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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeordneten Jörg-Otto Spiller . . . . . . . 23465 A Eintritt der Abgeordneten Marion Seib in den Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23465 A Benennung des Abgeordneten Norbert Röttgen als ordentliches Mitglied in das Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundes- republik Deutschland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23465 B Benennung des Abgeordneten WernerLensing in den Stiftungsrat der „Stiftung CAESAR“ 23465 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 23465 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 6 a–c, 9 b, 12 a–c, 29, 30, 34 und 38 f . . . . . . . . . . . . 23467 D Überweisungen der Tagesordnungspunkte 19 und 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23468 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 23468 A Begrüßung der Präsidentin des Chilenischen Abgeordnetenhauses, Frau Muñoz, und ihrer Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23489 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Politik für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung – Zukunftssiche- rung durch Nachhaltigkeit . . . . . . . . 23468 B b) Große Anfrage der Abgeordneten Ursula Burchardt, Klaus Barthel (Starn- berg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord- neten Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Bildungs- und Forschungspolitik für eine nachhal- tige Entwicklung (Drucksachen 14/6022, 14/6959) . . . . . 23468 C c) Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Bildungs- und Forschungspolitik für eine nachhal- tige Entwicklung (Drucksache 14/8651) . . . . . . . . . . . . . 23468 C d) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Ent- wicklung (Drucksache 14/7971) . . . . . . . . . . . . . 23468 C e) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung über die Perspektiven für Deutsch- land – Nationale Strategie für eine nachhaltige Entwicklung (Drucksache 14/8953) . . . . . . . . . . . . . 23468 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ulrike Mehl, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Weltgipfel für Nachhal- tige Entwicklung in Johannesburg 2000 – Plenarprotokoll 14/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 I n h a l t : Der nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen (Drucksache 14/9052) . . . . . . . . . . . . . . . . 23469 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ulla Burchardt, Michael Müller (Düsseldorf), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Nachhaltige Entwick- lung – neuer Gestaltungsansatz für die Globalisierung (Drucksache 14/9056) . . . . . . . . . . . . . . . . 23469 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Klaus W. Lippold (Offen- bach), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Initiative für eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksache 14/9024) . . . . . . . . . . . . . . . . 23469 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Die Schöpfung bewahren, entwick- lungsorientiert handeln: Weltgipfel in Johannesburg muss neue Impulse für globale nachhaltige Entwicklung setzen (Drucksache 14/9025) . . . . . . . . . . . . . . . . 23469 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Liberale Akzente einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksache 14/9091) . . . . . . . . . . . . . . . . 23469 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . 23469 D Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23475 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 23480 A Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23481 D Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23482 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 23484 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23487 D Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi . . . 23489 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 23492 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 23493 D Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23495 A Ulla Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23496 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23498 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 23500 B Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23502 A Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23504 B Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Rentenreform ehrlich, ge- nerationengerecht und zukunfts- sicher gestalten (Drucksache 14/8269) . . . . . . . . . . . . . 23506 C b) Antrag der Abgeordneten Johannes Singhammer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: In der Renteninfor- mation Klarheit über tatsächliche Versorgungslücke schaffen – Renten- nahe Versichertenjahrgänge zuerst informieren (Drucksache 14/8787) . . . . . . . . . . . . . 23506 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine substanzielle und dauer- hafte Rentenreform (Drucksache 14/9050) . . . . . . . . . . . . . . . . 23506 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktion der PDS: ZurRegelung von in der DDR erworbenen Versor- gungsansprüchen und Anwartschaften in einem spezifischen Versorgungssystem so- wie zur Regelung anderer rechtmäßig er- worbenerAnsprüche auf Alterssicherung (Drucksache 14/9045) . . . . . . . . . . . . . . . . 23506 D Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23507 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002II Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23508 A Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23510 D Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . . 23512 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23514 D Monika Balt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23517 A Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23518 C Julius Louven CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23520 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 23522 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23524 B Doris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23525 B Tagesordnungspunkt 37: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Soli- darpaktfortführungsgesetzes (Drucksache 14/8979) . . . . . . . . . . . . . 23527 A b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung ver- waltungsverfahrensrechtlicher Vor- schriften (Drucksache 14/9000) . . . . . . . . . . . . . 23527 B c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wohnungs- rechtlicher Vorschriften (Drucksache 14/8993) . . . . . . . . . . . . . 23527 B d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Rechts- vorschriften an veränderte Zuständig- keiten oder Behördenbezeichnun- gen innerhalb der Bundesregierung (Zuständigkeitsanpassungsgesetz) (Drucksache 14/8977) . . . . . . . . . . . . . 23527 B e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten Protokoll vom 19. Juni 1997 zum Überein- kommen über den Schutz der finan- ziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Drucksache 14/9002) . . . . . . . . . . . . . 23527 C f) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Bekämp- fung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Euro- päischen Union beteiligt sind (Drucksache 14/8999) . . . . . . . . . . . . . 23527 C g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Zwei- ten Protokolls vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Euro- päischen Gemeinschaften, der gemein- samen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor vom 22. Dezember 1998 und des Rahmen- beschlusses vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrecht- lichen und anderen Sanktionen be- währten Schutzes gegen Geldfäl- schung im Hinblick auf die Einführung des Euro (Drucksache 14/8998) . . . . . . . . . . . . . 23527 D h) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR (Dopingopfer-Hilfegesetz) (Drucksache 14/9028) . . . . . . . . . . . . . 23527 D i) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund- gesetzes (Art. 96) (Drucksache 14/8994) . . . . . . . . . . . . . 23528 A j) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gerichts- verfassungsgesetzes (Drucksache 14/8978) . . . . . . . . . . . . . 23528 A k) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen vom 29.Ok- tober 2001 zwischen den Europä- ischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Kroatien andererseits (Drucksache 14/8981) . . . . . . . . . . . . . 23528 A l) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Dezember 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien über soziale Sicherheit (Drucksache 14/8984) . . . . . . . . . . . . . 23528 B m) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 III Gesetzes zur Einführung einer kapital- gedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (Hüttenknappschaft- liches Zusatzversicherungs-Neurege- lungs-Gesetz) (Drucksache 14/9007) . . . . . . . . . . . . . 23528 B n) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntwein- monopol (Drucksachen 14/9005, 14/9042) . . . . . 23528 B o) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 17. November 2000 des Übereinkom- mens vom 20. August 1971 über die Internationale Fernmeldesatelliten- organisation „INTELSAT“ (Drucksache 14/8983) . . . . . . . . . . . . . 23528 C p) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirt- schaftsplans des ERP-Sondervermö- gens für das Jahr 2003 (ERP-Wirt- schaftsplangesetz 2003) (Drucksache 14/8985) . . . . . . . . . . . . . 23528 C q) Antrag der Bundesregierung: Fortset- zung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitsprä- senz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militä- rischen Absicherung der Friedens- regelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats derVerein- ten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkom- mens zwischen der Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Ser- bien vom 9. Juni 1999 (Drucksache 14/8991) . . . . . . . . . . . . . 23528 C r) Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Thomas Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ausbau der Bundes- autobahn A 5 (Drucksache 14/8107) . . . . . . . . . . . . . 23528 D s) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht zum Ausbau der Schie- nenwege 2001 (Drucksache 14/7945) . . . . . . . . . . . . . 23529 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstel- lung verurteilter Personen (Drucksache 14/8995) . . . . . . . . . . . . . 23529 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurAusführung des Zusatz- protokolls vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Über- stellung verurteilter Personen (Drucksache 14/8996) . . . . . . . . . . . . . 23529 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Ordnungswidrig- keitenverfahrensrechts (Drucksache 14/9001) . . . . . . . . . . . . . . . . 23529 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 37) a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Klaus Riegert, Friedrich Bohl, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie dem Abgeordne- ten Dr. Klaus Kinkel und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR (Dopingopfer- Hilfegesetz) (Drucksache 14/9022) . . . . . . . . . . . . . 23529 B b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern (Drucksache 14/9029) . . . . . . . . . . . . . 23529 B c) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Ernst Burgbacher, Gerhard Schüßler, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Einkommensteuergesetzes (Abschaffung der Trinkgeldbesteue- rung) (Drucksache 14/9061) . . . . . . . . . . . . . 23529 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002IV d) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Be- treuung und Pflege schwerstkranker Kinder (Drucksache 14/9031) . . . . . . . . . . . . . 23529 C e) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der PDS eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zurÄnderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (Drucksache 14/9032) . . . . . . . . . . . . . 23529 D f) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung futter- mittelrechtlicher Vorschriften sowie zur Änderung sonstiger Gesetze (Drucksache 14/9034) . . . . . . . . . . . . . 23529 D g) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Vorsorge und Rehabilitation für Mütter (Drucksache 14/9035) . . . . . . . . . . . . . 23529 D h) Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Sucht wirksam bekämpfen – Prävention, Therapie und Lebenshilfe stärken (Drucksache 14/9049) . . . . . . . . . . . . . 23530 A Tagesordnungspunkt 38: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum NATO-Truppenstatut und anderer Gesetze (Verteidigungs- lastenzuständigkeitsänderungsgesetz) (Drucksachen 14/8764, 14/9086) . . . . 23530 B b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Neunten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über die Errich- tung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ (Drucksachen 14/8733, 14/9063) . . . . 23530 C c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Sprengstoffgesetzes und andererVorschriften (2. SprengÄndG) (Drucksachen 14/8771, 14/9048) . . . . 23530 D d) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Drucksachen 14/7466, 14/8851) . . . . 23531 A e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 30. November 2000 zur Ände- rung des Europol-Übereinkommens (Drucksachen 14/8709, 14/9077) . . . . 23531 B g) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses: Sammelübersicht 371 zu Petitionen (Ablehnung eines Rechts- hilfeersuchens) (Drucksache 14/8870) . . . . . . . . . . . . . 23531 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Jugendschutzgesetzes (JuSchG) (Drucksache 14/9013) . . . . . . . . . . . . . . . . 23531 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Erste Beratung des von den Abgeordneten Uta Titze-Stecher, Werner Lensing und weiteren Abgeordneten eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (Jugendschutzgesetz) (Drucksache 14/8956) . . . . . . . . . . . . . . . . 23531 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Jugendschutz stärken (Drucksache 14/9027) . . . . . . . . . . . . . . . . 23532 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23532 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 V Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23534 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 23536 C Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23538 B Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23539 D Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23541 A Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23543 A Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23544 A Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23545 B Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23545 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Wolfgang Bosbach und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes (Drucksachen 14/4754, 14/6625) . . . . . . . 23546 C Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23546 D Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23548 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23550 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . . 23551 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23551 D Tagesordnungspunkt 8: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bilanzierender Gesamtbericht zum Ein- satz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe ge- gen die USA auf der Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Natio- nen und des Art. 5 des Nordatlantikver- trags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 14/8990) . . . . . . . . . . . . . . . . 23552 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . . 23553 A Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . . . . . . 23554 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23556 C Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . . 23557 C Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23558 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 23559 C Hans Raidel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23561 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 23562 B Kurt J. Rossmanith CDU/CSU . . . . . . . . . 23563 A Zusatztagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Jürgen Koppelin, Dr. Werner Hoyer und der Fraktion der FDP: Entlas- sung des Bundesministers der Verteidi- gung Rudolf Scharping (Drucksache 14/8954) . . . . . . . . . . . . . . . . 23563 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23563 D Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23565 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 23567 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . 23568 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23569 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 23570 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23570 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . 23572 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23574 A Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Re- form durch Verfassung – Für eine de- mokratische, solidarische und hand- lungsfähige Europäische Union (Drucksache 14/9047) . . . . . . . . . . . . . 23572 A b) Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Notwendige Reformen für die zukünftige EU – Forderungen an den Konvent (Drucksache 14/8489) . . . . . . . . . . . . . 23572 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Zukunft Europas liegt in den Hän- den des Konvents (Drucksache 14/9044) . . . . . . . . . . . . . . . . 23572 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Uwe Hiksch, Dr. Klaus Grehn, Roland Claus und der Fraktion der PDS: Ein anderes Europa ist möglich – Im Konvent die Weichen für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002VI eine demokratische, solidarische und zivile Europäische Union stellen (Drucksache 14/9046) . . . . . . . . . . . . . . . . 23572 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . 23572 D Peter Altmaier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23577 A Christian Sterzing BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23579 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP . . . 23580 A Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23581 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 23582 A Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23585 A Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 23586 D Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zentrum gegen Ver- treibungen (Drucksache 14/8594 (neu)) . . . . . . . . 23588 D b) Antrag der Abgeordneten Markus Meckel, Eckardt Barthel, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Dr. Helmut Lippelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen (Drucksache 14/9033) . . . . . . . . . . . . . 23588 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Edzard Schmidt- Jortzig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen (Drucksache 14/9068) . . . . . . . . . . . . . . . . 23589 A Erika Reinhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23589 B Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23590 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 23591 B Erika Steinbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23592 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23592 D Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23593 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 23594 B Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23595 A Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Rainer Funke, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergü- tungsgesetz) (Drucksache 14/8818) . . . . . . . . . . . . . 23596 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechtsanwaltsvergü- tungsrechts (Rechtsanwaltsvergütungs- Neuordnungsgesetz) (Drucksache 14/9037) . . . . . . . . . . . . . . . . 23596 B Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23596 B Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23597 C Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23598 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23601 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 23602 C Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . 23603 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23603 C Tagesordnungspunkt 13: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Bartholomäus Kalb, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Bürokratieabbau für kleine und mittelständische Betriebe (Drucksachen 14/6633, 14/8682) . . . . 23605 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Heinz Riesenhuber, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Förderung der Innovation im Mittel- stand (Drucksachen 14/7615, 14/9026) . . . . 23605 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 VII Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . . 23605 C Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23607 C Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23610 A Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23611 C Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23613 A Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Abgeord- neten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Gunnar Uldall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Großen Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Gunnar Uldall, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Zukunft der deutschen Mes- sewirtschaft in der Globalisierung (Drucksachen 14/4816, 14/5581, 14/6340, 14/7160) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23615 B Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Markus Meckel, Monika Heubaum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordne- ten Hans-Dirk Bierling, Dr. Karl-Heinz Hornhues, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Rita Grießhaber, Dr. Helmut Lippelt, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neue Impulse für die Zusammenarbeit von EU und Russ- land bei der Entwicklung der Region Kaliningrad (Drucksache 14/9060) . . . . . . . . . . . . . . . . 23615 C Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Wolfgang Behrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europä- ischen Union, Lateinamerika und der Karibik (Drucksache 14/9051) . . . . . . . . . . . . . . . . 23615 D Zusatztagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Lothar Mark, Hans Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Christa Nickels, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad (Drucksachen 14/7444, 14/8511) . . . . . . . 23615 D Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Brigitte Adler, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Welternährungs- gipfel – fünf Jahre später (Drucksache 14/8031) . . . . . . . . . . . . . . . . 23616 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Um- setzung der von Deutschland beim Millenniumgipfel übernommenen Ver- pflichtungen (Drucksache 14/9055) . . . . . . . . . . . . . . . . 23616 B Brigitte Adler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23616 C Marlies Pretzlaff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23618 B Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23620 A Tagesordnungspunkt 18: Große Anfrage der Abgeordneten Ulla Lötzer, Eva Bulling-Schröter, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der PDS: Sicherung sozialer und tariflicher Stan- dards sowie Stellung der kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Daseinsvorsorge im nationalen und europäischen Wettbewerbs- und Verga- berecht (Drucksachen 14/6527, 14/7730) . . . . . . . 23621 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23621 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002VIII Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23623 A Anlage 2 Verzicht auf die Auslieferung eines wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten und aus dem rheinland-pfälzischen Strafvollzug geflohenen, in Portugal festgenommenen Mannes MdlAnfr 1, 2 Norbert Geis CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 23623 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Pro- tokoll vom 30. November 2000 zur Änderung des Europol-Übereinkommens (Tagesordnungspunkt 38 e) . . . . . . . . . . . . . . . 23624 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Ent- lassung des Bundesministers der Verteidigung Rudolf Scharping (Zusatztagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . 23624 D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Simmert, Annelie Buntenbach und Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Entlassung des Bundesministers der Verteidigung Rudolf Scharping (Zusatztagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . 23625 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Ver- treibungen (Tagesordnungspunkt 11 a und b, Zusatztages- ordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23625 C Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 23625 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Bürokratieab- bau für kleine und mittelständische Betriebe – Bericht: Förderung der Innovation im Mit- telstand (Tagesordnungspunkt 13 a und b) . . . . . . . . . . 23626 D Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23626 D Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 23627 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entschließungsantrages: Zukunft der deut- schen Messewirtschaft in der Globalisierung (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . . . . . . . . . . 23628 C Rolf Hempelmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23628 C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 23629 D Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23632 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23633 C Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 23633 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zum Antrag: Neue Impulse für die Zusammenarbeit von EU und Russland bei der Entwicklung der Region Kaliningrad (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . 23634 D Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23634 D Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . . 23637 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23638 A Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23638 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23639 D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Lateinamerika und der Karibik – Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad (Tagesordnungspunkt 16, Zusatztagesord- nungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23640 B Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23640 B Clemens Schwalbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23642 D Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23645 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23646 B Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . 23646 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 IX Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Welternährungsgipfel – fünf Jahre später – Umsetzung der von Deutschland beim Milleniumgipfel übernommenen Ver- pflichtungen (Tagesordnungspunkt 17, Zusatztagesord- nungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23648 C Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . 23648 C Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23649 B Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Sicherung sozialer und tariflicher Standards sowie Stellung der kom- munalen Selbstverwaltung und der öffent- lichen Daseinsvorsorge im nationalen und europäischen Wettbewerbs- und Vergaberecht (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 23649 C Klaus Wiesehügel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23649 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 23650 D Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 23652 A Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23652 D Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 23653 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002X Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 Dr. Angelika Köster-Loßack 23621 (C)(A) 1) Anlage 12 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23623 (C) (D) (A) (B) Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 16.05.2002 DIE GRÜNEN Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 16.05.2002 Andrea DIE GRÜNEN Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 16.05.2002 Friedrich (Altenburg), SPD 16.05.2002 Peter Gleicke, Iris SPD 16.05.2002 Dr. Grehn, Klaus PDS 16.05.2002 Dr. Haussmann, Helmut FDP 16.05.2002 Hilsberg, Stephan SPD 16.05.2002 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 16.05.2002 DIE GRÜNEN Irmer, Ulrich FDP 16.05.2002 Jüttemann, Gerhard PDS 16.05.2002 Klinkert, Ulrich CDU/CSU 16.05.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 16.05.2002 Kolbow, Walter SPD 16.05.2002 Lamp, Helmut CDU/CSU 16.05.2002 Leidinger, Robert SPD 16.05.2002 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 16.05.2002 Michels, Meinolf CDU/CSU 16.05.2002 Neumann (Gotha), SPD 16.05.2002 Gerhard Ostrowski, Christine PDS 16.05.2002 Pieper, Cornelia FDP 16.05.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 16.05.2002 Ronsöhr, CDU/CSU 16.05.2002 Heinrich-Wilhelm Roos, Gudrun SPD 16.05.2002 Sauer, Thomas SPD 16.05.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 16.05.2002 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 16.05.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 16.05.2002 Hans Peter Schütze (Berlin), CDU/CSU 16.05.2002 Diethard Schultz (Everswinkel), SPD 16.05.2002 Reinhard Seehofer, Horst CDU/CSU 16.05.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 16.05.2002 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 16.05.2002 Wieczorek-Zeul, SPD 16.05.2002 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 16.05.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Fragen des Abgeordneten Norbert Geis (CDU/CSU) (Druck- sache 14/9003, Fragen 1 und 2): Weshalb hat das Bundesministerium der Justiz davon abgese- hen, die Auslieferung des 1985 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten Mannes zu beantragen, der nach seiner Flucht aus dem rheinland-pfälzischen Strafvollzug im Februar 2002 in Portugal festgenommen werden konnte und der nach Ablauf der Antragsfrist nun wieder auf freiem Fuße ist? Mit welchen Erwägungen – im Einzelnen – ist bei dieser Ent- scheidung die offenbar gegenteilige Auffassung der Staatsanwalt- schaft Frankenthal (Pfalz) sowie des Justizministeriums des Lan- des Rheinland-Pfalz verworfen worden? Zu Frage 1: Das Bundesministerium der Justiz hat nicht das Stellen eines Ersuchens um Auslieferung abgelehnt. Da Portugal Mitgliedstaat des Schengener Übereinkommens ist, liegt die Zuständigkeit für die Stellung von Auslieferungsersu- chen nach der einschlägigen Zuständigkeitsvereinbarung zwischen Bund und Ländern grundsätzlich bei der Lan- desjustizverwaltung. In dem angesprochenen Fall verhielt es sich wie folgt: Der Betroffene verbüßte eine lebenslange Freiheitsstrafe, welche am 30. Januar 1985 durch Urteil des Landgerichts Frankenthal wegen Mordes in Tateinheit mit Raub ver- hängt worden war. Mit Beschluss vom 26. Mai 1997 hatte die Strafvollstreckungskammer Diez des Landgerichts entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Koblenz nach § 57a StGB festgestellt, dass die besondere Schwere der Schuld eine Vollstreckung bis zum 20. Fe- bruar 2001 gebiete. Aus Gründen, die der Bundesregie- rung nicht bekannt sind, wurde die Vollstreckung über den 20. Februar 2001 hinaus (seit dem 22. Februar 2000 im of- fenen Vollzug) fortgesetzt. Der Betroffene befand sich im 18. Jahr in Haft, als er am 13. Februar 2002 von einem ihm gewährten Ausgang nicht zurückkehrte und sich nach Portugal absetzte. Das portugiesische Strafrecht kennt die lebenslange Freiheitsstrafe nicht. Die Höchstdauer der Freiheits- strafe beträgt in Portugal 15 Jahre. Die portugiesische Regierung bewilligt eine Auslieferung grundsätzlich nicht, wenn die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende strafbare Handlung mit einer lebenslangen Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung bedroht ist. Ausnahmsweise kann sie jedoch eine Aus- lieferung bewilligen, wenn die ersuchende Vertragspar- tei zusichert, nach Maßgabe des nationalen Rechts und der Strafvollstreckungspraxis alle Vollstreckungserleich- terungen zu fördern, die zugunsten der auszuliefernden Person getroffen werden können. Zuständig für eine der- artige Zusicherung ist die Bundesregierung, die das Vor- liegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzun- gen zu prüfen hat. Der dieser Prüfung zugrunde liegende und auf Bitten des Bundesministeriums der Justiz ergänzte Bericht der Staatsanwaltschaft Frankenthal als zuständiger Voll- streckungsbehörde kommt zu dem Ergebnis, es könne nur zugesichert werden, dass von Amts wegen geprüft werde, ob eine bedingte Entlassung zum 27. Juli 2004 in Betracht komme. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal vertrat die Ansicht, dass ein Antrag des Betroffenen auf bedingte Entlassung vor seiner Flucht abgelehnt worden wäre, weil adäquate soziale Kontakte noch hätten aufgebaut werden müssen. Sie konnte jedoch nicht darlegen, dass in der Vergangen- heit alles getan worden war, um Vollstreckungserleichte- rungen zu fördern, bzw. dass dies künftig geschehen wird. Vor diesem Hintergrund war die von der portugiesischen Seite geforderte Zusicherung nicht möglich. Zu Frage 2: Auf die Antwort zu Frage Nr. 1 wird verwiesen. Mit dem Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz wurde die Angelegenheit mehrfach erörtert. Das Landes- justizministerium forderte in Würdigung der berechtigten Bedenken des Bundesministeriums der Justiz einen er- gänzenden Bericht der Staatsanwaltschaft Frankenthal an. Auch das Landesjustizministerium war der Ansicht, dass eher nicht mit einer längeren weiteren Haftdauer zu rech- nen sei, wenn der Betroffene sich freiwillig der weiteren Strafvollstreckung stelle. Einvernehmen zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Justizministerium des Landes Rheinland-Pfalz bestand auch hinsichtlich der Tatsache, dass das Bundesministerium der Justiz die er- forderliche Zusicherung nicht abgeben kann, wenn von den zuständigen Stellen der Landesjustizverwaltung das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Zusicherung im konkreten Einzelfall nicht dargetan wird. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 30. November 2000 zur Än- derung des Europol-Übereinkommens (Tages- ordnungspunkt 38 e) Ich stimme für den Änderungsantrag der PDS-Frak- tion, weil ich für die Einheit von Reden und Handeln bin. Bei meiner Abstimmung gehe ich von Positionen aus, die die große Mehrheit des Hauses teilt: Wir alle sind stets für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Europäischen Union eingetreten. Das gilt auch für die Verfahren zur Verfolgung von Straftaten. Wir haben ge- meinsam der Einrichtung eines internationalen Strafge- richts zugestimmt und in diesem Zusammenhang sogar das Grundgesetz geändert. Von dieser gemeinsamen Haltung ausgehend halte ich es für nicht erträglich, dass die Bundesrepublik Deutschland das strafrechtliche Ermittlungsverfahren des EU-Staats Österreich dadurch leer laufen lässt, dass hinsichtlich eigener Staatsbedientester das Privileg der Staatenimmu- nität geltend gemacht wird. Hier ist eine erneute Selbstprüfung erforderlich. Diese würde die Annahme des Änderungsantrags ermöglichen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO derAbgeordneten Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Entlassung des Bundesministers der Vertei- digung Rudolf Scharping (Zusatztagesord- nungspunkt 13) Einer Entlassung von Verteidigungsminister Rudolf Scharping werde ich diesmal noch nicht zustimmen, son- dern mit Enthaltung votieren. So vordergründig die Absicht der FDP sein mag, die zu diesem Antrag führte, so klar ist auch ein anderes: SPD und Grüne würden – säßen sie in der Opposition – ebenso agieren. Das ist nicht nur legitim, es ist eigentlich – angesichts der Fakten – auch zwingend, wenn Ehrlichkeit und Ver- lässlichkeit Kategorien der Politik sein sollen. Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Scharping mit Halbwahrheiten oder Falschinformationen agiert und Ver- sprechen nicht hält. Ich erinnere nur an die Informations- politik zum Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Für mein heutiges Abstimmungsverhalten ausschlag- gebend ist allerdings das unüberbrückbar weite Ausein- anderklaffen von Wort und Tat hinsichtlich einer zivilen Nutzung des früheren Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide. Rudolf Scharping hat in dieser Frage im Wahlkampf 1994, also als damaliger Kanzler- kandidat der SPD, den Bürgerinnen und Bürgern eine zivile Nutzung des durch brutale Enteignung entstande- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223624 (C) (D) (A) (B) nen russischen Übungsplatzes versprochen. Als Verteidi- gungsminister aber hat er das Parlament wissentlich getäuscht und im neuen Truppenübungsplatzkonzept die Weiterführung der Garnison Wittstock beschließen las- sen, einer Garnison, die es gar nicht gibt und die erst mit weit über 100 Millionen Euro, mit Geld, das wir nicht ha- ben, aus Ruinen entstehen müsste. Ich gebe zu, dass ich der Meinung bin, dass Politiker, die wie Rudolf Scharping ihr Wort, ohne mit der Wimper zu zucken, brechen und uns Abgeordnete falsch informie- ren, vom Parlament zum Rücktritt aufgefordert werden sollten. Wenn ich mich dennoch heute der Stimme enthalte, dann nur, um Herrn Scharping die Möglichkeit einzuräu- men, schnellstens eine Kehrtwende in dieser Frage zu vollziehen. Das ist inhaltlich und erst recht moralisch ge- boten. Herr Scharping! Zerstören Sie nicht grundlos Arbeits- plätze in Bayern, wo Sie eine Garnison – wie sie in Witt- stock entstehen soll – schließen wollen, obwohl die Be- völkerung dort sie behalten will! Zerstören Sie mit einem Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide nicht eine der schönsten Ferienregionen Deutschlands, die bis zur Mecklenburgischen Seenplatte und dem Nationalpark Müritz reicht! Nutzen Sie die Chance, Ihr Wahlverspre- chen einzulösen, und die Bürgerinnen und Bürger werden sich dankbar erinnern. Sollten Sie im Wortbruch bleiben, werde auch ich öf- fentlich ihren Rücktritt fordern. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Simmert, Annelie Buntenbach und Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Entlassung des Bundesmi- nisters der Verteidigung Rudolf Scharping (Zu- satztagesordnungspunkt 13) Die Absetzung des Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping, SPD, lehnen wir ab, obwohl auch wir erhebliche Zweifel haben an der haushaltsrechtlichen Korrektheit des Vorgehen des Verteidigungsministeriums sowie an seinen Positionen in anderen, uns zentralen po- litischen Fragen. Die Wahlkampfstrategie der FDP, den Versuch zu unternehmen, den Verteidigungsminister vier Monate vor der Bundestagswahl absetzen zu wollen und damit die rot-grüne Regierung insgesamt auszuhebeln, ist durchsichtig. Dies werden wir nicht unterstützen. Die Ablehnung des Antrags der FDP rechtfertigt aller- dings keineswegs den Umkehrschluss, dass wir uns hinter den Bundesverteidigungsminister und seine Politik stel- len können und wollen. Wir teilen die begründeten haus- haltsrechtlichen Zweifel am Rüstungsauftrag des Militär- Airbus. Darüber hinaus können wir aufgrund des NATO- Bombardements und unserer Kritik an der deutschen Beteiligung am Kosovo-Krieg sowie der Haltung des Ver- teidigungsministers in diesem Zusammenhang ihm das Vertrauen nicht aussprechen. Gleiches gilt für die Entsen- dung deutscher Soldaten nach Afghanistan und die Betei- ligung der Bundesrepublik Deutschland an „Enduring Freedom“. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Zentrum gegen Vertreibungen – Für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen (Tagesordnungspunkt 11 a und b, Zusatztages- ordnungspunkt 16) Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister im Bundes- kanzleramt: Die Vertreibung der Deutschen im und nach dem Zweiten Weltkrieg hat die deutsche Nachkriegsge- schichte insgesamt wesentlich mitgeprägt. Angesichts des Ausmaßes des je individuell erfahrenen Leids und ange- sichts der Zahl der Opfer – Schätzungen gehen von über 14 Millionen Vertriebenen aus, von denen Hunderttau- sende starben – ist dies nur zu verständlich. Gleichwohl unterliegt die Art und Weise der Thematisierung von Ver- treibungen sich wandelnden, zeitgeschichtlich bedingten Rahmenbedingungen. Ein moralisch und politisch ange- messener Umgang mit dem Thema verlangt meines Er- achtens, dass wir diese veränderten Bedingungen in den Blick nehmen. Bezogen auf die Bundesrepublik, das heißt unter Aus- klammerung des Umgangs bzw. Nicht-Umgangs mit der Vertreibungsproblematik in der DDR, denke ich hier ins- besondere an die neue Rolle, die dem Thema Vertreibung im Kontext der Entspannungspolitik ab den 60er-Jahren zugewiesen wurde. Während in den 50er-Jahren – nicht nur, aber doch vor allem – Fragen der sozialen und kul- turellen Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen im Mittelpunkt standen, unterlag die Thematisierung der Problematik vor dem Hintergrund der neuen Ostpolitik zugleich einer Verengung und Polarisierung. Die Vertrie- benen und ihre Verbände brandmarkten die Entspan- nungspolitik in erster Linie als Verrat. Das komplexe Thema Vertreibung wurde so – nicht frei von revanchis- tischen Tönen – auf die Frage der staatlichen Grenzen Deutschlands reduziert. Dieser verengten Sichtweise korrespondierte auf der Seite der Befürworter der Ent- spannungspolitik eine weitgehende Tabuisierung. Allein das Ansprechen der im Zuge der Vertreibungen verübten Verbrechen galt nicht selten als Ausweis einer aggressi- ven, gegen den Geist der Entspannung gerichteten Hal- tung. Seit 1989 hat sich die politische Konstellation grund- legend gewandelt. Die Prämissen des Kalten Krieges sind außer Kraft gesetzt und mit ihnen entfielen die Gründe für eine Tabuisierung des Themas Vertreibung. Ein zweites, dunkles Moment trat nach 1989 hinzu: das Bewusstsein für die Gegenwärtigkeit von Vertreibung, auch hier in Europa. Ich erinnere nur an die schrecklichen Entwick- lungen im ehemaligen Jugoslawien. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23625 (C) (D) (A) (B) Noch eine weitere Randbedingung der gegenwärtigen Diskussion scheint mir bedeutsam zu sein: Angesichts der voranschreitenden Integration innerhalb der Europä- ischen Union und ihrer Erweiterung insbesondere nach Osten wächst das Interesse an einer europäischen – und das heißt nicht nationalstaatlich verengten – Sicht auf historische Prozesse. Vor diesem Hintergrund gibt es auch gerade bei der jüngeren Generation eine neue Aufmerk- samkeit für deutsche Geschichte, verstanden als Teil der europäischen Geschichte. Wir sollten die nach dem Ende des Kalten Krieges ver- änderte Grundkonstellation als Chance begreifen, für ei- nen breiten, genuin europäischen Dialog über Flucht und Vertreibung. Eines dürfen wir allerdings nicht zulassen: dass die Erinnerung an die Rolle Nazi-Deutschlands als Aggressor, als Initiator eines verbrecherischen Vernich- tungskrieges verblasst. Und wir dürfen auch nicht zulas- sen, dass mit Blick auf die Vertreibungen eine neue Auf- rechnungsdiskussion beginnt. Der Respekt vor den Opfern, der je individuellen Würde der Opfer verbietet jede Form von Instrumentalisierung. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU nimmt Bezug auf eine Initiative des Bundes der Vertriebenen. In einem ersten Gespräch habe ich Ende März vergangenen Jahres mit Frau Steinbach die Pläne zur Einrichtung eines Zen- trums gegen Vertreibung erörtert und dabei meine prinzipi- elle Zustimmung signalisiert. Ich habe allerdings bereits seinerzeit darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht keine thematische Engführung eines solchen Zentrums ge- ben darf in dem Sinne, dass nur die Vertreibung von Deut- schen Gegenstand wäre. Wenn ein solches Zentrum seinem Thema gerecht werden soll, muss es europäisch ausgerich- tet sein und eine enge Kooperation mit unseren europä- ischen Partnern anstreben. Der Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterstreicht – auch vor dem eben skizzierten historischen Hintergrund – zu Recht, dass dieses Projekt keine rein nationale Aufgabe sein kann. Ein Zentrum gegen Vertreibung sollte meines Erach- tens vor allem zwei Aufgaben gerecht werden. Es sollte erstens umfassend über Vertreibungen und ihre Hinter- gründe informieren, auch mit Blick auf die immer noch und wieder gegebene Aktualität des Themas. Zum Zwei- ten sollte es einen Beitrag dazu leisten, Erinnerung zu be- wahren, Erinnerung nicht zuletzt an die schwerwiegenden menschlichen, sozialen und kulturellen Verluste, die mit Vertreibung verbunden waren und verbunden bleiben werden. Dass dabei, wie dies auch der Antrag der Regie- rungsfraktionen hervorhebt, die persönlich Betroffenen an prominenter Stelle einzubeziehen sind, ist aus meiner Sicht ein inhaltlicher Kernpunkt. Wir sollten uns in der gesamten Diskussion zunächst auf die inhaltlichen Fragestellungen konzentrieren. Wich- tig scheint mir dabei in erster Linie zu sein, dass ein eu- ropäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibung ein Forum für alle Betroffenen und für alle interessierten Bür- gerinnen und Bürger bietet. Das Zentrum würde weder der moralischen noch der politischen Dimension seines Gegenstandes gerecht, wenn es zu einer Fokussierung auf einzelne Gruppen käme. Mit Blick auf die Entwicklung der Konzeption für ein Zentrum gegen Vertreibung ist es von eminenter Bedeu- tung, dass wir auf breiter Ebene Sachverstand einholen. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die vom Haus der Geschichte in Bonn bereits begonnenen Vorarbeiten für ein Ausstellungsprojekt zur Vertreibung der Deutschen hin. Ich erinnere auch an die neuen Akzente, die meine Behörde im Bereich der Förderung nach § 96 des Bun- desvertriebenengesetzes seit 1998 gesetzt hat; Stichwort etwa Kulturgeschichte im östlichen Europa. Auch die hier gemeinsam mit den Partnern in unseren östlichen Nach- barländern gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse könnten in die Konzeption eines europäisch orientierten Zentrums gegen Vertreibung einfließen. Gegenüber den inhaltlichen Fragestellungen sind aus meiner Sicht die Fragen nach der Trägerschaft und nach dem künftigen Ort des Zentrums gegenwärtig nicht prio- ritär. Ich habe mit Freude registriert, dass sich auf der Seite unserer polnischen Nachbarn prominente Personen für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertrei- bung ausgesprochen haben. Ich plädiere allerdings dafür, die Frage des Zentrumssitzes jetzt nicht in einer Weise in den Vordergrund zu stellen, die die entscheidenden in- haltlichen Aspekte überdecken würde. Und ich erlaube mir auch den Hinweis, dass alle Seiten gleichermaßen in die Debatte einbezogen werden sollten, beispielsweise auch unsere tschechischen Partner. Eine aufgeklärte nationale Identität Deutschlands ver- langt einen offenen Umgang mit dem Thema Vertreibung, auch der Vertreibung der Deutschen im Osten. Wir sollten den Dialog über die Einrichtung eines Zentrums gegen Vertreibung auf europäischer Ebene führen – eingedenk der Tatsache, dass die früheren Siedlungsgebiete der Deut- schen im Osten von einem reichen kulturellen Geflecht ge- prägt sind, zu dessen Entstehung vielfältige Einflüsse beigetragen haben: jüdische, polnische, tschechische, deutsche, um nur einige zu nennen. Dieses gemeinsame Erbe Europas muss bewahrt und fortentwickelt werden. Ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibun- gen wäre dazu ein wegweisender Beitrag. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zum Bürokratieabbau für kleine und mittelständische Betriebe – Bericht: Förderung der Innovation im Mittel- stand (Tagesordnungspunkt 13 a und b) Rolf Kutzmutz (PDS):Wie ich schon Ende Januar den verehrten Kollegen Börnsen und Riesenhuber bei der ers- ten Lesung angekündigt habe, wird die PDS ihren Antrag „Förderung der Innovation im Mittelstand“ unterstützen, wie wir dieselben Forderungen der CDU/CSU bereits im November in den Haushaltberatungen zugestimmt haben, weil sie ja auch teilweise den zeitlich vorher eingebrach- ten PDS-Anträgen entsprachen. Mehr Finanzsicherheit für indirekte Forschungszu- sammenarbeit, industrielle Gemeinschaftsforschung, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223626 (C) (D) (A) (B) Programme für Forschung und Entwicklung in den neuen Ländern, NEMO, die Beteiligungsförderung in technolo- gieorientierten Unternehmen sowie zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in klei- neren Betrieben sind unbedingt erforderlich. So berechtigt jedoch die Kritik an der so genannten Fortschreibung des Innovationskonzepts von 1997 durch Rot-Grün ist – das Eigenlob für das Konzept der Kohl-Ära im Feststellungsteil des Antrages stinkt dennoch mächtig. Denn weder früher noch heute scheinen die Christdemo- kraten bereit, Fördervoraussetzungen für mittelständische Technologieprogramme auf ökologische und soziale Kri- terien zuzuschneiden. Kriterien wie Energie- und Res- sourceneffizienz und Schadstoffminderung müssen und können Eingang in die Technologieförderung in kleineren und mittleren Unternehmen finden. Auch reichen die Wurzeln der heutigen Finanzmisere der Förderkulisse zweifellos bis weit in die schwarz-gelbe Regierungszeit zurück. Wir stimmen dem Antrag dennoch zu – um die CDU/ CSU beim Wort zu nehmen, falls sie einmal wieder in Ver- antwortung geraten sollte. Wir werden sie dann auf alle Fälle an ihre hehren Bekundungen von heute erinnern und sie daran messen! Zum zweiten Gegenstand dieser Debatte. Beim Ge- setzentwurf zum Bürokratieabbau für KMU hatte ich zur ersten Lesung im November vorigen Jahres unsererseits eine ernsthafte Prüfung zugesagt, denn der Verzicht auf unnötige Bürokratie ist natürlich äußerst sinnvoll. Mit der Pflicht zur Buchführung müssen Unternehmen strengere und umfassendere Rechnungslegungsvorschriften als mit der einfacheren Überschussrechnung erfüllen. Höhere Anforderungen bestehen insbesondere hinsichtlich der Vermögensverhältnisse des Unternehmens. Diese wenigs- tens an einer Stelle seriös erkennen zu können, daran müs- sen aber neben dem Finanzamt vor allem auch Gläubiger und Handelspartner ein Interesse haben. Womit wir beim Pferdefuß einer großzügigen Libera- lisierung sind. Zu Recht beklagen wir alle den rasanten Rückzug der Banken aus der Unternehmensfinanzierung unter der Flagge von Basel II, brandmarken wir die mi- serable Zahlungsmoral, unter der vor allem kleinere Un- ternehmen zusammenbrechen. Andererseits kann auch niemand die Augen davor verschließen, dass Finanzie- rungen oder Beteiligungen allzu oft tatsächlich man- gelnde Transparenz der Kapital bzw. Geschäfte Suchen- den gegenübersteht. Insoweit stünde bei Umsetzung dieses Gesetzentwurfes nicht nur „Bürokratieabbau“ ge- gen „Aufgabe von Sicherheit“, sondern möglicherweise sogar Verzicht auf bessere Finanzierungs- und damit Zu- kunftschancen. Ich weiß nicht, ob das im Überschwang der neuen Frei- heit wirklich alle Begünstigten hinreichend überschauen würden. Auch ist unklar, ob dieser Antrag wirklich prak- tisch relevant ist. Schließlich würde das bedeuten, dass eine größere Zahl bisher nicht buchführungspflichtiger Unternehmen einen Jahresumsatz jenseits der heute schon gültigen Schwelle von 260 000 Euro erwirtschaftet. Das ist aber zu bezweifeln. Aus diesen Gründen wird sich die PDS bei der Ab- stimmung zu diesem Punkt enthalten. Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minsiter für Wirtschaft und Technologie: Die Bundesre- gierung setzt auf Forschung und Innovation. Wir haben in dieser Legislaturperiode mit unserer Technologie- und In- novationspolitik wichtige Impulse für Wachstum und zu- kunftsfähige Arbeitsplätze gegeben. Deutschland ist in den letzten Jahren wieder zu einem international hochat- traktiven Innovationsstandort geworden. Die Entwicklung des Bundeshaushalts macht eindrucks- voll deutlich: Wir haben für Innovation, Forschung und Technologie deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt als die Vorgängerregierung – und dennoch die öffentlichen Haushalte konsolidiert. Die Innovationsbudgets von BMWi und BMBF wurden von insgesamt 6,1 Milliarden Euro im Jahr 1998 auf 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2002 gesteigert. Das ist ein Aufwuchs von 18 Prozent . Gerade kleine und mittlere Unternehmen – das Rück- grat unserer Wirtschaft – spielen eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung von FuE-Ergebnissen und neuen Techno- logien. Ihnen gilt auch 2002 ein Hauptaugenmerk im BMWi-Haushalt: Rund 540 Millionen Euro stellen wir für „Forschung, Entwicklung und Innovation für den Mittel- stand“ in diesem Jahr bereit. Davon wurden Mittel in Höhe von fast 90 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren zusätzlich in den Haushalt eingestellt. Gegenüber dem Ansatz von 2001 ist das eine Steige- rung von rund 14 Prozent zum Teil zur Bedienung von Altverpflichtungen aus dem BTU-Programm – ein deutli- ches Signal im Innovationsbereich. Daneben wurden im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms wichtige Akzente auch bei der Energieforschung gesetzt. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Förderung der Innovation im Mittelstand“, der im Rahmen der noch lau- fenden parlamentarischen Beratungen und vor der Verab- schiedung des Bundeshaushalts 2002 eingebracht wurde, ist schon lange überholt. Auch im kommenden Regierungsentwurf für den Haushalt 2003 werden wir bei Forschung und Entwick- lung wieder einen Schwerpunkt setzen, um der Wirt- schaft in diesem Bereich Planungssicherheit und eine verlässliche Perspektive zu bieten. Dies gilt in besonde- rem Maße für die kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Ländern, die wir weiterhin zielgerichtet unter- stützen werden. Außerdem wird mit dem Haushalt 2003 der Einstieg in das neue Luftfahrtforschungsprogramm beginnen, um so auch für diese hochinnovative Schlüs- selbranche einen stetigen und verlässlichen Förderrah- men zu gewährleisten. Vor allem kommt es darauf an, was wir mit den Mitteln konkret bewirken: Bundesministerin Bulmahn und Bun- desminister Müller haben kürzlich mit dem gemeinsamen Konzept „Innovationspolitik“ auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 29. April 2002 zur Vorstellung der Broschüre „Innovationspolitik – Mehr Dynamik für zukunftsfähige Arbeitsplätze“ eine positive Bilanz der Aktivitäten für Technologie und Innovation gezogen: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23627 (C) (D) (A) (B) Gründung und Entwicklung von technologieorientierten Unternehmen, Forschungskooperationen und innovative Netzwerke, aber auch technologische Beratung erhalten wichtige Anreize. Durch die Erhöhung der Haushalts- ansätze konnten wir zielgenau neue Initiativen wie PRO INNO und die „Förderung von innovativen Netzwerken“, InnoNet, starten. Die Industrieforschung in den neuen Ländern hat be- sondere Priorität. Auf sie entfällt rund die Hälfte der BMWi-Mittel für innovative kleine und mittlere Unter- nehmen, nämlich rund 270 Millionen Euro im Ansatz 2002. Zur Unterstützung des Aufbaus von innovativen Un- ternehmensnetzwerken in Ostdeutschland haben wir Ende Februar den „Förderwettbewerb Netzwerkmanagement- Ost“, NEMO, gestartet. Effizienter und transparenter Einsatz der Haushalts- mittel und – darauf legen wir besonderen Wert – eine Technologieförderung, die auf die künftigen Anforderun- gen des Mittelstandes umfassend ausgerichtet ist –, das ist ein Anspruch, dem wir uns dauerhaft stellen. Das BMWi hat sein auf Forschungskooperation und Netzwerkbildung gerichtetes Fördersystem evaluieren lassen. Die unabhängige Kommission hat sich nach- drücklich für die Fortsetzung dieser Unterstützung ausge- sprochen. Ihre Empfehlungen zur Neuausrichtung der wirtschaftsintegrierenden Forschungsförderung wollen wir in differenzierten Zeitschritten umsetzen. Doch Förderung ist nur ein Aspekt der Unterstützung des innovativen Mittelstandes. Von prioritärer Bedeutung sind strukturelle Reformen, die wir mit Erfolg in Angriff genommen haben: Wir haben die Steuerreform auf den Weg gebracht, die den Unternehmen neuen Spielraum für Innovationen verschafft. Und wir haben die Öffnung der Märkte vorangebracht. Zu nennen sind Fortschritte im Telekommunikationsbereich sowie bei der Öffnung der Strom- und Postmärkte. Ein Wort zum Entwurf eines „Gesetzes zum Büro- kratieabbau für kleine und mittlere Betriebe“ der Frak- tion der CDU/CSU. Als Mittelstandsbeauftragte liegen mir bürokratische Erleichterungen gerade auch für kleine Unternehmen sehr am Herzen. Schon weit vor dem Antrag der Opposition hat daher das BMWi die An- hebung der Buchführungsgrenzen als eine sinnvolle Maßnahme identifiziert, um den kleinen Unternehmen zu helfen, nachzulesen im Bericht „Abbau bürokrati- scher Hemmnisse“ aus März 2001, vier Monate vor dem Oppositionsantrag. Auch das Bundesfinanzministerium teilt unsere Sicht der Dinge. Es führt in dieser Sache ei- nen engen Dialog mit den Ländern. Hier sind zum Bei- spiel noch Fragen zu klären, in welchem Umfang eine Standardisierung der Einnahme-/Überschussrechnung notwendig sein könnte. Um Entscheidungen auf mög- lichst umfassender Faktengrundlage zu treffen, sollte das Ergebnis dieser Erörterungen zunächst abgewartet werden. Wir werden hier am Ball bleiben, damit zügig in der nächsten Legislaturperiode unsere Ideen umgesetzt werden. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Entschließungsantrages: Zu- kunft der deutschen Messewirtschaft in der Glo- balisierung (Tagesordnungspunkt 14) Rolf Hempelmann (SPD): Die deutsche Exportwirt- schaft ist einer der wichtigsten Antriebsmotoren für un- sere Wirtschaft. Deutsche Produkte sind international wettbewerbsfähig, weil nicht nur ihr Preis, sondern vor allem ihre Qualität herausragend ist. Um ihre Produkte in aller Welt und vor allem auf bisher noch wenig erschlos- senen Märkten bekannt zu machen, nutzen deutsche Un- ternehmen vor allem zahlreiche Fachmessen im In- und Ausland. Denn die persönliche Kommunikation ist noch immer zentraler Bestandteil aller Werbe- und Marke- tingstrategien. Dafür bilden Messen seit Jahrhunderten – daran haben auch die neuen Medien nichts geändert – eine ideale Plattform. Erfreulich ist vor diesem Hintergrund, dass der Messe- standort Deutschland im internationalen Vergleich zu den wichtigsten gehört und sich wachsender Beliebtheit bei Kunden und Ausstellern aus dem Ausland erfreut. Sowohl die Zahl der Aussteller als auch die der Besucher und der vermieteten Ausstellungsflächen stieg in den letzten Jah- ren an. Zwei Drittel der weltweit führenden Messen fin- den in unserem Land statt. Diese Entwicklung begrüßen wir ausdrücklich. Der Messestandort Deutschland ist kon- kurrenzfähig, die deutsche Messewirtschaft funktioniert. Deshalb halte ich Ihre Forderung nach einem eu- ropäisch abgestimmten Messekonzept, das bestimmte Messestandorte besonders fördern soll, für kontrapro- duktiv: Wir haben im Bereich der Messewirtschaft seit dem Mittelalter einen funktionierenden Wettbewerb. Dass gerade Sie von der CDU/CSU, die Sie stets mehr Wett- bewerb predigen, ihn in diesem funktionierenden und his- torisch gewachsenen Markt außer Kraft setzen wollen, verwundert mich sehr. Mit uns wird es das nicht geben. Wir wollen den Wettbewerb hier aufrechterhalten und den Messestandort Deutschland auch weiterhin im Rahmen des Möglichen stärken. Aber sehen wir an dieser Stelle ganz klar: Die direkte finanzielle Inlandsmesseförderung ist Sache der Länder und liegt nicht im Kompetenzbereich der Bundesregierung. Dennoch lässt die Bundesregierung die Inlandsmesseför- derung natürlich nicht außer Acht. Sie engagiert sich hier vor allem durch den Ausbau der notwendigen Infrastruktur. Das passiert, weil die Bundesregierung die Bedeutung des Messestandortes Deutschland für verschiedene Wirt- schaftsbereiche, zum Beispiel für die Exportwirtschaft, aber auch für die Tourismusbranche, anerkennt. Die direkte Förderung von Messebeteiligungen kon- zentriert die Bundesregierung auf die Auslandsmessen. Dort nutzt die exportierende Wirtschaft die Möglichkeit, ihre Produkte international bekannt zu machen. Durch die zunehmende Öffnung der internationalen Märkte ist die Präsentation deutscher Produkte auf Auslandsmessen zu- nehmend bedeutsam. Jedoch ist gerade für kleine und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223628 (C) (D) (A) (B) mittlere Unternehmen die Finanzierung solcher Mes- seauftritte mit hohen finanziellen Risiken verbunden. Be- sonders für diese Unternehmen gibt es das Instrument der Förderung von Messeauftritten deutscher Unternehmen im Ausland. Es hat in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass die exportierende Wirtschaft auch im Ausland erfolgreich auf ihre Produkte aufmerksam ma- chen kann. Bereits jetzt ist die Messeförderung nach dem Ausfuhrgewährleistungssystem zum zweitwichtigsten Mit- tel der Exportförderung avanciert. Über die herausragende Bedeutung der Auslandsmes- seförderung herrscht in diesem Haus, soweit ich sehe, Ei- nigkeit. Einig sind wir uns auch darüber, dass zur Unter- stützung deutscher Messeauftritte im Ausland alles getan werden muss, was möglich ist. Genau das ist der zentrale Punkt: Das Mögliche muss getan werden, aber es muss auch verantwortbar bleiben. Auch wir würden das Aus- landsmessewesen gerne stärker finanziell unterstützen. Deshalb haben wir im Zuge der Beratungen zum Haus- halt 2002 Umschichtungen im Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie vorgenommen und den Etat für die Förderung von Auslandsmessebeteiligungen gegenüber dem ursprünglichen Ansatz angehoben. Aber wie der kürzlich verstorbene Unternehmer Philipp Rosenthal einmal gesagt hat: „Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen. Wer immer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität“. Genau das ist der schmale Grat, auf dem wir uns hier bewegen. Mehr Geld als 33,5 Millionen Euro im Jahr 2002 bereitzustellen war nicht möglich. Ich kann Ihnen auch sagen, warum: Weil Sie, die heutige Opposition von CDU/CSU und FDP, während Ihrer Regierungszeit einen Schuldenberg von 1,5 Billionen DM aufgebaut und uns hinterlassen haben. Die fatalen Auswirkungen dieser Po- litik von 16 Jahren Kohl-Regierung haben uns nicht nur während der letzten vier Jahre begleitet, wir werden sie auch in den nächsten Jahren weiterhin spüren. Sie haben einfach zu spät an die Kosten gedacht und genau diesen Fehler machen wir nicht. An unserer Politik der Haushaltskonsolidierung geht kein Weg vorbei. Folgte man Ihren zahlreichen Forderun- gen und Vorschlägen, wie sie unter anderem von Ihrem Spitzenkandidaten Stoiber zu hören, aber auch in Ihrem Wahlprogramm nachzulesen sind, würde das den Bun- deshaushalt mit sage und schreibe zusätzlich 50 Milli- arden Euro belasten. Sie propagieren die flotte Formel dreimal 40 und wollen damit sowohl der Wirtschaft als auch den Bürgerinnen und Bürgern vorgaukeln, unter ei- nem Kanzler Stoiber mehr Geld im Portemonnaie zu ha- ben. In der Realität würde es jedoch ganz anders ausse- hen: Die Verschuldung würde weiter ansteigen, denn Ihre Vorstellungen sind schlicht und ergreifend nicht finan- zierbar. Diese von Ihnen geplante unsolide Haushaltspo- litik würde weitere langfristige Schäden in der deutschen Wirtschaftslandschaft verursachen, denn die unvermeid- baren Konsequenzen wären weitaus tiefere und schmerz- haftere Einschnitte im Bundeshaushalt, als die aktuelle Bundesregierung sie in dieser Legislaturperiode vorge- nommen hat. Mit einer SPD-geführten Bundesregierung wird es diese unverantwortliche Politik nicht geben. Die vorgenommenen Einsparungen waren notwendig. Des- halb hat es auch im Bereich der Auslandsmessen eine Ab- senkung des Etats von 35,8 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 33,5 Millionen Euro im Jahr 2002 gegeben. Im Übrigen hat die Erfahrung gezeigt, dass die finan- zielle Förderung vor allem für kleine und mittlere Unter- nehmen zwar wichtig, aber nicht allein Heil bringend ist. Zentral für diese Firmen sind neben der finanziellen vor allem die praktische und infrastrukturelle Unterstützung bei Messeauftritten im Ausland. In diesem Bereich enga- giert sich die aktuelle Bundesregierung – allein oder teil- weise auch in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirt- schaft. Als Beispiel will ich an dieser Stelle das im letzten Jahr geschaffene Außenwirtschaftsportal im Internet, „iXPOS“, nennen. Es informiert über Länder und Bran- chen, Finanzierungs- und Rechtsfragen sowie aktuelle Termine und vermittelt Geschäftsund Ansprechpartner. Auch die Bundesagentur für Außenwirtschaft, bfai, liefert Know-how über Messebeteiligungen in zahlreichen Län- dern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen, haben die Möglichkeit, sich auf diesen Wegen einfach sowie Zeit und Kosten sparend über die wichtigsten Rahmen- bedingungen für ihren Messeauftritt zu informieren. Als wichtige Dienstleister erweisen sich auch die deutschen Botschaften im Ausland, die ihre Aufgaben zunehmend als Türöffner für deutsche Unternehmen verstehen. Da- rüber hinaus seien die Außenhandelskammern erwähnt, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Techno- logie in zahlreichen Ländern fördert. Sie sind ebenfalls beratend tätig und bei der Organisation von Messeauftrit- ten im Ausland behilflich. Diese praktische Hilfe ist ge- rade für Neulinge oft wichtiger als die Erstattung von Kosten eines Messeauftritts im Ausland, der nämlich ohne die notwendigen Hintergrundinformationen oft erst gar nicht hätte zustande kommen können. Darüber hinaus hat die Wirtschaft selbst Wege gefun- den, Informationen und Hilfestellungen für Unternehmen anzubieten, die ihre Produkte auf Messen im Ausland prä- sentieren wollen. Insofern kann ich Sie beruhigen, was Ihre Forderung nach einem Förderkonzept für kleinere und mittlere Unternehmen betrifft. Bereits jetzt profitieren ge- rade diese Unternehmen sowohl von der finanziellen Aus- landsmesseförderung – hier beträgt der Anteil von KMU über 85 Prozent – als auch von den anderen Aktivitäten der Bundesregierung im infrastrukturellen Bereich. Sie sehen also selbst, Ihr Entschließungsantrag ist in vielerlei Hinsicht obsolet geworden. Deshalb lehnen wir ihn auch ab. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Gute Ware lobt sich selbst – das ist eine alte Weisheit. Doch oft könnte sie konsequenter umgesetzt werden. Waren und Dienstleistungen müssen vorgestellt, ange- fasst und ausprobiert werden, damit ihre Qualität erkannt wird. Messen bieten dafür hervorragende Chancen, Mes- sen gehören zu den wichtigsten Kommunikationsinstru- menten der Wirtschaft. Sie dienen dazu, Innovationen zu präsentieren, den Bekanntheitsgrad des eigenen Unterneh- mens zu erhöhen, die Wettbewerbssituation zu analysieren sowie Kontakte zu alten und neuen Kunden herzustellen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23629 (C) (D) (A) (B) Jährlich werden in Deutschland 130 bis 150 überregio- nale und internationale Messen und Ausstellungen durch- geführt. Trotz des konjunkturellen Abschwungs und des Rückgangs des Außenhandelswachstums gab es im letz- ten Jahr mehr Aussteller als je zuvor: 171 000. Das ent- spricht einem Plus von 3 Prozent. Bei den Besuchern wurde die 10-Millionen-Grenze mit 10,7 Millionen deut- lich überschritten. Die verbesserte Messeförderung aus den 90er-Jahren trägt weiter Früchte. Rund 50 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland, davon ein Drittel aus Ländern außerhalb Europas, und Devisen kommen in unser Land. Von den Besuchern reist knapp ein Fünftel aus dem Ausland an, davon wiederum rund 20 Prozent aus Übersee. Kein anderes Messeland erreicht vergleichbare Größenordnungen. Deutschland ist Messeland Nummer eins in der Welt. Die Grundlagenschaffung vor 10 Jahren hat ebenso dazu beigetragen wie die aktive Arbeit des AUMAund die Aufgeschlossenheit unserer Unternehmen der Messegesellschaften. Für die deutsche Wirtschaft haben Messebeteiligungen einen besonders hohen Stellenwert im Kommunikations- mix. So fließen in der Investitionsgüterindustrie rund ein Drittel sämtlicher Ausgaben für Marktkommunikation in Messebeteiligungen – mit steigender Tendenz. Doch ge- rade in diesem Segment sind kleine und mittelständische sowie neu gegründete Unternehmen benachteiligt. Sie können oft die hohen Kosten einer Messebeteiligung nicht aufbringen, der Mittelstand geht leer aus. Hier ist die Politik gefragt. Stattdessen hat die Bundesregierung der gezielten Förderung für kleine und mittelständische Un- ternehmen eine klare Absage erteilt, so nachzulesen in der Antwort auf Frage 10 unserer Großen Anfrage. Sie schiebt die Verantwortung den regionalen Industrie- und Han- delskammern sowie den Handwerkskammern zu. Besonders gravierend ist die vernachlässigte Aus- landsmesseförderung. Für 2002 stehen fast 10 Prozent weniger Mittel gegenüber dem Vorjahr zur Verfügung. Der Ausstellungs- und Messeausschuss der Deutschen Wirtschaft hat deshalb die Absage von 10 bis 15 Messe- beteiligungen in den Monaten November und Dezember angekündigt. Das bedeutet umgerechnet einen Verlust von bis zu 3 Milliarden Euro für die Wirtschaft. Für 2003 plant die rot-grüne Bundesregierung, den Etat noch ein- mal von derzeit 33,5 Millionen Euro auf dann 27 Milli- onen Euro zu kürzen. Daraus sollen nach der Vorstellung von Bundesfinanzminister Eichel auch noch die zusätzli- chen außerplanmäßigen Vorlaufkosten für eine so ge- nannte kleine Weltausstellung in Paris im Jahre 2004 be- stritten werden. Breit verteilt, weniger effektiv! Für eine Exportnation wie Deutschland hat dies gra- vierende Rückwirkungen auf Arbeitsmarkt und Steuer- einnahmen. Das Finanzwissenschaftliche Forschungs- institut der Uni Köln hat festgestellt: Die vom Bund 2001 eingebrachten 35,7 Millionen Euro für Messebeteiligun- gen im Ausland haben ein Exportvolumen von mindes- tens 3,5 Milliarden Euro induziert; damit sind verknüpft 20 000 Arbeitsplätze. Die Folgen solcher Förderung: Ein Mehr an Steuereinnahmen von 167 Millionen Euro, da- von 75 Millionen Euro allein für den Bund. Der Einsatz von 35 Millionen Euro hat sich mehr als verdoppelt. Die mittelbaren Folgeeffekte sind dabei noch gar nicht mitge- zählt. Auch ordnungspolitisch wird der Auslandsmesse- förderung Unbedenklichkeit bescheinigt. Sie stützt und stärkt den Markt, sie gleicht Wettbewerbsnachteile für kleinere und mittlere Unternehmen aus. Die mittelständische Wirtschaft bildet das Rückgrat der gesamten deutschen Wirtschaft. Über 85 Prozent der 4 500 bis 5 000 Firmen, die jährlich am Auslandsmesse- programm teilnehmen, sind kleine und mittlere Unterneh- men. Für diese Unternehmen ist der Export zunehmend existenzentscheidend, nicht zuletzt aufgrund der Konsum- und Konjunkturflaute zu Hause nach vier Jahren rot-grü- ner Wirtschaftspolitik. Für 2003 ist die Anzahl der einge- gangenen Beteiligungsanträge der Wirtschaft gegenüber den Vorjahren um 30 Prozent gestiegen. Für kleine und mittlere Unternehmen eignen sich Auslandsmessebeteili- gungen als erste Schritte in neue Wachstumsmärkte. Rund 20 Prozent der Exporte sind direkte Folge der Beteiligun- gen deutscher Unternehmen an Auslandsmessen. Die Auslandsmesseförderung ist deshalb für die Exportwirt- schaft eine unverzichtbare Unterstützung bei der erfolg- reichen Erschließung ausländischer Märkte. Eine Anhe- bung der Auslandsmesseförderung auf 40 Millionen Euro pro Jahr ist deshalb dringend notwendig. Eine offensive Messepolitik bedeutet Sicherung und Schaffung von Ar- beitsplätzen. Angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen und 1,7 Millionen in befristeten Arbeitsbeschaffungsmaß- nahmen, das heißt 5,7 Millionen Menschen ohne dauer- hafte Arbeit, 5,7 Millionen Familien in Existenznot, ist dies eine Schicksalsfrage für unser Land. Die Kabinettsentscheidung 2001 hat bereits negative Auswirkungen. Der Messeausschuss der deutschen Wirt- schaft hat die von Rot-Grün nur mündlich unterstützte KONSUGERMA 2002 in Japan absagen müssen. Dabei handelt es sich um die größte Sonderschau der deutschen Konsumgüterindustrie in Asien, ein Schaufenster Deutsch- lands im Erdteil mit den meisten Menschen. Die Messe fin- det alle vier Jahre abwechselnd zur TECHNOGERMA, der Sonderschau der deutschen