein. Das ist in der Tat wahr.
    Aber es sind doch nicht München oder Stuttgart oder
    Dresden, wo sie die größten Probleme haben, sondern
    Bremen steht auf dem Platz kurz vor Mexiko, und der
    Stadtstaat ist doch wohl lange genug von Ihnen regiert
    worden. Das heißt, die Anschuldigungen laufen in die völ-
    lig falsche Richtung. Ich halte es für notwendig, einmal
    darüber nachzudenken, dass Kinder aus Bremen, aus Nie-
    dersachsen, aus Nordrhein-Westfalen, aus Sachsen-An-
    halt und aus Brandenburg eigentlich dieselbe Begabung
    haben wie Kinder in den Ländern Bayern und Baden-
    Württemberg oder Sachsen und dass sie denselben An-
    spruch auf Förderung haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Tauss hat dann die Worte von Annette Schavan

    streitig gestellt, dass die SPD Qualitätsstandards über
    Jahre hinweg abgelehnt habe. Es ist richtig, was Annette
    Schavan sagt. Ich erinnere mich noch gut daran, dass
    Hamburg, als wir in der Kultusministerkonferenz darum
    gekämpft haben, ein fünftes Abiturfach einführen zu dür-
    fen, damit gedroht hat, das bayerische und das baden-
    württembergische Abitur nicht mehr anzuerkennen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das hat doch nichts mit Qualität zu tun!)


    Das sind die Tatsachen, die sich in der Kultusminister-
    konferenz ereignet haben. Hinzu kommt, dass die Union
    dann für Eisenach die Qualitätsstandards vorgelegt hat
    und die SPD schließlich nach langjährigen Diskussionen
    zugestimmt hat, endlich länderübergreifende Qualitäts-
    standards zu akzeptieren, die die Union über Jahre hinweg
    verlangt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Mehr Fächer bedeuten doch nicht mehr Qualität!)


    Ich darf Ihnen auch etwas über die Begeisterung der
    Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Parteivor-
    stand, Arbeitsgemeinschaft für Bildung in der SPD, vor-
    lesen. Das dürfte ja nicht eine Untergruppierung bei Ihnen
    sein. Daran wird deutlich, was Sie von PISA und einem
    länderübergreifenden Schulformvergleich gehalten ha-
    ben. Dort heißt es:

    Diese Stichprobe ermöglicht also keinen Länder-,
    sondern nur einen länderübergreifenden Schulform-
    vergleich. Hier scheinen sich Wünsche der CDU-
    Länder durchgesetzt zu haben, die offenbar beweisen
    wollen, dass ihre Schulformen „besser“ sind. ... Es ist
    ohne Test vorherzusagen, dass Länder mit selektiven
    Schulsystemen, die den Strukturreformen der letzten
    30 Jahre widerstanden haben, bessere Schülerleis-
    tungen in allen Schulformen haben werden.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    So das Zitat aus einem Brief Ihres Parteivorstandes!


    (Jörg Tauss [SPD]: Das ist doch Selektion!)





    Marieluise Beck (Bremen)


    24689


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wenn man zentrale bundeseinheitliche Standards ha-
    ben möchte und plötzlich vonseiten der SPD Bun-
    deskompetenz für sich beansprucht, dann ist das nur ein
    Vertuschen dessen, was an Standards in den SPD-regier-
    ten Ländern gegolten hat.

    Jetzt gebe ich Ihnen auch mal schöne Beispiele,

    (Jörg Tauss [SPD]: Ja, fangen Sie mal an!)


    damit man weiß, wovon man redet, und zwar ganz kon-
    kret.

    „Struwwelpeter“ oder „Faust“? Überlegungen zum
    Literaturunterricht in der gymnasialen Oberstufe für
    Kollegschüler in Nordrhein-Westfalen.

    In Nordrhein-Westfalen wurde für immerhin 19-jährige
    Abiturienten vorgeschlagen, man möge als Literatur den
    „Struwwelpeter“ wählen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Primitiv!)

