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    Wahl des Abgeordneten Wolfgang Grotthaus als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23655 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 23655 A Zusatztagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Renten- bank (Drucksachen 14/7753, 14/8169, 14/8706, 14/9095) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23655 C Gesetzes zurÄnderung des Grund- gesetzes (Staatsziel Tierschutz) (Drucksachen 14/8360, 14/9090) 23656 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Guido Westerwelle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung) (Drucksachen 14/207, 14/9090) . . . 23656 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Ruth Fuchs, Kersten Naumann und der Fraktion der PDS Plenarprotokoll 14/237 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 237. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur weiteren Fortentwicklung des Fi- nanzplatzes Deutschland (Viertes Finanz- marktförderungsgesetz) (Drucksachen 14/8017, 14/8600, 14/8601, 14/8958, 14/9096) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23655 D Tagesordnungspunkt 21: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) (Drucksachen 14/8860, 14/9090) 23656 A – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel) (Drucksachen 14/279, 14/9090) . . . 23656 B – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel „Tier- schutz“) (Drucksachen 14/758, 14/9090) . . . 23656 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft . . . . . . 23656 C – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Tierschutzbericht 2001 der Bundesregierung – zu dem Antrag der Abgeordneten Marianne Klappert, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Verbesserungen im Tierschutz national und euro- paweit vorantreiben – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Tierschutz auf natio- naler und EU-Ebene fortent- wickeln (Drucksachen 14/5712, 14/7180, 14/6047, 14/8168) . . . . . . . . . . . . . . . . 23656 D Hermann Bachmaier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23656 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 23658 A Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 23660 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23662 A Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 23663 A Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatsse- kretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23663 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23665 A Marianne Klappert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23666 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23667 B Heinz Schmitt (Berg) SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23668 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23672 A Zusatztagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 387 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9070) . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 388 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9071) . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 28: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 389 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9072) . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 390 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9073) . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 30: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 392 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9075) . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 31: Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 395 zu Peti- tionen (Drucksache 14/9076) . . . . . . . . . . . . . . . . 23670 A Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gesundheitswesen patienten- orientiert, freiheitlich und zukunftssi- cher gestalten (Drucksache 14/8595) . . . . . . . . . . . . . . . . 23670 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Für eine leis- tungsfähige und bezahlbare Gesund- heitsversorgung (Drucksache 14/9054) . . . . . . . . . . . . . . . . 23670 A Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 23670 B Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23674 B Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23677 B Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . 23678 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23679 A Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23680 B Dr. Margrit Spielmann SPD . . . . . . . . . . . . . . 23681 C Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23683 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002II Tagesordnungspunkt 23: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neure- gelung des Energiewirtschafts- rechts (Drucksachen 14/5969, 14/9081) 23685 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Eva Bulling-Schröter, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Energiewirtschafts- gesetzes (EnWG) (Drucksachen 14/6796, 14/9081) 23685 B Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie d) zu dem Antrag der Abgeordneten Hartmut Schauerte, Dagmar Wöhrl, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Fairer Wettbe- werb im Strom- und Gasmarkt effek- tiv und effizient sichern c) zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Eva Bulling-Schröter, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Zugangsverordnung für Strom- netze erlassen (Drucksachen 14/7614, 14/6795, 14/9081) 23685 C b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über Energiesta- tistiken (Energiestatistikgesetz) (Drucksachen 14/8388, 14/9080) . . . . 23685 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Walter Hirche, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Energiebericht für eine energiepolitische Grundsatzdebatte nutzen (Drucksachen 14/7814, 14/8183) . . . . 23685 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Walter Hirche, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Marktwirtschaftliche För- derung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger (Drucksachen 14/5328, 14/7139) . . . . 23685 D g) Antrag der Abgeordneten Walter Hirche, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Marktwirtschaftliche Orientie- rung statt staatlicher Preislenkung im Stromsektor (Drucksache 14/8279) . . . . . . . . . . . . . 23685 D h) Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Stromrechnungen transparent gestalten (Drucksache 14/5465) . . . . . . . . . . . . . 23685 D i) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Walter Hirche, Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes gegen Wettbewerbsbeschrän- kungen (Drucksache 14/6968) . . . . . . . . . . . . . 23686 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 23686 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23687 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23689 B Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23690 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23691 D Volker Jung (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . . . . 23692 D Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23693 A Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23694 D Tagesordnungspunkt 24: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Wolfgang Bosbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Vermeidung von Spätab- treibungen – Hilfen für Eltern und Kinder (Drucksache 14/6635) . . . . . . . . . . . . . 23697 B b) Antrag der Abgeordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordne- ten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Rechtsanspruch auf Be- ratung im Mutterpass zusätzlich festschreiben (Drucksache 14/9030) . . . . . . . . . . . . . 23697 B Christel Riemann-Hanewinckel SPD . . . . . . 23697 C Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23698 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23700 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 III Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23701 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23701 D Inge Wettig-Danielmeier SPD . . . . . . . . . . . . 23702 B Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Verbraucherinformati- onsgesetzes (VerbIG) (Drucksachen 14/8738, 14/8992, 14/9065) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23703 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Verbraucherinforma- tionsgesetz effektiv gestalten – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Funke, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung – Auf dem Weg in eine verbraucherori- entierte Marktwirtschaft (Drucksachen 14/8784, 14/8520, 14/9065) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23703 C c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorga- nisation des gesundheitlichen Ver- braucherschutzes und der Lebens- mittelsicherheit (Drucksachen 14/8747, 14/9008, 14/9064, 14/9078) . . . . . . . . . . . . . . . . 23703 D d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgeset- zes (Drucksachen 14/8585, 14/9062) . . . . . 23704 A Tagesordnungspunkt 26: Antrag der Abgeordneten Peter Götz, Gerda Hasselfeldt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Er- schwernis von Erschließungsmaßnah- men durch Doppelbesteuerung verhin- dern (Drucksache 14/8593) . . . . . . . . . . . . . . . . 23705 A Peter Götz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23705 A Tagesordnungspunkt 27: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Errich- tung einer Verkehrsinfrastrukturfinan- zierungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen (Verkehrs- infrastrukturfinanzierungsgesell- schaftsgesetz) (Drucksachen 14/8449, 14/9084) . . . . . 23707 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenbauprivatfinanzie- rungsgesetzes und straßenverkehrs- rechtlicher Vorschriften (FstrPriv- FinÄndG) (Drucksachen 14/8447, 14/9066) . . . . . 23707 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Fünften Gesetzes zur Än- derung des Bundesfernstraßen- gesetzes (5. FStrÄndG) (Drucksachen 14/8448, 14/8911) . . . . . 23707 B d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und an- derer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (StVRÄndG) (Drucksachen 14/8766, 14/9059) . . . . . 23707 C e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Durchführung der Flugver- kehrskontrolle durch die Schweizeri- sche Eidgenossenschaft über deut- schem Hoheitsgebiet und über Auswirkungen des Betriebes des Flug- hafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Gesetz zu dem deutsch-schweizerischen Ver- trag vom 18. Oktober 2001) (Drucksachen 14/8731, 14/9057) . . . . . 23707 C f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Erleichte- rung des Marktzugangs im Luftver- kehr (Drucksachen 14/8730, 14/9058) . . . . . 23707 D g) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Ersten Gesetzes Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002IV zurÄnderung des Regionalisierungs- gesetzes (Drucksachen 14/8781, 14/9053, 14/9087) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23708 A h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Finan- zierungssicherheit für den Bundesfern- straßenbau über das Jahr 2002 hinaus (Drucksachen 14/7146, 14/8820) . . . . 23708 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans- Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Fairen Wettbe- werb im Luftverkehr bewahren – Si- cherheit erhöhen (Drucksachen 14/7157, 14/9082) . . . . . . . 23708 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Anti-Stau-Programm für Europas Luftverkehr (Drucksachen 14/3188, 14/9083) . . . . . . . 23708 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23708 C Georg Brunnhuber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23710 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23712 B Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 23714 C Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23716 A Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23717 B Dr. Peter Danckert SPD . . . . . . . . . . . . . . 23718 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23719 C Hans-Peter Repnik CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23719 C Karin Rehbock-Zureich SPD . . . . . . . . . . . . . 23720 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23721 B Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23722 C Tagesordnungspunkt 28: a) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP:Op- ferrechte stärken und verbessern (Drucksache 14/7832) . . . . . . . . . . . . . 23725 D b) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Norbert Geis, Volker Kauder, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (Drucksache 14/8788) . . . . . . . . . . . . . 23726 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23726 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23727 B Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23728 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23731 A Zusatztagesordnungspunkt 23: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Gentechnikgesetzes (Drucksachen 14/8230, 14/8767, 14/9089) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 A – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes ... Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes (Drucksachen 14/5929, 14/9089) . . . . 23733 B Tagesordnungspunkt 31: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Margot von Renesse, Hermann Bach- maier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeord- neten Volker Beck (Köln), Hans- Christian Ströbele, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Auf- hebung nationalsozialistischer Un- rechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhGÄndG) (Drucksachen 14/8276, 14/9092) . . . . 23733 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Aufhebung der na- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 V tionalsozialistischen Unrechtsurteile gegen Deserteure (Drucksachen 14/5612, 14/8114, 14/9092) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 D Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23734 A Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23734 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23737 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23738 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 23739 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 23740 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23741 B Tagesordnungspunkt 32: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publi- zitätsgesetz) (Drucksachen 14/8769, 14/9079) . . . . . . . 23742 A Tagesordnungspunkt 33: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pflicht- versicherungsgesetzes und anderer ver- sicherungsrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 14/8770, 14/9067) . . . . . . . 23742 C Tagesordnungspunkt 35: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung (Drucksachen 14/7562, 14/9088) . . . . . 23742 D – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Regelung der Zu- ständigkeit für die Anordnung einer DNA-Untersuchung bei Spuren (Drucksachen 14/5264, 14/9088) . . . . . 23742 D Tagesordnungspunkt 36: Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Wolfgang Bierstedt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Ökologisch- sozialen Ausbau der regionalen Infra- struktur mit einer Verstetigung von Be- schäftigung verbinden (Drucksache 14/8640) . . . . . . . . . . . . . . . . 23743 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23743 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23745 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) (Tagesordnungspunkt 21 a) . . . . . 23746 A Hubert Deittert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23746 A Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23746 B Dr. Reinhard Göhner CDU/CSU . . . . . . . . . . 23746 C Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23747 A Bärbel Sothmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23747 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe) (SPD) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Absatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 25 d) . . . . . . . . . . . . . . . 23748 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schwei- zerischen Eidgenossenschaft über die Durch- führung der Flugverkehrskontrolle durch die Schweizerische Eidgenossenschaft über deut- schem Hoheitsgebiet und über Auswirkungen des Betriebes des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutsch- land (Gesetz zu dem deutsch-schweizerischen Vertrag vom 18. Oktober 2001) (Tagesordnungspunkt 27 e) . . . . . . . . . . . . . . . 23748 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Verbraucherinformationsge- setzes (VerBIG) – Beschlussempfehlung und Bericht: – Antrag: Verbraucherinformationsgesetz ef- fektiv gestalten – Entschließungsantrag: zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung – Auf dem Weg in eine verbraucherorien- tierte Marktwirtschaft – Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisa- tion des gesundheitlichen Verbraucher- schutzes und der Lebensmittelsicherheit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002VI – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 25 a–d) . . . . . . . . . . . . . 23749 A Ute Kumpf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23749 A Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23750 A Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23750 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 23751 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23753 B Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23753 C Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . . 23754 A Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Erschwernis von Erschließungs- maßnahmen durch Doppelbesteuerung verhin- dern (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . 23755 B Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23755 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23756 A Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23756 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23757 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungs- gesellschaft zur Finanzierung von Bundes- verkehrswegen (Verkehrsinfrastrukturfi- nanzierungsgesellschaftsgesetz – VIFGG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsge- setzes und straßenverkehrsrechtlicher Vor- schriften (FstrPrivFinÄndG) – Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Ände- rung des Bundesfernstraßengesetzes (5. FstrÄndG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (StVRÄndG) – Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Schwei- zerischen Eidgenossenschaft über die Durchführung der Flugverkehrskontrolle durch die Schweizerische Eidgenossen- schaft über deutschem Hoheitsgebiet und über Auswirkungen des Betriebes des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Gesetz zu dem deutsch-schweizerischen Vertrag vom 18. Oktober 2001) – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Marktzugangs im Luftverkehr – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Regionalisierungsgesetzes – Antrag: Finanzierungssicherheit für den Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus – Antrag: Fairen Wettbewerb im Luftverkehr bewahren – Sicherheit erhöhen – Antrag: Anti-Stau-Programm für Europas Luftverkehr (Tagesordnungspunkt 27 und Zusatztagesord- nungspunkte 21 und 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23757 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23758 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Opferrechte stärken und verbes- sern – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (Tagesordnungspunkt 28 a und b) . . . . . . . . . . 23759 B Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23759 B Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23760 C Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: – Zweites Gesetz zur Änderung des Gen- technikgesetzes – ... Gesetz zur Änderung des Gentechnikge- setzes (Zusatztagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . 23761 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23761 A Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23761 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23763 A Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23763 C Gudrun Schaich-Walch, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23764 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Re- form des Aktien- und Bilanzrechts, zu Trans- parenz und Publizität (Transparenz- und Publi- zitätsgesetz) (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 23765 A Gabriele Lösekrug-Möller SPD . . . . . . . . . . . 23765 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 VII Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . . . . . . . . 23766 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23769 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23769 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23770 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, BMJ . . . . . . . . . . . 23770 C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer ver- sicherungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 23771 C Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23771 C Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . . . . . . . . 23772 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23774 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23775 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23775 D Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 23776 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Zuständigkeit für die Anordnung einer DNA-Untersuchung bei Spuren (Tagesordnungspunkt 35) . . . . . . . . . . . . . . . . 23777 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . . 23777 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23778 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23779 B Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23779 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23780 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 23780 C Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ökologisch-sozialen Ausbau der re- gionalen Infrastruktur mit einer Verstetigung von Beschäftigung verbinden (Tagesordnungspunkt 36) . . . . . . . . . . . . . . . . 23781 C Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23781 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 23783 A Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23784 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 23785 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23786 A Anlage 14 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23786 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002VIII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 23743 (C) (D) (A) (B) 2) Anlage 131) Anlage 12 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23745 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 17.05.2002 Gila DIE GRÜNEN Bindig, Rudolf SPD 17.05.2002* Bohl, Friedrich CDU/CSU 17.05.2002 Dr. Eckardt, Peter SPD 17.05.2002 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 17.05.2002 DIE GRÜNEN Fischer (Karlsruhe- CDU/CSU 17.05.2002 Land), Axel E. Flach, Ulrike FDP 17.05.2002 Frankenhauser, CDU/CSU 17.05.2002 Herbert Friedrich (Altenburg), SPD 17.05.2002 Peter Dr. Gerhardt, FDP 17.05.2002 Wolfgang Gilges, Konrad SPD 17.05.2002 Gleicke, Iris SPD 17.05.2002 Glos, Michael CDU/CSU 17.05.2002 Helling, Detlef CDU/CSU 17.05.2002 Hiksch, Uwe PDS 17.05.2002 Irmer, Ulrich FDP 17.05.2002 Jüttemann, Gerhard PDS 17.05.2002 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 17.05.2002 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 17.05.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 17.05.2002 Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 17.05.2002 Kolbow, Walter SPD 17.05.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 17.05.2002 Kossendey, Thomas CDU/CSU 17.05.2002 Kuhn, Werner CDU/CSU 17.05.2002 Leidinger, Robert SPD 17.05.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 17.05.2002* Lippmann, Heidi PDS 17.05.2002 Dr. Lippold CDU/CSU 17.05.2002 (Offenbach), Klaus W. Dr. Luther, Michael CDU/CSU 17.05.2002 Metzger, Oswald BÜNDNIS 90/ 17.05.2002 DIE GRÜNEN Michels, Meinolf CDU/CSU 17.05.2002 Neumann (Gotha), SPD 17.05.2002 Gerhard Nolte, Claudia CDU/CSU 17.05.2002 Ostrowski, Christine PDS 17.05.2002 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 17.05.2002 Pieper, Cornelia FDP 17.05.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 17.05.2002 Rauber, Helmut CDU/CSU 17.05.2002 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 17.05.2002 Ronsöhr, CDU/CSU 17.05.2002 Heinrich-Wilhelm Roos, Gudrun SPD 17.05.2002 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 17.05.2002 Rühe, Volker CDU/CSU 17.05.2002 Sauer, Thomas SPD 17.05.2002 Scharping, Rudolf SPD 17.05.2002 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 17.05.2002 Schily, Otto SPD 17.05.2002 Schmidt-Zadel, Regina SPD 17.05.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 17.05.2002 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 17.05.2002 Schröter, Gisela SPD 17.05.2002 Schütze (Berlin), CDU/CSU 17.05.2002 Diethard Schultz (Everswinkel), SPD 17.05.2002 Reinhard Seehofer, Horst CDU/CSU 17.05.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 17.05.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Tappe, Joachim SPD 17.05.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 17.05.2002 Voßhoff, Andrea CDU/CSU 17.05.2002 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 17.05.2002 Wilz, Bernd CDU/CSU 17.05.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 17.05.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung des Grund- gesetzes (Staatsziel Tierschutz) (Tagesordnungs- punkt 21 a) Hubert Deittert (CDU/CSU): Der Schutz der Tiere ist im Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in unserer Verfassung bereits verankert (Art. 20 a GG). Die Ein- führung einer gesonderten Staatszielbestimmung Tier- schutz in das Grundgesetz verbessert den Tierschutz nicht. Tierschutz ist seit langem ein fester Bestandteil unse- rer Rechtsordnung. Dem Tier als lebendem und fühlen- dem Wesen kommt damit schon jetzt richtigerweise eine hervorgehobene Stellung zu. Die Bundesrepublik Deutschland gehört in der Europäischen Union zu den Ländern mit den strengsten tierschutzrechtlichen Bestim- mungen. Was wir erreicht haben, muss auch in Europa verwirklicht werden. Dazu sind weitere, praktische Initia- tiven zur einheitlichen Verbesserung des Tierschutzes in Europa erforderlich. Probleme und Missstände im Tier- schutz ergeben sich nicht in erster Linie aus unzureichen- den rechtlichen Regelungen, sondern aus einer Miss- achtung des Gesetzes. Verbesserungen für den Tierschutz werden darum nicht nur durch weitere Rechtsnormen ge- fördert, sondern durch die praktische Durchsetzung der bestehenden. Eine programmatische Bestimmung als Staatsziel kann verantwortliches Handeln der Exekutive bei der Durchsetzung der rechtlichen Regelungen nicht ersetzen. Aus diesen Gründen lehne ich die Einführung einer ge- sonderten Staatszielbestimmung Tierschutz in das Grund- gesetz ab. Renate Diemers (CDU/CSU): Dem Tierschutz haben sich viele Menschen in unserem Land verschrieben und tatsächlich gibt es noch viele Bereiche, insbesondere bei der Nutztierhaltung, in denen Handlungsbedarf angezeigt ist. Ich stimme der Grundgesetzänderung heute zu, da wir als Menschen selbstverständlich auch den Tieren als Mit- geschöpfen gegenüber eine Verpflichtung und Verantwor- tung haben. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass wir bei dieser Diskussion um Tierschutz die Verhältnismäßigkeit gegenüber anderen Schutzbedürftigen, insbesondere der Kinder, wahren sollten. Wir muten unseren Kindern sehr viel zu; sie sind vielen Gefahren und Verlockungen aus- gesetzt. Es wäre begrüßenswert, wenn sich all diejenigen, die sich für den lobenswerten Tierschutz engagieren, mit der gleichen Intensität auch dem Lebensschutz der Kin- der, dem Jugendschutz und einer kinder- und familien- freundlichen Gesellschaft widmen würden. Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU): Ich stimme der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel im Grundgesetz nicht zu, weil diese Grundgesetzänderung dem Tierschutz nicht nutzen wird und rechtspolitisch höchst bedenklich ist. Der Schutz unserer Tiere gehört auch zu den Aufgaben und Zielen des Staates. Der Tierschutz ist mir persönlich besonders wichtig. Als aktiver und engagierter Tierschüt- zer weiß ich, dass es viele Defizite auf diesem Gebiet in unserem Lande gibt. Keines dieser Defizite wird jedoch durch die Änderung des Grundgesetzes beseitigt. Weder wird der gesetzliche Schutz der Tiere verbessert noch der bestehende gesetzliche Schutz der Tiere dadurch besser durchgesetzt. Im Gegenteil: Ich fürchte, dass ein Staats- ziel Tierschutz von vielen Befürwortern als Alibi und Vorwand genutzt wird, um die Durchsetzung eines besse- ren Tierschutzes in der Praxis zu unterlassen. Die Grund- gesetzänderung selbst wird jedoch überhaupt nichts be- wirken. Keines der Vollzugsdefizite wird dadurch beseitigt. Ich fürchte, dass ein Staatsziel Tierschutz eine ähnliche Wirkung haben wird wie das Staatsziel Naturschutz im Art. 20 a des Grundgesetzes. Seitdem der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Staatsziel im Grundgesetz ist, hat der Natur- und Umweltschutz in Deutschland nicht etwa einen höheren Stellenwert erhalten, sondern syste- matisch an Bedeutung verloren. Ich wende mich gegen die rechts- und verfassungs- politisch bedenkliche Vermehrung von Staatszielen im Grundgesetz. Der Gesetzgeber muss selbst im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz staatliche Prioritäten ordnen. Die Exekutive muss den Vollzug der bestehenden gesetzlichen Regelungen gewährleisten. Dies kann nicht durch programmatische Staatsziele im Grundgesetz er- setzt werden. Es ist rechts- und verfassungspolitisch be- denklich, das Grundgesetz um immer weitere program- matische Ziele auszuweiten. Wenn der Gesetzgeber zu der Einsicht kommen würde, dass der gesetzliche Schutz unserer Tiere unzureichend ist, so müsste er konkret bestimmen, was der Staat zum besseren Schutz der Tiere tun soll. Der Schutz unserer Tiere ist im Übrigen nicht allein durch den Staat zu ge- währleisten. Es geht letztlich um einen verantwortlichen Umgang der Menschen mit den Tieren. Mit dem Staats- ziel Tierschutz wird die Illusion genährt, als ob der Tier- schutz primär eine Sache des Staates sei. Er ist natürlich auch eine staatliche Aufgabe, die allerdings nicht durch eine Grundgesetzänderung erfüllt werden kann. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223746 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Werner Lensing (CDU/CSU): Als Berichterstatter für Tierschutz im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung erkläre ich hiermit, dass ich dem Antrag für eine Verankerung eines Staatsziels Tier- schutz nicht zustimmen kann. Begründung Erstens. Die bis in die 12. Legislaturperiode hineinrei- chende, tiefgründige Diskussion über eine Staatszielver- ankerung „Tierschutz“ hat zu einem eindeutigen Ergebnis geführt: Ein Staatsziel „Tierschutz“ ist für die wirklichen Probleme wirkungslos, für die Verfassung schädlich und für die deutsche tierexperimentelle Forschung bedrohlich. Die eigentlichen unerträglichen Vergehen gegen Tiere werden mit einer verfassungsmäßigen Verankerung des Tierschutzes nicht einmal im Ansatz erreicht. Zweitens. Die leidigen Tiertransporte etwa sind kein Regelungsgegenstand des nationalen, sondern des euro- päischen Rechts und werden juristisch durch ein Staats- ziel Tierschutz keineswegs erreicht. Die vorhersehbare Enttäuschung vieler Menschen, die durch die Verfas- sungsänderung auf eine Verbesserung der Realität hoffen, wird im Endergebnis der Rechtsverbindlichkeit der Ver- fassung insgesamt schaden. Will der Gesetzgeber gegen die Missstände bei der Massentierhaltung verschärfte Maßnahmen ergreifen, muss er dies auf dem einfach ge- setzlichen Weg tun. Drittens. Ist also ein verbesserter konkreter Tierschutz durch eine Staatszielverankerung nicht zu erkennen, so kommt die Verfassungsänderung doch einem folgen- reichen Paradigmenwechsel gleich. Dieser verändert die Gesamtbalance innerhalb der Werteordnung des bisher ausschließlich auf den Menschen bezogenen Grundgeset- zes in gefährlicher Weise. Viertens. Die folgenreichste Wirkung einer Staatsziel- verankerung Tierschutz liegt jedoch in dem unverhältnis- mäßigen „Sonderopfer Forschung“. Genau auf diesen Punkt zielen die eigentlichen Interessen der Staatszielbe- fürworter – wollen diese doch bewirken, dass Richter über die Notwendigkeit von Tierversuchen letztverbindlich zu entscheiden haben. Dabei haben wir in Deutschland im Be- reich tierexperimenteller Forschung ein exzellentes, sehr strenges, ja weltweit einmaliges Tierschutzgesetz. In kei- nem Land der Welt unterliegen Tierversuche einer so engen und lückenlosen Kontrolle wie in Deutschland. Gerade hier ist eine Staatszielverankerung überflüssig und in seiner Folgewirkung kontraproduktiv. Da nunmehr die Rangfolge zwischen dem Grundrecht der Forschungsfreiheit und dem Staatsziel Tierschutz stets im Einzelfall festgestellt werden muss, kommt eine beispiellose und massive juristische Auseinandersetzung auf deutsche Wissenschaftler zu. Fünftens. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Niveau-Absenkung tierexperimenteller Forschung, Be- hinderung internationaler Zusammenarbeit, Fehlen von Planungssicherheit bei Forschungsprojekten, Qualifikati- onsdefizite des wissenschaftlichen Nachwuchses, Verlust von Arbeitsplätzen durch abgewanderte Forschungs- und Industriestandorte. Fazit: Man kann nicht auf der einen Seite innerhalb der Biotechnologie den Anschluss Deutschlands an die Welt- spitze fordern, auf der anderen Seite aber groß Hemm- nisse für die Forschung aufbauen. Bärbel Sothmann (CDU/CSU): Als ehemalige Be- richterstatterin für Tierschutz im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in der 12. Le- gislaturperiode erkläre ich hiermit, dass ich dem Antrag für eine Verankerung eines Staatsziels Tierschutz nicht zustimmen kann. Begründung Erstens. Die bis in die 12. Legislaturperiode hineinrei- chende, tiefgründige Diskussion über eine Staatszielver- ankerung „Tierschutz“ hat zu einem eindeutigen Ergebnis geführt: Ein Staatsziel „Tierschutz“ ist für die wirklichen Probleme wirkungslos, für die Verfassung schädlich und für die deutsche tierexperimentelle Forschung bedrohlich. Die eigentlichen unerträglichen Vergehen gegen Tiere werden mit einer verfassungsmäßigen Verankerung des Tierschutzes nicht einmal im Ansatz erreicht. Zweitens. Die leidigen Tiertransporte etwa sind kein Regelungsgegenstand des nationalen, sondern des euro- päischen Rechts und werden juristisch durch ein Staats- ziel Tierschutz keineswegs erreicht. Die vorhersehbare Enttäuschung vieler Menschen, die durch die Verfas- sungsänderung auf eine Verbesserung der Realität hoffen, wird im Endergebnis der Rechtsverbindlichkeit der Ver- fassung insgesamt schaden. Will der Gesetzgeber gegen die Missstände bei der Massentierhaltung verschärfte Maßnahmen ergreifen, muss er dies auf dem einfach ge- setzlichen Weg tun. Drittens. Ist also ein verbesserter konkreter Tierschutz durch eine Staatszielverankerung nicht zu erkennen, so kommt die Verfassungsänderung doch einem folgen- reichen Paradigmenwechsel gleich. Dieser verändert die Gesamtbalance innerhalb der Werteordnung des bisher ausschließlich auf den Menschen bezogenen Grundgeset- zes in gefährlicher Weise. Viertens. Die folgenreichste Wirkung einer Staatsziel- verankerung Tierschutz liegt jedoch in dem unverhältnis- mäßigen „Sonderopfer Forschung“. Genau auf diesen Punkt zielen die eigentlichen Interessen der Staatszielbe- fürworter – wollen diese doch bewirken, dass Richter über die Notwendigkeit von Tierversuchen letztverbindlich zu entscheiden haben. Dabei haben wir in Deutschland im Be- reich tierexperimenteller Forschung ein exzellentes, sehr strenges, ja weltweit einmaliges Tierschutzgesetz. In kei- nem Land der Welt unterliegen Tierversuche einer so engen und lückenlosen Kontrolle wie in Deutschland. Gerade hier ist eine Staatszielverankerung überflüssig und in seiner Folgewirkung kontraproduktiv. Da nunmehr die Rangfolge zwischen dem Grundrecht der Forschungsfreiheit und dem Staatsziel Tierschutz stets im Einzelfall festgestellt werden muss, kommt eine beispiellose und massive juristische Auseinandersetzung auf deutsche Wissenschaftler zu. Fünftens. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Niveau-Absenkung tierexperimenteller Forschung, Be- hinderung internationaler Zusammenarbeit, Fehlen von Planungssicherheit bei Forschungsprojekten, Qualifika- tionsdefizite des wissenschaftlichen Nachwuchses, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23747 (C) (D) (A) (B) Verlust von Arbeitsplätzen durch abgewanderte For- schungs- und Industriestandorte. Fazit: Man kann nicht auf der einen Seite innerhalb der Biotechnologie den Anschluss Deutschlands an die Welt- spitze fordern, auf der anderen Seite aber große Hemm- nisse für die Forschung aufbauen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe) (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 25 d) Dem heute zur Beratung anstehenden Gesetz zur Än- derung des Absatzfondsgesetzes kann ich nicht zustim- men. Ich unterstütze zwar mit Nachdruck die Neuorien- tierung der Agrar- und Ernährungspolitik im Sinne einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Lebensmittelerzeu- gung und die damit verbundene Modifizierung der Auf- gabenstellung des Absatzfonds. Meine Ablehnung zu diesem Gesetz wird allein da- durch begründet, dass ich es für bedenklich halte, nicht an der Finanzierung des Fonds beteiligte Verbände aus den Bereichen ökologischer Landbau des Tier- und Umwelt- schutzes ein Mitspracherecht im Verwaltungsrat ein- zuräumen, da dies der notwendigen gruppennützigen Ver- wendung des Beitragsaufkommens widerspricht. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Thomas Dörflinger (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Durchführung der Flugverkehrskontrolle durch die Schweizerische Eidgenossenschaft über deut- schem Hoheitsgebiet und überAuswirkungen des Betriebes des Flughafens Zürich auf das Hoheits- gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Gesetz zu dem deutsch-schweizerischen Vertrag vom 18. Oktober 2001) (Tagesordnungspunkt 27 e) Ich lehne diesen Entwurf eines Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ab, weil er weder die Interessen der be- troffenen Bevölkerung im deutschen Südwesten ausrei- chend berücksichtigt noch mit dem Grundgesetz der Bun- desrepublik Deutschland vereinbar ist. Für meine Ablehnung mache ich folgende Gründe gel- tend: Erstens. Nachdem nach dem ablehnenden Entscheid in der Verkehrskommission des schweizerischen National- rats eine Zustimmung des Vertragspartners mehr als zwei- felhaft ist, bindet sich die Bundesregierung durch die ein- seitige Ratifizierung vorab in einer unnötigen Weise. Sollte die Schweiz den Vertragsentwurf ablehnen, wird Deutschland gefordert sein, eine einseitige Rechtsverord- nung zur Klärung der offenen Fragen zu erlassen. Durch die mit der Verabschiedung des Staatsvertrags auf deut- scher Seite erfolgende Festlegung auf die dort genannten Parameter wird eine jetzt noch mögliche restriktivere Fas- sung der zu erlassenden Rechtsverordnung politisch un- möglich. Dies verletzt die Interessen der hauptsächlich betroffenen Bevölkerung in den Landkreisen Waldshut, Konstanz und Schwarzwald-Baar in schwerwiegendem Maße. Zweitens. Es widerspricht der Tragweite des Vertrags- inhalts, wenn die Dritte Beratung auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung und der Koalitionsfraktio- nen in verbundener Debatte mit weiteren, mit der Materie nur mittelbar in Zusammenhang stehenden Tagesord- nungspunkten vorgenommen wird. Offenbar sind sich Bundesregierung und Koalitionsfraktionen des mangel- haften Inhalts des Staatsvertragsentwurfs selbst bewusst, denn ansonsten hätten sie eine Beratung innerhalb eines eigenständigen Tagesordnungspunkts ermöglicht. Drittens. Art. 24 Abs. 1 und Art. 87 d des Grundgeset- zes der Bundesrepublik Deutschland regeln die Übertra- gung von Hoheitsrechten und bestimmen eindeutig, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten – und um eine sol- che handelt es sich bei der Übertragung der Luftverkehrs- kontrolle – nur an zwischenstaatliche Organisationen zulässig ist. Die im Staatsvertragsentwurf vorgesehene Übertragung an die Schweizer Firma „Skyguide“ ist von den einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes nicht gedeckt und folglich ist der Vertragsentwurf verfas- sungswidrig. Viertens. Die im Vertragsentwurf vorgesehenen Rege- lungen betreffen ausschließlich das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Wenn nun in Art. 17 des Vertrags geregelt ist, dass die bilateralen Vereinbarungen zwischen der EU und der Schweizerischen Eidgenossen- schaft von dem Vertrag unberührt bleiben, impliziert dies die Möglichkeit, die für das Hoheitsgebiet der Bundesre- publik Deutschland vorgenommenen Beschränkungen mit Verweis auf EU-Recht auszuhebeln, während das Ter- ritorium der Schweizerischen Eidgenossenschaft hiervon unberührt bleibt. Die Vehemenz, mit der die Schweiz in den Vertragsverhandlungen auf dem erwähnten Art. 17 bestand, bestätigt dies. Fünftens. Die vorgesehenen Beschränkungen hinsicht- lich der An- und Abflüge auf Zürich-Kloten über deut- sches Hoheitsgebiet sind insbesondere mit Blick auf die zahlreichen und recht weit auslegbaren Ausnahmebestim- mungen nicht dazu geeignet, die Tourismusregionen Südschwarzwald und Bodenseeregion in ihrer wirt- schaftspolitisch bedeutsamen Entwicklung vor der Beein- trächtigung durch den Fluglärm zu schützen. Sechstens. Der Vertragsentwurf lässt die Tatsache, dass sich die Warteräume ausschließlich auf deutschem Staats- gebiet befinden, unwidersprochen. Sonderbar ist in die- sem Zusammenhang auch, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bislang keine Veranlassung sah, gegen den Warteraum EKRIT, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223748 (C) (D) (A) (B) der sich über einer ganzen Reihe kerntechnischer Anlagen – Kernkraftwerke Leibstadt und Beznau, Zwischenlager Würenlingen – befindet, vorzugehen, was im Rahmen der Vertragsverhandlungen durchaus möglich gewesen wäre. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Verbraucherinformationsge- setzes (VerbIG) – Beschlussempfehlung und Bericht: – Antrag: Verbraucherinformationsgesetz effek- tiv gestalten – Entschließungsantrag: zu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung – Auf dem Weg in eine verbraucherorientierte Marktwirtschaft – Entwurf eines Gesetzes zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ab- satzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 25 a bis d) Ute Kumpf (SPD): Mit dem Verbraucherinformations- gesetz gehen wir den Weg „Wissen ist Macht“. Verbrau- cherschutz stellt sich nicht alleine durch materielle Vorga- ben und ausreichende Kontrolle dieser Vorgaben her. Die dritte Säule einer wirkungsvollen Verbraucherschutzpoli- tik sind Information und der umfassende Anspruch auf Auskunft für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Um sich am Markt selbstbestimmt als Konsument be- haupten zu können, benötigen Verbraucherinnen und Ver- braucher mehr Informationen, mehr Transparenz und Klarheit über die Art der Produktion, der Inhaltsstoffe und der möglichen Gefährdungen. Alle hier im Hause beschwören den mündigen Bürger, den mündigen Verbraucher, den aufgeklärten Verbrau- cher. Richtig: Der Staat soll den Bürger nicht gängeln, der Bürger will den Staat nicht vor der Nase haben, er wünscht sich ihn an seiner Seite. Im Gegensatz zur Opposition erfüllen wir den Ver- braucherinnen und Verbrauchern diesen Wunsch, tun was für sie. Sie sind die Schlüsselfiguren für unsere Verbrau- cherpolitik. Denn Veränderungen am Markt können sich auf Dauer nur dann durchsetzen, wenn der Verbraucher informiert und befähigt wird, seine Macht tatsächlich mit dem Ein- kaufskorb einzusetzen, und wenn er dies auch rational tut. Verbraucherpolitik muss auf Aufklärung setzen. Wird beispielsweise eine Salami von der Lebensmittel- aufsicht vom Markt genommen, so können Behörden nach derzeitiger Rechtslage über die Tatsache an sich informie- ren, aber nicht über den Namen von Produkt oder Herstel- ler. Auch die Information, welche Firmen regelmäßig ge- gen das Lebensmittelrecht verstoßen, werden gegenwärtig unter Verschluss gehalten – „Dienstgeheimnis“. Ein aufgeklärter Verbraucher ist zunächst mal auf um- fassende Informationen angewiesen. Ein Verbraucherin- formationsgesetz muss daher den öffentlichen Zugang zu staatlichen Prüfergebnissen und Bewertungen sicherstel- len. Das tun wir. Mit Geheimer Verschlusssache ist dann Schluss. Mit dem Gesetz gilt: freier Zugang zu Informationen über Produkte, die den Behörden vorliegen. Das gilt für Bund, Länder wie Gemeinden, beispielsweise für die Le- bensmittelüberwachungs- oder die Veterinäruntersu- chungsämter. Freier Zugang heißt, von den Behörden zu erfragen, welche Informationen vorliegen, zu deren Beschaffenheit oder zu den Herstellungsbedingungen, ob sie Allergene enthalten oder welche sonstigen Untersuchungsergeb- nisse vorliegen. Freier Zugang zu Informationen heißt auch, die Behör- den erhalten darüber hinaus das Recht, von sich aus über bestimmte Sachverhalte, Grenzwerte, Risikostoffe usw. aktiv zu informieren. Auch beim Verstoß gegen verbraucherschützende Vor- schriften werden die Behörden die Namen der Firmen be- kannt geben können. Damit können schwarze Schafe be- nannt werden. Das ist nicht nur im Sinne der Verbraucher; daran müssten auch die Unternehmen ein Interesse haben, die sich vorschriftsmäßig verhalten, eine weiße Weste haben und sich von Machenschaften anderer abgrenzen wollen. „Wissen ist Macht“, das ist unser Weg, der der SPD. Die Opposition, allen voran die CDU/CSU, verfährt dagegen eher nach dem Spontispruch: Wissen ist Macht – aber nichts wissen macht auch nichts. Denn ihr Ent- schließungsantrag gaukelt Fortschrittlichkeit vor, ist letzt- endlich scheinheilig, und bayuwarische Lüftlmalerei. Die Forderung einen Auskunftsanspruch gegenüber Unter- nehmen auf EU-einheitlicher Basis zu schaffen, ver- schiebt die Lösung des Problems auf den Sankt-Nimmer- leins-Tag. Auf diesen wollen wir nicht warten. Ein Verbraucherinformationsgesetz, das sich auf Le- bensmittel und Bedarfsgegenstände beschränkt und die Unternehmen in der Informationspflicht außen vor lässt, ist zwar ein kleiner Schritt, ich hätte mir auch einen größe- ren Sprung gewünscht. Es ist aber der erste Schritt, er geht in die richtige Rich- tung und er geht vor allem vorwärts. Sie trippeln mit ihrem EU- Konzept auf der Stelle, kreiseln um sich selbst, täu- schen ein Ja vor, das letztendlich ein Nein darstellt, weil ihre Forderungen nicht realisierbar sind und der Verbrau- cher mit vielen Versprechungen alleine gelassen wird. Wir behalten die Unternehmen im Auge, wir entlassen sie nicht aus ihrer Verantwortung. Sie sind beim ersten Schritt mit dabei, wenn sie sich durch Selbstverpflichtung als verbraucherfreundlich beweisen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23749 (C) (D) (A) (B) Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger und ehemaliger Chef- ökonom der Weltbank, hat schon früh darauf hingewie- sen, dass informierte Verbraucher wichtige Partner der Marktwirtschaft sind. Bei einem Markt für Güter mit Qualitätsmängeln hilft ihr Wissen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Sie sind Vorbilder für andere Verbraucher, tragen durch ihre Kaufentscheidung zur Qualitätssicherung bei. Eine vorsorgende Verbraucherpolitik ist ein positiver Standortfaktor. Wenn die Nachfrageseite gestärkt wird, der Verbraucher zum Verbündeten wird, dann können nachteilige Folgen des Wettbewerbs für die nationale Wirtschaft, für die sozialen, ökologischen und kulturellen Lebensbedingungen abgewehrt werden. Auf dieses Ziel hin arbeiten wir. Schritt für Schritt. Jella Teuchner (SPD): Wir verabschieden heute das Verbraucherinformationsgesetz. In Zukunft haben die Kunden nicht mehr die Wahl zwischen Schinken oder kei- nem Schinken – sie wissen, wer zu viel Wasser in den Schinken spritzt, und können von Anbietern kaufen, die fair mit dem Kunden umgehen. Wir geben den Kunden die Wahlfreiheit und schützen die Anbieter, die weder täu- schen noch tricksen. Hier ändert sich die Rechtslage, hier machen wir einen wichtigen Schritt nach vorne. Als Anfang diesen Jahres Schinkenprodukte auftauch- ten, die zu viel Wasser enthielten, konnten die Verbrau- cherinnen und Verbraucher nicht feststellen, ob in ihrem Einkaufswagen Schinken oder Wasser liegt. Eine Ge- sundheitsgefährdung lag nicht vor, Ross und Reiter durf- ten von den Behörden nicht genannt werden. Die bishe- rige Rechtslage nimmt hier den Kunden die Wahlfreiheit und schützt die Anbieter, die täuschen und tricksen. Dies soll in Zukunft anders werden. Die Frage, auf die wir heute eine Antwort geben, lau- tet: Wollen wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Informationen geben, die sie für bewusste Kaufent- scheidungen brauchen? Wir sollten sie alle mit Ja beant- worten. Wir sollten aber auch Ja zu dem Vertrauen sagen, dass wir dadurch in Bezug auf die Sicherheit von Lebensmit- teln und Bedarfsgegeständen schaffen. Bisher lauten Be- hörden-Auskünfte doch so: „Wir überwachen diese Pro- dukte, es gibt keine Gefährdung.“ Mich wundert es nicht, dass die Medien bei solchen Aussagen über ein Vertu- schen spekulieren. Oder sind Ihre Zweifel bei einer sol- chen Antwort ausgeräumt? In Zukunft werden die Behörden sagen: „Wir haben diese Produkte überprüft. In Produkt A haben wir diesen Stoff gefunden. Die betroffenen Waren wurden aus dem Handel genommen. Andere Produkte des Herstellers sind nicht betroffen.“ Diese Aussage wird nicht als Geheim- niskrämerei ausgelegt werden. Sie signalisiert zum einen Offenheit der Behörde, zum anderen aber auch verant- wortliches Handeln des Unternehmens. Das Ziel, das wir alle verfolgen, ist: bewusstes Kauf- verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher und ver- antwortliches Handeln der Unternehmen. Wir begrüßen, dass die Unternehmen in den Diskussionen betont haben, dass eine offene Informationspolitik auch für sie von großer Bedeutung ist. Wir nehmen das auch auf: Es ist jetzt vorgesehen, dass die Unternehmen zunächst selbst informieren können. Unternehmen, die verantwortlich handeln, sollen dies auch nach außen darstellen können. Was wir aber nicht mehr wollen, ist, dass unverant- wortlich Handelnde geschützt werden. Wie war es denn beim Schinken? Bis heute wissen die Käufer nicht, wel- che Firma sich nicht an die Regeln gehalten hat. Ihre ein- zige Reaktionsmöglichkeit: Sie gehen davon aus, dass je- der Schinken schlechte Qualität hat. Sollen wir wirklich zulassen, dass ein klassischer Lemon-Markt entsteht? Sollen wir wirklich zulassen, dass dadurch Qualität vom Markt verschwindet? Sicher nicht. Deswegen müssen die Behörden für Transparenz sorgen – und wir geben ihnen mit dem Verbraucherinformationsgesetz die Möglichkeit dazu. Wir geben den Behörden eine neue Aufgabe, wir ma- chen ihr Handeln öffentlich. In Zukunft dürfen sie Ross und Reiter nennen, die Verbraucher können feststellen, was für Ergebnisse die Behörden vorliegen haben. Dies gibt auch den Verbraucherverbänden und den Medien neue Möglichkeiten an die Hand. Das ist kein Placebo- Gesetz, das ist ein großer Schritt nach vorn. Versuchen Sie bitte nicht, dieses Gesetz auf den Sankt- Nimmerleins-Tag der europäischen Harmonisierung zu verschieben. Und: Passen sie auf, dass die Reden zur Be- deutung der Verbraucherinformation nicht reine Lippen- bekenntnisse bleiben. Wenn ich mir den Antrag der CDU/CSU anschaue, dann wird eigentlich ein weiter- gehendes Gesetz gefordert. Gleichzeitig sehe ich aber, dass in den Beratungen keine Mühen gescheut wurden, dieses Gesetz zu verhindern. Wenn dann noch in einer Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus- gerechnet der bayerische Verbraucherminister zum Kron- zeugen gemacht wird, dann fragt man sich, ob das an der katastrophalen Informationspolitik der bayerischen Staats- regierung im BSE-Test-Skandal oder an nicht erfüllten Kontrollvorgaben in Bayern liegt. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz können und müssen Behörden ihr Wissen offen legen. Machen Sie mit uns diesen Schritt. Sie helfen den Verbrauchern. Und Sie helfen den verantwortlich handelnden Unternehmen. Albert Deß (CDU/CSU): Aus Sicht der Verbraucher und der Bauern beschert uns die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition mit den vorliegenden Gesetzentwür- fen einen schwarzen Freitag. Auf brutalste Weise wird hier gegen jeden Sachverstand Ideologie gesetzlich um- gesetzt. Die Folgen sind mehr Bürokratie, ein Weniger an Verbraucherschutz und ein Mehr an Wettbewerbsnachtei- len für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft. Bevor ich auf die vorliegenden Gesetzentwürfe ein- gehe, möchte ich jedoch meine Entrüstung zu der Sensa- tionsgier mancher grüner Politiker zum Ausdruck brin- gen. Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass sowohl der grüne Europapolitiker Graefe zu Baringdorf als auch der Kreistagsabgeordnete Coldewey ein abgekartetes Spiel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223750 (C) (D) (A) (B) mit dem WDR getrieben haben, indem sie mit Tiermehl vermischtes Tierfutter aus ihren Betrieben an die land- wirtschaftlichen Untersuchungsanstalten in Oldenburg und Hameln geschickt haben. Angeblich haben sie diese rechtlich und moralisch fragwürdige Handlung durchge- führt, um die Analysequalität der Untersuchungsanstalten zu testen. In Wirklichkeit hatte man wohl gehofft, einen Riesenskandal loszutreten, um für die grüne Agrarpolitik Punkte sammeln zu können. Pech für die sensationshung- rigen Politiker war, dass beide Untersuchungsanstalten das beigemischte Tiermehl einwandfrei analysieren konn- ten. Die aufgrund des vorhandenen Tiermehls gesetzlich vorgeschriebene Beschlagnahmung und Tötung der Tiere der beiden Betriebe konnte glücklicherweise in letzter Minute verhindert werden, weil die abgekartete Aktion aufgedeckt wurde. Diese den Verbraucher verunsichernde und den Tier- schutz missachtende Aktion ist ein erneuter Beweis dafür, wie kaltschnäuzig grüne Politiker bereit sind, Lebensmit- telskandale für ihre politischen Zwecke zu produzieren. Es ist gut, dass ihnen die exzellente Arbeit der Landwirt- schaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten ei- nen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Bäuerliche Existenzen sind ihnen dabei genauso gleichgültig wie das Leben von Tieren oder eine weitere Verunsicherung der Verbraucher. Die Grünen fordere ich auf, sich vom Ver- halten ihres Europaabgeordneten Graefe zu Baringdorf zu distanzieren. Die von Ministerin Künast vorgeschlagene Schaffung von zwei neuen Behörden im Bereich des Verbraucher- schutzes wurde im Rahmen der hierzu durchgeführten Anhörung von den meisten Experten, unter anderem auch vom Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen und den Gewerkschaften, zu Recht in dieser Form als ineffi- zient, bürokratisch und organisatorisch in die falsche Richtung gehend kritisiert. Die institutionelle Trennung von Risikomanagement und -bewertung bewirke nach einstimmiger Meinung der Sachverständigen gerade nicht die Vereinfachung von Kommunikationswegen und Ent- scheidungsprozessen, sondern schaffe lediglich ein neues, schwerfälliges System, mit dem im Krisenfall nicht effi- zient reagiert werden könne. Man appellierte hingegen dafür, wie bereits von CDU/CSU seit langem gefordert, nur eine Behörde zu errichten und unter einem Dach Risikobewertung und -management, gegebenenfalls getrennt nach Abteilun- gen, anzusiedeln. Bestätigt wurde auch die Kritik von CDU/CSU, dass mit dieser Neuorganisation nicht die gesamte Breite des Verbraucherschutzes im nachgeordneten Bereich abge- deckt wird. Aus unserer Sicht muss das neue Amt eine Sensor- und Aufklärungsfunktion für alle Belange des Verbraucherschutzes haben. Als Ohrfeige muss Ministerin Künast die Kritik insbe- sondere der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie werten, dass mit dieser Neuorganisation Arbeits- plätze verloren gehen. Besonders negativ werde sich dies auf die Zulassung von Pflanzenschutz- und Tierarznei- mittel auswirken. Das ganze Verfahren werde bürokra- tisch gestreckt und für die Firmen unzumutbar, sodass es zu Produktionsverlagerungen ins Ausland kommen werde. Ebenso wie der Bundesrat wiesen auch die Sach- verständigen eindeutig auf die Zustimmungsbedürftigkeit und auf weitere Rechtsmängel dieses Gesetzes hin. Nach dieser Expertenrunde müsste somit auch den Re- gierungsfraktionen klar geworden sein, dass Ministerin Künast ihnen mit diesem Gesetzentwurf ein Kuckucksei ins Netz gelegt hat. Konsequenterweise müsste daher das unselige Werk sofort von der Bundesregierung zurück- gezogen werden. Die CDU/CSU wird jedenfall weiterhin mithilfe unserer Bundesländer mit Nachdruck das In- Kraft-Treten dieses unzulänglichen Gesetzes zu verhin- dern versuchen. Künasts Agrar- und Verbraucherschutzpolitik nimmt immer mehr die Züge einer Ökodiktatur an. Jetzt sollen per rot-grünem Gesetz Vertreter des Tier- und Umwelt- schutzes und der Verbraucherzentralen in den Verwal- tungsrat des Absatzfonds gesetzt werden. Der Absatz- fonds, dessen Aufgabe die Werbung für deutsche Nahrungsmittel im In- und Ausland ist, finanziert sich vollständig aus den Pflichtabgaben der Erzeuger und Ver- arbeiter landwirtschaftlicher Produkte. Tierschutz- und Umweltschutzverbände oder Verbraucherzentralen zah- len keinen Cent in den Absatzfonds ein. Es gleicht einer Enteignung, wenn von den Bauern Gelder abkassiert werden, über die dann andere mit ent- scheiden. Wenn Tier-, Umwelt- und Verbraucherschützer im Verwaltungsrat sitzen sollen, dann müssen sie auch entsprechende Pflichtbeiträge zum Absatzfonds leisten. Wer in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft mitstimmen will, muss schließlich auch vorher Aktien ge- kauft haben. Frau Künast, letztendlich kann ich Ihnen nur raten: Nehmen Sie die Gesetze zurück und überlassen Sie solch schwierige Aufgaben der neuen unionsgeführten Regie- rung! Im Gegensatz zu Ihnen werden wir als Regierungs- verantwortliche den Verbraucherschutz ernst nehmen und nicht populistisch instrumentalisieren. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Frau Künast, Ihr Verbraucherinformationsgesetz geht an der Realität vorbei, an der deutschen wie an der europäischen. Es ent- spricht nicht dem Informationsbedürfnis der Menschen, es passt nicht zu den Gegebenheiten in der Wirtschaft und in den Ländern, und es kann nicht halten, was Sie ver- sprechen. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen: Aller- gene. Sie werben damit, dass die Verbraucher sich durch dieses Gesetz besser über das Vorhandensein von Aller- genen in Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen infor- mieren können sollen. Das ist ein lobenswertes Vorhaben, denn wir alle wissen, dass die Zahl der Allergiker in Deutschland stetig zunimmt. Die Kenntnis über einen Stoff, der eine Allergie auslöst, kann unter Umständen lebenswichig sein. Man denke an die vielen Fertigprodukte mit unübersehbar vielen Zutaten oder an Hülsenfrüchte wie Erdnüsse oder Getreidesorten, wie Weizen, bei denen ge- ringste Mengen in einem Joghurt oder in einer Suppe aus- reichen können, um die allergische Reaktion auszulösen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23751 (C) (D) (A) (B) (Extrem-Folge: Tod aufgrund Lebensmittel – Anaphyla- xie) Sie wollen hier den Menschen helfen. Aber was pas- siert? Schauen Sie sich die Situation in Deutschland doch einmal an: Nach Ihrem Gesetz müssen die Menschen sich schrift- lich an eine Behörde wenden, die Auskunft geben soll über bei ihr vorliegende Daten. Als Antwort wird der Ver- braucher erhalten, dass die Behörde leider keine Auskunft erteilen kann. Warum nicht? Die Frage eines Allergens ist eine Frage der inhaltlichen Zusammensetzung eines Pro- dukts, sozusagen des Rezepts, und darüber liegen bei den Behörden keine Daten vor. Sie selbst haben ja zugegeben, dass niemand um sein „Coca-Cola-Geheimnis“ fürchten müsse. Und da die Behörde auch nicht verpflichtet ist, sich Informationen zu beschaffen, ist der Verbraucher ge- nauso schlau wie vorher. Ihr Gesetz nutzt ihm nichts! Überdies ist Ihr Gesetz in weiten Teilen nicht nötig: Denn EU-weite Kennzeichnungsregelungen stehen be- vor, die das Informationsbedürfnis der Verbraucher über Fragen wie Allergene abdecken werden. Diese betreffen zum einen das Lebensmittelrecht und zum anderen Kos- metika. Dann werden Anfragen gegenüber Behörden gar nicht mehr nötig sein. Umfassend EU-Recht umgesetzt haben Sie dagegen, obwohl erforderlich, nicht (zum Bei- spiel Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG). Nehmen wir ein anderes Beispiel: Wie sieht es mit der Hygiene zum Beispiel in einem Restaurant aus? Das er- fahren zu wollen, ist ein ebenfalls berechtigtes Interesse. Auch hier muss der Verbraucher einen Antrag stellen, schriftlich, der erst einmal bearbeitet werden muss. Es verstreicht Zeit, bis der Verbraucher die Auskunft erhält – den ersten Hunger dürfte der Verbraucher jedenfalls mit der mitgebrachten Stulle gestillt haben, bis die behördli- che Auskunft erteilt wird. Wäre ein Restaurant dagegen beispielsweise verpflichtet, Ergebnisse von Kontrollen auszuhängen, ließe sich diese missliche Situation leicht bereinigen und Verbraucher und Wirt wären zufrieden! Wenn der Verbraucher dann aber die behördliche Aus- kunft erhält, wird er womöglich Pech haben und die Aus- kunft ist veraltet. Denn wie oft werden Lebensmittelkon- trollen durchgeführt? Auf einen Lebensmittelkontrolleur kommen bis zu 1 300 Betriebe, die er in seinem Bereich kontrollieren muss, und das bei zwei bis vier Kontrollen pro Tag. Das bedeutet: ein Betrieb kann dann nur alle drei Jahre kontrolliert werden! Und das wollen Sie den Men- schen als Information verkaufen, aufgrund derer die Men- schen ihre Entscheidung fällen sollen! Frau Ministerin, Ihr Gesetz ist für das, wofür Sie es an- preisen, schlicht untauglich. Es gaukelt den Menschen et- was vor, was es nicht halten kann. Das Ergebnis wird sein, dass die Verbraucher sich mit ihren Fragen doch direkt an die Unternehmen wenden werden, denn die sind die wirk- lichen Informationsquellen. Das können die Menschen aber auch schon heute. Dazu braucht es dieses Gesetz je- denfalls nicht. Erstens. Die Union begrüßt alle Vorhaben, die die Transparenz auf den Märkten stärken und damit die Stel- lung der Verbraucher. Die Bündelung der Informations- rechte in einem Verbinformationsgesetz ist dazu auch der richtige Weg. Die Union fordert aber Regelungen, die we- der die Wirtschaft noch die Verbraucher überfordern, son- dern den Menschen auf sachgerechte und verständliche Weise zu mehr Information verhelfen. Zweitens. Unverzeihlich ist die Art, wie Sie dieses Ge- setz auf den Weg gebracht haben: die Eile, mit der Sie die- ses Gesetz (wie auch das Gesetz zur Neuorganisation der nachgeordneten Behörden und das Absatzfondsgesetz) vorantreiben, und die der umfassenden Bedeutung der Verbraucherinformation und dem „rechtlichen Neuland“, wie Sie es selbst nennen, vollkommen unangemessen ist dieses Gestolpere von einem unausgegorenen Referente- nentwurf zum mangelhaften Gesetzesentwurf bis zu hek- tisch nachgeschobenen Änderungen vor drei Tagen, durch die wesentliche Mängel immer noch nicht beseitigt sind; und dass Sie auch noch die Kommunalen Spitzenver- bände bei einem Gesetz, das vor allem in den Kommunen umgesetzt wird, bei der Vorarbeit einfach vergessen ha- ben. Das zeigt einmal mehr die Laienhaftigkeit, mit der Sie Ihr Amt ausüben. Da können Sie von Glück reden, dass da, wo das eigene Haus wahrscheinlich wieder damit be- schäftigt war, Akten zwischen den Schreibtischen hin- und herzutragen, andere für Sie mitdenken! Drittens. Das Gesetz ist ja im Lauf des Verfahrens zu- sammengeschrumpelt wie eine austrocknende Pflaume. Da sind zum Beispiel die Dienstleistungen ganz aus den Überlegungen herausgenommen worden, nicht nur aus diesem Gesetz, sondern grundsätzlich! Und dann sind auch ganze Produktgruppen herausgefallen, über die sich viele Verbraucher informieren wollen, wie zum Beispiel die Handys. Viertens. Die Haftungsfragen: Wenn die Behörden keine Pflicht haben, Sachverhalte zu ermitteln, sondern sich auf Vorhandenes beschränken müssen, dann reicht es für die möglichen Fälle einer behördlichen Fehlinforma- tion nicht aus, sich auf die Allgemeinen Amtshaftungsre- gelungen zurückzuziehen. Das passt nicht zusammen! Fünftens. Es reicht erst recht nicht aus, dass als Vo- raussetzungen für die behördliche Information schon vage Vermutungen unterhalb der Gefahrenschwelle die- nen können. Da passiert es dann wie in Schweden, wo voreilig wegen angeblich krebserregender Stoffe in Kar- toffelchips Panik erzeugt wird – und dem vorsorgenden Gesundheitsschutz hat man damit einen Bärendienst er- wiesen. Sechstens. Statt den Kennzeichnungsdschungel zu durchforsten und die Unternehmen darin zu unterstützen, ihre eigene Informationsaktivität auszubauen und ver- brauchergerecht darzustellen, frönen Sie einmal mehr dem Bürokratismus und der Politik des schönen Scheins. Aber: Nicht alles, was glänzt, ist auch Gold. Das Gesetz ist für die Praxis untauglich und geht an den wirklichen Interessen der Menschen vorbei. Was aber das Schlimmste ist: Sie werden damit in dem Thema der Verbraucherinformation in seiner übergreifen- den Bedeutung nicht gerecht. Es gibt schon jetzt eine Viel- zahl an Informationsrechten und -pflichten (Zivilrecht, öffentliches Recht). Es gibt schon jetzt eine ganze Palette Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223752 (C) (D) (A) (B) von Informationsmöglichkeiten: von Zeitschriften über Fernsehsendungen, Internet bis zur Arbeit der unabhängi- gen Verbraucherorganisationen. Schon jetzt betreiben Un- ternehmen eine aktive Informationspolitik, man denke an Faltblätter an Käsetheken und Hotlines. Und nicht zu ver- gessen sind die unterschiedlichen Informationsbedürf- nisse der Menschen und Fähigkeiten, neue Informationen aufzunehmen. Das alles ignorieren Sie mit der einseitigen Ausrichtung auf die behördliche Information! Sie hätten umfassend Verbesserungen in Angriff neh- men sollen, wie man die verschiedenen Elemente der Ver- braucherinformation in ihrem Angebot verbessern kann, zusammen mit Handel und Industrie, und unter Berück- sichtigung der Leistungsfähigkeit der Länder. Und wie man die Menschen dazu bewegen und befähigen kann, die vorhandenen Angebote besser auszunutzen. Diese Chance haben Sie nicht genutzt! Frau Künast, Sie sind in der politischen Realitiät noch nicht angekommen. Sie ignorieren die Wirklichkeit und Sie blenden die Menschen! Wie man Politik für die Men- schen macht, für die Verbraucher, wie man die Verbrau- cher weiterbringt und dies für Wirtschaft verträglich ge- staltet, das haben Sie immer noch nicht begriffen! Ich habe Ihr Informationsgesetz einen schlappen Lap- pen genannt. Ich sage nun: Es ist ein Lappen, mit dem Sie ein letztes Mal am Image der Grünen in der Regierung zu polieren versuchen. Aber nicht einmal dazu wird es tau- gen. Denn die Menschen haben einen klaren Blick, sie las- sen sich nicht blenden. Sie wissen zwischen Schein und Sein zu unterscheiden. Gudrun Kopp (FDP): Das Verbraucherinformations- gesetz der rot-grünen Bundesregierung ist nicht akzep- tabel. Es ist unausgewogen und praxisfern. Über die Län- der und deren Kommunen hinweg werden nicht bezifferte Mehrkosten verursacht und Gebühren für die Verbraucher die Folge sein, und zwar für wenig Informationsgewinn. Ein bürokratisches Antragsverfahren für Auskünfte krönt dieses überflüssige „Placebo-Gesetz“. Die FDP setzt dagegen auf eine freiwillige Informati- onspolitik der Anbieter. Dazu bedarf es einer transparen- ten „Dreieckskooperation“ zwischen Wirtschaft, Behör- den und Verbrauchern. Innovative Unternehmen haben nämlich längst erkannt, dass eine offensive Informations- politik einen Marktvorteil bedeutet. Das will die FDP: erstens mehr Verbraucherinforma- tionen durch den Aufbau einer Datenbank mit Basisinfor- mationen über Produkte und Dienstleistungen durch Un- ternehmen auf freiwilliger Basis, zum Beispiel über eine Kooperation von Firmen auf Verbandsebene oder inner- halb einer Stiftung, zweitens Präzisierung von Produkt- kennzeichnungen in einfacher und verständlicher Form, drittens ausreichende Lebensmittelkontrollen in den Län- dern sicherstellen, viertens Verständlichkeit und Verbrau- chertauglichkeit von Gesetzestexten mittels „Gesetzes- TÜV“ gewährleisten, fünftens das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, UWG, wirtschafts- und ver- braucherbezogen modernisieren und sechstens Verbrau- cherthemen – wie Rechts- oder Ernährungsfragen – im Schulunterricht verankern, in der Lehrerausbildung, im Lehrplan als Basis-Unterrichtsinhalte. Das Produktsicherheitsgesetz regelt schon heute Ver- fahren bei sicherheitsrelevanten Produktmängeln. Würden alle vorhandenen Regelungen und Gesetze zur Produkt- sicherheit und die vorgenannten freiwilligen Maßnahmen zunächst zügig und konsequent umgesetzt, wäre die Not- wendigkeit für ein Verbraucherinformationsgesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie zumindest fraglich. Zeit zum Erörtern und Prüfen, welche Maßnahmen da- rüber hinaus zu treffen sind, besteht noch bis zum Jahr 2004. Sorgfalt muss Vorrang vor Schnelligkeit haben. Deshalb verlangt die FDPdie Rücknahme des ideologisch geprägten „Placebo-Gesetzes“. Die FDP lehnt den Gesetzentwurf zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ab. Bürokra- tisch aufgebauscht sieht die rot-grüne Bundesregierung nämlich die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln mit 4 – statt bisher 2 – Behörden vor. Die FDP erwartet ein Kompetenzwirrwarr mit unklaren Verantwortlichkeiten und Kostensteigerungen. Der Entwurf der Ministerin Künast widerspricht dem von-Wedel-Gutachten, das ver- nünftigerweise eine Bündelung von Aufgaben vorsieht. Heidemarie Lüth (PDS): Die Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zum Verbraucherschutz wie auch an- dere aktuelle Projekte erinnern mich an einen Schüler kurz vor der Versetzung. Andauernde Untätigkeit über ei- nen langen Zeitraum soll hastig durch kurzfristige Emsig- keit kompensiert werden. Das führt nie zu guten, sondern allenfalls zu knapp ausreichenden Ergebnissen. Manch- mal geht es aber auch ganz daneben. Der vorgelegte Entwurf eines Verbraucherinforma- tionsgesetzes fällt deutlich etwa hinter den Entwurf des Landes Niedersachsen zurück. Informationsrechte muss es auch gegenüber den Unternehmen geben, die Produkte und Dienstleistungen anbieten. Das gilt umso mehr, als wichtige Anbieter von Leistungen der Daseinsvorsorge privatisiert wurden. Nicht zu rechtfertigen ist auch die in den Ausschuss- beratungen aufrechterhaltene Beschränkung auf Lebens- mittel und Verbrauchsgegenstände. Das greift angesichts der unüberschaubaren Menge anderer Produkte und Dienstleistungen zu kurz. Ich nenne nur die Finanzdienst- leistungen von der Riesterrente bis zum Immobilien- erwerbermodell und die Pflegeleistungen. Uns gefallen auch nicht die im Gesetz aufgelisteten vielfältigen Ein- schränkungen des Informationsanspruchs. Das lädt gera- dezu zur missbräuchlichen Verweigerung von Informa- tionen ein. Allerdings sind wir gespannt, wie das Informations- recht in der Praxis tatsächlich ausgestaltet wird, wie etwa ganz konkret Akteneinsicht gewährt wird. Darauf werden wir ein Auge haben, nicht nur um Mängel zu kritisieren, sondern auch um positive Erfahrungen verallgemeinern zu können. Das könnte auch für ein zukünftiges Petitions- gesetz ganz interessant sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23753 (C) (D) (A) (B) Die Neuorganisation des gesundheitlichen Verbrau- cherschutzes ist eine richtige Maßnahme, soweit es um die grundlegende Aufgliederung geht. Wir erwarten je- doch dringend, dass damit verbundene bestimmte Stand- ortentscheidungen und Zuständigkeitsaufteilungen noch einmal überprüft werden. Auf Druck der Verbraucherorganisationen ist die Zu- sammensetzung des Verwaltungsrates der Absatzfonds verändert worden. Der Schritt zum Verhältnis 1:23 ist nicht gerade mutig. Die vorgesehene Veränderung kann aber bessere Voraussetzungen für die notwendige Kom- munikation zwischen den unterschiedlichen Interessen und Sichtweisen schaffen. Trotz aller Mängel und Unvollständigkeiten gehen die Gesetzentwürfe doch grundsätzlich in die richtige Rich- tung. Wir werden ihnen deshalb zustimmen. Ob der hastige gesetzgeberische Endspurt der Regie- rungskoalition ausreicht, um das Klassenziel zu errei- chen, haben die Wählerinnen und Wähler zu entscheiden. Eines sage ich aber jetzt schon: Im nächsten Schuljahr – ich meine: in der nächsten Wahlperiode – muss ganz erheblich nachgebessert werden. Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Rot-Grün ist die erste Bundesregierung, die den Verbraucherschutz auf die Agenda gesetzt hat, und zwar ganz nach oben. Sonst hätte das niemand getan! Die Selbstverständlichkeit unseres Engagements für die Durchsetzung der Verbraucherrechte ist wesentliches Kennzeichen unserer Politik. Kein oberflächliches Kri- sen- und Betroffenheitshopping, sondern grundsätzliche Aufarbeitung der Konfliktherde und Sicherung der Rechte. Dabei haben wir große Fortschritte in der Verbraucher- politik gemacht. Mit dem Verbraucherinformationsgesetz, dem Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Ver- braucherschutzes und dem novellierten Absatzfondsgesetz stehen heute drei weitere Meilensteine auf der Tagesord- nung. Die Verbraucher haben ein gutes Recht zu wissen, was sie für ihr gutes Geld bekommen. Geben wir den Ver- braucherinnen und Verbrauchern, was ihnen zusteht. Ver- schaffen wir den Verbraucherrechten endlich mehr Gel- tung. Die Opposition wirft uns bei jeder passenden und un- passenden Gelegenheit vor, Deutschland sei das wirt- schaftliche Schlusslicht in der Europäischen Union. Ge- ben Sie jetzt Ihre Blockadepolitik auf und machen Sie ernst mit dem Verbraucherschutz. Unsere Wirtschaft hat doch nichts zu verbergen! Sie stellt hochwertige Waren her und das sollen auch alle wissen dürfen. Denn mündige Verbraucher sind auch kluge Konsumenten. Genau die sind das Fundament einer zukunftsfesten Wirtschaftsent- wicklung in unserem Land. Dabei nehmen wir bewusst eine Vorreiterrolle in Europa an. Denn wir wollen und werden eben nicht die Letzten sein. Wir wissen, dass Verbraucherschutz wesentlicher Bestandteil einer modernen Wirtschaftspolitik ist. Davon sollen unsere Unternehmen profitieren. Das sehen übrigens auch die Unternehmer, gerade auch in der Landwirtschaft. Die setzt sich gegen alle Unkenrufe ihrer angeblichen Interessenvertreter durch und investiert: bei Wirtschaftsgebäuden mehr als das Doppelte und auch verstärkt bei den Programmen Landwirtschaft und Jung- landwirte. Die Junglandwirte wollen und nehmen sich ihre Zukunft und ich kann ihnen versichern: Wir sind auf ihrer Seite. Ihr Vertrauen in diese Bundesregierung ist richtig. Denn unser Weg ist der richtige. Das haben nicht nur vor Monaten schon die Wirtschaftsweisen gesagt, das wird jetzt Realität – die Daten der Rentenbank sprechen hier eine eindeutige Sprache. Für einen zukunftsfesten Wirtschaftsstandort Deutsch- land steht auch das Verbraucherinformationsgesetz, das sich in einem ersten Schritt auf all das bezieht, was mit unserem Körper in Berührung kommt, der elementarste Bereich für den Verbraucherschutz also. Damit lösen wir das Versprechen dieser Regierung ein, dass es beim ge- sundheitlichen Verbraucherschutz keine Kompromisse geben kann. Für einen zukunftsfesten Wirtschaftsstandort Deutsch- land steht auch das Gesetz zur Neuorganisation des ge- sundheitlichen Verbraucherschutzes. Hier könnte man, wenn man Ihre Kritik an unserem Gesetzentwurf hört, den Eindruck gewinnen, Lebens- und Futtermittelskandale seien in Deutschland kein Thema und wären auch nie ei- nes gewesen. Ihr politisches Kurzzeitgedächtnis ist außer- ordentlich bemerkenswert. Erst lassen Sie das Kind in den Brunnen fallen, schreien dann, wenn Sie nicht mehr in der politischen Verantwortung sind, nach raschen Konse- quenzen und wollen, wenn die Entscheidung ansteht, da- von nichts mehr wissen. Es waren ja nicht wir, sondern eine unabhängige und von uns allen geschätzte Gutachterin – im Übrigen aus Ihren früheren Reihen – nämlich Frau von Wedel –, die schonungslos die enormen Defizite im gesundheitlichen Verbraucherschutz aufgedeckt hat, Defizite, die vor allem die Vorgängerregierung zu verantworten hatte. Statt den Konsens zu loben, auf dem unsere Gesell- schaft ihre Lebensgrundlage neu und für alle zufrieden stellend organisieren und sichern könnte, verirren Sie sich in Wahlkampfgetöse und politischer Handlungsunfähig- keit. Kern der von wedelschen Empfehlungen ist es, Risi- kobewertung und Risikomanagement institutionell zu trennen. Gerade die Risikobewertung muss politischem Einfluss entzogen werden. Das haben doch auch Sie im letzten Jahr noch unterstützt und uns mit entsprechenden Anfragen überschüttet. Aus gutem Grund, denn Wissen- schaftler dürfen nicht gezwungen werden, schon bei der Forschung mit den Problemen der Umsetzung belastet zu werden. Lassen Sie mich nur ein Beispiel benennen: Denken Sie nur an die Probleme der Zusatzstoffe in Babynahrung oder die Rückstandsmengen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln, über deren Folgen wir bei unseren Kleins- ten kaum etwas sagen können. Jetzt endlich haben wir Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223754 (C) (D) (A) (B) eine Studie über die wirklichen Verzehrgewohnheiten von Ein- bis Sechsjährigen auf den Weg gebracht, übrigens die erste europaweit. Wir brauchen dringend mehr Forschung, und zwar eine unabhängige. Ob bei Korruption, Umwelt oder wo auch immer: Genehmigung und Kontrolle müssen voneinander getrennt werden. Verlieren Sie jetzt nicht den Mut vor der eigenen Cou- rage. Ziehen Sie mit! Machen Sie heute und auch im Bun- desrat klar, dass Sie es ernst meinen mit dem Verbrau- cherschutz. Nehmen Sie Ihr eigenes Wahlversprechen ernst. Stärken Sie den Standort Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass das Recht der Bürgerinnen und Bür- ger auf Information jetzt verhindert wird und Sie damit andere Interessen höher schätzen als die der Verbraucher. Das wäre glatter Wahlbetrug, noch bevor die Wahlen überhaupt stattgefunden haben. Das müssen Sie den Wäh- lerinnen und Wählern erklären! Sie müssten Ihnen auch erklären, warum wir nicht un- sere Chancen nutzen und Vorreiter in Europa sein sollen. Schauen Sie sich einmal die Agenda des Verbraucherrates nächste Woche in Brüssel an. Da kann ich nur sagen: Die nehmen alles das auf, was wir hier bereits verankern. Nur die Opposition schnarcht. Und wenn eines in Zeiten der Globalisierung verboten ist, dann das: auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger zu schnarchen und ihnen ihre Chancen der Zukunftsgestaltung in einem zukunftsfesten und damit sicheren Rahmen zu nehmen! Nicht abwarten, sondern jetzt brauchen die Verbrau- cherinnen und Verbraucher, braucht die Wirtschaft Klar- heit über ihre Rechte und Pflichten. Machen Sie mit! Wir haben Verbraucherschutz versprochen und auf die Agenda gesetzt. Die drei vorliegenden Gesetzentwürfe zeigen: Versprochen – gehalten! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Erschwernis von Erschließungsmaßnahmen durch Doppelbe- steuerung verhindern (Tagesordnungspunkt 26) Horst Schild (SPD): Der vorliegende Antrag nimmt ein berechtigtes Anliegen der Kommunen und der bau- willigen Grundstückseigentümer auf. Der Bundesregie- rung ist der beschriebene Sachverhalt bekannt. Seit ge- raumer Zeit wird in Abstimmung mit den Ländern eine Lösung des Problems erörtert. Tatsächlich kann es zu zusätzlichen Kostenbelastun- gen von bauwilligen Grundstückseigentümern bei folgen- der Konstellation kommen: Die Gemeinde überträgt durch einen öffentlich-recht- lichen Vertrag nach § 124 BauGB die Erschließung von Grundstücken auf einen privaten Erschließungsträger. Der Erschließungsträger ist nicht Eigentümer der zu er- schließenden Grundstücke. Die Erschließung wird vom Erschließungsträger im eigenen Namen und für eigene Rechnung durchgeführt. Gegenüber den bauwilligen Grundstückseigentümern verpflichtet sich der Er- schließungsträger durch privatrechtliche Verträge und rechnet aufgrund dieser Verträge mit den Grundstücks- eigentümern ab. Umsatzsteuerrechtlich liegt hier eine sonstige Leistung gegen Entgelt vor. Es entsteht Umsatz- steuerpflicht. Die Umsatzsteuer hat der bauwillige Grund- stückseigentümer zu tragen. Gegenüber der Gemeinde verpflichtet sich der Er- schließungsträger zur unentgeltlichen Übertragung der Erschließungsanlagen im Sinne von § 127 BauGB. Die unentgeltliche Übertragung auf die Gemeinde ist umsatz- steuerlich eine Werklieferung, die ebenfalls steuerpflich- tig ist. Regelmäßig belastet der Erschließungsträger den bauwilligen Grundstückseigentümer zusätzlich mit der Umsatzsteuer aus dieser unentgeltlichen Wertabgabe, weil der Erschließungsträger diese Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen kann. Er wälzt sie deshalb als Kosten- faktor auf den bauwilligen Grundstückseigentümer ab. In der Gesamtschau kommt es folglich zur umsatz- steuerlichen „Doppelbesteuerung“. Umsatzsteuerrechtlich liegt jedoch streng genommen keine Doppelbesteuerung vor. Es handelt sich nämlich um zwei verschiedene Besteuerungstatbestände anlässlich der Erschließungsmaßnahme. Beide Verpflichtungen des Erschließungsträgers werden nach dem BMF-Schreiben vom 4. Dezember 2000 und in Übereinstimmung mit der 6. EG-Mehrwertsteuerrichtlinie zu Recht der Umsatz- steuer unterworfen. Im Ergebnis kommt es jedoch zu ei- ner zusätzlichen Kostenbelastung des bauwilligen Grund- stückeigentümers, da dieser die gesamte Umsatzsteuer aus dem Leistungskreis wirtschaftlich zu tragen hat. Vor diesem Hintergrund sind in der Praxis zivilrecht- liche Konstruktionen entwickelt worden, die nicht mehr zur zusätzlichen Kostenbelastung des Bauwilligen führen sollen. Ein Beispiel dafür ist die als Doppelverpflich- tungsmodell bezeichneten Vertragskonstruktion. Dabei werden die bauwilligen Grundstückseigentümer in den Erschließungsvertrag mit der Gemeinde als Vertragspart- ner einbezogen. Der Erschließungsträger verpflichtet sich gegenüber der Gemeinde zur Erstellung und Übertragung der Erschließungsanlagen – Verpflichtung I. Daneben verpflichten sich die Grundstückseigentümer gegenüber der Gemeinde zur Übernahme der durch die Erschließung entstehenden Kosten – Verpflichtung II. Die Gemeinde tritt diesen Zahlungsanspruch an den Erschließungsträger ab. Bei der Wahl dieser Vertragskonstruktion ist die Zah- lung des Grundstückseigentümers umsatzsteuerlich „Ent- gelt von dritter Seite“ für den zwischen Erschließungsträ- ger und Gemeinde durchgeführten Leistungsaustausch und damit nicht umsatzsteuerpflichtig. Die Grundstückseigentümer erhalten vom Erschlie- ßungsträger keine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis und sind infolgedessen, sofern sie unternehmerisch tätig sind, auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Mit Umsatzsteuer wird nur der Leistungsaustausch zwischen Erschließungsträger und Gemeinde belegt. Die Umsatz- steuer wird auf den Bauwilligen abgewälzt, der diese wirtschaftlich zu tragen hat. Jedoch hat er beim Doppelverpflichtungsmodell nur noch die einmalige Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23755 (C) (D) (A) (B) Umsatzsteuerbelastung zu tragen. Voraussetzung dafür ist die Überarbeitung des erwähnten BMF-Schreibens vom Dezember 2000. Derzeit befindet sich ein neues BMF-Schreiben in Ab- stimmung mit den Länderfinanzministerien. Es akzeptiert die von der Praxis erarbeiteten Modelle zur Vermeidung einer zusätzlichen Kostenbelastung. Mit der Veröffent- lichung des neuen BMF-Schreibens wird in Kürze ge- rechnet. Damit wird sich die Problematik der umsatz- steuerlichen Doppelbelastung erledigen. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir beraten heute über den Antrag der Frak- tion der CDU/CSU, Erschließungsmaßnahmen von einer vermeintlich doppelten Umsatzsteuerbelastung zu be- freien. Wir sind uns alle einig: Die Novelle des Baugesetzbu- ches von 1997 und die Einfügung des § 124 Baugesetzbuch hatten das Ziel, die Kommunen von den Kosten der Er- schließung von Bauland zu entlasten. Dieses Ziel wurde auch erreicht. Gemeinden können sich jetzt zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht mehr nur einer privaten Erschließungs- gesellschaft als Erfüllungsgehilfen bedienen, sondern auch die Erschließungsaufgabe durch öffentlich-rechtlichen Ver- trag auf einen Erschließungsträger übertragen. Der Er- schließungsträger führt die Erschließungsmaßnahmen dann im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch, sodass der Gemeinde keine Erschließungskosten entstehen. Die Baulanderschließung kann also seit der Gesetzesände- rung viel flexibler erfolgen als vorher. Nun erhebt die Fraktion der CDU/CSU in ihrem Antrag den Vorwurf, die Baulanderschließung werde trotzdem dadurch erschwert, dass Erschließungsträger, die auf- grund der Ausgestaltung des Vertrages mit der Gemeinde nicht Eigentümer des zu erschließenden Grundstückes werden, einer Doppelbesteuerung unterliegen. Zunächst einmal trifft der Vorwurf der Doppelbesteue- rung rechtlich nicht zu. Von einer Doppelbesteuerung könnten Sie nur reden, wenn derselbe Sachverhalt Grund- lage für eine zweifache Steuerpflicht wäre. Dies ist hier aber nicht der Fall. Ein Erschließungsträger, der nicht Ei- gentümer des zu erschließenden Grundstückes ist, er- bringt einmal durch die Durchführung der Erschließungs- maßnahmen eine werkvertragliche Leistung, die er mit den Bauwilligen abrechnet und die der Umsatzsteuer- pflicht unterfällt. Daneben überträgt er die öffentlichen Erschließungsanlagen in der Regel unentgeltlich auf die Gemeinde. Auch dieser Vorgang ist umsatzsteuerpflich- tig. Es handelt sich dabei aber um eine zweite Leistungs- beziehung zwischen Erschließungsträger und Gemeinde, sodass keine Doppelbesteuerung besteht, sondern eine je- weils einfache Besteuerung von unterschiedlichen Rechts- verhältnissen. Die unentgeltliche Übertragung der Erschließungsan- lage kann auch nicht, wie es die Antragsteller offensicht- lich fordern, von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen werden. Die Pflicht zur Besteuerung auch unentgeltlicher Wertabgaben folgt aus der 6. EG-Richtlinie. Der § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz, aus dem sich die Steuerpflicht nach nationalem Recht ergibt, ist ledig- lich wortgetreu umgesetztes Europarecht. Ich nehme nicht an, dass die CDU/CSU-Fraktion zur Änderung der Steuergesetze aus der EU austreten will. Die Bundesregierung hat einen gangbareren Weg ge- wählt, um mögliche Zusatzbelastungen von Erschlie- ßungsträgern durch das Umsatzsteuerrecht auszuschlie- ßen: Durch eine andere Vertragsgestaltung soll eine zweifache Leistungsbeziehung im Rahmen der Erschlie- ßungsmaßnahme vermieden werden. Die Verträge sollen so ausgestaltet werden, dass nur noch eine Leistungsbe- ziehung und damit auch nur noch ein steuerpflichtiger Sachverhalt besteht. Über eine solche Neuregelung führt das Bundesministerium der Finanzen derzeit Verhandlun- gen mit den Ländern, die kurz vor dem Abschluss stehen. Durch ein neues Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen an die Obersten Finanzbehörden der Länder, das das Schreiben vom 4. Dezember 2000 ersetzen soll, wird diese Neugestaltung dann zum Regelfall werden. Die Notwendigkeit, einen Beschluss des Deutschen Bundestages zur Steuerbelastung bei Erschließungsmaß- nahmen herbeizuführen, sehe ich daher nicht. Gerhard Schüßler (FDP):Der Antrag der Union ent- hält ein weiteres Beispiel dafür, dass das Steuerrecht häu- fig wirtschaftliches Handeln behindert. Im Baurecht und Kommunalrecht wurden Vereinfachungs- und Einspar- maßnahmen bei der Erschließung von Bauland getroffen. Durch eine doppelte Mehrwertsteuerzahlung werden diese Maßnahmen konterkariert. Ein Steuerrechtler mag das für gut befinden, ebenso der Finanzbeamte. Der Bau- herr oder der Kämmerer der Gemeinde können nur mit dem Kopf schütteln. Grundlage für die doppelte Mehrwertsteuerbelastung bei der Erschließung von Bauland ist zwar das Umsatz- steuergesetz. Die Belastung wird allerdings konkret aus- gelöst erst durch ein so genanntes BMF-Schreiben. Diese Schreiben des Bundesfinanzministeriums – abgestimmt mit den Landesfinanzministerien – waren in letzter Zeit häufig Anlass für Streitigkeiten. Der Rechtscharakter die- ser Schreiben ist mehr als fragwürdig. Finanzbeamte aus Bund und Ländern einigen sich darüber, wie das Gesetz ausgelegt werden soll. Das mag in vielen Fällen nützlich sein; in manchen Fällen geht diese Auslegung am Willen des Gesetzgebers vorbei und führt gelegentlich sogar zu massiven Steuererhöhungen wie bei der Neufassung der AfA-Tabellen. Hier kann etwas nicht stimmen. Es darf nicht sein, dass die Exekutive am Parlament vorbei Entscheidungen trifft, die für die Bürger mit massiven finanziellen Belastungen verbunden sind. Diese Entscheidungen müssen der Poli- tik vorbehalten bleiben. Ich meine, hier liegt ein Fehler im System, mit dem wir uns gründlicher befassen müssen. Die Flut von BMF-Schreiben ist übrigens auch Aus- fluss und Bestandteil unseres viel zu komplizierten Steu- errechts. Die FDP hat hier Flagge gezeigt: Bereits unsere Steuergesetze müssen vereinfacht werden. Gibt es hier klare Regelungen, dann werden viele komplizierte Ver- waltungsanweisungen überflüssig. Bei dieser Verein- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223756 (C) (D) (A) (B) fachung, die wir in der nächsten Legislaturperiode ange- hen, ist auch die Exekutive gefragt. Gesetzgeber und Ver- waltung müssen dafür sorgen, dass so ärgerliche Fälle wie im Antrag der Union beschrieben, nicht mehr vorkommen. Dr. Barbara Höll (PDS): Die CDU fordert in ihrem Antrag, die „Erschwernis von Erschließungsmaßnahmen durch Doppelbesteuerung zu verhindern“. Dies soll dazu dienen, dass das Ziel der Novellierung des Baugesetzbu- ches von 1997 – beschleunigte Mobilisierung von Bau- land und Kostensenkung bei der Baulanderschließung – auch tatsächlich umgesetzt wird. Nach dem Stand der ak- tuellen Sachlage zeugt ihr Antrag von einem wahrlich lai- enhaften Verständnis der Umsatzbesteuerung und ist überflüssig. Warum? Ein Grundstück wird erschlossen, Besitzer ist ein pri- vater Grundstückseigner. Ein Teil der oder die gesamten erschlossenen Anlagen sollen nach Fertigstellung unent- geltlich zur öffentlichen Nutzung an die Gemeinde über- tragen werden. Ein Erschließungsunternehmen wird mit den Maßnahmen zur Erschließung des Grundstücks be- auftragt. Das Erschließungsunternehmen führt einerseits für die Erbringung der Erschließungsleistungen gegen- über dem Grundstückseigner Umsatzsteuer ab. Im Ge- genzug ist es zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies ist ein völlig alltäglicher Vorgang. Werden Erschließungsanla- gen unentgeltlich an die Gemeinde übertragen, so muss der Erschließungsträger auch für diese Lieferung Um- satzsteuer bezahlen und ist auch in diesem Falle zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Wo liegt hier nun die Doppelbesteuerung? Aus Sicht der CDU/CSU scheinbar darin, dass für die Lieferung von Erschließungsanlagen an den Grundstückseigner und an die Gemeinde jeweils Umsatzsteuer abgeführt werden muss. Sie haben dabei aber völlig aus den Augen verloren, dass es sich um zwei verschiedene, voneinander unabhän- gige Leistungsbeziehungen handelt. Einmal die zwischen dem Grundstückseigner und dem Erschließungsträger und zum Zweiten die Beziehung zwischen Gemeinde und Grundstückseigner. Genauso gut könnten Sie bei der Her- stellung eines beliebigen Produkts von einer Doppel-, wenn nicht gleich Mehrfachbesteuerung sprechen. Auch hier wird im Verlauf der Produktionskette ein und das- selbe mehrfach mit Umsatzsteuer belastet. Trotzdem würde niemand auf die Idee kommen, eine etwaige Dop- pelbesteuerung anzuprangern. Die Forderung ihres Antra- ges, die Doppelbesteuerung von Erschließungsmaßnah- men auszuschließen, ist also völlig überflüssig, denn es gibt sie nicht. Damit entspricht der Antrag nicht einmal dem Niveau eines Grundkurses Steuerlehre. Wenn man sich aber mit der Materie eingehender beschäftigt, ahnt man, wo Ihr Problem in Bezug auf Er- schließungsmaßnahmen liegen könnte: Durch die ge- nannte Novelle des Baugesetzbuches wurde den Gemein- den die Möglichkeit eingeräumt, Erschließungsaufgaben durch Dritte – eben die Erschließungsunternehmen – durchführen zu lassen. Dies sollte den Gemeinden vor al- lem Kostenersparnis bringen. Dadurch existierte bis zum Jahr 2000 das Modell der unentgeltlichen Wertüberlas- sung von Erschließungsanlagen und damit das der Umsatzbesteuerung überhaupt nicht. Aktuell müssen Er- schließungsunternehmen für die Wertüberlassung Um- satzsteuer abführen. Allerdings können sie diese – im Un- terschied zu anderen Unternehmen – nicht auf die Gemeinden überwälzen, sie entsteht als Kostenfaktor. Nun mag dies die Kosten der Erschließungsmaßnah- men erhöhen. Das ist zweifelsohne ein Problem und ein- gehend zu prüfen. Allerdings übersehen Sie von der CDU dabei, dass die Steuerbarkeit von unentgeltlichen Wert- überlassungen lediglich die nationale Umsetzung der 6. EU-Umsatzsteuerrichtlinie ist. Dementsprechend müsste die Bundesregierung vielmehr aufgefordert werden, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass für unent- geltliche Wertüberlassungen keine Umsatzsteuer abzu- führen ist. Allerdings reagieren die Betroffenen schneller: Derzeit werden in den Gemeinden neue Konstruktionen geschaf- fen, die die Umsatzbesteuerung verhindern sollen. Diese werden nach Aussagen des Finanzministeriums derzeit überprüft. Ich denke, wir sollten hier die Ergebnisse ab- warten, bevor vorschnell falsche Forderungen gestellt werden. Insofern ist der Antrag derzeit überflüssig. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsge- sellschaft zur Finanzierung von Bundesver- kehrswegen (Verkehrsinfrastrukturfinanzie- rungsgesellschaftsgesetz – VIFGG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes und straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (FstrPrivFinÄndG) – Entwurf eines Fünften Gesetzes zurÄnderung des Bundesfernstraßengesetzes (5. StrÄndG) – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßen- verkehrsrechtlicher Vorschriften (StVRÄndG) – Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Oktober 2001 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Durchführung der Flugverkehrskontrolle durch die Schwei- zerische Eidgenossenschaft über deutschem Hoheitsgebiet und überAuswirkungen des Be- triebes des Flughafens Zürich auf das Ho- heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Gesetz zu dem deutsch-schweizerischen Ver- trag vom 18. Oktober 2001) – Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Marktzugangs im Luftverkehr – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23757 (C) (D) (A) (B) – Antrag: Finanzierungssicherheit für den Bun- desfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus – Antrag: Fairen Wettbewerb im Luftverkehr bewahren – Sicherheit erhöhen – Antrag: Anti-Stau-Programm für Europas Luftverkehr (Tagesordnungspunkt 27 und Zusatztagesord- nungspunkte 21 und 22) Dr. Winfried Wolf (PDS): Der erste und wichtigere Themenblock bei diesem Tagesordnungspunkt betrifft die Gesetzentwürfe der Bundesregierung für ein Verkehrs- infrastrukturfinanzierungsgesellschaftsgesetz und für ein Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz. Die FDP hat dazu einen Entschließungsantrag vorgelegt. Wir lehnen beide Gesetzesentwürfe und den FDP-Ent- schließungsantrag ab. Die Ablehnung resultiert aus unse- rer grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber der kon- kreten Ausformung der LKW-Maut und gegenüber der Privatisierung im Verkehrswegebau, insbesondere im Be- reich des Baus von Straßen. Richtigerweise muss festge- stellt werden, dass die beiden genannten Gesetzesentwürfe „nur“ gesetzgeberische Folgemaßnahmen der zuvor be- reits gefassten und von uns abgelehnten Bundestagsbe- schlüsse sind. Im Fall des erstgenannten Gesetzesentwurfs verweise ich daher vorab nur kursorisch darauf, dass die gewisser- maßen im Hintergrund des Gesetzentwurfes stehende LKW-Maut die ursprüngliche Intention einer solchen Be- mautung zum Nullsummenspiel werden ließ, teilweise so- gar zu einer umgekehrten Wirkung als der erwünschten führt. Da die Maut nur für Autobahnen gelten wird und da sie auf LKWüber 12 Tonnen beschränkt ist, wird es zu der zweifachen Verlagerung vom Straßengüterverkehr kom- men: zum einen auf andere Fernstraßen (nicht BABs), zum anderen auf kleinere LKW. Beides ist umweltpoli- tisch und hinsichtlich der Belastungen für die Menschen vor Ort abzulehnen. Darüber hinaus hat die LKW-Maut, wie sie bisher geplant ist, keinerlei verlagernde Wirkung auf die Schiene und auf die Wasserwege. Das war immer- hin ihre ursprüngliche offizielle Intention. Für das bun- desdeutsche Gewerbe ist sogar im Gespräch, dass es zu ei- ner „Kostenneutralität“ kommen soll. Die mit dem Gesetzesentwurf einzurichtende Gesell- schaft ist darüber hinaus aus immanenten Gründen abzu- lehnen. Die entsprechenden Gründe dafür wurden auf der Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen offenkundig. Unter anderem schließen wir uns hier der Kritik des Bundesrechnungshofs und der Sachverständigen von BUND und VCD an. Die Mittel aus der LKW-Maut sollen auch nach den Vorstellungen der Bundesregierung wieder zu einem erheblichen Teil dem Straßenausbau, zum Beispiel dem Anti-Stau-Programm zufließen. Dies ist absolut kontraproduktiv; die Schweiz geht hier einen entschieden anderen, mehr umweltfreund- lichen Weg. Die FDP sattelt hier mit ihrem Entschlie- ßungsantrag noch eins drauf, weswegen wir diesen mit besonderer Leidenschaft ablehnen müssen. Der zweitgenannte Gesetzesentwurf zur Fernstraßen- baufinanzierung stellt ebenfalls „nur“ die Anpassung an Praxiserfordernisse dar, die aus den vorangegangenen ge- setzgeberischen Maßnahmen resultieren. Nichtsdestotrotz müssen wir ihn ablehnen. Mit dem Gesetzesentwurf wird erneut eine den Straßenbau begünstigende und diesen for- cierende gesetzgeberische Grundlage geschaffen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass mit der Privatfinanzierung im Straßenbau erstens die Kosten für den Straßenbau steigen, zweitens spätere Haushalte be- lastet werden und drittens Fakten geschaffen werden, die eine umweltverträgliche Verkehrssteuerung enorm er- schweren werden. Weil diese kommenden Straßenbau- projekte finanziert werden, wird es erforderlich sein, die Rendite für die privaten Straßenbetreiber zu sichern. Das heißt, das Verkehrsaufkommen muß hoch bleiben. Verla- gerungen, die wir aus den bekannten Gründen wünschen, werden damit strukturell zunehmend unmöglich gemacht. Im Übrigen wird hier wieder ein „ball paradox“ gege- ben. Es war erfreulicherweise die geschätzte Kollegin Blank, die in dieser Woche im Verkehrsausschuss darauf verwies, dass mit diesem Gesetzesentwurf „die Beteili- gung des Parlaments durch Rechtsverordnung ausge- schlossen“ werde. Interessanterweise handelt es sich bei dem Gesetzentwurf um die Änderung eines Gesetzes aus dem Jahr 1994, das bereits erste Schritte in Richtung der privaten Straßenbaufinanzierung machte. Damals waren es SPD und Grüne, die diese Förderung der Privatfinan- zierung ablehnten, und zwar mit ziemlich ähnlichen und auch im Nachhinein richtigen Argumenten, mit denen wir dies heute tun. Dieser scheinbar paradoxe Vorgang lässt sich aufklären, wenn man den enormen Einfluss der Straßenbau- und Autolobby in Rechnung stellt, der auf je- der Regierung und jeder Exekutive lastet, gleich welche Parteien diese stellen. Dem „Ersten Gesetz zur Änderung des Regionalisie- rungsgesetzes“ werden wir zustimmen. Es bringt teil- weise Verbesserungen mit sich; zumindest werden die rü- den Androhungen des Finanzministers, wonach die Regionalisierungsgelder gekürzt werden sollen, nicht rea- lisiert. Der FDP-Antrag bringt erfreulicherweise das auf den Punkt, was dazu ergänzend gesagt werden muss, ins- besondere auch hinsichtlich § 7 dieses Gesetzes, also die Forderung, dass diese Regionalisierungsmittel eindeutig und zwingend zweckgebunden für den Schienenperso- nennahverkehr eingesetzt werden müssen. Wenn wir auch dem Punkt 2 des FDP-Antrags zustimmen, wonach es eine Wettbewerbsklausel geben soll, dann aufgrund der konkreten Praxis von der Bahn AG. Die konkret mit den Bundesländern hier teilweise vereinbarten Langzeitver- träge sind aus Sicht der Länderinteressen, der Interessen der Fahrgäste und des Interesses an einer Verkehrswende nicht zufrieden stellend. Der Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Marktzuganges im Luftverkehr, den die Bundesregierung hier zur Abstimmung stellt, lehnen wir ab. Dieser Antrag reflektiert erneut die völlig kontraproduktive Orientie- rung der Bundesregierung und der sie tragenden Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Mit diesem Gesetzes- entwurf wird die Liberalisierung im Luftverkehr weiter befördert. Preisdumping und Billigflugangebote werden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223758 (C) (D) (A) (B) zunehmen. Die Steigerungen des Flugverkehrs werden damit aufrechterhalten. Wir verweisen hier auf drei Dinge: Erstens. Der Flugverkehr als die die Umwelt am stärks- ten belastende Verkehrsart weist seit vielen Jahren die mit Abstand höchsten Wachstumsraten auf. Damit findet eine kontinuierliche Verkehrsverlagerung in die Luft statt. Zweitens. Es kommt zu einer kontinuierlichen Ver- schlechterung im Preisniveau zuungunsten des Schienen- verkehrs oder zu einer deutlichen Verbilligung der Ticket- Kosten im Flugverkehr. Damit wird die umgekehrte Verkehrswende immens gefördert. Drittens. Die Steigerungsraten im Flugverkehr betref- fen durchaus auch den Binnenflugverkehr. Dieser stieg im Zeitraum 1991 bis 2001 um rund 50 Prozent. Die durch- schnittliche Entfernung je Binnenflug betrug Ende der 1990er-Jahre 470 Kilometer. Damit liegen diese Kurz- streckenflüge in ihrer großen Mehrzahl in einem Bereich, der ideal wäre für eine Verlagerung auf die Schiene. Doch eine solche Verlagerung gab es nicht und wird es mit sol- chen kontraproduktiven gesetzgeberischen Maßnahmen nicht geben. Tatsächlich ist der Schienenpersonenfernver- kehr seit 1994 sogar leicht rückläufig, sogar die durch- schnittliche je Fahrt in diesem Segment zurückgelegte Reiseweite ging zurück. All das sind Parameter, die die- sen verkehrten Verkehr, die diese umgekehrte Verkehrs- wende, für die SPD und Bündnis 90/Die Grünen verant- wortlich zeichnen, belegen. Wenn wir im Übrigen dem Gesetzentwurf für den deutsch-schweizerischen Vertrag zustimmen, dann aus dem schlichten Grund, dass wir uns solche umwelt- freundlichen Bestimmungen im Flugverkehr überall wün- schen. Man übertrage doch bitte das, was hier für den Be- reich Hochrhein/Schwarzwald vereinbart werden soll, auf Frankfurt/Main oder auf den FJS-Airport in München: Halbierung der Flugbewegungen, Nachtflugverbot, am Wochenende kaum Flüge usw. Dass der vorgeschlagene Vertrag mit der Schweiz in diesem Sinne heuchlerisch und einseitig ist, habe ich bereits bei der ersten Lesung des- selben erklärt. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass der Verkehrsausschuss des schweizerischen Parlaments den Vertrag ablehnte und eine endgültige Entscheidung in der Schweiz erst für Herbst oder Ende 2002 zu erwarten ist. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Opferrechte stärken und verbessern – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Erika Simm (SPD): Lassen Sie mich mit einer po- sitiven Feststellung beginnen: Ich finde es erfreulich, dass sich die Fraktionen des Deutschen Bundestages im Grundsatz darin einig sind und es in den letzten Jahren auch waren, dass die Rechte des Opfers im Strafverfahren gestärkt werden und die Hilfen für Opfer von Straftaten verbessert werden müssen. Diesbezügliche Rechtsän- derungen sind in der Vergangenheit vielfach gemeinsam verabschiedet worden, wie zum Beispiel in jüngster Zeit das Gesetz zur Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Strafprozessordnung vom 20. Dezember 1999. Vor diesem Hintergrund befremdet es, dass die FDP in der Begründung zu ihrem Antrag der Bundesregierung unterstellt, sie wolle den Kurs zur Verbesserung des Op- ferschutzes nicht entschieden genug weiterverfolgen. Nur zur Erinnerung: Das eben genannte Gesetz zum TOA ba- sierte auf einer Gesetzesinitiative eben dieser Bundes- regierung. Der heute gleichfalls zur Beratung anstehende Gesetz- entwurf der CDU/CSU hat als Prämisse zur Vorausset- zung, dass im Jugendstrafverfahren der Opferschutz- gedanke nur unzureichend verwirklicht sei und will dem durch die Zulassung der Nebenklage – insoweit überein- stimmend mit dem FDP-Antrag – und des Adhäsionsver- fahrens abhelfen. Ich lasse mal dahingestellt, ob die Be- hauptung, dem Opferschutz sei im jugendgerichtlichen Verfahren zu wenig Rechnung getragen, so stimmt. Ge- gen die schlichte Übernahme der Nebenklage und des Adhäsionsverfahrens in das Verfahren gegen Jugendliche wende ich mich aber mit Nachdruck. Die formalisierte Beteiligung des Verletzten als Nebenkläger im Verfahren gegen Jugendliche in jedem Stadium des Verfahrens, zum Beispiel auch noch nach ergangenem Urteil zur Einlegung von Rechtsmitteln, widerspricht in meinen Augen der er- zieherischen Zielsetzung und Ausgestaltung des Jugend- strafverfahrens. Ich bin gerne bereit, mich an Überlegungen zu beteili- gen, wie der Opferschutz auch im Jugendstrafverfahren gestärkt werden kann und denke, dass das durchaus wün- schenswert und möglich ist, ohne dass die Nebenklage zu- gelassen werden muss. Allerdings meine ich, wir täten gut daran, ehe wir Schnellschüsse abgeben, die Vorschläge der „Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Ju- gendgerichtshilfen“ abzuwarten, die mit finanzieller Un- terstützung des BMJ eine JGG-Reformkommission ein- gesetzt hat. Diese Kommission soll einen etwaigen Reformbedarf auch unter dem Aspekt des Opferschutzes prüfen. Die Deutsche Vereinigung wird ihre Vorschläge rechtzeitig zum Deutschen Juristentag im September vor- legen, wo ja die Reform des Jugendstrafrechts ebenfalls Thema sein wird. Ich verstehe nicht, warum Sie, liebe Kollegen von der FDP und der CDU/CSU, jetzt so ungeduldig sind und die Ergebnisse der Beratungen der DVJJ-Kommission und des Deutschen Juristentages nicht abwarten können. Was die Zulassung des Adhäsionsverfahrens im Ver- fahren gegen Jugendliche betrifft, so bleibt mir auch nach gründlicher Lektüre der Begründung des Gesetzentwurfs unerfindlich, warum Sie meinen, dass dieses Verfahren, das aus vielerlei Gründen im Erwachsenenstrafverfahren nie eine nennenswerte Rolle gespielt hat, von Kommen- tatoren als Fremdkörper im Strafprozess, ja als „Totge- burt“ bezeichnet wird, nun plötzlich im Jugendstraf- verfahren effektiv sein soll, um dem Verletzten zum Schadenersatz zu verhelfen. Gerade das JGG bietet da Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23759 (C) (D) (A) (B) wirksame Möglichkeiten über Weisungen und Auflagen an. Was die übrigen im Antrag der FDP enthaltenen For- derungen angeht, so halte ich deren zum Teil völlige Un- substantiiertheit schon für bemerkenswert. Da werden zum Beispiel zum Adhäsionsverfahren pauschal Ände- rungen verlangt, „sodass dieses weit häufiger angewandt wird“, ohne dass die Antragssteller auch nur andeuten, worin diese Änderungen denn bestehen könnten. Anlass, sich dazu Gedanken zu machen, hätte ja wohl angesichts der bekannten systematischen Verfehltheit dieses kontra- diktorisch angelegten Verfahrens im Strafprozess bestan- den. Andere dieser Forderungen wiederum gehen offen- sichtlich von falschen tatsächlichen Gegebenheiten aus, wie zum Beispiel die nach „einer klarstellenden Ände- rung beim Täter-Opfer-Ausgleich“, damit dieser in der Praxis häufiger genutzt wird. Dabei wird ignoriert, dass seit der schon erwähnten Verankerung des TOA in der Strafprozessordnung die Zahl der Fälle, wo der TOA an- gewandt wurde, ständig steigt und gegenwärtig ein Bedarf für zusätzliche gesetzliche Regelungen nicht ersichtlich ist. Ähnlich verhält es sich mit der Forderung, die Vor- schriften über Verfall und Einziehung neu zu fassen, „da- mit künftig effektiv von ihnen Gebrauch gemacht werden kann“. Auch hier nehmen die Antragsteller nicht zur Kenntnis, dass in den letzten Jahren zunehmend erfolg- reich illegal erlangte Vermögensvorteile abgeschöpft wur- den und sich der Wert der sichergestellten Vermögens- werte im Jahr 2000 auf die Rekordhöhe 1 Milliarde DM belief! Angesichts dieser Erfolge ist auch hier gegenwär- tig ein gesetzgeberischer Bedarf nicht erkennbar. Auch bezüglich der Rechte aus dem Opferentschädi- gungsgesetz wird bereits durch Merkblätter und Bro- schüren breit aufgeklärt. Nach meiner Information sind in den Ländern die Polizeibeamten durch entsprechende Dienstanweisungen auch gehalten, Opfer von Straftaten diesbezüglich aufzuklären. Für die geforderte Veranke- rung einer gesetzlichen Aufklärungspflicht sehe ich des- wegen keine Notwendigkeit. Erstaunlich allerdings finde ich die Forderung nach einer Verbesserung der Leistungen aus dem Opferent- schädigungsgesetz, dergestalt, dass künftig sowohl das Opfer als auch dessen nahe Angehörige einen Anspruch auf Beratung und psychologische Betreuung zur Bewälti- gung der psychischen Folgen und zur Wiedereingliede- rung in das Berufsleben haben sollen. Solche Leistungen werden schon jetzt nach dem Bundesversorgungsgesetz, auf das das Opferentschädigungsgesetz verweist, gefähr- det. Der geforderten Änderung des Opferentschädigungs- gesetzes bedarf es deswegen ebenfalls nicht. Auch wenn ich der Meinung bin, dass der Antrag der FDP und der Gesetzentwurf der CDU/CSU ihrem Inhalt nach wenig geeignet sind, zu einer Verbesserung des Op- ferschutzes beizutragen, so liegt mir doch daran, festzu- stellen, dass es auf diesem Gebiet noch einiges zu tun gibt und dass wir selbstverständlich bereit sind, mit Ihnen zur weiteren Stärkung der Situation von Verbrechensopfern zusammenzuarbeiten. Sabine Jünger (PDS): Für die PDS ist die stärkere Berücksichtigung der Belange von Opfern Kernstück ei- ner modernen Strafrechtspolitik. Wenn man ein Strafver- fahren verfolgt, erscheint es gelegentlich durchaus so, als würden sich die Strafgerichte intensiv um die Täter küm- mern und weniger um die Anliegen der Opfer. Durch das OEG hat sich hier zwar in den letzten Jahren einiges ver- bessert, dennoch spielen Opfer im Strafrecht noch immer eine untergeordnete Rolle. Der Verletzte darf durch den Prozess nicht noch einmal zum Opfer gemacht werden. Auch seine Rechte müssen im Verfahren nicht nur ge- wahrt, sondern angemessen berücksichtigt werden. Durch die vorgeschlagenen Änderungen kann es zu einer deut- lichen Verbesserung der Stellung von Opfern kommen. Das Opfer eines Verbrechens könnte stärker als Verfah- renssubjekt agieren und würde auch als solches wahrge- nommen werden. Doch lassen Sie mich zu den Vorschlägen im Einzelnen kommen: Erstens. Es ist eine langjährige Forderung – nicht nur des Weißen Ringes – das Opfer ihre Opferrolle nicht ein zweites Mal vor Gericht durchmachen müssen. Ihnen verschiedene Prozesse zu ersparen und die Mög- lichkeit der Wiedergutmachung innerhalb des Strafver- fahrens zu stärken, sind erstrebenswerte Ziele. Bisher liegt es im Ermessen des Strafrichters, die Durchführung des Adhäsionsverfahrens jederzeit abzulehnen. Rechts- mittel hiergegen gibt es nicht. Dies führt bislang dazu, dass Wiedergutmachung im Rahmen des Strafverfahrens nur sehr selten stattfindet. Es ist aus Sicht der Opfer sicherlich schwer verständlich, warum so selten Wieder- gutmachung im Rahmen des Adhäsionsverfahrens ge- währt wird. Deshalb ist eine Stärkung des Adhäsionsver- fahrens geboten. Wir sollten in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht darüber nachdenken, ob nicht der Vor- rang der Schadenswiedergutmachung vor anderen Aufla- gen wie auch vor der Vollstreckung einer Geldstrafe deut- licher und zwingender ausgestaltet werden kann. Es gibt hier zwar gesetzliche Möglichkeiten, zum Beispiel den Täter-Opfer-Ausgleich, aber auch diese finden so gut wie nie statt. Wenn hier die Möglichkeit besteht, Opfern früh- zeitig und ohne weitere Belastung des Justizapparates, Genugtuung zu verschaffen, müssen unseres Erachtens fiskalische Aspekte zurückstehen. Zweitens. Im Verfahren gegen Jugendliche ist auf- grund der aktuellen Gesetzeslage im § 80,3 JGG keine Nebenklage möglich. Das Opfer kann sich lediglich der Hilfe eines Zeugenbeistandes mit erheblich einge- schränkten Rechten bedienen. Die Nebenklage im Ju- gendverfahren ist bisher nicht zulässig, weil der Erzie- hungsgedanke im Vordergrund des Jugendverfahrens stehen soll. Das findet unsere Unterstützung. Und den- noch: Dies darf nicht zu einem Versagen des Opfer- schutzes führen. Aus unserer Sicht ist die Beteiligung ei- nes Opferanwaltes, also der Zulassung der Nebenklage, ein wichtiges Opferschutzinstrument. Durch die Ein- führung des Opferanwaltes hat der Gesetzgeber zu Recht die besondere Schutzwürdigkeit von Opfern anerkannt. Es kann nicht dem Gedanken des Jugendverfahrens ent- sprechen, dass dieser Opferschutz dann versagt, wenn ein Täter bei der Tatbegehung Jugendlicher war. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223760 (C) (D) (A) (B) Drittens. In das OEG soll eine Vorschrift aufgenom- men werden, die Strafgerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei verpflichtet, Opfer auf das Opferentschädigungs- gesetz aufmerksam zu machen. Außerdem soll ermöglicht werden, dass auch nahe Angehörige einen Anspruch auf Beratung und Betreuung eingeräumt wird, um die psychi- schen Folgen einer Straftat zu bewältigen. Diese vorge- schlagenen Ergänzungen des Opferentschädigungsgeset- zes finden ebenfalls die Zustimmung meiner Fraktion. Lassen Sie uns zügig und gemeinsam in den Ausschüs- sen beraten. Es wäre schade, wenn diese vernünftigen For- derungen der Diskontinuität anheim fallen würden. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: – Zweites Gesetz zur Änderung des Gentech- nikgesetzes – ... Gesetz zurÄnderung des Gentechnikgesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 23) Detlef Parr (FDP): Das Gentechnikgesetz hat zehn Jahre lang zur wachsenden Akzeptanz der neuen Techno- logie in unserer Bevölkerung beigetragen. Wir sind uns mittlerweile einig: Die Bio-Medizin wird nach der IT- Branche riesige Zukunftschancen eröffnen und erhebli- ches Wachstum erfahren. Diese Entwicklung kann aber nur dann eintreten, wenn auch in Deutschland die Rah- menbedingungen so gesetzt werden, dass sie Kräfte ent- fesseln, statt sie zu strangulieren. Die vorliegende Novellierung des Gentechnikgesetzes erfüllt diese Voraussetzungen leider nicht. Wir nutzen die Gelegenheit nicht, um wesentliche für den internationalen und europäischen Wettbewerb entscheidende Verfah- renserleichterungen einzuführen. Als Umsetzung der EU- Richtlinie hatte die Bundesregierung zunächst wenigstens die Anzeige – anstatt der Anmeldung – bei weiteren Ar- beiten der Sicherheitsstufe – geringes Risiko – vorgese- hen. Doch nun wird per Änderungsantrag von SPD und Grünen auch hier ein Anmeldeverfahren vorgesehen. Die Gleichstellung von Forschung und Produktion – wie sie die Richtlinie vorsieht – wird auf diese Weise nicht um- gesetzt. Die Bringschuld der Unternehmen gegenüber Behör- den wird an allen erdenklichen Stellen erweitert. Dort al- lerdings, wo die Behörden eine Bringschuld haben, soll diese eingeschränkt werden. Die Genehmigungspflicht für S-2-Überwachungslaboratorien wird abgeschafft. Der Zeitverlust, der durch lange Anmeldungs- und Zulas- sungsverfahren verursacht wird, soll nun dadurch umgan- gen werden, dass es eine Genehmigungspflicht für S-2- Überwachungslaboratorien nicht mehr geben soll. Die Gentechnik-Sicherheitsverordnung wird in zehn Fällen verschärft. In der Begründung heißt es, dass bereits heute geltende und verpflichtende Sicherheitsmaßnah- men aus dem Technischen Regelwerk – TRBA; Tech- nische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe – in die GenTSV überführt werden sollen. Eine Verordnung ist je- doch wesentlich unflexibler, wenn es darum geht, Sicher- heitsmaßnahmen an den aktuellen Stand von Wissen- schaft und Technik anzupassen. Das Arbeitsschutzgesetz wird verschärft. „Den Be- schäftigten gemäß § 2 Abs.2 ArbSchG stehen Schüler, Studenten und sonstige Personen, die gentechnische Ar- beiten durchführen; gleich.