Investitionsgüterindustrie statt, beide jeweils in der größten Wachstumsregion der Welt. Die Entscheidung der Wirtschaft war notwendig, um nach der angekündigten Kürzung nicht die 239 re- gulären Auslandsmessen zu gefährden. Für eine Großver- anstaltung müssten 30 bis 40 kleine Messebeteiligungen abgesagt werden. Aufgrund der fehlenden Unterstützung durch die Bundesregierung ist aktuell keine der beiden großen deutschen Leistungsschauen im Ausland mehr ge- plant – ein Bitter für die Betroffenen, ein Armutszeugnis für vorausschauende Politiker. Gerade kleine und mittel- ständische Unternehmen verlieren durch die Berliner Ent- scheidung die Chance, auf dem schwierigen japanischen und damit asiatischen Markt Fuß zu fassen. Besonders sie sollten bei der großen Sonderschau in Japan von dem positiven Imagetransfer großer bekannter deutscher Mar- ken profitieren. Hier ist eine langfristige Garantie für KONSUGERMA und TECHNOGERMA unabhängig von der regulären Auslandsmesseförderung notwendig. Die Auslandsmesseförderung, die eine Hilfe zur Selbsthilfe darstellt, muss in den nächsten Jahren so aus- gebaut werden, dass sie den wachsenden Anforderungen an die globale Präsenz deutscher Unternehmen im Aus- land Rechnung trägt. Eine Reduzierung zerstört Export- chancen. Sichere Fördermittel auch für die Zukunft sind Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223630 (C) (D) (A) (B) damit ein entscheidender Faktor eines Exporterfolges. Hierbei muss in Zukunft auch die Förderung von Messe- beteiligungen im Bereich Wehrtechnik möglich sein. Frankreich und Großbritannien sichern so den Absatz ih- rer wehrtechnischen Produkte, deutsche Unternehmen in diesem Bereich erhalten keinerlei Unterstützung. Noch ist Deutschland Weltmarktführer in vielen Bereichen der ma- ritimen Wehrtechnik, wie U-Booten, Fregatten und Kor- vetten. Bei schrumpfendem Etat der Bundeswehr kann der Bestand hoch spezialisierter Werftarbeitsplätze nur durch die Ausweitung des Exports gesichert werden. Die deutsche Wirtschaft erfüllt durch ihre Messeprä- senz auf Auslandsmessen neben den genannten wirt- schaftlichen Funktionen auch eine wichtige öffentliche Funktion für die politischen und wirtschaftlichen Bezie- hungen der Bundesrepublik mit dem Ausland. Sie sind kompetente Botschafter unseres Landes. Deutsche Veran- stalter organisieren neben Beteiligungen außerdem pro Jahr rund 180 eigene Messen in wichtigen ausländischen Wachstumsregionen, insbesondere in Asien, Nord- und Südamerika sowie Osteuropa. Diese Veranstalter brau- chen ergänzend zu ihrem umfangreichen Engagement auf deutschen Messen zunehmend auch in schwierigen Aus- landsmärkten kompetente Partner. Dieser Einsatz wird und muss in den nächsten Jahren im Rahmen der Globa- lisierung weiter wachsen. Man will an den zunehmenden Handelsströmen zwischen außereuropäischen Regionen teilhaben, um einen positiven Imagetransfer und damit eine Stärkung der heimischen Leitmessen zu erreichen. Die Messewirtschaft gehört zu den führenden Dienst- leistungsbranchen der deutschen Wirtschaft. Sie zeichnet sich durch besonders hohe internationale Ausstrahlung und Innovationskraft aus. Rund zwei Drittel der weltweit führenden Messen finden in Deutschland statt. Wir von der CDU/CSU haben diese Entwicklung gewollt und be- fördert und alle Fraktionen des Deutschen Bundestages haben sich dieser Ausrichtung nie verschlossen. Bei die- ser Gemeinsamkeit sollte es bleiben. Die Messen bei uns sind zentrale Handels- und Kommunikationsplätze für die Wirtschaft. Sie leisten dadurch einen wesentlichen Bei- trag zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland und zur Intensivierung des internationalen Handels. Handel und Wandel sind die Grundlage der deutschen Messewirtschaft, der freie Welthandel ist ihr Motor. Die von der CDU/CSU vorangetriebene Einführung des Euro hat ihm weiteren Schwung geben, die anstehende Erwei- terung der Europäischen Union gibt ihm zusätzliche Im- pulse. Sechs der zehn umsatzstärksten Messegesellschaften der Welt haben ihren Sitz in Deutschland. Die deutschen Messeveranstalter setzen pro Jahr über 2,25 Milliarden Euro um. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Messewirtschaft wurde durch verschiedene Studien be- stätigt. Aufwendungen der Aussteller und Besucher von rund 10 Milliarden pro Jahr und gesamtwirtschaftliche Produktionseffekte von 23 Milliarden Euro zeigen, dass die Messewirtschaft zu den wichtigsten Dienstleistungs- branchen der deutschen Wirtschaft zählt. Rund 250 000 Vollzeitarbeitsplätze hängen von der Durchführung von Messen ab. Da die Aussteller- und Be- sucherzahlen auch in Zukunft weiter wachsen werden, wird die Messewirtschaft auf Dauer am Standort Deutschland Arbeitsplätze schaffen und nicht abbauen. Rund 1,2 Milli- arden Euro wollen die deutschen Messeplätze mit überre- gionaler Bedeutung bis 2006 in die Modernisierung und Er- weiterung ihrer Kapazitäten investieren. Mit diesen Mitteln werden 120 000 Quadratmeter zusätzliche Hallenfläche geschaffen, eine Fläche von 16,5 Fußballplätzen. Das ent- spricht einem Wachstum von 4,7 Prozent zu den bestehen- den 2,4 Millionen Quadratmetern Hallenfläche, vergleich- bar mit 330 Fußballfeldern. Ganz anders sieht es bei den kleinen Messestandorten aus. Mit rund 70 Millionen Euro ist eine Kapazitätsaus- weitung von nur 2,5 Prozent geplant. Dabei sollten gerade die Vor-Ort-Initiativen unterstützt werden. Messestand- orte stärken die regionale Wirtschaft. Hotellerie und Gastronomie profitieren davon ebenso wie Verkehrs- unternehmen und Firmen, die Messedienstleistungen für Veranstalter und Aussteller erbringen, wie Messebau, Lo- gistikunternehmen, Dolmetscher- und Hostessendienste. Je mehr Aussteller und Besucher aus anderen Regionen in die Messestadt kommen und dort übernachten, umso größer ist dieser Effekt. Die regionalwirtschaftlichen Effekte umfassen bei stark international ausgerichteten Messeplätzen das 5- bis 6-fache des Veranstalterumsatzes. Betrachtet man neben den reinen Messen auch die 63 Mil- lionen Tagungs- und Kongressteilnehmer, bewirkten diese 1999 für den Tourismus und Messestandort Deutschland einen Umsatz von 42 Milliarden Euro und 65 Millionen Übernachtungen, so das GCB, das German Convention Bureau. Damit sicherte dieser Dienstleistungsbereich bundesweit etwa 850 000 Vollzeitarbeitsplätze. Darüber hinaus entstehen erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen für Städte, Länder und Bund. Nicht zu vergessen sind die positive Imagewirkungen für die jeweilige Stadt im In- und Ausland. Doch können diesen Effekt nicht alle Regionen in der Bundesrepublik gleichrangig nutzen. Die Verteilung von Messen mit überregionaler und internationaler Bedeutung ist unausgewogen. Sie konzentrieren sich auf sehr leis- tungsfähige und stark frequentierte Messestandorte mit gut ausgebauter Infrastruktur wie Frankfurt, Düsseldorf oder Berlin. Die Förderung bestehender regionaler Mes- sestandorte in rand- bzw. strukturschwachen Regionen muss daher die Aufgabe von Bund und Ländern sein. Durch eine optimierte Anbindung an die Verkehrsinfra- struktur könnten diese zu Kristallisationspunkten für die Wirtschaftsentwicklung einer ganzen Region werden. Auch in den strukturschwachen Gebieten meiner Heimat Schleswig-Holstein gibt es solche entwicklungs- fähige Messen, die das Potenzial zu überregionaler Bedeutung haben. Hierzu sind die NORLA in Rendsburg, die „windtech Husum“ und die RORO in Lübeck zu zählen. Die „windtech Husum“ macht es vor: Gegenüber der Leistungsschau 1999 verdreifachte sich 2001 die Aus- stellerzahl. 250 Aussteller aus 20 Ländern waren im Sep- tember auf der Windkraft-Leitmesse. Für regionale Stand- orte sind besonders Multifunktionshallen geeignet, wie sie im Dezember letzten Jahres mit der „Campus-Halle“ in Flensburg eröffnet wurde. Hier entstand eine mit moderns- ter Technik ausgestattete Halle mit 8 100 Quadratmetern für Ausstellungen, Kongresse, Sport und Entertainment. In einem Gutachten im Auftrag der Landesregierung in Kiel wurde festgestellt: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23631 (C) (D) (A) (B) Durch die „Campus-Halle“ besteht eine moderne Event-Infrastruktur bei hoher Multifunktionalität mit zentralem Standort im engeren Einzugsgebiet und ohne große Konkurrenzeffekte. Deshalb findet zur Zeit eine Neupositionierung dieses regionalen Messestandortes im Einzugsgebiet zwischen Hamburg und Kopenhagen statt; es muss eine Leitmesse für den Standort etabliert werden! Ideen dafür gibt es: Mit Bezug auf das Profil der bei- den Hochschulen vor Ort könnte dies im Bereich Ge- sundheitswirtschaft und Wellness liegen. Der Kern ist mit den Krankenhausmanagement-Tagen der Fachhoch- schule Flensburg bereits gelegt; eine Ausdehnung schei- terte bisher an den Räumlichkeiten. Mit diesem Thema könnte sich Flensburg als regionaler Messestandort auch national positionieren. Doch auch weitere Themen liegen auf der Hand: In Ko- operation mit der ansässigen Wirtschaft und der Hoch- schule kann der Bereich Schiffstechnik ausgebaut und können die Themen Logistik mit klarem Bezug zu Däne- mark und Skandinavien sowie maritimer Tourismus eta- bliert werden. Einer der größten maritimen Wachstumsmärkte, die Aqua- oder Mari-Kulturen, sind durch Messen bisher von keinem Standort abgedeckt. Das Gutachten empfiehlt außerdem eine AUMA-Mitgliedschaft, um die bei ande- ren Standorten gegebene Transparenz und eine äquiva- lente Dokumentation sicherzustellen. Als Auftrag an die Politik wurde in dem Gutachten festgehalten, die ver- kehrliche Erreichbarkeit an die Ansprüche internationaler Leitmessen anzupassen und im Rahmen der Systematik bestehender Förderprogramme die Entwicklung neuer, profilbildender und wiederkehrender Messen- und Kon- gressthemen zu fördern. Das ist ein klarer Auftrag an die Politik, regionale Wirtschaftsentwicklung und aktive Ar- beitsmarktförderung in einem. Doch nicht nur die Auslandsmesseförderung und die regionalen Messestandorte werden von Rot-Grün ver- nachlässigt. Immer wieder werden neue Stolpersteine in den Weg gelegt. So wurde mit dem Gesetz zur Eindäm- mung illegaler Beschäftigung im Baugewerbe zum 1. Ja- nuar die so genannte Bauabzugssteuer eingeführt und Un- sicherheit bei Ausstellern und Veranstaltern geschaffen. Jetzt muss das Gesetz nachgebessert werden. Doch das angekündigte Schreiben von Finanzminister Eichel, das den Bau von Messeständen von dieser Steuer befreien soll, liegt noch nicht vor. Auch das so genannte Scheinselbstständigengesetz hat die Branche getroffen. Sie ist auf den kurzfristigen Einsatz von Messebetreuern, Handwerkern und Bewachungsper- sonal angewiesen. Jetzt ist vor jedem Einsatz eine büro- kratische Hürde aufgebaut. Durch die Einführung des Reverse-Charge-Systems im Umsatzsteuerrecht zum 1. Januar 2002 kommt es zu einem Wettbewerbsnachteil des Messestandorts Deutschland im internationalen Vergleich. Wenn ein ausländischer Veran- stalter in Deutschland eine Messe durchführt, müssen sämtliche ausländischen Aussteller in Deutschland um- satzsteuerrechtlich registriert werden und für den jeweili- gen Messezeitraum eine Umsatzsteuervoranmeldung ab- geben. Ein bürokratisches Hemmnis, das abschreckt! Fi- nanzminister Eichel hat auch hier eine Vereinfachungsre- gel angekündigt, die bisher aber aussteht. Der Antrag der Union, die Messeteilnahme von Aus- ländern durch ein spezielles Messe-Visum zu vereinfa- chen, hat bereits erste Ergebnisse gebracht. Anträge von Unternehmen, mit denen es positive Erfahrungen bei ihrem Messeaufenthalt in Deutschland gibt, sollen in Zu- kunft bei der Visa-Erteilung für ihre Mitarbeiter von den deutschen Konsulaten und Botschaften ohne die sonst üblichen Nachweise bearbeitet werden. Das Gleiche soll gelten, wenn der lokalen Handelskammer ein Empfeh- lungsschreiben vorgelegt werden kann. Ob damit die Eng- pässe für Besucher außerhalb der EU beseitigt werden, wird die Praxis zeigen. Für jede Messe müssen die Interessen der Aussteller, Besucher und Veranstalter hinsichtlich Bezeichnung, No- menklatur, Standort, Termin, Dauer und Turnus von Mes- sen immer wieder aufs Neue zum Ausgleich gebracht werden. Der Ausstellungs- und Messeausschuss der deut- schen Wirtschaft wirkt daran als neutrale Clearingstelle hilfreich mit. Dadurch fördert er ein rationelles Messe- wesen im Sinne einer effektiven Subsidiarität, der Staat wird entlastet, die Wirtschaft gestärkt, die Bürger haben gut von diesem Modell. Deutschland muss Messeland Nummer eins bleiben! Ernst Burgbacher (FDP):Die Messewirtschaft stellt in Deutschland einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. „Die Dienstleistungsbranche Messen zählt ... zu den Schlüsselbereichen der deutschen Dienstleistungswirt- schaft. Sie gilt im internationalen Wettbewerb als die leis- tungsfähigste, innovativste und am breitesten aufge- fächerte Messewirtschaft“, so die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage. Die Zahlen sind in der Tat beeindruckend: sechs der zehn weltweit umsatzstärksten Messegesellschaften be- finden sich in Deutschland; vier der fünf weltweit größten Messegelände befinden sich in Deutschland; zwei Drittel der weltweit führenden Messen finden in Deutschland statt. Der Messestandort Deutschland hat eine führende Marktposition inne, wobei das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. Für die regionale Wirtschaft haben Messen eine zen- trale Bedeutung. Verkehrsbetriebe und Taxi-Unterneh- men, Logistik, Transport und Messebau, Einzelhandel, Kultur- und Freizeiteinrichtungen: Es gibt kaum eine Branche, die nicht direkt oder indirekt an einer großen Messe mitverdient. Die Umwegrendite für die regionale Wirtschaft im Umfeld einer großen Messe beträgt durch- schnittlich das Fünf oder Sechsfache. Das heißt im Klar- text: Jeder Euro, der auf der Leipziger Messe umgesetzt wird, bringt der Region etwa 5 bis 6 Euro ein. Hotellerie und Gastgewerbe profitieren von den Ausstellern und Be- suchern. In Leipzig macht der Messe- und Kongresstou- rismus 30 Prozent der gesamten Zimmerbelegung aus. Wer je versucht hat, während der Buchmesse in Frankfurt noch ein Hotelzimmer zu bekommen, wird das Problem einer hundertprozentigen Zimmerbelegung kennen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223632 (C) (D) (A) (B) Von den jährlich 160 000 Ausstellern auf den deut- schen überregionalen und internationalen Messen kom- men 80 000 aus dem Ausland, von ihnen etwa ein Drittel aus Übersee. Von den 10 Millionen Besuchern kommen etwa 2 Millionen aus dem Ausland. Viele Aussteller und Messebesucher nutzen die Messe auch für ein privates touristisches Besuchsprogramm. Gerade ausländische Gäste geben dabei überdurchschnittlich viel Geld aus. Zur Attraktivität des Messestandorts Deutschland gehört auch, dass sich ausländische Besucher in unserem Land wohlfühlen. Die Liberalisierung der Sperrzeiten und Verlängerung der Öffnungszeiten in der Außengastrono- mie sowie die Flexibilisierung der Ladenschlusszeiten würden hier ein deutliches Zeichen setzen. Qualität und Service können weiter verbessert werden. Die nach lan- gem Kampf der FDP jetzt beabsichtigte Abschaffung der Trinkgeldbesteuerung wird einen deutlichen Beitrag dazu leisten. Messen müssen auch in ihrer Bedeutung für die Tourismuswirtschaft ernst genommen werden! Entscheidend für einen erfolgreichen Messestandort Deutschland sind die richtigen Rahmenbedingungen. 85 Prozent der rund 62 000 ausstellenden Unternehmen in Deutschland sind kleine und mittelständische Unterneh- men. Ihr Wachstum wird durch die mittelstandsfeind- lichen Entscheidungen von Rot-Grün behindert. Ich nenne hier vor allem die Steuer- und Arbeitsmarktpolitik. Wir brauchen ein einfaches und gerechtes Steuersystem mit deutlich niedrigeren Steuersätzen – 15, 25, 35 Prozent heißt die Devise. Wir brauchen einen flexiblen und un- bürokratischen Arbeitsmarkt, der den Begriff Markt wie- der verdient. Große Probleme für den Mittelstand gibt es aber auch bei der Kreditvergabe. Ich denke vor allem an Basel II und die geplante weitere Verschärfung der Richt- linien des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen. Wenn 2001 3 Prozent weniger deutsche Aussteller auf un- seren Messen waren, hängt das auch damit zusammen, dass wir derzeit im Mittelstand eine Insolvenzwelle haben und viele Firmen sehr zurückhaltend planen. Die FDP wird ab dem 23. September die richtigen Signale für eine neue Mittelstandspolitik setzen. Gerade fair die deutsche Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand ist die Auslandsmesseförderung entschei- dend wichtig. Kleine und mittlere Unternehmen bilden mit 85 Prozent aller am Auslandsmesseprogramm betei- ligten Firmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Ge- rade für diese Betriebe wird der Export zunehmend exis- tenzentscheidend. Diese Unternehmen, die zahlreiche Arbeitsplätze in Deutschland sichern, dürfen nicht allein gelassen werden. Sie stehen in einer kleiner werdenden Welt in einem harten Wettbewerb. Sie können diese Auf- gabe nicht allein bewältigen. Die Auslandsmesseförderung der Regierung ist rückläufig, in diesem Jahr handelt es sich lediglich um 33,5 Millionen Euro. 2001 waren es noch 35,79 Millionen Euro. Dies ist der falsche Weg. Aus Sicht der FDP muss die Auslandsmesseförderung erhöht werden. Die deut- sche Messewirtschaft braucht ein Signal der Unterstüt- zung und Zuverlässigkeit. Es wird Zeit, dass in Deutschland eine neue Kultur der Selbstständigkeit entsteht, dass mehr investiert wird, dass auch der Messemarkt zusätzlich Impulse bekommt. Die Liberalen haben dafür das richtige Programm. Nach dem 22. September werden wir es umsetzen. Rolf Kutzmutz (PDS): Wie so oft vermischt die CDU/CSU wirtschaftspolitisch sehr vernünftige Forde- rungen mit unsozialen und wenig problemorientierten neoliberalen Attacken. Die bestimmen jedoch die eigent- liche Stoßrichtung der Initiative. Öffentliche Marketinghilfen für Kleinstunternehmen, die dann unter anderem der Teilnahme an Messen dienen können, fordert beispielsweise die PDS schon seit Jahren, auch schon zu Zeiten der Kohl-Regierung. Eine regional- politische Förderung von Messestandorten in struktur- schwachen Regionen klingt gut. Dass sie von der CDU/CSU in politischer Verantwortung jemals irgendwo praktiziert wurde, ist mir aber nicht aufgefallen. Die Wartezeiten bei der Visaerteilung für Messebesu- cher aus Osteuropa zu verkürzen – auch das findet unsere Zustimmung. Nur müssten sich die CDU/CSU-Wirt- schaftspolitiker einmal mit ihren Innenpolitikern und ihrem Kanzlerkandidaten einigen, wie dicht oder durch- lässig nun die deutschen Grenzen sein sollen. Regelrecht demagogisch finde ich jedoch die Forde- rung nach zwölf Stunden Tagesarbeitszeit für Messemitar- beiter, um – ich zitiere – „dem erhöhten Servicebedarf für Messekunden besser gerecht zu werden“. Einmal mehr soll also die so genannte Attraktivität des Standortes – hier die Gewinne der Messebetreiber – allein auf den Knochen der Beschäftigten verbessert werden. Hinter dieser Forde- rung, die ich im Übrigen wie alle eingangs genannten als schmückendes Beiwerk ansehe, steckt die Logik, auf wel- cher auch der eigentliche Kern des Antrags beruht, näm- lich die Auslandsmesseförderung in den kommenden Jah- ren wieder auf das Niveau der Vergangenheit anzuheben. Nur, geht es wirklich um die Frage, wie der Status quo gehalten werden kann oder wie sich die deutsche Wirt- schaft auf den Exportmärkten noch besser behauptet? Wir meinen nein. Das eigentliche Problem ist doch, dass auf diesen Märkten überwiegend ein Verdrängungswettbe- werb herrscht. Jeder versucht beim Nachbarn mehr abzu- setzen, weil zu Hause die private und öffentliche Nach- frage sinkt – auch weil die Beschäftigten zwar länger, aber nicht für entsprechend mehr Geld arbeiten sollen, wie die CDU/CSU hier im Falle der. Messeangestellten verlangt. Käme jedoch hierzulande und anderswo auf der Welt mehr Nachfrage zustande, würde nicht nur der Druck auf Exporte nicht weiter zunehmen. Sie wären sogar leichter als heute möglich. Die Subvention von Messeauftritten im Ausland, deren messbarer Nutzwert ja zunächst den frem- den Messestandorten zugute kommt, hat wirtschaftspoli- tisch nun wirklich keine besondere Priorität. Wenn die Nachfrage angekurbelt wird, dann entwickelt sich auch die Teilnahme an Messen zum Selbstläufer. Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Großen Anfrage zur „Zukunft der deutschen Messewirtschaft in der Globalisierung“ wurde ein wichtiger Bereich der Dienstleistungswirtschaft ange- sprochen, dem die Bundesregierung auch schon in der Vergangenheit ihre Aufmerksamkeit gewidmet hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23633 (C) (D) (A) (B) Messen und Ausstellungen im In- und Ausland haben für die exportorientierte deutsche Wirtschaft eine zentrale Bedeutung. Messen und Ausstellungen sind Grundlage des Exportgeschäfts und stützen damit die inländische Produktion, Beschäftigung und die Steuereinnahmen des Staates. Als einem wichtigen Teil des Außenwirtschaftsförder- instrumentariums kommt der Auslandsmesseförderung ein hoher Stellenwert zu. Die staatliche Unterstützung ist Hilfe zur Selbsthilfe zur Erschließung schwieriger aus- ländischer Märkte. Dabei zielt die Unterstützung insbe- sondere auf kleine und mittlere Unternehmen, die sich im Ausland keine eigenen Vertretungen leisten können. Insgesamt steht die Mittelstandsförderung im Zentrum der Auslandsmessepolitik. So hat die Bundesregierung im Jahr 2000 190 Auslandsmessen mitfinanziert. 2001 wurde aufgrund von Absagen aus der Wirtschaft mit 182 Aus- landsmessen eine etwas kleinere Zahl finanziell unter- stützt. Rund 90 Prozent der Messeteilnehmer sind mittelstän- dischen Unternehmen zuzuordnen. Ein spezielles Förder- konzept ist deshalb nicht erforderlich. Die Beteiligungen von wenigen Großunternehmen haben eine Sogwirkung auf Besucher im Ausland und auch auf deutsche Ausstel- ler, die an diesen Auslandsmessen teilnehmen. Nicht zu- letzt deshalb sieht die Bundesregierung in der Auslands- messeförderung eine mittel- und langfristige Aufgabe. Es ist das übergeordnete Ziel der Bundesregierung, den Bundeshaushalt wieder in geordnete Verhältnisse zurück- zuführen. Deshalb sind Einschnitte in vielen Bereichen er- forderlich, von denen auch die Auslandsmesseförderung nicht ausgenommen werden kann. Allerdings ist die Bun- desregierung bemüht, im Interesse der langfristigen Stabi- lität die Absenkung des Messeetats in Grenzen zu halten. Ob es dadurch tatsächlich zu sehr viel weniger Aus- landsmessebeteiligungen kommen wird als in diesem und in den Vorjahren, wird ganz wesentlich davon abhängen, ob die Unternehmen bereit sind, mehr Eigenmittel in die geförderten Auslandsmessebeteiligungen einzubringen. Die Bundesregierung hält ein höheres finanzielles Enga- gement der ausstellenden Unternehmen an den direkten förderfähigen Messekosten für angemessen und zumut- bar. Derzeit tragen die Aussteller durchschnittlich ein Drittel dieser Kosten. Bei höherer Eigenbeteiligung könnte durchaus die Zahl der Auslandsmessebeteiligun- gen gehalten werden. Die Förderquote der direkten Mes- sekosten würde dann im Schnitt immer noch über 50 Pro- zent liegen. Ein „europäisch abgestimmtes Messekonzept“ zur För- derung von strukturschwachen Regionen ist schon im An- satz verfehlt. Es würde Eingriffe in den unternehmerischen Wettbewerb, in die Interessen anderer europäischer Staa- ten und in unternehmerische Gestaltungsspielräume be- deuten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich Messen und Messestandorte fast ausschließlich nach An- gebot und Nachfrage regeln sollten. Insofern hält sie sich bei Verordnungen und speziellen Messegesetzen und Zu- lassungsregelungen für Messen und Ausstellungen zurück. Obwohl in erster Linie Länderangelegenheit, hat sich die Bundesregierung mit zahlreichen Einzelmaßnahmen an einer Verbesserung der Verkehrsanbindung von Mes- sestädten beteiligt, zum Beispiel in Hannover, Köln, Hamburg und Leipzig. Die Visaerteilungen an Messeaussteller und -besucher insbesondere aus der Volksrepublik China, der Ukraine und aus Russland laufen nun reibungslos, nachdem Ver- fahren eingeführt wurden, die sicherstellen, dass Visaan- träge von Geschäftsleuten vorrangig bearbeitet werden. Dadurch leisten die Visastellen zusammen mit den Wirt- schaftsdiensten an den deutschen Auslandsvertretungen einen hervorragenden Beitrag zur Stärkung des Messe- standortes Deutschland. Die Bundesregierung hält Ausnahmeregelungen für Dienstleister im Bereich der Messewirtschaft bei Teilzeit- arbeit und der Befristung von Arbeitsverträgen nicht für angebracht. Diese Messeunternehmen können keine Son- derstellung beanspruchen. Vielmehr sollten sie die vor- handenen Flexibilitäten im Teilzeit- und Fristarbeitsrecht ausschöpfen, um dem erhöhten Servicebedarf von Messe- kunden gerecht zu werden. Die Bundesregierung hält die „Zukunft der deutschen Messewirtschaft in der Globalisierung“ auch trotz der not- wendigen Haushaltskürzungen für weiterhin gesichert und aussichtsreich. Der Messestandort Deutschland hat seine internationale Bedeutung nachhaltig unter Beweis gestellt. Auch im Auslandsmessegeschäft sind und bleiben deut- sche Dienstleister und Aussteller an der Weltspitze. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Neue Impulse für die Zusammenarbeit von EU und Russland bei der Entwicklung der Region Kaliningrad (Tagesord- nungspunkt 15) Markus Meckel (SPD): Seit den friedlichen Revolu- tionen in Mittelosteuropa und der Auflösung der Sowjet- union bemühen wir uns, die Partner beim Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft zu unterstützen. Damit soll Sicherheit und Stabilität in Europa geschaffen wer- den. In diesem Jahr stehen in diesem Prozess zentrale Ent- scheidungen an. Die EU wird die Erweiterungsverhand- lungen mit einer Reihe von Kandidaten bis Ende 2002 abschließen und festlegen, wer der Union 2004 beitreten kann. Auf dem Gipfel in Prag wird die NATO im Novem- ber 2002 über eine zweite Runde der Öffnung entschei- den. Der NATO-Beitritt Polens, Tschechiens und Ungarns 1999 war ein erster Meilenstein auf dem Weg der Integra- tion der mittelosteuropäischen Staaten. Mit dem bevorstehenden Beitritt von Polen und Li- tauen wird die russische Exklave Kaliningrad vollständig zu einer Enklave der Europäischen Union. Ohne ein- schneidende Maßnahmen könnte Kaliningrad leicht in die Lage einer „doppelten Peripherie“ geraten: ein vergesse- nes Gebiet Russlands an seinem Rande und vor den Toren der Europäischen Union. Eines muss klar sein: Kaliningrad ist integraler Be- standteil der Russischen Föderation. Mit Souveränität Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223634 (C) (D) (A) (B) geht die Verantwortung Russlands für die Entwicklung des Gebiets einher. Gleichwohl ist es auch im Interesse der EU, die Bedingungen für einen positiven Trend in der Region Kaliningrad zu schaffen und Russland bei seinen Bemühungen zu unterstützen. Die russische Regierung hat bereits in ihrer „Mittelfris- tigen Strategie gegenüber der EU“ im Oktober 1999 er- klärt, daß Kaliningrad zu einer „Pilotregion“ für die Be- ziehungen EU – Russland werden könnte und darin ein „besonderes Abkommen“ vorgeschlagen. Auf den ersten Blick verspricht dieser Ansatz Vorteile. Aber ein solches Abkommen müsste von allen Mitgliedern, einschließlich Griechenland und Portugal, ratifiziert werden. Allein das dürfte zwei Jahre dauern. Die EU-Kommission hat auf die russische Strategie im Januar 2001 mit einem Optionenpapier reagiert, das die zentralen Probleme benennt und die Bereitschaft signali- siert, pragmatische Lösungen zu suchen. Nur eines möchte die Kommission derzeit nicht: langwierige Ver- tragsverhandlungen über ein gesondertes Abkommen führen. Das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Russland bildet seit 1997 die Grundlage für die beiderseitigen Beziehungen. In diesem Rahmen können spezifische Regelungen für Kaliningrad vereinbart werden. Gespräche darüber sind angelaufen. Es gilt, die Verhandlungen durch einen konkreten Zeit- plan zu beschleunigen. Wichtig ist es, die unmittelbaren Nachbarn Polen und Litauen schon jetzt in die Gespräche mit einzubeziehen. Die schwierige Lage in der Region lässt sich mit weni- gen Zahlen illustrieren. Die Wirtschaft hat seit dem Ende der Sowjetunion einen dramatischen Niedergang erlebt. Bis Ende der 90er-Jahre sank die Produktion in Industrie und Landwirtschaft auf weniger als 30 bzw. 50 Prozent des Standes von 1990. Das monatliche Einkommen lag im Jahr 2000 bei 67 Euro und blieb damit nicht nur weit hin- ter den Nachbarn Polen und Litauen, sondern auch ge- genüber dem russischen Durchschnitt von 86 Euro zurück. Laut offiziellen Statistiken lebt ein Drittel der Be- völkerung unter der Armutsgrenze. Mit der Armut haben sich organisierte Kriminalität, Korruption, Drogenmiss- brauch und Seuchen wie Aids und Tuberkulose in der Re- gion ausgebreitet. Die Lage ist aber alles andere als hoffnungslos. Die Ende 2000 gewählte Administration unter Gouverneur Je- gorow und ein Großteil der Eliten treten bei fester Veran- kerung in der Russischen Föderation entschieden für eine Öffnung des Gebiets zum Ostseeraum und zur EU ein. Bei einem Besuch Mitte Januar äußerten sich alle Gesprächs- partner in Kaliningrad zufrieden darüber, dass die Region unter Präsident Putin größere Aufmerksamkeit genieße. Ein Mitglied der Gebietsduma sagte, erstmals seit zehn Jahren sehe man die Probleme der Region von Moskau angemessen beschrieben und wiesen die Lösungsvor- schläge in die richtige Richtung. Dazu zählt das im De- zember 2001 verabschiedete „Föderale Zielprogramm zur Entwicklung des Verwaltungsgebietes Kaliningrad bis zum Jahre 2010“. Nur für die Halbinsel Sachalin wurde im letzten Jahr ein ähnliches Programm beschlossen. Das Programm ist zwar ein Sammelbecken für allerlei mehr oder weniger sinnvolle Initiativen und die Finanzierung in Höhe von circa 3 Milliarden US-Dollar ist nur zu einem Teil gesichert. Gestatten Sie mir eine Nebenbemerkung: Manchmal könnte man den Eindruck haben, daß Russland Pläne macht, welche die EU bezahlen soll. Aber dennoch könnte des Föderalprogramm zu einem strategischen Konzept für die Entwicklung des Kaliningrader Gebietes und der Sonderwirtschaftszone weiterentwickelt werden. Denn eines ist klar: Die Weichen für die Entwicklung der Region Kaliningrad stellt Russland. Das gilt bei- spielsweise für die Frage nach der militärischen Bedeu- tung der Region. Sie war in den letzten Jahren stark rück- läufig. Die Zahl der Streitkräfte ist von etwa 200 000 auf etwa 18 000 zurückgegangen und soll bis 2003 weiter sin- ken auf 8 000. Noch immer ist aber beispielsweise der äußerste Teil des Hafens militärisches Sperrgebiet. Das bringt Einschränkungen im zivilen Schiffsverkehr und Handel mit sich. Ebenso stellt sich die Frage, welchen Handlungsspiel- raum die russische Regierung regionalen Behörden bei der wirtschaftlichen Entwicklung und im Umgang mit seinen direkten Nachbarn einräumen will. Es bleibt zu klären, ob es sinnvoll ist, jedes Detail in den Beziehungen zwischen Kaliningrad und seinen Nachbarn über Moskau zu verhandeln. An unserer Westgrenze haben wir positive Erfahrungen mit der Schaffung von Euroregionen und der Übertragung von Kompetenzen für die Regelung nach- barschaftlicher Beziehungen gemacht. Auch wenn wir dies an der deutsch-polnischen Grenze noch nicht voll- ständig realisiert haben, könnten die Regelungen des Karlsruher Rahmenabkommens des Europarates bei der Ausgestaltung der Kaliningrad berührenden Euroregio- nen „Ostsee“, „Saule“ und „Neman“ hilfreich sein. Lassen Sie mich nun auf die konkreten Probleme zu sprechen kommen, mit denen sich die EU und Russland im Zuge der Erweiterung konfrontiert sehen: Visa- und Transitregeln, Verkehrsanbindung, Warenaustausch. Als vorrangig sehen alle eine baldige Regelung der Visa- und Transitfrage an. Wir suchen Regelungen, die den Bedürfnissen der EU nach einem sicheren Schutz der Außengrenzen ebenso gerecht werden wie dem Interesse an einem Ausbau der grenzüberschreitenden Kontakte und Kooperation zwischen Bürgern Russlands und der EU. Noch bis zum 1. Juli kommenden Jahres gilt mit Polen und Litauen Visafreiheit. Jährlich werden weit über 8 Mil- lionen Grenzübertritte und 3 Millionen PKWs an den Grenzen zur Polen und Litauen registriert. Weit mehr Menschen reisen nach Wilna, Warschau oder Berlin als ins russische Kernland. Gerade junge Menschen interes- sieren sich stark für die Nachbarländer im Ostseeraum und darüber hinaus für die EU. Wenn Polen und Litauen die Regelungen des Schengener Abkommens an den zukünftigen EU-Außengrenzen anwenden, fürchten viele, isoliert zu werden. Das russische Außenministerium fordert in offiziellen Verhandlungen noch immer eine „Korridorlösung“ für den Personen- und Warenverkehr zwischen Kaliningrad und dem russischen Kerngebiet. Während auch in Kali- ningrad viele die Aufrechterhaltung der Visafreiheit für wünschenswert halten, hatte ich bei den Gesprächen im Januar den Eindruck, dass sich die Einsicht durchsetzt: Diese Forderung ist unrealistisch. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23635 (C) (D) (A) (B) Die EU-Kommission hat eine flexible Anwendung des Schengener Abkommens in Aussicht gestellt. Das bedeu- tet: Grundsätzlich herrscht Visapflicht und Russland muss die etwa 950 000 Einwohner der Region Kaliningrad mit Pässen ausstatten. Denkbar wären aber Regelungen zum kleinen Grenzverkehr, Mehrfachvisa, Visaerteilung an der Grenze, kostengünstige bzw. kostenlose Visa etc. Dies setzt voraus, dass wir auch die Bedingungen für die Ver- gabe von Visa vor Ort verbessern. Polen und Litauen ver- fügen über Generalkonsulate in der Region. Entsprechend einer Empfehlung der EU-Kommission hat Schweden als erstes EU-Land im Dezember 2001 die russische Zustim- mung zur Errichtung eines Konsulates erhalten. Wir for- dern die Bundesregierung auf, ebenfalls eine konsula- rische Vertretung in der Region anzustreben, um den Personenverkehr zu erleichtern. Eine gute Verkehrsanbindung ist eine wichtige Voraus- setzung für wirtschaftliche Entwicklung und die Integra- tion in den Weltmarkt. Da die direkten Zug- und Flugver- bindungen zur EU im vergangenen Jahr eingestellt wurden, habe ich auf der Autofahrt zwischen Warschau und Kali- ningrad selbst gesehen, wie schlecht die Straßenverbin- dungen geworden sind und wie schleppend die Abferti- gung an der Grenze vonstatten geht. Hier ist eine Veränderung der Haltung des Personals und der Abferti- gungsverfahren ebenso nötig wie Investitionen in die In- frastruktur, die von Russland und der EU gemeinsam in Angriff genommen werden könnten. Insbesondere setzen wir uns für eine Anbindung an die „Via Baltica“ und den Ausbau der „Via Hanseatica“ ein. Es soll damit ausge- schlossen werden, dass die „Via Balitica“ als Nord-Süd- Verbindung von Tallin über Riga und Kaunas nach War- schau Kaliningrad ausspart. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die „Via Hanseatica“ von Ber- lin über Stettin, Danzig, Kaliningrad und Riga nach Sankt Petersburg ausgebaut wird. So entsteht eine direkte Ver- bindung nach Westeuropa. Beides ist von der EU bisher nicht vorgesehen. Kaliningrad ist bei der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern sowie mit Energie auf den Austausch mit den Nachbarn und dem russischen Kernland ange- wiesen. Die Einfuhren übersteigen die Ausfuhren dabei um das Doppelte. Polen und Litauen sind – neben dem Handel mit dem russischen Kernland – die wichtigsten Absatzmärkte für Kaliningrad. Nach Einführung der Re- geln des EU-Binnenmarktes rechnet man mit erheblichen Einbußen beim Export, weil die Unternehmen der Region Schwierigkeiten haben, technische, sanitäre und ökolo- gische Normen der EU – beispielsweise in der Fischerei und der fischverarbeitenden Industrie – zu erfüllen. Auf diese Probleme müssen die Programme der russischen Regierung stärker zugeschnitten werden. Die EU kann zwar nicht das wirtschaftliche Risiko übernehmen, aber sie kann Unternehmen bei der Umstellung auf die neuen Anforderungen unterstützen – in der Ausbildung des Per- sonals oder bei Ausrüstungsinvestitionen. Wenn es uns gelingt, diese Probleme gemeinsam mit Russland in den Griff zu bekommen, kann Kaliningrad am wirtschaftlichen Aufschwung und den Wohlstandsge- winnen in der Ostseeregion teilhaben, die mit der EU-Er- weiterung einher gehen. Dass die Hoffnung nicht ganz fehl am Platze ist, zeigen folgende Zahlen: Im letzten Jahr lag das Wirtschaftswachstum der Region mit 12,5 Prozent erstmals seit 1991 über dem russischen Durchschnitt von 5,4 Prozent. Als Ostseeanrainer hat Deutschland ein Inte- resse, ein Wohlstandsgefälle im Ostseeraum zu verhin- dern und stattdessen für gedeihliche Zusammenarbeit zu sorgen. Da alle Ostseeanrainer bis auf die Russische Fö- deration in Kürze Mitglieder der EU sein werden, setzen wir uns dafür ein, dass die Kooperation im Ostseerat eine größere Bedeutung im Rahmen der „Nördlichen Dimen- sion“ der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union erhält und die EU mit Russland aktiv nach Lösun- gen für die Probleme des Kaliningrader Gebietes sucht. Das bedeutet auch, dass wir über zusätzliche Mittel spre- chen müssen. Derzeit werden für TACIS-Projekte jedes Jahr etwa 3,5 Millionen Euro aufgewandt, während die EU die Beitrittskandidaten Polen und Litauen mit etwa 1 Milliarde bzw. 180 Millionen Euro unterstützt. So wer- den die unterschiedlichen Entwicklungstrends eher noch verschärft. Ich freue mich, dass es in diesem Haus in dieser Frage einen breiten Konsens gibt und wir einen interfraktionel- len Antrag zustande gebracht haben. Und wir stehen in diesem Bestreben nicht allein. Das Europäische Parla- ment hat nach ausführlicher Debatte am Dienstag gestern einen Bericht der deutschen Kollegin Magdalene Hoff zu Kaliningrad verabschiedet, der in vielen Punkten ähnliche Forderungen vertritt. An manchen Stellen geht das EP aber auch über unsere Forderungen hinaus, wenn es zum Beispiel anregt, gemeinsame Grenzpatrouillen von EU- und russischem Personal zu prüfen. Aber was können wir dazu eventuell noch aus deut- scher Sicht beitragen? Durch humanitäre Initiativen – zum Beispiel bei der Alten- und Gesundheitsversorgung – und praktische Unterstützung im Rahmen der acht Städ- tepartnerschaften und der Beziehungen zwischen anderen Kommunalverbänden genießt Deutschland einen guten Ruf als zuverlässiger Partner. Auch im Bereich des Außenhandels steht Deutschland – wenn auch auf relativ niedrigem Niveau – an dritter Stelle nach Polen und Li- tauen. Ich denke, dies ist ein Pfund, mit dem wir wuchern sollten. Es gilt, direkte Begegnungen, einschließlich des Jugendaustausches, ebenso wie Wirtschaftskontakte ge- zielt zu fördern. Bei der Anbahnung und Aufrechterhal- tung von Kontakten auf der gesellschaftlichen Ebene spielt das Deutsch-Russische-Haus eine zentrale Rolle. Es ist wichtig für die Darstellung Deutschlands und trägt zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Kaliningrad bei. Wir halten es daher für unbedingt erforderlich, die Finanzie- rung des Deutsch-Russischen-Hauses auf Dauer zu si- chern. Die Länder Schleswig-Holstein, Brandenburg, Ham- burg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Sachsen arbeiten seit Jahren mit dem Kaliningrader Ge- biet zusammen. Schleswig-Holstein, das traditionell sehr stark in der Ostseekooperation engagiert ist, hat schon sehr früh vielfältige Kontakte geknüpft. Unter anderem unterstützt das Land die Ausbildung und Kooperation der Polizei im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Der schleswig-holsteinische Landtag hat im Jahr 2000 als ers- ter die Kooperation auf parlamentarischer Ebene mit der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223636 (C) (D) (A) (B) Gebietsduma in Angriff genommen. Brandenburg hat sich dieser Initiative im vergangenen Jahr angeschlossen. Es hat 1994 auch als erstes ein förmliches Kooperationsab- kommen mit dem Kaliningrader Gebiet unterzeichnet. Diese Kooperation konzentrierte sich zunächst auf Fort- bildung von Fachkräften in Wirtschaft und Verwaltung so- wie die Landwirtschaft – ein Bereich, dessen Potenzial zur Selbstversorgung in Kaliningrad noch längst nicht ausgeschöpft ist. Ich glaube, die Zeit ist günstig, um die Kooperation mit Russland auf breiter Front voranzubringen. Die in dieser Woche beschlossene Intensivierung der Beziehungen zwischen NATO – Russland und die Schaffung eines neuen Rates zu 20 stimmen mich ebenso zuversichtlich wie die Vereinbarungen über die Reduzierung der strate- gischen Nuklearwaffen zwischen den USAund Russland. Präsident Putin hat bei seiner Rede im Deutschen Bun- destag bekräftigt, dass er insbesondere an einem Fort- schritt der Beziehungen zur EU interessiert ist. An einer Lösung der Probleme Kaliningrads sind beide Seiten in- teressiert. Russland hat das dadurch unterstrichen, dass das Außenministertreffen aus Anlass des zehnjährigen Grün- dungsjubiläums des Ostseerats am 3. bis 4. März 2002 in Kaliningrad stattfand. Die Entwicklung Kaliningrads nahm bei den Beratungen breiten Raum ein, auch wenn es nicht zu einschneidenden Beschlüssen führte. Beim nächsten EU-Russland-Gipfel am 28. Mai 2002 steht Ka- liningrad ganz oben auf der Tagesordnung. Den großen Durchbruch zur Lösung der Probleme der russischen Re- gion Kaliningrad zu erwarten, wäre wahrscheinlich ver- messen. Aber wir fordern die Bundesregierung auf, die Gespräche der EU mit Russland durch neue Vorschläge voran zu bringen. Russland bieten sich große Chancen zur Entwicklung der Region Kaliningrad, wenn es die richti- gen Maßnahmen ergreift. Die EU kann es dabei durch flankierende Programme und bei der Finanzierung unter- stützen. Aber Russland muss ebenfalls seine Verantwor- tung wahrnehmen. Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Einer der vielen Artikel, die in letzter Zeit über die komplizierte Si- tuation Kaliningrads geschrieben wurden, bringt mit der Frage, ob Kaliningrad nun ein „Hongkong am baltischen Meer“ oder doch eine vergessene Exklave Russlands sei, die zwiespältige Lage diese Gebietes auf den Punkt. Auch wir sind aufgefordert, uns angesichts EU-Oster- weiterung, NATO-Öffnung und NATO-Kooperation mit Russland endlich Gedanken über den Status Kaliningrads zu machen. Russland andererseits muss seiner Exklave an der Ostsee, die mit der EU-Osterweiterung zur Enklave in der EU werden wird, endlich Perspektiven aufzeigen. Die Region hat ihre größten wirtschaftlichen Absatz- märkte in Polen und Litauen. Zwischen diesen beiden EU- Anwärterstaaten und Kaliningrad besteht seit zehn Jahren Visumsfreiheit. Der kleine Grenzverkehr ist rege und ele- mentar für die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Polen und Litauen streben aber im Zuge der NATO-Oster- weiterung nachvollziehbar danach, die Schengener Ver- einbarungen vor allem strikt umzusetzen und die Visums- freiheit aufzuheben. Zwangsläufig wird dadurch eine Lebensader Kaliningrads gekappt werden. Wir müssen in enger Abstimmung mit Russland Lö- sungen für die Region finden. Wir müssen dafür sorgen, dass Investitionen nach Kaliningrad fließen können und es teilhaben kann am wirtschaftlichen Wachstum des Ost- seeraumes. BMW hat den Schritt nach Kaliningrad ja be- reits gewagt. Doch die Region steht noch vor zu vielen großen Pro- blemen, die sie nicht alleine bewältigen kann. Kaliningrad gehört mit zu den größten Umweltverschmutzern im Ost- seeraum und hat noch heute zu kämpfen mit den Altlasten, die die Rote Armee nach Ende des Kalten Krieges auf dem Rückzug aus den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten hinterlassen hat. Es hat die prozentual höchste Raten an HIV-I- und Tuberkuloseinfektionen in Europa und orga- nisierte Kriminalität, Korruption und Drogenmissbrauch stellen den Kaliningrader Gouverneur Jegorow vor eine sicherheitspolitische und administrative Aufgabe, die schier nicht zu bewältigen ist. Der Lebensstandard der Kaliningrader liegt 20 Prozent unter dem russischen Durchschnitt; ein Drittel der Bevölkerung muss unterhalb der Armutsgrenze leben. Kaliningrad ist abhängig von Subventionen aus Moskau und muss selbst seine Grund- versorgung an Rohstoffen, Energie, Wirtschaftsgütern und Lebensmitteln durch Importe vor allem aus Russland, aber auch aus den Nachbarstaaten, absichern. Der Abstand Kaliningrads zu den künftigen EU-Staa- ten in seiner Nachbarschaft darf nicht noch größer wer- den. Kaliningrad hat eine viel versprechende Lage im sonst prosperierenden Ostseeraum. Im Grunde bleibt ne- ben der denkbar schlechtesten Lösung, nach der man die künftige Enklave sich selbst überlässt, nur die Möglich- keit, für die Region Kaliningrad einen Sonderstatus zu er- reichen. Das ist vorrangig russische Aufgabe. Moskau muss die Kaliningrader Administration von seinem Tropf lassen, ihr Entscheidungskompetenzen überlassen und den Status der Region aufwerten gegenüber dem Mutter- land. Nur so kann auch ein innen- und sicherheitspoliti- sches Klima geschaffen werden, das künftigen Investoren entgegenkommt. Nur so kann sich Kaliningrad öffnen und sich in den europäischen Wirtschaftsraum integrieren. Natürlich werden die EU-Staaten ein solches Vorgehen nach Kräften unterstützen. Russland aber muss nur die Initiative ergreifen. Der NATO-Russlandrat und der Ost- seerat unter russischem Vorsitz sind geeignete Gremien, die regionale Anbindung Kaliningrads institutionell zu verankern. Die Initiative hierfür aber muss von Russland ausgehen. Die EU kann nur unterstützen. Denkbar ist ein regionaler Sonderstatus für, Kaliningrad in Europa und eine Zusammenarbeit nachdem Modell der Euregio. Zum Abschluss möchte ich noch feststellen, dass heute im Zusammenhang mit einer Öffnung Kaliningrads nie- mand mehr von der Gefahr der Germanisierung spricht. Andererseits mangelt es uns Deutschen immer noch an der Unbefangenheit, von Kaliningrad als Königsberg zu reden, so wie es die Franzosen tun, wenn sie mit Aix-la- Chapelle Aachen und mit Ratisbonne Regensburg mei- nen. Es geht hier ja nicht um Revanchismus. Wir sollten unbefangener auch die Bezeichnung Königsberg verwen- den für eine Stadt im heutigen Russland, deren Bewohner, die Presse berichtet immer öfter davon, sich mehr und mehr mit der deutschen Vergangenheit ihrer Heimat aus- einander setzen und sie zur Kenntnis nehmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23637 (C) (D) (A) (B) Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Während des Petersburger Dialogs Anfang April dieses Jahres in Weimar wurden wir von unseren russischen Ge- sprächspartnern im Arbeitskreis Politik mehrfach gefragt, was denn unsere Position zur Zukunft Kaliningrads sei, welche Konzepte wir vorschlagen würden. Wir konnten nur antworten, eine gemeinsame Position hierzu gebe es nicht. Jeder könne nur seine eigene Meinung vortragen. Im Übrigen bestehe das Problem ja darin, dass Kalinin- grad eine russische Enklave innerhalb der EU werden würde, insofern bedürfe es einer Lösung, die zwischen der EU und Russland gefunden werden müsse. Als Deutsche würden wir es vorziehen, andere EU-Länder für uns spre- chen zu lassen, wir seien als Deutsche da zu leicht Miss- verständnissen ausgesetzt. Erst das Befremden unserer russischen Gesprächspartner machte uns deutlich, dass zu solcher Zurückhaltung kein Anlass besteht, dass man im Gegensatz von uns Lösungen erwarte. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir heute einen inter- fraktionellen Antrag beschließen, der eine Reihe von sinn- vollen Impulsen enthält, woraus allmählich ein Konzept erwachsen kann. Das Problem Kaliningrad besteht ja darin, dass es nach der nächsten Erweiterung der EU von EU-Ländern umge- ben sein wird, eine russische Exklave in der EU, umgeben von einer Schengen-Grenze. Dessen Zukunft besteht darin, dass es entweder ein von Russland abgetrenntes Ar- menhaus werden könnte oder eine russisches Provinz, prosperierend, weil die Wirtschaftsimpulse des Ostsee- raums und der EU-Erweiterung zusammen mit der wach- senden Dynamik der russischen Wirtschaft sich gerade auf diese Provinz auswirken werden. Letzteres müssen wir in jeder Weise fördern. Natürlich haben die Älteren unter uns Erinnerungen, vieles verbindet uns mit der Geschichte von Königsberg- Kaliningrad. Ich erinnere; an die Gedichte Bobrowskis oder die jüngeren Filme Volker Koepps über die „Kalte Heimat“. Und doch: Die Zukunft liegt in der Öffnung die- ses Gebiets als eines russischen Raumes, der teilhaben kann an der Dynamik des Ostseeraums, der eine Brücke sein kann zwischen Russland und der EU und damit auch zwischen Russland und Deutschland. Der Antrag nennt die vielfältigen Ebenen der Zusam- menarbeit. Eine neue regionale Identität könnte sich hier herausbilden. Die Kooperation auf der Ebene der Bun- desländer und der Regionen in anderen Staaten kann dazu beitragen, dass europäische Begegnung zur alltäglichen Erfahrung vieler politischer Ebenen wird. Die Entwick- lung der Zusammenarbeit auf der Ebene der NGOs ist da- bei mir selbst ein besonderes Anliegen. Mit Vergnügen er- innere ich mich an Gespräche in Berlin und in Moskau mit Vertretern der Kaliningrader „Ekodefense“, die mit gro- ßem Verantwortungsbewusstsein für den Umweltschutz in Kaliningrad sich einsetzen. Wir sehen gegenwärtig, wie durch das engere Zusam- menrücken von USA, EU und Russland in der NATO eine neue Sicherheitsstruktur unseres Kontinents entsteht. Wir begrüßen das. Wir erkennen darin eine historische Chance, aus den Schatten des 20. Jahrhunderts herauszu- treten. Zugleich haben wir eine große Aufgabe vor uns, deren Lösung noch kaum sichtbar ist. Im vorliegenden Antrag weisen wir zu Recht auf die Auswirkungen der Schengen-Regelungen auf Kaliningrad hin. Regelungen müssen gefunden werden. Wie viel Erleichterungen bei der Visa-Vergabe sind wir bereit zu geben, um die Errich- tung einer neuen Mauer an der zukünftigen Grenze der EU zu verhindern? Ich weiß, dass die Wahlerfolge von Rechtspopulisten in Kernstaaten der EU uns alle darauf verweisen, dass wir die Menschen in unseren eigenen Staaten nicht überfordern dürfen. Und doch wünsche ich mir eine ehrliche und öffentliche Diskussion darüber, wie wir gerade die Schengen-Grenzen um Kaliningrad so durchlässig machen können, dass sie die Bewegung der dort lebenden Menschen zwischen ihrer Heimat Kalinin- grad und Russland nicht behindern und zugleich auch ih- nen den Weg zu uns öffnet. Vielleicht können wir diese ehrliche und öffentliche Diskussion erst nach dem 22. September führen, obwohl sie vielleicht gerade im Wahlkampf nötig wäre. Dr. Werner Hoyer (FDP): Die heutige Debatte hätten wir schon Anfang letzten Jahres führen können und führen sollen. Damals, im Januar 2001, hat nämlich die FDP-Bundestagsfraktion einen Antrag vorgelegt, der bei der Abfassung des heute zu behandelnden interfraktionel- len Antrages ganz offensichtlich Modell gestanden hat. Hätte sich die Regierungskoalition seinerzeit dazu durch- ringen können, unseren Antrag zu unterstützen, dann hätte die Bundesregierung Gelegenheit gehabt, die vielen darin enthaltenen nützlichen Forderungen noch zu einem Zeit- punkt umzusetzen, der hinsichtlich der bevorstehenden Erweiterung von NATO und EU mehr Spielraum für die Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes zur Einbindung der Exklave Kaliningrad in die europäischen Strukturen gelassen hätte. Doch besser spät als nie. Deshalb haben wir uns auch gern bereit erklärt, den interfraktionellen Ansatz mitzutragen, wenngleich wir das Copyright schon für uns beanspruchen. Doch auch hier gilt, dass das Ori- ginal meist besser ist als die Kopie. Aus diesem Grunde sind wir auch nicht bereit, unseren eigenen Antrag zurück- zuziehen, der in einigen wichtigen Punkten noch weit über den interfraktionellen Ansatz hinausgeht. Zum Inhalt: Die bevorstehenden Erweiterungen der Europäischen Union und der NATO stellt die Exklave Kaliningrad vor eine Phase voller Herausforderungen und Chancen. Mit der EU-Osterweiterung wird die Region nicht nur zum Bindeglied zwischen Europa und Russland. Sie gewinnt auch im Rahmen der „Nördlichen Dimen- sion“ der EU eine besondere Bedeutung für den gesamten Ostseeraum. Nach anfänglichem Zögern hat die neue russische Regierung Konsequenzen aus der sich abzeich- nenden Entwicklung gezogen und die Exklave zur Pilot- region für die Entwicklung einer regionalen Zusammen- arbeit mit der EU erklärt. Kaliningrad wird von Moskau nicht nur als militärischer Vorposten betrachtet. Deutlich erkennbar ist die Bereitschaft, dort ein liberales Wirt- schaftsmodell in Verbindung mit Sonderbeziehungen zur EU zu etablieren. Bereits 1996 war das gesamte Kaliningrader Gebiet zur Sonderwirtschaftszone erklärt worden, um Standort- nachteile durch Steuer- und Zollvergünstigungen aufzu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223638 (C) (D) (A) (B) wiegen. Mit Litauen und Polen wurde der visafreie Reise- verkehr für Kaliningrader Bürger eingeführt. Die Einrich- tung der Sonderwirtschaftszone hat angesichts einer un- beweglichen Bürokratie, fehlender Investitionen und öffentlicher Fördermittel, aber auch aufgrund von Kor- ruption und Kriminalität bislang jedoch nicht zu dem er- hofften Aufschwung geführt. Auch in diesen Punkten lei- det die Exklave bis heute an ihrem sowjetischen Erbe. Die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme der Region sind auch zwölf Jahre nach dem Umbruch in Mit- tel- und Osteuropa enorm. Die Industrieproduktion ten- diert gegen null, die Landwirtschaft liegt brach, Infra- struktur und Logistik sind kaum entwickelt, Schifffahrt- und Hafenbetrieb sind fast zum Erliegen gekommen, Le- bensmittel, Rohstoffe und Energie werden aus Russland oder den Nachbarländern eingeführt, die organisierte Kri- minalität blüht. Im Rahmen der bevorstehenden EU-Erweiterung müs- sen daher dringend regional angepasste Lösungen gefun- den und umgesetzt werden. Insbesondere die Gestaltung des Schengener Abkommens an den Außengrenzen einer erweiterten Union zur Exklave Kaliningrad stellt die eu- ropäisch-russische Zusammenarbeit vor große Herausfor- derungen. Falls keine Sonderregelung vereinbart werden kann, werden die Kaliningrader nach dem EU-Beitritt Po- lens und Litauens ein Visum beantragen müssen, wenn sie das russische Hauptland auf dem Landweg besuchen wol- len. Bereits jetzt behindern extrem lange Wartezeiten an den Grenzen den Warenverkehr, wodurch die Attraktivität des einzigen eisfreien russischen Ostseehafens weiter be- einträchtigt wird. Neben der Visaproblematik würde nach einem EU-Beitritt Polens und Litauens auch der regionale