    Dort ist zu lesen, dass sich Kinderbuchtexte für den Un-
    terricht besonders gut eigneten, vielleicht besser als wis-
    senschaftliche und literarische Texte. Ich zitiere: „Kinder-
    buchtexte sind relativ kurz und bieten wegen ihrer
    einfachen Struktur kaum Verständnisschwierigkeiten.“


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weiter ist dort zu lesen: „Das hat den Vorteil, dass der
    Schüler bei der Arbeit nicht die Übersicht verliert und
    nicht alle seine Kräfte dafür einsetzen muss, den Wortlaut
    überhaupt einigermaßen zu begreifen.“


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Außerdem – so steht hier – „ermuntern Kinderbuchtexte
    wie keine anderen Texte zur Umarbeitung und zu Gegen-
    entwürfen.“ Die Rezensentin weist dann natürlich auch
    darauf hin, dass Generationen von Gymnasiasten aufbe-
    gehrt haben – –


    (Jörg Tauss [SPD]: Können Sie mal was Eigenes vortragen, Frau Hohlmeier? Das ist ja alles hohl! – Weiterer Zuruf von der SPD: Warum lesen Sie denn alles vor? – Gegenruf von der CDU/CSU: Die werden nur nervös da drüben! – Jörg Tauss [SPD]: Nicht nervös, gelangweilt!)


    – Ich weiß, dass Sie das stört, Herr Tauss, aber man muss
    ja mal Fakten vorlesen. Vielleicht sind Sie mal ein biss-
    chen still. Wenn Sie angesichts Ihrer Standards nervös
    werden, verstehe ich das. Aber Demokratie heißt zuhören
    können, wenn ein anderer redet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es steht dann auch noch darin, dass Gymnasiasten in
    Nordrhein-Westfalen aufbegehrt hätten, weil der „Faust“
    zu Tode geritten worden sei und die Behandlung doch et-
    was länger dauere als beim „Struwwelpeter“.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    In den hessischen Rahmenrichtlinien – darum will

    ich keine Bundesrichtlinien der SPD haben – steht so
    schön zur Rechtschreibung, die normalerweise doch zu
    den Grundlagen gehört: „Daraus folgt, dass die Über-

    bewertung der Rechtschreibung in Schule und Öffent-
    lichkeit korrigiert werden muss und dass die Schule die
    Beherrschung der Rechtschreibung nicht zum Krite-
    rium für Eignungsbeurteilungen und Versetzungen ma-
    chen darf. Mangelnde Rechtschreibleistungen in der
    Schule sind bei genügenden sprachlichen Kommunika-
    tionsfähigkeiten kein Grund für die Benachteiligung ei-
    nes Schülers.“

    Sie haben Rahmenrichtlinien gemacht, die die Ursache
    dafür waren, dass die Schüler in den von Ihnen langjährig
    regierten Ländern so schlecht bei der PISA-Länderver-
    gleichsstudie abgeschnitten haben. Auf solche Richtlinien
    kann ich verzichten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Nun komme ich zum nächsten Klischee: Ganztags-
    schule. Frau Bundesministerin, ich stelle mir die Frage,
    warum die in Bayern in der halbtägigen Hauptschule ge-
    förderten Schülerinnen und Schüler besser abschneiden
    als der Durchschnitt der ganztägig geförderten Gesamt-
    schüler in Nordrhein-Westfalen.


    (Zuruf der CDU/CSU: Wohl wahr!)

    Diese Frage stelle ich mir schlicht und einfach.

    Wenn Sie in Ihren Ländern Unterricht von schlechter
    Qualität liefern, können Sie halbtags oder ganztags unter-
    richten, die Schüler werden nicht besser gefördert. Was
    wir hauptsächlich brauchen, ist, die Qualität des Unter-
    richts zu steigern. Hierbei ist der Nachholbedarf in den
    langjährig von Ihnen regierten Ländern fünfmal so hoch
    wie bei uns.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir lehnen uns aber nicht selbstzufrieden zurück. Wir

    arbeiten weiter. Die Qualitätsoffensiven in Sachsen, Bay-
    ern und Baden-Württemberg sowie jetzt auch in Hessen
    und Sachsen-Anhalt, die jetzt mit einer neuen Regierung
    aufzuholen versuchen, sind fulminant. Ich bitte Sie, Herr
    Tauss, erst einmal nachzulesen, bevor Sie versuchen, al-
    lein durch Lautstärke zu überzeugen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/ CSU]: Der hat Leseprobleme!)


    Es gibt eine Fülle von Programmen, um die Qualität
    zu verbessern. Aber eines will ich in dem Zusammen-
    hang schon sehr deutlich zum Ausdruck bringen: Es gibt
    gar keine ideologische Debatte um Ganztagsschulen.
    Wir akzeptieren mit Blick auf die Vereinbarkeit von Fa-
    milie und Beruf sowie die Förderung von Kindern und
    Jugendlichen Ganztagsangebote wie die Ganztags-
    schule.