“ Es steht zu befürchten, dass Schüler und Studenten Beschäftigten – mit den entspre- chenden Auflagen – gleichgestellt werden, selbst wenn sie sich nur für einen Tag zu Demonstrationszwecken in Ver- suchslaboren aufhalten. Dies erschwert sowohl die Ver- mittlung von Grundkenntnissen der Gentechnik als auch die Gewinnung von praktischen Erfahrungen. Der Katalog der Ordnungswidrigkeiten wird ausge- dehnt, wodurch das Misstrauen, das SPD und Grüne ge- genüber der Gentechnik hegen, klar zum Ausdruck kommt. Das betrifft insbesondere eine Nichtanmeldung von „wesentlichen Änderungen der Beschaffenheit der Anlage“. Gleichzeitig unterlässt man es, den Begriff der „wesentlichen Änderung“ klar zu definierten, sodass hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht. Die Folge da- von ist, dass aus Gründen der „Prävention“ – im Sinne von Verhinderung von Bußgeldern) bei jeder Änderung mit den Behörden kommuniziert werden muss. In der Konsequenz wird die Arbeit in Unternehmen und Lan- desbehörden unter den sich anschließenden Diskussio- nen, was „wesentliche Änderungen“ – ob dies zum Bei- spiel Sicherheitswerkbänke oder Ähnliches sind! – umfassen, gelähmt. Die FDP-Fraktion huldigt keineswegs bedingungslo- sem Fortschrittsglauben. Bei Berücksichtigung aller Be- denken für die Zukunft unseres Landes ist eines von be- sonderer Bedeutung: Wir müssen den Erkenntnissen der Naturwissenschaft und der Technik mehr Vertrauen ent- gegenbringen. Chancen und Risiken der Bio-Technolo- gien müssen angemessen abgewogen werden – sachlich und ohne einseitige Vorverurteilungen. Nur so können wir die Zukunft verantwortungsvoll gestalten. Unter diesen Gesichtspunkten, die der Antrag der Union auch zum Ausdruck bringt, stimmen wir diesem zu und müssen den Gesetzentwurf leider ablehnen. Helmut Heiderich (CDU/CSU): CDU/CSU haben schon 1990 ein umfassendes Regelwerk zur Gentechnik geschaffen, dessen Grundsätze sich bis zum heutigen Tag bewährt haben. Ja, mehr noch – die wesentlichen Elemente wurden von der Europäischen Union als gesamteuropäi- sches Recht übernommen und mit der Richtlinie 1998/81 verbindlich für alle Mitgliedstaaten verabschiedet. Mehr als bedauerlich ist, dass die rot-grüne Bundes- regierung dreieinhalb Jahre gebraucht hat, um diesen europäischen Fortschritt mit den nationalen Regeln abzu- gleichen. Wie in einem Tollhaus kommt es einem aber vor, wenn nach so langer „Funkstille“ genau am Abend vor der abschließenden Ausschussberatung sage und schreibe 101 Seiten Änderungsanträge durch die Regie- rungskoalition vorgelegt werden. Solches Vorgehen ist eine Brüskierung parlamentarischer Arbeit. Und es macht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23761 (C) (D) (A) (B) erneut deutlich, was Rot-Grün von einer ernsthaften fach- lichen Auseinandersetzung im parlamentarischen Verfah- ren hält. Doch zurück zu den Grundstrukturen des Gentechnik- rechts. Grundprinzip eins: CDU/CSU haben alle gentech- nischen Verfahren in vier Sicherheitsstufen eingeteilt: von Stufe 1 – harmlose Arbeiten – bis Stufe 4 – gefährdend für Mensch und Umwelt. Die rot-grüne Bundesregierung selbst hat jetzt in ihrem Zweiten Bericht über Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz festgestellt, dass in allen Jah- ren seit 1990 in allen Sicherheitsstufen kein einziger Pro- blemfall bei gentechnischen Forschungen und Produk- tionsverfahren aufgetreten ist. Es lohnt sich im Übrigen, den zweiten Gentechnikbericht intensiver zu lesen. Er be- zeugt von Anfang bis Ende positive Erkenntnisse zu die- ser Zukunftstechnologie. Grundprinzip zwei: Schritt für Schritt und konkret fall- bezogen haben Forscher, Anwender und Behörden die Entwicklung, die Fortschritte dieser Technologie zu beur- teilen. Dies schafft Angemessenheit, dies schafft Passge- nauigkeit, dies schafft Zuverlässigkeit und Grundlage für Vertrauen. So wurden auch alle Bedenken, die von ver- schiedenen Kritikern immer wieder bis hin zur Panik- mache vorgebracht wurden und werden, voll und ganz entkräftet. Gentechnik nach diesen Grundsätzen ist sicher, ist verantwortbar und enthält als Zukunftstechnologie viele Hoffnungen für die Menschheit. Grundprinzip drei: strikte Wissenschaftsorientierung für Genehmigung und Kontrolle gentechnischer Verfah- ren und Anwendungen. Wie in internationalen Vertrags- werken zugesichert, dürfen Entscheidungen auf dieser Ebene weder vom Druck gesellschaftlicher Gruppen noch von einer ideologischen Orientierung zuständiger Minis- terien abhängig sein. Dieses Prinzip ist von Rot-Grün in den vergangenen Jahren leider mehrfach durchbrochen worden. Grundprinzip vier: Offenheit und Transparenz aller Verfahrensschritte von der Entwicklung im Labor bis zum Kauf entsprechender Produkte aus dem Regal. Allerdings verpflichtet solche Offenheit auch zum Schutz der Anbie- ter vor zerstörungswütigen Gegnern und zur ernsthaften Verfolgung solcher Straftaten, wie gerade erst im März diesen Jahres die Vernichtung eines Versuchsfeldes in Brandenburg mit gentechnisch verbessertem Raps zeigt, welches im Rahmen des Forschungsprogrammes der Bundesregierung „Sicherheit und Monitoring“ ange- pflanzt wurde. CDU/CSU haben unter diesen Gesichtspunkten von Anfang an sehr vorsichtig, sehr umfassend und weit vor- ausschauend gehandelt. Inzwischen zeigt die positive Er- fahrung eines guten Jahrzehnts mehr als deutlich, dass an vielen Stellen die strengen Verfahren gelockert, die hohen Barrieren reduziert und das umfangreiche Verfahren be- schleunigt werden kann. Dies ist in der Richtlinie 98/81 der Europäischen Union erkannt und umgesetzt worden. Die Verfahren der präventiven Kontrolle wie auch der behördlichen Überwachung wurden von der EU tenden- ziell vereinfacht und die Abwicklung für die antragstel- lenden Forschungseinrichtungen bzw. Unternehmen be- schleunigt. Immer wieder stellt auch die Bundesregierung in offi- ziellen Erklärungen die Biotechnologie als Leittechnik des neuen Jahrhunderts heraus. In ihrem heute ebenfalls zu diskutierenden Erfahrungsbericht bezeichnet sie Gen- technik als Innovationsmotor. Auch EU-weit sind die Er- fahrungen langjährig positiv. Völlig im Gegensatz zu die- sen richtigen Erkenntnissen gehen die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf wieder deutlich einen Schritt rückwärts. Sie erhöhen die bürokratischen Anforderungen, sie verlän- gern die Wartefristen, sie komplizieren das Gentechnikre- gelwerk im Verhältnis zur Vorlage der EU. Welch fröhliche Urständ Sankt Bürokratius feiert, las- sen Sie mich an der neuen Vorschrift zu Art. 3, Nr. 18, Buchstabe b darstellen. Zitat: „Für die Beschäftigten sind Bereiche einzurichten, in denen sie ohne Beeinträchti- gung ihrer Gesundheit durch gentechnisch veränderte Or- ganismen essen, trinken, rauchen, schnupfen oder sich schminken können.“ Dabei bleibt auch noch offen, ob die Beeinträchtigung der Gesundheit durch das Trinken, Rau- chen und Schnupfen entsteht oder durch sozusagen kör- perliche Verfolgung wild gewordener Gene, wie Green- peace das so gern zur plakativen Verunsicherung darstellt. Besonders unerträglich sind solche Verschärfungen ge- genüber der EU für die Sicherheitsstufe 1. Arbeiten, For- schungen in dieser Stufe sind per Definition ausdrücklich als harmlos eingestuft. Deshalb ist es vollständig ausrei- chend für die Kontrollbehörden, wenn bei neuen, fortge- setzten oder erweiterten Arbeiten eine Anzeige der ge- planten Aktivitäten bei der Behörde abgegeben wird. Gerade im Hinblick auf Forschungseinrichtungen der Universitäten, auf die dringende Notwendigkeit, solche Standardverfahren der Gentechnik auch in die schulische Ausbildung verstärkt einzubeziehen, müssen längst obso- let gewordene, unnötige und überflüssige bürokratische Hürden beseitigt werden. Wir können als verantwortliche Politiker nicht über zu wenig Interesse an den Naturwis- senschaften in unseren Schulen klagen, gleichzeitig die Beschäftigung mit modernen Methoden der Naturwissen- schaft aber wie den Eintritt in einen Hochsicherheitstrakt behandeln. Solche Vorgaben lösen negative Rückwirkun- gen aus und dürfen deshalb nicht gesetzlich festgeschrie- ben werden. Positiv ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag des Bundesrates zu beurteilen, bei der Einstufung nach S 1 nicht nur die eingesetzten Organismen zu beurteilen, son- dern auch die entsprechenden rekombinanten Proteine in die Überprüfung einzubeziehen. Damit wird die Beurtei- lung als „harmlos“ noch weiter abgesichert und lässt da- mit bürokratische Regulierungen für S 1 noch entbehr- licher werden. Die in unserem Entschließungsantrag geforderte amt- liche Methodensammlung soll geschaffen werden, um eine bundeseinheitlich gleiche Bewertung eingereichter Anträge zu ermöglichen. Diese Neuerung darf allerdings nicht zu zusätzlichen Kosten für die Betriebe und For- schungseinrichtungen führen. Insgesamt wird die Vorlage der Bundesregierung we- der ihren eigenen Erkenntnissen noch dem Fortschritts- verhalten der Europäischen Union gerecht. Sie erhöht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223762 (C) (D) (A) (B) bürokratische Hürden, statt zu deregulieren. Sie erschwert die breite Anwendung der Gentechnik auch dort, wo es eindeutig um harmlose Arbeiten geht. Sie verschlechtert die deutschen Chancen, in der Strategieplanung für Bio- wissenschaften der Europäischen Union an der Spitze mitzumarschieren. Die Änderungen sind nicht getragen von der Verant- wortung um Sicherheit, sondern von ideologisch motivier- ter Ablehnung. So fördert man nicht neue Arbeitsplätze und neue Technologien, sondern Vorbehalte in der Bevöl- kerung und überflüssige Beschäftigung in der Bürokratie. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Novellierung des Gentechnikgesetzes GenTG zeigt erneut, dass einzig und allein die rot-grüne Koalition eine verant- wortliche und abwägende Gentechnikpolitik betreibt. Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag vorgelegt, der deutlich macht, dass sie am liebsten alle Sicherheits- standards schleifen würde, wenn es denn ginge. Auf Auf- zeichnungspflichten und Haftungsregelungen soll ver- zichtet werden. Gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere, die bisher ungefährlich erschienen, sollen aus dem Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes entlassen wer- den. Zur Aufzeichnung der Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen sollen die einfachen Labor- bücher genügen. Jeder, der mal im Labor gearbeitet hat, weiß, was das bedeutet. Wenn es nach der FDP ginge, würde sowieso das ge- samte Gentechnikrecht hemmungslos liberalisiert. Wir haben es dagegen geschafft, eine Gesetzesnovelle vorzulegen, die erhebliche Verfahrensvereinfachungen und Verfahrensbeschleunigungen vornimmt, allerdings nur dort, wo das möglich und verantwortbar ist. Das ent- lastet Anwender und Behörden gleichermaßen und kommt Forschung und Wirtschaft zugute. Gleichzeitig haben wir die hohen Sicherheitsstandards des deutschen Gentechnik- rechts für Arbeiten im Labor erhalten. Es ist unser Ziel, al- les zu tun, um die optimale Sicherheit unter Vorsorgege- sichtspunkten sicherzustellen. Das schützt Mensch und Natur und es hilft gleichzeitig Wissenschaft, Forschung und Industrie, die auf verlässliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen sind. Wir konnten im Gesetzgebungsverfahren wichtige Verbesserungen durchsetzen, die Vorsorge und Sicherheit stärken und die Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten der zuständigen Länderbehörden verbessern: Erstens. Im Rahmen der Verordnungsermächtigung, die es aufgrund der EU-Verordnung ermöglicht, „ungefähr- liche“ gentechnisch veränderte Mikroorganismen von den Genehmigungsverfahren auszunehmen, haben wir eine Mitteilungspflicht und ein Kataster für alle gentechnischen Arbeiten verankert. Damit ist es möglich, dass die Behör- den einen Überblick behalten, an welchen Stellen mit gen- technisch veränderten Organismen geforscht wird. So ist eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet und auch eventuell Haftungsansprüche können verfolgt werden. Zweitens. Bei den weiteren Arbeiten in der Sicher- heitsstufe 2 gilt weiterhin das bewährte Anmeldeverfah- ren, ein Anzeigeverfahren wird nicht eingeführt. Drittens. Der Vorsorgepassus in der Gentechniksicher- heitsverordnung bleibt entgegen dem ursprünglichen Ent- wurf des BMG erhalten. Viertens. Die Definition der Sicherheitsstufe 1, nach der „kein Risiko“ vorliegen darf, bleibt wie gehabt und wird nicht geändert. Fazit: Eine gelungene Gesetzesnovelle, die hohe Si- cherheitsstandards und Entbürokratisierung miteinander verbindet. Kersten Naumann (PDS): Zum Gentechnikgesetz gibt es wenig neue Erkenntnisse. Die PDS bleibt dabei, dass sie den neuen Regelungen mit einer vorgesehenen weitgehenden Deregulierung nicht zustimmen kann. Kritikpunkte sind nach wie vor Fragen der Deckungs- vorsorge, der Umgang mit der Selbstklonierung und der Herabsetzung von Anforderungen bezüglich Anzeige, Anmeldung und Genehmigung vor allem in den unteren Sicherheitsstufen S 1 und S 2. Mit der Kürzung der Ent- scheidungsfristen bzw. Prüfungsfrist von 30 Tagen für gentechnische Arbeiten in Sicherheitsstufe 1 setzen sich Behörden zudem selbst unter Zeitdruck. Intervenierung wird unmöglich. Bei der Umsetzung der Systemrichtlinie stellt sich die Frage, warum die Bundesregierung unbedingt einen eige- nen Gesetzentwurf einbringen muss, der in Teilen weit über die Anforderungen aus der Systemrichtlinie hinaus- geht. Trotz der bereits verstrichenen Frist und wegen des anhängigen Klageverfahrens sollte nicht schnell ein Ini- tiativrecht darüber hinweg täuschen, dass hier in einigen Punkten versucht wird, den Unternehmen weit entgegen- zukommen, dass damit aber ein Sicherheitsverständnis an den Tag gelegt wird, das einem Vorsorgeprinzip nicht ge- recht wird. Die Begründung, weil es bisher keine ernst zu neh- menden Probleme mit Freisetzungen von Mikroorganis- men aus Labors und Produktionsanlagen gab, die eine Ge- fährdung für die Bevölkerung oder Umwelt dargestellt hätten, kann nicht akzeptiert werden. Es gibt in vielen Wirtschaftsbereichen – und das nicht nur im Agrar- und Lebensmittelsektor – genügend Beispiele dafür, dass erst das Kind in den Brunnen fallen muss, bevor politisch ge- handelt wird. Vorschriften zu Genehmigungen und zum Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen zu vereinfachen, nur um sie zu beschleunigen, kann nicht der richtige Weg sein. Obwohl es bisher keine Probleme mit der Verfahrensweise auch bezüglich gewerblicher An- lagen gab, sollen hier gerade bei der Industrie bürokrati- sche Wege abgebaut werden. Für einen Außenstehenden stellt sich ohnehin die Frage, ob Salmonellen oder Eiter- erreger als harmlos eingestuft werden können. Beim Initiativrecht, wie es in Ihrer Begründung steht, stehen vor allem arbeitsökonomische aber auch sachliche Gründe im Vordergrund. Hinsichtlich der Problematik der Abfallbeseitigung werden die rechtlichen Bedenken aber erst im Zusammenhang mit einer späteren umfassenden Änderung der Gentechnik-Sicherheitsverordnung gelöst werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23763 (C) (D) (A) (B) Ausdrücklich möchte ich noch einmal darauf verwei- sen, dass alle gentechnisch veränderten Mikroorganismen oder in Zusammenhang mit der Technologie Gentechnik genutzten Mikroorganismen in das Gentechnikgesetz ver- ankert werden müssen. Bezüglich der Einbeziehung von TSE-auslösenden Agens als Mikroorganismus scheint sich die Bundesregierung bezüglich Rechtssicherheit nicht ganz sicher zu sein, ob die Biostoff-Verordnung und das Infektionsschutzgesetz ausreichen. Eine erneute Überprüfung ist zumindest angekündigt. Zu begrüßen ist, dass die von der Bundesregierung erst vorgesehene gleichzeitige Umsetzung der neuen EU-Frei- setzungs-Richtlinie zurückgezogen worden ist. Hier ist nicht nur der Diskurs grüne Gentechnik beendet, auch auf europäischer Ebene bleibt abzuwarten, ob sich das De- facto-Moratorium der sechs EU-Länder nicht noch erwei- tert. Die deutsche Bundesregierung hätte hier auch als Si- gnal an die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Bürgerinnen und Bürger diesen Schritt gehen können und bereits vor zwei Jahren – so wie die Grünen es forderten – sich am Moratorium beteiligen können. Gudrun Schaich-Walch, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit: „Die positiven Möglichkeiten der Gentechnik verantwortungsvoll wei- terentwickeln“, das ist das Ziel der Bundesregierung. Das bedeutet auf der einen Seite, den Schutzgedanken des Ge- setzes durch das Vorsorgeprinzip zu stärken und damit Mensch und Umwelt vor möglichen Risiken und Gefah- ren der Gentechnik wirkungsvoll zu schützen. Es bedeu- tet aber auch, dort zu deregulieren, wo es notwendig und verantwortbar ist. Dieser Zielsetzung trägt die Novellierung des Gen- technikrechts Rechnung. Deshalb gibt es Vereinfachun- gen für die Betreiber gentechnischer Anlagen in den nied- rigen Sicherheitsstufen ohne oder mit nur geringem Risiko. Gleichzeitig wird die präventive Kontrolle dort gestärkt, wo mit gefährlichen Organismen umgegangen wird, also in den höheren Sicherheitsstufen. Das deutsche Gentechnikrecht beruht im Wesentlichen auf europäischem Gemeinschaftsrecht. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes setzen wir eine Änderungsrichtlinie der EU – Richtlinie 98/81/EG – um. Sie regelt den Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, zum Bei- spiel in Laboratorien oder Produktionsanlagen. Dabei ist die im deutschen Gentechnikrecht verankerte Unterteilung von vier Sicherheitsstufen bei gentechni- schen Arbeiten von der Änderungsrichtlinie der EU weit- gehend übernommen worden. Neben den Regelungen zum Sicherheitsniveau enthält die Änderungsrichtlinie auch Vorschriften zur Deregulierung. Der Entwurf der Bundesregierung wurde intensiv mit den Beteiligten erörtert. Dazu gehörten die Bundesländer, deren Behörden für Genehmigung und Überwachung zu- ständig sind, Wissenschaft, Industrie, Umweltorganisatio- nen, Arbeitsschützer und viele andere mehr. Am Ende der Diskussion steht nun ein ausgewogener und solider Vor- schlag zur Änderung des deutschen Gentechnikrechts. Ich möchte kurz die wichtigsten Eckpunkte nennen: Eine Verordnungsermächtigung eröffnet die Möglichkeit, zukünftig gentechnisch veränderte Mikroorganismen, die sich als besonders sicher erwiesen haben, aus dem Gel- tungsbereich des Gesetzes ganz oder teilweise zu entlas- sen. Die nicht sachgerechte Differenzierung zwischen Arbeiten zu Forschungszwecken und gewerblichen Zwe- cken wird abgeschafft. Die Verwaltungsverfahren für gentechnische Arbeiten mit keinem oder geringem Risiko werden vereinfacht. Die präventive Kontrolle für gentechnische Arbeiten mit höherem Risiko wird gestärkt. Gesetz und Verord- nungen, insbesondere die Gentechnik-Sicherheitsverord- nung, werden an neue Entwicklungen im Bereich des Ar- beitsschutzes angepasst. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicher- heit, ZKBS, wird um den Bereich des Verbraucher- schutzes erweitert. Mit diesem Konzept steht der Entwurf der Bundesre- gierung in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Erfahrungsberichts. Der Erfahrungsbericht kommt zu dem Gesamtergebnis, dass die Gentechnik in Deutschland sicher gehandhabt wird. Das bewirken die bei uns beste- henden Regelungen, ihr kompetenter Vollzug und die langjährige Erfahrung im Umgang mit dieser Technolo- gie. Damit auch der nächste Erfahrungsbericht zu einem möglichst positiven Ergebnis gelangen kann, musste sorg- fältig geprüft werden, welche der vom EU-Recht eröffne- ten Möglichkeiten der Verfahrenserleichterungen unter Vorsorgegesichtspunkten in nationales Recht übernom- men werden können. Diese Grundeinschätzung teilen wir auch mit den Bundesländern unter der Federführung des Landes Bayern. Die Bundesregierung ist den Ländern in zahlreichen und zum Teil durchaus wesentlichen Punkten entgegen- gekommen. Andererseits hat der Bundesrat wichtige Punkte unseres Vorschlags aufgenommen. In der Summe wird also die weitere verantwortungsvolle, sichere Nut- zung und Entwicklung einer wichtigen Technologie er- möglicht. Dadurch wird Deutschland weiterhin ein siche- rer Standort für Forschung und Nutzung in der modernen Biotechnologie sein, in dem das vorhandene Potenzial dieser Technologie ausgeschöpft werden kann. Ich bin davon überzeugt, dieser Ansatz ist richtiger, als ungeprüft den vom EU-Recht eröffneten Deregulierungs- spielraum bis zum Letzten auszureizen, wie das der Ent- schließungsantrag der CDU/CSU beinhaltet. Denn die Chancen, die diese Technologie bietet, können nur ge- nutzt werden, wenn auch in der Bevölkerung die notwen- dige Akzeptanz besteht. Diese Akzeptanz ist eng ver- knüpft mit Sicherheit. Ich möchte Sie daher bitten, dem von der Bundesre- gierung vorgelegten Entwurf mit den vorliegenden Ände- rungsanträgen zuzustimmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223764 (C) (D) (A) (B) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) (Tagesordnungspunkt 32) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Mit dem vorlie- genden Entwurf des Transparenz- und PublizitätsG wer- den einige der Empfehlungen der Regierungskommission „Corporate Governance“ umgesetzt. Im Wesentlichen sind dies aktien- und bilanzrechtliche Veränderungen. Die Kommission hat im Sommer vergangenen Jahres einen Bericht und am 26. Februar 2002 einen „Corporate Governance-Codex“ vorgelegt. Er enthält insbesondere Vorschläge zu Verhaltensstandards und Offenlegungspflich- ten für börsennotierte Unternehmen, beispielsweise ein in- tensiveres Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichts- rat, eine verbesserte Information des Aufsichtsrates und eine Verbesserung der Diskussionskultur im Aufsichtsrat. Ein Novum für Deutschland ist die Einführung einer so genannten „Entsprechendserklärung“. Mit ihr, weil im TransPuG verankert, gelingt der Brückenschlag zu jenen Teilen des Kodex, die empfehlenden Charakter haben. Jährlich haben sich zukünftig börsennotierte Gesellschaf- ten zu erklären, dass sie den Verhaltensempfehlungen der Kodex-Kommission zur Unternehmensleitung und -über- wachung entsprochen haben oder aber die Abweichung davon darlegen. Diese Erklärung soll nicht irgendwo still hinterlegt werden, sondern, so will es das Gesetz, ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen. Auch der Kodex ist öffentlich. – Es ist im elektronischen Bundes- anzeiger bekannt zu machen. Das TransPuG greift zahlreiche Anregungen der Kom- mission auf und gibt dort, wo es zwingend erforderlich ist, den rechtlichen Rahmen und die Sicherheit für eine ange- messene Weiterentwicklung des deutschen Aktien- und Bi- lanzrechtes. Kodex und Gesetz sind ein gut ausbalanciertes Instrument von freiwilliger aber verbindlicher Selbstver- pflichtung der Unternehmen einerseits und mehr Informa- tion für Anleger und solche, die es werden möchten, zum anderen. Wir setzen darauf, dass diese Feinabstimmung zu einer vorteilhaften Entwicklung beiträgt. Und nur dort, wo die Kraft des Gesetzes zwingend wirksam werden muss, haben wir Regelungen im TransPuG getroffen. Lassen sie mich nun auf einige wesentliche Verbesse- rungen eingehen. Erstens. Die Nutzung elektronischer Medien ist ange- messen etabliert. Durch die Einführung eines elektroni- schen Bundesanzeigers, durch den Wegfall von ver- schriftlichtem Informationsfluss dort, wo er durch Internet-Nutzung ersetzt werden kann, geben wir einer angemessenen Modernisierung Raum. Wir, und das heißt in diesem Fall das ganze Haus, legen aber auch Wert da- rauf, dass dem „Virtuellen“ Grenzen gesetzt werden müs- sen. So haben wir übereinstimmend festgestellt, dass Auf- sichtsratssitzungen, insbesondere Bilanzsitzungen, nicht als „Video-Konferenz“ abgehalten werden sollten. Die Formulierung im vorliegenden Entwurf hebt des- halb zu Recht darauf ab, dass „die Satzung in bestimmten Fällen vorsehen kann, dass die Teilnahme von Mitglie- dern des Aufsichtsrates im Wege der Ton- und Bildüber- tragung erfolgen darf.“ Um hier mehr Klarheit zu schaf- fen, weist der Rechtsausschuss darauf hin, „dass die Einführung neuer Kommunikationsmedien auch bei Auf- sichtsratssitzungen zwar grundsätzlich zu begrüßen ist, dass das gesetzliche Modell der Aufsichtsratsssitzung aber nach wie vor die Präsenzsitzung ist. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die Sitzung, die der Bilanzfeststel- lung dient. Das persönliche Gespräch untereinander, aber etwa auch mit dem Abschlussprüfer ist wichtig und sollte der Regelfall bleiben. Eine Überdehnung der Nutzung vir- tueller Sitzungen wäre schädlich. Der Ausschuss bittet die Bundesregierung, die weitere Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls Vorschläge zur Erhaltung mindestens einer Präsenzsitzung zu machen.“ Zweitens. Die Rechte und Pflichten des einzelnen Auf- sichtsratsmitgliedes werden gestärkt. Wir haben dazu die Frage des Umgangs mit „querulatorischen“ Aufsichtsrats- mitgliedern ausführlich erörtert. In der Praxis taucht die- ses Problem immer wieder auf. Insofern haben wir über- legt, ob es sinnvoll und möglich ist, hier in der Frage des Berichtsverlangens eine qualitative Schwelle zu formu- lieren. Da jedoch eine „Berichtsanforderung nur aus wichtigem Grund“ weniger wäre als die geltende Rechts- lage, hat sich der Rechtsausschuss auch an dieser Stelle entschieden, zur Verdeutlichung des Gewollten die Aus- führungen der amtlichen Begründung zu bekräftigen, „wonach das Recht auf Berichtsanforderung eine imma- nente Missbrauchsschranke enthält. Es bedarf also keiner besonderen Erwähnung im Gesetz, dass missbräuchliche, insbesondere schikanöse oder querulatorische Verlangen von Vorstand zurückgewiesen werden können. Es obliegt dann der Rechtsprechung, die Missbrauchskriterien im Einzelfall zu bestimmen.“ Festzustellen bleibt, dass die Intention dieser den Auf- sichtsrat betreffenden Regelungen darin besteht, die Ver- antwortung eines jeden einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes herauszuarbeiten. Entsprechend wird er mit mehr Rechten ausgestattet. Aber auch seine Pflichten werden ausdrück- lich formuliert, so in § 116 die nährere Definition und Er- weiterung des Vertraulichkeitsgebotes. So weit zum aktienrechtlichen Teil. Drittens. Das TransPuG enthält in Artikel II eine Reihe von bilanzrechtlichen Veränderungen. Die in diesem Ent- wurf gefassten bilanzrechtlichen Veränderungen basieren auf Vorschlägen des Deutschen Rechnungslegungsstan- dard-Komitees. Es hat, aus gutem Grund, eine Vielzahl von Vorschlägen zur Umsetzung empfohlen. Sie orientie- ren sich alle an dem Ziel, mehr Vergleichbarkeit und Ähn- lichkeit und damit mehr Anpassung an internationale Standards der Rechnungslegung zu erreichen. Nun stellt sich die Frage: Wie sinnhaft sind Detail- regelungen angesichts eines umfassenden Reformbedarfs des HGB einerseits und wie sinnvoll ist eine bundesdeut- sche Neuregelung angesichts einer zu erwartenden euro- päischen Richtlinie andererseits? In Kenntnis des Gesamt- reformbedarfs und in der realistischen Einschätzung, dass Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23765 (C) (D) (A) (B) eine europäische Richtlinie in den nächsten fünf Jahren nicht zu erwarten ist, sind die hier vorgesehenen Verände- rungen sinnvoll. Nicht immer bekommen Gesetzesentwürfe „gute No- ten“. In diesem Fall liegt jedoch eine sehr positive Ge- samtbewertung vor, von den Wirtschaftsverbänden wie auch dem DGB. Die Zeitschrift „Creditreform“ skizziert in ihrer jüngsten Ausgabe in einer Tabelle „Finanzplatz Deutschland: Bausteine zur Verbesserung der Attrakti- vität“ das TransPuG mit zwei Stichworten: Kontrolle un- ternehmerischer Risiken und Anerkennung Verhaltens- kodex in Anlehnung an „Codes of Best Practice“. In der Tat: Ein Baustein zur Verbesserung der Attrakti- vität des Finanzplatzes Deutschlands ist dieses Vorhaben. Mit ihm sind jedoch nicht alle von der Kommission for- mulierten Empfehlungen an den Gesetzgeber umgesetzt. Es muss und wird weitere „Bausteine geben“. Hierin stim- men alle Seiten dieses Hauses überein. Danken möchte ich an dieser Stelle zunächst den Ver- tretern des Justizministeriums, die dieses Vorhaben in sei- ner parlamentarischen Phase kompetent und freundlich begleitet haben. Wir haben es ihnen allerdings auch leicht gemacht. Damit meine ich insbesondere die Bericht- erstatter Frau Dr. Tiemann und Herrn Funke, die außer- ordentlich kollegial und lösungsorientiert zum Gelingen beigetragen haben. In Kürze können sich deutsche kapitalmarktorientierte Unternehmen darauf einstellen, dass sie erstmals für 2002 eine Erklärung abgeben können, dass sie den Empfehlun- gen des Kodex entsprechen oder aber welche Empfehlun- gen in ihrem Unternehmen nicht angewendet werden. Es liegt nunmehr in der Verantwortung der Unternehmen, aus dem Kodex ein Gütesiegel werden zu lassen. Ein erster Schritt zu mehr Transparenz und Publizität und ein erster Schritt zu verbindlicher Selbstregulation ist damit gemacht. Dies ist ein mutiger Schritt des Gesetz- gebers, hoffentlich ein erfolgreicher. Dr. Susanne Tiemann (CDU/CSU): Die CDU/CSU- Fraktion hat sich lange darüber beraten, ob sie dem vor- liegenden Gesetzentwurf zustimmen kann. Wir werden dies nun letztendlich tun, weil das Gesetz die von uns in der letzten Legislaturperiode, insbesondere mit dem so genannten KonTraG, eingeleitete Linie fortsetzt und da- mit einen Schritt in die richtige Richtung darstellt, wenn auch nur einen sehr kleinen und nicht sehr mutigen. Der vorliegende Gesetzesentwurf zeigt wieder einmal exemplarisch die Arbeitsweise der derzeitigen Bundesre- gierung auf, die ich mit den Bezeichnungen „Stückwerk“ und „mangelnde Planung in zeitlicher Hinsicht“ beschrei- ben möchte. Um Unentschlossenheit und zeitliche Verzö- gerung nicht allzu augenfällig werden zu lassen, werden dann die Vorhaben dafür umso schneller durch das Ge- setzgebungsverfahren gepeitscht. Und so auch hier: Als ein Beispiel sei hier nur die im vorliegenden Gesetzentwurf geplante Änderung von § 317 Abs. 4 HGB erwähnt, der Gegenstand und Umfang der Abschlussprüfung regelt. Diese Vorschrift war erst vor kurzem durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz geän- dert worden, die nun geplante Änderung soll den Kreis der betroffenen Aktiengesellschaften abermals neu definie- ren. Einzig die juristischen Verlage dürften sich über die Arbeitsweise der Bundesregierung freuen; der Gesetzes- anwender bedankt sich beim Einsortieren der Gesetzes- nachlieferungen und der Zurkenntnisnahme der Ände- rung zu der Änderung bei der Bundesregierung und ihrer unorthodoxen Arbeitsweise jedenfalls nicht. Diese unorthodoxe Arbeitsweise hat uns im Gesetzge- bungsverfahren auch ganz überraschend die Einfügung eines neuen Artikels beschert. In diesem neuen Artikel IV soll unter anderem ein § 125 a in das Patentgesetz einge- führt werden, der sich mit der Möglichkeit der Verwen- dung eines elektronischen Dokuments im Verfahren vor dem Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundes- gerichtshof befasst. Die Änderungen im Gebrauchs- mustergesetz, des Halbleiterschutzgesetzes und des Geschmacksmustergesetzes sollen auf die geplante Ände- rung des PatentG verweisen. Im Markengesetz wird ein neuer § 95 a eingeführt, der sich ebenfalls mit dem elek- tronischen Dokument befasst. Alles Änderungen, die in- haltlich nicht zu beanstanden sind. Doch die Art und Weise, wie der neue Artikel IV im TransPub kurz vor der Verabschiedung auftauchte, zeigt klar, dass bei der der- zeitigen Bundesregierung von Konzepten nicht gespro- chen werden kann, denn ansonsten hätte das TransPub von Anfang an fünf Artikel gehabt. Genug aber über die Arbeitsweise. Inhaltlich hatten wir ursprünglich große Bedenken, der vorgesehenen Ände- rung bilanzrechtlicher Vorschriften zuzustimmen. Die Ansätze hierzu im TransPubG sind dabei im Ein- zelnen keineswegs negativ zu bewerten. Die Abschaffung von Wahlrechten ist unter dem Blickwinkel einer Verein- heitlichung des Bilanzrechts in Europa an sich durchaus folgerichtig. Der Druck auf die internationale Anglei- chung der Rechnungslegungsstandards hat sich zwi- schenzeitlich erheblich erhöht. Für die europäischen Fi- nanzmärkte, die international wettbewerbsfähig sein wollen und müssen, ist es von elementarer Bedeutung, dass die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Un- ternehmen im Interesse der Anleger und Emittenten ge- währleistet ist. Die eingeräumten Wahlrechte beeinträch- tigen diese Vergleichbarkeit, weil bei unterschiedlicher Vorgehensweise jeweils die Prüfung des konkreten Aus- sagegehalts des aufgestellten Unternehmensjahresab- schlusses erforderlich ist. In der Gesetzesbegründung wird aber ganz grundsätz- lich ausgeführt, dass durch die Änderungen den Unter- nehmen der in den nächsten Jahren bevorstehende Über- gang zu einem stärker an internationalen Grundsätzen orientierten Konzernbilanzrecht erleichtert werden solle, wobei es allerdings nicht zu vermeiden sei, dass einige der nunmehr vorgeschlagenen Regelungen im Verlauf der nächsten Jahre nochmals modifiziert werden müssten. Das TransPub will eine Umorientierung bei einer Vielzahl von Wahlrechten einleiten, wie sie in der 7. EU-Richtlinie gewährt werden und vom deutschen Gesetzgeber einge- führt worden sind, mit der Pflicht zum Einzelabschluss und für nicht börsennotierte Unternehmen auch zur Rech- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223766 (C) (D) (A) (B) nungslegung nach internationalen Standards. Auf der eu- ropäischen Ebene ist derzeit aber vieles noch in Bewe- gung. Hier sollen sämtliche Bilanz-Richtlinien in eine ge- meinsame Verordnung zusammengefasst – und inhaltlich an die IAS, die Internationalen Rechnungslegungsstan- dards, angepasst werden, denen sie bisher nur teilweise entsprechen. Darunter könnten sich auch solche Bestim- mungen befinden, die bisher nationale Wahlrechte betref- fen. Unter Umständen werden auch bisher bestehende Wahlrechte vereinheitlicht, um auf diese Weise eine An- gleichung zu erreichen. Dabei muss eine Angleichung der Wahlrechte nicht auch gleichzeitig die Abschaffung der Wahlrechte bedeuten. Im Zuge der Vereinheitlichung kann durchaus auch die Beibehaltung von bestimmten Wahlrechten in Erwägung gezogen werden, die dann aber zwingend in allen nationalen europäischen Rechtsord- nungen gelten würden. Als Beispiel sei hier § 299 Abs. 1 HGB erwähnt, der die Wahl des Stichtages für die Auf- stellung eines Konzernabschlusses regelt. Bisher besteht die Möglichkeit, den Konzernabschluss auf den Stichtag des Jahresabschlusses des Mutterunternehmens, auf den hiervon abweichenden Stichtag der Jahresabschlüsse der bedeutenden oder der Mehrzahl der in den Konzern- abschluss einbezogenen Unternehmen aufzustellen. Im vorliegenden Gesetzentwurf soll dieses auf Art. 27 der RL83/349/EWG beruhende Wahlrecht eingeschränkt und der Konzernabschluss zwingend auf den Stichtag des Jah- resabschlusses des Mutterunternehmens aufgestellt wer- den. Unabhängig davon, dass die Einschränkung des Wahlrechts gerade bei kleineren oder mittleren Holding- gesellschaften zu einem erheblich größeren Arbeits- und Kostenaufwand führen kann, zeigt der Vergleich einiger europäischer Rechtsordnungen zu diesem Punkt kein ein- heitliches Bild. So existieren zum Beispiel in Italien, Frankreich und Österreich gesetzliche Regelungen, die der derzeitigen deutschen Rechtslage entsprechen; wo- hingegen die Rechtslage im Vereinigten Königreich und Spanien der geplanten Rechtslage entspricht. In welcher Form eine Angleichung erfolgt, dürfte also zum heutigen Zeitpunkt relativ offen sein. Es wäre gerade für die Wirtschaft eine sehr negative Entwicklung, wenn die Regelungen des TransPubGeset- zes teilweise wieder rückgängig gemacht werden müss- ten. Rechtssicherheit und Kontinuität, die gerade auf dem Gebiet der Rechnungslegung von großer Bedeutung sind, wären so jedenfalls nicht erreichbar. Im Rahmen der ers- ten Lesung habe ich daher ausgeführt, dass mir eine Ab- schaffung der Wahlrechte zum derzeitigen Zeitpunkt zu riskant erscheine. Die Experten versichern uns nun glaub- haft und übereinstimmend, dass die Regelungen des TransPubGesetzes genau in die Richtung gingen, wie sie von der europäischen Entwicklung zu erwarten seien und wir uns daher auf dem richtigen Weg befänden. Lassen Sie uns dies gemeinsam hoffen, damit für die bilanzie- rende Wirtschaft nicht noch größere Unsicherheit erzeugt wird. Klar ist aber auch – und darüber sind wir uns alle einig –, dass wir mit dem vorliegenden Gesetz, gerade was das Handelsrecht angeht, nur Stückwerk vollbringen. Unser Handelsrecht ist seit längerer Zeit kein in sich ge- schlossenes Konzept mehr. Ist in Deutschland der Einzel- abschluss traditionell sowohl in das Gesellschaftsrecht als auch das Steuerrecht eingebunden, so bedarf seine Inter- nationalisierung einer ganz besonders sorgfältigen Prü- fung. Denn gerade für kleine und mittlere Unternehmen würden zusätzliche administrative Belastungen drohen, wenn diese weit gehende Übereinstimmung von Han- dels-, und Steuerbilanz aufgegeben werden müsste. Au- ßerdem erfordert das Vordringen der Grundsätze interna- tionaler Rechnungslegung eine Auseinandersetzung mit dem steuerrechtlichen Maßgeblichkeitsgrundsatz, der heute schon durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse und dessen Fortbestand tatsächlich gefährdet ist. Schließlich: In Deutschland hat die Sicherungsfunktion der Kapital- erhaltung mit Vorsichtsprinzip und Einzelbewertungs- grundsatz die Bilanzierung entscheidend geprägt. Im internationalen Bereich unabdingbare Informationsbe- dürfnisse stellen diese Konzeption zunehmend infrage. Wir müssen uns also ganz grundsätzlich fragen, ob der institutionelle Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbegrenzung tatsächlich noch die zu- künftig prägenden Grundsätze unseres Bilanzierungs- rechts bilden sollen. Hier ist eine umfassende Diskussion der Kapitalerhaltung nötig. Außerdem muss überlegt wer- den, ob an der traditionellen Trennung von externem und internem Rechnungswesen festgehalten werden soll. Wir brauchen also eine umfassende und in sich stim- mige Bilanzrechtsreform, die wir in der nächsten Legisla- turperiode in Angriff nehmen werden und uns dabei hof- fentlich auf europäische Grundlagen stützen können, die verlässlicher sind als die heutigen. Im April dieses Jahres haben die Finanzminister der 15 EU-Mitgliedstaaten im spanischen Oviedo über einem Fünf-Punkte-Plan beraten, um kriminellen Handlungen von Unternehmensmanagern, Wirtschaftsprüfern und Fi- nanzanalysten vorzubeugen. Im Rahmen der Gespräche kamen die Finanzminister überein, dass alle größeren Aktiengesellschaften in den Mitgliedstaaten den interna- tionalen Rechnungslegungsstandard IAS bereits ab 2005, und nicht erst wie geplant ab 2007, verbindlich anwenden sollen. Eine Verkürzung der Übergangsfristen bedeutet, dass sich die betroffenen Unternehmen frühzeitiger über ihre Verpflichtungen im Klaren sein müssen, damit die Umstellung effektiv betrieben werden kann. Dies bedeu- tet, dass der Gesetzgeber möglichst früh die entsprechen- den Regelungen auf den Weg bringen muss. Im Übrigen setzt es sich das Gesetz zum Ziel, wie der Name sagt, Transparenz und Publizität im Unterneh- mensbereich zu fördern. Es geht dabei auch hier in die richtige Richtung. Einzelne Vorschriften könnten jedoch exakter durchdacht und gefasst werden. So hätte bei der Einführung der Sachdividende – Art. 1 Nr. 3, § 58 AktG-E – auf jeden Fall auch die steuerliche Bewertung der Sachdividende geklärt werden müssen. Selbstverständlich ist dies im Aktienrecht nicht möglich und muss dem Steuerrecht überlassen bleiben. Das war wegen der Kürze der Zeit nicht möglich. Hier rächt sich wieder einmal das Durchpeitschen von Gesetzen. Lang kann der Gesetzgeber hiermit aber nicht warten. Unklar ist nämlich die Frage des Bewertungsmaßstabs – gege- benenfalls § 8 oder § 19 a EstG. Gleichzeitig sind der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23767 (C) (D) (A) (B) Bewertungszeitpunkt – Beschluss über die Ausschüttung oder Zufluss bei dem Anteilseigner – und die Frage, ob Kapitalertragsteuer einzubehalten ist, bisher nicht geklärt. Für die Zukunft wird zu bedenken sein, dass die Be- steuerung der Sachdividende sowohl bei der ausschütten- den Kapitalgesellschaft als auch bei deren Anteilseignern zu einer Doppelbesteuerung von bereits aus versteuertem Einkommen geschaffenen Werten führt. Ein solches Er- gebnis wäre rechtlich und wirtschaftlich problematisch. Hinsichtlich des Art. 1 Nr. 5, § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG-E, Umfang der so genannten „Follow-up“- Berichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat, schließt die Konkreti- sierung nach dem Vorschlag des Bundesrates eine bisher im Entwurf existierende Lücke. Allerdings besteht auch hier noch zukünftiger Handlungsbedarf, um querulatori- sche Berichterstattungsverlangen auszuschließen, etwa durch Beschränkung solcher erneuten Berichterstattungs- verlangen auf Fälle mit wichtigem Grund. Der Bericht des Rechtsausschusses weist auf dieses Problem hin. Die Möglichkeit der Teilnahme an Aufsichtsratssitzun- gen in Form von Telefon- oder Videokonferenzen ist eine interessante Ergänzung und trägt neuen Möglichkeiten der Flexibilität Rechnung. Allerdings sollte sie die Aus- nahme bleiben, um nicht letztlich zum „virtuellen Auf- sichtsrat“ zu führen. Um dies sicherzustellen, wäre an sich eine Konkretisierung zu Art. 1 Nr. 8, § 110 Abs. 3 AktG-E, erforderlich gewesen, der sich mit der Einberufung des Aufsichtsrats und der Anzahl der Sitzungen beschäftigt. Immerhin ist die Teilnahme aus der Ferne – wie die Ge- setzesbegründung ausweist – auch für ganze Sitzungen vorgesehen. Mindestens also für die Aufsichtsratssitzung, in der die Bilanz festgestellt wird und auf der die Wirt- schaftsprüfer berichten und Rede und Antwort stehen, sollte eine physische Teilnahmepflicht vorgesehen wer- den. Wenn die Bundesregierung hier erst die zukünftige Entwicklung abwarten will, bleibt das für uns unbefriedi- gend. Wir haben uns deshalb nur vorläufig mit einer Er- wähnung der Problematik und der Feststellung, dass die physische Teilnahme nach wie vor die Regel bleiben muss, begnügt. Zu begrüßen ist die Aufnahme des Vertraulichkeitsge- bots für Aufsichtsratsmitglieder in § 116, wie sie bisher ausdrücklich schon für den Vorstand besteht. Hierdurch wird die besondere Verantwortung eines jeden Aufsichts- ratsmitglieds betont, die Rolle des Aufsichtsrats insge- samt gestärkt. Der gleiche Vertraulichkeitsmaßstab für Vorstand und Aufsichtsrat ist dabei nur folgerichtig – die Kehrseite der intensivierten Berichtspflicht des Vorstan- des an den Aufsichtsrat. Ein Kernstück des Gesetzes bildet der so genannte Cor- porate-Governance-Codex, § 161 AktG-E. Er soll gerade das Instrument darstellen, um ein Verhalten nach dem best-practice-Grundsatz in den Unternehmen zu gewähr- leisten. Sicher: Auch die Zukunft eines rein nationalen Corporate-Governance-Codexes ist bereits heute fraglich. Es bleibt bisher aber ungeklärt, ob es einen europäischen Corporate-Governance-Codex überhaupt geben wird. Eine Studie, im Auftrag der Kommission durchgeführt, riet von der Einführung ab. Allerdings haben Kommission und Rat weiteren Beratungsbedarf angemeldet. Bei dieser Sachlage lässt es sich rechtfertigen, auf nationaler Ebene Initiativen zu unternehmen. Wir sind übereinstimmend der Meinung, dass der Handlungsbedarf, der hier besteht, nicht von der bisher schwer überschaubaren europäischen Entwicklung abhängig gemacht werden darf. Es ist auch richtig und entspricht dem so wichtigen Grundsatz der Subsidiarität, die Abfassung und Weiter- entwicklung des Codexes der Wirtschaft selbst zu über- lassen und damit den Sachverstand der Wirtschaft zu nut- zen sowie ihre Selbstregulierungskräfte der Wirtschaft zu wecken und einzusetzen. Dabei verbleibt dem Bundesmi- nisterium der Justiz immer noch die nötige Kontrollmög- lichkeit, wenn der Codex jeweils von der Sinngebung des Gesetzes abzuweichen droht. In einem solchen Fall würde er eben nicht, wie im Gesetz vorgesehen, im Bundesan- zeiger veröffentlicht und erhielte damit keine Geltungs- kraft. Eine solche Vorgehensweise ist unter den Aspekten demokratischer Legitimation verfassungsrechtlich auch zu vertreten, zumal es sich beim Codex, wie man so schön sagt, um so genanntes „soft law“ handelt. Bei der Neufassung des § 321 HGB, der den Inhalt des Prüfungsberichtes regelt, ist folgendes zu erwähnen: Für mich und die Fraktion der CDU/CSU ist nicht ersichtlich, was die Bundesregierung veranlasst haben mag, die durch das KonTraG eingeführte Negativerklärung in Absatz 3 durch eine Positiverklärung zu ersetzen. Die Regierungs- kommission Corporate Governance hat in ihrem Ab- schlussbericht diese Änderung abgelehnt und ausgeführt, dass sich bisher keine wesentlich neuen Gesichtspunkte ergeben hätten, welche eine neuerliche Änderung ange- zeigt erscheinen ließen. Die Gesetzesbegründung schweigt zu diesem Punkt. Woher die Erleuchtung der Bundesregierung, entgegen der Ansicht der Experten, ge- kommen ist, bleibt uns daher verschlossen. Ich kann nur sagen: „Schade!!!