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ID1423923800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14239

  • date_rangeDatum: 6. Juni 2002

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    Vokabeln: 4
    1. Herr: 1
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    3. Schauerte,zur: 1
    4. Erwiderung.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Eva-Maria Kors, Elmar Müller (Kirchheim), Dr. Michael Bürsch, Dr. Rupert Scholz und Hans Peter Schmitz (Baesweiler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23827 A Eintritt der Abgeordneten Gudrun Serowiecki in den Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . 23827 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 23827 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 f, 6 b und 6 c . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23828 C Änderung einer Ausschussüberweisung . . . . . 23828 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Regierungserklärung: Vor- rang des Verbraucherschutzes notwen- diger denn je – für ein neues Denken und Handeln Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 23829 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 23835 B Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23837 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23839 B Bärbel Höhn, Ministerin (Nordrhein-West- falen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23841 A Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23843 C Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23843 D Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . . 23845 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23846 D Eberhard Sinner, Staatsminister (Bayern) . . . . 23848 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23850 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23852 B Bärbel Höhn, Ministerin (Nordrhein-West- falen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23852 C Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23853 A Gustav Herzog SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23854 B Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . 23855 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 23856 B Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23857 A Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23858 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . 23859 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . . 23861 B Karsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23863 C Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23864 D Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Krise in der Sozialversi- cherung beseitigen – endlich die not- wendigen Reformen auf den Weg bringen (Drucksache 14/8268) . . . . . . . . . . . . . 23865 B b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Sozialbericht 2001 (Drucksache 14/8700) . . . . . . . . . . . . . 23865 C in Verbindung mit Plenarprotokoll 14/239 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 239. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Heinrich Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für grundlegende Reformen der sozia- len Sicherungssysteme (Drucksache 14/9245) . . . . . . . . . . . . . . . . 23865 C Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . . 23865 C Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 23867 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . 23868 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23869 D Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . . 23871 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23872 D Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . . . . . . 23874 A Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23876 A Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23877 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . 23878 C Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 23881 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23883 B Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23885 A Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . . 23886 C Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23889 D Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23891 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23893 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23893 D Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23894 B Tagesordnungspunkt 31: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) AntragderBundesregierung:Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Af- ghanistan auf der Grundlage der Re- solutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 14/9246) . . . . . . . . . . . . . 23897 A b) Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf maze- donischem Territorium zum Schutz von Beobachtern internationaler Or- ganisationen im Rahmen der weite- ren Implementierung des politischen Rahmenabkommens vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Ersu- chens der mazedonischen Regierung vom 28. April 2002 und der Resolu- tion 1371 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 26. Sep- tember 2001 (Drucksache 14/9179) . . . . . . . . . . . . . 23897 A c) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Bundesverfassungsgerichts- gesetzes (Drucksache 14/9220) . . . . . . . . . . . . . 23897 B d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen zum Über- einkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention) (Drucksache 14/8980) . . . . . . . . . . . . . 23897 B e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 20. Dezember 2001 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik zum Ab- kommen vom 21. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerun- gen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (Drucksache 14/8982) . . . . . . . . . . . . . 23897 C f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungs- gesetzes (Drucksache 14/8997) . . . . . . . . . . . . . 23897 C g) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung und Vereinheitli- chung der Verfahrensvorschriften zur Wahl und Berufung ehrenamtli- cher Richter (Drucksache 14/9006) . . . . . . . . . . . . . 23897 C h) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 15. Juni 1999 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der au- tomatischen Verarbeitung personen- bezogener Daten und zu dem Zusatz- protokoll vom 8. November 2001 zu diesem Übereinkommen (Drucksache 14/9193) . . . . . . . . . . . . . 23897 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002II i) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (Drucksachen 14/9194, 14/9237) . . . . 23897 D j) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Postgesetzes (Drucksachen 14/9195, 14/9236) . . . . 23897 D k) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Preisbin- dung bei Verlagserzeugnissen (Drucksachen 14/9196, 14/9239) . . . . 23898 A l) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (Drucksachen 14/9197, 14/9235) . . . . 23898 A m) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 15. Dezember 1997 zurBekämpfung terroristischer Bombenanschläge (Drucksache 14/9198) . . . . . . . . . . . . . 23898 A n) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer- Abkommen vom 25. Juni 2001 zur Gründung einer Assoziation zwi- schen den Europäischen Gemein- schaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Arabischen Repu- blik Ägypten andererseits (Drucksache 14/9199) . . . . . . . . . . . . . 23898 A o) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Revisionsprotokoll vom 12. März 2002 zu dem Abkom- men vom 11. August 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenos- senschaft zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache 14/9201) . . . . . . . . . . . . . 23898 B p) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Kaffee-Übereinkommen von 2001 (Drucksache 14/9202) . . . . . . . . . . . . . 23898 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Stasi- Unterlagen-Gesetzes (Drucksache 14/9219) . . . . . . . . . . . . . . . . 23898 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 31) a) Erste Beratung des von denAbgeordne- ten Alfred Hartenbach, Margot von Renesse, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Ab- geordneten Volker Beck (Köln), Hans- Christian Ströbele, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errich- tung einer Magnus-Hirschfeld-Stif- tung (Drucksache 14/9218) . . . . . . . . . . . . . 23898 C b) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Bärbel Grygier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Konzept zur Entsorgung radio- aktiver Abfälle (Drucksache 14/9149) . . . . . . . . . . . . . 23898 C c) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Antisemitismus ächten – Zusammen- halt in Deutschland stärken (Drucksache 14/9226) . . . . . . . . . . . . . 23898 D d) Antrag der Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle, Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Antisemitismus ächten – Zusammen- halt in Deutschland stärken (Drucksache 14/9261) . . . . . . . . . . . . . 23898 D Tagesordnungspunkt 32: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung humanitä- rer Auslandseinsätze (FHAG) (Drucksachen 14/628, 14/9015) . . . . . 23899 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 III des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der PDS eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errich- tung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Drucksachen 14/9032, 14/9262) . . . . . 23899 B c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicherVor- schriften sowie zur Änderung sonsti- ger Gesetze (Drucksachen 14/9034, 14/9249) . . . . . 23899 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 32) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 391 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9074) . . . . . . . . . . . . . . . . 23899 D Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu drastischen Einnahme- verlusten der Länder aufgrund der Steu- erreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23900 A Jochen Riebel, Staatsminister (Hessen) . . . . . 23900 A Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23901 B Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23902 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23904 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23905 C Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . 23906 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23908 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23909 C Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23910 D Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23911 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23913 B Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23914 C Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23915 B Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . . 23916 A Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Chancen auf Arbeit für alle – Offen- sive in der Arbeitsmarktpolitik (Drucksache 14/9225) . . . . . . . . . . . . . 23917 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Nationaler Beschäftigungspo- litischer Aktionsplan der Bundes- republik Deutschland 2002 (Drucksache 14/8715) . . . . . . . . . . . . . 23917 B c) Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Für eine grundlegend neue Organisation derArbeitsmarktpolitik (Drucksache 14/8287) . . . . . . . . . . . . . 23917 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung zu dem Antrag der Abgeordne- ten Karl-Josef Laumann, Matthias Wissmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Politik für mehr Beschäftigung statt organisati- onspolitischem Aktionismus (Drucksachen 14/8363, 14/9256) . . . . . 23917 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake- Werner, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Arbeitszeitgesetz (ArbZG) beschäfti- gungssichernd reformieren – Überstun- den abbauen (Drucksache 14/6113) . . . . . . . . . . . . . . . . 23917 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Arbeitsrecht flexibilisieren – Be- schäftigung schaffen (Drucksachen 14/8267, 14/9221) . . . . . . . 23917 C Adolf Ostertag SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23917 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . . 23920 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23922 A Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23924 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23925 D Matthäus Strebl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23926 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002IV Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 23928 B Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23931 A Tagesordnungspunkt 6: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbrei- tung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüs- tungsbericht 2001) (Drucksache 14/8941) . . . . . . . . . . . . . 23933 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Atomteststoppvertrag rati- fizieren (Drucksachen 14/2041, 14/4376) . . . . 23933 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten René Röspel, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Angelika Beer, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen eine Bedrohung durch biologische Waffen (Drucksache 14/9240) . . . . . . . . . . . . . . . . 23933 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Uta Zapf, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Angelika Beer, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine kooperative Rüstungskontroll-, Abrüs- tungs- und Nichtverbreitungspolitik (Drucksache 14/9241) . . . . . . . . . . . . . . . . 23933 B Uta Zapf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23933 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23934 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23936 C Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . 23937 D Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . . . . 23938 D Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23940 A Dr. Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . . 23940 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23942 B Tagesordnungspunkt 7: Große Anfrage der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neuordnung des Liegenschaftsmanage- ments der Bundeswehr (Drucksachen 14/6613, 14/8988) . . . . . . . 23943 D Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23943 D Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär BMVg . . 23945 B Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23947 A Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23950 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 23951 B Rainer Arnold SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23952 A Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 23953 B Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Soli- darpaktfortführungsgesetzes (Drucksachen 14/8979, 14/9154) . . . . . . . 23954 C Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Historische Mitte Berlin (Drucksache 14/9023) . . . . . . . . . . . . . . . . 23955 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt- Bohlig, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Empfehlungen der Internationalen Expertenkommis- sion „Historische Mitte Berlin“ (Drucksache 14/9222) . . . . . . . . . . . . . . . . 23955 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wiederherstellung der histori- schen Mitte Berlins (Drucksache 14/9243) . . . . . . . . . . . . . . . . 23955 B in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 V Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Die Mitte der Spreeinsel als offenes Bürgerforum ge- stalten – Empfehlungen der Experten- kommission öffentlich diskutieren (Drucksache 14/9244) . . . . . . . . . . . . . . . . 23955 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich Fink, Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Gewölbe unter dem ehemaligen Nationaldenkmal auf dem Berliner Schlossplatz für die Öffentlichkeit zugänglich machen (Drucksachen 14/3120, 14/6914) . . . . . . . 23955 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . . 23955 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 23956 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23958 B Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23959 B Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23960 A Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 23960 D Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Margrit Wetzel, Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Werner Schulz (Leipzig), Hans- Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Nationales Luftfahrt- forschungsprogramm fortsetzen (Drucksachen 14/8027, 14/8909) . . . . . 23962 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Max Straubinger, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Luftfahrtforschung voranbringen (Drucksachen 14/7439, 14/8910) . . . . . 23962 C Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Hartmut Schauerte, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für ein modernes Wett- bewerbs- und Kartellrecht in Europa (Drucksachen 14/6634, 14/9213) . . . . . . . 23962 D Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 23963 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23964 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23966 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23966 B Dr. Uwe Jens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23966 C Tagesordnungspunkt 12: a) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung hier: Monitoring „Kernfusion“ (Drucksache 14/8959) . . . . . . . . . . . . . 23968 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Zukunftsorientie- rte Energieforschung – Fusions- forschung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kernfusi- onsforschung für eine zukünftige Energieversorgung (Drucksachen14/3813,14/4498,14/8660) 23968 A Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Abge- ordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dr. Hansjürgen Doss, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Gunnar Uldall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Unternehmer im Netzwerk – für eine Kultur der Selbst- ständigkeit (Drucksachen 14/5838, 14/6866, 14/8171, 14/9214) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23968 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002VI Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Er- nährung und Landwirtschaft – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Gesamtwaldbericht – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Heidemarie Wright, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Steffi Lemke, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Gesamtwaldbericht – zu dem Entschließungsantrag der Frak- tion der CDU/CSU zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Ge- samtwaldbericht (Drucksachen 14/6750, 14/8036, 14/8037, 14/8831) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23968 D Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD sowie der Abgeordneten Sylvia Voß, Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig stärken (Drucksachen 14/7300, 14/9192) . . . . . . . 23969 B Tagesordnungspunkt 16: a) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 393 zu Pe- titionen (Eisenbahner- und Postrenten) (Drucksache 14/9156) . . . . . . . . . . . . . 23969 C b) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 394 zu Pe- titionen (Eisenbahner- und Postrenten) (Drucksache 14/9157) . . . . . . . . . . . . . 23969 C Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23969 D Zusatztagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Dr. Rainer Wend, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leipzig), Andrea Fischer (Berlin), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Weltweite Märkte für Meerestechnik erschließen (Drucksache 14/9223) . . . . . . . . . . . . . . . . 23971 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23971 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23973 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der FDP für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsrechtsreform- gesetz) – Drucksache14/5811 – (233. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23973 D Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick (BMJ) auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (238. Sit- zung, Drucksache 14/9188, Frage 14) . . . . . . 23973 D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Solidarpaktfortführungsgesetzes (Tages- ordnungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23974 A Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23974 A Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23974 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23976 B Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23976 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 23976 D Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 23977 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und der Berichte: – Nationales Luftfahrtforschungsprogramm fortsetzen – Luftfahrtforschung voranbringen (Tagesordnungspunkt 10 a und b) . . . . . . . . . . 23978 A Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23978 A Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23979 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23980 C Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23981 B Wolfgang Bierstedt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23981 D Dr. Ditmar Staffelt Parl. Staatssekretär BMWi 23982 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 VII Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für ein modernes Wettbewerbs- und Kartellrecht in Europa (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . 23983 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23983 B Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23984 A Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23984 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Bericht: Technikfolgenabschätzung – hier: Monitoring „Kernfusion“ – Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: – Zukunftsorientierte Energieforschung – Fusionsforschung – Kernfusionsforschung für eine zukünf- tige Energieforschung (Tagesordnungspunkt 12 a und b) . . . . . . . . . . 23985 A Ulrich Kasparick SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23985 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 23985 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23987 C Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23988 C Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23989 B Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekre- tär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23989 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu der Entschließung: Unternehmer im Netzwerk – für eine Kultur der Selbstständigkeit (Tages- ordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23990 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23990 D Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . . . . . . 23991 C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . . 23992 C Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23994 D Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23995 A Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 23995 C Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung und der Entschließungsanträge: Gesamtwaldbericht (Tagesordnungspunkt 14) 23996 C Heidemarie Wright SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23996 C Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/CSU 23997 B Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 23998 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23999 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 24000 B Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24000 D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig stärken (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . 24001 C Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24001 C Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 24002 C Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 24003 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 24004 A Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 24004 C Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24005 C Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24006 B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen: – Sammelübersicht 393 zu Petitionen – Sammelübersicht 394 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 16 a und b) . . . . . . . . . . 24007 A Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24007 A Matthäus Strebl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 24007 D Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24009 C Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . . 24010 B Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Weltweite Märkte für Meeres- technik erschließen (Zusatztagesordnungs- punkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24010 C Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24010 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . . 24011 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 24013 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24014 A Wolfgang Bierstedt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 24014 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002VIII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 Vizepräsidentin Petra Bläss 23971 (C)(A) 1) Anlage 12 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23973 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 06.06.2002 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 06.06.2002 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 06.06.2002 Marieluise DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 06.06.2002 Bodewig, Kurt SPD 06.06.2002 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 06.06.2002 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 06.06.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 06.06.2002* Klaus Eppelmann, Rainer CDU/CSU 06.06.2002 Erler, Gernot SPD 06.06.2002 Frick, Gisela FDP 06.06.2002 Friedrich (Altenburg), SPD 06.06.2002 Peter Dr. Grygier, Bärbel PDS 06.06.2002 Hampel, Manfred SPD 06.06.2002 Hoffmann (Wismar), SPD 06.06.2002 Iris Irmer, Ulrich FDP 06.06.2002 Jüttemann, Gerhard PDS 06.06.2002 Dr. Küster, Uwe SPD 06.06.2002 Labsch, Werner SPD 06.06.2002 Leidinger, Robert SPD 06.06.2002 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 06.06.2002* Erich Neumann (Bremen), CDU/CSU 06.06.2002 Bernd Neumann (Gotha), SPD 06.06.2002 Gerhard Onur, Leyla SPD 06.06.2002* Palis, Kurt SPD 06.06.2002* Raidel, Hans CDU/CSU 06.06.2002** Rauber, Helmut CDU/CSU 06.06.2002** Ronsöhr, CDU/CSU 06.06.2002 Heinrich-Wilhelm Schily, Otto SPD 06.06.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 06.06.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 06.06.2002* Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 06.06.2002* Seehofer, Horst CDU/CSU 06.06.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 06.06.2002 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 06.06.2002** Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 06.06.2002 DIE GRÜNEN Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 06.06.2002 DIE GRÜNEN Weisskirchen SPD 06.06.2002** (Wiesloch), Gert Dr. Wodarg, Wolfgang SPD 06.06.2002* Zierer, Benno CDU/CSU 06.06.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Dr. Heinrich Fink (PDS) zur Abstimmung überden Entwurf eines Gesetzes der FDPfür eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stif- tungsrechtsreformgesetz) – Drucksache 14/5811 – (233. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9) Namens der Fraktion der PDS erkläre ich: Unser Vo- tum lautet ja. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (238. Sitzung, Drucksache 14/9188, Frage 14): Vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass angesichts der Beschwerde der zu den Oberlandesgerichten singular zuge- lassenen Rechtsanwälte gegen die Aufhebung der Singularzulas- sung an dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) eine erheblich über den 1. Juli 2002 hinausreichende entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Verlängerung der Übergangsfrist durch Gesetz geschaffen werden sollte? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Singularzulassung bei den Oberlandesgerichten (§ 25 Bundesrechtsanwaltsordnung) eine eindeutige Übergangsregelung getroffen. Es besteht, wie die Bundesregierung bereits auf eine schriftliche Frage des Abgeordneten van Essen (FDP) ausgeführt hat (Bundestagsdrucksache 14/8760, Seite 12, zu Frage 19), für den Gesetzgeber kein Raum, die vom Bundesverfas- sungsgericht getroffene Entscheidung abzuändern. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Solidarpaktfortführungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 8) Joachim Stünker (SPD): Auf dem Sonderfinanzpla- nungsrat im März haben Bund und Länder einmütig klare Absprachen zur innerstaatlichen Umsetzung der europä- ischen Stabilitätskriterien getroffen. Diese Absprachen umfassen verbindliche Höchstgrenzen für die Ausgaben- entwicklungen der Haushaltsebenen für die kommenden Jahre sowie eine nachhaltige Stärkung der Rolle des Finanzplanungsrats bei der Überwachung und Einhaltung der Kriterien. Diese verstärkte Rolle des Finanzplanungsrats ist im neuen § 51 a des Haushaltsgrundsätzegesetzes definiert. Das vorzeitige In-Kraft-Treten dieser Bestimmung bereits zum Juli diesen Jahres, die wir mit der Änderung des So- lidarpaktfortführungsgesetzes jetzt beschließen, ist also ein zentraler Teil des Bekenntnisses des Bundes und aller 16 Länder zur gemeinsamen gesamtstaatlichen Verant- wortung für die Einhaltung der europäischen Stabilitäts- kriterien. Die Tatsache und der Inhalt der vom Bund und – ich betone ausdrücklich – allen 16 Ländern gemeinsam ge- troffenen Absprachen zur gemeinsamen Stabilitätsverant- wortung zeigt, meine Damen und Herren von der Union, dass Ihre Aktuelle Stunde von vorhin mit der angeblichen Ausplünderung des einen durch den anderen schlicht un- ter Wahlkampf abzubuchen ist. Das haushaltspolitische Handeln in gemeinsamer Ver- antwortung ist, wie wir jetzt gerade sehen, doch ein ganzes Stück weiter, als Sie es hier vorführen wollten. Die Bereitschaft des Bundes, seine Ausgaben in den nächsten beiden Jahren um jeweils 1/2 Prozent zu reduzieren und den Ländern damit einen größeren Spielraum in der ge- meinsamen Ausgabenlinie zu belassen, ist im Übrigen ein deutliches Zeichen dafür, dass sehr wohl eine faire inner- staatliche Verteilung der Konsolidierungslasten im Zuge der Einhaltung der Stabilitätszusagen auf europäischer Ebene vorgesehen ist. Eine wesentliche Voraussetzung der Verständigung von Bund und Ländern im Finanzplanungsrat war ganz offensichtlich, dass – anders als bei früheren Anläufen zu einem nationalen Stabilitätspakt – auf eine kleinteilige und vollkommen starre Zurechnung „maximal erlaubter Verschuldung“ auf einzelne Gebietskörperschaften ver- zichtet wurde. Denn so wurde den einzelnen Beteiligten der Anreiz genommen, gleichsam „zur Sicherheit“ kom- promisslos um einen möglichst großen eigenen Anteil an der „erlaubten Gesamtverschuldung“ zu kämpfen. Ich hoffe, dass dieser Weg auch künftig weiter verfolgt wird und es keinen Rückfall in die gescheiterten Versuche gibt, die Partner in starre, unveränderliche gesetzliche oder förmliche vertragliche Bindungen zu zwingen. Unangebracht wäre allerdings ebenso eine Verwässe- rung des bereits Erreichten, wie sie der heute erneut ein- gebrachte Antrag der PDS zur Folge hätte. Die kommu- nalen Haushalte sind nun einmal Teil des öffentlichen Gesamthaushalts und müssen natürlich in die Anstren- gungen zur Erreichung des Stabilitätsziels einbezogen werden. Ob der Finanzierungssaldo für sich genommen eine aussagefähige Kenngröße für die Finanzlage der Städte und Gemeinden ist – hierauf stellt ja die Antrags- begründung ab –, ist doch eine ganz andere Frage. Als Vorsitzender des Sonderausschusses Maßstäbe- gesetz/Finanzausgleichsgesetz möchte ich es nicht ver- säumen, darauf hinzuweisen, dass die Formulierung des § 51 a HGrG, die hier nun vorzeitig in Kraft treten soll, der Arbeit unseres Ausschusses zu verdanken ist. Im Verfah- ren zum Solidarpaktfortführungsgesetz im vergangenen Jahr haben wir sie letztlich den Exekutiven von Bund und Ländern abringen müssen. Dass nun gerade das schnelle Inkraftsetzen dieser Rege- lung ein wesentliches Ergebnis des Sonderfinanzplanungs- rates war, zeigt, dass unsere Arbeit durchaus von Einfluss auf die Stärkung einer gesamtstaatlichen Stabilitätskultur und -verantwortung in unserem Land gewesen ist. Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen im Sonderausschuss für ihre Arbeit danken. Wie schon bei den großen Gesetzen, die wir behandelt haben, dem Maßstäbegesetz und dem Solidarpaktfort- führungsgesetz, sind wir auch bei dieser Änderung jetzt mit breiter Mehrheit im Ausschuss zu einem positiven Er- gebnis bekommen. Dass es der FDP, die schon den Finanzausgleich und den Solidarpakt II abgelehnt hat, nicht einmal heute – wo es doch ganz eindeutig um ein Mehr an finanzpolitischer Stabilitätskultur in Deutschland geht – möglich ist, zuzu- stimmen, bedaure ich zutiefst. Heinz Seiffert (CDU/CSU): Bund und Länder haben sich bei der Verabschiedung des Solidarpaktfortführungs- gesetzes 2001 in Art. 7 darauf geeinigt, dass sie eine Rückführung der Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte anstreben wollen und dass der Finanzplanungsrat eine gemeinsame Ausgabenlinie emp- fehlen kann, die sicherstellt, dass die Bestimmungen des Maastricht-Vertrages und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes umgesetzt werden. Es ist richtig, dass diese Regelungen nicht erst ab 2005, sondern so bald wie möglich in Kraft gesetzt werden. Der von der Bundesregierung – auch auf Wunsch der Länder – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223974 (C) (D) (A) (B) eingebrachte Gesetzesentwurf, über den wir heute beraten und entscheiden, sieht vor, dass die genannten Verfahrens- regeln zur Haushaltsdisziplin von Bund und Ländern noch im Laufe dieses Jahres angewendet werden können. Dem stimmt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich zu. Die Verabredung zu strikter Ausgabendisziplin und eine Rückführung der Neuverschuldung aller Gebietskör- perschaften sind notwendige und richtige Vorhaben. Die Union unterstützt nachdrücklich das Ziel ausgeglichener Haushalte und finanzpolitischer Stabilität. Wir erwarten allerdings, dass Bund und Länder ihrer finanzpolitischen Gesamtverantwortung gerecht werden und insbesondere den Kommunen keine weiteren Sonderlasten aufbürden. Ich persönlich hätte es sehr begrüßt, wenn es Minister Eichel gelungen wäre, dies in einem nationalen Stabili- tätspakt – mit Sanktionsmöglichkeiten – festzuschreiben. Es wäre allerdings ein Fehler, jetzt anzunehmen, durch das Vorziehen der soeben beschriebenen Regelung sei al- les Erforderliche getan, um Deutschland vor einer Über- schreitung der Maastrichter Stabilitätskriterien zu be- wahren. Vielmehr sind in erster Linie erheblich höhere Wachstumsraten notwendig, als wir sie derzeit haben. Wir müssen das gesamte Regierungshandeln darauf ausrich- ten, das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln und den Arbeitslosen Stellen zu verschaffen. Wir können uns nicht damit abfinden, dass wir Schlusslicht beim Wirt- schaftswachstum in Europa sind, aber Spitzenreiter bei den Unternehmensinsolvenzen. Wir sind das Land mit der höchsten Neuverschuldung in ganz Europa. Aus dem einstigen Stabilitätsmuster- schüler ist Deutschland mit einem Defizit von 2,7 Prozent im Jahr 2001 und wohl mindestens 2,8 Prozent in diesem Jahr unter der rot-grünen Bundesregierung das Schluss- licht in Europa geworden. In allen europäischen Ländern ist das Staatsdefizit seit 1998 gesunken, nur in Deutschland ist es aufgrund der schlechten rot-grünen Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik gestiegen. Mit großen Schritten bewegen wir uns auf die 3-Prozent-Defizit- grenze zu. Es ist Bundesfinanzminister Eichel zwar vor- erst gelungen, eine Frühwarnung der EU-Kommission – den so genannten blauen Brief – abzuwenden, indem er die Zusage gemacht hat, dass 2004 ein nahezu ausge- glichener Haushalt erreicht wird. Angesichts der weg- brechenden Steuereinnahmen – allein in den Jahren 2002 bis 2004 werden das für alle öffentlichen Haushalte wohl etwa 47 Milliarden Euro sein – ist bei einem „Weiter so!