    (Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Akzeptieren ist aber ein bisschen wenig!)


    Ich finde es aber nicht besonders innovativ, wenn vonsei-
    ten der SPD in den 70-er Jahren ein nationaler Bildungs-
    plan und Ganztagsschulen gefordert worden sind und jetzt
    nach der PISA-Studie wiederum ein nationaler Bildungs-
    plan und Ganztagsschulen gefordert werden. Mit Pauschal-




    Staatsministerin Monika Hohlmeier (Bayern)

    24690


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    rezepten kommen wir nicht weiter, sondern nur mit einer
    präzisen Analyse von PISA sowie exakten Maßnahmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP– Jörg Tauss [SPD]: Das war aber ein präzise Analyse, die Sie gegeben haben!)


    – Ja, für Sie, Herr Tauss, und Ihre Nachbarn mache ich mit
    der präzisen Analyse gleich weiter: Migrantenkinder.
    Herr Loske, hinsichtlich dieses Punktes leiden Sie unter
    einer gewissen Wahrnehmungsstörung.


    (Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das wahr?)


    Die Migrantenkinder in Bayern oder auch in Baden-Würt-
    temberg stehen auf einem durchschnittlichen OECD-Ni-
    veau und damit wesentlich höher als die Kinder in
    langjährig von SPD und Grünen regierten Ländern. Inte-
    gration funktioniert in diesen Ländern also dreimal so gut
    wie bei Ihnen. Wir nehmen auch Migrantenkinder ernst
    und wollen sie fördern, weil sie ansonsten nicht am Bil-
    dungswesen teilhaben können.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 4 Prozent Abiturientenanteil!)


    Es waren doch Ihre Parteien, die ununterbrochen ge-
    sagt haben: Zwangsgermanisierung. Wenn man aber Kin-
    dern kein Deutsch vermittelt, können sie in Deutschland
    am Bildungswesen auch nicht teilnehmen. Dann haben sie
    keine Chance.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun zur Abiturientenquote: Sie machen sich regelrecht

    lächerlich. Bayern hat eine Abiturientenquote nicht von
    20 Prozent, sondern von 30 Prozent. Die Bundesministe-
    rin weigert sich aber, diejenigen wahrzunehmen, die über
    die berufliche Bildung das Abitur erlangen und über die
    Fachoberschulen und Berufsoberschulen weitergebildet
    werden, und sie als Abiturienten anzuerkennen. Das halte
    ich für eine Beleidigung dieser jungen Menschen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie beleidigen sie!)


    Des Weiteren bilden der Freistaat Bayern und auch Ba-
    den-Württemberg 50 Prozent mehr Meisterinnen und
    Meister im Handwerk aus. Wir bilden wesentlich mehr
    aus! Das bedeutet in der Konsequenz, dass wir junge
    Menschen nach ihren Begabungen fördern. Wenn bei uns
    über 50 Prozent der jungen Menschen entsprechend mehr
    gebildet und gefördert werden und dann einen höheren
    Abschluss haben, dann nenne ich dies wirkliche Bildung.

    In dem Zusammenhang wünsche ich mir, dass wir
    wirklich einmal sachlich debattieren und keine Pseudo-
    diskussionen führen, um letztendlich zu verschleiern, wie
    schlecht Sie Bildungspolitik betrieben haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Das war zu viel „Struwwelpeter“!)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Herr Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen.

W
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolf-Michael Catenhusen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau
    Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hohlmeier,
    Sie haben ein Musterbeispiel für Reden geliefert, die viel-
    leicht im Bayerischen Landtag und bei Ihren Parteifreun-
    den große Heiterkeit erregen, aber etwa beim Bundesel-
    ternrat Unwillen auslösen und bei den betroffenen
    Familien, vor allem bei denjenigen, die auf Mobilität an-
    gewiesen sind, und bei Firmen, die bundesweit vertreten
    sind, Ratlosigkeit hervorrufen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Eines steht doch fest: Das deutsche Bildungssystem
    steht insgesamt auf dem Prüfstand. Wir alle müssen uns im
    europäischen Bildungsraum und darüber hinaus dem ver-
    gleichenden Wettbewerb stellen. Spätestens hinter den
    deutschen Grenzen ist die Frage des Vergleichs zwischen
    Hessen und Rheinland-Pfalz nicht mehr so spannend. Wir
    stehen im internationalen Vergleich. Deshalb stehen – das
    ist das Neue gegenüber der Bildungsdiskussion der 70er-
    und 80er-Jahre – länderübergreifende Schwerpunkte und
    Schritte zur Bildungsreform an, im schulischen Bereich
    wie in der vorschulischen Erziehung, aber auch in anderen
    Bereichen, bei denen der Bund eine Mitkompetenz hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir sind in dieser Legislaturperiode von einer Phase