“. Gerne hätte ich von diesen verborge- nes Quellen des Wissens partizipiert. Die Neufassung des § 321 Abs. 2 HGB muss gleich- falls kritisch hinterfragt werden. Nach Ansicht vieler Sachverständiger wird im Einzelfall schwer zu entschei- den sein, „welchen Einfluss Änderungen in den Bewer- tungsgrundlagen einschließlich der Ausübung von Bilan- zierungs- und Bewertungswahlrechten und der Ausnutzung von Ermessensspielräumen sowie sachver- haltsgestaltenden Maßnahmen insgesamt auf die Darstel- lung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben“. Unklar sei insbesondere, welche sachverhaltsgestalten- den Maßnahmen eines Unternehmens hier im konkreten Fall gemeint sind und wo Grenzen gezogen werden müssen. An diesen Einzelregelungen wird nochmals deutlich, dass mit dem vorliegenden Gesetz zwar ein Schritt in die richtige Richtung getan worden ist, dass es sich aber kei- neswegs um den großen Wurf handelt und auch in den Einzelheiten noch sehr verbesserungsbedürftig ist. Je- mand hat sogar gesagt, es handle sich nur um eine kleine „Prise“, mit der wir es hier zu tun haben. Alles andere müsse in der nächsten Legislaturperiode geleistet werden. Wir sind auch dieser Meinung, denn da wird es bei uns ja auch gut aufgehoben sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223768 (C) (D) (A) (B) Unter diesen Aspekten stimmen wir dem Gesetz schließlich zu, denn die Wirtschaft wartet – wie ich meine, schon viel zu lang – zumindest auf diesen kleinen Schritt, der dringend erforderlich ist, um die Wettbewerbsfähig- keit deutscher Unternehmen im internationalen Raum zu stärken. Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das Transparenz- und Publizitätsgesetz steht in ei- ner Reihe von Gesetzen, mit denen der Kapitalmarkt ge- stärkt und Unregelmäßigkeiten am Neuen Markt verhindert werden sollen. Das Gesetz sorgt für mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten und stellt klare An- forderungen an die Unternehmenspublizität nach innen und außen. Vor allem durch die Präzisierung der Berichtspflichten des Vorstandes an den Aufsichtsrat stärken wir die Posi- tion des Aufsichtsrates. Denn der Aufsichtsrat ist nicht Stillhalte- und Akklamationsorgan des Vorstandes, son- dern muss die Arbeit des Vorstandes effektiv kontrollie- ren. Und hierzu braucht er vor allem zeitnahe und umfas- sende Informationen. Damit greift das Gesetz die Empfehlungen der Regierungskommission Corporate Governance auf. Die Regierungskommission und insbe- sondere ihr Vorsitzender Professor Baums haben uns we- sentliche Hinweise für die Stärkung der Aktienkultur und die Reform des Finanzplatzes gegeben. Der geleisteten Vorarbeit werden wir am besten dadurch gerecht, dass wir zügig die Empfehlungen der Regierungskommission um- setzen. Das ist schon mit dem Vierten Finanzmarktförde- rungsgesetz geschehen, wir führen das mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz fort. Mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz kommen wir auch ein gutes Stück voran mit der Anpassung an in- ternationale Kapitalmarktstandards, ohne dabei die Be- sonderheiten der deutschen dualen Unternehmensverfas- sung aufzugeben. Viele große deutsche Unternehmen weigern sich allerdings bislang hartnäckig, die Vorstands- bezüge offen zu legen. Einzig Schering geht hier mit gutem Beispiel voran. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende von Thyssen, Gerhard Cromme, der ja Vorsitzender der Kommission zur Erarbeitung des Corporate Governance- Kodex war, will künftig dafür sorgen, dass die Vorstands- gehälter einzeln aufgeschlüsselt werden. Das ist mit Transparenz und guter Corporate Governance gemeint. Diese Entwicklung wird sich nach und nach durchsetzen, denn die Unternehmen profitieren von guter Corporate Governance. So kommt eine aktuelle Umfrage von KPMG und FAZ-Institut zu dem Schluss, dass für weit mehr als die Hälfte der befragten börsennotierten Gesell- schaften der Nutzen guter Corporate Governance die da- mit verbundenen Kosten übersteigt. Mit dem Gesetz geben wir einen Rahmen vor, der für die Unternehmen verbindlich gilt, ohne sie in zu enge Grenzen zu verweisen. Vielmehr bleibt ihnen ein indivi- duell ausgestaltbarer Spielraum. Wir folgen dem Grundsatz, dass der Gesetzgeber nicht alles zu regeln hat. Politik ist gefordert, die Wirtschaft das selbstständig regeln zu lassen, wozu sie auch in der Lage ist. Der Kern unseres Gesetzes entspricht diesem Gedan- ken: Mit der Erklärung darüber, ob der Corporate Gover- nance-Kodex eingehalten wird oder nicht, geben die bör- sennotierten Gesellschaften jährlich den Kapitalmärkten und damit den Anlegern das entscheidende Signal. Beispiele anderer Länder zeigen, dass diese Erwartun- gen an die Selbststeuerungsfähigkeit des Marktes in die- sem Gebiet realistisch sind: Der Kapitalmarkt wird Wohl- verhalten und gute Corporate Governance honorieren und die, die dagegen verstoßen, abstrafen. Entsprechend schätzen auch einige Finanzexperten bereits jetzt die Wir- kung der Regelung „Comply or Explain“ positiv als die grundlegendste Neuregelung der jüngsten gesetzlichen Änderungen auf den Finanzmärkten ein. Deswegen bin ich froh, dass dieses Gesetz heute in ei- nem absehbar breiten Konsens verabschiedet wird. Rainer Funke (FDP): Die FDP-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf zum Transparenz- und Publi- zitätsgesetz zu. Dieser Gesetzentwurf ist eine Fortentwicklung des KonTraG und der Bilanzierungsvorschriften des HGB, die beide in der letzten Legislaturperiode auf den Weg ge- bracht worden sind. Das Transparenz- und Publizitätsge- setz ist seinerseits auch nur ein Zwischenstadium, denn erklärtermaßen sind nur Teile der Empfehlungen der Re- gierungskommission „Corporate Governanvce“ in die- sem Gesetz aufgenommen worden. Ein weiterer Teil wird in der nächsten Legislaturperiode umzusetzen sein. Ich will ausdrücklich betonen, dass diese scheibchen- weise Realisierung der Vorschläge der Regierungskom- mission „Corporate Governance“ nicht kritisiert, sondern ausdrücklich begrüßt wird. Das Finanzmarktrecht und die Bilanzierungsvorschriften befinden sich weltweit im Um- bruch oder zumindest im Fluss. Um auf dem Stand der Entwicklung zu bleiben, gilt es, das umzusetzen, was sinnvoll erscheint. Wir müssen, um die Konkurrenzfähig- keit des Finanzplatzes Deutschland zu erhalten und, wenn möglich, zu erhöhen, die rechtlichen Rahmenbedingun- gen für den Finanzmarkt Deutschland und seine Unter- nehmen up to date bringen. Die nunmehr gefundenen Regelungen zum Aufsichts- rat und der Information des Aufsichtsrates werden sicher- lich dazu beitragen, dass der Aufsichtsrat noch mehr als bisher Aufsicht ausüben, aber auch Rat erteilen kann. Der Aufsichtsrat soll kein zweiter Vorstand sein, aber um Auf- sicht zu üben, bedarf er, wie auch manch kritischer Fall in der Vergangenheit gezeigt hat, besserer Informationen durch den Vorstand. Wir begrüßen ausdrücklich die Rege- lung des § 161 Aktiengesetz, der die Verpflichtung der börsennotierten Unternehmen zur Abgabe einer Erklärung vorsieht, ob sie den von der Kodex-Kommission erarbei- teten Verhaltenskodex beachten oder auch nicht. Dies trägt auch zur größeren Transparenz und Publizität aller börsennotierten Unternehmen bei. Auch die Verschärfung hinsichtlich der Erklärung der Abschlussprüfer in § 312 wird gerade im Lichte der Vorkommnisse an den ameri- kanischen, aber auch an den deutschen Börsen begrüßt. Ich will ausdrücklich betonen, dass die Beratungen der Berichterstatter unter Einbeziehung von Sachverständigen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23769 (C) (D) (A) (B) und die Beratungen im Rechtsausschuss in fairer Art und Weise und sachorientiert geführt wurden. Dafür danke ich den Kollegen, Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums und den Sachverständigen sehr. Rolf Kutzmutz (PDS): Die Vorgänge am Neuen Markt, mehr noch um große Konzerne – von Holzmann über Kirch bis Berliner Bankgesellschaft – gebieten zwin- gend eine Reform des Aktien- und Bilanzrechts. Die bis- her übermächtige Position des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat muss beschnitten werden. Letzterer muss seiner Kontrollfunktion nachkommen können, um bei de- ren Unterlassung auch mit haftbar gemacht werden zu können. Gleiches gilt für die Wirtschaftsprüfer. Nur so können wahrheitsgetreue und vergleichbare Rechen- schaftsberichte, Bilanzen, Testate zustande kommen, die tatsächlich große wie kleine Kapitalanleger zu Investitio- nen in Unternehmen anregen, die Beschäftigte nicht so einfach wie bisher zu Opfern von Kriminellen in Chef- etagen machen. Das setzt eine umfassende Reform hin zu einem überschaubaren Bilanzrecht – anstelle des gegen- wärtigen Dutzend der Bilanzierungsmöglichkeiten –, ge- setzliche Schritte zur tatsächlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie zur transparenten und effizienten Funktionsweise der Leitungs- und Kontrollgremien von Unternehmen voraus. Diese Aufgabe ist ob ihrer Kom- plexität nicht innerhalb weniger Monate zu schaffen. Die PDS begrüßt daher ausdrücklich den vorgelegten Entwurf als schnelle Umsetzung einiger unstrittiger und vergleichsweise unkomplizierter Maßnahmen. Sie kön- nen aber nur den Beginn eines längeren Weges markieren – sonst wird man der offenkundigen Probleme niemals Herr. So bleibt beispielsweise abzuwarten, ob die mit der HGB-Novelle – Art. 2 Nr. 14 des Gesetzentwurfs – er- weiterten gesetzlichen Vorgaben für den Inhalt des Prüf- berichtes tatsächlich ausreichen, um künftig Testate von unfähigen, gefälligen oder kriminellen Abschlussprüfern zu verhindern und so die bei Holzmann, Berliner Bank- gesellschaft etc. in diesem Bereich zutage getretenen De- fizite zu vermindern. Ein echter Fortschritt ist für uns das Recht jedes Auf- sichtsratsmitglieds, Berichte des Vorstands verlangen zu können. So wird dessen individuelle Verantwortlichkeit für seine Kontrollaufgabe betont, keiner kann länger ei- gene Untätigkeit hinter einem „Kollektiv“ verstecken. Über mögliche Missbräuche dieses Rechts sollen tatsäch- lich die Gerichte entscheiden – und nicht etwa die Unter- nehmensvorstände. Gestärkt wird die Rolle der Aufsichtsräte auch durch die Festlegung, dass Vorstands-Berichte in der Regel rechtzeitig und in Textform an die Kontrolleure zu über- mitteln sind. Damit wird auch die Position der Aktionäre gegenüber den Aufsichtsräten gestärkt – niemand kann sich mehr so leicht damit herausreden, etwas überhört zu haben. Mit den neuen Rechten wächst naturgemäß auch die Bedeutung von Verschwiegenheitspflichten – die PDS legt an dieser Stelle aber Wert darauf, dass die in § 116 Ak- tiengesetz nun formulierten Pflichten der Kontrolleure keineswegs größer sind als die mit § 93 schon traditionell für Vorstände geltenden. Es kann schließlich nicht sein, dass Aufsichtsräte einen Maulkorb haben, während zur gleichen Zeit Vorstände ihre Version einer Information in die Öffentlichkeit hinausposaunen. Die jetzt erstmals erwähnte elektronische Kommuni- kation für und über Aufsichtsratssitzungen sowie Ak- tionärsversammlungen sehen wir ausdrücklich als zusätz- liches, damit erweitertes Angebot zur Teilhabe, nicht etwa als Ersatz für persönliche Beteiligung. Demokratisch nicht unumstritten ist gewiss der neue § 161 Aktiengesetz, zweifellos ein Kernstück für mehr Transparenz. Es muss jeder Anschein vermieden werden, die „Regierungskom- mission Deutscher Corporate Governance Kodex“ sei ein Quasi-Gesetzgeber, über deren Beschlüsse mit Veröffent- lichung im Bundesanzeiger automatisch der Bundesadler geklebt wird. Diese Kommission ist gewiss fachlich kom- petent – aber ebenso sicher nicht demokratisch legiti- miert. Wir legen daher größten Wert darauf, dass der aus- drückliche Bezug im Gesetz auf das veröffentlichende Bundesjustizministerium dessen Prüfauftrag beinhaltet, nur solche Kommissionsempfehlungen zu publizieren, die sich im vom Parlament geschaffenen Rechtsrahmen bewegen und nicht etwa selber Recht setzen – so, wie es auch in den Ausschussberatungen zugesagt wurde. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz: Corporate Governance heißt: Leitung und Kon- trolle der großen Unternehmen. Corporate Governance bleibt ein beherrschendes Thema des Wirtschaftsrechts. Das liegt gewiss an den sich sehr rasch verändernden äußeren Bedingungen, an der Internationalisierung der Fi- nanzmärkte, an der Veränderung des Anlageverhaltens und der sprunghaften Entwicklung neuer Medien. Man- che sagen: Auch die Menschen haben sich verändert; man spricht von Werteverfall, von Gier, von der Bereicherung zulasten der kleinen Anleger. Man hat viel Unschönes ge- sehen in der letzten Zeit, aber erst mit sehr langem Ab- stand wird man besser beurteilen können, ob wir hier wirklich einen Verlust an Ethos im Wirtschaftsleben zu beklagen haben – oder ob es nicht um die immer gleichen menschlichen Verhaltensweisen geht. Jedenfalls ist es die Aufgabe von Bundesregierung und Gesetzgebung, ge- genzusteuern, für ein optimales Regelwerk von verant- wortlicher Unternehmensleitung und effektiver unabhän- giger Überwachung und Kontrolle, für Transparenz und Wettbewerb zu sorgen. Dem dient das Transparenz- und Publizitätsgesetz, das heute in zweiter und dritter Lesung vom Deutschen Bun- destag mit breitem Konsens verabschiedet wurde und das noch im Sommer in Kraft treten wird. Die Regierungskommission Corporate Governance, die ich im vergangenen Jahr eingesetzt habe, hatte im letz- ten Sommer ein ganzes Paket von Vorschlägen zur Ver- besserung und Modernisierung der rechtlichen Rahmen- bedingungen für unsere börsennotierten Gesellschaften vorgelegt. Diese Vorschläge haben allgemein große Be- achtung und Anerkennung gefunden. Die Wirtschaft war- tet auf die Umsetzung dieser Vorschläge durch den Ge- setzgeber, weil sie vernünftig sind, unseren Standort Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223770 (C) (D) (A) (B) verbessern und neben notwendigen neuen Regeln auch Modernisierungen und Deregulierungen enthalten. Die Bundesregierung hat sich deshalb beeilt, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die von der Regierung mitverhandelten und mitgetragenen Empfehlungen der Kommission in das deutsche Aktienrecht einfügen soll. Die erste Umsetzungsstufe war die Einsetzung der Re- gierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex unter Leitung von Herrn Dr. Cromme. Diese hoch- rangige und ausgewogen besetzte Kommission hat in kur- zer Zeit einen Code of Best Practice für die Organe deut- scher börsennotierter Aktiengesellschaften vorgelegt und mir am 26. Februar 2002 im Bundesministerium der Jus- tiz übergeben. Er soll nach dem In-Kraft-Treten des vor- liegenden Gesetzes im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden. Dieser Kodex soll zum einen nach innen wirken, um Leitung und Kontrolle unserer Ge- sellschaften deutlich zu verbessern. Er bietet zugleich die Chance, nach außen zu wirken und unser Corporate Go- vernance System im Ausland besser darzustellen. Unser System ist nämlich gut, auch wenn das viele nicht wahr- haben wollen. Freilich ist kein System so gut, dass es nicht noch wei- ter verbesserungsfähig wäre. Mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz wird eine ganz Reihe wichtiger gesetz- licher Verbesserungen unseres Corporate Governance Systems umgesetzt. Auch die großen Wirtschaftsver- bände haben von einem „Meilenstein“ gesprochen. Dazu gehört zum einen die Flankierung des Corporate Governance Kodex der Cromme-Kommission durch eine so genannte Entsprechenserklärung. Danach müssen alle börsennotierten Gesellschaften einmal jährlich erklären, ob sie den Corporate Governance Kodex einhalten oder nicht, bzw. in welchen Punkten nicht. Mit dieser gesetz- lichen Erklärungspflicht bekommt der Kodex erst das Gewicht, das er benötigt, um als der deutsche Kodex all- gemein Anerkennung zu finden. Es ist wichtig, dass diese gesetzliche Verankerung des Corporate Governance Kodex noch in dieser Wahlperiode in Kraft tritt. Mit dem Entwurf des Transparenz- und Publizitätsge- setzes setzt die Bundesregierung auch im Bilanzrecht Ak- zente für eine höhere Kontrolldichte im Verhältnis des Aufsichtsrats zum Management sowie für einen verbes- serten Anlegerschutz. Das Recht der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung ist nach spektakulären Fällen von Bilanzmanipulation besonders in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Der Gesetzentwurf sieht insbesondere eine stärker pro- blem- und risikoorientierte Schwerpunktsetzung bei der Abschlussprüfung vor. Indem wir dem Abschlussprüfer zum Beispiel aufgeben, künftig auch die Auswirkungen sachverhaltsgestaltender Maßnahmen der Unternehmens- leitung zu kommentieren, sorgen wir für mehr Transpa- renz und stärken den Aufsichtsrat in seiner Kontrollfunk- tion. Darüber hinaus greifen wir Empfehlungen der Baums-Kommission sowie des deutschen Standardsetters DRSC vor allem zur Konzernrechnungslegung und zur Anpassung des deutschen Bilanzrechts an internationale Entwicklungen auf. Die jüngste Unternehmenskrise in den Vereinigten Staaten gemahnt uns, unsere Bemühungen zur Verbesse- rung unserer Corporate Governance zu verstärken. Mit dem heutigen Gesetz ist ein weiterer Meilenstein gesetzt, aber das Ende des Weges noch nicht erreicht. In der nächs- ten Wahlperiode werden wir im Aktienrecht sowie im Bi- lanzrecht weitere Reformschritte angehen, hoffentlich ge- nauso im Konsens wie heute. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 33) Christine Lambrecht (SPD): Heute verabschieden wir in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Ände- rung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versi- cherungsrechtlicher Vorschriften. Mit diesem Gesetz set- zen wir in erster Linie die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mit- gliedstaaten über die Kfz-Haftpflichtversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (4. Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Richtlinie) um. Das Gesetz trägt somit dazu bei, die Rechtsverhältnisse in der EU weiter anzugleichen. Es ist ein weiterer Mosaik- stein zur Bildung einheitlicher Lebensverhältnisse in Eu- ropa. Das hört sich sehr abstrakt an, bringt aber für viele Bürgerinnen und Bürger eine konkrete Verbesserung in einer schwierigen Situation. Worum geht es in diesem Gesetz? Das Gesetz dient dem Verbraucherschutz. Im Kern geht es darum, Autofah- rern, die im Ausland – aber auch im Inland – in einen Ver- kehrsunfall verwickelt sind, die Möglichkeit der Scha- densregulierung zu verbessern und zu vereinfachen. Jeder kennt die Situation: Man freut sich auf den Urlaub, die schönste Zeit im Jahr. Man setzt sich ins Auto und ab geht es. Doch schnell kann eine solche Reise durch einen Autounfall zum Albtraum werden. Das soll nun ab dem 1. Januar 2003 der Vergangenheit angehören. Wir haben uns nicht darauf beschränkt, die EU-Richt- linie 1:1 umzusetzen. Wir haben geprüft, ob es sinnvolle Regelungen gibt, die auch auf im Inland erfolgte Ver- kehrsunfälle angewendet werden können. Im Interesse des Verbrauchers und unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung haben wir deshalb zum Teil allgemein gültige Regelungen getroffen. Worum geht es im Einzelnen? Vielleicht waren Sie schon im Ausland in einen Verkehrsunfall verwickelt. Si- cherlich kennen Sie Freunde oder Bekannte, die das Pech hatten, im Ausland Unfallopfer zu werden. Bisher war es doch so, dass es im Gegensatz zu manchen Werbespots für die Betroffenen eben sehr schwer war, zu ihrem Recht zu kommen. Oft war es bereits mit großen Schwierigkeiten verbunden, den Fahrzeughalter oder die Haftpflicht- versicherung ausfindig zu machen. Deshalb ist jeder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23771 (C) (D) (A) (B) EU-Mitgliedstaat ab 2003 verpflichtet, Auskunftsstellen einzurichten oder anzuerkennen, wo der Geschädigte sämtliche relevanten Daten in Erfahrung bringen kann. Da wir der Ansicht sind, dass eine solche Einrichtung auch bei Inlandsunfällen sinnvoll ist, ist die Regelung all- gemein gehalten. Somit kann jeder Bürger, der ein be- rechtigtes Interesse nachweisen kann, die Daten – auch bei Unfällen in Deutschland – anfordern. Die Aufgaben der Auskunftsstelle sollen dem von der Versicherungswirtschaft eingerichteten „Zentralruf der Autoversicherer“ übertragen werden. Wir sind der An- sicht, dass auch eine nicht staatliche Stelle die Aufgaben wahrnehmen kann. Warum soll eine neue Behörde einge- richtet werden, wenn man auf eine Stelle zurückgreifen kann, deren qualitativ gute Arbeit seit Jahren bekannt ist? Oftmals ist es auch schwierig, Kontakt zu den jeweili- gen Versicherungen aufzunehmen. Hier spielen Sprach- schwierigkeiten im Ausland eine Rolle. Deshalb werden die Versicherungen verpflichtet, in jedem Mitgliedstaat – außer dem des eigenen Sitzes – einen Schadensregulie- rungsbeauftragten zu benennen, der selbstverständlich auch die jeweilige Landessprache beherrscht. An den Be- auftragten kann sich der Geschädigte wenden, der den Schaden bearbeitet und gegebenenfalls reguliert. Hierbei hat der Geschädigte die Wahlmöglichkeit, ob er den Be- auftragten oder die Versicherung direkt zur Regulierung des Schadens heranzieht. Damit der Geschädigte pro- blemlos den Beauftragten in Anspruch nehmen kann, müssen die Versicherer der Auskunftsstelle Namen und An- schrift des Schadensregulierungsbeauftragten mitteilen. Oftmals muss der Bürger auch darunter leiden, dass die Versicherer eine Schadensregulierung sehr zögerlich be- arbeiten. Das Interesse des Geschädigten ist es aber, dass die Regulierung zügig erfolgt. Deshalb muss der Schaden zuküftig grundsätzlich in maximal drei Monaten reguliert werden. Zumindest muss dem Anspruchsteller substanzi- iert und schriftlich dargelegt werden, warum keine Regu- lierung erfolgt. Da die Bestimmung einer Frist sinnvoll ist, gilt diese Frist zukünftig auch für Inlandsunfälle. Sollte gleichwohl eine Regulierung oder Stellung- nahme nicht erfolgen, kann sich der Geschädigte zukünf- tig an eine Entschädigungsstelle im Wohnsitzstaat wen- den, die dann den Schaden reguliert. Diese Stelle holt sich dann das verauslagte Geld bei der Entschädigungsstelle zurück, die sich im Sitzstaat des Versicherers befindet. Die Stelle wiederum kann den Versicherer in Regress neh- men. Darüber hinaus entscheidet die Entschädigungs- stelle darüber, ob eine Stellungnahme des Versicherers, den Schaden nicht zu regulieren, begründet genug ist. In Deutschland sollen diese Aufgaben von dem Verein „Ver- kehrsopferhilfe“ wahrgenommen werden. Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf leistet Deutschland seinen Beitrag dazu, dass Geschädigte zukünftig EU-weit auf eine unkomplizierte und schnelle Regulierung des Schadens vertrauen dürfen. Dr. Susanne Tiemann (CDU/CSU): Wer von uns hatte nicht schon einmal selbst einen Autounfall im Aus- land oder kennt nicht jemanden, dem dies passiert ist? Wenn der Autounfall in einem EU-Mitgliedstaat pas- sierte, dachten wir doch: Wenigstens Glück im Unglück gehabt. Oder etwa nicht? Viele befinden sich mit ihrem Auto hauptsächlich zu Urlaubszwecken im Ausland. Zu der getrübten Erholung kommt dann oftmals auch der Ärger bei der Schadens- regulierung hinzu. Der Ärger ist umso größer, wenn der Unfall in einem EU-Mitgliedstaat passierte und im Nach- hinein festgestellt werden muss, dass – EU hin oder her – die Schadensregulierung um keinen Deut einfacher oder zügiger vonstatten geht, als wenn der Unfall in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat passiert wäre. Viele Bürgerinnen und Bürger kommen auf diese Weise mit Europa in hautnahen Kontakt und sammeln in diesem Zusammenhang europäische Negativerlebnisse, die das Bild von Europa und der Europäischen Union viel stärker prägen als die vielen positiven Europaerlebnisse, die wir tagtäglich sammeln dürfen. Aus diesem Grund steht die CDU/CSU dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsge- setzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften positiv gegenüber. Das Ziel des Gesetzes ist die Umset- zung der Richtlinie 2000/46/EG zur Änderung der Richt- linie 73/239/EWG und 88/357/EWG vom 20. Juli 2000 in nationales Recht. Lassen sie mich dazu kurz Folgendes ausführen. Das vorliegende Gesetz hat wieder einmal gezeigt, dass heute ein erheblicher Teil unserer Arbeit durch euro- parechtliche Normen vorgegeben ist. Oft sind die Vorga- ben sehr detailliert und genau, sodass für den deutschen Gesetzgeber nur noch wenig Spielraum bleibt. Die Infor- mation über europäische Gesetzgebungsvorgänge wird daher für unsere Arbeit zunehmend bedeutender. Für uns als deutsches Parlament hängt unser Informationsfluss zu einem erheblichen Teil von der Kooperation mit der je- weiligen Bundesregierung ab. Gerade hier ist in letzter Zeit von zahlreichen Verbänden aber Kritik aufgekom- men, die eine zu geringe personelle Präsenz der Bundes- regierung bei Verhandlungen in Brüssel beklagten. Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst, da dadurch letztend- lich auch die Arbeit dieses Hauses berührt wird. Da unsere gesetzgeberische Tätigkeit immer mehr von europarechtlichen Normen bestimmt wird, gleichzeitig auch das Europäische Parlament immer mehr an Bedeu- tung gewinnt, halten wir es für sinnvoll, darüber nachzu- denken, inwieweit wir uns vermehrt und regelmäßig in ei- nem institutionellen Rahmen mit den Kollegen aus Straßburg/Brüssel zu einem gemeinsamen Gedankenaus- tausch treffen sollten. lm Unterschied zu den bestehenden drei Kraftfahr- zeughaftpflicht-Richtlinien befasst sich die vierte Kraft- fahrzeughaftpflicht-Richtlinie mit der Regulierung von Auslandsunfallschäden. Die Kommission hat zu Recht er- kannt, dass das System der Grünen-Karte-Büros zwar die problemlose Regulierung eines Unfallschadens gewähr- leistet, wenn sich der Unfall im eigenen Land ereignete und der Unfallbeteiligte aus einem anderen europäischen Land kommt. Das System der Grünen-Karte-Büros löst allerdings nicht alle Probleme, wenn sich der Unfall in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223772 (C) (D) (A) (B) einem fremden Land ereignete, der Unfallgegner seinen Wohnsitz und das den Schaden regulierende Versiche- rungsunternehmen ebenfalls seinen Sitz im Ausland ha- ben. Fremdes Recht, fremde Sprache und oft auch eine ungewohnt lange Regulierungspraxis tragen zu den oben beschriebenen Negativerlebnissen bei. Mit der Verabschiedung der Richtlinie 2000/46/EG durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat sollen die Regelungen zur Abwicklung von Unfall- schäden im Gebiet der Europäischen Union vereinfacht und verbraucherfreundlicher ausgestaltet werden. Obwohl die Richtlinie bereits am 20. Juli 2000 im Amtsblatt der EG veröffentlicht wurde, hat die Bundes- regierung die Umsetzungsfrist, die bis zum 20. Juli 2002 geht, fast bis zum letzten Tag verstreichen lassen, bezüg- lich der Einrichtung von Entschädigungsstellen ist die Umsetzungsfrist sogar bereits abgelaufen. Die Entschädi- gungsstellen sollten nämlich bis zum 20. Januar 2002 ge- schaffen und anerkannt werden. Ich frage mich wirklich, weshalb sich die Umsetzung dieser Richtlinie verzögern musste und kann keinerlei Grund hierfür erkennen. Obwohl wir der Intention der Richtlinie positiv ge- genüberstehen, so sind wir doch der Meinung, dass die vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie für die Regu- lierung von Auslandsunfallschäden ein teilweise recht komplexes und kompliziertes System entwickelt. Teil- weise werden auch Regelungen geschaffen, die mitunter hätten verständlicher gefasst werden können. Ich denke dabei insbesondere an § 12 b PfIVG, der den gesetzlichen Forderungsübergang des Schadensersatzanspruchs auf die nationale bzw. die ausländische Entschädigungsstelle regelt, soweit dem Geschädigten der Schaden von der Entschädigungsstelle ersetzt wurde. Eine wesentliche Neuerung der vierten Kraftfahrzeug- haftpflicht-Richtlinie ist, die Verpflichtung der Mitglied- staaten von den bei ihnen zugelassenen Versicherungs- unternehmen zu verlangen, dass sie in den anderen Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirt- schaftsraumes Schadensregulierungsbeauftragte bestel- len und dies nachweisen. Der Geschädigte soll seinen Schadensersatzanspruch sodann in seinem Wohnsitz-Mit- gliedstaat gegenüber dem Schadensregulierungsbeauf- tragten der haftpflichtigen Partei geltend machen, der in der jeweiligen Landessprache die Versicherung gegen- über dem Geschädigten vor Ort vertreten kann. Das ma- terielle Recht oder die gerichtliche Zuständigkeit sollen davon unberührt bleiben. Der Arbeitsaufwand der Versicherungsaufsichtsbehör- den wird sich dadurch in geringem Umfang erhöhen. Für bestimmte Unternehmen der Versicherungswirtschaft ent- stehen allerdings Mehrausgaben. Für Versicherungsunter- nehmen, die bisher schon in allen oder vielen Staaten der EU oder des Europäischen Wirtschaftsraumes mit Mitar- beitern und Niederlassungen vertreten waren, dürfte die Bestellung eines Schadensregulierungsbeauftragten keine oder kaum zusätzliche Kosten verursachen. Innerhalb die- ser Unternehmen vollzieht sich lediglich eine Arbeitsver- lagerung. Bearbeiteten bisher die Mitarbeiter des Versi- cherungsunternehmens am Wohnsitz der haftpflichtigen Partei die Schadensregulierung, so werden dies in Zu- kunft die Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens am Wohnsitz des Geschädigten übernehmen. Für die einzel- nen Niederlassungen dürften der Umfang der zu bearbei- tenden Schadensfälle und somit die Kosten gleich blei- ben. Zusätzliche Kosten entstehen allerdings für die Versicherungsunternehmen, die bisher nicht in allen be- treffenden Staaten tätig waren. Kleinere oder mittlere Ver- sicherungsunternehmen können den Kostendruck min- dern, indem sie im Rahmen der Finanzierung von Schadensregulierungsbeauftragten Kooperationen einge- hen. Es ist zu erwarten, dass Mehrkosten zumindest teil- weise auf die Versicherungsnehmer umgelegt werden. Teilweise wird die vereinfachte Schadensregulierung von Unfällen im europäischen Ausland somit wahrscheinlich erhöhte Versicherungsprämien zur Folge haben. Wir kön- nen nur an die Unternehmen appellieren. Erhöhungen wenn überhaupt dann maßvoll zu gestalten, zumal der Wettbewerb im europäischen Versicherungsmarkt ja auch stärker wird. Die Bearbeitung des geltend gemachten Anspruchs soll zügig erfolgen. Obwohl in der vierten Kraftfahrzeughaft- pflicht-Richtlinie die dreimonatige Bearbeitungsfrist nur für Auslandsunfälle vorgesehen war, soll die Schadens- regulierungsfrist von drei Monaten auch für reine In- landsfälle gelten. Diese Ausdehnung des Anwendungs- bereiches ist zu begrüßen, schafft sie doch für alle Versicherungsnehmer Erleichterungen. Gleiches gilt für die Verzinsungspflicht des Anspruchs bei einer zöger- lichen Bearbeitung. Nach der vierten Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie sollen die Mitgliedstaaten Auskunftsstellen einrichten oder anerkennen, welche den Geschädigten alle zur Re- gulierung notwendigen Auskünfte erteilen, insbesondere über den Regulierungsbeauftragten des Versicherungsun- ternehmens oder über Namen von Halter und Fahrer. Zu begrüßen ist, dass bei der Einrichtung der Auskunftsstel- len auf bestehende Strukturen zurückgegriffen wird. Dies gilt im Übrigen auch für die Einrichtung der Entschädi- gungsstellen. Der Zentralruf der Autoversicherer, welcher die Aufgabe der Auskunftsstelle in Deutschland überneh- men soll, hat bisher schon Anfragen von Geschädigten ge- sammelt und versucht, den Geschädigten die benötigten Informationen zu beschaffen. Im Rahmen der Beratungen im Rechtsausschuss haben wir unter anderem eine Ergän- zung um eine datenschutzrechtliche Zweckbestimmung für die Übermittlung von Daten an die im Ausland errich- teten Auskunftsstellen als notwendig erachtet – genauso wie die ursprüngliche Regelung die Auskunftsstellen zur Übermittlung von Daten an die im Ausland errichteten Auskunftsstellen lediglich berechtigte, aber nicht ver- pflichtete, wie dies der Wortlaut der Richtlinie vorsieht. Ein weiterer Baustein bei der Schadensregulierung in- folge von Auslandsunfällen ist die Schaffung einer natio- nalen Entschädigungsstelle, welche Schäden regulieren sollen, die von den Versicherungsunternehmen oder Pri- vaten nicht ersetzt werden. Ansprüche werden jeweils ge- gen die Entschädigungsstelle des Mitgliedstaates gerich- tet, in dem der Geschädigte seinen Wohnsitz hat. Im Gegenzug findet ein gesetzlicher Forderungsübergang auf die nationale Entschädigungsstelle statt. Das heißt, diese wird Inhaber – Gläubiger – des Schadensersatzanspruchs. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23773 (C) (D) (A) (B) Die nationale Entschädigungsstelle, die dem Geschädig- ten den entstandenen Schaden ersetzt hat, hat einen Aus- gleichsanspruch gegen die Entschädigungsstelle des Mit- gliedstaates, in dem die Versicherung des haftpflichtigen Halters, der haftpflichtige Halter oder der Fahrer seinen Sitz/Wohnsitz hat. Bei Gewährung des Ausgleichs findet ein erneuter gesetzlicher Forderungsübergang statt, dies- mal auf die ausländische Ausgleichsentschädigungsstelle. Die ausländische Ausgleichsentschädigungsstelle muss dann sehen, wer ihr den gezahlten Ausgleich ersetzt. Der Bundesrat hat im Rahmen der Beratungen darauf hingewiesen, dass durch den Einleitungssatz des § 3 a PfIVG – „Macht der Dritte Ansprüche nach § 3 Nr. 1 gel- tend, gelten darüber hinaus die folgenden Vorschriften:“ – der Geltungsbereich des ursprünglich in § 3 a Nr. 3 PfIVG vorgesehenen gesetzlichen Forderungsübergang einge- schränkt würde. Durch den Einleitungssatz des § 3 a PfIVG hätte der gesetzliche Forderungsübergang nur für Ansprüche gegolten, auf die deutsches Recht Anwendung findet. Nach der Intention der Richtlinie sollte der gesetz- liche Forderungsübergang jedoch gerade für Ansprüche gelten, die ausländischem Recht unterliegen. Der Rechts- ausschuss hat daher beschlossen, die Vorschrift des § 3 a Nr. 3 zu streichen und durch g 12 b PfIVG zu ersetzen. Der gesetzliche Forderungsübergang gilt nun sowohl für An- sprüche, die deutschem Recht als auch für Ansprüche, die ausländischem Recht unterliegen. Nach Hinweis durch den Bundesrat wurde in den Be- ratungen im Rechtsausschuss die Regelung in § 12 b PfIVG durch den Einschub eines Satzes 2 ergänzt. Dieser Satz 2 bringt nun klar zum Ausdruck, dass durch den For- derungsübergang eine Schlechterstellung des Gläubigers nicht erfolgt. Die Gefahr einer Schlechterstellung hätte bei einer Teilbefriedigung des Gläubigers bestanden. Gläu- biger und Dritter wären bei einer Teilleistung, die einen teilweisen Forderungsübergang zur Folge gehabt hätte, mit ihren Forderungen gegenüber dem Schuldner in Kon- kurrenz zueinander getreten. Im Falle der Insolvenz über das Vermögen des Schuldners kann in diesen Fällen die Gefahr bestehen, dass der Gläubiger mit seiner Teilforde- rung nicht mehr befriedigt wird, das heißt, er geht leer aus. Durch Satz 2 ist nun aber klargestellt, dass in solchen Fäl- len der Dritte, in unserem Fall die Entschädigungsstelle, hinter der Teilforderung des Gläubigers, hier des Geschä- digten, zurücktreten muss. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme angeregt, die Verjährungsvorschriften des Pflichtversicherungs- gesetzes an die Verjährungsvorschriften des BGB anzu- passen, nachdem diese durch das Schuldrechtsmoderni- sierungsgesetz neu gefasst wurden und die Notwendigkeit einer differenzierten Ausgestaltung nach Ansicht des Bundesrates nicht mehr bestünde. Diesem Vorschlag ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirt- schaft in seiner Stellungnahme entschieden entgegenge- treten. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung ausgeführt, dass zurzeit eine vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission über die Reform des Ver- sicherungsvertragsrechts und dabei unter anderem auch über die Angleichung der Verjährungsvorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes an die Verjährungsvor- schriften des BGB berät. Den Ergebnissen dieser Diskus- sion sollte nicht vorgegriffen werden. Im Rahmen der Be- ratungen im Rechtsausschuss wurden von der Bundesre- gierung sowohl die Kommission zur Reform des Versi- cherungsvertragsgesetzes als auch die betroffenen Verbände zur Angleichung der Verjährungsvorschriften des Pflichtversicherungsgesetzes angehört. Nach Ansicht der Experten und der Verbände sollte eine Änderung der Verjährungsvorschriften besser im Rahmen der anstehen- den umfassenden Reform des Versicherungsvertrags- rechts in Angriff genommen werden. Diesem Ergebnis stimmen auch wir zu. Die Anglei- chung der Verjährungsvorschriften sollte für den gesam- ten Bereich des Versicherungsrechts einheitlich erfolgen. Die CDU/CSU hat sich stets gegen eine übereilte und konzeptionslose gesetzgeberische Tätigkeit ausgespro- chen und dies auch in diesem Hause mehrmals zum Aus- druck gebracht. Den Versicherungsnehmern und Versi- cherungsunternehmen wäre nicht damit gedient, wenn voreilig eine Angleichung der Verjährungsvorschriften des Pflichtversicherungsgesetzes an die des BGB vollzo- gen würde und nach kurzer Zeit womöglich abermals par- tielle Änderungen erfolgen müssten. Lassen Sie uns die- ses Thema in einem anderen Zusammenhang wohl überlegt diskutieren, damit das Ergebnis stimmt, denn da- rauf kommt es an. Alles in allem ist die europäische Richtlinie ein Schritt in die richtige Richtung. Das Gesetz setzt sie korrekt um und deshalb stimmen wir ihm zu. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jährlich ereignen sich über 500 000 Unfälle, an denen Kraftfahrzeuge aus verschiedenen Mitgliedstaa- ten der Europäischen Union beteiligt sind. Das derzeitige Schadensersatzsystem zur Regulierung dieser Unfälle ist völlig unzureichend. Oftmals sind sprachliche Hürden zu überwinden und das fremde Rechtssystem ist ungewohnt und unverständlich. Daraus folgt, dass berechtigte Scha- densersatzansprüche oft, wenn überhaupt, erst nach Mo- naten oder Jahren ausgeglichen werden. Die EU-Kommission hat dem Rechnung getragen und hat im Mai 2000 die Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht- richtlinie erlassen. Interessant ist übrigens die Geschichte ihrer Entstehung. Mit dieser Richtlinie hat des Europä- ische Parlament 1995 zum ersten Mal seine neuen Befug- nisse ausgenutzt und die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags aufgerufen. Hier hat also nicht, wie so oft, die europäische Bürokratie reagiert, sondern die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union haben über das de- mokratisch gewählte Parlament auf einen Missstand auf- merksam gemacht. Ein wichtiger Schritt in einem geleb- ten Europa. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht wird nun durch den vorliegenden Gesetzentwurf geregelt. Kernstück der Richtlinie ist, dass jeder Kraftfahrzeug- haftpflichtversicherer, der in einem Mitgliedstaat der EU zugelassen ist, in jedem anderen Mitgliedstaat einen Be- auftragten benennt, an den sich der Unfallbeteiligte im Ausland wenden kann. Dieser hat die aus Unfällen in ei- nem anderen Land herrührenden Ansprüche zu bearbeiten und gegebenenfalls zu regulieren. Zusammen mit der Ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223774 (C) (D) (A) (B) pflichtung der Mitgliedstaaten, alle zur Regulierung not- wendigen Daten mitzuteilen, sollte es in Zukunft keine grundsätzlichen Probleme mit der Ermittlung des Schädi- gers und seiner Versicherung mehr geben. Damit ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt zu einem besseren Verbraucherschutz. Kein Versicherer kann – aus welchen Gründen auch immer – die Ansprüche des Ge- schädigten monatelang verschleppen oder die Entschädi- gungszahlung mit immer neuen Hindernissen verzögern. Der Schaden ist innerhalb von drei Monaten zu regeln oder dem Geschädigten sind in schriftlicher Form die Gründe mitzuteilen, warum die Versicherung nicht regu- lieren kann. Zudem ist die Neuregelung auch aktiver Opferschutz. Für den Fall, dass der ausländische Versicherer nicht in- nerhalb der vorgesehenen Frist auf den Anspruch einge- gangen ist oder kein Schadenregulierungsbeauftragter existiert, wird dem Geschädigten von einer Entschädi- gungsstelle in seinem Land Entschädigung gewährt. In Deutschland wird diese Aufgabe von der „Verkehrsopfer- hilfe“ in Hamburg übernommen, die seit mehr als 35 Jah- ren Schadenregulierungen bei nicht versicherten bzw. er- mittelten Fahrzeugen übernimmt. Ich meine, dieses Gesetz und insbesondere die Drei- monatsfrist zur Schadenregulierung kann auch ein Vor- bild für eine umfassende Regelung bei Unfällen im Inland sein. Das Europäische Parlament hat hierzu schon im Juli 2001 eine Entschließung gefasst. Bleibt zu hoffen, dass die bürokratischen Mühlen nicht wieder mehr als sieben Jahre brauchen, um eine verbraucherfreundliche Initiative in die Tat umzusetzen. Rainer Funke (FDP): Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Pflichtversicherungsgesetzes wird nun auch im Bereich der Verkehrsunfallschäden in- nerhalb der Europäischen Union einheitliches Recht ge- schaffen. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen. Es kann ja in einem zusammenwachsenden Europa nicht sein, dass der Unfallschaden eines Reisenden, der mit seinem Fahrzeug unterwegs ist, in der Bundesrepublik Deutschland unpro- blematisch reguliert wird, die Regulierung von Schäden aber, die im europäischen Ausland entstanden sind, für den Geschädigten auf oftmals erhebliche Schwierigkeiten stößt. So kann sich der Bürger in Zukunft zur Regulierung seines Unfallschadens wahlweise entweder direkt an den Versicherer oder aber an dessen Schadensregulierungs- beauftragten, den der Versicherer im jeweiligen Mitglied- staat zu bestellen hat, wenden. Der in Deutschland schon lange geltende Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung des Schädigers wird damit nun auch auf europäischer Ebene eingeführt. Das führt für den Geschä- digten zu einer wesentlichen Vereinfachung des Verfah- rens. Dies und die Regelung, dass die Versicherungs- unternehmen sowohl in Deutschland als auch den Mit- gliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet werden, spätestens innerhalb von drei Monaten ein an sie heran- getragenes Schadensersatzbegehren zu beantworten, ver- bessert die Situation des Geschädigten erheblich. Damit diese Frist von den Versicherungen in unproblematischen Fällen nicht als Schonfrist missbraucht wird, werden die Versicherer zu einer unverzüglichen Bearbeitung ver- pflichtet. Da bei Zuwiderhandlung den Versicherungs- unternehmen die Verzinsung des Ersatzanspruches oder der Regress der Entschädigungsstelle, die ersatzweise den Ersatzanspruch des Geschädigten befriedigt, droht, ist da- von auszugehen, dass eine zügige Abwicklung der Schä- den erfolgen wird. Eine weitere Verbesserung stellen in diesem Zusam- menhang auch die von den Mitgliedstaaten einzurich- tenden Auskunftsstellen dar, die, ähnlich dem Zentralruf in der Bundesrepublik Deutschland, dem Geschädigten alle zur Regulierung seiner Ansprüche notwendigen Da- ten mitteilen müssen. Allerdings dürfen auch die Nach- teile dieser Regelung nicht übersehen werden. Es können nun auch Privatleute den Halter über das Kennzeichen seines Fahrzeuges ermitteln. Der gläserne Bürger rückt dadurch wieder ein Stück näher. Trotz dieses Schönheitsfehlers wird die FDP dem Gesetzentwurf zustimmen, da die Vorteile deutlich über- wiegen. Durch die Verbesserung der Regulierung von Verkehrsunfallschäden, die ein Reisender in einem Mit- gliedstaat der Europäischen Union erleidet, wird es nun endlich möglich sein, dass der Geschädigte schnell zu seinem Recht kommt und nicht mehr auf den Kosten sit- zen bleibt, weil die Versicherung des ausländischen Un- fallgegners das Verfahren verschleppt. Es konnten nun- mehr wirksame Mechanismen in Form von Sanktionen sowie Regressforderungen entwickelt werden, die dafür Sorge tragen, dass die entstandenen Schäden zügig aus- geglichen werden. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Jeder, der einmal einen Autounfall hatte, weiß um den Ärger der Schadensregu- lierung. So ärgerlich und manchmal tragisch ein Ver- kehrsunfall auch ist, besonders ärgerlich ist ein Verkehrs- unfall im Ausland. Viele, die einmal im Ausland zu Schaden gekommen sind, wünschten sich in dieser miss- lichen Situation, dass ihnen der Unfall – wenn schon nicht vermeidbar – doch besser zu Hause geschehen wäre. Bei- nahe regelmäßig veröffentlichen Autozeitschriften gerade in der Urlaubszeit Horrorgeschichten über Autounfälle im Ausland und die Odysseen ihrer Schadensregulierung. Der Euro macht das Reisen leichter. Europa wächst zu- sammen. Doch eben nicht nur harmonisch. Gelegentlich gibt es auch Zusammenstöße, nicht zuletzt auf europä- ischen Straßen, die nicht immer einheimische Straßen sind. Erklärtes Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes der Bundesregierung ist es, in Umsetzung europäischer Richtlinien, Schwierigkeiten nach einem Verkehrsunfall innerhalb der Europäischen Union zu minimieren, die Schadensregulierung zu beschleunigen. Dieses Vorhaben kann im Interesse der Autofahrerinnen und Autofahrer nur begrüßt werden. Das haben ja bekanntlich bereits sowohl die Automobilclubs als auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft getan. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23775 (C) (D) (A) (B) Die im Gesetzentwurf dazu vorgeschlagenen Maßnah- menkomplexe, Bestellung von Schadensregulierungsbe- auftragten, Einrichtung von Auskunftsstellen sowie die Einrichtung von Entschädigungsstellen, scheinen geeig- net, um den Gesetzeszweck zu erreichen. Dass die Versi- cherungen künftig Schäden aus Verkehrsunfällen inner- halb einer Frist von drei Monaten zu regeln haben oder dem Geschädigten schriftlich begründen müssen, warum dies nicht geschehe, empfinde ich als eine angemessene Regelung. Ob die vorgesehenen Sanktionen bei Nichtein- haltung greifen werden, muss sich ebenso zeigen, wie ich insgesamt auf die tatsächliche Wirksamkeit dieses Geset- zes gespannt bin. Auf eigene Erfahrungen möchte sicher jeder von uns verzichten. Umso wichtiger erscheint mir vielleicht ein Jahr nach In-Kraft-Treten des Gesetzes ein Bericht darü- ber, wie verbraucherfreundlich sich diese europäische Ge- setzgebung in der Praxis wirklich erwiesen hat. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin der Justiz: Der Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Pflichtversicherungsgesetzes und anderer versi- cherungsrechtlicher Vorschriften setzt die so genannte vierte Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie vom16. Mai 2000 in nationales Recht um. Diese Richtlinie widmet sich den Schwierigkeiten, mit denen man nach einem Verkehrsunfall im Ausland kon- frontiert ist. Die Regulierung eines solchen Verkehrsun- falls kann sich als sehr unerfreulich herausstellen. Da kann sich der Geschädigte nach seiner Rückkehr nach Deutschland mit einer Versicherung auseinandersetzen, die etwa in Neapel oder auch in Paris sitzt. Er muss seine Anschreiben in italienischer oder französischer Sprache verfassen und Telefonate kommen oft nicht in Betracht, denn wer spricht schon fließend italienisch oder franzö- sisch, von portugiesisch oder griechisch ganz zu schwei- gen. Immer wieder wird von Auslandsurlaubern auch die lange Dauer der Schadenregulierung bei ausländischen Versicherungen beklagt, die sich im Einzelfall über Jahre hinweg ziehen kann. Nachdem im Zuge des Zusammenwachsens der Euro- päischen Union auch der gewerbliche und der private Straßenverkehr immer weiter zugenommen hat, war es an der Zeit, sich dieser Probleme in Form einer gemein- schaftlichen Regelung anzunehmen. Die vierte Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie hat zwar einen umständlichen Namen, dafür aber – weit wichtiger – einen verständlichen Regelungsgehalt, der sich auf vier Maßnahmen beschränkt: Erstens: Die Mitgliedstaaten müssen Auskunftsstellen einrichten oder anerkennen, bei denen der Geschädigte Informationen erhalten kann, die zur Regulierung seiner Ansprüche erforderlich sind: Kennt etwa der deutsche Geschädigte lediglich das Kfz-Kennzeichen des Schädi- gerfahrzeugs, dann wird er zukünftig nach einem Telefo- nat mit der in Deutschland ansässigen Auskunftsstelle den Halter und den Versicherer des ausländischen Schädiger- fahrzeugs erfahren. Und nicht nur das: auch den Namen und die Anschrift des Schadenregulierungsbeauftragten, den diese ausländische Versicherung in Deutschland be- nannt hat. Bei diesem Schadenregulierungsbeauftragten handelt es sich um die zweite Maßnahme der Richtlinie, wonach alle in der Gemeinschaft zugelassenen Versicherungen verpflichtet werden, in jedem Mitgliedstaat, außer dem ihres Sitzes, einen Schadenregulierungsbeauftragten zu benennen. Dieser vertritt die Versicherung gegenüber dem Geschädigten in der jeweiligen Landessprache vor Ort. Das ist der entscheidende Vorteil für den deutschen Geschädigten eines Auslandsunfalls: Er kann jetzt in Deutschland und in deutscher Sprache den Schaden regu- lieren. Zum Dritten sorgt die Richtlinie dafür, dass eine zö- gerliche Schadenregulierung der Vergangenheit an- gehören wird: Die Versicherungen haben zukünftig Schä- den aus Verkehrsunfällen innerhalb einer Frist von drei Monaten zu regulieren. Halten sie eine Schadensersatz- forderung des Versicherten für nicht oder für nicht in vollem Umfang berechtigt; so haben sie innerhalb dieser Frist dem Geschädigten schriftlich begründet darzulegen, warum sie nicht oder nicht vollumfänglich regulieren. Wird diese Frist nicht eingehalten, so greift Maßnahme Nummer vier: Entschädigungsstellen, die durch die Mit- gliedstaaten einzurichten oder anzuerkennen sind, regu- lieren für die zögerliche Versicherung den Schaden; darü- ber hinaus sollen durch die Leistungen dieser Entschädigungsstellen in weiteren Fällen Härten für Ge- schädigte vermieden werden. So zahlt die Entschädi- gungsstelle auch dann, wenn beispielsweise das Schädi- gerfahrzeug nicht versichert war. Diese Vorgaben der Richtlinie setzt der Gesetzentwurf in nationales Recht um. Die Aufgaben der Auskunftsstelle wird der Zentralruf der Autoversicherer übernehmen, eine Einrichtung, die sich in vergleichbaren, rein nationalen Angelegenheiten bereits seit Jahrzehnten bewährt hat. An dieser Stelle danke ich den Verantwortlichen des Zentralrufs, die sich ohne jedes Zögern bereit erklärt haben, diese Aufgabe zu übernehmen. Dies bedeutet, dass zur Erledigung öffentli- cher Aufgaben auf zuverlässige Strukturen der Privatwirt- schaft zurückgegriffen werden kann. Gleiches gilt auch für die Anerkennung der Entschädi- gungsstelle, deren Aufgaben in Deutschland die Ver- kehrsopferhilfe e.V. erledigen wird. Auch diese Institution ist dem deutschen Autofahrer seit Jahrzehnten gut be- kannt. An dieser Stelle ist ebenfalls den Verantwortlichen für Ihre uneingeschränkte Bereitschaft zur Übernahme öf- fentlicher Aufgaben zu danken. In Umsetzung der Richtlinie werden weiterhin die deutschen Versicherungen verpflichtet, in jedem Mit- gliedstaat der Europäischen Union einen Schadenregulie- rungsbeauftragten zu benennen. Die deutschen Versiche- rer haben bereits bekundet, dass sie dieser Verpflichtung ohne große Schwierigkeiten werden nachkommen kön- nen. Schließlich wurde bei dem Gesetzentwurf auch an die Umsetzung der Schadenregulierungsfrist gedacht. Diese Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223776 (C) (D) (A) (B) soll zukünftig auch für reine Inlandsfälle gelten. Dabei wurde darauf geachtet, dass nicht etwa der unerwünschte Effekt eintritt, dass Versicherungsunternehmen diese Frist von drei Monaten auch in jedem Falle ausschöpfen: Dies würde in unproblematischen Fällen, die bisher in Deutschland in kürzerer Zeit reguliert wurden, zu einer Verlängerung der Regulierungsdauer führen. Deshalb werden die Versicherungen zur unverzüglichen Bearbei- tung verpflichtet, wobei die absolute Grenze der Bearbei- tungsdauer bei drei Monaten liegt. Das Gesetz zur Änderung des Pflichtversicherungsge- setzes und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften wird die Schadenregulierung nach einem Unfall im Aus- land also deutlich erleichtern. Vielen Dank. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung – Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Zuständigkeit für die Anordnung einer DNA- Untersuchung bei Spuren (Tagesordnungs- punkt 35) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD): Die genetische Untersuchung von aufgefundenem Spurenmaterial nach § 81 e Abs. 2 StPO hat sich als wertvolles und hilfreiches Instrument bei der Überführung von Straftätern erwiesen. Die Unentbehrlichkeit dieser Maßnahme für eine effek- tive Verbrechensbekämpfung ist unbestritten. Gleichwohl verlangt die Einzigartigkeit der Analysemethode einen verantwortlichen Umgang mit den auf diese Weise ge- wonnenen Erkenntnissen. Der Gesetzgeber hat daher – zu Recht – die Zulässigkeit einer molekulargenetischen Un- tersuchung an enge Voraussetzungen geknüpft und die Anordnung der Untersuchung einem uneingeschränkten Richtervorbehalt unterworfen. Die Notwendigkeit eines solchen wurde im Anschluss an eine in der Literatur ver- tretene Auffassung verschiedentlich bezweifelt und hat mittlerweile zu einer uneinheitlichen landgerichtlichen Rechtsprechung geführt. Bereits in der ersten Lesung des heute zu beratenden Gesetzentwurfes des Bundesrates am 5. Juli 2001 habe ich auf die Unverzichtbarkeit der richterlichen Anordnungs- befugnis für Spurenmaterial, gleich welchen Ursprungs, hingewiesen. Lassen Sie mich auf die Überlegungen noch einmal im Einzelnen eingehen. Jeder Umgang mit personenbezogenen Daten berührt das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung“, wonach jeder berechtigt ist, grundsätzlich selbst zu ent- scheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönli- che Lebenssachverhalte offenbart werden. Eine geneti- sche Untersuchung erfolgt durch Feststellung des für jede Person spezifischen DNA-Identifizierungsmusters, wel- ches für jeden Menschen so individualcharakteristisch ist wie sein Fingerabdruck. Sie eröffnet den Zugang zu einer Fülle bisher unbekannter, nicht nachweisbarer, perso- nenspezifischer Informationen. Der Einsatz solcher Untersuchungen im Strafverfahren kann deshalb zu empfindlichen, den Kern der Persönlich- keit berührenden Eingriffen führen. Dies hat den Gesetz- geber bereits bei Einführung der DNA-Analyse durch das StVÄG 1997 dazu veranlasst, die gentechnische Untersu- chung von Probenmaterial in jedem Fall von einer vorhe- rigen richterlichen Anordnung abhängig zu machen (Bun- destagsdrucksache 13/667). Er trug dabei auch den in der Bevölkerung verbreiteten Ängsten und Vorbehalten ge- genüber der Gentechnik im Allgemeinen Rechnung. Hinzu kommt, dass durch die nicht absehbare wissen- schaftliche Entwicklung in der Gentechnik zunehmend neue Gefährdungslagen entstehen, die zum Beispiel die Konferenz der Datenschutzbeauftragten wie folgt konkre- tisiert hat – ich zitiere –: Die Gefahr, dass eines nicht allzu fernen Tages die DNA-Analyse nicht mehr allein zur Identitätsfest- stellung, sondern darüber hinaus zur Entschlüsse- lung aller möglichen Erbveranlagungen und Dispo- sitionen dienen könnte ... ist angesichts des bio- und gentechnischen Fortschritts nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Gründe, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die Regelung der DNA-Analyse einem umfassenden Richtervorbehalt zu unterstellen, haben deshalb nichts an Aktualität verloren. Daher kann auch dem Bundesratsvorschlag, anonyme Spuren im Sinne von § 81 e Abs. 2 StPO vom Richtervor- behalt auszunehmen, nicht zugestimmt werden. Auch hier muss es bei der alleinigen Anordnungsbefugnis des Rich- ters verbleiben. Die Ansicht, die in diesen Fällen davon ausgeht, dass ohne konkrete Tatverdächtige auch kein Eingriff in subjektive Rechte vorliegen könne, verkennt, dass das Ziel einer Untersuchung ebendieser Spuren ge- rade darin besteht, anhand des Ergebnisses einen Ab- gleich mit schon vorhandenen oder noch zu gewinnenden DNA-Identifizierungsmustern bekannter Personen vorzu- nehmen und so die Anonymität des Spurenverursachers aufzuheben. In vielen Verfahren ist ein konkreter Be- schuldigter zunächst gar nicht vorhanden und kann erst auf diese Weise ermittelt werden. Die oben genannte Auf- fassung würde hierbei den Richtervorbehalt weitgehend gegenstandslos machen. Darüber hinaus können von einer Maßnahme nach § 81 e Abs. 2 StPO grundsätzlich auch völlig Unschuldige, deren Proben – aus welchen Gründen auch immer – im Umfeld einer Straftat aufgefunden werden, betroffen sein. Dass diese Spuren zunächst keiner bestimmten Person zu- gewiesen werden können, vermindert selbstverständlich nicht ihre Schutzbedürftigkeit – im Gegenteil! Gerade der Umstand, dass der Spurenleger von der Untersuchung sei- nes Spurenmaterials und der Speicherung seines DNA-Identifizierungsmusters jedenfalls zunächst keine Kenntnis hat, spricht für eine Prüfung der Anordnungs- voraussetzungen durch den Richter. Ohne richterliche Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23777 (C) (D) (A) (B) Anordnung ist im Übrigen auch die notwendige Speiche- rung der Daten gesetzlich ausgeschlossen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Absenkung des Schutzniveaus durch Verzicht auf den Richtervorbehalt hätte die falsche Signalwirkung. Kann etwa bei potenziell Unschuldigen und Unbeteiligten auf die für potenziell Tatbeteiligte geltenden rechtsstaatlichen Kontrollen ver- zichtet werden? Das kann nicht richtig sein und würde der Grundrechtsrelevanz des Eingriffs nicht gerecht. Diese gebietet es, bereits die Voraussetzung eines späteren Da- tenabgleichs, das heißt die Untersuchung genetischen Materials, einheitlich an strenge, kontrollierbare Voraus- setzungen zu binden. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung wird dies durch eine Präzisierung von § 81 f Abs. 1 StPO klarstellen. Wir beraten heute auch den Vorschlag zur Einführung eines § 100 i StPO, der die Ausdehnung der Überwachung der Telekommunikation auf Mobiltelefone zum Gegen- stand hat. Wir begrüßen das Vorhaben der Bundesregie- rung, die Lücke zu schließen, die sich bei der Strafverfol- gung durch den zunehmenden Einsatz von Mobiltelefonen durch Straftäter aufgetan hat. Das geschieht durch den Einsatz des so genannten „IMSI-Catchers“, mit dessen Hilfe die erforderlichen Kennungen eines Mobilfunkan- schlusses sowie der Standort eines Mobiltelefons ermittelt werden können. Ronald Pofalla (CDU/CSU): Wieder einmal klaffen Anspruch und Wirklichkeit bei dieser Bundesregierung auseinander. Vor allem bei den Themen „innere Sicher- heit“ und „Kriminalitätsbekämpfung“ wird deutlich, dass zwar viel davon gesprochen wird, doch dass tatsächlich noch immer nach den alten Rezepten der 70er-Jahre geköchelt wird. Das Süppchen, das dabei entsteht, hat den faden Beigeschmack eines utopistischen Weltbildes. Noch immer wird der Opferschutz vernachlässigt und die öffentliche Sicherheit durch übertriebene Großzügig- keit gegenüber hartgesottenen Wiederholungstätern ge- fährdet. Der Bundeskanzler ritt zwar auf der medienwirk- samen Welle der Entrüstung, als er angesichts entsetzlicher Wiederholungstaten von Sexualverbrechern ein „Wegschließen, aber für immer!“ forderte, doch pas- siert ist seitdem gar nichts. Nur halbherzige Maßnahmen werden ergriffen, um die Möglichkeiten der Ermittlungs- behörden zur Bekämpfung der Schwer- und Schwerstkri- minalität zu verbessern. Ein Beispiel für solch einen halbherzigen Versuch ist der hier vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung. Wieder einmal werden hier derartig hohe Hürden bei zwei sehr wichtigen Maßnahmen der Täterermittlung errichtet, dass ihre sinnvolle Nutzung gefährdet erscheint. Zum einen geht es um die Sammlung und Untersu- chung von anonymen DNA-Spuren am Tatort, zum ande- ren um die Erfassung des Standortes von tatverdächtigen Mobiltelefonnutzern mittels des so genannten „IMSI-Cat- chers“. Für beide Maßnahmen wird im Gesetzentwurf der Regierung eine komplizierte – und bürokratische – Hin- dernisbahn errichtet. Begründet werden diese unnötigen Verkomplizierungen mit dem Schutz der Verdächtigen aufgrund der Beeinträchtigung der Grundrechte. Hier wird den Ermittlungsbehörden schlichtweg nicht getraut. Einige Sozialdemokraten und viele Bündnisgrüne riechen hier schon den Missbrauch staatlicher Macht. Doch diese Einstellung geht fehl. Zum einen taugen die hier zur Debatte stehenden Regelungen so gar nicht, um mit dem Grundrechtsschutz derer zu argumentieren, die durch die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnah- men möglicherweise beeinträchtigt werden. Zum anderen ist das Missbrauchspotenzial gering. Sehen wir sie uns doch einmal an: Da ist die DNA-Spur am Tatort, sagen wir einmal Haare bei einem Opfer einer schweren Körperverletzung. Die Spuren sind noch keiner konkreten Person zugeordnet. Nun soll also das Recht des möglicherweise durch diese Spur in Verdacht geratenen davor stehen, diese Spur ohne richterlichen Beschluss zu untersuchen? Das ist doch eher weltfremd. Es wird ein ganz und gar unnötiger Vollzugsaufwand betrieben, der unter Umständen aufgrund des damit verbundenen Zeit- ablaufs dem Täter, in dem von mir gebildeten Fall einem Gewaltverbrecher, zugute kommt. Das Recht auf infor- mationelle Selbstbestimmung, welches hier durch die vorherige Prüfung der Anordnung durch den Richter ge- wahrt werden soll, erfährt letztlich keine Verbesserung. Ebenso verhält es sich mit der Regelung zu dem „IMSI-Catcher“. Wer ist denn das Ziel telefonischer Ab- hör- und Ortungsmaßnahmen? In der Regel sind es Schwerkriminelle, zu deren „harmlosesten“ Verbrechen Menschenhandel, Drogen- schmuggel und Geldwäsche gehören. Hierfür kompli- zierte Regelungen zu finden, um dem Datenschutz Genüge zu leisten, halte ich für falsch. Zudem ist die Or- tung eines Tatverdächtigen mittels seines Mobiltelefons ein für die Betroffenen weit geringerer Eingriff in die Grundrechte als beispielsweise das inhaltliche Abhören von Telefongesprächen. Auch deshalb schon erscheinen die Restriktionen des Regierungsgesetzentwurfes, der an die strikten Regelungen des § 100 a StPO bei Telefonab- hörmaßnahmen anknüpft, übertrieben. Beide Instrumente können vielmehr ohne Bedenken den Ermittlungsbehörden und ohne die Einschränkung des hierfür nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung notwendigen richterlichen Beschlusses an die Hand gege- ben werden. Insoweit unterstützt die CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion den Gesetzentwurf des Bundestages, der hin- sichtlich der DNA-Spuren eine einfache, praktikable und grundgesetzkonforme Lösung darstellt. Hier ist eine ge- setzliche Klarstellung dahin gehend vorgesehen, dass eine richterliche Anordnung nicht bei der Untersuchung ver- dächtiger, am Tatort vorgefundener anonymer DNA-Spu- ren notwendig ist, sondern erst dann, wenn der Untersu- chungsgegenstand einem Grundrechtsträger zugeordnet werden kann. Was den Einsatz von „IMSI-Catchern“ angeht, ver- weise ich auf den durch unsere Fraktion vorgelegten An- trag, in dem ebenfalls eine gestraffte Regelung den Ein- satz dieser Messtechnik ohne bürokratische Hürden vorsieht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223778 (C) (D) (A) (B) Die von der Regierung vorgesehene Anlehnung an den Straftatenkatalog des § 100 a StPO ist unnötig und wird daher in dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgelehnt. Noch einmal: Die mögliche Nutzung von Verbin- dungs- und Standortdaten ist mit einem deutlich geringe- ren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis verbunden als die Überwachung und Aufzeichnung des Inhalts der Tele- kommunikation nach § 100 a StPO. Eine weitere Verbesserungsnotwendigkeit bei dem Ge- setzentwurf der Regierung besteht darin, die Standortken- nung auch dann vornehmen zu können, wenn kein Fern- gespräch geführt wird. Es besteht kein ersichtlicher Anlass, insoweit auch die strengen Voraussetzungen des § 100 a StPO vorzusehen. Parallelregelungen zugunsten der Nachrichtendienste in den einschlägigen Gesetzen kennen diese Einschränkung ebenfalls nicht. Es ist nicht einzusehen, warum hier zwischen den Befugnisnormen der Dienste und den Regelungen in der Strafprozessord- nung ein Unterschied bestehen sollte. Ich möchte die Kollegen von der Regierungskoalition auffordern, sich diesen Argumenten nicht zu ver- schließen. Es ist im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung nun endgültig Zeit, die ideologischen Scheuklappen ab- zulegen. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben den bestmögli- chen Schutz vor Verbrechen verdient, was auch eine kon- sequente Verbrechensverfolgung beinhaltet. Ich fordere Sie daher auf, den Bundesratsentwurf und den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu beschließen, um eine sinnvolle und effektive Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung zu ermöglichen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem rot-grünen Gesetzentwurf präzisieren wir in rechtsstaatlich gebotener Weise die gesetzlichen Bestim- mungen im Bereich der DNA-Analyse. Wir stellen das klar, was vom Gesetzgeber ursprünglich auch im DNA- Identitätsfeststellungsgesetz gewollt war, nämlich dass in jedem Fall die gentechnische Untersuchung von Proben- material von einer vorherigen richterlichen Anordnung abhängig ist. Damit werden vom Gesetzgeber die Gren- zen gewährleistet, in denen der Einsatz moderner Technik und naturwissenschaftlicher Neuerungen rechtsstaatlich unbedenklich sind. Klare Verfahrensregelungen sind hier vor allem deshalb erforderlich, weil der Einsatz solcher Untersuchungen im Strafverfahren zu empfindlichen, den Kern der Persönlichkeit berührenden Eingriffen führt. Dieser Gesetzentwurf zielt nicht nur auf mehr Rechts- staatlichkeit ab, sondern auch auf eine effektivere Straf- verfolgung. Denn mit dem Entwurf wollen wir vermei- den, dass in den Beständen der beim Bundeskriminalamt geführten DNA-Analysedatei Lücken entstehen. Diese Lücken waren ja entstanden, weil sich diverse Land- gerichte geweigert hatten, die zur Speicherung beim BKA notwendige richterliche Anordnung zu treffen. Dem Bundesrat ging es darum, diese gesetzwidrige Praxis einiger Landgerichte zu legitimieren. Die Koali- tion hat diesem Ansinnen eine klare Absage erteilt. Auch DNA-Identifizierungsmuster, die nach § 81 e Abs. 2 StPO erstellt werden, dienen dazu, die Personalien des Spuren- verursachers anschließend zu ermitteln. Es handelt sich damit um hochsensible Daten. Ihre Erstellung bewirkt auch dann einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, wenn der Betroffene noch nicht namentlich bekannt ist. Die Beibehaltung des Richtervorbehaltes in diesem Be- reich ist deshalb auch verfassungsrechtlich geboten. Beim so genannten Imsi-Catchers haben wir nunmehr mit § 100 i StPO eine rechtliche Grundlage geschaffen, die klar umrissen ist und ebenfalls eindeutige rechtsstaat- liche Grenzen setzt. Es bleibt jetzt zu hoffen, dass wir sehr bald auch beim § 100 a StPO, also dem im Vergleich zum Imsi-Catcher wesentlich schwereren Eingriff, zu einer Reform kom- men, die das Abhören in Deutschland auf das notwendige Mindestmaß begrenzt. Jörg van Essen (FDP): Die FDP unterstützt den Ge- setzentwurf der Bundesregierung. Auch wir sind der Mei- nung, dass es unbedingt einer richterlichen Anordnung bedarf. So hat sich auch die große Mehrzahl der Sachver- ständigen in der Anhörung geäußert. Eine gesetzliche Klarstellung zur Anordnung von DNA-Analysen von Spuren ist notwendig. Dies zeigt die unterschiedliche Rechtsprechung der Gerichte. Wir befinden uns hier in ei- ner rechtlichen Grauzone. Es ist ein Skandal, dass auf- grund dessen in einigen Bezirken keine Speicherung in der DNA-Analyse-Datei möglich ist. Dies ist in einem so grundrechtssensiblen Bereich nicht länger hinnehmbar. Eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamte, so wie es der Gesetzentwurf des Bundesra- tes vorsieht, lehnen wir ab. Die Möglichkeiten, aus Gen- material vielfältige höchstpersönliche und intime Er- kenntnisse über die Persönlichkeit des Täters zu gewinnen, erweckt beim Bürger Bedenken über drohende Eingriffe in die eigenen Persönlichkeitsrechte. Für den Gesetzgeber war in der 13. Wahlperiode daher völlig klar, dass die Verwendung des genetischen Fingerabdrucks nur unter engen rechtsstaatlichen Voraussetzungen möglich ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2001 nochmals bestätigt. Der Richtervorbehalt ist eine solche Sicherungsmaßnahme, die wesentlich dazu beiträgt, dass dem Bürger die Ängste vor derartigen Genanalysen ge- nommen werden. Die Forderung, dass Hilfsbeamte der Staatsanwalt- schaft eine DNA-Analyse von Spuren anordnen können, ist völlig inakzeptabel und würde zu Ängsten in der Be- völkerung führen. Die Behauptung, bei Spurenauswer- tungen liege ein Grundrechtseingriff nicht vor, da sich die Spuren vom Spurenverursacher „gelöst“ haben, verkennt, dass es sich schon bei dem DNA-Identifizierungsmuster selbst um ein personenbezogenes Datum handelt, das in aller Regel nur einer Person zuzuordnen ist. Wir begrüßen auch, dass die Bundesregierung endlich einen Gesetzentwurf zur Überwachung von Handys vor- gelegt hat. Es wurde höchste Zeit, dass wir hier klare rechtstaatliche Verhältnisse bekommen. Der jetzige Zu- stand, dass gewohnheitsmäßig mit dem rechtfertigenden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23779 (C) (D) (A) (B) Notstand gearbeitet wird, ist unhaltbar. Sowohl die Da- tenschützer als auch die Strafverfolger und die Netzbe- treiber haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die Si- tuation unbefriedigend ist. Der Bereich des Mobilfunks hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt. Deshalb müssen die gesetzlichen Vorschriften dringend angepasst werden. Gerade wegen der Schwere des Grund- rechtseingriffs ist eine klare gesetzliche Grundlage drin- gend geboten. Ulla Jelpke (PDS): Die Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 des Grundgesetzes verbürgte Recht auf infor- mationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbst- bestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und inner- halb welcher Grenzen persönliche Lebenssachver- halte offenbart werden. Diese Verbürgung darf nur in überwiegendem Interesse der Allgemeinheit und un- ter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßig- keit durch Gesetz eingeschränkt werden. Die Ein- schränkung darf nicht weitergehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist. Das ist ein Zitat aus einem Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts vom 15. März letzten Jahres zum Thema DNA-Speicherung. Es ist offensichtlich erforderlich, auf diese verfassungsrechtlichen Schranken hinzuweisen, wenn ich die Debatte über DNA-Analysen hier wieder höre. Die CDU/CSU will mit ihrem Antrag ermöglichen, dass künftig auch ohne gerichtliche Anordnung DNA- Spuren erfasst und gespeichert werden können. In der An- hörung, die der Rechtsausschuss zu diesem Thema veran- staltet hat, ist zu Recht auf die Folgen einer solchen Änderung hingewiesen worden. Ich zitiere: Eine ohne richterliche Anordnung erfolgte moleku- largenetische Untersuchung .... würde in der Praxis dazu führen, dass unter Umständen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl von Personen eingegriffen werden würde, ohne dass dieser Grundrechtseingriff aufgrund einer richter- lichen Anordnung erfolgt wäre. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ein solcher Umgang mit Grundrechten ist nicht akzeptabel. Ich sehen auch keinen Bedarf zu der von der Regierung vorgeschlagenen Ände- rung. Die Fälle, in denen Gerichte keinen Grund für eine richterliche Anordnung der Speicherung von DNA-Daten unbekannter Täter gesehen haben, sind so selten, dass eine Änderung des Gesetzes nicht erforderlich ist. Auch die vorgesehene Änderung von § 100 der Strafprozessord- nung zur Erleichterung des Einsatzes von so genannten IMSI-Catchern lehnen wir ab. Der Datenschutzbeauf- tragte des Bundes hat in der schon erwähnten Anhörung klar gemacht, dass durch die geplanten Einsatzmöglich- keiten für den IMSI-Catcher zum Beobachten von Ver- dächtigen, die ein Handy haben, immer auch Unbeteiligte betroffen sind. Außerdem kann der Einsatz dieses Geräts zu Störungen in den Netzen der Telekommunikationsun- ternehmen führen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat deshalb eine Untersuchung in Auf- trag gegeben, um das Ausmaß solcher Störungen festzu- stellen. Diese Studie soll Ende Juni vorliegen. Die Regie- rungsparteien und die CDU/CSU wollen noch nicht einmal die Ergebnisse dieser Studie abwarten. Die Union will den Catcher sogar noch weiter einsetzbar machen. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Selbst der Bundesgrenzschutz, der den Catcher schon benutzt, hat berichtet, dass dieses Gerät seit 1998, also in über drei Jahren, nur 34 Mal zum Einsatz gekommen ist. So unerhört wichtig für die Kriminalitätsbekämpfung, wie manchmal getan wird, ist der Catcher also offensicht- lich nicht. Umso wichtiger ist es, die Grundrechte Unbeteiligter zu schützen und Studien zu technischen Problemen erst einmal abzuwarten. Dr. Eckhart Pick (Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz):Der Gesetzentwurf der Bundes- regierung verfolgt das Ziel, Lücken in den Beständen der beim Bundeskriminalamt geführten DNA-Analyse-Datei zu vermeiden. Diese Lücken drohen, weil einige wenige Gerichte die vom Gesetzgeber ausdrücklich und eindeu- tig gewollte richterliche Anordnung der Untersuchung auch von Spurenmaterial nicht treffen. Die Gerichte begründen dies mit dem Fehlen eines aktuellen Eingriffs. Nach dem Gesetz kann aber nur das Ergebnis einer rich- terlich angeordneten Analyse in die DNA-Datei einge- stellt werden. Die DNA-Analyse hat sich – wie Fälle in jüngster Ver- gangenheit belegen – als außerordentlich wirkungsvolles Instrument zur Aufklärung von Straftaten erwiesen. Bund und Länder sind sich deshalb einig, dass Lücken im Datenbestand der DNA-Datei und hieraus resultierende Ermittlungsdefizite in jedem Fall vermieden werden müs- sen. Der Bundesrat hat beschlossen, diesem Dilemma da- durch Rechnung zu tragen, dass die Fälle der Untersu- chung von Spurenmaterial aus dem Richtervorbehalt herausgenommen und Anordnungen der Untersuchung durch Staatsanwaltschaften oder ihre Hilfsbeamten zuge- lassen werden. Dies halte ich aus mehreren Gründen für den falschen Weg: Zunächst beanspruchen die Gründe, die den Gesetzge- ber im Jahre 1997 dazu bewogen haben, die Anordnung der Untersuchung auch von Spurenmaterial ausschließ- lich dem Richter vorzubehalten, nach meiner Überzeu- gung nach wie vor Geltung. Es ging und geht darum, auch durch klare Verfahrensregelungen die Grenzen zu ge- währleisten, in denen der Einsatz moderner Technik und naturwissenschaftlicher Neuerungen rechtsstaatlich un- bedenklich ist. Immerhin führt der Einsatz solcher Unter- suchungen im Strafverfahren zu empfindlichen, den Kern der Persönlichkeit berührenden Eingriffen. Mich überzeugt die Begründung des Bundesratsbe- schlusses keinesfalls, in der von „unnötigem Vollzugsauf- wand“ durch den Richtervorbehalt die Rede ist. Das DNA-Identifizierungsmuster berührt nämlich auch dann Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223780 (C) (D) (A) (B) das informationelle Selbstbestimmungsrecht in einem höchst sensiblen Bereich, wenn es noch nicht mit den Per- sonalien des Spurenverursachers verbunden ist. Die An- ordnung der molekulargenetischen Untersuchung der Spur hat doch gerade das Ziel, durch Vergleich mit ande- ren Identifizierungsmustern die Identität des Spurenver- ursachers zu ermitteln. Eine rein formale Betrachtungs- weise, die allein darauf abstellt, dass eine Zuordnung noch nicht möglich ist, wird der Grundrechtssensibilität von molekulargenetischen Untersuchungen nicht gerecht. Auch gebietet es die heute noch nicht absehbare Ent- wicklung der Gentechnik, Auswirkungen auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch den Richter- vorbehalt Rechnung zu tragen. Aus all diesen Gründen halte ich nach wie vor den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf, der die Anordnung der DNA-Untersuchung von Spurenmaterial dem Richter vorbehält, für die richtige Lösung und sehe mich darin auch durch die Ergebnisse der Sachverständi- genanhörung vom 24. April 2002 bestätigt. Die über den Gesetzentwurf der Bundesregierung hin- ausgehenden Vorschläge des Rechtsausschusses begrüße ich außerordentlich. Insbesondere der Einsatz des so ge- nannten IMSI-Catchers, der bislang auf die §§ 100 a ff., 161 StPO gestützt werden musste, hat sich als notwendig zur Bekämpfung gerade schwerster Straftaten erwiesen. Mit Hilfe dieses Geräts kann es den Strafverfolgungs- behörden gelingen, Lücken bei der Überwachung der Te- lekommunikation von Straftätern zu schließen, weil von ihnen genutzte, bislang Staatsanwaltschaft und Polizei je- doch unbekannte Mobilfunkanschlüsse ermittelt werden können. Daneben kann der IMSI-Catcher die erfolgreiche Festnahme von Tätern unterstützten, in dem er den Stand- ort eines vom Beschuldigten mitgeführten Mobiltelefons bestimmt. Damit trägt er übrigens auch dazu bei, das Ri- siko des Zugriffs für die eingesetzten Polizeibeamten zu vermindern. Allerdings greift der IMSI-Catcher bei jeder Nutzung, wenn auch nur geringfügig, in Rechte Dritter ein. So kön- nen im Einsatzbereich des Geräts Mobiltelefone für meh- rere Sekunden nicht benutzt werden. Gleichzeitig werden bei der Suche nach den dem Handy des Straftäters zuzu- ordnenden Geräte- und Kartennummern auch die entspre- chenden Daten völlig unverdächtiger Bürger erhoben und verarbeitet. Vor diesem Hintergrund erscheint aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine ausdrückliche Rechtsgrundlage sachgerecht. Ich bin der Auffassung, dass der ihnen vorliegende neue § 100 i StPO einen ge- lungen Ausgleich zwischen den Belangen wirksamer Strafverfolgung einerseits sowie den Rechten der Bürger andererseits schafft. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz einige Punkte hervorheben: Der IMSI-Catcher soll alleine zum Zwecke der Fest- nahme beziehungsweise Ergreifung eines Straftäters oder zur Vorbereitung einer Telefonüberwachung eingesetzt werden dürfen. Diese Zweckbindung ist sachgerecht. Eine Analyse der bisherigen Einsätzen des IMSI-Catchers ergibt, dass das Gerät aufgrund seiner technischen Wir- kungsweise gerade in den bezeichneten Fällen die ge- wünschten Erfolge erzielen konnte. Wird der IMSI-Catcher zur Festnahme eines Beschul- digten eingesetzt, soll die Nutzung des Geräts auf Straf- taten von erheblicher Bedeutung beschränkt bleiben. So- weit eine Telefonüberwachung vorbereitet werden soll, muss Gegenstand der Ermittlungen eine Katalogtat nach § 100 a Satz 1 StPO sein. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Verwendung und Löschung von im Rahmen der Maßnahme aus techni- schen Gründen unvermeidbar anfallenden personenbezo- genen Daten unbeteiligter Dritter eine datenschutz- freundliche Regelung gefunden hat. Es ist sachgerecht, den Einsatz des IMSI-Catchers auf- grund der mit ihm verbundenen Eingriffe in Rechte Drit- ter grundsätzlich unter Richtervorbehalt zu stellen. Eilfäl- len wird dadurch Rechnung getragen, dass bei Gefahr im Verzug auch die Staatsanwaltschaft die Maßnahme an- ordnen darf. Im Zusammenhang mit der Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten meine ich schließlich, dass die Vollziehung des Arrestes in bewegliche Sachen ausdrücklich auch der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten ermöglicht werden sollte. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ökologisch-sozialen Ausbau der regionalen Infrastruktur mit einer Verstetigung von Beschäftigung verbinden (Ta- gesordnungspunkt 36) Wolfgang Weiermann (SPD): Der vorliegende An- trag geht davon aus, dass es in den strukturschwachen Re- gionen Deutschlands, insbesondere aber in den ostdeut- schen, erhebliche Defizite in der Entwicklung der Infrastruktur gibt. Diese habe bisher weder in der Folge des Einsatzes steuerlicher Förderungsmodelle noch der bekannten Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben dazu geführt, den westdeutschen Standard zu erreichen. Der Rückgang der Massenarbeitslosigkeit sei dadurch auch nicht erreicht worden. Insbesondere wird die Gemeinschaftsaufgabe zur Ver- besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als unspezi- fische Förderung von Unternehmen kritisiert. Die ge- wünschten Effekte seien nicht nachweisbar. Darüber hinaus sei das finanzpolitische Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern und Kommunen gestört. Insgesamt sei trotz eines erheblichen Mitteleinsatzes keine nennenswerte Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zwischen den Regionen eingetreten, und nur ansatzweise habe die Bun- desregierung in den GA-Rahmenplänen mit der Ein- führung von Elementen zur Stärkung der Regionalent- wicklung begonnen, deren Mittel jedoch zugunsten einer neoliberalen Standortorientierung heruntergefahren. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23781 (C) (D) (A) (B) Eine derartige fundamentale und unsinnige Kritik an dem wirksamsten Instrumentarium zur Entwicklung strukturschwacher Regionen, insbesondere der ostdeut- schen, die darüber hinaus sogar den Koordinierungs- mechanismus zwischen dem Bund und den Ländern für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regiona- len Wirtschaftsstrukturen bewusst verkennt, sollte eigent- lich selbst in der PDS-Fraktion längst besseren Einsichten gewichen sein, zumal Ihre Parteikollegen in zwei ost- deutschen Bundesländern wirtschaftspolitische Verant- wortung für die Regionalentwicklung tragen. Wir sollten hier demgegenüber festhalten, dass die Ge- meinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen gegenüber den anderen Gemein- schaftsaufgaben als ein effizientes, regelgebundenes För- dersystem klare Strukturen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern entwickelt hat. Im Bund -Länder- Pla- nungsausschuss werden nicht nur die Rahmenpläne erar- beitet und verabschiedet, sondern auch alle Probleme im Zusammenwirken von Ländern mit Fördergebieten ver- nünftig geregelt. Die Rahmenpläne eröffnen auf diese Weise Möglich- keiten zur geförderten Entwicklung der wirtschaftsnahen Infrastruktur, von Qualifizierungsmaßnahmen und den Einsatz von Beauftragten für die Regionalentwicklung im Sinne eines Regionalmanagements. Ein unverzichtbares Ziel der GA ist und bleibt allerdings der so genannte Primäreffekt, also die Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze in der Folge von Investitionen in stabile Un- ternehmen. Die PDS folgert aus ihrer unzutreffenden Beurteilung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regiona- len Wirtschaftsstrukturen, man müsse nun alle Gemein- schaftsaufgaben zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- serung der regionalen Infrastruktur“ zusammenfassen, um damit ein zehnjähriges Investitionsprogramm zur so- zial – ökologischen Förderung der regionalen Infrastruk- tur in strukturschwachen Regionen zu begründen. Hier wird ein abenteuerlicher, planwirtschaftlicher An- satz verfolgt, der von ebensolchen finanz- und europa- politischen Vorstellungen begleitet wird. Dies kann nur abgelehnt werden. Uns allen, vor allem auch der PDS, sollte demgegen- über klar sein, dass diese gut organisierte Gemeinschafts- aufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschafts- strukturen ein unverzichtbarer Ordnungsrahmen für die Regionalentwicklung ist, der in einem bundeseinheit- lichen Verfahren die Gleichbehandlung von Regionen si- chert und einen ungebremsten Subventionswettlauf der Länder um Ansiedlungen verhindert. Dies ist ein System- ansatz, der angesichts des eher zunehmenden regionalpo- litischen Handlungsbedarfs fortentwickelt werden muss. Auch die kommenden Jahre werden von einem ständi- gen Strukturwandel begleitet sein. Insbesondere die be- vorstehende Erweiterung der Europäischen Union wird in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung darstel- len. Mit dem Instrumentarium der GA ist es möglich, die raumwirksamen Politikbereiche des Bundes, wie Mittel- stands-, Forschungs-, Städtebau- und Arbeitsmarktpolitik projektbezogen zu koordinieren. Die daraus erwachsen- den Synergieeffekte führen zu Effizienzgewinnen und ei- ner dauerhaften Entwicklung in den Regionen. Es kommt angesichts heutigen und künftigen regional- politischen Handlungsbedarfs darauf an, angesichts der europäischen Entwicklung Spielräume für eine eigenstän- dige Regionalpolitik zu erhalten und zu erweitern. Dies heißt auch, dass sich die Europäische Kommission auf eine Missbrauchskontrolle im Beihilferecht zurückziehen sollte. Erfolgreich gelingen kann dies allerdings nur, wenn die Ministerpräsidenten der Länder ihre Position hinsichtlich der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regiona- len Wirtschaftsstrukturen zu deren mittelfristiger Ab- schaffung noch einmal überprüfen, wozu ich nur dringend raten kann. Im Kontrast dazu haben erst vor wenigen Tagen, näm- lich am 6. Mai, die Wirtschaftsminister des Bundes und der Länder im Planungsausschuss der GAbekräftigt, dass aus den auch hier genannten Gründen die Gemeinschafts- aufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschafts- strukturen beibehalten werden sollte. Lassen Sie mich noch einen letzten Gesichtspunkt auf- greifen, der auch etwas mit den finanzpolitischen Vorstel- lungen der PDS zur strukturellen Entwicklung Ost- deutschlands im vorliegenden Antrag zu tun hat. Insbesondere die Antragsteller, die Damen und Herren von der Opposition insgesamt, haben wohl möglicher- weise wieder einmal ganz bewusst übersehen, dass es seit dem vergangenen Jahr einen Solidarpakt II gibt, der ein wesentliches Ergebnis unserer Regierungspolitik ist. Der Aufbau Ost bleibt vorrangige Aufgabe. Das zeigt ein Blick in den Haushalt 2002 eindeutig. Eine Arbeits- marktpolitik mit hohem Niveau wird fortgeführt. Die neuen Länder erhalten ab 2002 den Betrag von 3,4 Milli- arden Euro – nicht mehr wie bisher zweckgebunden für Investitionen, sondern gemäß ihrer Forderung frei ver- fügbar. Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der re- gionalen Wirtschaftsstruktur“ ist eine Verpflichtungser- mächtigung auf dem Niveau des Vorjahres in Höhe von 781 Millionen Euro eingeplant. Insgesamt mit Länder- und EU-Mitteln ist der Bewil- ligungsrahmen rund 2,2 Milliarden Euro höher als 2001. Aufgestockt werden auch folgende Maßnahmen: Auf- stockung Goldener Plan Ost von 7,6 Millionen Euro auf 14,8 Millionen Euro, Programm Netzwerkmanagement für kleinere und mittlere Unternehmen mit 2,8 Millionen Euro, für Forschung und Entwicklung in den neuen Län- dern Aufstockung um 10 Millionen Euro. Damit darf ich dann abschließend daran erinnern, dass in einem Mittelrahmen von insgesamt 156,5 Milliarden Euro mit einer Perspektive bis zum Jahr 2020 der Anglei- chungsprozess der ostdeutschen Bundesländer fortgeführt werden wird. Damit sind die finanziellen Voraussetzungen gegeben, um die bekannten Defizite in der Infrastruktur als Entwicklungshemmnis zu beseitigen. Allerdings ist damit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223782 (C) (D) (A) (B) auch die Aufforderung an die ostdeutschen Landesregie- rungen verbunden, die zugewiesenen Mittel für die Öf- fentlichkeit nachvollziehbar zur Infrastrukturentwicklung einzusetzen. Den vorgelegten Antrag lehnen wir aus den erläuterten Gründen ab. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): „Irrtü- mer haben ihren Wert. Aber nur hie und da, denn nicht je- der, der nach Amerika fährt, entdeckt Amerika“ – so Erich Kästner. Der Kästner’sche Irrtum der PDS und der Bun- desregierung ist es zu glauben, durch ein regionalpoliti- sches 10-Jahres-Programm und eine Politik gegen den ökonomischen Sachverstand die großen Herausforderun- gen der strukturschwachen Regionen Deutschlands lösen zu können. Selbstverständlich spielen auch die nationalen Mittel der Gemeinschaftsaufgabe und die europäischen Gelder der Strukturfonds eine wichtige Rolle bei der Entwick- lung und Unterstützung der Regionen. Selbstverständlich muss beim Ausbau der regionalen Infrastruktur sowohl ökologischen als auch sozialen Belangen angemessen Rechnung getragen werden. Und selbstverständlich muss nicht nur die Regionalpolitik darauf abzielen, mehr Be- schäftigung zu schaffen. Vor allem aber mit Blick auf die EU-Osterweiterung und die wirtschaftspolitischen Re- formvorschläge nahezu aller anerkannten Ökonomen kann in den regionalen Förderprogrammen allein nicht der entscheidende Schlüssel zum Erfolg liegen. Vielmehr gilt auch hier: Wirtschaftspolitik muss man richtig ma- chen. Nur durch eine gute, umfassende, erfolgreiche und zielstrebige Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpoli- tik kann es gelingen, die gesamtwirtschaftlichen Rah- menbedingungen für Deutschland insgesamt wieder auf mehr Wachstum und Beschäftigung zu justieren. Davon profitieren dann auch die Regionen. Vor der Therapie aber steht die Diagnose. Deshalb ist zunächst eine ehrliche Bestandsaufnahme über den Zu- stand der „Deutschland AG“ erforderlich: Und die lautet: Der Patient ist krank. Deutschland ist beim Wirtschaftswachstum, bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit und beim Abbau der Staatsverschuldung in 2001 und 2002 absolutes Schluss- licht unter allen 15 Mitgliedstaaten der EU. Das Wachstum war in 2001 mit 0,6 Prozent so gering wie seit fast zehn Jahren nicht. Für dieses Jahr geht der op- timistische Jahreswirtschaftsbericht des Bundesfinanzmi- nisters von 0,75 Prozent aus. Bei einer Beschäftigungs- schwelle von rund zwei Prozent bedeutet dies: Auch in diesem Jahr wird die Arbeitsmarktkrise nicht gelöst. Die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit ist von Dezem- ber 2000 bis heute Monat für Monat gestiegen und wird auch im Jahresdurchschnitt kaum unter der Vier-Milli- onen-Grenze liegen. Den leichten Rückgang im März die- ses Jahres bezeichnet selbst der neue BA-Chef Gerster nicht als Trendwende. Aufgrund der Netto-Neuverschuldung von 2,7 Prozent im deutschen Gesamthaushalt 2001, hat die Europäische Kommission erstmalig das Frühwarnsystem gegen Deutschland in Gang gesetzt. Rund 32 300 Firmenpleiten hat das Statistische Bun- desamt im vergangenen Jahr gezählt. Mehr als je zuvor. Die Experten von Creditreform gehen von 40 000 Unter- nehmensinsolvenzen in diesem Jahr aus. Dies trifft die strukturschwachen Regionen besonders hart. Trotz Steuerreform: Die Steuerbelastung der Arbeit- nehmer und mittelständischen Unternehmen ist nicht ge- sunken. Für einen Durchschnittsverdiener gleicht die Steuersenkungsstufe 2001 nicht einmal die Mehrbelas- tungen durch Ökosteuer und Energiepreisanstieg aus. Für mittelständische Unternehmen wird die geringfügige Sen- kung des Spitzensteuersatzes durch Verschlechterungen an anderer Stelle, insbesondere durch die massive Ver- schlechterung der Abschreibungsbedingungen, erkauft. Die von der Bundesregierung fest angekündigte Sen- kung der Sozialversicherungsbeiträge unter 40 Prozent wurde nicht erreicht. Im Gegenteil: in allen Zweigen des sozialen Sicherungssystems laufen die Kosten aus dem Ruder. Die Summe der Sozialversicherungsbeiträge ist in 2002 trotz Ökosteuer fast genauso hoch wie in 1998. Wei- tere Beitragserhöhungen sind bei einer Fortsetzung der bisherigen Politik unausweichlich. Der Rentenversicherungsbeitrag wurde nicht wie an- gekündigt nachhaltig gesenkt. Dennoch haben Arbeitneh- mer und Betriebe infolge der Ökosteuer inzwischen Mehrbelastungen von insgesamt rund 17 Milliarden Euro jährlich zu tragen. Im laufenden Jahr konnte trotz der zum 1. Januar 2002 vorgenommenen weiteren Erhöhung der Ökosteuer eine Erhöhung des Rentenversicherungsbeitra- ges nur durch eine Verminderung der Schwankungsre- serve um 20 Prozent vermieden werden. In der gesetzlichen Krankenversicherung fehlen der Bundesregierung sowohl ein tragfähiges Konzept als auch die Bereitschaft, notwendige Reformen in Angriff zu nehmen. In der Folge steigen die Beiträge trotz Leis- tungsverschlechterungen auf breiter Front. Das Versprechen, die Lebensbedingungen in den neuen Ländern an die der alten Länder anzunähern, wurde nicht eingehalten. Seit dem Jahre 2000 fallen die neuen Länder sogar wieder zurück. Im Jahr 2000 machte die Wachs- tumsrate in Ostdeutschland nicht einmal ein Drittel der Wachstumsrate in Westdeutschland aus; in 2001 kam es dort sogar zu einer Schrumpfung des Bruttoinlandspro- dukts von minus 0,1 Prozent. Die Arbeitslosenquote ist in den neuen Bundesländern fast zweieinhalb mal so hoch wie in den alten Bundesländern. Ein wesentlicher Grund dafür ist die weiterhin bestehende Infrastrukturlücke in den neuen Bundesländern von rund 150 Milliarden Euro. Die Chancen personalintensiver Dienstleistungsbran- chen wie zum Beispiel der Tourismuswirtschaft, deren Arbeitsplätze an den Standort Deutschland gebunden sind und insbesondere den strukturschwachen Räumen zugute kommen können, sind nicht genutzt worden. Dies belegt: Die Bundesregierung hat wesentliche Ver- sprechungen ihres Regierungsprogramms von 1998, wie sie in der Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23783 (C) (D) (A) (B) Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998 sowie in der ersten Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vom 10. November 1998 festgeschrie- ben worden sind, nicht eingelöst. Dabei hatte Bundes- kanzler Gerhard Schröder selbst angekündigt, sich an Er- folgen am Arbeitsmarkt messen zu lassen. Diese „Bestandsaufnahme Deutschland“ ist schlimm genug. Sie wäre aber erträglicher, wenn durch klare wirt- schafts- und arbeitsmarktpolitische Entscheidungen der Bundesregierung eine Hoffnung, eine Perspektive, zur Überwindung der Krise eröffnet werden würde. Das Ge- genteil ist leider der Fall: Trotz hoher Regulierungsdichte und gegen ökonomische Ratschläge hat Rot-Grün den Ar- beitsmarkt weiter bürokratisiert. Die Stichworte Schein- selbstständigkeit, 325-Euro-Gesetz, Betriebsverfassungs- novelle zeigen wie falsch der Weg ist, den die Bundesregierung seit 1998 gegangen ist. Das „wichtigste Reformprojekt“ – wie der Bundes- kanzler das Bündnis für Arbeit genannt hat – ist geschei- tert. Im Januar gab es ein medienwirksames Gipfeltreffen, ohne Abschlusskommunique, ohne Ergebnis, ohne Per- spektive. Das Bündnis für Arbeit ist Symbol für die ge- scheiterte Wirtschaftspolitik von Rot-Grün. Der Streik in der Metallindustrie hat in diesen Tagen gezeigt, wie ge- ring die Integrationskraft des Bundeskanzler noch ist. Und: Förderung der Regionen heißt, Innovation stär- ken. Diese gehen aber stetig zurück. Nach vier Jahren Rot-Grün ist die staatliche Investitionsquote von über zwölf Prozent in 1998 auf einen jetzt fast einstelligen Be- trag abgebaut worden. Die Mittel zur Förderung des Mit- telstands werden nach der mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfinanzministers im kommenden Jahr im Ver- gleich zu 2002 sogar um fast 70 Millionen Euro zusam- mengestrichen. Ein Anstieg wäre das richtige Signal ge- wesen, um regionale Beschäftigung zu schaffen – und das wäre auch sozial. Was muss sich also ändern? Der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, hat in seinem politischen Vermächtnis hierzu klare Richtlinien formuliert: „Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet Schwierigkeiten bekommen, wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient. Ihr werdet den Menschen nie auf Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun könnten.“ Zunächst muss also die Grundausrichtung wieder stim- men: Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft müssen die Leitbilder sein, soziale Absicherung darf nicht als „Rund-Um-Sorglos-Paket“ missbraucht werden, sondern sollte nur in Notfällen als gezielte Hilfe zur Selbsthilfe wirken. Mit einem Wort: Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft. Konkret bedeutet dies: Erstens ein Steuersystem, das einfach und gerecht ist und damit dauerhaft Leistungsan- reize setzt. Die Eckpunkte hierfür lauten: Eingangsteuer- satz unter 15 Prozent und ein Spitzensteuersatz unter 40 Prozent. Zweitens die Befreiung der Zeitarbeit von bürokrati- schen Hemmnissen. Zeitarbeitsverhältnisse haben sich in Europa an vielen Stellen als stabile Brücke in den Ar- beitsmarkt und dauerhafte Vollzeitbeschäftigung erwie- sen. Deshalb muss diese Brücke jetzt ausgebaut werden. Drittens flexible und beschäftigungsfreundliche Rege- lung von befristeten Arbeitsverhältnissen. Damit wird die Akzeptanz auch in konjunkturell unsicheren Zeiten schnell und kurzfristig neue Arbeitsplätze zu schaffen, nachhaltig gefördert. Viertens die Reform des Tarifvertragrechts, hier vor al- lem die Modernisierung des Günstigkeitsprinzips. Es ist widersinnig, dass Unternehmen in Krisenzeiten gegen geltendes Recht verstoßen, wenn sie gemeinsam mit der Belegschaft längere Arbeitszeiten gegen sichere Arbeits- plätze tauschen. Fünftens Umsetzung des Drei-Säulen-Modells für den Niedriglohnsektor. Durch eine unbürokratische Neurege- lung und Ausweitung auf 400 Euro werden Zusatzjobs wieder lukrativ – 1. Säule. Das „Bürokratiemonster 630-DM-Gesetz“ verschwindet. Durch Förderung der Ar- beitnehmerbeiträge zwischen 400 und 800 Euro soll die beschäftigungsfeindliche Brutto-Netto-Lücke auch bei kleinen Einkommen überwunden werden – 2. Säule. Mit einer eindeutigen Klarstellung der Pflichten von Hilfebe- ziehern und die konsequente Kürzung von Sozialleistun- gen, wenn zumutbare Arbeiten abgelehnt werden, wird aus der „Hängematte Sozialpolitik“ wieder ein belastba- res Trampolin – 3. Säule. Sechstens eine Politik für die neuen Länder und struk- turschwachen Regionen, die eine Doppelfunktion erfüllt: Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen und Ausbau der regionalen Infrastruktur – vor allem auch mit Blick auf das zusammenwachsende Europa. Der Ostsee- raum, die alten Verbindungen der Hanse aber auch die his- torisch gewachsenen Handelswege zwischen den Bei- trittsländern und den Mitgliedern der EU müssen durch zukunftsfähige Infrastruktur wiederbelebt und neu ge- stärkt werden. Deutschland braucht wieder eine ehrliche Wirtschafts- politik, die die strukturellen Verkrustungen auflöst und nachhaltige Reformen anstößt. Die Rückbesinnung auf Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft ist überfällig. Subventionen – auch wenn sie noch so gut gemeint sein sollten – sind der falsche Weg. Statt dessen muss sich Leistung lohnen. Barrieren, die Innovationskraft und Eigeninitiative einschränken oder gar ersticken, müssen abgebaut werden. Beschäftigung muss lukrativer sein als Arbeitslosigkeit. Dies sind auch die Grundsätze für eine erfolgreiche, ökologisch und sozial ausgewogene Regio- nalpolitik für mehr Beschäftigung. Mit Blick auf die Wahl im September könnte man in Anlehnung an einen sehr erfolgreichen Wahlslogan einer anderen Partei aus dem Jahre 1998 daher sagen: „Wir sind bereit.“ Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Ausbau der regionalen Infrastruktur, der länd- lichen Räume und der ostdeutschen Bundesländer ist uns ein besonderes Anliegen. Wir wollen daher die ländlichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223784 (C) (D) (A) (B) Regionen gezielt fördern und die entsprechenden Förder- instrumente ausbauen. Das soll in erster Linie geschehen durch den noch besseren Einsatz bestehender Fördermit- tel. Am Beispiel der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz – GAK – möchte ich das verdeutlichen: Im Zuge der Agenda 2000 und durch die Anwendung der Modulation soll eine Umorientierung der Agrarfördermit- tel eingeleitet werden, hin zur Förderung von umwelt- freundlicher Produktion und von Arbeitsplätzen. Leider hat auch die PDS in den Ost-Bundesländern die konse- quente Anwendung dieses Prinzips bisher verhindert. Mittelfristig wollen wir, dass EU-Mittel aus der Produkti- ons-Subventionierung massiv in die so genannte 2. Säule der Agenda 2000 zur Förderung ländlicher Räume umori- entiert werden. Diese Haltung vertritt auch EU-Agrar- kommissar Fischler. Damit diese Mittel in den Regionen wirksam werden können, muss der überholte Agrarstrukturbegriff neu definiert werden. Es muss künftig beispielsweise auch möglich sein, aus diesen Fördermitteln zum Beispiel kleine Handwerksbetriebe in Ostdeutschland zu unter- stützen oder den Aufbau neuer Erwerbszweige in länd- lichen Räumen wie ländlicher Tourismus, erneuerbare Energien oder nachwachsende Rohstoffe. Die bisherigen Förderinstrumente waren nicht so zahn- los, wie die PDS das darstellt: Jeder einzelne landwirt- schaftliche Betrieb in Ostdeutschland ist in den letzten zwölf Jahren massiv über die GA gefördert worden. An fehlenden Fördermitteln des Bundes ist sicherlich keine einzige Investition gescheitert – im Gegenteil. Im vorläu- figen Bericht der Bundesregierung über die Gemein- schaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschafts- struktur – GRW – ist nachzulesen, dass die eingesetzten Mittel zur Neuschaffung von circa 34 000 und zur Absi- cherung von weiteren 80 000 Arbeitsplätzen beigetragen haben, die meisten davon in Ostdeutschland. Am Prinzip der GA sollte daher grundsätzlich festge- halten werden. Dies ist schon deshalb notwendig, um die Förderpolitik des Bundes mit der EU-Förderpolitik in Einklang zu bringen. Der Bund muss dabei seinen Ein- fluss behalten und seine koordinierende Funktion wahr- nehmen. Es kann nicht Sinn einer gerechten Regionalför- derung nach bundesweit einheitlichen Kriterien sein, wenn jedes Bundesland macht, was es will, wie das einige Ministerpräsidenten gerne hätten, am liebsten noch mit Bundesmitteln, aber ohne Mitspracherechte des Bundes. Wir müssen dafür sorgen, dass die schwachen Länder und Regionen stärker werden und nicht umgekehrt. Eine Auf- lösung der GAs würde aber zu weiteren Wettbewerbsver- zerrungen für die Wirtschaft vor Ort führen, weil sie dann nur noch von der Förderung der Bundesländer abhängig wären. Das kann nicht im allgemeinen volkswirtschaft- lichen Interesse sein. Vordringlichste Ziele einer Reform der GRW/Regio- nalförderung sind: Mehr Transparenz. Mittelherkunft, Mittelverwendung und der Erfolg der Förderung müssen besser nachvollziehbar und überprüfbar werden. Größere Effizienz. Das Ziel eines dauerhaften Ausgleichs der Standortnachteile der Förderregionen muss bei sparsamer Mittelverwendung durch Maßnahmen im Rahmen einer Erfolg versprechenden Gesamtstrategie erfolgen. Stärkere Regionalverantwortung. Der Einfluss regionaler Ent- scheidungsträger und die Verbindlichkeit regionaler Ent- wicklungskonzepte müssen zunehmen. Bessere europä- ische Abstimmung. Die Kompatibilität zur europäischen Regionalförderung ist zu verbessern; vor dem Hin- tergrund der EU-Osterweiterung muss die Möglichkeit grenzüberschreitender Förderung erweitert werden. Schließlich müssen die Kriterien für die Förderbedürf- tigkeit einer Region am europäischen Maßstab fort- entwickelt werden. Die Regionalförderung sollte konsequenter als bisher lang- und mittelfristig orientiert Standortnachteile und Engpassfaktoren von Förderregionen beseitigen bzw. aus- gleichen. Regionen, die durch die GRW gefördert werden können, sollen generell ein Integriertes Regionales Ent- wicklungskonzept erstellen, in dem die Entwicklungs- ziele und Handlungsprioritäten der Region festgelegt werden. Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Der von der PDS im Bundestag eingebrachte Antrag atmet den alten Geist des Staatssozialismus. Mit neuen Sondervermögen, neuen aufgeblasenen so genannten Investitionsprogrammen und immer neuen Zweckbindungen von Steuern will die PDS im Ergebnis eine staatliche Parallelwirtschaft aufbauen. Sie versucht das Ganze durch modische Begriffe zu ka- schieren. So spricht sie jetzt von „wirtschaftlichen Ver- flechtungsräumen“ oder einem „tatsächlichen Umfang der Unterbeschäftigung bei Berücksichtigung der Ge- schlechterspezifik“ als neuen Kriterien für staatliche För- derung. Zugleich will sie eine gewaltige neue Bürokratie in Form von so genannten Projektverbünden, Netz- werken, Bürgerinitiativen oder Begleitausschüssen auf- bauen. Das strikte EU-Beihilferecht soll im Interesse ei- ner neuen Staatswirtschaft beiseite geschoben werden. Dem setzt die FDPein ganz anderes Konzept entgegen. Unbestreitbar gibt es im deutschen Föderalismus Fehlent- wicklungen. Die Gewaltenteilung ist einem System der gegenseitigen Verflechtung zwischen Bund und Ländern in Politik und Verwaltung gewichen. Deshalb fordert die FDP wettbewerblichen Föderalismus mit transparenter Entscheidungsfindung und einer klaren Verteilung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Die nachträglich in das Grundgesetz eingefügten Ge- meinschaftsaufgaben haben die Staatsaufgaben über falsche Ausgabenanreize aufgebläht. Daher sind die Arti- kel 91 a und 91 b aus dem Grundgesetz zu streichen und diese Aufgaben vollständig an die Länder zurückzugeben. Ebenso müssen die Bundesfinanzhilfen an die Länder ent- fallen, die bisher dem Bund die Möglichkeit eröffnen, von den Ländern Zuständigkeiten zu erkaufen. Dieser Ansatz muss mit einer verbesserten Finanzausstattung und mehr Finanzautonomie für Länder und Gemeinden einherge- hen. Für den Bürger muss dabei klar erkennbar bleiben, welche Gebietskörperschaft wie viele Steuern von ihm er- hebt. Nur so kann das finanzpolitische Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern sowie Ländern und Kom- munen wieder hergestellt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23785 (C) (D) (A) (B) Rolf Kutzmutz (PDS): Vor zwei Wochen haben die Wirtschaftsminister der Länder und des Bundes einstimmig festgestellt, dass beim Verzicht auf die Gemeinschaftsauf- gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ er- hebliche Effizienzverluste und Entscheidungsrisiken bei der Koordinierung der Regionalpolitik entstünden oder diese letztlich allein den EU-Kommissionsdienststellen überlassen bliebe. Ihre Forderung lautete deshalb: Die Wirtschaftsminis- terien müssten angemessen in den Verhandlungsgremien über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehun- gen vertreten sein. Die PDS begrüßt, dass die Wirtschaftspolitik sich vom Schock der einsamen Entscheidung der Ministerpräsiden- ten in einer lauen Juninacht des vorigen Jahres endlich er- holt hat. Und ich weiß mich mit den Wirtschaftspolitike- rinnen und -politikern der anderen Fraktionen einig: Die Gemeinschaftsaufgaben einfach abzuschaffen, das wäre ein Unding. Natürlich: Es gibt vielfältige Kritik an den Gemein- schaftsaufgaben – und die ist häufig auch mehr als be- rechtigt. Aber die strukturschwachen Regionen können niemals aus eigener Kraft Anschluss finden. Gleichzeitig werden die Fördermittel jährlich weniger, obwohl die För- dertatbestände anwachsen. Unterm Strich haben sich in den vergangenen Jahren die tatsächlichen Entwicklungs- abstände schwacher Regionen – und die gibt es in Ost und West – gegenüber den Ballungszentren nicht verringert. Sie sind sogar gewachsen, wie alle volkswirtschaftlichen Kennziffern belegen. Der Ansatz der Regionalförderung und ihre Instrumen- tarien sind deshalb neu zu überdenken. Ob mit oder ohne EU-Osterweiterung – strukturschwache Regionen bedür- fen langfristiger, zweckgebunderer Förderung für ihre ganzheitliche Entwicklung. Das heißt sektorale und re- gionale Strukturentwicklung durch Entwicklungskon- zepte für zukunftsfähige Verkehrsstrukturen und Energie- versorgung – also Schwerpunkte Schiene und öffentlicher Personennahverkehr bzw. dezentraler Einsatz regenerati- ver Energien. Das heißt aber ebenso Erneuerung und Aus- bau der so genannten weichen Standort-Faktoren – also der Infrastruktur von Bildung, Ausbildung, Betreuung und Pflege. Das bedeutet auch die konkrete Planung der Sanierung von Umweltlasten und die naturräumliche Ent- wicklung. Letztlich muss die regionale Infrastruktur im weitesten Sinne erneuert und ausgebaut werden, um regionale Wirt- schaftskreisläufe überhaupt in Gang zu setzen, Beschäfti- gung zu schaffen und zu verstetigen, also schließlich um überhaupt eine Grundlage für eine selbsttragende Ent- wicklung in wirtschaftlichen Verflechtungsräumen zu schaffen. Kenner regionaler Entwicklungsprozesse wis- sen, dass langer Atem, Kontinutität der Mittelzuweisun- gen, leichte Erreichbarkeit alternativ notwendiger Förder- mittel und eine permanente Kontaktpflege und Miteinbeziehung regionaler Akteure unerlässlich sind, wenn sich einmal gewährte Subventionen zur Infrastruk- turentwicklung auf Dauer nicht buchstäblich als verlorene Zuschüsse erweisen sollen. Ein überbordender bürokrati- scher Apparat für den von uns vorgeschlagenen umfas- senden Entwicklungsansatz ist nicht nötig. Denn regio- nale Entwicklungskonzeptionen müssen von allen betrof- fenen Akteuren in den Regionen. selbst vor Ort erarbeitet werden. Das ist im Übrigen auch schon ein zunehmend besser funktionierender Ansatz in der bestehenden Gemein- schaftsaufgabe und wird in anderen, eingeschränkteren Förderungen mittlerweile ebenfalls praktiziert. Ich nenne nur NEMO und InnoRegio. Er darf aber nicht länger weit- gehend auf Ostdeutschland beschränkt bleiben. Neben öffentlichen, genossenschaftlichen sowie priva- ten Unternehmen und Einrichtungen, den Kommunalpar- lamenten und Kammern, den Arbeitsämtern und Verbän- den gehören auch Gewerkschaften, Projektträger gemeinnütziger, öffentlich geförderter Beschäftigung, Frauen-, Erwerbslosen- und weitere Bürgerinitiativen mit an den Tisch. Keine Idee und Kompetenz soll für die Zu- sammenarbeit mit Planungsbüros und Regionalmanagern verloren gehen. Für die Landes- und Bundesministerien blieben lediglich Anleitungs- und Prüffunktionen, die sie im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben jetzt sowieso durchführen. Nehmen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der an- deren Fraktionen, unseren Vorschlag als Angebot zur Debatte. Denn auf Dauer werden wir alle nicht darum he- rumkommen. Fest steht nämlich: Erstens: Die EU-Ost- erweiterung mit gravierenden Auswirkungen auf die Strukturfonds kommt gewiss. Zweitens: Der Solidarpakt II ist weder finanziell noch strukturell der Weisheit letzter Schluss, wenn der Osten tatsächlich aufholen soll. Und drittens gibt es auch in Westdeutschland viele Regionen, denen mit der gegenwärtigen GA-Kulisse nicht geholfen ist, obwohl auch sie kräftige Entwicklungsimpulse benötigen würden. Beim Handeln ist also durchaus Eile geboten, denn die Fördermittel der Gemeinschaftsaufga- ben fließen immer spärlicher und es bedarf schneller, in- telligenter Lösungen für die kommenden Jahre. Anlage 14 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 775. Sitzung am 26. April 2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Erstes Gesetz zur Änderung des Wasserverbands- gesetzes – Gesetz zurVerlängerung von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz – Gesetz zurÄnderung des Gesetzes zur Förderung ei- nes freiwilligen sozialen Jahres und anderer Gesetze (FSJ-Förderungsänderungsgesetz – FSJGÄndG) – Gesetz zur Neuordnung der Statistik über die Beher- bergung im Reiseverkehr (Beherbergungsstatistikge- setz – BeherbStatG) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223786 (C) (D) (A) (B) – Gesetz zur Reform der Juristenausbildung – Gesetz zur Übertragung von Rechtspflegeraufga- ben auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 98/8/EG des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (Biozidgesetz) – Siebtes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushalts- gesetzes – Gesetz zur Änderung des Gesetzes vom 24. Mai 1997 zur Revision des Übereinkommens vom 20. März 1958 über die Annahme einheitlicher Be- dingungen für die Genehmigung der Ausrüstungs- gegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmi- gung – Gesetz zur Vorbereitung einer bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer – Gesetz zu dem Stabilisierungs- und Assoziierungs- abkommen zwischen den Europäischen Gemein- schaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedo- nien andererseits – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen sowie zu der auf der zweiten Konferenz der Parteien in Sofia am 27. Februar 2001 beschlossenen Änderung des Übereinkommens (Espoo-Vertragsgesetz) – Gesetz zu dem Protokoll vom Kyoto vom 11. De- zember 1997 zum Rahmenübereinkommen derVer- einten Nationen über Klimaänderungen (Kyoto- Protokoll) – Gesetz zu dem Protokoll vom 27. Februar 2001 zur Ergänzung des Abkommens vom 5. April 1993 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Lettland über den Luftverkehr – Gesetz zu deren Abkommen vom 2. Oktober 2000 zur Änderung und Ergänzung des Abkommens vom 18. Juni 1991 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Bahrain über den Luft- verkehr – Gesetz zu dem Abkommen vom 19. Juni 2001 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Republik Kap Verde über den Luftverkehr – Gesetz zu den Verträgen vom 15. September 1999 des Weltpostvereins Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahresgutachten 2001/02 des Sachverständi- genrates zur Begutachtung der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung – Drucksache 14/7569 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Jahreswirtschaftsbericht 2002 der Bundes- regierung Vor einem neuen Aufschwung – Verlässliche Wirtschafts- und Finanzpolitik fortsetzen – Drucksache 14/8175 – Ausschuss fürWirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht 1998/1999 der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post und zu dem Sondergutachten derMono- polkommission – Drucksachen (zu 14/2321) 14/4064, 14/4093 Nr. 1.13 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht derBundesregierung – Politik für den Mittelstand – Drucksache 14/8548 – Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen gemäß Artikel 44 Abs. 1 Buchstabe b des Übereinkommens über die Rechte des Kindes – Drucksachen 14/6241, 14/6502 Nr. 1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/8691 Nr. 2.10 Finanzausschuss Drucksache 14/8339 Nr. 1.6 Drucksache 14/8339 Nr. 2.47 Drucksache 14/8428 Nr. 2.55 Drucksache 14/8428 Nr. 2.58 Haushaltsausschuss Drucksache 14/8428 Nr. 2.1 Drucksache 14/8428 Nr. 2.2 Drucksache 14/8562 Nr. 2.10 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 2002 23787 (C) (D) (A) (B) Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/8339 Nr. 2.27 Drucksache 14/8428 Nr. 2.6 Drucksache 14/8428 Nr. 2.10 Drucksache 14/8428 Nr. 2.14 Drucksache 14/8428 Nr. 2.23 Drucksache 14/8428 Nr. 2.24 Drucksache 14/8428 Nr. 2.25 Drucksache 14/8428 Nr. 2.31 Drucksache 14/8428 Nr. 2.33 Drucksache 14/8428 Nr. 2.34 Drucksache 14/8428 Nr. 2.35 Drucksache 14/8428 Nr. 2.36 Drucksache 14/8428 Nr. 2.37 Drucksache 14/8428 Nr. 2.38 Drucksache 14/8428 Nr. 2.39 Drucksache 14/8428 Nr. 2.40 Drucksache 14/8428 Nr. 2.43 Drucksache 14/8428 Nr. 2.44 Drucksache 14/8428 Nr. 2.48 Drucksache 14/8428 Nr. 2.49 Drucksache 14/8428 Nr. 2.53 Drucksache 14/8428 Nr. 2.56 Drucksache 14/8428 Nr. 2.57 Drucksache 14/8562 Nr. 2.34 Drucksache 14/8562 Nr. 2.45 Drucksache 14/8562 Nr. 2.46 Drucksache 14/8562 Nr. 2.48 Drucksache 14/8562 Nr. 2.53 Drucksache 14/8562 Nr. 2.54 Drucksache 14/8691 Nr. 2.6 Drucksache 14/8691 Nr. 2.7 Drucksache 14/8691 Nr. 2.8 Drucksache 14/8691 Nr. 2.9 Drucksache 14/8691 Nr. 2.12 Drucksache 14/8691 Nr. 2.13 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/6508 Nr. 2.30 Drucksache 14/8562 Nr. 2.35 Drucksache 14/8562 Nr. 2.42 Drucksache 14/8562 Nr. 2.49 Drucksache 14/8562 Nr. 2.52 Drucksache 14/8562 Nr. 2.55 Drucksache 14/8562 Nr. 2.56 Drucksache 14/8691 Nr. 2.5 Drucksache 14/8691 Nr. 2.11 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/8179 Nr. 3.1 Drucksache 14/8562 Nr. 2.28 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/8339 Nr. 2.5 Drucksache 14/8339 Nr. 2.11 Drucksache 14/8339 Nr. 2.24 Drucksache 14/8339 Nr. 2.25 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/8428 Nr. 2.29 Drucksache 14/8562 Nr. 1.4 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 237. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Mai 200223788 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-
    nen und Kollegen! Auch ich bedauere das Aufbrechen des
    interfraktionellen Konsenses in der Frage der Regelung
    von Spätabtreibungen sehr. Ich finde es sehr schade, dass
    das Ergebnis jahrelanger fraktionsübergreifender Ge-
    spräche nun zwei grundsätzlich verschiedene Anträge
    sind. Kernpunkt des Vorschlages der Koalition ist, wie
    Frauen in Schwangerschaftskonfliktsituationen geholfen
    werden kann. Das findet unsere uneingeschränkte Unter-
    stützung. Kernpunkt des Vorschlages der CDU/CSU
    dagegen ist, wie das ohnehin viel zu restriktive Selbstbe-
    stimmungsrecht von Schwangeren noch mehr einge-
    schränkt werden kann. Das kann nur unsere entschiedene
    Ablehnung finden.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)