“ Eichels Brüsseler Versprechen blanke Illusion. Eichel hat sein Versprechen wohl auch nur gemacht, weil er ziemlich sicher davon ausgehen kann, dass er 2004 nicht mehr Fi- nanzminister ist. Der Bundeskanzler hat wohl befürchtet, der verdiente blaue Brief aus Brüssel werde seine Wahlchancen deut- lich verschlechtern, da er das offenkundige Versagen der rot-grünen Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Steuerpolitik durch die EU-Kommission dokumentieren würde. Des- halb hat er mit allen Mitteln – ohne an die Konsequenzen und an den Schaden zu denken, der durch dieses Handeln entstanden ist – die Frühwarnung der EU verhindert. Nicht verhindern konnte er jedoch, dass die Deutsche Bundesbank in ihrem letzten Geschäftsbericht der Bun- desregierung einen blauen Brief ins Stammbuch geschrie- ben hat. Und im Herbst – nach der Wahl – droht der blaue Brief der EU-Kommission erneut. Die Arbeit der neuen Bundesregierung wird also mit einer schweren Hypothek belastet sein. Unsere Wirtschaftsdaten sind allerdings durch Eichels unrealistisches Versprechen um keinen Deut besser ge- worden. Und unser Ansehen in der Eurozone hat so oder so erheblich gelitten, schließlich war es gerade Deutsch- land – Eichels Vorgänger Theo Waigel –, das den europä- ischen Stabilitätspakt durchgesetzt hat. Der Bundesfinanzminister hat zu den dramatischen Steuerausfällen geäußert, er sei über die Folgen der von ihm gegen den erbitterten Widerstand der CDU/CSU- Bundestagsfraktion und fast aller Sachverständigen durchgesetzten Steuerreform „überrascht“. Er hat also die Folgen seines Regierungshandelns falsch eingeschätzt – und Sie von Rot-Grün sind ihm gefolgt. Und jetzt wun- dern Sie sich! Statt ihre verfehlte Wirtschafts-, Arbeits- markt- und Steuerpolitik zu korrigieren, versucht die Bun- desregierung, Länder und Kommunen für die Folgen ihrer verfehlten Politik verantwortlich zu machen. Das ist falsch und soll nur ablenken. Tatsache ist, dass die rot-grüne Bundesregierung die gesamtwirtschaftliche Verantwortung für Wachstum, Ver- schuldung und Arbeitsplätze in Deutschland trägt. Tat- sache ist, dass Sie durch eine unverantwortliche Wirt- schafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik Deutschland in eine Rezession geführt haben, eine Rezession, die über- wiegend hausgemacht ist und gewaltige Steuerausfälle für Länder und Kommunen gebracht hat. Tatsache ist, dass Rot-Grün – gegen den versammelten Sachverstand – eine Steuerreform zugunsten der Kapitalgesellschaften durch- gesetzt hat mit der Folge, dass die Körperschaftsteuerein- nahmen dramatisch eingebrochen sind. Und schließlich ist auch Tatsache: Schröder und Eichel haben die Finanz- situation der Kommunen durch Lastenverlagerungen, durch eine nicht gerechtfertigte Anhebung der Gewerbe- steuerumlage und durch den hausgemachten Konjunktur- einbruch dramatisch verschlechtert. Rot-Grün hat die kommunalen Kassen geplündert. Und nun werfen Sie den Städten und Gemeinden vor, dass sie die Verschuldung er- höhen müssen. Die Schuldzuweisungen des Finanzminis- ters an andere Gebietskörperschaften sind in der Sache falsch und ungerecht. Zur Beschreibung der aktuellen Finanzsituation gehört auch, dass im Jahr 2002 die Nettokreditaufnahme nahe an die Verfassungsgrenze des Art. 115 GG kommen wird. Wenn weitere massive Einnahmeausfälle kommen – und bei der Körperschaftsteuer zeichnet sich dies leider ab –, dann wird die Nettokreditaufnahme höher sein als die In- vestitionen im Bundeshaushalt. Jetzt rächt sich bitter, dass diese Regierung keinerlei finanz- und wirtschaftspoliti- sches Leitbild hat. Wer wie Rot-Grün immer neue Hürden für mehr Wachstum und Beschäftigung errichtet hat und am Jahresanfang 2002 den Investoren und Konsumenten rund 5 Milliarden Euro durch Steuererhöhungen – bei der Ökosteuer, der Tabak- und Versicherungsteuer und der Schwefelsteuer – aus der Tasche gezogen hat, der handelt ökonomisch verantwortungslos und muss sich über Kauf- zurückhaltung und Nachfrageschwäche nicht wundern. Viele auch von der SPD regierte Länder mussten auf die massiven Verschlechterungen auf der Einnahmenseite Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23975 (C) (D) (A) (B) mit Haushaltssperren reagieren. Sie sehen keinen anderen Ausweg aus der misslichen Lage, in die sie diese Bun- desregierung gebracht hat. Dringend notwendig sind eine durchgreifende Deregu- lierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine Entbürokratisierung vieler Lebensbereiche. Zusammen mit einer kräftigen Konjunkturbelebung wird dies auch eine Entlastung des Arbeitsmarktes bewirken. Die Union hat mit dem Modell „dreimal 40“ ein ehrgeiziges, aber not- wendiges Ziel vorgegeben. Neben der stufenweisen Sen- kung des Spitzensteuersatzes auf unter 40 Prozent sind vor allem die Rückführung der Staatsquote von derzeit 48,5 Prozent schrittweise auf rund 40 Prozent und die Reduzie- rung der Sozialversicherungsbeiträge auf im Ergebnis circa 40 Prozent nötig, um die Beschäftigungsschwelle deutlich zu senken. Der weit überwiegende Teil der Kos- ten wird durch Umschichtungen im Bundeshaushalt, durch die konsequente Rückführung der konsumtiven Ausgaben und durch eine schrittweise Kürzung der Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt aufzubringen sein. CDU und CSU wollen durch eine Rückführung der Abgaben und Steuern die Eigenverantwortung der Bürger stärken und ihnen mehr Möglichkeiten zur Eigenvorsorge geben. Dazu muss es zu einer wachstumsfördernden Steuerpolitik und zu sparsamem Wirtschaften in den öffentlichen Haushalten kommen. Außerdem brauchen wir umfassende Reformen bei den sozialen Sicherungssystemen und in allen gesell- schaftlichen Bereichen. Wir werden diese Aufgaben ab September – wenn dies der Wähler will – mit Mut und Elan anpacken. Durch Wei- terwurschteln mit „ruhiger Hand“ werden wir die Zukunft sicher nicht gewinnen können. Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die heute zu debattierende Änderung des Solidarpaktfort- führungsgesetzes ist eine kleine, aber sehr wesentliche. Wir beschließen einen entscheidenden und konkreten Schritt, die Länder in einen nationalen Stabilitätspakt einzubezie- hen, um gemeinsam unseren Verpflichtungen gegenüber dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu ent- sprechen und ausgeglichene öffentliche Haushalte vorwei- sen zu können. Nachdem wir im letzten Jahr bei der Debatte zum Maß- stäbegesetz eine eher weiche Absichtserklärung der Län- der mit aufgenommen haben, geht es nun um die Schaf- fung harter Fakten. Die Länder werden verpflichtet, ihren Ausgabenzuwachs auf maximal 1 Prozent zu begrenzen. Der Bund geht mit leuchtendem Beispiel voran, indem er seinen Ausgabenzuwachs auf 0,5 Prozent begrenzt. Es versteht sich, dass die Länder unterschiedlich schnell und stark auf die Herausforderungen dieses nationalen Sta- bilitätspakts reagieren können. Die Länder mit einer Haus- haltsnotlage verdienen besondere Berücksichtigung. Das Ziel ist für alle gleich: ausgeglichene Haushalte. Die Wege und Geschwindigkeiten werden unterschiedlich sein. Des- halb wurde die Vorgabe für die Länder doppelt so hoch an- gesetzt wie für den Bund. Das lässt Spielraum. Die Finanzministerkonferenz der Länder wünschte eine Sondersitzung des Finanzplanungsrates, die am 21. März 2002 stattfand. Nachdem Deutschland am 12. Februar die- ses Jahres dem Ecofin-Rat gegenüber die Umsetzung des Stabilitätspaktes zugesagt hatte, waren sowohl der Bund als auch die Länder daran interessiert, diese Umsetzung konkret zu erörtern. Nun werden die Haushaltsgrundsätze angepasst, um die Gewährleistung der Haushaltsdisziplin im Sinne des Art. 104 EGV auf eine europataugliche Grundlage zu stellen. Auch wenn die heutige Aktuelle Stunde etwas anderes suggierte, weiß ich doch, dass die Mehrheit des Hauses die Sinnhaftigkeit und auch die Alternativlosigkeit dieser Vorgehensweise erkannt hat und insofern heute dieser Än- derung zustimmen wird. Gerhard Schüßler (FDP): Die FDP hat dem Gesetz- entwurf, den wir heute beraten, im Finanzausschuss nicht zugestimmt und wird auch heute mit Nein votieren. Vor- gezogen werden soll eine Änderung des Haushalts- grundsätzegesetzes, deren Inhalt wir natürlich begrüßen. Geregelt wird die Begrenzung der Ausgabensteigerung von Bund und Ländern. Das ist aber schon das einzig Po- sitive. Die FDP lehnt dieses Gesetz ab, weil das Solidarpakt- fortführungsgesetz – übrigens ein vollkommen falscher Ti- tel – auf einem faulen Kompromiss von Bund und Ländern beruht. Jetzt wollen Sie die Ausgabensteigerung begrenzen, im letzen Jahr hätten Sie nicht nur die Gelegenheit, sondern auch die Pflicht gehabt, die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern neu zu regeln. Das hat uns allen das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben. Die Neurege- lung des Länderfinanzausgleichs, als echtes Maßstäbege- setz gefordert, als Verschiebebahnhof beschlossen, mit dem Namen Solidarität tabuisiert, damit es ja keine Kritik gibt: Hier macht die FDP nicht mit. Gerade die Kollegen von den großen Fraktionen scheuen davor zurück, endlich hoheitliche Aufgaben neu zu ordnen und dabei kräftig zu stutzen. Stattdessen wird jetzt der Anstieg der Ausgaben begrenzt. Das ist für sich zu begrüßen, aber nur ein Kurieren an Symptomen. Die FDP hat Vorschläge für eine Neuregelung des Län- derfinanzausgleichs gemacht. Sie waren nicht bereit, diese aufzugreifen. Die Koalition hat nach drei Jahren Nichtstun jetzt eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen bzw. der Abschaffung der Gewerbesteuer eingesetzt, um Aktivität zu demonstrieren. Mit anderen Worten: Sie sind trotz aller Lippenbekenntnisse nicht bereit, dringend not- wendige und von den Bürgern erwartete Reformen einzu- leiten. Hier macht die FDP keinesfalls mit. Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS): Die PDS-Fraktion stimmt der generellen Zielsetzung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, die Nettoneuverschuldung der Haus- halte von Bund, Ländern und Gemeinden zurückzuführen, zu. Dennoch wird der Gesetzentwurf wegen grundsätzli- cher inhaltlicher Bedenken abgelehnt. Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte in der Bundesrepublik beläuft sich derzeit zusammen auf etwa 1,2 Billionen Euro. Natürlich darf daher auch das An- liegen, ausgeglichene Haushalte anzustreben, nicht aus den Augen verloren werden. Für das von Bundesfinanzminister Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223976 (C) (D) (A) (B) Eichel abgegebene Versprechen, dies bereits im Jahr 2004 erreichen zu können, bestehen aber keine ausreichenden Voraussetzungen. Allein der mit der Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres prognostizierte Rückgang der Steuerein- nahmen in 2002 und 2003 um zusammen rund 30 Milliar- den Euro nährt erhebliche Zweifel, dass die vom Finanz- planungsrat im März dieses Jahres vereinbarte Begrenzung des Ausgabenwachstums auch nur annähernd ausreichen wird, diese Einnahmeausfälle zu kompensieren. Ohne kräf- tig sprudelnde Einnahmen aber sind Bund, Länder und Ge- meinden immer weniger in der Lage, ihrer Verantwortung für die Förderung des Wirtschaftslebens und die Ankurbe- lung des Arbeitsmarktes, für die notwendige Bildungsof- fensive bzw. die Lösung sozialer, soziokultureller und öko- logischer Aufgaben nachzukommen. Die im Gesetzentwurf verankerte Vorziehung der An- wendung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstums- paktes verkommt in weiten Teilen zur Formalie. Besonders davon betroffen sind Städte, Gemeinden und Landkreise. Der so genannte Finanzierungssaldo hat nämlich auf der kommunalen Ebene, anders als auf der Ebene von Bund und Ländern, nur eine vergleichsweise geringe Aussagekraft zur Beurteilung der jeweiligen Haushaltsituation. Daher sind Vergleiche von Finanzierungssalden zwischen Bund und Ländern einerseits und der kommunalen Ebene andererseits auch nicht geeignet, ein zutreffendes Bild der vielerorts dra- matischen kommunalen Finanzlage zu zeichnen. Der vorliegende Gesetzentwurf ignoriert die gravie- renden Unterschiede zwischen dem kommunalen Haus- haltrecht auf der einen Seite sowie der Bundeshaushalt- ordnung bzw. den Haushaltordnungen der Länder auf der anderen Seite. Die dem Gesetzentwurf der Bundesregie- rung mit zugrunde liegende Verpflichtung der Kommunen nämlich, den gesamten Schuldendienst aus den laufenden Einnahmen des Verwaltungshaushaltes zu decken, würde bewirken, dass diese weit stärker als Bund und Länder ge- zwungen sind, durch Leistungseinschränkungen zulasten von Bürgern und Wirtschaft, durch weiteren Abbau des Personals sowie anhaltende Rückführung der bereits dras- tisch reduzierten Investitionen das kommunale Finanzie- rungsdefizit zu senken. Der von der PDS-Fraktion eingebrachte Änderungsan- trag 14/9276 stellt die Dinge wieder vom Kopf auf die Füße. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen. Karl Diller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Solidarpaktfortführungsgesetzes zieht das In-Kraft- Treten von § 51 a Haushaltsgrundsätzegesetz auf den 1. Juli 2002 vor. Damit wird ein Beschluss des Finanz- planungsrates vom 21. März 2002 umgesetzt. Zur Erinnerung: Die Entwicklung des Staatshaushaltes verlief im Jahr 2001 deutlich ungünstiger, als wir es in un- serem Stabilitätsprogramm gegenüber der EU vom Okto- ber 2000 ursprünglich prognostiziert hatten. Ursache hier- für war insbesondere ein nicht vorhersehbarer Anstieg der Defizite in den Haushalten der Länder. Die Länderdefizite haben sich gegenüber dem Vorjahr verdreifacht. Wir haben im Ecofin-Rat unser Ziel bekräftigt, im Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen Staatshaushalt zu er- reichen. Hierfür hat Deutschland unter anderem zugesagt, Vereinbarungen mit den Ländern über einen nationalen Stabilitätspakt zu treffen, der das Erreichen dieses Zieles sicherstellt. In schwierigen Verhandlungen haben Bund und Länder auf der Sondersitzung des Finanzplanungsrats am 21. März 2002 beraten, wie sie in gemeinsamer Verantwortung die Einhaltung der Vorgabe des europäischen Stabilitätspak- tes sicherstellen können, im Jahr 2004 einen nahezu aus- geglichenen Staatshaushalt zu erreichen. Als wesentlicher Eckpunkt wurde beschlossen, die Neuregelung des § 51 a Haushaltsgrundsätzegesetz be- reits zur Jahresmitte 2002 in Kraft treten zu lassen. Der neue § 51 a regelt zur Einhaltung der Haushalts- disziplin im Rahmen der EU, dass Bund und Länder anstre- ben, ihre Nettoneuverschuldung mit dem Ziel ausgegliche- ner Haushalte zurückzuführen; durch die Empfehlung des Finanzplanungsrates für eine gemeinsame Ausgabenlinie sicherzustellen ist, dass die Bestimmungen des Maastricht- Vertrages und des europäischen Stabilitätspaktes zur Be- grenzung des gesamtstaatlichen Defizits umgesetzt werden, der Finanzplanungsrat bei Abweichungen Empfehlungen zur Wiederherstellung der Haushaltsdisziplin ausspricht. Der letzte Punkt spiegelt das Verfahren, dem sich Deutschland auf EU-Ebene stellen muss, auf nationaler Ebene wider. Im Geiste des neuen § 51 a haben die Mitglieder des Fi- nanzplanungsrates einen nationalen Stabilitätspakt be- schlossen, der für die Jahre 2003 und 2004 vorsieht, dass der Bund seine Ausgaben im Vergleich zu 2002 um durch- schnittlich 0,5 Prozent pro Jahr vermindern wird und Län- der und Gemeinden ihr jährliches Ausgabenwachstum auf jeweils 1 Prozent im Jahresdurchschnitt begrenzen werden. Dabei bleibt der Bund bei seiner Planung, 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Ausgabenempfehlung des Finanzplanungsrates wird also so angepasst, dass im Jahr 2004 – bei Vorliegen der konjunkturellen Voraussetzungen – ein nahezu ausge- glichener Staatshaushalt erreicht wird. Damit wurde der Kernpunkt unseres Konzeptes für eine innerstaatliche Regelung zur Einhaltung der EU-Vorgaben zur Haushaltsdisziplin verwirklicht: Statt eine bürokrati- sche und unpraktikable Verteilung von Defizitobergrenzen für jedes einzelne Bundesland anzustreben, wie es die Vor- gängerregierung vergeblich versucht hat, wird die Ausga- benlinie des Finanzplanungsrates für die Ziele des europä- ischen Stabilitätspaktes instrumentalisiert. Dieser Ansatz hat mit der neuen Ausgabenempfehlung des Finanzplanungsrates seine erste Bewährungsprobe bestanden. Das Ergebnis der Sondersitzung des Finanzplanungsra- tes ist ein großer Erfolg für die stetigen Bemühungen der Bundesregierung, die Länder konkret in die gesamtstaatli- che Verantwortung zur Einhaltung der Vorgaben des euro- päischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einzubinden. Ausdrücklich möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Kooperationsbereitschaft aller Bundesländer hinweisen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23977 (C) (D) (A) (B) die sich zu ihrer Verantwortung für die Einhaltung der euro- päischen Vorgaben zur Haushaltsdisziplin bekannt haben. Damit wird im Übrigen auch einer Forderung der EU- Kommission Rechnung getragen, die Rolle des Finanzpla- nungsrates bei der innerstaatlichen Umsetzung der euro- päischen Vorgaben zur Haushaltsdisziplin aufzuwerten. Entsprechend positiv wurde die Regelung eines nationalen Stabilitätspaktes von der EU-Kommission aufgenommen. Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetzent- wurf wird die Finanzpolitik von Bund, Ländern und Ge- meinden auf eine europataugliche Grundlage gestellt. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und der Berichte: – Nationales Luftfahrtforschungsprogramm fortsetzen – Luftfahrtforschung voranbringen (Tagesordnungspunkt 10 a und b) Dr. Margrit Wetzel (SPD): Der Luftfahrtstandort Deutschland ist ein starker Partner im europäischen Ver- bund der Luftfahrtindustrie und muss als solcher gesichert werden. Darin sind wir gewiss über alle Fraktionen hin- weg einig. Nur allzu gut ist uns der Tiefpunkt Mitte der 90er-Jahre in Erinnerung: Ich nenne nur das Stichwort „Dolores“. Der Umsatz der Branche, der Anfang der 90er- Jahre noch bei 14 Milliarden DM lag, fiel um circa 40 Pro- zent auf knapp 8 Milliarden. Die Zahl der Beschäftigten nahm um 30 Prozent ab, fast 30 000 Arbeitsplätze gingen verloren. Dann folgte die neue Erfolgsstory der Luftfahrt- industrie: Nicht zuletzt unterstützt durch die Luftfahrtfor- schungsprogramme stieg der Umsatz bis 2001 wieder auf circa 15 Milliarden DM, verdoppelte sich also fast. 10 000 Menschen fanden neue, qualifizierte Arbeitsplätze. Deutsche Unternehmen sind wieder Top-Partner in der EU – und so soll es auch bleiben. Das heißt für uns: Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit und die Planungssicherheit für die Unternehmen unterstützen wollen, dürfen wir die Industrie mit ihren hervorragenden Eigenbeiträgen nicht allein lassen. Natürlich kann die Industrie, wenn sie schwarze Zahlen schreibt, auch richtig große eigene An- strengungen auf den Weg bringen. Und das tut sie auch. Wenn es aber darum geht, Kernkompetenzen in Deutsch- land zu halten, Arbeitsplätze und den Markterfolg der Un- ternehmen zu sichern, dann müssen wir mindestens glei- che Unterstützung gewähren wie unsere wichtigen Partner in Europa. England und Frankreich zum Beispiel fördern Forschung und Entwicklung ihrer Luftfahrtindustrie mit namhaften Beträgen von 50 Millionen Euro jährlich. Wir haben inzwischen erreicht, dass auch die Bundesländer, in denen die Unternehmen ansässig sind, sich an der Unter- stützung ebenso beteiligen wie der Bund – und ebenso nicht zu vergessen die wissenschaftlichen Forschungsein- richtungen. Deutschland ist inzwischen weltweit führend in der Triebwerkstechnik. Deutsche Unternehmen haben gera- dezu Quantensprünge hinsichtlich der Lärmreduzierung erreicht. Jedes Flugzeug muss landen. Diese einfache Wahrheit verpflichtet uns alle, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass immer leisere Flugzeuge entwickelt, Start- und Landevorgänge geräuschärmer werden; das ge- samte Flughafenumfeld mit seinen Lärmemissionen ist für immerwährende Verbesserungen ein dankbares For- schungsfeld. Mit Blick auf die langfristigen Wachstums- prognosen des Flugverkehrs – für die produzierende In- dustrie natürlich eine Freude – muss es uns aber gelingen, Verkehrswachstum und Umweltbelastung zu entkoppeln. Der Luftraum muss so effektiv wie möglich genutzt wer- den. Und gleichzeitig wollen wir – gerade im Hinblick auf den 11. September – mehr Sicherheit beim Flugverkehr, möglichst die Verbesserung der Flugsicherheit zu einem mitentscheidenden Förderkriterium erheben. Alle For- schungen, die eine höhere Wirtschaftlichkeit, die mehr Nutzerfreundlichkeit bewirken, verdienen unsere Unter- stützung. Der Treibstoffverbrauch kann noch weiter ge- senkt werden, ebenso die Schadstoffbelastungen, die Su- che nach alternativen Treibstoffen kann gar nicht intensiv genug betrieben werden. Unsere Motivation, die Luftfahrtforschung weiter ste- tig und angemessen zu fördern, kommt nicht zuletzt aus den Erfolgen und Eigenanstrengungen unserer Industrie. Das gilt für den Umweltschutz in der Produktion, für die Arbeitssicherheit, den Gesundheitsschutz in den Unter- nehmen ebenso wie für die Konstruktion oder neue Tech- nologien für die Flugerprobung. Wenn ich Ihnen einfach einmal einige Beispiele aus den Airbus-Werken nennen darf: Neue Technologien bei der Blechteilefertigung oder die Nutzung der Umkehr- osmose im Bremer Werk sparen Energie und entlasten von Umweltschäden. Oder nehmen wir die Hallenkonzeption für den Neubau des A380. Ganz neue Dimensionen zeigen, dass Unternehmen flexibel genug für langjährige Baupha- sen planen können: Sie sind in der Lage, auch Optionen für absolut technische Neuerungen in der Produktion of- fen zu lassen. Das Hamburger Airbus-Werk hat übrigens vom Amt für Arbeitsschutz eine Auszeichnung bekom- men. Auch Arbeitsschutz gehört heute unverzichtbar zum Fortschritt. Ständige Fortbildung und Qualifizierung der Mitarbei- ter kostet die Unternehmen nicht wirklich, wenn sie be- weglich genug sind, die Kreativität ihrer Mitarbeiter zu nutzen: Energie-Einsparungsvorschläge eines Mitarbei- ters haben bei Presstechnik-Anlagen zum Beispiel zu Einsparungen von 6 Prozent auf den Gesamtverbrauch geführt. Das Laserstrahlschweißen hat auch in der Luft- fahrt Einzug gefunden – und führt zu Materialeinsparung und Lärmreduzierung gleichzeitig. Vergessen wir „Dolo- res“, denken wir lieber an TANGO. Bei der Erforschung neuer Werkstoffe kooperieren 34 Partner aus ganz Eu- ropa. Darunter diverse Airbuspartner, Universitäten und Forschungseinrichtungen aus ganz Europa. Wenn wir also von der Vernetzung von Spitzenfor- schungseinrichtungen reden, die wir stabilisieren wollen: Die Beispiele gibt es bereits, wir müssen die Pflänzchen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223978 (C) (D) (A) (B) nur pflegen. Der A 380 ist nicht das Ende der Fahnenstan- ge – Konstrukteure entwickeln auch ganz neue Flugzeug- typen, die völlig andere ökologische und ökonomisch in- teressante Dimensionen ahnen lassen. Und deshalb sind sich die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen ei- nig: Wir wollen das erfolgreiche Luftfahrtforschungspro- gramm fortsetzen. Die High Level Group, das fachliche Beratungsgremium des Luft- und Raumfahrtkoordinators, hat den Bedarf der Industrie auch mit Blick auf unsere Nachbarländer auf circa 50 Millionen Euro beziffert. Un- ser Antrag fordert im Rahmen der finanzpolitischen Leit- linien eine angemessene jährliche Bundesförderung. Und die heutige Debatte soll unseren Haushältern bei den schwierigen Verhandlungen gegenüber anderen Interessen und Bedürfnissen den Rücken stärken, damit sie entspre- chende Haushaltstitel bis zur Einbringung des Haushalts 2003 im September einwerben können. Gemeinsam machen wir unsere Haushälter stärker. Max Straubinger (CDU/CSU): In zahlreichen Ge- sprächen mit führenden Repräsentanten unserer heimi- schen Luftfahrtindustrie und aufgrund eigener Erfahrungen muss man feststellen, dass die deutsche Luftfahrtindustrie bei europäischen Gemeinschaftsproduktionen, insbeson- dere mit den französischen Partnern, im Hightechbereich immer weiter zurückgedrängt wird. Deutschland droht, ge- rade im europäischen Vergleich auch in diesem Bereich of- fensichtlich ins Hintertreffen zu geraten und damit langjährig erworbene Kernkompetenzen sowie ein enor- mes Wirtschaftspotenzial verpuffen zu lassen. So hat der Bund seine Förderaktivitäten im Luftfahrt- forschungsprogramm leider von 600 Millionen DM – das sind circa 300 Millionen Euro – im Zeitraum 1995 bis 1998 für LuFo I drastisch auf 240 Millionen – das sind circa 120 Millionen Euro – im Zeitraum 1999 bis 2002 für LuFo II zulasten der Länder und der Industrie zurückge- fahren. Davon wurden erstaunlicherweise bis Ende 2002 nur 203 Millionen DM verfügt und die restlichen 37 Mil- lionen DM stillschweigend auf die kommenden Jahre ver- teilt mit der Folge, dass in diesem Jahr keine Projekte mehr bewilligt werden konnten. Da läuft doch etwas schief! Ohne eine echte Kraftanstrengung in diesem Bereich wird Deutschland jedenfalls beim derzeitigen Restruktu- rierungsprozess der europäischen Luft- und Raumfahrtin- dustrie hinsichtlich der harten Kämpfe um das Bestehen zukünftiger EADS-Standorte schnell das Nachsehen ha- ben und weder im zivilen noch im militärischen Bereich den Zuschlag, beispielsweise für die sich in Vorbereitung befindliche, neu zu gründende europäische Gesellschaft für den Bereich der militärischen Luftfahrt erhalten. Zu- dem fließt in die US-Raumfahrtindustrie circa dreimal so viel staatliche Unterstützung als in europäische Unter- nehmen. Konkret stellt sich dabei ein Verhältnis von 23 Milliarden Dollar zugunsten der US-Unternehmen jährlich zu circa 7,2 Milliarden Euro für europäische Fir- men dar. Gerade im Vergleich zum Beispiel zu Frankreich gibt Deutschland schlichtweg zu wenig Geld für Luft- und Raumfahrt aus. Sollte hier in absehbarer Zeit keine Wende erfolgen, droht Deutschland ein Abwandern der Wert- schöpfung und damit verbunden ein Abwandern hoch qualifizierter Spezialisten in andere Länder ganz zu schweigen von dem Problem, überhaupt qualifizierten In- genieurnachwuchs zu erhalten. Wenn ich schon die Probleme und aktuellen Krisenbe- wältigungsszenarien in diesem Bereich anführe, muss man in diesem Zusammenhang erwähnen, dass der Bund zum Beispiel auch gefordert ist, baldmöglichst die Grundlagen für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Fairchild Dornier in Oberpfaffenhofen zu schaffen und bei der Suche nach ei- nem potenziellen strategischen Partner mit Bürgschaften für die notwendige Finanzierung unterstützend zu wirken. Denn der Erhalt von Fairchild Dornier ist nicht nur eine Entscheidung für den Erhalt von Arbeitsplätzen, sondern vor allem auch eine strategische technologische Entschei- dung für den Erhalt des Flugzeugbaustandortes Deutsch- land. Deshalb wäre es notwendig, dass sich die Bundesre- gierung bald für eine zielgerichtete Förderung der ange- strebten Partnerschaft mit dem kanadischen Konzern Bombardier ausspricht. Der Besuch des Bundeskanzlers in Kanada am 25. Juni 2002, bei dem er auch bei Bom- bardier sein wird, wäre ein guter Anlass dafür, endlich Klarheit darüber zu schaffen, dass man bereit ist, konkret den in Turbulenzen geratenen nationalen Flugzeugher- steller zu retten. Sieht man sich entsprechende Zahlen an, kann es sich jedoch eine Bundesregierung, die vorgibt, sich um den Er- halt von Arbeitsplätzen ernsthaft zu bemühen, nicht leis- ten, die Luftfahrtforschung weiterhin ungenügend voran- zutreiben. Denn allein in der Luft- und Raumfahrtindustrie sind in Deutschland 70 000 Menschen direkt beschäftigt. Vom gesamten Luftverkehr hängen 250 000 Arbeitsplätze direkt und 500 000 indirekt ab. Darüber hinaus sprechen Prognosen bis 2020 übereinstimmend von einem jährli- chen Wachstum des Fluggästeaufkommens von bis zu 5 Prozent und von einem Anstieg des Luftfrachtverkehrs um jährlich 7 Prozent. Von einer Festigung der Position von Airbus, dem größten europäischen Flugzeughersteller, könnte Deutschland bei einem Umsatz von insgesamt 600 Milliarden Euro bis 2020 maßgeblich, das heißt bis ge- schätzte 40 Prozent profitieren: Das alles lässt kein weite- res Zögern in der Bereitstellung von angemessenen För- dermitteln zu! Auch wenn infolge der fürchterlichen Ereignisse des 11. September 2001 optimistische Ein- schätzungen kurzfristig revidiert werden mussten, ist lang- fristig in jedem Fall mit einer Fortsetzung des positiven Trends zu rechnen. Das zeigte auch die Erfahrung nach dem Golfkrieg. Weitere erfreuliche und fortzusetzende Trends sind aufgrund der Leichtbauweise zum einen die in den letzten 30 Jahren deutlich gesunkenen Lärmemissionen, zum an- deren der gesunkene Treibstoffverbrauch und damit ein- hergehende verminderte C02-Emissionen, die bis 2020um weitere 30 Prozent gesenkt werden können. Über eine weitere Verbesserung der Umwelt- und Lärm- verträglichkeit des Luftverkehrs sind wir uns in diesem Hause ja alle einig. Wenn ich mir allerdings die Ausführun- gen des Kollegen Fell von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Debatte zu dieser Thematik vom 24. Januar dieses Jahres nochmals vor Augen führe, in de- nen er sehr einseitig die Entwicklung sparsamer sowie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23979 (C) (D) (A) (B) alternativer Brennstoffe fordert, aber das Zurückfahren nationaler Fördermittel ausdrücklich begrüßt, frage ich mich, wie die Koalition, insbesondere das Bündnis 90/Die Grünen, mit der notwendigen technologischen Fortent- wicklung in der Luftfahrt Schritt halten möchte. Die vom Kollegen Fell geforderten „intelligenten Materialien“ werden uns nicht aus dem Weltall zum Nulltarif zufliegen; wenn ich das einmal so salopp formulieren darf. Wenn Bundesumweltminister Trittin bei der dritten Teilgeneh- migung des Forschungsreaktors in Garching das Verfah- ren immer wieder verzögert und dabei den gesetzlich ver- ankerten Grundsatz der Straffung einfach ignoriert hat, muss man sich als Regierungspartei ernsthaft fragen las- sen, ob man überhaupt an technischer Innovation interes- siert ist. Fest steht – darüber sind sich ebenfalls alle Parteien im Grundsatz einig –, dass es auch ein Luftfahrtforschungs- programm III geben muss. Zu unkonkret sind jedoch Aus- sagen der Koalition darüber, was sie für die Luftfahrtfor- schung ausgeben will. Es ist immer wieder die Rede davon, die Luftfahrtforschung – ähnlich wie in Frankreich und England – mit 50 Millionen Euro an jährlichen Bun- desmitteln zu fördern. Das hat auch der PStS im BMWi, Herr Mosdorf, in seinen letzten Amtswochen immer wie- der verlauten lassen. Diese Fördersumme wurde auch auf der Bund-Länder-Wirtschaftsministerkonferenz des ver- gangenen Herbstes als politisches Ziel formuliert. In letz- ter Zeit hört man davon seitens der Bundesregierung al- lerdings nichts Konkretes mehr. Im Gegenteil: Aus betroffenen Kreisen habe ich sogar vernommen, dass Zahlen im Raum stehen, die deutlich unter dieser Summe liegen. Die zuständigen Ministerien müssen sich nächste Woche endlich auf für die Luft- und Raumfahrtindustrie praktikable, zufrieden stellende und planbare Fördermit- tel einigen. Ich fordere die Bundesregierung deshalb aus- drücklich auf, möglichst rasch konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen und alles dafür zu tun, dass wir in der Luft- und Raumfahrt international wettbewerbsfähig bleiben und Planungssicherheit für die Unternehmen erhalten. Wenn es auch in Zeiten von angespannten Haushalts- lagen zugegebenermaßen schwieriger ist, so darf es zu keinem weiteren Zurückfahren der nationalen For- schungsförderung auf diesem Gebiet kommen. Ich ver- weise in diesem Zusammenhang noch einmal auf die bereits genannten Arbeitsplätze und das Wachstums- potenzial in der Luftfahrt. Zudem müssen wir hinsichtlich der Förderung noch stärker als bisher bedenken, dass die Mittel dem gesamten Netzwerk aus Universitäten, For- schungseinrichtungen, Flugzeughersteller und Zuliefer- unternehmen zugute kommen. Abschließend möchte ich nochmals zwei Aspekte be- sonders hervorheben: Erstens fordern wir die Bundesregierung auf, die von der deutschen Luft- und Raumfahrtwirtschaft geforderten 400 Millionen Euro für das Fortsetzungsprogramm LuFo III zumindest zu 50 Prozent – ich möchte diese Zahl ausdrück- lich als Untergrenze hervorheben – zu übernehmen. Denn die unbestreitbar notwendigen und in unserem Antrag ver- ankerten Anstrengungen im Hinblick auf die Erhöhung der Passagier- und Flugsicherheit, der Verbesserung des Passa- gierkomforts sowie die Vernetzung der Verkehrsträger erfordern ein angemessenes Förderbudget. Zweitens muss und kann sich Deutschland – so wich- tig und richtig es ist, europaweite Kooperationen in mög- lichst vielen Bereichen umzusetzen – nur aus einer star- ken Position heraus international behaupten, denn die EU wird das nicht für uns übernehmen. Im Gegenteil: Die an- deren europäischen Staaten, vor allem natürlich die USA, unterstützen ihre heimische Luft- und Raumfahrtindustrie wesentlich stärker. Wir dürfen unsere Technologieführer- schaft nicht aufs Spiel setzen. Deshalb noch einmal meine Forderung an die Koalition: Unterstützen Sie uneinge- schränkt unseren Antrag! Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Flugverkehr ist längst unverzichtbar. Durch ihn rücken die Menschen weltweit näher zusammen. Durch den Flugverkehr hat sich der Erfahrungshorizont vieler Men- schen stark erweitert. Die Luftfahrtindustrie ist darüber hinaus zu einem wich- tigen Wirtschaftszweig geworden, einem Wirtschaftszweig überdies, der sehr innovativ ist. Die Innovationsfähigkeit entscheidet letztlich über die Zukunftsfähigkeit der deut- schen und europäischen Luftfahrtindustrie. Hiermit meine ich zum einen natürlich die Bedeutung der Innova- tion für die Wettbewerbsfähigkeit. Dies ist aber noch nicht alles. Zukunftsfähigkeit bedeutet weit mehr: Schon jetzt trägt der internationale Luftverkehr mit etwa vier Prozent zum Treibhauseffekt bei. Bis zum 11. September wuchs der Luftverkehr jährlich um durchschnittlich sieben Pro- zent. Es ist zu erwarten, dass dieses Wachstum schon bald wieder fortgesetzt werden wird. Der Flugverkehr wird da- mit mittel- und langfristig zu einem der wichtigsten Kli- mafaktoren. Doch nicht nur das Klima wird durch das starke Wachstum des Flugverkehrs gefährdet. Paradoxerweise gefährdet der Flugverkehr sogar sich selbst. Die Flug- zeuge, die derzeit entwickelt werden und erst in Jahren in die Produktion gehen, werden auch in Jahrzehnten noch fliegen. Bis dahin wird der Zeitpunkt der maximalen Rohölproduktion sehr wahrscheinlich längst überschrit- ten sein. Dies lässt sich nicht zuletzt im Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung zur Nachhaltigen Energie- versorgung nachlesen. Die Kerosinkosten werden somit während der Nutzungsdauer der nächsten Flugzeuggene- ration weit über denen von heute liegen. Wer wie Boeing auf den Sonic Cruiser setzt, der 20 bis 30 Prozent mehr Kerosin benötigen wird als ein heutiges Flugzeug, beraubt sich aller Wettbewerbschancen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass Airbus mit dem A380 ein Flugzeug entwickelt, das bis zu 30 Prozent weniger Kero- sin verbraucht als die derzeitigen Maschinen. Meine Damen und Herren, wer langfristig Mobilität auch im Flugverkehr sichern will, muss daher alles daran setzen, den Flugverkehr von den begrenzten und noch dazu klimaschädlichen Energiequellen zu entkoppeln. Die Flugzeuge müssen zum einen wesentlich sparsa- mer werden, als sie es heute sind. Zum anderen müssen – wie in allen anderen Energiesektoren auch – verstärkt Alternativen zu klima- und luftchemiewirksamen Brenn- stoffen entwickelt werden. Im Vordergrund könnten bio- gene Treibstoffe sowie der Wasserstoff stehen. Dabei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223980 (C) (D) (A) (B) sollte die Wasserstoffgewinnung durch Biomethanol ge- prüft werden. Ein weiteres Problem des steigenden Flugverkehrs ist der Lärm. Deshalb sieht der rot-grüne Antrag vor, die Anstrengungen zu verstärken, den Flugverkehr leiser zu gestalten. Was technisch möglich ist, zum Beispiel über intelligente Materialien, sollte auch gemacht werden. Da- rüber hinausgehende Maßnahmen wie Nachtruhezeiten werden auch in Zukunft im Interesse der Anwohner er- forderlich sein. Luftfahrtforschung muss innovativ bleiben. Das heißt, es müssen auch Konzepte unterstützt werden können, die vom „business as usual“ abweichen. In diesem Zusam- menhang sollte zum Beispiel die Entwicklung und Ein- führung von Luftschiffen gefördert werden. In den letzten Jahrzehnten erhielt die Flugzeugindustrie in Deutschland und Europa erhebliche Mittel. Diese Mittel dienten dem Aufbau eines wettbewerbsfähigen Industriezweigs. Was für die Flugzeugindustrie recht war, muss der Luftschiff- industrie billig sein, zumal es sich hierbei um einen Indus- triezweig handelt, der nach einer längeren Anfangsphase global neue Märkte erschließen kann und bis auf weiteres konkurrenzlos da stünde. Flugverkehrsforschung darf aber nicht bei der Flug- zeugtechnik und bei den Treibstoffen aufhören. Vielmehr sind erstens Strategien zur Vermeidung von Flugverkehr zu entwickeln. Der Flugverkehr ist in ein Gesamtver- kehrskonzept einzubinden. Dazu bedarf es verkehrs- und sozialwissenschaftlicher Forschung mit dem Ziel, Wege zum Umstieg auf Verkehrsmittel mit geringerer Umwelt- belastung zu finden. Die effizientere Nutzung des Luft- raumes ist ein weiterer Schwerpunkt, damit Umwege und Warteschleifen vermieden werden können. Zweitens müssen unabhängige Szenarien und Bedarfs- prognosen entwickelt und Technikfolgenabschätzungen durchgeführt werden. Im Mittelpunkt sollte dabei die Frage nach den Potenzialen des Luftverkehrs und der Grenzen des Wachstums des Luftverkehrs in Deutschland stehen. Drittens sollte die Beeinflussung der Luftchemie und des Klimas durch den Luftverkehr verstärkt untersucht werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren der CDU/ CSU, es liegt in der Logik der Europäisierung der Luft- fahrt, dass auch die Luftfahrtforschung europäisiert wird. Aus bündnisgrüner Sicht war es daher folgerichtig, dass in den letzten Jahren die Mittel in den europäischen For- schungsprogrammen für Luftfahrtforschung aufgestockt und im nationalen Budget abgesenkt wurden. Damit der Flugverkehr zukunftsfähig ist, muss somit bei der Verkehrs- und Luftfahrtforschung ein Schwer- punkt auf die Nachhaltigkeitsforschung gelegt werden. Der Antrag der Regierungsfraktionen setzt hier die richti- gen Akzente. Die Vorstellungen der Union und der FDP setzen hingegen einseitig auf Verkehrswachstum, ohne die Folgen zu bedenken. Statt Technikfolgenabschätzung muss man bei der Union und der FDP leider von Technik- folgen-Ignoranz reden. Ulrike Flach (FDP): Die Luftfahrtforschung wurde in dieser Legislaturperiode eher stiefmütterlich behandelt, was sicher damit zu tun hat, dass sie vom BMBF ins BMWi verlagert wurde. Fast am Ende der Legislaturperiode ent- scheiden wir heute über die Eckpunkte eines Anschluss- programms an das LuFo II, das in diesem Jahr ausläuft. Der Kollege Riesenhuber hat schon in der ersten Le- sung davor gewarnt, dass ihre späte Vorlage vielleicht zu spät für die Haushaltsberatungen 2003 sein kann. Das würde die auch von Ihnen gewünschte bruchlose Fortset- zung verhindern. Die Luftfahrtforschung war in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich: Die Lärmemissionen wurden durch lei- sere Triebwerke auf ein Viertel des Pegels von 1970 ge- senkt. Der Treibstoffverbrauch konnte im gleichen Zeit- raum um 40 Prozent pro Sitzplatzkilometer gesenkt werden. Bis 2020 erwarten wir noch einmal eine Senkung um über 30 Prozent, was unseren Energie- und Klima- schutzzielen hilft. Im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm sind 1,075 Mil- liarden Euro für die Luft- und Raumfahrt eingeplant. Wir halten das für angemessen. Hier kommt es auf eine Ver- zahnung mit den nationalen Programmen und For- schungszielen an. Siegmar Mosdorf hat bestätigt, dass nach Meinung der von ihm berufenen Experten 50 Milli- onen Euro an Bundesmitteln erforderlich sind. Wir sind sehr gespannt, ob sich diese Aussage auch im Haushalts- entwurf 2003 wiederfindet. Unsere Mitbewerber England und Frankreich bewegen sich in diesen Größenordnungen. Alle Experten prognostizieren dem Flugverkehr kräf- tige Zuwachsraten, trotz des 11. Septembers. Bis zu 5 Pro- zent jährlich bis 2020 und beim Frachtverkehr sogar Stei- gerungen bis zu 7 Prozent jährlich. Darauf muss sich auch die Luftfahrtforschung einrichten. Es ist richtig, dass beide Anträge die Flugsicherheit und die Umweltverträg- lichkeit in den Mittelpunkt rücken. Es ist aber erstaunlich, dass Herr Fell am 24. Januar im Bundestag als „ersten Schwerpunkt“ der Flugverkehrsforschung die Entwick- lung von Strategien zur Vermeidung von Flugverkehr be- schrieben hat, die Vermeidung in Ihrem Antrag aber gar nicht vorkommt. Es kommt lediglich die Einbindung in ein Gesamtverkehrskonzept vor. Hier haben sich die Grü- nen offenbar wieder nicht durchsetzen können. Die FDP-Fraktion setzt auch in der Luftfahrtforschung auf Wirtschaftlichkeit. Es zeigt jedoch einmal mehr Ihr Verständnis von freier Forschung, dass Sie den Wissen- schaftlern bei den Entwicklungs-, Fertigungs- und War- tungskosten feste Reduktionsziele von 20 bis 30 Prozent vorschreiben. Vielleicht kann die Wissenschaft sogar mehr erreichen. Planwirtschaft und Freiheit der For- schung passen nicht zusammen. Wir halten den Koalitionsantrag für insgesamt dürftig, aber symptomatisch für die gesunkene Bedeutung der Luftfahrtforschung in dieser Bundesregierung. Auch das muss nach der Bundestagswahl anders werden. Wolfgang Bierstedt (PDS): Beim Nachlesen der am 24. Januar 2002 in der ersten Lesung zu Protokoll gege- benen Reden ist mir eine scheinbare Nebensächlichkeit aufgefallen, die auch im Antrag der CDU/CSU nur mit ei- nem Nebensatz erwähnt worden ist: Die Verbesserung des Passagierkomforts als ein Forschungsschwerpunkt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23981 (C) (D) (A) (B) Darauf gestoßen bin ich im Zusammenhang mit der durchaus positiv zu sehenden Kennziffer des gesunkenen Kerosin-Verbrauchs in Bezug auf die geflogenen Perso- nenkilometer. Dies ist zweifelsfrei ein hervorragendes Er- gebnis der Forschung im Bereich der verbesserten Trieb- werkstechnologie und der Aerodynamik. Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, ob da nicht auch eine kleine, aber nicht zu vernachlässigende weitere Komponente eine Rolle spielt, nämlich die Sitzplatzoptimierung. Gerade in der Touristenklasse wird es immer enger, sodass manch- mal der Eindruck der Passagierintensivhaltung entsteht. Weshalb stelle ich dies an den Beginn meiner Aus- führungen? Wenn wir ein drittes Luftfahrtforschungspro- gramm fordern und einen leistungsfähigen und durchaus finanzstarken Industriezweig fördern, kann dies nicht nur mit dem Totschlagargument der Schaffung bzw. Sicherung von Industriearbeitsplätzen begründet werden. Wer fördert hat auch das Recht Ansprüche zu stellen. Das trifft oftmals auf Zustimmung der Industrie, zum Beispiel wenn es da- rum geht, die Verkehrs- und Flugsicherheit zu erhöhen – nach dem 11. September wurden auch wir schmerzlich auf bestimmte Defizite aufmerksam gemacht –, die Sachkosten für den Betrieb, die Wartung und den Service zu senken und die Kosten für die gerade in der Luftfahrt- industrie erheblichen Entwicklungs- und Projektierungs- aufwände zu optimieren. Dazu gehören aber auch Dinge, bei denen der Staat über Zuschüsse seine gesellschaftlichen und politischen Ziele mit Nachdruck in die Industrie hineinträgt, wie die Senkung des Fluglärms, die langfristige Orientierung auf neue Antriebsstoffe und eben auch die Frage der Gesund- heitsfürsorge für die Passagiere, die unmittelbar mit dem Passagierkomfort zu tun hat. Es muss aber auch von der Industrie gefordert werden, zumindest ist das unser Ansatz, dass die Luftfahrtindustrie ihre Chancen zukünftig wohl eher im Langstreckenbe- reich sucht. Die im Koalitionsantrag stehende Forderung nach der Einbindung des Luftverkehrs in ein Gesamtver- kehrskonzept verstehen wir so, dass der Personenverkehr im Bereich bis 500 Kilometer zukünftig wohl eher schie- nengebunden abgewickelt wird. Bedenken sollten wir auch den erforderlichen finanzi- ellen Bedarf einer solchen Forschungsförderung und die tatsächliche Höhe der notwendigen Finanzbeiträge, die die Antragsteller beabsichtigen, zur Verfügung zu stellen. Es gibt da schon sehr deutliche Unterschiede. Allein mit dem Airbusprojekt A380 riskiert der Bund über 2 Milliarden Euro, was ökonomisch im Lichte des 11. September 2001 riskant ist. Dessen Umwelteffekte sind keinesfalls klar und es hat strukturpolitisch zumin- dest für Ostdeutschland nur Peanuts gebracht. Aber nicht allein deshalb werden wir dem Antrag der CDU/CSU un- sere Zustimmung versagen und uns bei der Abstimmung über den Antrag der Koalition enthalten. Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft und Technologie: In Anknüp- fung an die 212. Sitzung des Deutschen Bundestages am 24. Januar 2002 kann ich feststellen, dass zum Thema der Fortsetzung des nationalen Luftfahrtforschungspro- gramms eine seltene Einmütigkeit zwischen der Regie- rungskoalition und der CDU/CSU-Opposition herrscht. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder hat dies bei der Eröffnung der Internationalen Luftfahrtschau ILA2002 in Berlin-Schönefeld am 6. Mai 2002 ausdrücklich in seinen Ausführungen bestätigt. Die Fakten: Die europäische und insbesondere auch die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie haben in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Restrukturierung auf den Weg gebracht. Die Gründung der EADS im Jahre 1999 war ein vorläufiger Höhepunkt. Die Bundesregie- rung hat diesen Prozess stets aktiv unterstützt. Mit der Darlehensentscheidung für die Entwicklung des Großraumflugzeugs A380 hat die Bundesregierung trotz schwieriger Haushaltslage maßgeblich für die Si- cherung deutscher Standorte und Schaffung neuer Arbeitsplätze gesorgt. Die Bundesregierung, die Länder, die Industrie und die Wissenschaft haben in den Luftfahrtforschungs- programmen seit 1995 insgesamt 1,2 Milliarden Euro aufgewendet. Ein abgestimmtes Kompetenznetzwerk sensitiver Technologieentwicklungen ist entstanden, Kernkompetenzen, Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland wurden gesichert. Globale und innereu- ropäische Wettbewerbsverzerrungen wurden so aufgefan- gen. Die deutsche Luftfahrtindustrie hält eine führende Position in Europa. Forschungsergebnisse spiegeln sich im Markterfolg wider: Der spezifische Treibstoffverbrauch der Lufthansa- Flotte wurde im Zeitraum von 1991 bis 2000 von 6,2 auf 4,6 Liter, also um 24,3 Prozent, gesenkt. Entsprechend ha- ben sich die C02-Emissionen verringert. Die NOx-Emission konnte im gleichen Zeitraum umetwa 25 Prozent reduziert werden. Die Fluglärmbelastung im Flughafennahbereich ist seit 1990 um mehr als 50 Pro- zent gesunken. Die Luftfahrt ist gleichzeitig aber auch Vorreiter bei der Umsetzung neuer innovativer Technologien in Produkte und Verfahren. Im Januar dieses Jahres hat der neue A318 seinen Erstflug mit einem lasergeschweißten Rumpfseg- ment absolviert. Dabei kommt ein Verfahren zur Anwen- dung, das im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms, entwickelt wurde und 1999 mit dem Innovationspreis der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet wurde. Beim erfolg- reichen Erstlauf eines lärmarmen Flugzeugantriebs mit Getriebefan war unser Triebwerkshersteller mit einer neuen Niederdruckturbine beteiligt. Auch der Mittelstand beteiligt sich mit guten Erfolgsaussichten am Programm. Diese Zwischenbilanz kann sich sehen lassen. Die Bundesregierung hat aus volkswirtschaftlichen, technologischen, sicherheits- und außenpolitischen Ge- sichtspunkten unverändert ein großes Interesse an einem innovativen und leistungsfähigen Luft- und Raumfahrt- standort Deutschland. Deutschland muss in der Luft- und Raumfahrt auch künftig eine essenzielle Rolle in einem global wettbewerbsfähigen europäischen Verbund spielen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223982 (C) (D) (A) (B) und seinen Anteil an den Wachstumspotenzialen halten. Deshalb wird die Bundesregierung auch in Zeiten der Haushaltskonsolidierung in ihrem Engagement nicht nachlassen und die Brancheninteressen, insbesondere auch bei der notwendigen europäischen Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen, weiter politisch flankieren. Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt geht es darum, das Erreichte zu sichern und neue strategische Herausfor- derungen anzunehmen. Das Europäische Parlament hat das 6. Rahmenprogramm Forschung der EU verabschiedet. Es sieht 1,075 Milliarden Euro für Luft- und Raumfahrt vor und setzt neue Akzente, denen wir uns anpassen müssen. Das nationale Luftfahrt- forschungsprogramm ist ein Baustein im europäischen Kontext und soll ohne Bruch weitergeführt werden. Der Programmentwurf liegt vor. Die Bundesregierung wird ei- nen angemessenen Beitrag bereitstellen. Dies bestätigte Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung der in- ternationalen Luftfahrtschau ILA2002, indem er sich dafür aussprach: „Auch zukünftig ist die nationale Forschungs- förderung wichtig, um im internationalen Standortwettbe- werb bestehen zu können. Dabei setzt sich die Bundesre- gierung dafür ein, im Rahmen ihrer finanzpolitischen Möglichkeiten ein weiteres Luftfahrtforschungsprogramm ab dem Jahr 2003 auf hohem Niveau aufzulegen.“ Der Antrag der Koalitionsfraktionen unterstreicht diese Einschätzung. Mit dieser Akzentuierung beabsich- tigt die Bundesregierung, die Luftfahrtforschung weiter- hin zu fördern. Es gilt, die Position unserer Unternehmen und Forschungseinrichtungen im innereuropäischen und im globalen Wettbewerb um Kompetenz zu stärken, qua- lifizierte Partnerschaften in europäischen und internatio- nalen Kooperationen zu ermöglichen, die Beteiligungs- voraussetzungen für EU-Projekte nach Art. 169 zu schaffen und Wettbewerbsnachteile auszugleichen, da die Hauptluftfahrtländer USA, Frankreich und Großbritan- nien die Forschung ihrer Industrie und Wissenschaft un- verändert unterstützen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Für ein modernes Wettbewerbs- und Kartell- recht in Europa (Tagesordnungspunkt 11) Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Im Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik stehen kleine und mittlere Unternehmen. Sie sind auf einen fai- ren Wettbewerbsrahmen angewiesen. Eine Politik, die meint, mit deutschen Multis der Globalisierung trotzen zu können, geht in die Irre. Deswegen sehen wir auch die drohende Fusion der Eon AG mit der Ruhgas AG eher kri- tisch. Gerade bei der Umgestaltung früher in staatlichen Mo- nopolen betriebener Infrastrukturen ist eine engagierte Wettbewerbspolitik gefragt. Bündnis 90/Die Grünen ha- ben die Umwandlung ehemaliger Monopolmärkte, wie zum Beispiel Telekommunikation, Strom und Gas, Post und öffentlicher Personalverkehr, immer aktiv unterstützt. Wettbewerb ist innovativer und effizienter als Monopole und nützt damit dem Verbraucher. Manche meinen allerdings, sie müssten den früheren staatlichen Monopolunternehmen weiterhin Vorteile auf dem Heimatmarkt sichern, damit deutsche Global Player geschaffen werden. Die von Deutschland aus agierenden Konzerne sollen weltweit Unternehmen kaufen. Wert- schöpfung in Deutschland soll durch die Nachfrage der Konzernzentralen nach hochwertigen Dienstleistungen wie Forschung, Werbung und Rechtsberatung gesichert werden. Für die globale Wirtschaft kann man sich so nicht fit machen. Gerade multinationale Konzerne vergleichen die Qualität der einzelnen Standorte sehr genau und ver- lagern sie jeweils dort hin, wo sie am effizientesten pro- duzieren können. Die Aktionärsstruktur der Konzerne in- ternationalisiert sich ebenfalls. Nationale Rücksichten spielen da keine Rolle mehr. Zudem sind die Kosten dieser Strategie hoch, wenn Monopole durch politische Maßnahmen verfestigt und damit Hindernisse beim Marktzugang für kleine und mitt- lere Unternehmen errichtet werden. Das verringert die Chancen innovativer Unternehmen. Die Wettbewerbs- fähigkeit wird verringert. Ineffiziente Strukturen verfesti- gen sich, auch in den Großunternehmen. Arbeitsplätze ge- hen verloren. Natürlich spielen auch Großunternehmen für jede Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. Es ist gut für die deutsche Wirtschaft, wenn möglichst viele Unternehmen hier ihren Sitz haben. Aber es macht wirtschaftspolitisch eben keinen Sinn, wenn dadurch innovativen Wettbewer- bern der Marktzugang verweigert wird. Durch weniger Wettbewerb werden auch die Grossunternehmen träge. Pure Größe ist noch keine vernünftige Strategie. Denn in 80 Prozent der Fälle scheitern Fusionen. Es ist Aufgabe der Politik, für alle Unternehmen vernünftige Rahmenbe- dingungen zu schaffen. Mehr Wettbewerb bringt Innova- tion und Wertschöpfung im eigenen Land voran. Wir set- zen auf Zukunftstechnologien. Die Wettbewerbsbehörden sollten mit stärkeren Rech- ten ausgestattet werden und auf den Märkten der öffentli- chen Infrastrukturen, wie zum Beispiel Strom, Wasser, Gas, Telekommunikation und Bahn, sollten effiziente Wettbewerbsbehörden die Möglichkeit haben, den Unter- nehmen unmittelbar geltende Auflagen zu erteilen. Bei Bahn und Energieversorgung wollen wir Netzbetrieb und Dienstleistungsangebot unternehmerisch entflechten. Wir brauchen einen fairen Wettbewerbsrahmen in Eu- ropa. Bei der Novelle der Fusionskontrollrichtlinie sollte die Regelung, nach der die nationalen Behörden nicht zu- ständig sind, wenn zwei Drittel des Umsatzes in seinem Sitzland gemacht werden, überarbeitet werden. Wir brau- chen die Prüfung der gesamten Auswirkungen auf den Binnenmarkt. Die kann auch dann gegeben sein, wenn Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23983 (C) (D) (A) (B) zwei Drittel des Umsatzes auf dem Heimatmarkt gemacht werden. Gudrun Kopp (FDP): Die FDP fordert weitere Libe- ralisierungsschritte und damit mehr Wettbewerb im In- land: Das Briefmonopol muss schnellstmöglich auslau- fen, damit auch Wettbewerb bei Briefsendungen bis 200 Gramm und Infopost bis 50 Gramm möglich wird. Die früheren Staatsmonopole Post und Telekommunika- tion sind bis zum Jahr 2005 komplett zu privatisieren. Der liberalisierte Netzzugang auf den Strommärkten ist wie- der herzustellen. Bei der Abfall- und Wasserwirtschaft sind Deregulierung und Privatisierung erforderlich. Netz und Betrieb bei der Bahn AG sind konsequent zu trennen. Die Aufgabe der Sicherstellung von Wettbewerb muss zurückgeführt werden zum Bundeskartellamt. Die Regu- lierungsbehörde für Post und Telekommunikation ist auf- zulösen. Um auch das Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene zu stärken, ist besondere Wachsamkeit bei Neue- rungen des europäischen Kartellrechts geboten: Würden die derzeitigen Vorstellungen der EU umgesetzt, so träte an die Stelle des bisherigen Kartellverbotes, bei dem Aus- nahmen der ausdrücklichen Erlaubnis bedürfen, faktische Kartellfreiheit. Die Unternehmen sollten dann selbst be- urteilen dürfen, ob ein von ihnen angestrebtes Kartell frei- gestellt ist. Damit entfiele der Zwang zur Rechtfertigung eines Kartells, und wer sich dagegen stellen will, muss die Beweislast für den Kartellverstoß tragen. Das momentan geltende Kartellrecht würde also kom- plett auf den Kopf gestellt. Ein solch fundamentaler Kurs- wechsel wäre ein Rückschritt in der europäischen Wett- bewerbsordnung, der den Interessen der Verbraucher und auch den kleinen und mittleren Unternehmen nachhaltig schaden würde. Die FDP spricht sich deshalb gegen eine solche Regelung aus. Die aktive Kontrolle des Wettbewerbs ist ein Grund- feiler der Marktwirtschaft. Der Wettbewerb braucht des- halb starke Anwälte! Ursula Lötzer (PDS): Anlass für den Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist die seit nunmehr zwei Jahren stattfindende Diskussion über die Reform des europä- ischen Wettbewerbs- und Kartellrechts. Auch wir meinen, dass es angesichts der zunehmenden Konzentration im Unternehmenssektor und grenzüberschreitender Fusio- nen einer zeitgemäßen Revision bedarf, mit denen die ne- gativen Effekte für die Verbraucher reduziert und die wirt- schaftliche Macht von Unternehmen begrenzt werden müssen. Allerdings versucht der Antrag die Quadratur des Krei- ses: Einerseits wird ein einheitlicher Rechtsrahmen im eu- ropäischen Binnenmarkt mit einer effizienten „Aufsichts- behörde“ eingefordert, andererseits auf das Prinzip der Subsidiarität abgestellt und eine starke Beteiligung der nationalen Wettbewerbsbehörden angemahnt. Begrüßt wird eine modifizierte Legalausnahme im Notifizierungs- verfahren, aber gleichzeitig wird das hohe Investitionsri- siko in strittigen Fällen beklagt, dass sich durch die daraus folgende Rechtsunsicherheit ergibt. Das Problem der Kar- tellbildung und der Wettbewerbsbeschränkung wird gese- hen, aber strukturelle Maßnahmen im Sinne einer Ent- flechtung von Unternehmen werden kritisch beurteilt. Der Antrag ist in der Beschreibung ausführlich, in den Forderungen inkonsistent und unzureichend. Das Miss- verhältnis resultiert nicht zuletzt aus der Überbewertung des Wettbewerbs- und Kartellrechts. So gut die immer an- gemahnten ordnungspolitischen Bedingungen auch sein mögen, der Wettbewerb hat und wird nicht die „Vermach- tung von Märkten“ verhindern. Hierzu war das nationale, aber auch das europäische Wettbewerbs- und Kartellrecht nie in der Lage und auch nicht konzipiert worden. Denn von Anbeginn wurde darauf verzichtet, Konzerne und Kartelle wirkungsvoll zu entflechten. Vielmehr will jede Regierung und die EU als Ganzes ihre Unternehmen im Konkurrenzkampf aufstellen und hofiert ihre Global Player und außerdem melden sich Kartelle nicht freiwil- lig bei den Behörden und bitten um Genehmigung. Hinzu kommt, dass jedes Wettbewerbs- und Kartell- recht zumindest an den tatsächlichen Konzentrationspro- zessen ansetzen müsste, aber noch nicht einmal das ist gewährleistet. Bereits vor einiger Zeit hat das lfo-Institut dem Wirtschaftsministerium ein Gutachten zur Qualität der Datenbasis bei der Ermittlung des Konzentrationsgra- des übergeben. Fazit: Die Datenbasis spiegelt die Verän- derungen in den Unternehmens- und Konzernstrukturen unzureichend wieder. Besonders die mangelnde Kenntnis über die wachsenden kooperativen Verbindungen und Netzwerkstrukturen schränkt Aussagen zum tatsächlichen Konzentrationsgrad in fast allen Branchen deutlich ein. Und selbst die Monopolkommission stellt fest, dass „die Ergebnisse der amtlichen Wirtschaftsstatistik systema- tisch irreführend sind“. Die Daten und das bisherige Ver- fahren sind empirisch nicht abgesichert und ungeeignet für die Informations-, Beurteilungs- und Entscheidungs- grundlage für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund sind wir alle gefordert, nicht nur Verbesserungen im Wettbewerbs- und Kartellrecht an- zumahnen und durchzusetzen, sondern grundsätzliche Entscheidungen zu treffen. Hier hilft auch nicht der stän- dige Verweis, mit guter Ordnungspolitik würden Markt und Wettbewerb aus sich heraus die Bedingungen für eine ökonomische, soziale und ökologische Entwicklung schaffen. Diese Aussage ist unhaltbar und dient nur dazu, dass sich die Politik der Verantwortung entzieht, wirt- schaftspolitische Alternativen zu formulieren. Wir brau- chen stattdessen eine Struktur- und Industriepolitik, um soziale Probleme zu lösen und eine nachhaltige Entwick- lung zu unterstützen. Unabhängig davon sehen auch wir die Notwendigkeit, ein verbessertes Wettbewerbs- und Kartellrecht in Europa zu etablieren. Eine Vereinheitli- chung auf hohem Niveau bedarf allerdings erstens der besseren Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der europäischen Ebene. Zweitens behin- dert die unterschiedliche Kompetenz und Ausstattung der nationalen Kartellbehörden eine Reform, sodass es ohne personelle und finanzielle Begleitmaßnahmen keine Qua- litätsverbesserung geben wird. Probleme werden nur ver- schoben. Ungeklärt ist bis heute, wie ein Kartell über- haupt definiert wird, was angesichts der unzureichenden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223984 (C) (D) (A) (B) Datenbasis kaum erleichtert wird. Daneben ist das Pro- blem der „Hard-Core-Kartelle“ ungelöst und schließlich stellt sich durch den grenzüberschreitenden Fusionspro- zess immer dringender die Frage nach einer engen inter- nationalen Zusammenarbeit oder dem Aufbau eines inter- nationalen Kartellrechts. Alles offene Fragen, die im Antrag der CDU/CSU-Fraktion nicht angesprochen wer- den, aber dringend angegangen werden müssen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Bericht: Technikfolgenabschätzung – hier: Monitoring „Kernfusion“ – Beschlussempfehlung und Bericht zu den An- trägen: – Zukunftsorientierte Energieforschung – Fusionsforschung – Kernfusionsforschung für eine zukünftige Energieforschung (Tagesordnungspunkt 12 a und b) Ulrich Kasparick (SPD):Die gegenwärtigen Struktu- ren zur Energieerzeugung sind Ergebnis der Energiefor- schung vergangener Jahrzehnte. Sie sind geprägt von Konzentration auf Großkraftwerke, vor allem im Bereich Kohle und Atom. Seit dem 11. September letzten Jahres wissen wir aber, wie verwundbar zentrale Einrichtungen sein können. Um unsere Energieversorgung sicherzustel- len, müssen wir daher dezentrale Versorgungsstrukturen aufbauen. Unsere Energieversorgung darf nicht zusam- menbrechen, wenn ein großes Kraftwerk ausfällt. Wer Kernfusion als Grundlast der Energieversorgung auf- bauen möchte, der spricht sich eindeutig für den Ansatz von gestern aus. Wer Fusion will, will auch wieder kon- zentrierte Großkraftwerke. Dies ist mit uns nicht zu ma- chen, dieses Risiko wollen wir nicht eingehen. Die Kernfusion ist derzeit keine energiepolitische Op- tion. Wir werden erst um das Jahr 2050 wissen, ob Fusion überhaupt geeignet ist, die Grundlast der Energieversor- gung zu leisten. Das ist schlichtweg zu spät. Die neuen Szenarien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe prognostizieren, dass das traditionell geför- derte Erdöl in 39 Jahren verbraucht ist. Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir dieses Problem lösen können, ohne unsere Volkswirtschaften zu ruinieren. Wer hier auf eine Technologie setzt, bei der wir erst Mitte des Jahrhunderts wissen, ob sie eine Alternative sein kann, geht nicht verantwortlich mit der Zukunft um. Selbst Professor Doktor Alexander Bradshaw, der Di- rektor des Garchinger Max-Planck-Instituts für Plasma- physik, dessen Forschungsgegenstand ja die Entwicklung eines Fusionskraftwerks ist, sagte in der Fusionsanhörung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfol- genabschätzung am 28. März 2001 indirekt, dass Energie in Größen aus Kernfusion 2050 noch nicht zur Verfügung stehen wird. Das ist im Protokoll der Anhörung auf Seite 26 nachzulesen. Bei den Szenarienberechnungen der En- quete-Kommission für eine nachhaltige Energieversor- gung im Zeitalter der Globalisierung der Liberalisierung kommt die Fusion als Energiequelle nicht vor – und das aus guten Gründen, die ich gerade benannt habe. Es macht energiepolitisch keinen Sinn, einen Forschungsschwer- punkt bei der Fusionsforschung zu setzen. Deshalb wird sich Deutschland auch nicht um den Standort für den ITER bewerben. Die Anträge von der Union und der FDP zeigen, dass diese Fraktionen nicht in Zusammenhängen denken. Sie wollen hier eine einzelne Technologie fördern, ähnlich dem, wie sie es schon mit der Brennstoffzelle versucht haben. Was wir brauchen, ist aber eine Gesamtkonzeption der künftigen Energieforschung, die alle Techniken und Technologien berücksichtigt, um eine nachhaltige, sau- bere und dezentrale Energieversorgung zu gewährleisten. Dieses Gesamtkonzept muss sich in die europäischen Ent- wicklungen einbetten. Dabei müssen wir vor allem auf die Stärken setzen, die wir in Deutschland haben – und das sind die Umwelttechnologien. Denn ein zukunftsfähiges Energieforschungskonzept muss zugeschnitten sein auf den Klimaschutz, muss schnell – und nicht erst in 50 und mehr Jahren – zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes beitragen. Ein solches Energieforschungskonzept werden wir in der kommenden Legislaturperiode vorlegen. Sowohl in der HGF als auch im Bundeswirtschaftsministerium lau- fen die Vorarbeiten. Wir werden mit großer Sorgfalt und Verantwortung öffentliche Mittel für die Forschungsför- derung bereitstellen. Dabei werden wir die Technologien bevorzugen, die nachhaltig und nachwachsend einsetzbar sind. Wir halten nichts von solchen Schnellschüssen, wie Sie sie hier vorlegen. Wir sehen die Energieversorgung im Zusammenhang – und nicht wie Sie immer nur torten- stückweise. Wir in Deutschland werden unsere Volkswirt- schaft auf einen neuen Energiepfad führen, der dezentral organisiert und damit weniger verwundbar ist. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab. Dr. Martin Mayer (CDU/CSU): Das Thema der heuti- gen Debatte ist die Kernfusion. Kernfusion ist der Pro- zess, der in der Sonne natürlich abläuft. Aus der Ver- schmelzung von Atomkernen wird Energie erzeugt. Dieser Prozess soll auf der Erde in Kraftwerken zur Ener- giegewinnung genutzt werden. Die dazu notwendige For- schung zu fördern ist die Intention der Anträge von CDU/CSU und FDP, die der heutigen Debatte zugrunde liegen. Ebenfalls zur Debatte steht der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, kurz TAB genannt. Dieser Bericht steht in seiner Tendenz der Kernfusion einseitig kritisch und den regenerativen Energien eher unkritisch gegenüber. Objektive Feststel- lungen und Wertungen werden in dem Bericht nicht klar voneinander getrennt. Damit steht der TAB-Bericht in ge- wissem Gegensatz zu dem von Basler und Hoffmann vor- gelegten Gutachten, das dem Bericht zugrunde liegt. Die- ser Wertungswiderspruch ist unverständlich und so nicht hinnehmbar. Es ist daher unerlässlich, bei der Entscheidung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23985 (C) (D) (A) (B) über die Kernfusion auch auf das Gutachten von Basler und Hoffmann zurückzugreifen. Zustimmen möchte ich dem TAB-Bericht, soweit er eine breite Diskussion über Chancen und Risiken in der Öffentlichkeit in Gang setzen will. Die Kernfusion kann schließlich erst dann für die Energieerzeugung genutzt werden, wenn die technischen Aufgaben gelöst sind und diese Form der Energieerzeugung auch akzeptiert wird. Die Auseinandersetzung mit den Ängsten der Menschen ist letztlich genau so wichtig wie der technische Durch- bruch. Wie Sie unserem Antrag entnehmen können, unterstützt die Union die Fusionsforschung – dies aus gutem Grund. Denn es zeichnet sich doch bereits seit langem ab: Das weltweite Bevölkerungswachstum und die vermehrte Teil- nahme der Entwicklungsländer an der allgemeinen Wohl- standsentwicklung werden zu einem immer weiter anstei- gendem Weltenergieverbrauch führen. Trotz effizienter Energienutzung sowie Ausbau und vermehrter Nutzung erneuerbarer Energien wird sich deshalb im Laufe dieses Jahrhunderts eine immer stärkere Energielücke auftun. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die fossilen Energieträger wie Kohle und Erdöl, die bisher zur Deckung des Energiebedarfs mit dem größten Prozentan- teil beigetragen haben, sind nicht unerschöpflich. Und be- denken Sie auch eines: Die Lagerstätten von Öl befinden sich zum großen Teil in Krisenregionen. Das heißt, dass die Versorgung mit Öl langfristig unsicher ist. Die Beiträge, die Solarenergie, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse zur besseren Energieversorgung der Menschheit liefern können, haben naturgesetzliche und wirtschaftliche Grenzen, die durch noch so intensive For- schung nicht aufgehoben werden können. Ich weise nur auf die gerade in unseren Breitengraden höchst unzuver- lässige Sonneneinstrahlung und Windstärke hin. Auch die Möglichkeit der Effizienzsteigerung bei der Energienutzung stößt an Grenzen. Und eines sollten wir gerade bei den fossilen Energieträgern nicht aus den Au- gen verlieren: die Verbrennung fossiler Energieträger setzt C02 frei, was zu einer immer größeren Gefahr für dieErderwärmung führt. Umso wichtiger ist es, andere Alternativen der Ener- gieerzeugung zu erschließen und zu entwickeln. Die Kernfusion ist eine dieser Alternativen! Die kontrollierte Kernfusion könnte eine entscheidende Option für eine nachhaltige, sichere und verträgliche Energiequelle ab dem Jahr 2050 sein. Denn die Kernfusion bietet gegen- über anderen Energieträgern eine Reihe entscheidender Vorteile: Die für den Fusionsprozess nötigen Grundstoffe, Deuterium und Lithium, sind in nahezu unbegrenzter Menge vorhanden und über die ganze Welt verteilt. Das gewährleistet eine krisensichere Energiegewinnung. Bei der Fusion entstehen keine Schadstoffe wie bei der Ver- brennung von Kohle, Erdöl und Erdgas. Gegenüber den Kernspaltungsreaktoren, die wir gegenwärtig nutzen, hat die Fusionsenergie den Vorteil der inhärenten Sicherheit. Das heißt, ein Unfall wie in Tschernobyl ist bei einem Fu- sionsreaktor physikalisch ausgeschlossen. Bei der Fusi- onsenergie gibt es keine abgebrannten Brennelemente mit ihren langfristigen Problemen. Als Endprodukt entsteht Helium, ein Gas, das auf der Erde natürlich vorkommt und keine Radioaktivität aufweist. Die Baumaterialien des Reaktors, die beim Betrieb radioaktiv werden, können um vieles leichter endgelagert und entsorgt werden als die abgebrannten Brennelemente eines Atomkraftwerks. Diese Gründe sprechen dafür, alles daranzusetzen, die Fusionsforschung voranzutreiben. Wir können dabei auf einem guten Fundament aufbauen. Die Erforschung der Kernfusion zur Energiegewin- nung begann in Deutschland vor etwas mehr als vier Jahr- zehnten. Die Institute in Garching bei München, Karls- ruhe, Jülich und seit den 90er-Jahren auch in Greifswald haben weltweit anerkannte Beiträge zur Erforschung der Kernfusion geleistet. Der europäische Experimental-Reaktor JET in Cul- ham, Großbritannien, mit deutscher Beteiligung gebaut und betrieben, hat gezeigt, dass die Kernfusion möglich ist. Die Aussicht, mit einem Fusionsreaktor elektrischen Strom im Dauerbetrieb zu erzeugen, steht damit auf einer soliden Grundlage. Auf dem Weg von den theoretischen Grundlagen zur Lieferung von Strom aus einem Fusionsreaktor ist etwa die halbe Strecke zurückgelegt. Deutschland hat einen er- heblichen Beitrag zu den bisherigen Erfolgen geleistet. Auch auf dem künftigen Weg wird Europa nur dann mit an der Spitze bleiben, wenn Deutschland die Fusionsfor- schung im nationalen, europäischen und internationalen Rahmen aktiv betreibt und fördert. Wir haben bereits sehr viel investiert, sowohl Geld als auch forscherische Pionierarbeit. Hervorragende Wissen- schaftler beschäftigen sich in Deutschland seit vielen Jah- ren mit der Fusionsforschung. Soll das alles umsonst ge- wesen sein? Und sollen wir bei diesem wichtigen Vorhaben auch unseren europäischen Partnern die Unter- stützung aufkündigen? Wollen wir das wirklich alles auf- geben? Gerade jetzt, wo – wie es aussieht – sogar unsere amerikanischen Nachbarn sich wieder an der Erforschung der Kernfusion beteiligen wollen? Lassen Sie uns nicht diesen Fehler begehen! Bedenken Sie eines: Rot-Grün bringt durch seine ablehnende Haltung gegenüber der Fu- sionsforschung nicht zuletzt auch die Spitzenstellung Eu- ropas in diesem Bereich in Gefahr. Da kürzt eine grüne Kommissarin in Brüssel offenbar auf Betreiben ihrer Parteifreunde aus Deutschland den Haushaltsentwurf für die Fusionsforschung im Zeitraum von 2002 bis 2006 um rund 88 Millionen Euro auf 700 Millionen Euro. Das Eu- ropäische Parlament erhöht diesen Ansatz, dann auf 800 Millionen Euro und die deutsche Forschungsministe- rin, SPD, drückt den Ansatz wieder auf 750 Millionen Euro. Das ist nicht nur ein völlig falsches Signal für die Fusionsenergieforschung, sondern geradezu eine Ent- scheidung zum Schaden Deutschlands: Die Fusionsfor- schung ist nämlich einer der wenigen Bereiche, bei denen Deutschland mit einem Rücklauf von 40 Prozent Netto- empfänger ist. Doch wie geht es jetzt weiter? Der nächste Schritt in der Forschung für einen Fusionsreaktor soll die physika- lische Machbarkeit eines energieproduzierenden Plasmas Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223986 (C) (D) (A) (B) beweisen. Dazu soll die Großversuchsanlage ITER-FEAT als gemeinsames Unternehmen der Europäischen Union, Russlands, Japans und Kanadas gebaut werden. Es geht im Moment also konkret um die Frage des Standorts und der Finanzierung. Eines ist klar: Wer den Standort ge- winnt, muss einen höheren finanziellen Anteil aufbringen. Im Gegenzug dazu hat er aber auch den größeren Nutzen von den Forschungsergebnissen. Es ist deshalb für mich völlig unverständlich, weshalb die Bundesregierung die Bewerbungen aus Europa so zögerlich unterstützt. Für die Fusionsforschung und für ITER sprechen auch die deutlichen Hinweise, dass sich die USA, die sich 1997 aus dem Projekt zurückgezogen haben, wieder an ITER beteiligen wollen. Die USA haben in den vergangenen vier Jahren eine Neuausrichtung der Fusionsforschung mit Konzentration auf die Trägheitsfusion verfolgt und sich daher von ITER zurückgezogen. Das neuerliche In- teresse der USA an ITER zeigt deutlich, dass dieses Pro- jekt auch in den Augen unserer amerikanischen Nachbarn das erfolgversprechendste Projekt für die Produktion elektrischen Stroms durch Kernfusion ist. Nach jetziger Planung soll das Nachfolgeprojekt von ITER der Demonstrationsreaktor DEMO werden. Diese Großversuchsanlage soll die technische Machbarkeit ei- nes Fusionsreaktors beweisen. In jüngster Zeit sieht es sogar so aus, als könnte der bis- herige Zeitplan bis zur Stromerzeugung durch Kernfusion unterboten werden. Nach einer von der Gruppe um den britischen Forscher Dr. David King initiierten Diskussion des Fast Track soll DEMO schon 2030 Strom mittels Kernfusion produzieren können. Möglich wäre dies, wenn in der ersten Phase, das heißt bei ITER, zusätzliche Mittel bereitgestellt würden, um die Entwicklung so weit voranzutreiben, dass in der zweiten Phase eine Anlagen- generation übersprungen werden kann und DEMO und der kommerzielle Prototypreaktor zusammengefasst wer- den können. So könnte die Machbarkeit eines Fusions- kraftwerks früher als ursprünglich angenommen demons- triert werden. Angesichts der großen Dringlichkeit für die Entwick- lung von neuen umweltfreundlichen und risikoarmen Möglichkeiten der Energieerzeugung muss die Forschung zur Kernfusion verstärkt und nicht zurückgefahren wer- den, wie dies Rot-Grün gegenwärtig tut. Dass wir dabei auf die Ängste der Bevölkerung Rücksicht nehmen, ist klar. Verringerung von Umweltbelastung und Vermeidung von Risiken haben hohen Stellenwert. Ich fordere die Bundesregierung daher noch einmal ganz entschieden auf: die Fusionsforschung in Deutsch- land und Europa mit dem Ziel zu verstärken, Energie mit- tels Kernfusion noch vor Mitte des 21. Jahrhunderts ge- winnen zu können, die Akzeptanz für diese neue Technologie auch in Deutschland durch Information zu fördern und den Anstoß für eine breit angelegte Diskus- sion zu geben sowie sich nachhaltig dafür einzusetzen, dass der internationale Fusionsreaktor ITER in Europa er- richtet wird. Wir haben gegenwärtig eine einmalige Chance, die richtigen Weichen für die Energieversorgung der Zukunft zu stellen. Ich appelliere daher an die Kollegen aus der Koalition, an unsere Kinder und Enkel zu denken und ge- meinsam mit uns für eine verstärkte Förderung der Fusi- onsforschung einzutreten. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 80 Milliarden Euro ausgeben oder nicht ausgeben, das ist hier die Frage. Wer sich für die Kernfusion einsetzt, muss diese Zahl im Kopf haben. 80 Milliarden Euro sind die ge- schätzten Kosten, die für eine Technologie, die uns viel- leicht in 50 Jahren Energie liefern kann, noch aufzubrin- gen sind. Zweifel an diesem Zeitraum von 50 Jahren sind erlaubt, denn auch vor 40 Jahren hieß es, dass die Fusion in 50 Jahren zur Verfügung stehe. Inzwischen sind Dut- zende Milliarden Euro in die Fusion geflossen. Der Ef- fekt: Keine einzige Kilowattstunde Strom wurde erzeugt und in den nächsten Jahrzehnten wird auch keine erzeugt werden, so geben es selbst die Fusionsforscher zu. Aus meiner Sicht gibt es keinen Forschungszweig, der einerseits so ergebnislos und perspektivlos ist und ande- rerseits so viel öffentliches Geld verbraucht. Dabei gibt es kaum einen Forschungszweig, der so wichtig ist wie die Energieforschung. Schnelle Ergebnisse sind gefragt, da Treibhauseffekt, zu Ende gehende Ressourcen und in der Folge zuneh- mende Ölkriege oder radioaktive Bedrohungen eine schnelle und vollständige Abkehr vom atomaren und fos- silen Energiezeitalter erforderlich machen. Wir können nicht darauf warten, bis in 50 Jahren die Fusion vielleicht einen zweifelhaften Beitrag liefert. Die letzten Jahrzehnte mit der Vernachlässigung der erneuerbaren Energien soll- ten uns Mahnung genug sein. Etwa 80 Prozent aller Energieforschungsmittel der OECD wurden in den letzten 50 Jahren in die Kernspal- tung und Kernfusion gesteckt. Mit dem äußerst mageren Ergebnis, dass nur 5 Prozent des heutigen Weltenergiebe- darfs mit Nuklearenergie gedeckt wird. Wäre dieses Geld in die erneuerbaren Energien gesteckt worden, dann sähe die Welt heute anders aus. Das Klimaproblem wäre weit- gehend gelöst, Kriege um Öl müsste es nicht mehr geben, die Versorgungssicherheit wäre in hohem Maße gegeben, billige Energie stünde vielfach zur Verfügung. Das letzte Jahrzehnt hat den Beweis erbracht: Erneuer- bare Energien lassen sich wesentlich schneller zu großen Marktteilnehmern machen, wenn die Unterstützung stimmt. So wird die Windkraft in diesem Jahr, etwa elf Jahre nach der Markteinführung, circa doppelt so viel Strom erzeugen, wie die Atomenergie in Deutschland im elften Jahr nach der Inbetriebnahme des ersten kommer- ziellen Reaktors. Obwohl die erneuerbaren Energien we- niger Forschungsmittel bekamen als die Fusionsenergie, beschäftigen sie heute bereits 120 000 Arbeitsplätze mit rasch steigender Tendenz. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen auf, dass das technische Potenzial der erneuerbaren Energien weltweit ein Vielfaches des heutigen Weltenergiebedarfs beträgt. Kernfusion ist also völlig überflüssig. Sie wird keinen Bei- trag liefern, da sie mit den zukünftig wesentlich billigeren erneuerbaren Energien nicht konkurrieren kann. So liegen heute bereits die Kosten für 1 Kilowattstunde Windstrom etwa in der Größenordnung, die die Fusionsforscher für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23987 (C) (D) (A) (B) 1 Kilowattstunde Fusionsstrom nach dem zehnten Fusi- onskraftwerk annehmen. Dass diese Berechnungen auf sehr wackligen Füßen stehen, weiß jeder, da noch nieman- dem bekannt ist, wie ein Fusionsreaktor aussehen wird. Windräder dagegen laufen bereits ökonomisch. Ich frage die Unternehmer in diesem Hohen Hause: Würden Sie eine Summe im mehrstelligen Milliardenbe- reich in die Hand nehmen, von der sie wissen, dass Ihnen die Forscher bereits seit Jahrzehnten verkünden, dass die Technologie in 50 Jahren soweit sein wird? Ich frage Sie: Würden Sie große Summen für eine Technologie aufwen- den, von der man heute nicht einmal weiß, ob sie über- haupt funktionieren wird? Schließlich sind die Material- probleme der ersten Wand um das Plasma ungelöst und sie lassen sich aller Wahrscheinlichkeit auch nicht lösen. Da- rüber hinaus ist völlig ungelöst, wie das radioaktive Tri- tium zurückgehalten werden kann. Wir tragen große Verantwortung in diesem Hause. Weltweit werden in den nächsten Jahrzehnten 80 Milliar- den Euro entweder für die Kernfusion oder für die For- schung, zum Beispiel bei erneuerbaren Energien oder Na- notechnologie oder Gesundheitsforschung, eingesetzt. Wir wissen, dass die Ergebnisse der Fusionsforschung kaum in anderen Bereichen genutzt werden können. Dies heißt, dass wir Gefahr laufen, in gigantischem Maße Ka- pital fehlzuinvestieren. Ich appelliere daher an Sie alle, die Mahnung des Bundestagsbüros für Technikfolgenab- schätzung ernst zu nehmen und endlich einen wissen- schaftlich unabhängigen Sachverstand aufzubauen und bis dahin die weiteren Entscheidungsschritte für die Kern- fusion, zum Beispiel des ITER, auszusetzen. Ich jeden- falls will für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen nicht die Verantwortung für 80 Milliarden Euro Fehlpla- nung verantworten und werde mich weiter für eine um- fangreiche Energieforschung einsetzen, die dem Klima- schutz, dem Schutz vor Radioaktivität und dem Schutz vor verschwendeten Steuergeldern Rechnung trägt. Diejenigen unter Ihnen, die immer vom Standort Deutschland reden, möchte ich darauf hinweisen, dass mittlerweile in Deutschland rund 120 000 Arbeitsplätze von den erneuerbaren Energien abhängen. Diese Arbeits- plätze stehen im internationalen Wettbewerb, zum Bei- spiel mit den USA, Dänemark und Japan. Diejenigen wer- den sich durchsetzen, die die besten Produkte zu den günstigsten Preisen anbieten können. Hierüber entschei- den zu einem Großteil die Erfolge bei der Forschung. Wir können das Geld entweder in einen Markt investieren, der bereits heute rund 6 Milliarden Euro alleine in Deutsch- land umfasst, oder wir können die Mittel für die Kernfu- sion ausgeben und vermutlich nie wieder sehen. Denken Sie daran: Es macht nur dann Sinn, die Milli- arden für den nächsten Forschungsreaktor auszugeben, wenn Sie dazu bereit sind, auch den Weg der 80 Milliar- den Euro insgesamt zu gehen. Und denken Sie auch da- ran, dass Ihre Expertisen bislang fast nur von denen er- stellt wurden, die dieses Geld haben wollen. Ein Fusionsforscher, der von der Politik gefragt wird, ob denn seine Forschungen notwendig seien, wird nie zugeben, dass seine Forschungen überflüssig seien oder dass das Forschungsgeld woanders besser angelegt sei. Gerade deshalb hat das TAB in seiner Studie ange- mahnt, endlich unabhängige Beratungskapazitäten aufzu- bauen. Bisher gibt es fast keine solchen. Die wenigen, wie die Janusgruppe in Darmstadt, zeigen daher auch häufig auf die Nachteile, die ungelösten Fragen und die hohen Kosten, die uns die Fusionsforscher in ihren Papieren weitgehend verschweigen oder schönreden. Ulrike Flach (FDP): Unsere Welt ist einem stetigen Wandel unterworfen und somit verändern sich auch die Positionen der Industrienationen zu einer umfassenden Zukunftssicherung ihrer Energieversorgung. Die FDP hat in den zurückliegenden Jahren diesen Aspekt immer wie- der betont und vor einer allzu einseitigen Ausrichtungen der Energieforschung gewarnt. Heute sichern wir unsere Energieversorgung vor allem durch das Verbrennen fossiler Energieträger und durch Kernenergie. Nach und nach kommen die so genannten regenerativen Energien hinzu, von denen wir aber wissen, dass sie zur Deckung des Energiebedarf bei weitem nicht ausreichen. Einige von den Regenerativen verdanken ihre Existenz nur hohen garantierten Abnahmepreisen und einem Ener- giemix, der die Wirtschaft und die Privathaushalte glei- chermaßen belastet. Dass diese Entwicklung eine unend- liche Geschichte wird, zeigt uns das jüngste Beispiel „Photovoltaik“ deutlich. Doch das halten wir im internationalen Wettbewerb auf Dauer nicht durch. Wollen wir wirkliche Veränderungen, dann müssen wir den Mut dazu haben, weit in die Zukunft zu blicken. Nur so können wir wirklich dem hier so oft vor- gebrachten und von uns allen verinnerlichten Nachhaltig- keitsgedanken umsetzen. Wir alle wissen, dass der welt- weite Primärenergiebedarf bis zum Jahr 2050 um das Zwei- bis Dreifache ansteigen wird. Auf den Punkt gebracht be- deutet das: Wir brauchen Elektroenergie, die aus Energien gewonnen wird, die uns zuverlässig für die nächsten Jahr- hunderte zur Verfügung stehen. Wir brauchen Energie- wandlungsprozesse, die unsere Umwelt schonen und die über eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz verfügen. Was wir vor allem hier in Deutschland brauchen, ist wieder der Mut zu Visionen und deren Umsetzung sowie ein schöpfe- risches Klima für Wissenschaft und Forschung. Gerade deshalb sprechen wir Liberale uns so eindeutig für die Fusionsforschung aus. Wir haben das mit unserem Antrag schon vor zwei Jahren deutlich gemacht. Wir ha- ben uns für eine Anhörung im Bildungs- und Forschungs- ausschuss stark gemacht. Wenn wir auf das Ergebnis der Anhörung blicken, hat sich dieser Weg als richtig erwie- sen. Die Mehrheit der Sachverständigen bestätigt unsere Auffassung. Ich kann mich noch genau an die Ausführungen des Vertreters des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie, Harry Lehmann, erinnern, der Gefährdungspo- tenziale darstellte, die wissenschaftlich so nicht belegbar sind. Jetzt liegt uns die Stellungsnahme des Wissen- schaftsrates zu diesem Institut vor, die unsere Vermutun- gen bestätigen. „Der Wissenschaftsrat empfiehlt dem Land – gemeint ist NRW–, das Institut in seiner bisherigen Form nicht weiter zu fördern“ – so lautet die Empfehlung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223988 (C) (D) (A) (B) „Gelbe Karte für die Zukunftswerkstatt“ – so machte die „Süddeutsche Zeitung“ vorgestern ihren Artikel zu diesem Institut auf. Dass die FDPmit ihrem Ja zur Fusionsforschung richtig liegt, bestätigt heute der Wettlauf verschiedener europä- ischer und nordamerikanischer Länder, aber auch Japans, um den Standort des internationalen Fusionsforschungsre- aktors ITER. ITER wurde von europäischen, japanischen, russischen und US-amerikanischen Fusionsforschern vor- bereitet. Gern wurde der Rückzug der USA argumentativ zum Anlass genommen, um einen „Beweis“ gegen die Machbarkeit von ITER anzutreten. Doch im Mai dieses Jahres erklärte der US-amerikanische Energieminister Spencer Abraham auf dem G-8-Wirtschaftsgipfel das Inte- resse der USA, sich wieder an der ITER-Unternehmung zu beteiligen. Die spanischen Christdemokraten haben in ihrem Par- lament den Antrag gestellt, einen Standort nahe Barcelona anzubieten. Daraufhin hat die spanische Forschungsministerin Anna Birués im April 2002 dem europäischen Forschungskom- missar Philipe Busquin den Standort Vandellós vorgeschla- gen. Auch die Franzosen stehen zu ihrem Standort Cadarache, wie aus einem Schreiben vom Mai dieses Jahres an Busquin hervorgeht. Kanada hat sich schon lange beworben. Jetzt liegt auch noch ein offizielles japanisches Angebot vor. Darin schlägt Premierminister Koizumi die Stadt Rokkasho auf der japanischen Hauptinsel Honshu vor. Und was macht Deutschland? Forschungsministerin Bulmahn lässt eine Kürzung des europäischen Mittelan- satzes von 850 Millionen Euro auf 750 Millionen Euro zu, obwohl die Empfehlungen des europäischen Ministerra- tes und des europäischen Parlaments anders lauteten. Wir wissen, welche Rolle Frau Schreyer hier spielte. Auch der Bundesrat macht in seiner Empfehlung darauf aufmerk- sam, dass diese Reduzierung der Förderquoten im Bereich der Fusionsforschung gleichzeitig zu einer zwangsweisen Verringerung der europäischen Mittel für die beteiligten deutschen Forschungseinrichtungen führt. Die FDP-Bundestagsfraktion spricht sich für die Fort- führung eines reaktororientierten Forschungsprogramms über die Zwischenschritte ITER – International Ther- monuclear Experimental Reactor – und DEMO – De- monstration Fusion Powerplant – aus. Die FDP-Fraktion nimmt den Bericht des Ausschusses „Technikfolgenab- schätzung – Monitoring Kernfusion“ zur Kenntnis. Angela Marquardt (PDS): Der vorliegende TAB-Be- richt ist, wie Sie wissen, sehr umstritten – vermutlich des- halb, weil er fast alle Vorbehalte an der Fusionsforschung teilt, die von Kritikern in den letzten Jahren vorgetragen wurden, auch von der PDS. So legt er beispielsweise dar, dass die Fusionsforschung extrem kostenintensiv ist und in den nächsten 50 Jahren noch mindestens 60 bis 80 Mil- liarden Euro kosten wird, während es weiterhin völlig spekulativ ist, ob die Kernfusion jemals geregelt funktio- nieren wird, und wenn ja, wann. Er bestätigt auch unsere Kritik bezüglich der Sicherheitsfragen. Sicherheit ist bei radioaktiven Anlagen eben nie 100 Prozent zu garantie- ren. Auch wenn ich das Risiko natürlich keinesfalls mit dem der Kernspaltung vergleichen will. Das tut auch der Bericht nicht. Die Umweltverträglichkeit ist ebenfalls nicht völlig unproblematisch, weil radioaktive Abfälle entstehen und der Umgang mit dem Brennstoff Tritium sehr problematisch ist. Auch dass waffenfähiges spaltba- res Material erbrütet werden kann, gibt der Bericht zu be- denken. All diese und weitere Bedenken sind für uns Grund ge- nug, der Kernfusion höchst kritisch gegenüberzustehen und einen mittelfristigen Ausstieg aus der Forschung an- zustreben. Für uns sind vor allem drei Argumente aus- schlaggebend: Es wird, wie gesagt, seit Jahrzehnten ohne große Fortschritte geforscht und mögliche Ergebnisse werden erst in 50 Jahren erwartet – wenn überhaupt. In dieser Zeit muss aber längst eine Energiewende stattge- funden haben. Das ungeheuer viele Geld, das diese höchst spekulative Forschung verschlingt, fehlt dringend an an- derer Stelle. Wir fordern schon lange eine verstärkte For- schung im Bereich regenerativer Energien. Das Zweite ist: Die Kernfusion geht von einer zentra- len Energieproduktion in Großkraftwerken aus. Zu einer Energiewende gehört jedoch die Abkehr von diesem Prin- zip. Wir setzen auf eine Dezentralisierung und auf ver- brauchernahe Produktion. Eine zentrale Energieproduk- tion eignet sich nicht für Entwicklungsländer, wo die nötige Infrastruktur zur Verteilung fehlt. Bei jeder Ener- gieforschung muss jedoch bedacht werden, dass alle Lö- sungen auch für Entwicklungsländer denkbar sein sollten. Diese Länder werden künftig den größten Anstieg des Energieverbrauchs haben. Kernfusion ist auch keines- wegs – wie es der TAB-Bericht glauben macht – eine komplementäre Form der Energieversorgung, die regene- rative Energien ergänzen könnte; denn erneuerbare Ener- gien werden dezentral produziert und erfordern dement- sprechend einen Umbau der Energienetze. Kernfusion und regenerative Energien sind konkurrierende Technolo- gien, weil sie grundverschiedener Energienetze bedürfen. Das dritte Argument sind die bereits erwähnten Ent- sorgungsprobleme und die nicht kalkulierbaren Sicher- heitsrisiken. Dies alles bedeutet, dass wir einen Ausstieg aus der Forschung fordern. Das europäische ITER-Projekt lehnen wir grundsätzlich ab. Das Wendelstein-7-Projekt in Greifswald-Lubmin ist noch für mindestens fünf Jahre voll finanziert. In dieser Zeit sollten die Betreiber Vor- schläge entwickeln, wie eine schrittweise Umprofilierung und Neuorientierung des dortigen Max-Planck-Instituts aussehen könnte; denn eine Beibehaltung des For- schungsstandortes ist auch in unserem Interesse. Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Nach 50 Jahren weltweiter Anstrengungen in der Fusionsfor- schung sind wir von der Idee einer kommerziellen Nut- zung der Fusionsenergie immer noch Jahrzehnte entfernt. Natürlich können wir aus heutiger Sicht nicht die Not- wendigkeit einer zusätzlichen Energiequelle wie der Kernfusion langfristig ausschließen, wenn sie technisch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23989 (C) (D) (A) (B) machbar, ökologisch vertretbar, im Kontext einer über- greifenden Energiestrategie sinnvoll und wirtschaftlich nutzbar sein sollte. Dies sind allerdings Fragen, die wir heute nicht beantworten können. Bei Fusionskraftwerken sind größte anzunehmende Unfälle, ein GAU, wie sie etwa bei Kernkraftwerken grundsätzlich nicht wegzudis- kutieren sind, nicht vorstellbar. Bei der Entsorgung ist es zumindest eine offene Frage, ob die Verkürzung der La- gerung radioaktiver Abfälle auf „nur“ einige hundert Jahre statt einiger tausend Jahre bei Abfällen aus Kern- kraftwerken wirklich die Probleme schon gelöst hat. Des- halb macht der Vorschlag der Studie des Büros für Tech- nikfolgenabschätzung durchaus Sinn, die weiteren Anstrengungen in der Fusionsforschung mit einer inter- disziplinär arbeitenden Technikfolgenabschätzung zu be- gleiten. Und eins sollten wir aus den Erfahrungen mit staatlich finanzierten Technologieprojekten gelernt ha- ben: Technologien, die bis zur Markteinführung aus- schließlich vom Staat finanziert werden, können die Bedürfnisse des Marktes und die Erwartungen der Ge- sellschaft bisweilen gründlich verfehlen: Die Geschichte des Schnellen Brüters ist ein lehrreiches Beispiel. Deshalb ist eine Bereitschaft der Energieversorgungsunterneh- men, sich am ITER zu engagieren und sich an der Ent- wicklung eines Fusionsreaktorprototypen finanziell zu beteiligen, auch eine Nagelprobe ihrer kommerziellen Er- wartungen an diese Technologie. Andererseits verlangen die drängenden Klimaprobleme ein Umsteuern in der Energiepolitik schon in den nächsten 30 Jahren. Wir ha- ben nicht 50 oder gar 100 Jahre Zeit. Für ein Umsteuern in dieser Zeit steht die Fusionsenergie auf jeden Fall nicht zur Verfügung. Sie kann deshalb aus klimapolitischen Zielsetzungen keine Priorität haben. Deshalb haben wir mit Erfolg auf eine angemessene Ausstattung der nicht- nuklearen Energieforschung im 6. Forschungsrahmenpro- gramm gedrängt und müssen auch für die nächsten 30 Jahre in Deutschland vorrangig den Einsatz erneuer- barer Energiequellen, die rationelle Energieverwendung und Energieeinsparung voranbringen. Die Kernfusion muss sich in Deutschland wie in Europa stärker der Kon- kurrenz anderer Energietechnologien stellen. Die Fusionsforschungseinrichtungen Deutschlands ar- beiten mit ihren Partnern in der Europäischen Union im Rahmen von Euratom eng zusammen, auch ihre Arbeit wird zu einem guten Teil aus Mitteln der EU finanziert. Deshalb macht aus Sicht der Bundesregierung eine rein nationale Debatte oder gar Entscheidung über die Per- spektiven der Kernfusion wenig Sinn. In der EU sind wir im Prozess der Entscheidung über das nächste Fusionsexperiment ITER schon ein Stück vo- rangekommen. Die große Mehrzahl der Mitgliedstaaten hat sich für eine Beteiligung an ITER ausgesprochen. Deutschland dringt auf eine Entscheidung über ITER, die eingebettet wird in eine energiepolitische Abwägung und Strategie. ITER lässt sich nur im Kontext einer längerfris- tigen Energiepolitik rechtfertigen, nicht mehr nur aus der Interessenlage der Grundlagenforschung. Die ungelösten Fragen auf dem Weg zu einem Fusionsreaktor sind nicht mehr Grundfragen der Physik. Es geht entscheidend um die Verfügbarkeit von Werkstoffen, die eine bis zu 100-fach stärkere Neutronenstrahlung in einem für die kommerzi- elle Anwendung notwendigen Zeitraum verkraften, als es heute verfügbare Werkstoffe vermögen, es geht um den mühsamen Weg vom Forschungsexperiment zu einem Re- aktor. Die Erfahrungen in der Kerntechnik geben gute Hin- weise auf die dabei zu lösenden Fragen, etwa im so ge- nannten Scaling Up-Prozess. Die Fusions-Community hatte sich bis letztes Jahr auf die Perspektive, es würden weitere 50 Jahre bis zum Einsatz des ersten kommerziel- len Fusionsreaktors vergehen, eingerichtet. Fürwahr ein bequemes Ruhekissen. Hier sind Gott sei Dank neben Deutschland auch andere EU-Mitgliedstaaten, vor allem Großbritannien, unruhig geworden. Der Bericht der King- Kommission „fusion fast track“, die auf Initiative des For- schungsministerrates zustande kam, zeigt erstmals einen Weg auf, die 50 Jahre um bis zu 20 Jahre abzukürzen, wenn schon in den nächsten 10 Jahren die Frage geeigne- ter Materialien zum Ziel geeigneter Forschungsanstren- gungen gemacht werden. Diese Bundesregierung hat von Anfang an auf das heute ungelöste Materialproblem hin- gewiesen. Heute liegen Bewerbungen aus Frankreich und Kanada für einen ITER-Standort auf dem Tisch, Japan und Spanien haben einen Standortvorschlag angekündigt. Deutschland bewirbt sich wegen anderer Prioritäten nicht um den Standort für das Fusionsexperiment ITER. Wir bleiben damit in der Kontinuität der Haltung der Vorgän- gerregierung. Die FDP, die dieses in ihrem Antrag nun for- dert, hatte interessanterweise vor 1998 an dieser Haltung nichts auszusetzen. Deutschland wird sich in den weiteren Gesprächen dafür einsetzen, dass die Entscheidungen über ITER im Kontext einer sinnvollen Energiestrategie getroffen wer- den und die Finanzierung des Projekts in weltweiter Ar- beitsteilung vor einer endgültigen Entscheidung geklärt ist. Wir bestehen auch auf einer weiteren Förderung für die Fertigstellung und den Betrieb des Fusionsexperi- ments WENDELSTEIN in Greifswald. Denn viele Ex- perten sind sich darin einig, dass bei einer Entscheidung über das Design eines Fusionsreaktors in 20 Jahren aus heutiger Sicht offen ist, ob das Design auf dem Tokamak- Konzept von ITER oder dem Stellerator-Konzept von WENDELSTEIN aufbauen wird. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu der Entschließung: Unternehmer im Netzwerk – für eine Kultur der Selbstständigkeit (Tagungsordnungspunkt 13) Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht für mehr Selbstständigkeit und für kleine und mittlere Unterneh- men. Eine neue Kultur der Selbstständigkeit hat sich ent- wickelt und unserem Land einen Modernisierungsschub gegeben. Daran hat die Überbewertung neuer Technologie- unternehmen von Medien und Börse in der Phase des Hype und die derzeitige Unterbewertung nichts ändern können. Die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland hat kontinuierlich zugenommen – im Jahr 2001 hatten wir 7 000 Unternehmen mehr als im Jahr 1998. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223990 (C) (D) (A) (B) Auf diesem Weg wollen wir weitergehen und die Rah- menbedingungen kontinuierlich verbessern. Wir haben den Haushalt auf einen Konsolidierungs- pfad gebracht, die kapitalgedeckte Säule bei der Rente aufgebaut und eine Steuerreform, die den Mittelstand ent- lastet, verabschiedet. Wir konnten den Trend bei den Lohnnebenkosten um- drehen: sie waren von 32,4 Prozent 1980 auf 42,1 Prozent angestiegen. Heute liegen sie bei 41,2 Prozent. Ohne die Ökosteuerreform wären sie 2 Prozent höher. Der arbeits- intensiv produzierende Mittelstand und moderne Dienst- leister profitieren in besonderer Weise davon. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir einen weltweit beachteten Boom bei Sonnen- und Windenergie ausgelöst. Viele neue Unternehmen sind entstanden. Die Wirtschaftsweisen haben es uns bestätigt: Mit un- serer Steuerpolitik haben wir den Mittelstand deutlich ent- lastet. Bereits im Jahr 2001 wurde der Mittelstand um netto 7 Milliarden Euro entlastet. Im Jahr 2005 wird die letzte Stufe der Steuerreform greifen, die Entlastung des Mittelstandes wird dann gegenüber 1998 15 Milliarden Euro betragen. Wir haben damit die Voraussetzung für die Verbesserung der Eigenkapitalsituation der mittelständi- schen Personengesellschaften geschaffen. Aber vieles ist noch zu tun. Die Wissensgesellschaft braucht selbstständige, unternehmerisch denkende Men- schen – das starre Oben und Unten ist von gestern. Gefragt ist die Fähigkeit, in Netzwerken und Teams zu arbeiten. Neue Wertschöpfung, neue Unternehmen und neue Arbeit entstehen dezentral: bei Gründerinnen und Gründern bei kleinen und schnell wachsenden Unternehmen. Wir wol- len die Menschen dabei unterstützen, sich fit zu machen und ihren Weg zu gehen. Hierfür werden wir hemmende Bürokratie abbauen und selektiv Initialförderung bereit- stellen. Unser Leitbild ist der aktivierende Staat. Deshalb werden wir weiter kontinuierlich mehr Geld für Bildung bereitstellen, die Qualität der Bildungsein- richtungen durch Vergrößerung ihrer Autonomie und ver- stärkte Wettbewerbselemente in der Bildungsfinanzie- rung steigern. Die Angebote der Schulen und Hochschulen zur Vor- bereitung auf die Selbstständigkeit wollen wir ausbauen und für die Übernahme mittelständischer Unternehmen durch junge Leute wollen wir verstärkt werben. Wir ver- bessern die Rahmenbedingungen für die Verbreitung neuer Technologien durch Investitionen in Forschung und Technologie. Wir wollen eine Kultur der zweiten Chance schaffen und mit der Grundsicherung ein System der sozialen Si- cherung aufbauen, das allen offen steht. Die Flexibilität an den Arbeitsmärkten wollen wir erhöhen – und zugleich die Menschen und die Unternehmen dabei unterstützen, die Chancen dieser Flexibilität wahrzunehmen. Wir werden den lebenswichtigen Zugang mittelständi- scher Unternehmen zu Krediten und Beteiligungskapital verbessern. Dazu werden wir neue Instrumente bei den Förderbanken des Bundes einführen, damit es für die Ban- ken wieder attraktiver wird, Klein- und Kleinstkredite zu vergeben. Einen lebendigen Beteiligungs- und Risiko- kapitalmarkt wollen wir durch die Schaffung von mehr Transparenz und Vertrauen auf den Kapitalmärkten und durch attraktive steuerliche Rahmenbedingungen ge- währleisten. Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Mich reizt es, auf viele Wahlkampfaussagen meiner Vorredner einzuge- hen, doch ich möchte in der Sache diskutieren und gehe deshalb gleich auf den Entschliessungsantrag ein. In ihrem Antrag „Unternehmer im Netzwerk – für eine Kultur der Selbstständigkeit“ fordern die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition die Reform der Lehrpläne in Schulen und Universitäten sowie eine besondere und in- tensive Förderung der Unternehmensform „Franchising“. Außerdem plädieren sie für eine Stärkung des Unterneh- mensbewusstseins. Ihre Ideen sollen zu mehr Selbststän- digkeit in Deutschland führen. Ich fürchte, die Opposition hat ein wenig den An- schluss verloren. Weder hat sie den Bericht der Bundes- regierung zur Politik für den Mittelstand angeschaut, noch die Homepage des Wirtschaftsministeriums angeklickt. Wenn Sie es nicht selber können, dann zeigen Ihre Mitar- beiter Ihnen sicher gerne, wie man ins Internet kommt. Im Übrigen: Da sind die Schulen, deren Lehrpläne sie ändern wollen, schon viel weiter als der eine oder andere hier im Raum. In dem Bericht können Sie nachlesen, dass sich in Deutschland bereits ein Stimmungswandel zugunsten der unternehmerischen Selbstständigkeit vollzogen hat. Nach einer aktuellen EU-Umfrage können sich 20 Prozent der 16- bis 29-Jährigen in Deutschland vorstellen, sich selbst- ständig zu machen. Diesen Aufwärtstrend bestätigt der neue Vorstandssprecher der Deutschen Ausgleichsbank, Peter Fleischer. Er sagte vor kurzem in einem Interview, dass sich die Gründerzahlen vor allem in Ostdeutschland stabilisieren. Und das freut mich als Politikerin aus dem Osten natürlich besonders. Die Entwicklung eines Unternehmergeistes bzw. Un- ternehmerbewusstseins fängt schon in der Schule an, das haben Sie in ihrem Antrag richtig erkannt. Deshalb unter- stützt unser Wirtschaftsminister Müller in zwölf Bundes- ländern das Projekt „Junior“, bei dem Schulklassen real handelnde Miniunternehmen gründen. Die DtA hat einen hervorragenden Schulordner mit praxisnahem Unterrichts- material zum Thema Selbstständigkeit erstellt. Nicht nur in Schulen, auch in Hochschulen und Uni- versitäten sorgen wir dafür, dass Studenten zur Selbst- ständigkeit motiviert und darauf vorbereitet werden. Wir haben dazu 42 Existenzgründerlehrstühle ins Leben geru- fen. Sie ermöglichen interessierten Studentinnen und Stu- denten, ihre unternehmerischen Fähigkeiten an den Fa- kultäten zu entwickeln und auszubauen. Ich könnte das jetzt hier fortführen, aber dann reicht meine Zeit nicht aus. Im Übrigen: Kollege Börnsen – ich nenne ihn, weil sein Name als erster in der Liste der Antragseinreicher steht – muss als langjähriger Lehrer für Wirtschaft und Politik am Besten wissen, dass der Bund nur einige Pilotprojekte an Schulen und Hochschulen initiieren und unterstützen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23991 (C) (D) (A) (B) kann, da die Gestaltung der Lehrpläne in die Länderkom- petenz fällt. Er setzt sich in dem Antrag sehr für das Fran- chising ein. Er hat in seiner Rede am 31. Januar sogar ein Jobwunder prophezeit wenn, – ich zitiere – „man sich am Zauberwort Franchising orientierte“. Nun soll man mit Prophezeiungen vorsichtig umgehen und das würde ich in diesem Fall auch empfehlen. Franchising ist eine Kooperationsform von Unterneh- men unter vielen. Innerhalb des Bereichs Franchising gibt es wiederum etliche 100 Franchisesysteme. Die Facetten sind hier fließend. Vorteilhaft für den Fran- chisenehmer ist, dass er das Know-how und die Erfahrung des Gebers übernehmen kann sowie dessen erprobte Pro- dukte oder Dienstleistungen. Manche Franchisesysteme binden den Nehmer sehr ein, was die unternehmerische Freiheit einschränkt. Wenn die ganze Produktpalette vor- geschrieben wird, der Auftritt des Unternehmens diktiert und die Preise vollkommen vom Geber festgelegt werden, kann man wohl kaum noch von einer Kultur der Selbst- ständigkeit sprechen. Darüber sagt er gar nichts in seinem Antrag. Ich will nicht behaupten, Franchising wäre keine gute und erfolgversprechende Sache; ich finde es aber fahrlässig, diese Unternehmensform als Allheilmittel anzubieten. Da diese Form der Selbstständigkeit von uns und unserer Regierung als eine – ich möchte unterstreichen: als eine – der Möglichkeiten, sich selbstständig zu beschäftigen, un- terstützt wird, hat die Bundesregierung einen Leitfaden für Unternehmen herausgegeben, der über Kooperationen in- formiert und Hilfestellung gibt. Auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums gibt es einen eigenen Link zum Thema Franchising, der Informationen und jede Menge Kontakte anbietet. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass wir das Thema vernachlässigt hätten. Dass Unternehmen das Angebot der Bundesregierung in Anspruch nehmen, zeigen zum Beispiel zwei Unter- nehmen aus meinem Wahlkreis Chemnitz. Sie sind am Montag auf dem Innovationstag der AiF für ihre Koope- rationskonzepte geehrt worden. Es handelt sich aber nicht um Franchise in diesem Fall, sondern um Netzwerkma- nagement im Rahmen von NEMO: „Netzwerkmanage- ment Ost.“ Die beiden Unternehmen werden in den nächsten drei bis vier Jahren von der Bundesregierung mit bis zu 300 000 Euro unterstützt, um ein Netzwerk aufzubauen und zu etablieren. In einem Fall handelt es sich um eine Gruppe von sieben Unternehmen im Bereich Maschinen- bau. Die Zusammenarbeit in den Bereichen Einkauf, Be- darfserfassung, Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen, Marktanalyse und Technologieentwicklung wird aufge- baut oder intensiviert. Diese Unternehmen haben erstens erkannt, dass in ei- ner internationalisierten Wirtschaft der Zusammenschluss von kleinen Unternehmen von enormer Bedeutung ist, um am Markt zu bestehen. Zweitens haben sie analysiert, dass ein zu geringer Prozentsatz ihrer Zulieferungen aus dem Umland kommen, dass aber das Potenzial in unserer Re- gion vorhanden ist. Daran werden sie mit der finanziellen Unterstützung, die sie von der Regierung erhalten wer- den, arbeiten. Die drei Förderbereiche Innovation, Forschungsko- operation und Technologische Beratung bieten dem Mit- telstand viele Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Zahlrei- che Programme stehen zur Verfügung. Ich darf an dieser Stelle noch einmal auf den Mittelstandsbericht verweisen. Im Rahmen der Förderung von Existenzgründungen wer- den auch Franchiseunternehmer gefördert, wenn sie einen gewissen Grad an Selbstständigkeit nachweisen. Doch Sonderprogramme für Franchise halte ich für den falschen Weg. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): „Die zehn besten Newcomer“ titelte das Wirtschaftsmagazin „Impulse“, als es Ende 2001 seine Bestenliste der Fran- chisesysteme veröffentlichte. Die Neugründungen der letzten drei Jahren hatte man kritisch unter die Lupe ge- nommen, um potenziellen Existenzgründern eine Ent- scheidungshilfe zu geben. Den Topplatz belegte das Textilpflegesystem „ZWO 24“. Textilreinigung innerhalb von zwei Stunden und das rund um die Uhr, 24 Stunden lang, lautet die als innovativ eingestufte Geschäftsidee. In acht Filialen in fünf deut- schen Städten wurde das System auf Herz und Nieren ge- prüft. Eine Chipkarte ermöglicht den Eintritt in den Ab- holbereich. Ein Speicherband befördert die richtigen Artikel zur Ausgabe. Ein Reinigungssystem – so einfach wie ein Geldautomat. Besonders positiv wurden das ei- gene Patent und die ausführliche Schulung der Franchise- nehmer bewertet. Das Finanzierungskonzept sei durch- dacht und wurde von Banken gelobt. Das Ziel bis 2006: 130 bis 150 Filialen deutschlandweit. Beste Bedingungen für eine Erfolgsstory – meint man. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Bei der Filialgründung des Gewinners in Potsdam, nur 30 km hier vom Reichs- tag entfernt, gab es die typischen Barrieren für Existenz- gründer: Bestens geeignete Räume waren in der Innen- stadt angemietet, Mitarbeiter ausgewählt, Fördermittel durch die öffentlichen Banken zugesagt. Doch die Ge- schäftsbanken vor Ort lehnten in vorauseilendem Gehor- sam zur Basel-II-Vereinbarung die Finanzierung ab. Die platte Begründung: Potsdam sei kein Platz zum Investie- ren. Geschäftsidee, Ertragserwartung und Expansions- chancen spielten dabei keine Rolle. So geht es derzeit Tausenden von Existenzgründern. Die Banken finanzieren praktisch keine Existenzgrün- dungen mehr. Gründer in Franchisesystemen werden da- bei von den Banken wegen ihres vergleichsweise gerin- gen Risikos sogar noch sehr wohlwollend behandelt, bestätigt die Deutsche Ausgleichsbank auf Nachfrage. Doch deren Slogan „Wir fördern Zukunft“ sieht in der Praxis oft anders aus. 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze könnten nach Exper- tenansicht durch gestützte Existenzgründungen in Deutschland geschaffen werden, wenn – ja: wenn – die Rahmenbedingungen stimmen. Doch die Bundesregierung hat wenig Interesse an dem Gründerkonzept Franchising. Unsere Große Anfrage vom April 2001 wurde von ihr erst nach über sechs Monaten beantwortet. Die erste Debatte dazu fand erst weitere fünf Monate später statt und heute, sieben Monate nach unse- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223992 (C) (D) (A) (B) rem Entschließungsantrag findet die Abschlussdebatte statt. Tausende mögliche neue Arbeitsplätze wurden so auf die lange Bank geschoben. Das ist unverantwortlich! Die Beschlussempfehlung der rot-grünen Mehrheit für die heutige Abstimmung lautet: Ablehnung des Antrages der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Eine Begründung dazu fehlt. Pflicht des Bundeswirtschaftsministers Müller wäre es gewesen, sich persönlich für das Thema einzuset- zen. Er hat die Richtlinienkompetenz in seinem Ministe- rium. Er hat nicht gehandelt. Anerkennenswert dagegen ist die Initiative der Parla- mentarischen Staatssekretärin Margareta Wolf, die sich mit dem Gründerkonzept Franchising und dieser beson- deren Unternehmensform auseinandergesetzt hat. Erst jetzt wird eine Studie zur Bewertung von Franchisesyste- men im Hinblick auf die Beschäftigungssituation in Deutschland in Auftrag gegeben. Wir von der Union mei- nen: viel zu spät, auch wenn diese Maßnahme ein Teil un- seres Antrages ist. Die derzeitigen wirtschaftlichen Fakten sprechen eine klare und traurige Sprache. Sie verdeutlichen die politi- sche Versäumnisse in der Mittelstandspolitik dieser Bun- desregierung: Die Ertragslage des deutschen Mittelstan- des ist so schlecht wie nie zuvor. Nur 3 Prozent des Umsatzes werden als Gewinn erwirtschaftet! Ein Drittel aller mittelständischen Unternehmen erzielen keinen Ge- winn mehr! Über die Hälfte der kleineren Mittelständler arbeiten ohne Eigenkapital. Die Investitionsbereitschaft geht besorgniserregend zurück. Damit ist die anerken- nenswerte Ausbildungsbereitschaft von Handwerk, Han- del und Gewerbe ebenso gefährdet wie dessen Funktion als gesellschaftlicher Stabilisator. Die 3,5 Millionen mittelständischen Unternehmen in Deutschland beschäftigen 70 Prozent aller Arbeitnehmer, 80 Prozent aller Auszubildenden und schaffen 50 Prozent aller Wertschöpfung. Die augenblickliche Politik hat viele entmutigt; Steuern steigen, Abgaben steigen, bürokrati- sche Auflagen steigen. Hohe Lohnnebenkosten werden zu Jobkillern. Das ist ein Entmutigungs-, kein Förderprogramm. Verschärfte Mitbestimmung und das Teilzeitarbeitgesetz werden als Diktat empfunden. Neue Umweltkriterien führen zu mehr Reglementierung, zu mehr Bürokratie. Es kommen derzeit keine wirklich neuen Impulse aus Berlin. Wir registrieren: eine Wirt- schaftspolitik ohne Fantasie, ohne konkrete Power! Dabei könnte die Schaffung richtiger Rahmenbedin- gungen zu einem neuen Jobwunder beitragen; Franchi- sing heißt das Stich-, wenn nicht sogar Zauberwort. 500 000 neue Arbeitsplätze innerhalb von fünf Jahren könnten dadurch nach Expertenansicht entstehen. Fran- chising ist eine in Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten völlig unterentwickelte Wirtschaftsform. 850 Systeme gibt es in Deutschland, 3 000 in Japan und 5 000 in den Vereinigten Staaten. Dabei kauft der Fran- chisenehmer beim Franchisegeber ein fertiges Betriebs- konzept, profitiert von dessen Werbung und Know-how, agiert jedoch weitgehend wie ein selbstständiger Unter- nehmer. Als wirkliche Partnerschaft verstanden, kommt es zu einer hocheffizienten Arbeitsteilung zwischen der Systemzentrale und dem Unternehmer vor Ort. Die oft langjährige Anlaufphase einer Unternehmensneugrün- dung verkürzt sich deutlich. Sie liegt bei manchen Syste- men fast bei null. Gründerpleiten werden auf ein Minimum reduziert. 34 000 Jungexistenz-Pleiten allein 2001 in unserem Land vergeuden nicht nur Steuergelder und Investitionskapital, sondern zerstören auch Biografien. Verglichen mit den herkömmlichen Betriebsgündungen ist die begleitete Exis- tenzgründung im Franchising erfolgreicher. 350000 Men- schen arbeiten heute in Deutschland in Franchiseketten von Photo Porst bis hin zu den Fröhlich-Musikschulen; in rund 850 Franchisesystemen in allen Branchen, Dienstleis- tungs- und Industriebereichen. Meine Heimatstadt Flensburg ist Sitz von bekannten und angesehenen Systemzentralen wie Beate Uhse und TEXfit und in Schleswig-Holstein gibt es weitere wie MobilCom, Blume2000 und das Dach- und Fassaden- begrünungssystem Optima aus Tornesch. Aber rund 2 000 solcher Unternehmensnetzwerke hätten nach Ansicht von Fachleuten Platz in Deutschland, wenn endlich gehandelt würde. Doch statt dieses Entwicklungspotenzial zu nutzen, baute die Bundesregierung neue Hürden bei der Schaf- fung von Arbeitsplätzen auf: beim Kündigungsschutz, der Steuerreform, der Scheinselbstständigkeit oder bei den 325 Euro-Jobs. Hier blickt die Bundesregierung zum Ende ihrer Regierungszeit auf eine Politik der verpassten Chancen zurück. In den USA ist Franchising ein Instru- ment aktiver Arbeitsmarktpolitik. Blei uns nicht! Dabei schafft ein Existenzgründer in Deutschland im Durch- schnitt drei Arbeitsplätze, Franchisenehmer schaffen im Durchschnitt sogar zehn. Viele eröffnen nach einiger Zeit einen oder mehrere weitere Betriebe. Doch nimmt ein Franchisesystem bei der Suche nach potenziellen Exis- tenzgründern Kontakt zum Arbeitsamt auf, erhält es oft eine Abfuhr „Wir vermitteln keine Arbeitslosen in die Selbstständigkeit, diese zahlen nicht in die Arbeitslosen- versicherung ein“, lautet dann die lapidare Absage, so Aussagen aus der Branche. Das ist dumm! Gerade beim Abbau der Arbeitslosig- keit sind innovative Ideen gefragt. Bei der Vermittlung in die Selbstständigkeit wird eine Kettenreaktion ausgelöst, es entstehen weitere Arbeitsplätze. Franchisesysteme be- dienen zwei Kundenkreise: den Verbraucher und Nutzer ihrer Produkte und Dienstleistungen einerseits und poten- zielle Existenzgründer andererseits. Die Netzwerkwirtschaft wartet darauf, Rechtssicher- heit zu erhalten. Sie bewegt sich in mehreren Bereichen auf ungeklärten Grenzlinien: In der Praxis ist oft nicht klar, ob die Tätigkeit eines Franchisenehmers von den Ge- richten als selbstständige Tätigkeit akzeptiert wird, ob die EU-Gruppenfreistellungs-Verordnung greift und das je- weilige Franchisesystem vom Kartellverbot freigestellt ist und wie weit die Aufklärungspflichten des Franchisege- bers reichen. Folge ist: Das Landgericht in München be- stätigt die Wirksamkeit eines Franchisevertrages, das Oberlandesgericht in Hamm erklärt denselben Vertrag für sittenwidrig. Hierdurch werden Geld, Arbeitsplätze und Existenzen vernichtet; zum Schaden für unsere gesamte Volkswirtschaft. Die Reform des Schuldrechts bot hier Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23993 (C) (D) (A) (B) Chancen für eine Klarstellung. Geschehen ist nichts, hier hat die Bundesregierung eine weitere Chance vertan. Die Risiken dieser Wirtschaftsform dürfen vom Ge- setzgeber nicht übersehen werden. Unzureichend quali- fizierte Menschen können in eine Existenzgründung gedrängt werden, eine zu hohe Lizenzgebühr kann frus- trieren und nicht fördern. Schwarzen Schafen ist das Handwerk zu legen. Franchisegeber und Franchiseneh- mer sind Partner und sitzen im selben Boot. Zur Galeere darf dieses aber nicht werden. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel – dem Ur- sprungsland der Netzwerkwirtschaft – gelten harte Re- geln, aber auch Rechtssicherheit. In 30 Jahren ist Erfah- rung gewachsen. 8 bis 10 Millionen Menschen gibt diese Wirtschaftsform dort aktive Wirtschaftsbeteiligung. In den USAmüssen alle Franchisesysteme angemeldet, zertifiziert und in ein öffentliches Register aufgenommen sein. Diese Regelung schafft Schutz vor Missbrauch und wirkt wie eine Vermittlungsbörse. Eine solche Lösung ließe sich ohne Reglementierung der Branche durch die Einführung eines freiwilligen Prüf- siegels für Franchisesysteme bei uns erreichen. An der Vergabe des Zertifikates sind alle Betroffenen zu beteili- gen. Die Branchenverbände der Franchisegeber und der Franchisenehmer sollten hierfür einen klaren Auftrag der Politik erhalten. Die Finanzierung von Existenzgründungen bedarf dringender Verbesserung. Banken und Sparkassen ziehen sich immer mehr aus dieser Aufgabe zurück und die Basel-II-Vereinbarung legt schon heute praktisch jede Existenzgründung lahm. Es ist unsinnig, bei jeder Exis- tenzgründung eines Franchisepartners, bei jeder Filial- gründung das gesamte Franchisekonzept wieder auf Herz und Nieren zu prüfen. Das duftet nach Geldschneiderei. Um diesen Teufelskreislauf zu durchbrechen, ist politi- sche Initiative gefragt. Alle, die an der Existenzgründung und an der Schaffung von Arbeitsplätzen ein Interesse ha- ben – sei es, um Geld zu sparen oder um welches zu ver- dienen –, müssen zusammengeführt werden. Gemeinsam muss ein Deutschland-Fond zur Schaffung von 500 000 Arbeitsplätzen durch Unternehmensneu- gründungen initiiert werden. Zu beteiligen sind Banken, Sparkassen, Fondsgesellschaften, die Bundesanstalt für Arbeit, das Wirtschaftsministerium und über einen Volks- Aktien-Fond alle Bürger unseres Landes. Eine prima Idee, wie sie jetzt Dieter Fröhlich, der Präsident des Deutschen Franchise Verbandes vorgestellt hat. Neben den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedin- gungen wird eine Unternehmerkultur entscheidend durch das Unternehmerbewusstsein geprägt. Doch hier bestehen bei uns Defizite im Bildungs- und Ausbildungssystem. Das Fach Wirtschaft muss Schul-Pflichtfach sein. Unter- nehmer vor Ort müssen regelmäßig in die Schulen einge- laden werden, aus ihrem Alltag berichten, von ihren Ideen, Chancen und Risiken. Abgesehen davon müssen wir weg von einer Neidkultur, hin zu einer Unternehmer- kultur. Der risikobereite Leistungsstarke verdient Aner- kennung. Dieser Respekt sollte ganz besonders Franchi- seunternehmen gelten, denn sie fungieren auch als Schule für Unternehmer. Hier lernt mancher erst das Handwerks- zeug für eine verantwortliche Unternehmensführung. Hier findet Eigenverantwortung in der Praxis statt. Hier kommt es zur Qualifizierung zukünftiger Unternehmer. Daraus kann und sollte sich ein neues Berufsbild erge- ben, das eines Franchisemanagers. Er könnte für neue Ideen und deren Umsetzung sorgen. Er könnte zur Schaf- fung und zur Sicherung der Systemzentralen in Deutsch- land beitragen. Ein kleines Beispiel soll das verdeutli- chen: Vor einigen Jahren erhielt ein findiger Ingenieur aus Deutschland ein Patent für ein Gehweg-Reinigungssys- tem. Doch als Techniker fehlte ihm das kaufmännische Know-how für die geschäftliche Verwertung. Etablierte Unternehmen hatten kein Interesse an dem Patent. So fand er einen Franchisemanager in den Vereinigten Staaten. Dieser setzte die Erfindung in ein Geschäftskonzept um. Heute sitzt die Systemzentrale in den USA und die ersten potenziellen Lizenznehmer aus Deutschland haben ihr In- teresse angemeldet. Systemzentralen von Coca Cola oder McDonalds erhalten von vielen deutschen Vertragspart- nern Lizenzgebühren, doch die Steuern dafür werden in Atlanta und in Illinois bezahlt. Das muss nicht sein! Die wenigen Beispiele verdeutlichen: Kluges politi- sches Handeln ist gefordert, will man die Chance bis zu 500 000 neue Arbeitsplätze in den kommenden fünf Jah- ren zu schaffen, nicht verpassen. Die Erfahrungen und Ideen beispielhafter Pioniere in Sachen Franchising wie die der Unternehmensberatung Wingral und Partner aus Eckernförde und der ADVIS-Wirtschaftskommunikation aus Monheim verdienen Unterstützung. Aus dieser Einschätzung halten wir als Union an unse- ren fünf wirtschaftspolitischen Empfehlungen fest: Erstens. Wir benötigen dringend eine fundierte Studie zu den Entwicklungschancen des Franchising in Deutsch- land. Zweitens. Wir halten die Schaffung eines Zertifizie- rungssystems für Franchisesysteme auf der Basis der Freiwilligkeit für erforderlich. Drittens. Wir plädieren für die Schaffung klarer recht- licher Rahmenbedingungen, insbesondere zu den Auf- klärungspflichten des Franchisegebers. Viertens. Wir halten die Sicherstellung der Qualifizie- rung zukünftiger Unternehmer als Franchisenehmer so- wie von Franchisemanagern als Franchisegeber für rich- tig und wir müssen fünftens zu einer einfacheren und unbürokratischen Existenzgründungsfinanzierung ebenso wie zur Förde- rung der Gründung von Franchisesystemen kommen. Damit hätten diese Netzwerksysteme gute Chancen, zu einer Jobmaschine zu werden. 500 000 neue Arbeitsplätze sind machbar. Gudrun Kopp (FDP): Den Mittelstand, das viel ge- priesene Rückgrat der deutschen Wirtschaft, plagen derzeit größte Sorgen. Die hohe Steuer-, Abgaben- und Kostenlast sowie eine Zunahme von Bürokratie und Regulierung strangulieren einen großen Teil der 3,3 Millionen mittel- ständischen Unternehmen und Freiberufler. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223994 (C) (D) (A) (B) Kein Wunder, dass sich die niedrige Selbstständigen- quote in Deutschland von gerade einmal 10 Prozent im in- ternatinalen Vergleich völlig negativ abhebt. Letzte Daten aus 2001 belegen, dass gerade kleine und mittlere Unter- nehmen mit bis zu fünf Beschäftigten am schnellsten von Insolvenzen bedroht sind. 56 Prozent dieser KMU in Westdeutschland und über 43 Prozent in Ostdeutschland waren im Jahr 2000 von Insolvenz betroffen. Welche Maßnahmen hält die FDP für erforderlich, um die Selbstständigenkultur in Deutschland voranzubrin- gen? Senkung der Steuer- und Abgabenlast, verbunden mit einer Vereinfachung des Steuersystems; steuerliche Anreize zum Aufbau von Eigenkapital; Erweiterung der Schulungs- und Weiterbildungsangebote zur sorgfältigen Vorbereitung auf die Selbstständigkeit; eine Konzentra- tion und Bündelung von nur wenigen, übersichtlichen Förderprogrammen auf Bund-Länder-Ebene und Entlas- tung der Unternehmen von Bürokratiekosten, die gerade kleinen Firmen die Luft zum Atmen und zur innovativen Gestaltung ihrer Unternehmenspolitik nehmen. Es ist bezeichnend, dass der Staat den Unternehmen Aufgaben abverlangt, die die Firmen kostenlos erbringen müssen. Als Beispiel sei hier die Erstellung von diversen Statistiken genannt. Solcherlei „Frondienste“ belaufen sich inzwischen auf einen Umfang von circa 30 Milliar- den Euro. Rolf Kutzmutz (PDS): Liebe Kolleginnen und Kolle- gen der CDU/CSU, Sie fordern uns in Ihrem Ent- schließungsantrag zu Feststellung auf, dass die Bundes- regierung beim Thema „Unternehmer im Netzwerk-Kultur der Selbstständigkeit“ lediglich auf Angaben eines Ver- bandes zurückgreifen könne. Ich möchte einmal den Spieß umdrehen: Die zugrunde liegende Große Anfrage Ihrer Fraktion war offenkundig ebenso eine Auftragsarbeit des Deutschen Franchise-Ver- bandes. Ich habe keineswegs generell etwas dagegen, Lobbyisten im Parlament Gehör zu verschaffen. Ich wun- dere mich aber über die penetrante Form in diesem Falle. Denn Franchising ist zwar eine, aber keineswegs „die“ Netzwerk-Form von Wirtschaftsaktivitäten. Sie selbst ha- ben sich – wie wir – an anderer Stelle mit Vehemenz für regionale oder arbeitsteilige Netzwerke selbstständiger Unternehmen eingesetzt. Ich erinnere nur an das Engage- ment für die Förderung von Netzwerkmanagement Ost – bekannter als NEMO. Oder an Förderkulissen wie Inno- regio, Innonet oder industrielle Gemeinschaftsforschung. Solche aus unserer Sicht zukunftsträchtige Formen von Netzwerken ignorieren Sie nun völlig. Gewiss kann Franchising ein Einstieg in Selbstständig- keit sein. Aber – je nach konkreter Ausgestaltung der Ver- träge, die man nicht alle über einen Kamm scheren soll – kann es durchaus eine für die Betroffenen hoch riskante Form der Scheinselbstständigkeit darstellen. Jener Schein- selbständigkeit, der aus arbeitsmarkt- wie sozialpoli- tischen Gründen zu Recht der Boden entzogen werden sollte. Dass Sie ausgerechnet Franchising, wo es bekannter- maßen nicht nur Knebelverträge gibt, als Keule gegen alle Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinselbständigkeit nutzen, das lässt tief blicken. Offensichtlich geht es Ihnen weniger um einen Aufschwung der Existenzgründer, son- dern vielmehr der Profite der Franchise-Geber, also der zumeist großen Unternehmen und insbesondere der „schwarzen Schafe“ unter denen. Sie beantragen darüber hinaus eine umfassende Studie zum Franchising. Die ist unseres Wissens mittlerweile be- reits in Auftrag gegeben. Auch die PDS ist auf das Ergeb- nis der international vergleichenden Untersuchung zu den Beschäftigungsperspektiven bei solchen Systemen ge- spannt. Möglicherweise lassen sich daraus tatsächlich ei- nige politische Handlungsempfehlungen ableiten. Aber eine einseitige Orientierung auf diese Form, ihre Adelung zur Basis der gesamten Selbstständigen-Kultur wird es mit uns gewiss nicht geben. Ihre Forderung nach Einbeziehung der „Kultur der Selbstständigkeit“ in Lehrpläne von Schule, Berufsbil- dung, Hochschule wird dagegen schon weitgehend prak- tiziert. Ich verweise nur auf „Gründerlehrstühle“ an Uni- versitäten, Unternehmenspraktika in der Sekundarstufe und dergleichen. Sie hat also weder Neuigkeitswert noch gibt es aus unserer Sicht noch weiter gehenden Hand- lungsbedarf. Aus all diesen Gründen kann die PDS diesen Entschließungsantrag nur ablehnen. Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatsekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Ich gehe davon aus, dass wir in der grundsätzlichen Zielrichtung überein- stimmen: Um die Dynamik des unternehmerischen Han- delns zu erhöhen, benötigen wir eine neue Kultur der Selbstständigkeit. Meine Damen und Herren von der Op- position, Sie werden anerkennen müssen, dass hier die Bundesregierung in den vergangen dreieinhalb Jahren ei- nige Erfolge vorzuweisen hat. Erstens. Wir machen jetzt Jugendliche schon in den Schulen und Universitäten mit unternehmerischen The- men vertraut. Sie dagegen untergraben mit Ihren Vor- schlägen den Föderalismus in Deutschland. Es steht uns laut Verfassung nicht zu, auf die Lehrpläne der Länder Einfluss zu nehmen, wie in Ihrem Entschließungsantrag gefordert. Die vom BMWi gestartete Initiative zur Errichtung von Existenzgründerlehrstühlen hat zur Entstehung von 42 Existenzgründerlehrstühlen geführt. Auf diese Weise wird den Studierenden bereits während ihres Studiums das Rüstzeug für eine spätere Selbstständigkeit mitgege- ben. Wir haben die Initiative „wvwv.gruendungskontakte. net“ gestartet. Dies ist ein virtueller Marktplatz zwischen Wirtschaft und Hochschulen. Wissensträger an Hoch- schulen können hier als potenzielle Existenzgründer ihre Ideen, Erfindungen und Projekte der Wirtschaft vorstel- len. Im Rahmen des Projekts JUNIOR lernen Schülerin- nen und Schüler ab der 9. Klasse durch die Gründung von Miniunternehmen die Praxis in der Wirtschaft ken- nen. Das Projekt läuft mittlerweile schon in zwölf Bun- desländern. Dass wir mit unserer Politik Erfolg haben Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23995 (C) (D) (A) (B) beweisen folgende Zahlen: Nach einer EU-Umfrage un- ter 16- bis 29-Jährigen hat jeder fünfte Jugendliche in Deutschland den Wunsch, sich selbstständig zu machen. Eine andere Umfrage unter Studierenden an europä- ischen Spitzenuniversitäten belegt, dass in Deutschland 16 Prozent der Absolventen nach dem Studium ein eige- nes Unternehmen gründen möchten und sich rund 10 Prozent vorstellen können, in einem Start-up-Unter- nehmen zu arbeiten. Damit liegt Deutschland, was den Wunsch nach Selbstständigkeit angeht, an vierter Stelle in Europa. Hier wollen wir natürlich noch weiterkom- men! Zweitens. Der wachsende Wettbewerbsdruck und die zunehmende Dynamik der technologischen Entwick- lung erfordern vom Mittelstand immer neue Wege, seine Leistungsfähigkeit unter anderem durch Koopera- tionen und Netzwerke zu stärken. Den Nutzen haben mittlerweile viele kleine und mittlere Unternehmen er- kannt. Angesichts der Vielfalt möglicher Kooperationsfor- men setzt die Bundesregierung an sehr unterschiedlichen Stellen des Wirtschaftsprozesses an. Wir wollen einerseits die Entstehung und andererseits die Nutzung vorhandener Netzwerke wie Franchising durch Existenzgründer för- dern. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf der För- derung von Netzwerken, die insbesondere Neugründun- gen und jungen Unternehmen Hilfestellung leisten. Hierzu zählen Schulungen, Informations- und Beratungs- leistungen für Gründerinnen und Gründer durch Indus- trie- und Handelskammern, die Deutsche Ausgleichsbank sowie die Euro Info Centres. Weiter fördert die Bundesregierung innovative Unter- nehmensgründungen aus Hochschulen und Forschungs- einrichtungen durch die Unterstützung regionaler Netz- werke im Rahmen des EXIST-Programms und die Vergabe von Mitteln aus dem Fonds zur Erleichterung von Exis- tenzgründungen aus Forschungseinrichtungen. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die Kultur der Selbstständigkeit in Deutschland weiter zu stärken, indem insbesondere Informations- und Know-how-Defizite bei Gründerinnen und Gründern abgebaut werden. Die Bundesregierung unterstützt kleine und mittlere Unternehmen aber auch durch umfangreiche Netzwerk- hilfen im Technologie- und Forschungsbereich. Eine zu- nehmende Rolle spielen dabei Forschungskooperationen und innovative Netzwerke, in die kleine und mittlere Un- ternehmen und auch Forschungseinrichtungen ihre Ideen und Kompetenzen einbringen. Durch die Erhöhung der Haushaltsansätze konnten wir neue Initiativen wie PRO INNO, die Förderung von inno- vativen Netzwerken, InnoNet, und das Initiativprogramm „Zukunftstechnologien für kleine und mittlere Unterneh- men“ starten. Meine Damen und Herren von der Opposition, hören Sie doch endlich auf, immer wieder zu behaupten, das Ge- setz zur Förderung von Selbstständigkeit verhindere Selbstständigkeit!. Das ist falsch! Mit den vorgenomme- nen Klarstellungen und Änderungen sowie der Ein- führung eines Voranfrageverfahrens zur Statusklärung sind die entstandenen Anlaufschwierigkeiten und Unsi- cherheiten beseitigt worden. Mein Fazit: Die Bundesregierung trägt durch ihre Maß- nahmen maßgeblich zur Dynamisierung des Gründungs- geschehens und zu einer Kultur der Selbstständigkeit bei. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung und der Ent- schließungsanträge: Gesamtwaldbericht (Tagesordnungspunkt 14) Heidemarie Wright (SPD): Zum Gesamtwaldbericht, vorgelegt im September 2001, haben die Koalitionsfrak- tionen, ebenso die Union, im Januar 2002 Entschließungs- anträge eingebracht, die zusammen mit dem Gesamtwald- bericht im März im federführenden Ausschuss beraten wurden. Für uns von den Koalitionsfraktionen waren die letzten Monate durchaus stark vom Thema Wald geprägt, stehen wir doch in der Vorbereitung des Nachfolgegipfels von Rio, vor Rio + 10, vor dem Weltgipfel für nachhaltige Ent- wicklung in Johannesburg. Es wäre gut, wenn Johannes- burg zum Synonym für einen „Waldgipfel“ würde. Den Forstpolitikern hier muss man nicht erklären, dass der Begriff der Nachhaltigkeit ein Begriff aus der Forst- wirtschaft ist. Es ist auch wahr: In der Forstwirtschaft hat man sich der Nachhaltigkeit verpflichtet. Sie wurde aber nicht durchgängig praktiziert. Auch in Deutschland musste zum Beispiel durch Kriegsschulden Wald in flächendeckender Weise abge- holzt werden. Aber auch kurzsichtiges Profitdenken hat immer wieder zu falscher Forstwirtschaft geführt. Mono- kulturen boten schädlichen Umwelteinflüssen, ob Stürmen oder Schädlingen, Raum und es kam zu großen Waldschä- den. Die ungebremste Mobilität und energetische Nutzung fossiler Brennstoffe wie Erdöl oder Erdgas führten zu ho- hen Umweltbelastungen, zu apokalyptischen Zuständen in Wäldern und zur Angst um das Waldsterben. Man hat sich besonnen. Das Waldsterben konnte ge- bremst werden. Hoch motivierte und hoch verantwortli- che Forstleute haben in weiten Teilen unseres Landes eine gute Forstwirtschaft begründet und ich bin sehr zuver- sichtlich, was die Zukunft betrifft. Deshalb will ich es wiederholt zum Ausdruck bringen: Deutsche Forstwirtschaft kann eine Vorbildfunktion in Europa und auf internationaler Ebene übernehmen. Ich will auch zum wiederholten Male sagen, dass ich es schade finde, dass die deutsche Forstwirtschaft in ihrer Verbandsstruktur diese Situation in Bezug auf die Forst- zertifizierung nicht erkannt und den internationalen Zer- tifizierungsprozess mitgestaltet hat. Wie auch immer, es gibt sie, die Zertifizierung. Es gibt FSC – mit hohen Anforderungen und international be- gründet. Es gibt PEFC – europäisch, länderweise verord- net und durchaus bemüht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223996 (C) (D) (A) (B) Ich hoffe, dass die Zertifizierung insgesamt der Fort- entwicklung der nachhaltigen Waldpolitik dient und dass die Nachhaltigkeit der Maßstab in der Forstpolitik ist. Nicht selten habe ich aber das Gefühl, dass man den Be- teiligten Nachhaltigkeit erst buchstabieren muss. Der Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem wird zu oft höchst unterschiedlich gewichtet. Es ist wahr, dass nicht kooperationsfähige Verbände sich als Bremser und Verhinderer einer über die Ökonomie hinausreichenden Nachhaltigkeit aufmanteln und gesellschaftliche Mitspra- che als etwas Unanständiges ansehen. Aber es ist eine Tatsache, dass wir nicht erst seit Rio eine über die deutschen Forsten hinausreichende Verant- wortung haben. Es ist auch eine Tatsache, dass wir diese Verantwortung gerade in der rot-grünen Regierung in be- sonderem Maße annehmen. Es waren immer gerade auch die deutschen Delegatio- nen, die bei den internationalen Umweltkongressen, zu- letzt bei der Vertragsstaatenkonferenz in Den Haag, die Vorreiterrolle für eine weit reichende und verantwortliche Politik übernommen haben. Wir wissen auch alle: Dies ist bitter notwendig. Denn die uns prägende Einsicht der ge- genseitigen Mitverantwortung ist weiß Gott nicht überall stark ausgeprägt. Es ist unsere Mitverantwortung, die letzten Urwälder der Welt zu schützen und zwar mit Di- plomatie, mit Druck, mit Geld. Die Tatsache, dass jährlich viele Millionen Hektar Wald zerstört werden, muss mehr bewirken als Bedauern und unverbindliche Beschlüsse. Das ITTO-Ziel – Internationale Tropenholzorganisa- tion –, nur noch Tropenholz aus nachhaltig bewirtschafte- ten Wäldern zu exportieren, wurde bisher nicht erreicht. Eine der Voraussetzungen hierfür ist auch die Zertifizie- rung und Kennzeichnung. Unser Ziel muss weiter sein, in Johannesburg ein Waldprotokoll zur Biodiversitätskonvention zu erreichen, um dadurch so rasch wie möglich einen global wirksamen Schutz der Wälder, insbesondere der Urwälder, zu bewir- ken. Waldpolitik ist mehr als Forst- und Umweltpolitik. Es ist die Politik für die Erhaltung des Gleichgewichts unse- rer Erde. Deshalb betone ich nochmals meinen Wunsch, dass der Weltgipfel in Johannesburg als „Waldgipfel“ für eine internationale Waldpolitik Wirkung erzielt. Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU/CSU):Der Gesamtwaldbericht befasst sich mit den tropischen Wäl- dern, den borealen Wäldern, den temperierten Wäldern und den Wäldern in Deutschland. Natürlich sind Zustand und Entwicklung zum Teil besorgniserregend. Ich möchte heute aber nicht über die weltweite Lage der Forstwirtschaft sprechen, sondern über die Wälder in Deutschland und deren Lage reden. Dieser Bericht ist von einem Ministerium erstellt worden, das erstmalig nicht mehr das Wort „Forsten“ in seiner Dienstbeschreibung trägt. Über die Lage und Entwicklung der Forst- und Holzwirtschaft 2001 aus dem Agrarbericht 2001folgende Zitate: „rund 36 Prozent der ausgewerteten Betriebe „er- zielen“ kein positives Betriebsergebnis“, „Geringere Er- löse wurden auch im forstlichen Betriebsteil erzielt“, „Der speziell für den forstlichen Betriebsteil fiktiv, das heißt unter Einbeziehung der kalkulatorisch hergeleiteten Kos- tenpositionen, errechnete Reinertrag ... hat sich im WJ 1999/2000 erheblich verschlechtert. Mit rund – 6 DM/ Hektar HB ist er wieder leicht negativ. Im dargestellten Reinertrag sind bereits Fördermittel in Form von Zu- schüssen und Zulagen bereits mit eingerechnet.“ Bei der Vorschau auf 2000 wird formuliert: „Es ist da- mit zu rechnen, dass sich die Ertragslage der Forstbetriebe im FW 2000 ... im Durchschnitt etwa verschlechtert.“ Daher hat auch zu Recht der Deutsche Forstwirtschafts- rat, der Zusammenschluss aller Besitzarten, das heißt auch 47 Prozent Privatwald und Treuhandwald, 34 Pro- zent Staatswald, und 19 Prozent Körperschaftswald, am 28. Mai 2002 beschlossen: Erstens. Eine weitere Verschlechterung der wirtschaft- lichen Rahmenbedingungen der Forstbetriebe, die aus den beständig steigenden gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald resultiert, ist aufzuhalten und auszugleichen. Zweitens. Die positiven Effekte der Wälder und Holz- verwendung zur Eindämmung der Klimaveränderung (Senken- und Substitutionseffekte) müssen intensiver un- tersucht, stärker berücksichtigt und der Öffentlichkeit in- tensiver vermittelt werden. Drittens. Die Forstwirtschaft ist als unverzichtbarer Partner für die nachhaltige Entwicklung zu berücksichti- gen. Übrigens habe ich bis heute nicht verstanden, warum der Wirtschaftszweig, der seit 200 Jahren nachhaltig wirt- schaftet, nicht im „Rat für nachhaltige Entwicklung“ zur Mitarbeit gebeten wurde. Viertens. Die Verwendung von Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft ist zu fördern. Im Bundesnaturschutz ist eine große Chance dadurch vertan worden, dass der Vertragsnaturschutz nicht vorran- gig eingeräumt wurde, denn der Wald mit seinen vielfäl- tigen Schutzfunktionen setzt eine vertrauensvolle Koope- ration zwischen Waldbesitzern und Waldinteressen und Naturschutzbelangen voraus. Nur im Zusammenwirken lassen sich auch schwierige Fragen lösen. Dazu gehört auch, dass die Frage der Ausgleichs- und Entschädigungsregelung immer noch nicht geklärt ist. Da die FFH-Richtlinie eine Kofinanzierung zwischen der EU und dem Mitgliedsland vorsieht, sind sowohl ein nationa- ler als auch ein europäischer Finanzierungstitel zu schaffen. Es muss daher auch geklärt werden, bevor eine endgültige Auswahl der Gebiete über die so genannten Biographi- schen Seminare stattfinden, wie und womit die mit der Ausweisung verbundenen Einschränkungen finanziert werden. Erstmalig beschäftigt sich der Waldbericht mit Zertifi- zierungssystemen. Hier lassen sich mit Ideologie und ein- seitiger Parteinahme für ein System sowohl der Fachmi- nisterin Frau Künast als auch des Umweltministers Trittin das Problem nicht lösen. Statt das Engagement der Waldbauern in Deutschland zu loben, setzt zum Beispiel der Umweltminister einseitig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23997 (C) (D) (A) (B) auf ein Label zur Zertifizierung von Holzprodukten. Da- mit verkannte er die Leistung Hunderttausender privater Forstbetriebe und auch tausender Kommunen und auch die große Mehrheit der Landesforsten, die seit Jahrhun- derten ihre Wälder nachhaltig bewirtschaften. In Deutschland sind inzwischen rund 5,7 Millionen Hektar – das sind 53 Prozent der gesamten Waldfläche nach PEFC – das Paneuropäische Wald Zertifizierungssys- tem – zertifiziert worden. Das von den beiden Ministern favorisierte System FSC zertifiziert in Deutschland rund 300 000 Hektar, das sind rund 3 Prozent. Auch die meisten Bundesländer – von Bayern über Ba- den-Württemberg, über Niedersachsen bis nach Mecklen- burg-Vorpommern – lassen ihre Forsten vom PEFC zerti- fizieren. Warum PEFC? Erstens. PEFC garantiert, dass der Eigentümer ein an- gemessenes Mitspracherecht bei der Gestaltung der Stan- dards besitzt. Zweitens. PEFC hat durch den kosteneffizienteren re- gionalen Ansatz erhebliche Vorteile. Angesichts der ange- spannten wirtschaftlichen Lage der deutschen Forstwirt- schaft sind die höheren Zertifizierungskosten des FSC nicht zumutbar. Drittens. PEFC ist maßgeschneidert für die kleinstruk- turierten Eigentums- und Betriebsverhältnisse in Europa. Es ist schwer zu vermitteln, dass Holz aus unseren Wäl- dern, die seit Generationen gewissenhaft und nachhaltig bewirtschaftet werden, und Holz aus tropischen Schnell- wuchsplantagen mit FSC-Siegel „in einen Topf gewor- fen“ werden. Viertens. PEFC hat Monopole verhindert. Umsetzung des Entschließungsantrages würde Monopolisierung durch staatliche Intervention bedeuten. Wettbewerb eröff- net den Waldbesitzern Handlungsoptionen und gibt bei- den Zertifizierungssystemen Verbesserungsimpulse. So bewertet in einer wissenschaftlichen Studie von Professor Thoroe zur Gleichwertigkeit des PEFC-Ansat- zes im Vergleich von PEFC und FSC. Auch die Bundesregierung begrüßt auf Seite 30 des Gesamtwaldberichtes die Annäherung der beiden Sys- teme. Sie bezieht sich dann aber auf eine einseitige Studie von FERN, in denen unter anderem Fälle aus Frankreich, der Taiga, Robin Wood und Greenpeace angesprochen werden. Wahrscheinlich haben hier unterschiedliche Re- ferenten der Ministerien unterschiedliche Meinungen im Waldbericht untergebracht. In der Vergangenheit hat es der Bundesregierung gut ge- tan, ihre neutrale und vermittelnde Rolle beizubehalten und die Entscheidung der Forstwirtschaft in seiner Gänze zu überlassen. Es können doch nicht nach jedem Regierungs- wechsel die Zertifizierungssysteme geändert werden. Die Realität der Entscheidungen zu den Zertifizierun- gen haben auch die Waldbesitzer selbst geschaffen, ich wiederhole: 53 Prozent zu 3 Prozent der Waldfläche. Zum SPD-Antrag zwei Bemerkungen: Ich halte es für nicht begründet, die Bundesforsten künftig nach FSC zu zertifizieren – zumal die meisten Landesforsten nach PEFC zertifiziert worden sind. Es spricht nichts dafür, in der Bundesstadt Bonn dem auch weltweit sehr viel kleineren Zertifizierungssystem FSC eine Liegenschaft für die Ansiedlung eines interna- tionalen Büros – etwa noch kostenlos? – zur Verfügung zu stellen. Der forstpolitische Rahmen in der Bundespolitik – muss, wenn er erfolgreich sein will, erstens, ideologiefrei sei, zweitens, die Waldbesitzer mitnehmen, denn der größte Anteil des Waldes befindet sich mit einer Fläche von wenigen Hektaren in privater Hand. Drittens. Die Bewirtschaftungsauflagen müssen die Akzeptanz der Waldbauern finden. Viertens. Ein gegen den Willen des Waldbesitzes auf- gebauter Naturschutz wird auf Dauer kontraproduktiv sein. Fünftens. Wir müssen der Bevölkerung unseres Landes verständlich machen, dass der gepflegte und gern be- suchte Wald über Generationen unterhalten und nur für Generationen erhalten werden kann, wenn diese Leistung auch finanziell von der Allgemeinheit mitgetragen wird. Sechstens. Die Schutz- und Erhaltungsfunktion des Waldes kann nur erhalten werden, wenn die Nutzfunktion die Mittel zum Erhalt der anderen Funktionen gibt. Siebtens. Der Wald ist nicht nur viel bedichtet und be- sungen worden, er ist auch mit dem nachgelagerten Be- reich ein wichtiger Wirtschaftsbereich. Allein über 800 000 Menschen finden hier ihre Arbeit. Achtens. Der Wald ist die grüne Lunge Deutschlands. Die Klimaschutzfunktion in der ganzen Welt und damit auch in Deutschland ist nicht hoch genug zu bewerten. „Der Wald gehört für Mensch und Umwelt zu den bedeu- tendsten Naturressourcen der Welt“, so heißt es im Ge- samtwaldbericht und daher ist er in seinen Funktionen Nutz, Schutz und Erholung zu erhalten und über zukünf- tige Generationen zu bewahren. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Die weltweite Zerstörung der Wälder schreitet in er- schreckendem Ausmaß fort. Allein in den letzten 10 Jah- ren wurden durchschnittlich rund 9 Millionen Hektar Wald pro Jahr, vor allem in den Tropen, abgeholzt. Aber auch in Teilen der gemäßigten und der borealen Zonen, beispielsweise in Russland und Nordamerika, stehen Kahlschläge und Abholzungen auf der Tagesordnung. Im Amazonasgebiet und in Indonesien werden bis zu 80 Pro- zent aller Bäume illegal abgeholzt. Wiederum 80 Prozent der Urwälder sind heute bereits zerstört. Nur 20 Prozent der noch existierenden befinden sich in zusammenhängenden Gebieten. Alle zwei Sekun- den verschwindet eine fußballfeldgroße Fläche Urwald; bezogen allein auf Indonesien entspricht dies 2,5 Fuß- ballfeldern pro Minute. Die Ursachen sind bekannt: Sichtbare Ursachen sind die Ausweitung von Verkehrswegen, Zersiedlung und Agrarflächen. Dahinter stehen die Strukturschwächen der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200223998 (C) (D) (A) (B) Entwicklungs- und Schwellenländer, fehlende Einsicht der größten Waldstaaten bis hin zu direkter und indirekter staatlicher Unterstützung oder gar Korruption. Die welt- wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tun ihr Übriges. Zwar gelangt nur ein geringer Teil des Tropenholzes nach Deutschland, das heißt weniger als 2 Prozent der weltweiten Importmengen. Dies kann und darf aber für uns kein Grund sein, uns zurückzulehnen. UNEP-Exekutivdirektor Klaus Töpfer bringt es auf den Punkt: „Für Firmen ist es billiger, einen Wald abzu- holzen als ihn umweltverträglich zu bewirtschaften.“ Der wahre Wert der Waldes muss sich deshalb im Holzpreis spiegeln. Es ist klar, dass wir keinen Zaun um die Wälder ziehen können und wollen. Holz ist ein guter, ein wertvoller Roh- stoff. Wir möchten die Möglichkeiten, die im Holz stecken, noch stärker nutzen. Mit der Einleitung der Ener- giewende und der verstärkten energetischem Nutzung von Holz ist hier ein Anfang gemacht. Bauen mit Holz ist ein zweiter Bereich, der – im wahrsten Sinne des Wortes – noch ausbaufähig ist. Es muss gelingen, Schutz und Nutzung der Wälder, so wie es die deutsche Forstwirtschaft zu großen Teilen be- reits leistet, auch weltweit unter einen Hut zu bringen. Was ist zu tun? Zunächst müssen wir den letzten ver- bliebenen Urwäldern bestmöglichen Schutz bieten. Nicht jeder Wald darf genutzt werden. Das gilt in Mitteleuropa so wie in anderen Regionen dieser Erde. Als Nächstes müssen wir endlich dazu kommen, den Handel mit illegal geschlagenem Holz wirksam zu bekämpfen. Schutzgebiete sind einzurichten und fachge- recht zu betreuen. Wälder, deren Bewirtschaftung vertret- bar erscheint, dürfen nur nachhaltig genutzt werden. Dies erfordert in vielen Staaten den Aufbau einer dauerhaft funktionsfähigen und verlässlichen Verwaltung sowie in- ternationale Vereinbarungen unter anderem über allseits anerkannte Umwelt- und Sozialstandards. Gerade weil gesetzliche Regelungen und internatio- nale Vereinbarungen nur sehr schwer und langfristig zu erreichen sind, setzen wir, wie im Agrar- und Lebensmit- telbereich, auf die Macht des Verbrauchers. Die Verbrau- cherinnen und Verbraucher sind mündig genug zu ent- scheiden, in welchem Maße sie zum Erhalt der Wälder auf dieser Welt beitragen wollen. Unsere Aufgabe ist es, für die nötige Transparenz und die nötigen Rahmenbedin- gungen auf dem Markt zu sorgen. Deshalb will ich auf das Thema Zertifizierung näher eingehen: In den letzten Monaten ist viel über das richtige Zerti- fizierungssystem gestritten worden. Wir haben klar Posi- tion bezogen für die anspruchsvolle, glaubwürdige, von den Verbrauchern akzeptierte Zertifizierung nach Krite- rien des Forest Stewardship Council, FSC. Im Vergleich zu anderen Zertifizierungssystemen liegt der Vorteil des FSC in seinem internationalen Ansatz und der weltweiten Vergleichbarkeit – womit es das einzige System ist, das auch dem Tropenwaldschutz dient –; wei- terhin in seiner Unabhängigkeit, den Verpflichtungen und dem Kontrollsystem. Und letztlich beweist auch der Markt, dass FSC die größte Akzeptanz bei den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern genießt. Nur der Ansatz von FSC vereinbart die Anforderungen von Ökologie und Wirtschaft mit den sozialen Anforderungen an die Forst- wirtschaft. Ich freue mich daher über die vom BMVEL unterstützte, erfolgreiche Ansiedlung des internationalen FSC-Büros nach Bonn. Wie die Erfahrung der letzten Tage erneut gezeigt hat, stehen wir in Sachen Verbraucheraufklärung und Pro- dukttransparenz erst am Anfang. Ähnlich den Anstren- gungen für das Biosiegel in der Landwirtschaft benötigen die Verbraucher verstärkt Informationen über eine glaub- würdige Zertifizierung von Holzprodukten. Ich bin darüber hinaus der Meinung, und so haben wir es in unserem Entschließungsantrag auch verankert, dass die Bundesforsten zukünftig nach FSC zertifiziert werden sollen. Dies erachte ich als eine wichtige Signalwirkung für Europa und auch für die internationale Ebene. Viele behaupten, der auf dem Ersten Deutschen Waldgipfel ver- einbarte „Gesellschaftliche Vertrag“ würde die Zertifizie- rung der Bundesforsten nach FSC ausschließen. Doch was bedeutet der „Gesellschaftliche Vertrag“ wirklich? Er ist eine Vereinbarung zum ausgleichenden Umgang der Zertifizierungssysteme als solcher und der diese Systeme jeweils vertretenden Verbände miteinander – eine Selbst- verständlichkeit also. Der Vertrag bindet keinen Waldei- gentümer in seiner Entscheidung für ein bestimmtes Zer- tifizierungssystem, den Staat so wenig wie Private. Wir wollen dem Tropenwaldschutz allen Rückhalt geben. Dies verlangt nach einem Zertifizierungssystem unter an- derem größtmöglicher Internationalität und Partizipation sowie wirksamster Kontrolle – auch für die Bundesfors- ten, denen hier die angesprochene Vorbildfunktion zu- kommt. Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde von der deut- schen Forstwirtschaft erarbeitet und ist auf dem besten Wege, sich zum Exportschlager zu entwickeln. Allerdings darf die Forstwirtschaft nicht auf alten, unbestreitbaren Er- folgen verharren. Auch ist unsere Form der Waldbewirt- schaftung nicht ohne weiteres auf andere Regionen zu übertragen. Vielmehr muss sie auch den neuen ökologi- schen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht wer- den und sich mit ihren Produkten deutlicher als in der Ver- gangenheit den Verbrauchern und ihren Fragen zuwenden. Diesen Weg wollen wir gehen und unterstützen. Ulrich Heinrich (FDP): Der Gesamtwaldbericht der Bundesregierung gibt ein verzerrtes und pauschales Bild des Waldzustandes wieder. Dies wird besonders deutlich in den widersprüchlichen Anträgen von der CDU/CSU ei- nerseits und der Koalitionsfraktionen andererseits. Heißt es bei den einen, dass sich der Zustand des Waldes stabi- lisiert hat, sagen die anderen, dass verschiedene Standorte sich bereits an der Grenze ihrer Belastbarkeit befinden. Dies beweist, was Wissenschaftler schon seit längerer Zeit bemängeln: Die Methoden zur Waldzustandserhe- bung entsprechen nicht den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie wurden seit Jahren nicht weiterent- wickelt und angepasst. Allein die Feststellung der Belau- bung bzw. Benadelung reicht eben nicht aus. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 23999 (C) (D) (A) (B) Die FDP fordert daher, endlich die forstliche Umwelt- kontrolle auf das Level II auszudehnen. Dazu gehören die Parameter phänologischer Daten, Untersuchungen von Waldboden und -vegetation, des Bodenwassers-, und der Witterung. Es ist unabdingbar, dass der 15 Jahre alte Bo- denzustandsbericht wiederholt wird. Nur so kann ein dif- ferenzierter Waldzustandsbericht entstehen. Erst dadurch können wirksame und auf die unterschiedlichen Verhält- nisse abgestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Eins ist jedoch völlig klar: Nur ein nachhaltig bewirt- schafteter Wald, der von Waldbesitzern und Waldpflegern gehegt und gepflegt wird, kann die vielfältigen Funktio- nen für die Gesellschaft erfüllen. Deshalb muss das Prin- zip der nachhaltigen Nutzung, welches in der forstwirt- schaftlichen Literatur bereits vor mehr als 200 Jahren das erste Mal schriftlich fixiert wurde, weiterhin der bindende Leitgedanke bleiben. Dazu müssen in besonderer Weise die Belange der rund 1 Million privaten Waldbesitzer und mittelständischen Unternehmen in der Holzwirtschaft berücksichtigt werden. Die FDP fordert aus diesem Grund die Verbesserung der Rahmenbedingungen für diesen Wirtschaftszweig. Besonders die Belastungen, die von der rot-grünen Bundesregierung den Waldbesitzern im Naturschutz abverlangt werden, müssen auf ein erträgli- ches Maß zurückgeschraubt werden. Die massiven Ei- gentumsbeschränkungen, die hier vorgenommen worden sind, gehen weit über die Sozialpflichtigkeit des Eigen- tums hinaus. Die FDP setzt sich seit Jahren für die breite Etablierung des Rohstoffes Holz als Roh-, Bau- und Energiestoff ein. Die Verwendung dieses nachwachsenden Rohstoffes kann fossile Rohstoffe ersetzen und breite innovative Ein- satzmöglichkeiten eröffnen. Dies vermindert die C02-Pro-blematik, entlastet die Abfallwirtschaft, verbessert die Er- tragslage der Forstwirtschaft und fördert die notwendige Waldpflege. Ein wichtiges forstpolitisches Instrument für die verstärkte Schaffung naturnaher Wälder ist die Zerti- fizierupg von Forstbetrieben. Diese muss jedoch frei von jeglicher staatlicher Einflußnahme bleiben. Die FDP ist der Auffassung, dass wir eine klare und verständliche, zwischen Bund und Ländern abgestimmte Forstpolitik brauchen, die im Sinne der Agenda 21 ökolo- gische, ökonomische und soziale Aspekte berücksichtigt und allen Bürgern zugute kommt. Eva Bulling-Schröter (PDS): Ich möchte mich in der kurzen Redezeit auf einen aktuellen internationalen Aspekt beschränken. Über die Tatsache, dass die deutsche WestLB ihr 900-Millionen-US-Dollar-Engagement als federführende Bank für die Finanzierung einer Erdölleitung durch den Dschungel im Oriente Ecuadors nicht aufgeben will, habe ich schon vor drei Wochen gesprochen. Sie erinnern sich: Die Trasse und der durch sie ausgelöste Ölboom in den letzten Amazonaswäldern Ecuadors wird zu irreparablen Umweltschäden in einzigartigen Ökosystemen führen. Betroffen sind zudem die Lebensräume vieler indigener Völker. Schon die alte Leitung, die zum Teil in das Projekt in- tegriert werden soll, hat ihre Spuren hinterlassen: Bei rund 40 Unfällen traten insgesamt 70 Millionen Liter Öl aus. Und die neue Leitung wird sechs aktive Vulkane und 94 seismische Bruchstellen überwinden müssen – was da zu erwarten ist, kann man sich denken. Umweltschützer warnen weiterhin vor den Zerstörun- gen, die die Leitung im ecuadorianischen Amazonas-Ge- biet anrichten könnte. Die alte und die neue Pipeline sollen insgesamt bis zu 920 000 Barrel täglich durch den Dschun- gel transportieren. Solche Fördermengen machen Produk- tionssteigerungen nötig, die wiederum neue Bohrstellen, Straßen, Auffangstationen und Ölseen nach sich ziehen. Somit werden in die ohnehin geschundene Amazonasre- gion immer mehr Schneisen geschlagen, die die zusam- menhängenden Waldbestände auseinanderreißen. In solchen Fällen wird nicht selten argumentiert: Ja, sicherlich gibt es Umweltauswirkungen, aber mit den Ein- nahmen aus dem Ölgeschäft könnten ja Entwicklungs- programme, Bildung und Gesundheitswesen finanziert werden. Seit letzter Woche wissen wir es besser: Der In- ternationale Währungsfonds macht die Zustimmung für ein weiteres Darlehen zur Förderung der umstrittenen Leitung von der Bereitschaft Ecuadors abhängig, die künftigen Exporterlöse ausschließlich für den Schulden- dienst auszugeben. Die Regierung in Quito soll deshalb ein Gesetz aus dem letzten Monat modifizieren, das 10 Prozent der Einnahmen für Gesundheits- und Bil- dungsprojekte vorsieht. Nicht einmal zehn Prozent für die eigene Entwicklung des armen Landes – das ist ein Skandal! So sieht IWF- und Weltherrschaftspolitik aus. Weltweit die Ressourcenaus- plünderung und Umweltzerstörung zugunsten der Indus- trieländer organisieren und mit der Schuldenschraube nationale Entwicklung verhindern. Wenn die WestLB an diesem Projekt trotzdem weiter- hin hängt, dann macht sich die öffentlich-rechtliche Bank- gruppe schuldig. Schuldig macht sich, genauer gesagt, die rot-grüne Landsregierung in NRW, denn das Bundesland hält mit 43,2 Prozent den größten Anteil an der WestLB. Nicht zu vergessen: Auch verschiedene Sparkassen- und Giroverbände des Landes sitzen mit im Boot. Sie haben die anderen Anteile gezeichnet. Ich erwarte von SPD und Grünen, dass sie hier im Bun- destag bei solchen Debatten nicht nur Prosa sprechen, sondern sich vor Ort konkret verhalten. Und das kann in diesem Fall nur heißen: keine Kredite für diese Pipeline! Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft:Die Bundesregierung wirkt sowohl inter- national wie auch national an der Gestaltung der waldpo- litischen Rahmenbedingungen aktiv mit. In der Ministererklärung des Waldforums der Verein- ten Nationen – UNFF – vom März dieses Jahres ver- pflichten sich die für Wald verantwortlichen Minister, die weltweit laufende Waldzerstörung zu stoppen. Mit der Verabschiedung eines erweiterten Arbeitsprogramms zur biologischen Vielfalt in Wäldern im April dieses Jahres hat auch das Übereinkommen zur biologischen Vielfalt – CBD – dazu beigetragen, dass ein weiterer Schritt zur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224000 (C) (D) (A) (B) Walderhaltung getan wurde. Es kommt nun in allen Be- reichen auf eine effektive Umsetzung an. Welches sind die konkreten Maßnahmen der Bundesregierung? Das betrifft insbesondere die Unterstützung des VN-Waldforums – unter anderem 100 000 Euro pro Jahr aus dem Agrar- haushalt für das UNFF-Sekretariat. Entsprechende Pro- jekte der EZ – 130 000 Euro pro Jahr – werden finanziert sowie zusätzliche Mittel für bilaterale FAO-Fonds bereit- gestellt. Uns kommt es dabei besonders darauf an, den Zu- sammenhang zwischen Ernährungssicherung und Wald- zerstörung deutlich zu machen. Es werden konkrete Initiativen zur Walderhaltung anlässlich des anstehenden Johannesburg-Gipfels ergriffen, allen voran eine neue Waldinitiative für das Kongobecken in Afrika als eines der größten, aber auch gefährdetsten Waldgebiete der Erde. Auch Konsumentenländer müssen Verantwortung übernehmen. Wir setzen uns daher für Folgendes ein: Erstens für Maßnahmen gegen den Handel und die Ein- fuhr illegal eingeschlagener Hölzer; Das betrifft in Deutschland die Einfuhrkontrollen – soweit dies wegen der Nachweisbarkeit möglich ist – sowie die freiwillige Selbstverpflichtung der Holzimporteure. International geht es um effektivere Forstkontrollen vor Ort sowie For- schungs- und Entwicklungsvorhaben zum chemischen und genetischen „fingerprint“ für Hölzer. Zweitens. Wir setzen uns auch für internationale Zerti- fizierungsansätze nachhaltiger Waldbewirtschaftung – die Förderung der Ansiedlung des FSC in Bonn – ein. Dazu zählt auch die Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung von Erzeugnissen aus nachhaltiges Produktion. Drittens. Wir setzten uns ebenfalls für ökologische und soziale Standards in der Agrarproduktion bei der WTO ein, damit der Wald nicht geschädigt wird, zum Beispiel der Erzeugung von Soja, Palmöl, Kaffee etc. Viertens. Schließlich geht es um die Bewusstseinsbil- dung in der Bevölkerung – Stichwort: Stärkung des Ver- braucherschutzes. Welches sind die Schwerpunkte in der nationalen Forstpolitik? In Zusammenarbeit mit den Ländern fördern wir verstärkt die naturnahe Waldbewirtschaftung, zum Beispiel in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Bei der künftigen Ausrichtung der Gemeinschaftsaufgabe und im Zuge der Halbzeitbewertung der Agenda 2000 werden wir weitere konkrete Vorschläge vorlegen. Auch mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes haben wir dieses Ziel natur- schutzrechtlich verankert. Allerdings darf die Leistungs- fähigkeit der forstwirtschaftlichen Betriebe dadurch nicht gefährdet werden. Auch in Zukunft brauchen wir unseren wertvollen heimischen Rohstoff Holz. Die Luftreinhaltepolitik wird konsequent fortgesetzt. Um Dialog und Zusammenarbeit mit den gesellschaftli- chen Gruppen zu fördern, bieten wir mit dem „Nationalen Forstprogramm für Deutschland“ eine moderne Plattform nach internationalen Vorgaben. Mit diesem Dialogforum sind wir Vorreiter in Europa auf diesem Gebiet. Schließlich haben wir das Thema Wälder auch in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankert, um die Beziehungen zu anderen Politikbereichen zu stärken. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig stärken (Tagesordnungspunkt 15) Annette Faße (SPD): Wir wollen die Entwicklung der ländlichen Räume unterstützen, indem wir den Landtou- rismus und den Urlaub auf dem Bauernhof fördern. Wir halten das für wichtig, ja für absolut notwendig, weil der Bauernhof- und Landtourismus Arbeitsplätze und Ein- kommen in- und außerhalb der Landwirtschaft sichert und schafft. Besonders in Zeiten des Strukturwandels in der Agrar- landschaft und vor dem Hintergrund der Nitrofen- und BSE-Krise ist dieses zusätzliche Einkommen für viele Landwirte notwendig. Auf der anderen Seite hilft der Bauernhoftourismus, ein Stück des verloren gegangenen Vertrauens des Verbrauchers in die Landwirtschaft zu- rückzugewinnen. Kindern wird die Erzeugung von Le- bensmitteln nahe gebracht, der Umgang mit der Natur er- möglicht. Seit 1986 zeigt diese Sparte einen anhaltend positiven Trend. Die Zahl der Übernachtungen ist in den letzten zehn Jahren im Landtourismus von 12 auf 27 Millionen gestiegen. Im Jahr 1999 wurden mit dem Bauernhof- und Landurlaub 972 Millionen DM erwirtschaftet. Hier ruht ein großes Potenzial, das wir mobilisieren können und wollen. Damit können wir der drohenden Landflucht in strukturschwachen Räumen entgegenwirken und intakte bäuerliche Landwirtschaft als Grundlage attraktiver Er- holungslandschaften stärken. Wir sehen dies als Teil unserer Neuausrichtung in der Agrarpolitik, in der die Er- haltung von Natur und Landschaft einen höheren Stellen- wert bekommt. Was können wir konkret tun, um dem Tourismus auf dem Land eine Chance zu geben? „Urlaub auf dem Bau- ernhof“ wird vom Bundesministerium für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft und im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruk- tur und des Küstenschutzes“ gefördert. Jährlich werden rund 260 Millionen DM Bundes- und Landesmittel unter anderem für Maßnahmen der Infrastrukturverbesserung, des Erhalts ortsprägender Bausubstanz und für Umnut- zungsinvestitionen eingesetzt. Damit sollen letztendlich die Dörfer touristisch attraktiver werden. Wir wollen, dass hierfür weiterhin ausreichende finanzielle Mittel zur Ver- fügung gestellt werden. Wir wissen aus dem Tourismuspolitischen Bericht 2000, dass das Interesse an dieser Urlaubsform größer ist als die derzeitige Nachfrage. Die Ursache hierfür liegt zum einen an einem fehlenden einheitlichen Marketingauftritt der Anbieter von Landurlaub und zum anderen an nicht vor- handenen speziell zugeschnittenen Angeboten. Wir sind daher überzeugt, dass ein Beitritt der Anbieter von Land- urlaub zur Umweltdachmarke „Viabono – Reisen natür- lich genießen“ ihr Marketing verbessern würde. Studien Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24001 (C) (D) (A) (B) über das Verbraucherverhalten und die Verbrauchererwar- tungen in Bezug auf Tourismus im ländlichen Raum sol- len als Grundlage für die Entwicklung neuer touristischer Angebote dienen. Diese Angebote sollen zielgruppenspe- zifisch sein, zum Beispiel spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche, für Menschen mit Behinderung oder für Urlaub auf Biohöfen. Wir empfehlen auch, in Modellpro- jekten die Zusammenführung von Internetangeboten für diese Urlaubsform zu starten. Grundlage hierfür muss allerdings zunächst eine um- fassende und aussagekräftige Datengrundlage sein. Sie er- möglicht es den Anbietern, Entwicklungen und Trends zu erkennen, ihr Angebot auf die Nachfrage auszurichten und gezielt auf die Wünsche der Touristen zu reagieren. Bisher fehlt eine einheitliche Datenerfassung. Wir fordern daher, dass die Daten der Übernachtungen im Rahmen des Ur- laubs auf dem Bauernhof detailliert und so vollständig wie möglich erfasst werden. In den Bereich der Werbeaktivitäten fällt auch die Prü- fung eines bundesweit einheitlichen Werbe- und Hinweis- schildes für den Bauernhof- und Landtourismus. Nur so können Touristen die – oft abseits gelegenen – „Heuho- tels“, „Hofcafes“ und „Bed & Box“-Angebote überhaupt finden. Außerdem wollen wir die Direktvermarktung von regionalen Produkten unterstützen und den Produzenten neben dem Verkauf auf den Hofstellen und Wochenmärk- ten weitere Absatzmöglichkeiten eröffnen. Wir haben zu unserem Antrag noch einen Änderungs- antrag betreffend die Umnutzung leer stehender landwirt- schaftlicher Gebäude eingebracht. Wir wollen, dass in Ge- sprächen mit den Ländern dafür gesorgt wird, dass über die Möglichkeiten der bauplanungsrechtlichen Zulassung von „Ferien auf dem Bauernhof“ umfassend informiert wird. Ferienwohnungen auf dem Bauernhof können bereits als mitgezogene Nutzungen im Rahmen der Privilegierungen für landwirtschaftliche Gebäude nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB eingerichtet werden. Ihre Zahl ist nicht begrenzt, sondern abhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung im Verhältnis zur Hauptnutzung; die mitgezogene Nut- zung muss von untergeordneter Bedeutung sein. Je um- fangreicher der landwirtschaftliche Betrieb, desto mehr nicht landwirtschaftliche Nutzungen sind möglich. Für Fe- rienwohnungen muss aber sichergestellt werden, dass diese nicht in einen Dauerwohnsitz umgenutzt werden. Eine entsprechende Gesetzesänderung, wie sie der Oppo- sitionsantrag vorsieht, halten wir nach einer bereits vorge- nommen Prüfung nicht mehr für notwendig. Wir wollen im Rahmen eines zweijährigen bundeswei- ten Wettbewerbs „fahrradfreundlich in Stadt und Land“ die Potenziale des Fahrradtourismus im ländlichen Raum durch Schaffung attraktiver Radverkehrsnetze weiter ent- wickeln, dazu haben wir bereits einen Antrag „Fahr Rad – für ein fahrradfreundliches Deutschland“ eingebracht. In- dem wir über die Gremien des länderübergreifenden In- landsmarketings die Zusammenarbeit von Tourismus- verbänden, Bauernverbänden und Naturschutzverbänden verbessern, können wir den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig stärken. „Urlaub auf dem Bauernhof“ und „Landurlaub“ bilden bereits jetzt ein wichtiges Segment im Deutschlandtouris- mus. Unsere ländlichen Räume haben die Möglichkeit, sich mit ihrer Vielfalt darzustellen. Kulturtourismus gehört unter anderem genauso dazu wie Wassertourismus, wie unsere Naturschutzparke, wie Reiterurlaub, regionale Küche und die Vielzahl der Feste. Vielfalt der Landschaft genießen – dies kann man in Deutschland beim Urlaub in ländlichen Räumen. Unsere ländlichen Räume sind le- benswert für Gastgeber und für große und kleine Gäste. Birgit Roth (Speyer) (SPD): Unser Verständnis von Tourismus hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Die Tourismusbranche ist in Deutschland kon- tinuierlich und nachhaltig zu einem bedeutenden Wirt- schaftsfaktor geworden. Der Anteil von mittlerweile rund 8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt zeigt, welches Poten- zial in diesem modernen Handels- und Dienstleistungsbe- reich noch schlummert. Die Zahl der Beschäftigten beläuft sich mittlerweile bundesweit auf circa 2,8 Millionen Personen. Gestatten Sie mir als Pfälzerin ein Beispiel aus meiner Heimat: Keine andere Branche in Rheinland-Pfalz schafft mehr Arbeitsplätze als der Dienstleistungssektor Tourismus mit circa 120 000 Stellen – insbesondere im ländlichen Raum. Die mittelständisch geprägten Betriebe sind sich ihrer Verantwortung in der Ausbildung junger Menschen be- wusst, die Zahl der Ausbildungsverhältnisse summiert sich bundesweit auf circa 110 000 Stellen. Der Tourismus gewinnt damit gerade für den länd- lichen Raum sichtbar an Bedeutung: als Einkommenser- gänzung und -alternative für die Landwirtschaft; als Beschäftigungsfaktor; als kulturelle und soziale Kompo- nente zum Erhalt der dörflichen Strukturen. Umgekehrt ist der Erhalt unserer Kulturlandschaften und eines traditionsbewussten Landlebens eine ganz wichtige Voraussetzung für die touristische Attraktivität Deutschlands. 27 Millionen Übernachtungen durch Urlaub auf dem Bauernhof – das ist ein beachtlicher Wirt- schaftsfaktor. Der Landtourismus umfasst jedoch noch mehr. Rund 12 Prozent der amtlich registrierten Gäste- übernachtungen in Deutschland entfielen im Jahr 2000 auf kleine Gemeinden bis 2 000 Einwohner. Nimmt man die Gemeinden bis 5 000 Einwohner hinzu, waren es fast 30 Prozent der Übernachtungen. Und dabei sind die für diesen Bereich typischen Übernachtungen in nicht ge- werblichen Privatzimmern und Ferienwohnungen noch gar nicht mitgezählt. Die kleinen Gemeinden haben im Jahr 2000 nach den Großstädten – mit mehr als 100 000 Ein- wohnern – mit Plus 6,3 Prozent den größten Übernach- tungszuwachs erzielt. Das plus aus dem Ausland betrug sogar 10,3 Prozent. Diese Daten waren für uns Grund genug, uns verstärkt um den Tourismus im ländlichen Raum zu kümmern. Wir fördern den Tourismus im ländlichen Raum im umfassen- den Sinn. So profitieren die Anbieter von „Urlaub auf dem Lande“ von der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur ebenso wie von der Gemeinschaftsauf- gabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- tur: Betriebliche Investitionen für Freizeit und Erholung in gewerblichen Nebenbetrieben der Landwirtschaft kön- nen jetzt bis zu 25 Betten – statt bisher 15 – gefördert wer- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224002 (C) (D) (A) (B) den, das heißt Landurlaub und Direktvermarktung bilden vielerorts eine nützliche Partnerschaft. Als stellvertretende Sprecherin möchte ich für all die Aktionen, Fördermaßnahmen und Projekte stellvertretend auf das „Jahr des Tourismus 2001“ verweisen. Das Akti- onsjahr war ein großer Erfolg für den Deutschlandtouris- mus. Es wurde auf Initiative des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages ausgerufen und durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ge- meinsam mit den Ländern sowie den Verbänden und Tou- rismusunternehmen entwickelt und realisiert. Im Mittel- punkt stand dabei eine medien- und kundenwirksame Imagekampagne für Deutschland als Reise- und Urlaubs- land, mit dem Ziel die Faszination des eigenen Landes als Urlaubsdestination in den Vordergrund zu stellen. Mit dem „Jahr des Tourismus“ und einem Tourismusförder- programm haben wir dem Deutschlandtourismus neue Impulse verliehen. Mit Modellprojekten zum Qualitätsmanagement im Tourismus und zur gemeinsamen Vermarktungsplattform für Nationalparke haben wir Akzente gesetzt. Wir haben die Haushaltsmittel der DZT – Deutsche Zentrale für Tou- rismus – jedes Jahr weiter angehoben – von seinerzeit 36,7 Millionen DM – 18,8 Millionen Euro – 1998 auf nun- mehr 22,5 Millionen Euro. Das entspricht einer Steige- rung von 20 Prozent in 4 Jahren. Wir haben eine Umwelt- dachmarke im Tourismus, Viabono, etabliert und dem Entwurf einer Nachhaltigkeitsstrategie eine konkrete Per- spektive gegeben. Unter dem Motto „Lust auf Natur“ wird diese gerade im Jahr des Ökotourismus noch verstärkt. So besteht zum Beispiel eine enge Kooperation mit der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und der Bundes- arbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Lande: Seit 1998 werden Urlaubsangebote gemeinsam vermarktet; seit 1999 auch über die DZT-Website im Internet unter dem Schwerpunkt „Natur und Landschaft“. In Verbindung zum Internationalen „Jahr des Ökotourismus“ gestaltete die DZT eine Angebotsbroschüre unter dem Motto „Lust auf Natur“. Die Direktvermarktung wurde im Jahr 2000 mit rund 11 Millionen DM gefördert, unter anderem wurde ein Internetportal www.gutes-vom-Bauernhof.de eröffnet. Tourismus auf dem Lande ist ein Zukunftsmarkt, der Mo- dernität verlangt. Das betrifft insbesondere die Nutzung der elektronischen Medien. Ein Drittel der Anfragen kom- men heute bereits über das Internet. Seit der durch die letzte Bundesregierung verursachten Kurortkrise gibt es Bemühungen um neue Entwicklungs- perspektiven für die Kurorte und Heilbäder. „Wellness“ heißt das Zauberwort, mit dem neue Kundenkreise auch für den ländlichen Raum gewonnen werden sollen. Ein „Praxisleitfaden Wellness“, den das BMWi fördert, soll den Anbietern dazu Handreichungen liefern und Hilfe zur Selbsthilfe leisten. An dieser Stelle möchte ich unseren Wirtschaftsminister Dr. Werner Müller erwähnen, der sich außerordentlich für die Tourismusbranche eingesetzt hat, nicht zuletzt bei der geplanten Abschaffung der Trink- geldbesteuerung. Die Stärkung der Tourismusentwicklung im ländlichen Raum braucht Kreativität und vernetztes Denken über Verwaltungs- und Ressortgrenzen hinaus. Mit unserem Antrag wollen wir diesen Weg fortsetzen, im Sinne einer nachhaltigen Tourismuspolitik. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Unter den Fraktio- nen des Deutschen Bundestages herrscht große Überein- stimmung, dass der Tourismus im ländlichen Raum der Stärkung bedarf: Einerseits weil wir bislang aus diesem Spektrum des touristischen Angebots in Deutschland noch zu wenig machen, andererseits aber auch deswegen, weil der Tourismus für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland eine zusätzliche Einkommensquelle dar- stellen kann, die es zu nutzen gilt. Wenn uns dennoch heute kein gemeinsamer Antrag zur Beratung vorliegt, was ich bedaure, dann hat dies einen einzigen Grund. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie sind nicht bereit – auch nicht in der überarbeiteten Version Ihres An- trags –, den Tatsachen in der deutschen Landwirtschaft ins Auge zu sehen. Man kann doch, wenn man sich darüber unterhalten will, dass Landwirte vermehrt in den Touris- mus einsteigen sollen, nicht die gegenwärtige wirtschaft- liche Situation der Landwirte völlig ausblenden. Sie sagen in Ihrem Antrag etwas zur Direktvermarktung; das ist okay. Aber Sie müssen doch ein Wort darüber verlieren, aus welchen Quellen der Landwirt heute in erster Linie sein Einkommen erzielen soll. Direktvermarktung ist ge- nauso wenig bei jedem Landwirt möglich, wie jeder Landwirt in der Lage wäre, ein Einkommen aus der Er- zeugung erneuerbarer Energien zu erzielen. Das sind zu- sätzliche Möglichkeiten. Woher soll aber derjenige, der aus der landwirtschaft- lichen Produktion per se keinen oder zu wenig Profit zieht, dann die finanziellen Möglichkeiten schöpfen, um die notwendigen Investitionen im Tourismus zu tätigen? Oder wollen sie überschuldeten oder Betrieben mit gerin- gen Eigenkapitaldecken – und das dürfte gerade in der Landwirtschaft für die meisten Höfe zutreffen – tatsäch- lich zumuten, dass sie ihre touristischen Investitionen zu 100 Prozent fremdfinanzieren? Dazu findet sich in ihrem Antrag kein Wort. Dafür enthält er die Forderung, den Bauernhof und Landtourismus als eigenständigen Schwerpunkt in den Agrarbericht aufzunehmen. Das aber ist für die Weiterentwicklung von Urlaub auf dem Bau- ernhof so bedeutend, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Die erste Forderung Ihres Katalogs, der ansonsten eine ganze Reihe begrüßenswerter Ansätze enthält, muss in den Ohren vieler Landwirte fast schon zynisch klingen. Die Bundesregierung soll die ländlichen Räume, so heißt es da wörtlich, „auch weiterhin durch die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel“ fördern. Ich lade Sie herzlich ein: Sehen sie sich anhand der Betriebsspiegel eines kleineren oder mittleren Betriebs im Hochschwarz- wald mal schwarz auf weiß an, was ihre „ausreichenden finanziellen Mittel“ dort angerichtet haben! Und wenn sie dann hingehen und dem gleichen Landwirt empfehlen, er möge doch in den Tourismus investieren, dann wird die- ser Landwirt das Gespräch vermutlich rasch beenden – wenn er nicht zu drastischeren Maßnahmen greift. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24003 (C) (D) (A) (B) Sie müssen sich zum Thema „zweite Säule der Agrar- politik“ einmal ein Konzept einfallen lassen, das die Landwirte für das entschädigt, was sie landschaftspflege- risch und damit auch als Voraussetzung für die touristi- sche Vermarktung unserer Urlaubsregionen tun. Dann können wir uns anschließend auch über die Weiterent- wicklung des Tourismus im ländlichen Raum, über Ur- laub auf dem Bauernhof und Landurlaub unterhalten. Aber nur so herum wird ein Schuh daraus. Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realitäten. Und Ihr Antrag geht leider an den Realitäten vorbei. Deswegen wird ihn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ablehnen. Ernst Hinsken (CDU/CSU): Urlaub auf dem Bauern- hof ist ein weiterer Baustein bei den vielfältigen Angebo- ten des Tourismusstandortes Deutschland. Für viele Land- wirte ist dieses touristische Angebot eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle. Der Koalitionsantrag, über den wir heute abstimmen, greift jedoch viel zu kurz. Es wurde die Chance vertan, eine grundsätzliche Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft vorzunehmen. Entspre- chende CDU/CSU-Forderungen hat die Regierungskoali- tion abgewiesen. Hier wird immer wieder vergessen, dass es ohne Bauern und intakte bäuerliche Betriebe auch keine Grundlage gibt, Urlaub auf dem Bauernhof über- haupt anbieten zu können. Eine stärkere Förderung von Urlaub auf dem Bauerhof brauchen wir aber auch deshalb, um der drohenden Landflucht in strukturschwachen Räu- men entgegenzuwirken und eine intakte bäuerliche Land- wirtschaft als Grundlage attraktiver Erholungslandschaf- ten insbesondere für unsere Städter zu erhalten. Den nun vorliegenden Antrag hat Rot-Grün immer wieder geändert, ohne dass eine klare Linie sichtbar wird. Dort, wo man wirklich etwas für den Urlaub auf dem Bau- ernhof hätte tun können, ist viel zu wenig geschehen. Nur von politischer Rhetorik können aber die Landwirte nicht leben. Es ist keine Förderung des Tourismus in unseren länd- lichen Regionen, wenn die Regierungskoalition die CDU/CSU-Forderung ablehnt, die Gemeinschaftsauf- gabe Agrarstruktur und Küstenschutz wieder auf die ein- zelbetriebliche Investitionsförderung und Marktstruktur- verbesserung zu konzentrieren sowie gezielt Investitionen in die touristische Infrastruktur im ländlichen Raum zu unterstützen. Eine derartige Politik unterstreicht ein wei- teres Mal die Mittelstands- und Bauernfeindlichkeit der Regierungskoalition. Nicht nachvollziehbar ist auch die Zurückweisung un- seres Vorschlages, einen bundesweiten Wettbewerb „Ur- laub auf dem Bauernhof“ durchzuführen. Dabei hätten beispielhafte Ideen aus dem gesamten Bundesgebiet zu- sammengetragen und das öffentliche Bewusstsein für die- ses besonders familienfreundliche Segment des Deutsch- landtourismus erhöht werden können. Auch ein weiteres Detail rot-grüner Tourismuspolitik verdient noch Erwähnung: Warum wurde eigentlich nicht die diesjährige Grüne Woche im Internationalen Jahr des Ökotourismus genutzt, um für Urlaub auf dem Bauernhof die Werbetrommel zu rühren? Nun ist das nächste Jahr vorgesehen. Hat man hier geschlafen oder soll alles sys- tematisch verschleppt und verzögert werden? CDU und CSU haben ab dem 22. September 2002 viel nachzuholen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen fehlen Mut, Fantasie und Gestaltungskraft. Stattdessen werden Lippenbekennt- nisse abgegeben, die der Branche kaum helfen. Deshalb wird sich die Union weiterhin dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen für Urlaub auf dem Bauernhof in Deutschland auch wirklich nachhaltig verbessert werden. Nur so lässt sich das riesige Potenzial auf diesem touristi- schen Gebiet voll entwickeln. Schließlich wollen nach jüngsten Umfragen 12 Prozent der Deutschen Urlaub auf dem Bauernhof machen. Zurzeit sind dies aber leider nur 4 Prozent. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dank kürzlich veröffentlichter Zahlen des Statistischen Bun- desamtes können wir schwarz auf weiß nachvollziehen, wo deutsche Touristen besonders gern urlauben. Und siehe da: Die ländlichen Regionen sind es, zu denen sich deutsche Touristen stärker hingezogen fühlen – und damit stärker als in so manche Großstadt, denen ich damit kei- nesfalls ihre Anziehungskraft absprechen möchte. Doch bleiben wir bei der Vorliebe der Deutschen für den ländli- chen Raum, den wir mit einem individuellen Antrag berücksichtigen, stärken und noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen: Das Potenzial in diesem Bereich – dessen sind wir uns sicher – ist noch nicht ausgeschöpft. Die in diesem Be- reich ohnehin schon beeindruckenden Übernachtungs- zahlen – 27 Millionen waren es im Jahr 2001 – werden dank des rot-grünen Antrags noch nicht das Ende einer mehr als erfreulichen Entwicklung sein. Durch den Land- tourismus in Deutschland wird mittlerweile bereits ein Volumen von 1 Milliarde Euro umgesetzt. Daran lässt sich gut ablesen, wie viel deutschen Urlaubern Natur und Ruhe bedeutet. Wenn wir in unserem Antrag herausstellen, dass dem Landtourismus durch den fortschreitenden Strukturwan- del in der Landwirtschaft, bedingt unter anderem durch die BSE-Krise, eine besonders große Bedeutung zu- kommt, so ist Ihnen wie mir klar, dass dieser Passus in diesen Tagen, da die Landwirtschaft durch eine neue schwere Krise erschüttert wird, eine traurige Aktualität er- langt hat. Umso mehr müsste aber auch den Kolleginnen und Kollegen der oppositionellen Fraktionen, denen nach eigener und oft wiederholter Aussage so viel an diesem Tourismussegment gelegen ist, klar sein, dass der Wirt- schaftsfaktor Landtourismus zur Sicherung der Landwirt- schaft beiträgt, dass er ein wichtiges Standbein im ländli- chen Raum ist und – das ist besonders hervorzuheben – dass er hervorragend dazu geeignet ist, das von den Ver- brauchern der landwirtschaftlichen Produktion entgegen- gebrachte Vertrauen zu bestätigen. Die Zustimmung zu ei- nem solchen Antrag sollte der Opposition leicht fallen. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Denn immer wenn den emphatisch vorgetragenen Worten der geehrten CDU/CSU-Kollegen Taten folgen sollen, bleiben sie aus. Trotz der enormen Aufklärungsfunktion, die der Land- tourismus leistet, lässt sich für den Touristen – sprich den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224004 (C) (D) (A) (B) Verbraucher – bei weitem nicht jeder Schritt nachvollzie- hen, den die aufwendige landwirtschaftliche Tätigkeit tagtäglich mit sich bringt. Rot-grüne Politik ist unumstritten im Sinne einer Land- wirtschaft, die gesunde Nahrung produziert und demzu- folge ebenso im Sinne des ländlichen Raums. Im Mittel- punkt der rot-grünen Arbeit steht aber auch und vor allem der Verbraucher, hier der Tourist, der mit Vorliebe Qua- litätsprodukte der Region verspeist – möglichst noch als regionaltypisches Rezept – und auch gern erwirbt. Die CDU/CSU hingegen lehnt im Bundesrat mal eben ein Gesetz ab, das den Verbrauchern eine Auskunfts- pflicht von Behörden über Inhaltsstoffe und Herstellungs- arten von Produkten vorschreibt. Sie verweigern einem Gesetz ihre Zustimmung, das jedem Verbraucher bei Behörden das Recht auf freien Zugang zu Informationen über Lebensmittel garantiert. Das zeigt, was Verbraucher, die ja auch Touristen sind, von der Politik der CDU/CSU und der FDP zu erwarten hätten: Verschleierung, Desin- formation und „mit dem Klüngel“ weiter so. Aber es gibt unter Rot-Grün Erfreuliches: Erst gestern konnten wir aus prominenter Quelle – nämlich vom Deut- schen Tourismusverband, dem DTV – erfahren, dass der Tourismus in Deutschland im Aufwind ist. Der nunmehr 100 Jahre zählende DTV gab erst Anfang dieser Woche bekannt, – dass die Deutschen im Zusammenhang mit Fe- rien und Reisen vergangenes Jahr noch einmal 2 Milliar- den Euro mehr ausgaben als im ohnehin schon sehr ge- winnbringenden Jahr 2000. Am Beispiel Mecklenburg-Vorpommern lässt sich gut aufzeigen, wie richtig der Antrag zum Landtourismus ist, wie richtig es ist, beispielsweise den Beitritt der Anbieter zur Umweltdachmarke Viabono, zu fördern. Der Osten unseres schönen Deutschlands boomt, mehr noch als die alten Länder. Mecklenburg-Vorpommern ist unbestritten ein Bundesland, bei dem einem Tourist nicht in erster Li- nie berühmte Städte in den Sinn kommen – wobei ich ei- nen Besuch im schönen Schwerin, in Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald oder Putbus jedem nur ans Herz le- gen kann. An einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern, deren Wirtschaftsstruktur zu großen Teilen auf die Landwirtschaft und Fischerei ausgerichtet war und ist und somit eine uralte Kulturlandschaft schuf, lässt sich gut aufzeigen, wie Natur und Landwirtschaft für touristische Zwecke genutzt werden können. Es sind die faszinierenden Landschaften mit Hü- geln, Seen, Wäldern, Flüssen, die Meeresküsten, die lnseln wie Hiddensee, Poel, Usedom und Rügen mit herrlicher Vielfalt an Natur und kulturellen Traditionen, die jedes Jahr mehr Touristen anziehen. Mecklenburg-Vorpommern ver- zeichnet seit einiger Zeit hohe Zuwächse, im vergangenen Jahr ein beachtliches Plus von 8,3 Prozent. Bei den beliebtesten Reisezielen der Deutschen liegt Mecklenburg- Vorpommern unter den Top-Ten, nach Ländern wie bei- spielsweise – Sie werden es kaum glauben können – Spa- nien, Italien und Österreich. Charakteristisch für Mecklenburg-Vorpommern ist hügeliges Flachland. Drei der zwölf deutschen Nationalparke befinden sich in diesem Bundesland. Naturparks und Biosphärenreservate und 400 Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete kommen hinzu. Wir brauchen hier das Hand-in-Hand-Gehen von Na- turschutz und Landwirtschaft. Die Großschutzgebiete bieten beides, Schutz durch Nutzung und Schutz vor Nut- zung. Wer einmal von Besucherbeobachtungstürmen aus die Kranichrast vor Rügen erlebt hat, wird Verständnis dafür entwickeln, dass die Lebensräume des Kranichs strengen Schutzes bedürfen. Wenn wir die Menschen durch Naturerlebnisse begeistern und ihnen gesunde bäu- erliche Landnutzung nahe bringen, werden sie finden, was sie suchen. Das alles verdeutlicht, dass der vorliegende Antrag ein Beispiel dafür ist, wie wichtig es in der Politik ist, auf- merksam auf das eigene Land zu schauen, aktuelle The- men aufzugreifen, anzupacken und Ideen in konkrete Maßnahmen – siehe unseren vorliegenden Antrag – um- zusetzen. Ernst Burgbacher (FDP): Unter den Tourismuspoli- tikern herrscht ein Grundkonsens in Bezug auf die Be- deutung des Wirtschaftsfaktors Tourismus. Hierzu gehört selbstverständlich auch der bedeutende Teilbereich Ur- laub auf dem Bauernhof bzw. Landtourismus. Der Antrag von SPD und Grünen „Den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig stärken“ ist kaum kontrovers, dafür al- lerdings auch wenig aussagekräftig. Angesichts eines sich rasant vollziehenden Struktur- wandels in der Landwirtschaft ist es wichtig, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Die deutschen Land- wirte haben nicht nur mit den Folgen von BSE und MKS zu kämpfen, sondern auch der von Rot-Grün als Königs- weg dargestellte Bereich der Ökolandwirtschaft ist durch den jüngsten Nitrofen-Skandal arg in Mitleidenschaft ge- zogen worden. Es zeigt sich, wie fahrlässig und irre- führend die Hoffnungen und Erwartungen waren, die ins- besondere SPD und Grüne bei den Verbrauchern geweckt haben, beim ökologischen Landbau handele es sich um eine heile Welt. Denn schwarze Schafe gibt es natürlich auch im ökologischen Landbau. Deshalb kann der Nitro- fen-Skandal im ökologischen Landbau nicht wirklich überraschen. Spätestens mit den aktuellen Ereignissen ist diese Seifenblase geplatzt. Wichtig ist jetzt, dass jegliche Gefährdung für die Verbraucher ausgeschlossen wird. Rot-Grün steht für eine ideologische und verfehlte Ag- rar- und Verbraucherpolitik. Die FDP hat demgegenüber ihr liberales Agrarkonzept vorgelegt. Mit unserem Kon- zept einer produktunabhängigen Kulturlandschaftsprämie soll der unternehmerische Landwirt in den Mittelpunkt gerückt und aus der staatlichen Umklammerung befreit werden. Landwirte sollen am Markt ihre Einkommen er- wirtschaften. Deshalb müssen unternehmerische Freiräume geschaffen und bürokratische Mengenbegren- zungen abgeschafft werden. Im Gegensatz zur so genann- ten Agrarwende setzt die FDP auf klare Grundsätze und einfache Regeln als Instrumente der Agrarpolitik. Wir tre- ten für verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssi- cherheit ein. Liberale setzen auf die Selbstverantwortung der Wirtschaft und nicht vorrangig auf staatliches Ord- nungsrecht. Zurück zum Landtourismus: Die FDP sieht Möglich- keiten zur Steigerung der Übernachtungszahlen vorrangig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24005 (C) (D) (A) (B) durch Maßnahmen wie den Ausbau der Nutzung der neuen Medien unter dem Motto „Bauernbett im Internet“. Gerade für Stadtmenschen, die im Internet ihr Urlaubsziel suchen und buchen, ist der Landtourismus eine interes- sante Alternative, um in der Natur abzuschalten. Voraus- setzung hierfür ist allerdings, dass die Angebote über- haupt im Internet zu finden sind. Dazu müssen weitere gemeinsame Anstrengungen der Deutschen Zentrale für Tourismus mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesell- schaft, der Bundesarbeitsgemeinschaft „Urlaub auf dem Bauernhof“ und der Reiseindustrie kommen, um durch Marketingmaßnahmen die vorhandenen Potenziale weiter auszubauen. In den Zielen und der grundsätzlichen Unterstützung für den Tourismus im ländlichen Raum besteht Überein- stimmung zwischen den Fraktionen. Viele der im Antrag von SPD und Grünen genannten Maßnahmen sind zu be- grüßen. Das geht von der Direktvermarktung regionaler Produkte über die Verbesserung des Inlandmarketings bis zur Neuordnung der Genehmigung von Hinweis- und Werbeschildern. Auch eine praxisnähere Ausgestaltung gesetzlicher Regelungen vor allem im Bereich des Bau- und Genehmigungsrechtes ist hier hilfreich. Zu Punkt 13 des vorliegenden Antrags, in dem es um § 35 BauGb geht: Es ist nicht möglich, durch einen An- trag Gerichte oder Verwaltung im Sinne einer bestimmten Auslegung des Bundesbaugesetzes zu binden. Wenn man eine andere Auslegung des Gesetzes erreichen will, muss man das Gesetz entsprechend ändern. Zu bedauern ist, dass der Gedanke aufgegeben wurde, durch die vorge- schlagenen Änderungen des § 35 BauGB die Umnut- zungsmöglichkeiten in bestehenden landwirtschaftlichen Gebäuden im Hinblick auf eine bessere Nutzung zu er- weitern. Wenn SPD und Grüne tatsächlich die Rahmenbedin- gungen für den Urlaub auf dem Bauernhof und den Land- urlaub verbessern wollen, hätten sie ihre Mehrheiten im Deutschen Bundestag längst nutzen können. Allerdings bleibt der Antrag von SPD und Grünen in vielen Punkten allzu sehr im Unverbindlichen. Die Vielzahl an Prüfauf- trägen und Absichtserklärungen im Forderungskatalog der Koalitionsfraktionen unterstreicht das eindeutig. Der Antrag der Regierungsfraktionen ist Augenwischerei, der nicht zufällig in einer der letzten Plenarsitzungen dieser Legislaturperiode beraten wird. Da aber einige richtige tourismuspolitische Ziele formuliert sind, wird die FDP- Bundestagsfraktion ihn nicht ablehnen, sondern sich bei der Abstimmung enthalten. Rosel Neuhäuser (PDS): Seit über einem Jahr be- schäftigt sich der Ausschuss für Tourismus mit der Ent- wicklung des Landtourismus. Sehr schnell erkannten wir, dass sofortige Lösungen nicht zu realisieren sind. Der ländliche Tourismus soll, da er eng mit der Entwicklung der jeweiligen Region verknüpft ist, sehr realitätsbezo- gen, auf der Basis regionaler Analysen und Tourismus- konzepte als Teil integrierter regionaler Entwicklungs- konzepte, entwickelt werden. Unser Mitwirken betraf besonders die qualitative Weiterentwicklung der politisch-rechtlichen und wirt- schaftlichen Rahmenbedingungen auf der einen Seite und die Unterstützung von unverwechselbaren ländlichen Tourismuskonzepten einer Region auf der anderen Seite. Diese Entwicklung im ländlichen Raum mit zu steuern und zu begleiten machte deutlich, dass die Landwirtschaft das wirtschaftliche Rückgrat im ländlichen Raum bildet. Dienstleistungen, vor allem im Tourismus und im Hand- werk, werden zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ein wichtiger Anspruch muss dabei sein, dass sich die ländli- chen Räume vor allem aus ihren eigenen Potenzialen heraus als eigenständige Lebens- und Wirtschaftsräume entwickeln. Dazu gehört neben umfangreichen Arbeits- platzangeboten auch ein attraktives Sozial- und Kulturle- ben. Um in diesem Sinne die ländlichen Räume in ihren Funktionen als Wirtschafts-, Natur- und Sozialraum zu entwickeln, bedarf es zahlreicher Förderung und Unter- stützung. Uns ist bekannt, dass ländliche bzw. bäuerliche Urlaubsformen ein nicht zu unterschätzender Baustein zur nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume in Deutschland sind. Wie in den Ausschussberatungen schon mehrfach von mir angesprochen, sind eine Menge Forderungen aufge- griffen worden, welche die Situation des Tourismus im ländlichen Baum verbessern helfen. Aber in den Auffor- derungen an die Bundesregierung bleibt einiges nach wie vor unverbindlich bzw. wird ausgespart. Ich möchte daher nochmals mit aller Deutlichkeit auf die Felder aufmerksam machen, die aus meiner und der Sicht meiner Fraktion nach wie vor einer Lösung bedür- fen: Erstens. Ressortgrenzen sind Investitionshemmnisse und müssen abgebaut werden. Wir fordern hierzu seit Jah- ren, über eine interkommunale Vernetzung nachzuden- ken, um die immer knapper werdenden Mittel effizienter einzusetzen. Zweitens. Es bestehen unzureichende komplexe Bera- tungsangebote. Landwirte, die als zweites Standbein oder gar zum Haupterwerb Dienstleistungen im Freizeitbe- reich, im Bereich Erholung oder im Bereich Bewirtung aufbauen möchten, brauchen Beratungsleistungen, die von der betriebswirtschaftlichen Beratung über Gebäu- deumnutzung, Baugenehmigungsrecht, Denkmalschutz bis zu Versicherungs-, Steuer- und Erbrechtsfragen rei- chen. Das kann in aller Regel weder von der Agrarberatung noch von der hauswirtschaftlichen Beratung geleistet werden. Da das Konzept in hohem Maße über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, ist die Sicherung einer komplexen und kostengünstigen Beratung notwendig. Drittens. Es bestehen rechtliche Barrieren und Büro- kratie bei der Umnutzung von Gebäuden. Hierzu liegt eine ausführliche Stellungnahme der Bundesarbeitsge- meinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof und Landtou- rismus vor, die meine volle Unterstützung findet. Ich erwarte, dass in Umsetzung des Programms zur Stärkung des Tourismus im ländlichen Raum die noch nicht geklärten Fragen eine Beachtung finden und im In- teresse der Betroffenen einer Lösung zugeführt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224006 (C) (D) (A) (B) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen: – Sammelübersicht 393 zu Petitionen – Sammelübersicht 394 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 16a und b) Erika Lotz (SPD): Entstanden sind diese Lücken und Ungerechtigkeiten in der Verantwortung der Regierung Kohl. Damit werden die Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichtes exakt umgesetzt, dass im April 1999 er- klärt hatte, dass wesentliche Regelungen der Rentenüber- leitung mit dem Grundgesetz nichtig vereinbar sind. Zum Teil hat das BVG sie sogar für nichtig erklärt. Die so ge- nannte „Systemscheidung“ – das bedeutet die grundsätz- liche Überführung der Ansprüche aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der DDR in das bundesdeut- sche Rentenrecht – wird dabei nicht berührt. Diese Sys- tementscheidung hat das Bundesverfassungsgericht sogar ausdrücklich bestätigt. Insbesondere für ehemalige Beschäftigte der Deut- schen Reichsbahn und der Deutschen Post in der DDR er- geben sich wesentliche Verbesserungen durch das Gesetz. Sie hatten erst zum 1. Januar 1974 die Möglichkeit, der Freiweilligen Zusatzrentenversicherung – FZR – beizu- treten, die zum 1. März 1971 in der DDR eingeführt wurde. Deshalb werden die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1971 bis zum 31. Dezember 1973 bei der Ren- tenberechnung so gestellt, als ob die Beschäftigten Beiträge zur FZR entrichtet hätten. Für diejenigen Ver- sicherten, die am 31. Dezember 1973 bereits zehn Jahre bei der Deutschen Reichsbahn oder der Deutschen Post beschäftigt waren und damit bereits einen Zusatzversor- gungsanspruch nach den jeweiligen Versorgungsordnun- gen erreicht hatten, wird sogar in dem Zeitraum bis zum 30. Juni 1990 ein Arbeitsverdienst bis zu 1 250 Mark mo- natlich bei der Rentenberechnung berücksichtigt, ohne dass Beiträge zur FZR entrichtet sein müssen. Diese Mindestdauer von zehn Jahren ununterbroche- nem Beschäftigungsverhältnis am 1. Januar 1974 ergibt sich aus den Regelungen in den Versorgungsordnungen der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post. Die von vielen Petenten problematisierten Zeiten der Berufs- ausbildung, eines Studiums oder des Wehrdienstes waren danach auf eine entsprechende Beschäftigungszeit anzu- rechnen. Sie ist erreicht, wenn vom 1. Januar 1964 bis 1. Januar 1974 eine solche Beschäftigung ohne Unterbre- chung ausgeübt worden ist. Das ergibt sich aus den Ein- tragungen im Sozialversicherungsausweis und im Zwei- fel aus einer Dienstzeitbescheinigung des jeweiligen Arbeitgebers oder dessen Rechtsnachfolgers. Diese Regelung haben wir so gestaltet, weil es von 1956 bis 1973 besondere betriebliche Alterssicherungssysteme gab, die zum 1. Januar 1974 in die Sozialversicherung der DDR überführt worden sind. Für langjährig Beschäftigte hat es sich zwischen 1971 und 1973 einfach nicht gelohnt, der FZR beizutreten, weil sie damit ihre Rentenanwart- schaften nicht hätten steigern können. Deshalb haben wir den Zeitraum, für den die Verbesserungen gelten sollen, großzügig bemessen – bis zum 30. Juni 1990. Die Höchstgrenze von 1 250 Mark ergibt sich daraus, dass die Höchstversorgung für langjährig bei der Deut- schen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post Beschäf- tigte auf 800 Mark monatlich begrenzt war. Bei einer Rückrechnung entspricht dies einem monatlichen Tarif- lohn von 1 250 Mark. Allerdings haben wir nicht die Regelungen der bereits 1974 geschlossenen betrieblichen Altersvorsorgesysteme der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post un- eingeschränkt in das Rentenrecht des SGB VI übertragen. Schließlich mussten wir nicht nur die Grundsätze der Rentenüberleitung beachten, das heißt, nur die Arbeits- verdienste rentenwirksam zu machen, für die tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind. Wir mussten außerdem auch berücksichtigen, welche sozialversicherungsrechtli- chen Bedingungen andere Beschäftigtengruppen in der ehemaligen DDR hatten. Sie konnten eine höhere Alters- sicherung meist ausschließlich über eine Beitragszahlung an die FZR erlangen. Das gilt beispielsweise für Perso- nen, die 1973 Berufsanfänger waren und deshalb nicht zehn zusammenhängende Beschäftigungsjahre nachwei- sen konnten. Bei der rentenrechtlichen Behandlung ehemaliger Be- schäftigter des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit – MfS/AfNS – haben sich die Ko- alitionsfraktionen an die zwingenden Vorgaben des Bun- desverfassungsgerichtes gehalten. Die Karlsruher Richter hatten die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Ein- kommens ehemaliger MfS-/AfNS-Mitarbeiter auf 70 Pro- zent des Durchschnittseinkommens für unzulässig erklärt und eine Berücksichtigung mindestens in Höhe des Durch- schnittseinkommens gefordert. Nachdem das Bundesver- fassungsgericht bereits mit seinen Entscheidungen die not- wendige verfassungsrechtliche Klärung in einem äußerst kontrovers diskutierten Bereich der deutschen Einigung vorgenommen hat, haben wir durch dieses Gesetz die Rechtssicherheit wiederhergestellt. Zu der von zahlreichen Betroffenen geforderten Auf- hebung der Entgeltbegrenzung bei Überschreiten der Ge- haltsstufe eines Hauptabteilungsleiters im zentralen Staatsapparat – die sogenannte E3-Regelung – bleibt es zunächst beim geltenden Recht. Dazu steht noch eine Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts aus. Erst wenn diese Entscheidung gefallen ist, können wir – nach den entsprechenden Beratungen – auch dazu eine abschlie- ßende Regelung vorlegen. Mit dem zweiten AAÜG-Änderungsgesetz haben wir die Vorgaben aus allen relevanten Urteilen erfüllt. Das war zum einen das bereits erwähnte Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts vom 28. April 1999 und das Urteil des Bun- dessozialgerichts vom 3. und 4. August 1999. Sie sind eins zu eins umgesetzt worden. Deshalb gibt es heute auch kei- nen Grund mehr, weitere Änderungen vorzunehmen. Matthäus Strebl (CDU/CSU): Wir behandeln heute die Sammelübersichten 393 und 394 zu Petitionen, bei de- nen es um die Eisenbahner- und Postrenten geht. Die Sammelübersichten beinhalten rund 4 700 Petitionen mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24007 (C) (D) (A) (B) rund 80 000 Unterschriften, die die Bemessungsgrund- lage in der gesetzlichen Rentenversicherung betreffen. Hauptkritikpunkt dieser Petitionen ist die Überführung der Rentenansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Post sowie der Deutschen Reichsbahn der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung. Die Petenten fordern, die Urteile des Bundessozialgerichts zu diesen Ansprüchen umzusetzen. Auch wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat- ten kritisiert, dass eine befriedigende interessen- und sachgerechte Regelung der von den Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Reichsbahn der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften aus dem System der Al- tersversorgung Deutsche Reichsbahn gefehlt hatte. In un- serem Antrag „Einheitliches Versorgungsrecht für die Ei- senbahner herstellen“ (Bundestagsdrucksache 14/2522) haben wir auf die ungleiche Rechtslage hingewiesen und eine Umsetzung der im Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. November 1998 getroffenen Feststellungen ge- fordert. Leider wurde unser Antrag mit Koalitionsmehr- heit erst vom Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung und später vom Bundestag abgelehnt. Zwischenzeitlich hatte die Bundesregierung ihren Ge- setzentwurf zum „2. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜGÄndG)“ eingebracht. Nach Anrufung des Ver- mittlungsausschusses haben Bundestag und Bundesrat am 22. Juni 2001 dem Gesetzentwurf des 2. Gesetzes zur Än- derung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwart- schaftsüberführungsgesetzes zugestimmt. Das Gesetz wurde am 2. August 2001 verkündet. Während dieses Gesetzgebungsverfahrens haben sich bei den Petenten verschiedene Befürchtungen und Anlie- gen deutlich gemacht, unter anderem folgende: Sie könnten durch das Gesetz von den Verbesserungen ausgeschlossen sein, da sie die Voraussetzung eines unun- terbrochenen Beschäftigungsverhältnisses von zehn Jah- ren am 1. Januar 1974 möglicherweise nicht erfüllten. Es sollten auch Petenten in die Regelungen des 2. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und An- wartschaftsüberführungsgesetzes einbezogen werden, die unabhängig vom Stichtag 1. Januar 1974 zehn Jahre bei der Deutschen Reichsbahn oder der Deutschen Post be- schäftigt gewesen sind und nicht bzw. erst nach 1974 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten seien. Die Einführung einer „neuen fiktiven Beitragsbe- messungsgrenze von 1 250 DM“ (circa 639 Euro) wurde kritisiert. Der besondere, erhöhte Steigerungssatz von 1,5 Prozent sollte im Gesetz berücksichtigt werden. Die PDS bemängelte in zwei Anträgen (14/9158 und 14/9159), dass durch die mangelnde Berücksichtigung der Versorgungsansprüche der ehemaligen Reichsbahner und Postler in der gesetzlichen Rente der Bundesrepublik Deutschland eine gravierende Ungleichbehandlung in der Alterssicherung zu vergleichbaren Berufsgruppen bei der Deutschen Bahn und der Deutschen Post entstanden seien. Sie fordert, für die Gewährung der Versorgungsan- sprüche der ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post eine gesetzliche Ver- sorgungsregel zu schaffen. Basis dafür seien die entspre- chenden Versorgungsordnungen des Beitrittsgebietes. Mit der Überweisung der Petitionen als Material an die Bun- desregierung solle dieser die Möglichkeit gegeben wer- den, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten und vorzulegen. Die Anträge der PDS sind abzulehnen. Die Petitions- verfahren sind abzuschließen, weil den Anliegen teilweise entsprochen worden ist. Mit der Neufassung des § 256 a Abs. 2 SGB VI durch das 2. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes konnten rechtliche Klarstellungen vor- genommen werden, die die meisten Hauptanliegen der Petenten berücksichtigen. Auch für Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und bei der Deutschen Post soll bei der Ren- tenberechnung grundsätzlich nur der erzielte Arbeitsver- dienst, für den tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind, in die Ermittlung der Entgeltpunkte eingehen. Die Entscheidungen verweisen jedoch auf eine Ähn- lichkeit der „Alten Versorgungen“ der Deutschen Reichs- bahn und der Deutschen Post mit den Zusatz- und Son- derversorgungssystemen, insoweit die Rente in Bestand und Wert nicht von den Beiträgen zur FZR abhängig war. Nach Auffassung des Gerichts war die „Alte Versor- gung“ ab 1. Januar 1974 als Teil der Anwartschaft auf eine Sozialversicherungsrente ausgestaltet. Aufgrund dieser rechtlichen Wertung bestimmt das Gesetz, dass bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die Rentenberechnung für Beschäftigungszeiten in diesen beiden Bereichen vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 generell das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Beachtung der Beitragszahlung zur Freiwilligen Zusatz- rentenversicherung angerechnet werden soll. Für Versicherte, die am 1. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bei der Deutschen Reichsbahn oder der Deutschen Post beschäftigt gewesen sind, soll im Zeit- raum vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 bei der Ren- tenberechnung ein Arbeitsverdienst bis zu 1 250 DM (circa 639 Euro) monatlich ohne Beachtung der Beitrags- zahlung zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung an- rechnungsfähig sein. Eine teilweise geforderte Gleichstellung der Beschäf- tigten der Deutschen Reichsbahn mit denen der Deutschen Bahn durch Einbeziehung von Ansprüchen in die Zusatz- versorgung der Bahnversicherungsanstalt Abteilung B ist nicht möglich, da deren Satzung dies nicht zulässt. Eine tarifvertraglich vereinbarte betriebliche Alters- versorgung ist in den neuen Bundesländern erst mit Wir- kung ab 1. Januar 1997 eingeführt worden. Zur Frage einer Zusatzversorgung für Mitarbeiter der Deutschen Post ist darauf hinzuweisen, dass die Ent- scheidung, ob und wie eine solche gewährt werden soll, den Tarifvertragsparteien obliegt. Mit Urteil vom 10. November 1998 hat das Bundesso- zialgericht entschieden, dass bei der Frage der Anerken- nung von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem Sys- tem der betrieblichen Altersversorgungen Deutsche Reichsbahn und Deutsche Post das geltende Recht keine Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224008 (C) (D) (A) (B) Anspruchsgrundlage für eine Eisenbahnversorgung zu- sätzlich zu der Rente nach dem SGB VI ist. Solche seien durch eine Anwartschaft bzw. einen Anspruch auf eine SGB-VI-Rente ersetzt worden. Eine Ausdehnung der für rentennahe Jahrgänge ge- schaffenen Besitzstands- und Vertrauensschutzregelung für den Anspruch auf einen erhöhten Steigerungssatz von 1,5 Prozent auf weitere Jahrgänge ist mit den Grundsätzen des lohn- und beitragsbezogenen Rentenrechts der Bundesre- publik nicht vereinbar. Danach richtet sich die Höhe der Rentenleistung nach dem durch Beiträge versicherten Ar- beitsentgelt und Arbeitseinkommen. Die Festsetzung von Stichtagen ist stets mit persönlichen Härten verbunden, aber unvermeidbar, womit der Vertrauensschutzregelung in Art. 2 § 35 Rentenüberleitungsgesetz Genüge getan ist. Die Behandlung des Ausfüllbetrages (§ 315 a SGB VI) im Rahmen der jährlichen Rentenanpassung ist gerecht- fertigt, denn eine dauerhafte Festschreibung oder auch nur eine zeitliche Ausdehnung dieser Beiträge wäre ange- sichts der zu erwartenden niedrigen Anpassungssätze der nächsten Jahre den heutigen und künftigen Rentnern, ge- rade auch in den alten Bundesländern, nicht zu vermitteln. Soweit es um die Frage eines vom 2. Gesetz zur Ände- rung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschafts- überführungsgesetzes geforderten zehnjährigen ununter- brochenen Beschäftigungsverhältnisses geht, kann auf die Urteile des Bundessozialgerichts verwiesen werden. Demnach kann das Wort „Beschäftigungsverhältnis“ aus- gelegt werden anhand anderer Begriffe wie zum Beispiel „mindestens zehnjährige ununterbrochene Dienstzeit“, „ununterbrochene Beschäftigung“ oder „ununterbrochene Tätigkeit“. Auf diese Zeit sind auch Zeiten der Berufsaus- bildung, eines Studiums oder des Wehrdienstes anzurech- nen, wenn vom 1. Januar 1964 bis zum 31. Dezember 1973 eine solche Beschäftigung ohne Unterbrechung aus- geübt worden ist. Diese gesetzlich geforderte Mindestzeit folgt aus den Versorgungsverordnungen von 1973. Ab dem 1. Januar 1974 war die „Alte Versorgung“ nach Auf- fassung des Bundessozialgerichts als Teil der Anwart- schaft auf eine Sozialversicherungsrente ausgestaltet. Die Begrenzung des anrechnungsfähigen Arbeitsver- dienstes auf höchstens 1 250 DM (circa 639 Euro) ergibt sich daraus, dass die Höchstversorgung nach den alten Versorgungsverordnungen auf 800 DM (circa 409 Euro) monatlich begrenzt war. Bei einer Rückrechnung ent- spricht dies einem monatlichen Tariflohn von 1 250 DM (639 Euro), der nach den alten Regelungen Grundlage für die Berechnung der betrieblichen Altersversorgung war. Die alten Versorgungsordnungen der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post sind den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR nicht vergleichbar, da ab 1974 eine neue Anwartschaft darin nicht mehr be- gründet werden konnte und das Sicherungsniveau auch auf den Tariflohn von 1973 ohne Dynamisierung begrenzt war, während die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme als Alterssicherung regelmäßig einen bestimmten Vom- hundertsatz des letzten Verdienstes vor Eintritt des Versor- gungsfalls sicherten. Eine Rechtsänderung zur Berück- sichtigung von Arbeitsverdiensten oberhalb von 1 250 DM (639 Euro) kann daher nicht in Aussicht gestellt werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zwar dem Anliegen auf Überführung von Ansprüchen und Anwart- schaften aus dem System der betrieblichen Altersversor- gungen Deutsche Reichsbahn und Deutsche Post auf Berücksichtigung des besonderen erhöhten Steigerungs- satzes von 1,5 Prozent sowie auf Verzicht auf den Stich- tag 1. Januar 1974 für die zehnjährige Mindestzeit und auf die Arbeitsverdienstgrenze von 1 250 DM (639 Euro) nicht entsprochen werden konnte. Andererseits sind viele Bedenken und Forderungen der Petenten berücksichtigt worden, so unter anderem auf Berücksichtigung von Arbeitsverdiensten oberhalb von monatlich 600 DM (circa 307 Euro), und zwar auch ohne Zahlung zur Frei- willigen Zusatzrentenversicherung, sowie auf großzügige Auslegung des Begriffs „Beschäftigungsverhältnis“ bei der zehnjährigen Mindestzeit. Der sozialen Gerechtigkeit ist damit Genüge getan worden. Daran haben auch wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion keinen Zweifel mehr. Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die PDS vertritt die Ansicht der Petenten, dass die Wiedergewährung des Versorgungsanteils aus den Syste- men der Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post trotz Verabschiedung des zweiten Ge- setzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes nach wie vor unge- klärt sei. Darin wird von den Petenten und der PDS eine gravierende Ungleichbehandlung dieser Berufsgruppe in der Alterssicherung gesehen und eine entsprechende Ge- setzesänderung gefordert. Warum wir an dieser Stelle eine Gesetzesänderung nicht für nötig erachten, möchte ich kurz erläutern. Das Bundessozialgericht hat sich mit diesem Thema be- reits 1998 befasst und in seinem Urteil vom 10. November auch zu der Frage Stellung genommen, in welcher Höhe die von ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichs- bahn und der Deutschen Post der DDR erzielten Arbeits- verdienste bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis hat es die derzeitige Praxis der Renten- versicherungsträger für rechtswidrig erklärt, die darin be- stand, die berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten vom 1. März 1971 bis 30. Juni 1990 nur auf Grundlage von Arbeitsentgelten von monatlich 600 DM zu ermitteln. Auf Grundlage dieses Urteils haben wir durch das 2. AAÜG- ÄndG mit der Neufassung des § 256 aAbs. 2 SGB VI recht- liche Klarstellungen über die Anrechnung des Arbeits- einkommens oberhalb von 600 DM vorgenommen. Auch für Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und bei der Deutschen Post soll bei der Rentenberechnung grundsätzlich nur der erzielte Arbeitsverdienst, für den tatsächlich Beiträge gezahlt worden sind, in die Ermittlung der Entgeltpunkte eingehen. Weil das Bundessozialgericht die Auffassung vertritt, das die „alte Versorgung“ erst ab Januar 1974 als Teil der Anwartschaft auf eine Sozialrente ausgestaltet war, hat demzufolge auch der Gesetzgeber differenziert. Bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für die Berechnung von Be- schäftigungszeiten von März 1971 bis Dezember 1973 soll generell das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Beachtung der Beitragszahlung zur FZR angerechnet Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24009 (C) (D) (A) (B) werden. Für Versicherte, die am 1. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bei Post oder Bahn beschäftigt gewesen sind, soll im Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 bei der Rentenberechnung ein Arbeitsver- dienst bis zu 1 250 DM monatlich ohne Beachtung der Beitragszahlungen zur FZR anrechnungsfähig sein. Bei der Gesetzesentstehung sind die das Problem auf- greifenden Petitionen, die bei Beginn des Gesetzgebungs- verfahrens schon vorlagen, in die Ausschussberatungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung einbezo- gen worden. Der Petitionsausschuss hat in seiner Zustän- digkeit diesen Ausschuss auch insoweit gemäß § 109 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages um Stel- lungnahme gebeten. Aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses haben dann Bundestag und Bundesrat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Der besonders erhöhte Steigerungsbetrag von 1,5 Pro- zent ist 1974 im Zusammenhang mit der Überführung der betrieblichen Alterssicherungssysteme für Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post in die allgemeine Sozialversicherung, speziell in das Renten- recht der ehemaligen DDR, eingeführt worden. Die Rege- lungen sahen für Beschäftigungszeiten bei der Reichsbahn oder der Post bei der Berechnung der Rente aus der Sozi- alpflichtversicherung einen besonderen Steigerungssatz von 1,5 Prozent vor, wenn eine mindestens zehnjährige un- unterbrochene Beschäftigung nachgewiesen wurde. Bei der Überführung des Rentenrechts der DDR musste sich der Gesetzgeber gegen die Übernahme entscheiden, weil die höheren Steigerungssätze für die Berechnung von Ren- ten, für die keine Beiträge gezahlt worden waren, mit den Grundsätzen des lohn- und beitragsbezogenen Renten- rechts der Bundesrepublik nicht vereinbar waren und sind. Meine Fraktion sieht keinen Anlass, das Gesetzgebungs- verfahren zum 2. AAÜG-ÄnG erneut zu eröffnen, weil sich der Gesetzgeber in der Ausgestaltung des Gesetzes streng an die Vorgaben des Bundessozialgerichts gehalten hat. Dr. Irmgard Schwaetzer (FDP): Das zweite Ände- rungsgesetz des AAÜG durch die Bundesregierung im vergangenen Mai 2001 haben wir abgelehnt. Der Gesetz- entwurf hielt sich zwar einerseits eng an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts, konnte aber andererseits den berechtigten Wünschen man- cher Betroffenen nicht genügen. Die FDP-Bundestags- fraktion, die hierzu in bewährter Übung Gespräche mit den unterschiedlichen Gruppen der Anspruchsberechtigten ge- führt hatte, hatte den vorliegenden Regierungsentwurf sorgfältig geprüft und kam zu einer insgesamt ablehnen- den Einschätzung. Aber, darauf haben wir bereits im Gesetzgebungsver- fahren hingewiesen, die Gesetzesänderung führte immer- hin zu einer relativen Besserstellung der für die Beschäf- tigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn oder bei der Deutschen Post berücksichtigungsfähigen Arbeitsver- dienste – und zwar auch dann, wenn keine Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind. Wir begrüßen dies im Grundsatz und stimmen der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zu. Ich darf darauf hinweisen, dass sich bereits in der ver- gangenen 13. Wahlperiode die FDP-Bundestagsfraktion intensiv mit diesem Thema auseinander gesetzt hat. Wir haben über die Forderung nach einer Höherbewertung der Rente und der Anerkennung einer betrieblichen Zusatz- versorgung zahlreiche Gespräche geführt, unter anderem mit dem Bundesarbeitsministerium und der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands. Insbesondere haben wir darauf verwiesen, dass es auch andere Lösungen für diese Frage hätte geben können. Denkbar wäre etwa gewesen, das Anliegen der Eisenbahner und Postler in Tarifverträ- gen zu berücksichtigen oder Ansprüche gegenüber dem Bundeseisenbahnvermögen geltend zu machen. Erlauben Sie mir noch eine grundsätzliche Bemer- kung: Die FDP hat zu diesem wichtigen Thema Rente in den neuen Bundesländern insgesamt in dieser 14. Legis- laturperiode mehrere parlamentarische Anträge einge- bracht. In diesen – insbesondere für das mittlere medizi- nische Personal, den Bereich der Hochschule und der kommunalen Wahlbeamten – haben wir nicht nur für eine auf die Zukunft gerichtete Verbesserung, sondern zu- gleich und insbesondere auf eine Nachbesserung für die Betroffenen geworben. Alle unsere parlamentarischen Initiativen wurden von der rot-grünen Regierungskoali- tion abgelehnt. Wir werden dieses Thema auch in der kommenden Legislaturperiode sorgfältig und sensibel be- handeln. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Weltweite Märkte für Meerestechnik erschließen (Zusatztagesord- nungspunkt 16) Dr. Margrit Wetzel (SPD): Über Schiffbau diskutie- ren wir in schöner Regelmäßigkeit und – zum Glück für die betroffene Industrie – im Allgemeinen auch fraktions- übergreifend in großer Einigkeit. Im Vergleich dazu be- handeln wir die nicht schiffbauliche Meerestechnik gera- dezu stiefmütterlich. Und das ist falsch! Denn das weltweite Marktpotenzial der Meerestechnik wurde für das Jahr 2000 auf mehr als 150 Milliarden Euro geschätzt und ist damit ein dem Schiffbau absolut vergleichbarer bedeutsamer Wirtschaftsfaktor mit erheblichem Wachs- tumspotenzial. Dass uns das viel zu wenig bewusst ist, mag daran liegen, dass sich in dieser Branche keine Rie- sen, sondern Zwerge tummeln: Es sind vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen, die zum Teil außer- ordentlich kreativ tätig sind. Ihr erzielter Jahresumsatz lag in 2000 etwa bei 3 Milliarden Euro und machte damit nur 2 Prozent des weltweiten Umsatzes aus. Das technolo- gische Potenzial dieser kleinen deutschen Unternehmen fordert aber geradezu die weltweite Markterschließung heraus und deshalb sollten wir sehr gezielt und markt- orientiert tätig werden. Wie sollen die „Kleinen“ groß werden, wenn sie hier bei uns nur einen winzigen Markt im Verhältnis zu den Weltmärkten haben? Das im Jahr 2000 aufgelegte Forschungsprogramm „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“ des BMBF zielt mit der Förderung bestimmter meeres- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224010 (C) (D) (A) (B) technischer Technologiebereiche bereits genau in diese Richtung. Wir wollen jetzt gern erreichen, dass dieser An- satz ressortübergreifend, wettbewerbsorientiert und an- wendernah ausgebaut wird. Schwerpunkt soll dabei die Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen sowie deren gezielte Unterstützung durch staatliche Einrichtun- gen und Institutionen sein. Wir dürfen weder die verlockenden Marktpotenziale noch die weitere Entwick- lung der Lösung von Umweltproblemen verschlafen. Ein einziger Blick auf die Weltkarte genügt auch dem Laien, zu erkennen, welch eine Vielfalt von Küsten, Festland- sockeln und Meeresböden sich dem deutschen Know- how darbieten könnte. Eine verlockende, eine faszinie- rende Perspektive. Wir alle wissen, dass die Nutzung erneuerbarer Ener- gien über Offshore Windparks auf gutem Wege ist. Wir wissen aber auch, dass noch erhebliche Entwicklungsar- beit und gezielte Begleitforschung erforderlich ist, um die Windparks im Meer sicher, naturverträglich und kosten- günstig bauen zu können. Auch für die Instandhaltung, für den umweltverträglichen Rückbau und die Entsorgung von Offshoreanlagen eröffnen sich große weltweite Marktpotenziale. In den nächsten Jahren sind weltweit zum Beispiel etwa 8 000 Öl- und Gasbohrplattformen zu entsorgen. Wissenschaft, Behörden, Forschungszentren und zahl- reiche Unternehmen der Industrie verfügen über höchste Kompetenz im Bereich der Hydrographie. Das neue UN- Seerecht fordert die aktive Vermessung der exklusiven Wirtschaftszonen als Grundlage der nachhaltigen Nutzung maritimer Ressourcen. Gerade in vielen Ländern mit ho- hem Küstenanteil ist die entsprechende Technologie nicht verfügbar. Staatliche Unterstützungen, die keineswegs im- mer geldunterlegt sein müssen, sondern auch politisch-di- plomatischer Art sein sollten, können die Erschließung die- ser Märkte deutlich erleichtern. Insbesondere bieten sich politische und wirtschaftliche Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern an, die durch bilaterale staatliche Abkommen zur Förderung technisch-wissenschaftlicher und industrieller Kooperation mit ausländischen Partnern gesichert werden könnten. Die Unterstützung der entspre- chenden Ausbildung in den Ländern mit langen Küsten wäre Hilfe für den Aufbau landeseigener Kapazitäten in Verbindung mit der Weiterentwicklung unserer techni- schen und wissenschaftlichen Vorsprünge und der Markt- sicherung für deutsche Unternehmen. Das Monitoring maritimer Klima- und Umweltverän- derungen zum Beispiel erfordert den Aufbau weltweiter Messnetze, die sowohl die Beobachtung globaler Klima- veränderungen als auch die Entwicklung und Herstellung meerestechnischer Geräte und Dienstleistungen umfas- sen. Bei umweltschonenden Kreislaufanlagen für die Auf- zucht von Seefischen kann Deutschland international eine führende Stellung im Bereich der Aquakultur einnehmen. Die Überfischung der Meere macht die Aquakultur zu ei- ner ganz neuen Herausforderung. Helfen wir doch, diese Chancen für kleine Unternehmen nutzbar zu machen! Oder nehmen wir die Gewinnung von Öl durch Off- shoreanlagen: Ölunfälle und Verschmutzungen durch den Transport werden nie vollständig zu verhindern sein. Deutsches Know-how und deutsche Technik können bei der Ölunfallbekämpfung, der Sanierung der verschmutz- ten Gewässer und Küsten und bei der Entsorgungschad- stoff belasteter Anlagen auch international verantwor- tungsvoll eingesetzt werden. Auch das breite Spektrum der Unterwassertechnik und der Polartechnik, der Kom- munikationstechnik, der maritimen Informations- und Leittechnik eröffnen weltweit neue wirtschaftliche Per- spektiven, die es zu nutzen gilt. Was können wir also zusätzlich zu dem, was bereits über die Forschungsprogramme initiiert ist, noch tun, um die Markterschließung durch Innovationen und Produkt- entwicklung in der Meerestechnik zu verbessern? Kom- petenzen bündeln, strategische Allianzen aus kleinen Un- ternehmen und staatlichen Stellen bilden, sicher. Aber wir sollten den KMU auch den Zugang zu Fördermitteln und politischer Unterstützung erleichtern. Kriterien bei der Bewertung von Förderanträgen könnten zum Beispiel der Beitrag zur Nachhaltigkeit, zur Innovation, zur Produkt- entwicklung aber auch zur internationalen Vermarktbar- keit sein. Antragsverfahren im Forschungsbereich könn- ten durch gute Koordination effektiver werden. Das würde automatisch die Wettbewerbsfähigkeit der deut- schen Meerestechnik am Weltmarkt fördern. Die deut- schen Unternehmen in diesem Bereich sind meistens zu klein, die nötige Kooperation und Vernetzung allein leis- ten zu können. Außerdem brauchen sie meerestechnische Daten und das Wissen staatlicher Einrichtungen: Die Frage ist also, ob dieses Wissen den Unternehmen zu an- nehmbaren organisatorischen und finanziellen Bedingun- gen verfügbar gemacht werden kann. Ich meine, wir soll- ten dafür sorgen, dass das Wissen und die Kompetenzen in unserem Land dazu eingesetzt werden, diese Märkte mit Zukunft zu erschließen. Bei internationalen Projekten sind uns unsere europä- ischen Nachbarn teilweise deutlich voraus: Staatliche Einrichtungen wirken in Public Private Partnership mit der privaten Wirtschaft erfolgreich zusammen. Wir haben offenbar einen Nachholbedarf insbesondere in der Nut- zung bestehender staatlicher Kontakte für die Märkte im Ausland. Es muss noch nicht einmal viel kosten, den KMU in diesem Bereich zu helfen. Wir müssen nur krea- tiv, offen und flexibel unsere politischen und diplomati- schen Möglichkeiten einsetzen. Wir müssen den man- gelnden Organisations- und Vernetzungsgrad der KMU ausgleichen; denn das können sie allein einfach nicht leis- ten. Und: Es ist doch schön, gebraucht zu werden. Die Un- ternehmen im Bereich der Meerestechnik brauchen uns. Enttäuschen wir sie also nicht. Deshalb bitte ich um die wohlwollende Prüfung, Beratung und Zustimmung des ganzen Hauses zu unserem Antrag. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU):Der An- trag der Regierungskoalition ist auf den ersten Blick an- erkennenswert. Er enthält hehre Ziele für die weltweite Zukunft der Meerestechnik. Darin teilen wir die Auffas- sung der Antragsteller. Auf den zweiten Blick jedoch handelt es sich hier um eine offensichtliche Alibi-Initiative. Alle Maßnahmen sollen dem Diktat der Klima- und Umweltschutzziele un- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24011 (C) (D) (A) (B) terliegen. Keine Grundlagenforschung soll möglich sein, keine Neuentwicklung von Meerestechnologien. So steht es im vorletzten Absatz dieses Antrages. Vermutlich haben die Grünen den Roten hier in die Suppe gespuckt. Aber ganz ernsthaft: Für Showanträge ist die Thematik nicht geeignet. Deutschlands maritime Wirtschaft braucht Zukunft, aber nicht mit einem Flagg- schiff ohne Schraube. Die Meerestechnik bietet weltweit große Zukunfts- chancen. Das Marktvolumen der Offshoreindustrie wird weltweit auf mehr als 80 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Der Anteil Deutschlands daran in Höhe von rund 1 Milliarde Euro entspricht dabei keineswegs dem technischen Poten- zial. Weltweit gibt es etwa 8000 Öl- und Gasplattformen, die im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte entsorgt werden müssen. Allein in der Nordsee sind es 700 Plattformen, für deren Beseitigung oder Umnutzung mit einem zweistelli- gen Milliardenbetrag gerechnet wird. Für den Bau von Offshorewindparks rechnen Experten mit einem Investitionsvolumen von circa 25 Milliarden Euro über die nächsten 20 Jahre allein in den deutschen Seegebieten. Nicht eingerechnet ist hierbei der Bedarf an Forschungsaktivitäten, insbesondere zur Weiterentwick- lung der Anlagentechnik, eingeschlossen Gründung, Netz- anbindung und Montage sowie der begleitenden ökologi- schen Untersuchungen. Unter den Einschätzungen der globalen Erwärmung und des Klimaschutzes wird das Aufgabenfeld des „Inte- grierten Küstenzonen-Managements“ eine neue Bedeu- tung gewinnen. Das hat Auswirkungen auf Forschung und Entwicklung. Hier gehe es um die Integration der Nut- zungs- und Schutzansprüche im Küstenraum, unterstrich auch der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dr. Bernd Rohwer gestern auf einer Fachtagung der Ge- sellschaft für maritime Technik. Dies gilt auch deshalb, weil zu den traditionellen Nutzungen wie Tourismus, Ha- fenwirtschaft und Fischerei neue wirtschaftliche Chancen und Herausforderungen hinzukommen. Die Anforderun- gen an Ozeanüberwachungssysteme werden dementspre- chend beständig steigen. Sowohl in der wissenschaftli- chen Forschung als auch in den einzelnen Regionen gibt es hierzu bereits vielversprechende Aktivitäten. Natürlich hat auch die traditionelle maritime Wirt- schaft für Deutschland, besonders für Norddeutschland, eine große Bedeutung. Der klassische Schiffbau hat sich inzwischen zu einem hoch innovativen Industriesektor entwickelt, der mit seinen Spezialschiffen einen weltwei- ten Markt anspricht und einen Anteil von deutlich über 20 Prozent am Gesamtumsatz deutscher Werften hat. Vier Beispiele, um das Innovationspotenzial der Werf- ten zu verdeutlichen: Die Flensburger Schiffbaugesell- schaft produziert mit ihren hoch innovativen Ro-Ro- und Ro-Pax-Fähren global nachgefragte „schwimmende Landstraßen“. Weltweit die einzigen mit Brennstoffzellen betriebe- nen U-Boote werden bei HDW in Kiel hergestellt. Mit dem „Forschungsschiff der Zukunft“ entwickelt die Lindenau-Werft, ebenfalls in Kiel, derzeit ein modu- lar und damit flexibel konstruiertes Forschungsschiff, das es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Die Kvaerner-Werft in Rostock lieferte 2001 mit der Offshorebohrplattform „Stena Don“ seit Jahren wieder die erste Bohrplattform aus Deutschland ab, ein Koloss mit 32 700 Tonnen Wasserverdrängung. Ein Umsatzpotenzial ähnlicher Größenordnung wird auch von der Schiffbauzulieferindustrie erbracht. Mit einer breiten Palette innovativer Produkte vom Schiffsantrieb bis hin zu den modernsten Navigations- und Positionie- rungssystemen entfallen auf diese Zulieferindustrie bis zu 70 Prozent der Wertschöpfung eines Schiffsneubaus. Glo- balisierung und Wachstum des Welthandels finden ihren deutlichen Niederschlag im Wachstum von Schifffahrt und Hafenumschlag. Davon profitieren auch die Häfen in Deutschland. Neue Technologien für Ausrüstung, Um- schlag und Entsorgung erschließen zusätzliche Wachs- tumspotenziale. Ein weiterer Bereich der Meerestechnik mit hohen Wachstumschancen ist die maritime Aquakultur, Blaue Biotechnologie, „nachhaltige Produktionstechnik“ oder auch Marikultur genannt. Bei 11,8 Prozent lag die jährli- che durchschnittliche Wachstumsrate in den letzten 15 Jahren. Auf verschiedenen Gebieten der Biotechnolo- gie vollzieht sich zur Zeit eine rasante Entwicklung, die neue Chancen für Wirtschaft und Wissenschaft eröffnet. Dazu gehört auch, dass sich die moderne Biotechnologie immer mehr mit nachwachsenden Rohstoffen und Mine- ralstoffgewinnung aus dem Meer befasst, zum Beispiel für die medizinische Nutzung. Die Gewinnung von Nah- rungsmitteln aus dem Meer beschränkt sich nicht mehr auf die Fischwirtschaft: Aquakultur und maritime Bioressour- cen bieten anspruchsvolle Zukunftsaufgaben und müssen Antworten liefern auf den weltweiten Rückgang der Fisch- bestände, auf die Umwelt-, Hygiene- und Qualitäts- probleme sowie die sich aus dem intensiven „fish- und shrimp-farming“ ergebenden sozialen Konfliktpotenziale. Derzeit werden weltweit über 150 Fischarten, etwa 40 verschiedene Schalentiere und mehr als 70 Muschel- bzw. Weichtierarten neben zahlreichen Algen, Wasser- pflanzen, Fröschen, Schildkröten und Krokodilen in Aqua- kultur erzeugt. Der Weltmarkt für Fisch sowie Krusten- und Schalentieren belief sich 1999 nach FAO-Statistiken auf insgesamt knapp 126 Millionen Jahrestonnen. Davon entfielen circa 33 Millionen Tonnen auf die Aquakultur, fast 30 Prozent der maritimen Nahrungsmittelproduktion. In diesen Zahlen ist die immer wichtiger werdende Auf- zucht von Pflanzen/Algen noch nicht enthalten. Die ge- samte Aquakulturproduktion hat sich in den Jahren 1990 bis 1999 um 150 Prozent erhöht; die Produktion ist heute mehr als zweieinhalbmal so groß wie vor zehn Jahren. Die Zahlen zeigen eindrucksvoll das wirtschaftliche und tech- nologische Potenzial der Aquakultur. Die asiatischen Länder, insbesondere Thailand, Indo- nesien, Bangladesch, China und Indien, verfügen zusam- men über mehr als 1 Million Hektar Zuchtteiche allein für Krabben. Ein zweites Zentrum mit etwa 200 000 Hektar befindet sich an der Westküste Amerikas, überwiegend in Ecuador. Verbraucherländer sind die USA, Europa und Ja- pan. Der jährliche Pro-Kopf-Konsum liegt in diesen Län- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224012 (C) (D) (A) (B) dern zwischen 1,2 und 3 Kilogramm. Das sind etwa 20 Prozent des Welthandels mit Meerestieren. Zur Deckung des weiter wachsenden Bedarfs werden in Zukunft verstärkt künstliche marine Ökosysteme, zum Beispiel Kreislaufanlagen für die marine Aquakultur, zum Einsatz kommen müssen, denn die EU plant ganz aktuell radikale Fangquotenbegrenzungen, zum Teil mit gravie- renden Auswirkungen auf die Fischereiwirtschaft. Diese Lücke kann nur durch Aqua- und Marikulturanlagen aus- gefüllt werden; es zeichnet sich ein weltweites Marktpo- tenzial ab. Ähnlich hohe Entwicklungspotenziale weltweit liegen in der Hydrographie, der marinen Umweltschutztechnik und als Grundlage, um die Offshoretechnik überhaupt nutzen zu können, der Unterwassertechnik, wie Seekabel, Öl- und Gaspipelines und die dazugehörige Logistik. Der Grundlagenforschung dürfen nicht von vornherein Scheuklappen aufgesetzt werden, auch nicht, wenn sie im schicken Gewand von Klima- und Umweltschutz daher- kommen. So schneiden wir deutschen Unternehmen gleich zu Beginn der Entwicklung die Chancen ab, überlassen den schnell wachsenden Weltmarkt anderen Ländern und verhindern die Schaffung neuer, hochwertiger Arbeits- plätze. Grundlagenforschung muss möglich sein, sonst wandern unsere klügsten Köpfe weiter ins Ausland ab. Unsere Forderungen an die Bundesregierung lauten: erstens den Technologietransfer zwischen Wissen- schaft und Wirtschaft im Bereich Meerestechnik mit Sys- tem auszubauen; zweitens Erweiterung der Forschungsförderung sowohl für die Grundlagenforschung als auch für anwen- dungsbezogene Projekte sowie die Vereinfachung der Be- willigungsverfahren von Forschungs- und Entwicklungs- anträgen; drittens politische Unterstützung für die Installation von Pilotanlagen; viertens Unterstützung der kleinen und mittelständi- schen Unternehmen der Meeresforschungstechnik bei der Bündelung und internationalen Vermarktung ihrer Pro- dukte und Systeme; fünftens Förderung der Teilnahme deutscher Firmen an den Programmen internationaler Organisationen – insbe- sondere bei internationalen Umweltprojekten – wie Welt- bank, UNO und UNIDO durch zielgerichtete Information potenzieller deutscher Teilnehmer; sechstens Erstellung eines Gesamtkonzepts zum Thema Ausbau der Meerestechnologie unter Berücksich- tigung von Umwelt-, Klimaschutz- und Finanzierungsbe- dingungen. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutschland hat eine große Tradition im Schiffsbau und in der Meerestechnik. Viele Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt mit der Meerestechnik verbunden. Der Rückgang der Werftenindustrie muss aufgefangen werden durch neue innovative Techniken. Daraus ergeben sich neue Chancen für den riesigen Weltmarkt. Das Marktpotenzial liegt weltweit über 150 Milliarden Euro. Mit dem bereits im Jahr 2000 aufgelegten Forschungs- programm „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“ hat die Bundesregierung bereits erfolgreich diese Herausforderung angenommen. Der vorliegende rot- grüne Antrag baut auf diesem Forschungsprogramm auf und will weitere Akzente setzen. Vor allem die Umweltfreundlichkeit muss weiter in den Mittelpunkt rücken: So gilt es, die bisherigen Mee- restechnologien umweltfreundlicher zu gestalten. Die Verschmutzung zum Beispiel bei der Ölgewinnung ist auf null zu reduzieren. Die Energieversorgung der Meeres- technikanlagen soll verstärkt auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Schmieröle aus Pflanzenölen, Wind- kraft, Biomasse und Solarenergie zur Stromversorgung reduzieren die Gefahr auslaufender Betriebsmittel und den Schadstoffausstoß auf null. Die alltägliche Ver- schmutzung mit Ölen wird dann der Vergangenheit an- gehören. Auch muss das Problem der giftigen Anstriche gelöst werden. Hier hat es in der jüngsten Zeit mithilfe der Na- notechnologie wichtige Fortschritte gegeben. Wir müssen diesen Weg schnell weiter gehen. Aquakulturen für die Produktion von Seefischen soll- ten möglichst umweltfreundlich sein. Sie dienen dann nicht nur dem Umweltschutz, sondern auch der Gesund- heit der Verbraucher. Zudem ist das breite Spektrum der Unterwassertechnik – zum Beispiel in der Kommunikati- onstechnologie – auf den Schutz der Meerestiere auszu- richten. Dabei geht es auch um Lärmschutz; denn Unter- wasserlärm steht im Verdacht, die Wale zu schädigen. Die Meerestechnik bekommt eine völlig neue Chance. Diese Chance heißt erneuerbare Energien. Konkret han- delt es sich um die Windenergie und die Meeresenergien wie Meeresströmungskraftwerke, Wellenkraftwerke und Gezeitenkraftwerke. Alleine in Deutschland sollen bis 2020 off-shore 25 000 MW an Windkraftanlagen instal- liert werden. Dies ist eine große Chance für den Klima- schutz und eine große Chance für die Werften. Sehr vielversprechend sind auch die Anstrengungen zur Nutzung der Meeresströmungen und der Wellenkraft. Die ersten Pilotprojekte sind in Schottland, England und Japan bereits im Entstehen. Auch die Gezeitenenergie hat gute Chancen. Wir wollen die deutsche Industrie auch für diese Energietechnologien der Zukunft fit machen. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Meerestechnik in vielen Bereichen. Aber wir verschweigen die Problem- felder nicht. Angesichts der Klimagefahren wollen wir keine Staatsmittel für die Exploration von fossilen Roh- stoffen ausgeben. Diese Forschungsmittel müssen stattdes- sen für klimaneutrale Technologien ausgegeben werden. Besonders gefährlich wäre die Erschließung der Me- thanhydrate. Die Schätzungen über deren Vorkommen ge- hen weit auseinander. Wir halten es für sinnvoll, für die Klimaforschung mehr über deren Vorkommen zu erfahren. Für den Fall, dass diese Methanhydrate wirklich in großen Mengen vorkommen, gehen wir aber ein unverantwortli- ches Risiko ein, wenn wir diese Methanhydrate fördern; denn das beim Verbrennen freigesetzte Kohlendioxid heizt das Treibhaus Erde an. Lassen wir die Methanhydrate auf Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24013 (C) (D) (A) (B) dem Meeresboden! Die Energie, die wir brauchen, geben uns die Meere über Wind und Wellen, Meeresströmungen und Gezeitenkraft. Wir müssen nur zugreifen. Es wäre töricht, das Weltklima zu riskieren, indem wir auf einen Rohstoff zurückgreifen, den wir nicht brauchen. In dem heute zur Debatte stehenden gemeinsamen An- trag von Rot-Grün sind die neuen Chancen der Meerestech- niken gut herausgestellt. Damit werden dem Umweltschutz und der deutschen Meerestechnik-Industrie gemeinsam neue große Perspektiven eröffnet. Ulrike Flach (FDP): Es ist schon ein starkes Stück, wenn die Grünen unter dem Deckmantel einer Markter- schließung für die Meerestechnik handstreichartig der deutschen Meeresforschung einen Maulkorb anlegen wollen, so geschehen in dem jüngsten Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem schönen Titel „Welt- weite Märkte für Meerestechnik erschließen“. Wir müs- sen uns heute mit diesem Antrag in der Debatte befassen, da wir das den GRÜNEN nun wirklich nicht mehr durch- gehen lassen können. Sie wollen offensichtlich in Wahlkampfzeiten die grüne Klientel bedienen. Mir ist aber wiederum sehr deut- lich geworden, was die Grünen unter Fortschritt und Zu- kunft sowie unter Wissenschaft und Forschung verstehen. Doch die Forschung ist kein geeignetes Werkzeug um Ideologien durchzusetzen. Ihre alten Kampfparolen sind abgestumpft. Ich hätte mich heute auch nicht zu Wort ge- meldet, wenn der ansonsten gute Antrag nicht eine so deutliche Bruchstelle enthalten würde. Aber jetzt zur wissenschaftlichen Betrachtung der Pro- blematik. An fast allen Kontinentalrändern der Weltmeere und unter Permafrostböden sind Gashydrate anzutreffen. Heutige Schätzungen, gehen davon aus, dass die in den Kontinentalrändern der Weltmeere und in den Permafrost- regionen in Form von Gashydraten gespeicherte Menge an Kohlenstoff die in Kohle-, Erdöl- und Erdgaslagerstät- ten gespeicherte Menge um das Doppelte übersteigt. Ins- gesamt dürften in den Gashydratvorkommen 10 000 Gi- gatonnen Kohlenstoff gebunden sein. Im Vergleich hierzu enthalten die bisher abgebauten und die bekannten Brenn- stofflagerstätten etwa 5 000 Gigatonnen Kohlenstoff. Eine kommerzielle Nutzung dieses riesigen Gaspoten- zials liegt jedoch noch in weiter Ferne, da wir erst am Be- ginn einer intensiven Grundlagenforschung stehen. Die Entscheidung ob diese Reserven überhaupt zur Energie- gewinnung genutzt werden, haben künftige Generationen zu treffen. Jedoch ist die Erforschung der Gashydratgenese, der Gashydratvorkommen und der künftigen Nutzung der Gashydrate nicht nur für die Sicherung von Energiere- serven für künftige Generationen von außerordentlicher Bedeutung, sondern gerade auch für das komplexe Ver- ständnis des Geosystems Erde und des Weltklimas. Industrienationen wie die USA, Japan, Russland und Deutschland haben bereits strategische Forschungsini- tiativen gestartet. Auch rohstoffarme Länder wie Indien erforschen intensiv die Gashydratvorkommen an ihren Kontinentalrändern. Deutschland hat die bedeutende Rolle der Gashydrate im Kohlenstoffkreislauf für die Stabilität des Meeresbo- dens und vor allem für die Klimaentwicklung erkannt und einen speziellen Förderschwerpunkt mit dem Titel „Gas- hydrate im Geosystem“ eingerichtet. Derzeit werden Ver- bundprojekte mit einem Finanzvolumen von rund 15 Mil- lionen Euro gefördert. Deutschland sieht in seinem Forschungsansatz nicht nur den ökonomischen Aspekt der Gashydratforschung, sondern öffnet auch den Blick für die Wechselwirkungen zwischen Gashydratvorkommen und Umwelt. Es ist bekannt, dass Methan als Treibhausgas wirksam ist und somit Methankonzentrationen in der Atmosphäre klimarelevant sind. Untersuchungen von Bremer Geo- wissenschaftlern an Bohrkernen aus dem internationalen „Ocean Drilling Program“ (ODP) im westlichen Nord- atlantik belegen eine dramatische Erhöhung der Methan- konzentration in der Atmosphäre und der damit verbun- denen klimatischen Veränderungen. Es wird vermutet, dass ein Ansteigen der Methankonzentration in den letzen Jahrtausenden auf eine Veränderung der Stabilitätsbedin- gungen der Gashydrate an den Kontinentalrändern und eine damit verbundene Freisetzung von Methan zurück- zuführen ist. Ähnliches könnte passieren, wenn die Tem- peraturen in den Permafrostregionen weiter steigen und damit zur Destabilisierung des Permafrostes und Freiset- zung von Gashydraten führen. Auch marine Georisiken, wie zum Beispiel die Auslö- sung von Unterwasser-Hangrutschen wird auf zerfallende Gashydrate zurückgeführt. Insofern verfolgt Deutschland mit der Gashydratforschung eine Doppelstrategie, die in der Verantwortung für das Weltklima und der Versorgung künftiger Generationen mit Energie begründet liegt. Das entspricht zugleich dem Anliegen einer nachhaltigen Ent- wicklung. Insofern möchte ich die Kollegen von der SPD bitten, den entsprechenden Absatz im Antrag ersatzlos zu strei- chen. Dann ist gegen den Antrag aus unserer Sicht nichts einzuwenden. Wolfgang Bierstedt (PDS): Nachts, wenn alles schläft, befasst sich das Parlament virtuell mit einem Re- gierungsantrag zur Markterschließung von Meerestech- nik. Expansive Wirtschaftsbestrebungen im Schiffbau werden heimlich still und leise im Dunkeln zu Protokoll gegeben statt bei Tageslicht offensiv diskutiert. Grundsätzlich ist die PDS dafür, dass Meerestechnik ökologisch orientiert erforscht und entwickelt wird, die zum Schutz der Meere geeignet ist, die keine Meerestech- nologien zur Exploration oder dem Abbau fossiler Ener- gieträger unterstützt und die interdisziplinär, anwendungs- nah und global angelegt ist. Wir unterstützen die Einschränkung und Unterlassung von Forschungen in Meeren, die dem Klimaschutz und der Meeresflora und Fauna abträglich sind. Die Bundesregierung sieht zur Entwicklung bestimmter meerestechnischer Technologienbereiche eine Koopera- tion von KMU mit maßgeblicher Unterstützung durch staatliche Einrichtungen und Institutionen vor. Solcherart Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 200224014 (C) (D) (A) (B) Kooperationen gibt es im InnoRegio Projekt „Maritime Al- lianz“ in Mecklenburg-Vorpommern, welches im Rahmen des Forschungsprogramms „Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert“ seit 2000 durchgeführt wird. Die Zusammenarbeit von mittelständischen Unternehmen, Kommunen und Banken unter anderem zu maritimen In- novationen und regenerativen Offshore-Energiesystemen in Verbundprojekten solcherart offener Netzwerke ist sehr zu befürworten, da sich sonst diese Firmen und Einrichtun- gen nie getroffen hätten. Der Erfolg des Gesamtprojektes hängt leider derzeit von fehlenden Bewilligungsbescheiden für circa 45 Prozent der Projekte ab. Diese Projekte können ihre Arbeit erst verspätet beginnen. Die Netzwerksteuerung benötigt doppelt so viel Mittel wie zunächst eingeplant. Insgesamt ist die ordentliche Fortschreibung der Strukturen von InnoRegio für 2003 noch ungeklärt. Hier muss die Bundesregierung schnell tätig werden. Die PDS unterstützt generell den Weg zur Energie- wende – hin zu regenerativen Energien. Statt wie vorgese- hen fünf solcher Offshore-Anlagen für die Windenergie sollen nur noch zwei gebaut werden. Doch diese giganti- schen Vorhaben der Offshore-Windparks können nicht die einzige Perspektive sein. Die PDS meint, dass Energiever- sorgung durch regenerative Energien forschungs-, ent- wicklungs- und umsetzungsseitig in ihrer Vielfalt und in der Breite für eine Energiewende 2050 angelegt sein muss. Neben hohen Investitionen zum Anlagenaufbau, neuen Leitungskapazitäten, Alternativen zur schnellen Abschal- tung der Kapazitäten vom Netz bei Stürmen und einer Un- tersetzung durch Grundlaststromkapazitäten besteht bei Offshore-Windenergieanlagen Forschungsbedarf hinsicht- lich der Effekte für Pflanzen und Tiere am Meeresgrund, die durch die Verankerung von Stahlrohren mit drei Me- tern Durchmesser zum Tragen der Anlagen und die Kabel- verlegung am Meeresgrund verdrängt werden. Wir unterstützen die Ansicht, dass keine Entwicklung von Meerestechnik gefördert werden soll, die fossile Energieträger ausbeutet. Dazu reicht es aber nicht aus, kleinlaut einzugestehen, dass Ölunfälle und Verschmut- zungen durch Offshore-Anlagen für die Erdölausbeutung nicht ausgeschlossen werden können und die BRD einen Know-how-Vorsprung für Rückbau und Entsorgung sol- cher Anlagen hat. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie umgehend tätig wird, damit solche Anlagen ge- schlossen werden. Denn nur ein bisschen ökologisch ist wie „halbschwanger“. Obwohl das neue UN-Seerecht die aktive Vermessung der exklusiven Wirtschaftszonen als Grundlage der nach- haltigen Nutzung maritimer Ressourcen verlangt, sind je- doch die Kosten für hydrografische Maßnahmen nicht den Entwicklungs- und Schwellenländern mit hohem Küstenanteil aufzubürden. Dies sollten die Industrielän- der selbst bezahlen und die Bundesregierung kann damit – wie auch bei einer aktiven Werbung zum Schutz der Meere in diesen Ländern – mit gutem Beispiel voran- gehen. Die politische und wirtschaftliche Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern zum Schutz der Meere muss mit Regierungen und mit einheimischen NGO (Umweltorganisationen) abgestimmt sein. Sie muss auf die Nutzung der maritimen Ressourcen zur Sicherung der Ernährungsgrundlagen in diesen Ländern selbst sowie auf eine Nichtbewirtschaftung der Küstengewässer und eine Kontingentierung der Fangquoten vor den Küsten der Entwicklungsländer durch andere Länder ausgerichtet sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 239. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. Juni 2002 24015 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ditmar Staffelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Abgeordneter
    Schauerte, sind Sie bereit – ich hoffe, Sie sind dazu be-
    reit –, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Prozedere zur
    Ministererlaubnis nach Recht und Gesetz vor sich geht
    und dass es keinerlei Zusagen seitens eines Mitgliedes der
    Bundesregierung gegenüber den Antragstellern gegeben
    hat und gibt?


    (Beifall der Abg. Rita Streb-Hesse [SPD])

    Ich möchte dies hier für die Bundesregierung klar-

    stellen, damit keine Gerüchte in die Welt gesetzt werden,
    die durch nichts, aber auch gar nichts, gerechtfertigt sind.
    Ich möchte Sie auch bitten, derlei Unterstellungen, wo
    immer Sie auftreten, zu unterlassen.


    (Beifall bei der SPD)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schauerte,
zur Erwiderung.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hartmut Schauerte


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege
    Staffelt, genau dazu bin ich nicht bereit; denn das, was wir
    bisher aus diesem Bereich gehört haben, rechtfertigt die
    von mir abgegebene Behauptung. Es hat Zusagen gege-
    ben, aufgrund deren sich die Antragsteller sicher sein
    konnten, am Ende die Erlaubnis zu erhalten. Sie brauch-
    ten von Anfang an die Mühen der Kompromisse und der
    Kompromisssuche nicht auf sich zu nehmen. Das ist von
    den Behörden, die mit ihnen zu tun gehabt haben, im
    Übrigen auch bestätigt worden.


    (Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


    Herr Kollege Staffelt, das Verfahren war von Anfang
    an nicht sauber.


    (Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Das kann man so nicht stehen lassen! Das wird Folgen für Sie haben! Das kann ich Ihnen sagen! – Jörg Tauss [SPD]: Jetzt sind wir richtig sauer! Stocksauer! – Susanne Kastner [SPD]: Einstweilige Verfügung, Herr Schauerte!)