    des Nichtverhältnisses zwischen Bund und Ländern in
    der Bildungspolitik weggekommen. Das Scheitern des
    großen Bildungsgipfels von Helmut Kohl – viel heißer
    Wind, aber nichts passiert – ist noch in Erinnerung. Bil-
    dungsminister Rüttgers hat außer einigen schlauen Zei-
    tungsaufsätzen nichts zustande gebracht.


    (Jörg Tauss [SPD]: So schlau waren sie nicht!)

    Wir haben 1999 die Länder zu einem Forum Bildung

    eingeladen, in dem ohne das Pochen auf verfassungs-
    rechtliche Zuständigkeit gemeinsame Zielsetzungen in ei-
    ner länderübergreifenden Bildungsreform erarbeitet wor-
    den sind.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


    Eine der zentralen Aussagen war: Das deutsche Bildungs-
    system hat seinen Hauptmangel darin, dass wir nicht in
    der Lage sind, zu einer frühzeitigen Ermittlung der indi-
    viduellen Begabung und zu einer angemessenen Förde-
    rung der unterschiedlichen Begabungen unserer Kinder
    vor allem in den ersten zehn Lebensjahren zu kommen.
    Hier haben wir ein Strukturdefizit, von dem sich kein
    Bundesland im internationalen Vergleich frei machen
    kann.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maritta Böttcher [PDS])


    Wenn es um die Rolle des Bundes geht, kann ich dazu
    sagen: Wir haben in diesen Jahren begonnen, notwendige
    Entwicklungen zu fördern. Wir haben das Berufsschul-
    programm aufgelegt, um die IT-Ausstattung zu fördern.
    Das haben die Länder dankbar aufgenommen. Wir haben
    jetzt das Angebot zur Förderung der Ganztagsschulen mit




    Staatsministerin Monika Hohlmeier (Bayern)


    24691


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    einem 4-Milliarden-Euro-Programm gemacht. Der Bun-
    deskanzler hat heute angekündigt, dass wir in der nächs-
    ten Legislaturperiode ein spezielles Programm zur Unter-
    stützung der Bemühungen der Länder im Bereich der
    frühkindlichen Erziehung auflegen wollen.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Hier ist der Bund ohne verfassungsrechtliche Debatten
    zur Förderung bereit. Aber eines muss klar sein: Auch der
    Bund muss seine Rolle in seiner Formulierung bildungs-
    politischer Zielvorstellungen und Forderungen wahrneh-
    men: fördern und fordern. Deshalb geht es zum Beispiel
    auch um eine nationale länderübergreifende Evaluations-
    agentur. Wir haben die Akkreditierungsagentur für die
    Hochschulen mit ins Leben gerufen, und zwar ohne
    verfassungsrechtliche Zuständigkeiten. Wir haben sie mit
    gefördert. Warum sollen wir nicht denselben Weg im Be-
    reich einer bundesweiten Evaluationsagentur gemeinsam
    gehen?


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Wenn es um die verfassungsrechtlichen Fragen geht,
    dann kann man auch den Möchtegernkanzler, Herrn
    Stoiber, der in den letzten Tagen von der letzten Chance
    für die Kultusministerkonferenz gesprochen hat, fragen:
    Was passiert denn, wenn die KMK diese letzte Chance
    nicht nutzt? Diese Frage wirft auch Gerhard Schröder in
    seinem Zeitungsartikel auf.

    Ich ende mit einem letzten Satz. Frau Hohlmeier, Sie
    hätten besser daran getan, uns zu erklären,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum Bayern besser ist!)


    warum ein Bildungssystem mit einem Anteil von 43 Pro-
    zent Hauptschulabschlüssen und 9 Prozent fehlenden Bil-
    dungsabschlüssen ein zukunftsorientiertes Bildungssys-
    tem darstellt.

    Danke.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Maritta Böttcher [PDS] – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Eine Diffamierung der Hauptschule!)