    Irmingard Schewe-Gerigk

    23701


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Anstatt schwangeren Frauen ein uneingeschränktes
    Selbstbestimmungsrecht zuzusichern und – das sollte
    man auch in einer solchen Debatte noch einmal betonen –
    den § 218 ersatzlos zu streichen, soll nach Ihren Wün-
    schen der unsägliche § 218 auch noch verschärft werden.
    Anstatt schwangeren Frauen ein uneingeschränktes
    Selbstbestimmungsrecht zuzusichern und ihnen eine qua-
    lifizierte psychosoziale Beratung einfach nur anzubieten,
    wollen Sie eine Beratungspflicht einführen und den
    unsäglichen § 218 StGB verschärfen; er sollte vielmehr
    ersatzlos gestrichen werden. Anstatt die pränatale Dia-
    gnose kostenfrei zu halten, fordern Sie, dass die Kosten
    nur übernommen werden, wenn eine vorherige Beratung
    erfolgt ist.

    Wir haben also zwischen zwei Alternativen zu ent-
    scheiden: Einerseits wird ein konstruktives Hilfsangebot
    und andererseits eine destruktive staatliche Bevormun-
    dung vorgeschlagen.

    Es ist richtig, in diesem Zusammenhang noch einmal
    daran zu erinnern, dass es für behinderte Kinder und ihre
    Eltern hierzulande nach wie vor nur unzureichende Hilfen
    gibt. Deutschland ist noch immer kein behinderten-
    freundliches Land. Wer will, dass sich Eltern für behin-
    derte Kinder entscheiden, muss auch dafür sorgen, dass
    behinderte Kinder im Alltag nicht benachteiligt werden.

    Der Koalitionsantrag greift zu Recht die Frage auf, wie
    Eltern während der Schwangerschaft bei schwerwie-
    genden Entscheidungen geholfen werden kann, ohne dass
    sie vom Staat gegängelt werden. Ein ausgeweitetes Recht
    auf kostenlose Beratung im Mutterpass festzuschreiben,
    ist richtig. Das wird von uns unterstützt. Die Entschei-
    dung für oder gegen Beratung muss Sache der Schwange-
    ren selbst bleiben. Das qualifizierte Angebot muss vorhan-
    den sein; aber es darf nie – genauso wenig wie die
    Entscheidung gegen einen Abbruch der Schwangerschaft –
    zur Pflicht gemacht werden. Dieses fundamentale Ent-
    scheidungsrecht der Frauen darf nicht angetastet werden.
    Außerdem soll und muss gewährleistet bleiben, dass das
    Beratungsangebot freiwillig genutzt werden kann und
    sämtliche Kosten von der Krankenkasse zu übernehmen
    sind.

    Danke.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



    (V o r s i t z: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächste Red-
nerin erhält die Abgeordnete Inge Wettig-Danielmeier das
Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Inge Wettig-Danielmeier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin!
    Meine Damen und Herren! Es gab einige tragische Fälle
    von Spätabtreibungen, die in der Öffentlichkeit zu Ausein-
    andersetzungen geführt haben. Gleichwohl ist die Zahl von
    Schwangerschaftsabbrüchen, die nach der 22. Schwan-
    gerschaftswoche unter der Voraussetzung einer medizini-
    schen Indikation durchgeführt wurden, gering geblieben.

    Im Jahr 2001 sind 177 Fälle erfasst worden; im Jahr davor
    waren es weniger.

    Alle Beteiligten wollen die Zahl der Spätabtreibungen
    auf ein unvermeidbares Minimum beschränken. Frau
    Schewe-Gerigk und Frau Eichhorn haben darauf hinge-
    wiesen, dass wir in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe
    seit Jahren darüber diskutiert haben. Dabei waren wir uns
    der besonderen Problematik von Spätabbrüchen nach prä-
    nataler Diagnostik bewusst. Ich möchte daran erinnern,
    dass wir uns bei der Neufassung des § 218 StGB im Jahr
    1995 darüber einig waren, dass es bei der Indikationsstel-
    lung auf die Belastbarkeit und die Lebensperspektive der
    Frau und nicht auf die mögliche Behinderung des Kindes
    ankommt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die Möglichkeit einer embryopathischen Indikation

    haben wir damals gemeinsam gestrichen, um klarzustellen:
    Die gesundheitliche Schädigung des Embryos begründet
    nicht automatisch einen Schwangerschaftsabbruch. Im
    Übrigen war ein Abbruch zwischen der 22. Woche und
    dem Ende der Schwangerschaft schon vor der Neufassung
    des § 218 im Jahre 1995 zulässig, wenn die Voraussetzun-
    gen der medizinischen Indikation vorgelegen haben.

    Im Rahmen der Arbeitsgruppe der Fraktionen haben
    wir viele Gespräche mit Expertinnen und Experten, Ärz-
    tinnen und Ärzten, erfahrenen Beraterinnen aus Schwan-
    gerschaftsberatungsstellen und mit Juristen geführt. Wir
    haben auch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen
    Bundestags um Stellungnahme gebeten. Das Fazit von ju-
    ristischer Seite war klar: Der Gesetzestext des § 218 StGB
    ist eindeutig; eine gesetzliche Änderung ist nicht notwen-
    dig.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Die mögliche Behinderung eines ungeborenen Kindes ist
    nach der gegebenen Rechtslage keine eigenständige Indi-
    kation für einen Schwangerschaftsabbruch nach § 218 a
    Abs. 2 des Strafgesetzbuches. Das heißt, dass der Abbruch
    der Schwangerschaft nur dann zulässig ist, wenn nach
    ärztlicher Erkenntnis unter Berücksichtigung der gegen-
    wärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwan-
    geren eine Gefahr für ihr Leben oder die Gefahr einer
    schweren Beeinträchtigung des körperlichen oder seeli-
    schen Gesundheitszustandes der Schwangeren, die damit
    abgewendet werden soll, besteht. Allein diese gesetzlich
    vorgeschriebenen Voraussetzungen begründen eine medi-
    zinische Indikation und müssen vom Arzt im konkreten
    Fall abgewogen werden.

    Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass eine solche
    Beurteilung, insbesondere in einem späten Stadium der
    Schwangerschaft, schwierig ist. Der Arzt muss die Fol-
    gen eines pathologischen Befundes sorgfältig abwägen
    – selbstverständlich auch unter Einbeziehung des Rates von
    Fachkollegen –, gemeinsam mit der Schwangeren erörtern
    und dann entscheiden. Einen Oktroi für die Frauen darf es
    aber nicht geben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





    Petra Bläss
    23702


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Die Forderung der CDU/CSU-Fraktion nach einer Klar-
    stellung des gesetzgeberischen Willens durch Änderung
    des Gesetzes ist deshalb überflüssig und würde zudem zu
    keiner Änderung führen. Allenfalls wäre es weiße Salbe
    für das innerparteiliche Leben oder – das kann man auch
    sagen – die dort auftretenden Konflikte.

    Die Berichte aus der Praxis zeigten, dass umfassende
    Beratungsangebote für werdende Eltern wichtig sind. Vor
    allem gilt dies – auch darin sind wir uns alle einig – für
    eine psychosoziale Beratung und Aufklärung im Zu-
    sammenhang mit der pränatalen Diagnostik. Wir sind uns
    ebenfalls darin einig, dass der Anspruch auf Beratung
    nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes durch ei-
    nen Eintrag im Mutterpass bekannter wird und damit häu-
    figer angenommen wird.

    Die Geister scheiden sich bei der Frage der Freiwillig-
    keit und des Zwangs. Deshalb sind wir leider nicht zu einer
    Einigung gekommen. Als Sozialdemokratin glaube ich da-
    ran, dass das Notwendige auch freiwillig getan wird. Wel-
    cher Druck wird aufgebaut, wenn Frauen, die sich in der
    Regel bewusst für die Schwangerschaft entschieden haben,
    gezwungen werden, sich einer Beratung zu unterziehen!
    Der Vorschlag, die Kostenübernahme der Krankenkassen
    für pränatale Diagnostik an die Beratung zu knüpfen, ist
    eine Gängelung der Betroffenen. Wir lehnen ihn ab.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Die Methoden der pränatalen Diagnostik sollen der
    Gesundheit von Mutter und Kind sowie der Verbesserung
    der gesundheitlichen Perspektiven für das Kind dienen.
    Sie dürfen keine Selektionsmittel für Föten mit patholo-
    gischem Befund sein. Den werdenden Eltern sollte der be-
    wusste und verantwortungsvolle Umgang mit pränatal-
    diagnostischen Methoden und ihren Folgen erleichtert
    werden, und zwar nicht nur durch Beratung, sondern auch
    – ich glaube, das ist vor allem wichtig – durch ein gesell-
    schaftliches Klima, das keinen Druck auf Frauen und Fa-
    milien ausübt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Datenschutzbeauftragte hat uns darüber infor-
    miert, dass eine detaillierte Datenerfassung von Spätab-
    brüchen bei der gegenwärtigen Rechtslage möglich ist.
    Allerdings darf die Identität der Betroffenen bei der be-
    grenzten Anzahl von Fällen nicht entschlüsselt werden
    können. Auch sollte der gesellschaftliche Nutzen erkenn-
    bar sein.

    Ich bedauere, dass wir uns nicht einigen konnten, so-
    dass der notwendige Konsens zum Schwangerschaftsab-
    bruch infrage gestellt wird, wenn auch glücklicherweise
    nicht grundsätzlich. Ich hoffe, wir finden zum Konsens
    zurück.

    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der PDS)