Handel erheblich weiter erschwert werden, da Kalinin- grad kaum in der Lage sein wird, technische und ökologi- sche Normen der EU, etwa im Bereich der für die Kaliningrader Wirtschaft wichtigen Fischverarbeitungs- industrie, zu übernehmen. Ziel der gemeinsamen An- strengungen muss es daher sein, die Exklave zu einer Brücke Russlands nach Europa auszubauen. Kaliningrad wird so zum Testfall für die zukünftige europäisch-russi- sche Zusammenarbeit. Die EU-Kommission hat dem Rat ein Diskussionspa- pier über die künftige Gestaltung der Beziehungen zur Exklave Kaliningrad zur internen Abstimmung vorgelegt. Diskussionspapiere sind schön, machen aber nur dann Sinn, wenn hieraus konkrete Strategien und Umsetzungs- modelle entstehen. Nur so kann eine Isolierung der Re- gion mit den daraus entstehenden Folgen für eine weitere Verarmung, für Kriminalität, Waffenhandel und politische Instabilität vermieden werden. Eine verstärkte Zusam- menarbeit mit der Europäischen Union im Rahmen der „Nördlichen Dimension“ und des Ostseerates bietet die besten Voraussetzungen zur Intensivierung der wirt- schaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen Kaliningrads zu seinen Nachbarn und zum Abbau noch vorhandenen Misstrauens. Die Bundesregierung ist ge- fordert, hier eigene Initiativen zu entfalten. Es ist offensichtlich, dass sich alle genannten Probleme nur mit dem Einverständnis Moskaus lösen lassen. Die russische Regierung muss daher eng in die Planungs- prozesse auf allen Ebenen mit einbezogen werden. Hierzu gehört auch die intensive Auseinandersetzung mit dem von russischer Seite vorgeschlagenen „besonderen Ab- kommen“ mit der Union sowie die Beteiligung Russlands an der weiteren Verfolgung des vom EU-Rat in Feira be- schlossenen „Aktionsplanes“ der „Nördlichen Dimen- sion“ der EU. Eine stärkere Anbindung an europäische Strukturen ist jedoch nicht nur aus wirtschaftspolitischer Sicht dringend geboten. Das Kaliningrader Gebiet wird nach der bevor- stehenden NATO-Osterweiterung von der NATO-Grenze umgeben sein. Entsprechend wird die strategische Bedeu- tung Kaliningrads für Moskau weiter ansteigen. Dies be- trifft auch die schwierige Frage des Transports von russi- schen Militärgütern durch Litauen. Vor dem Hintergrund der besonderen geschichtlichen Verantwortung Deutschlands müssen die europäischen Bemühungen zur Einbindung der Region Kaliningrad in die europäischen Strukturen auch durch bilaterale Initiati- ven ergänzt werden. Dies betrifft unter anderem ein stär- keres Engagement für deutsche Investoren, den Ausbau und Erhalt der Bahnstrecke Königsberg–Berlin, Univer- sitäts- und Schulpartnerschaften wie auch Maßnahmen zur Förderung des Deutsch-Russischen Hauses in Kali- ningrad und zur Unterhaltung der deutschen Soldaten- friedhöfe. 1250 km von Moskau und nur 600 km von Ber- lin entfernt gelegen, könnte sich Kaliningrad zur Drehscheibe für Handel und Transport zwischen Russ- land und der erweiterten Union und zum Bindeglied zwi- schen Russland und NATO im Rahmen eines gemeinsa- men europäischen Sicherheitsraumes entwickeln. Doch es muss schnell gehandelt werden. Dr. Klaus Grehn (PDS): Der vorliegende Antrag zu einem wichtigen Problem der europäischen Politik – der Einbindung der russischen Region Kaliningrad in die EU-Osterweiterung – kann ein positiver Beitrag des Deut- schen Bundestages zur Intensivierung der Beziehungen zu Russland und für das Wohl aller europäischen Völker sein. Leider nicht zum ersten Mal wurde bei diesem ge- meinsamen Antrag von vier Fraktionen dieses Hauses eine Verständigung mit der PDS nicht gesucht. Zweifellos spielt für Russland die Gewährleistung der Sicherheit in den Beziehungen zur EU eine zentrale Rolle und es ist zu begrüßen, dass die deutsche Russland-Poli- tik dies zunehmend in Rechnung stellt. Auch und gerade in den wünschenswerten Gesprächen und Verhandlungen der EU mit Russland um die Perspektiven der Region Ka- liningrad muss das beachtet und verstanden werden. Die russischen sicherheitspolitischen Aspekte kreuzen sich mit wirtschaftspolitischen in durchaus überregionaler Di- mension. In der Region ist ein Truppenkontingent von 70 000 Mann stationiert, der Hafen von Kaliningrad ist eisfrei. Die Region Kaliningrad hat circa 1 Million Ein- wohner und liegt nach dem BIP an 57. Stelle der 89 Re- gionen Russlands. Die gemeinsame Grenze zu Polen und Litauen ist 400 Kilometer lang und hat drei Grenzüber- gänge. Für Russland ist die Sicherung des freien Zugangs zu seiner Enklave von zentraler Bedeutung. Dies betrifft neben dem ungehinderten Land- und Luftverkehr auch den freien Verkehr von Personen von und nach Kalinin- grad. Der vorliegende Antrag stellt richtig heraus, dass mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23639 (C) (D) (A) (B) dem Eintritt vor allem Polens und Litauens in die EU un- ter den Bedingungen des Schengener Abkommens erheb- licher Regelungsbedarf für dieses Problem entstehen wird. Die hier vorgeschlagenen Regelungen gehen in die richtige Richtung und werden später auch zum Beispiel in den Beziehungen zur Ukraine und Belorussland Beispiel- funktion haben, wenn Polen der EU beigetreten sein wird. Ebenfalls unterstützen wir die Forderung des Antrages, Polen und Litauen auch schon vor ihrem Beitritt zur EU in alle die Regelungen einzubeziehen, die mit der Enklave Kaliningrad zu tun haben. Der europäische Integrations- prozess kann einen ganz besonderen Beitrag dazu leisten, dass historisch bedingte und leider immer noch vorhan- dene Ressentiments zwischen den baltischen Völkern, Polen und Russland abgebaut werden. Wir begrüßen bei dem Antrag ganz besonders, dass er frei ist von ,,besonderen deutschen Interessen“ und damit Tendenzen des in manchen deutschen Kreisen vorhande- nen Revanchismus eine Absage erteilt wird. Nicht ganz ausgewogen ist hingegen die Begründung und Verant- wortungszuteilung für den gegenwärtigen Zustand der Region. Hier allein den Schlüssel bei Russland zu suchen, ist historisch wenig gerecht, den zu lösenden – und im An- trag ja auch benannten – Aufgaben dient diese einseitige Schuldzuweisung wenig. So richtig es ist, von Russland die Bereitschaft zu gemeinsamen Anstrengungen zu ver- langen und dafür die Voraussetzungen zu schaffen, so falsch wäre das Warten oder das Drängen auf russische Vorleistungen. Schließlich ist es vor allem die Erweite- rung der EU und die entsprechenden Visaregelungen, die zunächst einmal Probleme bereiten. Russland hat zudem zu beachten, dass die Schaffung besonderer Bedingungen für Teile seines nach dem Zweiten Weltkrieg hinzuge- kommenen Territoriums einen Präzedenzfall schafft, und es ist zu respektieren, dass manches Notwendige nur zö- gerlich erkannt wird. Zudem wird die russische Bevölke- rung in den baltischen Staaten mit deren Beitritt zu EU- Bürgern und das ist für Russland ein ganz neues auch innenpolitisches Problem. Alles in allem ist es wünschenswert, dass die Bundes- regierung die in dem Antrag genannten Forderungen mit Leben erfüllt und zielstrebig in Angriff nimmt. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Latainamerika und der Karibik – Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad (Tagesordnungspunkt 16, Zusatztagesordnungs- punkt 18) Lothar Mark (SPD): Unsere Beziehungen zu Latein- amerika und der Karibik sind gut, so gut sogar, dass sie – wenig spektakulär und vergleichsweise geringen Kon- fliktstoff bergend – in der Öffentlichkeit kaum wahrge- nommen werden. Lateinamerika steht somit aus nachvoll- ziehbaren Gründen nicht im Mittelpunkt der deutschen Außenpolitik. Und trotzdem müssen wir unsere Aufmerk- samkeit verstärkt und nachhaltig dem lateinamerikani- schen Subkontinent zuwenden. Wenn am kommenden 17. und 18. Mai in Madrid die Staats- und Regierungschefs der europäischen, lateiname- rikanischen und karibischen Länder zu ihrem zweiten Gipfel zusammenkommen, werden nur wenige wirkliche Differenzen in den biregionalen Beziehungen zu verhan- deln sein. Lateinamerika steht uns so nahe wie keine an- dere Weltregion. Madrid knüpft an den ersten Gipfel dieser Art 1999 in Rio de Janeiro an. Hier haben sich Lateinamerika, die Karibik und Europa zu einer strategischen Partnerschaft bekannt. Sie ist sichtbarer Ausdruck der unsere Regionen verbindenden Werte- und Interessengemeinschaft. In Madrid soll nun das Erreichte der Rio-Deklaration bewertet, diese Partnerschaft weiter verstetigt und ausge- baut werden. Man wird zu Recht feststellen, dass seit Rio einiges erreicht ist. Seither wurde der biregionale Dialog zu vielen Themen auf der politischen Agenda, wie zum Beispiel auf den Gebieten Sicherheit, Drogenbekämp- fung, Ausbau der Demokratie, Sicherung der Menschen- rechte oder nachhaltige Entwicklung vertieft. Ich möchte des Weiteren das im Juli 2000 in Kraft getretene Freihan- delsabkommen EU Mexiko und das seit Oktober 2000 geltende Globalabkommen EU Mexiko erwähnen, das übrigens das erste Abkommen der EU dieser Art weltweit ist. Ebenso konnten in Rio die Weichen für den Abschluss ähnlicher Assoziierungsabkommen mit dem Mercosur und Chile gestellt werden. Die an sich parallel angelegten Verhandlungen konnten mit Chile schneller vorange- bracht werden, sodass erfreulicherweise die Unterzeich- nung am Rande der Madrid-Konferenz erfolgen soll. Hier ist also vieles in Bewegung gekommen; ich werde aber später noch darauf eingehen, dass diese auch an ei- nigen Stellen stockt. Auf nationaler Ebene ist Lateinamerika ebenfalls wie- der etwas stärker ins Blickfeld getreten: Diese „neue Auf- merksamkeit“, die seitens der Regierung und auch von uns Parlamentariern dem Subkontinent beigemessen wird, ist außerordentlich zu begrüßen. Die Reisen von Bundeskanzler Schröder und Bundesminister Fischer An- fang dieses Jahres in die Region wurden dort als deutli- ches Signal aufgenommen. Jetzt gilt es, diese positiven Ansätze zu nutzen. Denn bei allem Optimismus müssen wir zugeben, dass unser bishe- riges Engagement in und für Lateinamerika und die Kari- bik noch deutlich ausgebaut werden könnte und müsste. Das Potenzial für eine dichtere, für beide Regionen frucht- bare Zusammenarbeit ist immens; es muss aber auch aus- geschöpft werden. Wenn dies gelingt, so meine ich, zeitigt diese Region mit dem geringsten Einsatz die im Vergleich größten Erfolge. Der Beschluss von Rio, eine strategische Partnerschaft anzustreben, erfolgte unter deutscher EU- Präsidentschaft. Deswegen haben wir eine besondere Ver- antwortung für den Folgeprozess und müssen uns bemü- hen, diesen noch stärker mit Leben zu füllen. Das Europaparlament ist hierbei vorbildlich voran- gegangen: Schon Ende letzten Jahres hat es eine um- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223640 (C) (D) (A) (B) fangreiche Entschließung zum anstehenden Gipfel ver- abschiedet – Titel: „Entschließung des Europäischen Par- laments zu einer globalen Partnerschaft und einer ge- meinsamen Strategie für die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lateinamerika“. Der vorlie- gende Antrag möchte die darin ausgesprochenen Feststel- lungen und Forderungen aus deutscher Perspektive be- kräftigen. Im Gegensatz zum Antrag der PDS-Fraktion vom 15. März 2002 mit dem Titel: „Partnerschaftliche Be- ziehungen zu Lateinamerika festigen und ausbauen“ soll er der gesamten Bandbreite der Beziehungen zwischen unseren beiden Regionen gerecht werden. Lassen Sie mich daher kurz auf einige Einzelbereiche eingehen: Die Europäische Union ist in wirtschaftlicher Hinsicht der zweitwichtigste Handelspartner und Investor in La- teinamerika und der Karibik. Sie ist insgesamt der bedeu- tendste entwicklungspolitische Partner und zudem wich- tigster Wirtschaftspartner des Mercosur. Diese bestehende enge Kooperation kann allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass sich der lateinamerikanische Sub- kontinent wirtschaftlich immer stärker auf seinen großen nördlichen Nachbarn, die USA, ausrichtet. Bis 2005 wol- len die Vereinigten Staaten mit den einzelnen Ländern ein gesamtamerikanisches Freihandelsabkommen vereinbart haben. Die Handelsströme zwischen der EU und Lateiname- rika dagegen nehmen ab. 1990 bezogen Lateinamerika und die Karibik noch 20,9 Prozent ihrer Gesamtimporte aus der EU, 1999 waren es nur mehr 15,8 Prozent. Die entspre- chenden Exportanteile haben sich noch ungünstiger ent- wickelt: Sie sanken im selben Zeitraum von 23,9 Prozent auf 11,7 Prozent. Bei den Investitionen kann zwar eine Zunahme des eu- ropäischen Engagements in Lateinamerika konstatiert werden, bedauerlicherweise erfolgt dies aber derzeit fast auf einer Einbahnstrasse. Von Lateinamerika nach Europa ist nur eine relativ geringe Investitionstätigkeit zu ver- zeichnen. Gleichzeitig scheint es mir an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit nicht in gleicher Weise an der dyna- mischen Wirtschaftsentwicklung in Lateinamerika parti- zipiert hat wie andere EU-Mitgliedstaaten. Um gerade im wirtschaftlich interessantesten Integrationsraum, dem Mercosur, nicht an Boden zu verlieren, halte ich einen schnellen Abschluss des Assoziierungsabkommens EU Mercosur für unbedingt erforderlich. Mittelfristig sollten wir aber auch den Abschluss entsprechender Abkommen mit der Andengemeinschaft und Zentralamerika nicht aus den Augen verlieren. In diesem Zusammenhang muss nun ein zentraler Kon- fliktpunkt, der zu großen Teilen einen zügigen Abschluss des EU Mercosur-Abkommens bisher verzögert hat, an- gesprochen werden: Wie halten wir es mit der Handels- liberalisierung im Agrarbereich? Wie nicht anders zu er- warten, wird die Agrarfrage insbesondere wegen der Blockade einiger EU-Mitgliedsländer auch auf dem Madrid-Gipfel von den lateinamerikanischen Teilneh- mern als prioritäres Thema angesprochen werden. Und in der Tat müssen wir Europäer uns fragen lassen, warum wir unseren massiv geschützten Agrarmarkt nicht stärker für lateinamerikanische Produkte öffnen. Im Interesse der Fortentwicklung der gemeinsamen Handelsbeziehungen sollten wir, wie ich meine, den lateinamerikanischen Län- dern besonders in den Segmenten eine Chance geben, in denen die meisten von ihnen international wettbewerbs- fähige Produkte anbieten. Denn nachhaltige wirtschaft- liche Prosperität und soziale Stabilität sind auf das Engste miteinander verknüpft. Und ohne eine deutliche Verbes- serung der sozialen Situation in vielen lateinamerikani- schen und karibischen Ländern werden auch Demokratie als politisches und Marktwirtschaft als ökonomisches Ordnungsmodell an Akzeptanz verlieren. Lateinamerika ist noch immer die weltweit am stärks- ten von sozialen Disparitäten gekennzeichnete Region. Trotz erheblicher Fortschritte im wirtschaftlichen Reform- prozess hat sich die Armutsschere in der vergangenen Dekade weiter geöffnet. Im Zuge einer stärker präventiv ausgerichteten Außenpolitik sollten wir solche Entwick- lungen aufmerksamer beobachten und mit größerer Ener- gie dagegensteuern. Dies ist auch – aber eben nicht aus- schließlich – eine Aufgabe, die im Wege verstärkter entwicklungspolitischer Anstrengungen unsererseits ge- löst werden muss. Diese Zusammenhänge werden nicht nur durch die ak- tuellen besorgniserregenden Entwicklungen in Argenti- nien und Venezuela eindrücklich belegt. Auch in der An- denregion, Teilen Zentralamerikas und der Karibik droht eine Destabilisierung. Umfragen zeigen, dass in einigen lateinamerikanischen Ländern das Vertrauen in die demo- kratischen Institutionen in alarmierendem Ausmaß abnimmt. Wir müssen feststellen, dass etliche lateiname- rikanische Demokratien nicht so solide sind, wie wir ge- hofft hatten. Gestatten Sie mir, in diesem Zusammenhang auch kurz auf den akutesten sicherheitspolitischen Brennpunkt La- teinamerikas einzugehen, den Jahrzehnte andauernden be- waffneten Konflikt in Kolumbien. Ich denke, dass sich an diesem Beispiel deutlich zeigt, dass der dominante, mi- litärische Politikansatz der USA in eine Sackgasse führt. Hier müssen wir meiner Ansicht nach – im Rahmen der EU – deutlicher eine eigenständige Strategie vertreten, die auf Deeskalation und zivile Lösung des Konflikts setzt. Nur auf diese Weise scheint mir ein Flächenbrand in der Andenregion zu verhindern zu sein. Europa und Deutschland haben ein vitales Interesse an starken, handlungsfähigen Partnern. Denn die große He- rausforderung unserer Zeit, die Globalisierung politisch zu gestalten, läßt sich nur gemeinsam meistern. Kleine Fortschritte bei der Lösung globaler Fragen werden nur durch einen zäh errungenen Konsens aller Beteiligten er- zielt. Ich habe heute schon einmal betont, dass wir solche verlässlichen Partner gerade in Lateinamerika und der Karibik finden. Beide Regionen fühlen sich dem Konzept des Multilateralismus verpflichtet und leisten dadurch ei- nen wichtigen Beitrag zu einer globalen Kooperations- kultur. Daher, so finde ich, sollten künftig verstärkt ge- meinsame Initiativen auf globaler Ebene von unseren Regionen ausgehen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23641 (C) (D) (A) (B) Angesichts der zahlreichen drängenden Problemkom- plexe auf der weltpolitischen Agenda bieten sich die unter- schiedlichsten Bereiche für eine solche Zusammenarbeit an: Umwelt- und Klimaschutz, Biodiversität, Menschen- und Sozialrechte, Rüstungskontrolle, internationales Straf- recht, Drogenbekämpfung, innere und äußere Sicherheit. Diese Aufzählung deutet nur an, dass die Zusammenarbeit in internationalen bzw. supranationalen Foren als einer der Aktivposten der Beziehungen zwischen Europa und La- teinamerika auszumachen ist. Aus diesem Grund sollte uns auch daran gelegen sein, dass die verschiedenen Integrationsbestrebungen in La- teinamerika und der Karibik erfolgreich weiter betrieben werden und zu starken regionalen Blöcken führen. Auch auf diesem Feld verbinden unsere beiden Regionen ge- meinsame Erfahrungen und Hoffnungen. Ich möchte abschließend zum Bereich der kulturellen und wissenschaftlichen Kooperation im weiteren Sinne kommen. Hier zeigt sich am deutlichsten der Charakter der europäisch-lateinamerikanischen Beziehungen als ein „von unten“ getragenes System. Mit keiner anderen Welt- region unterhält Europa bzw. Deutschland ein solch dich- tes Kooperationsnetzwerk unterhalb der staatlichen Ebene. Die Fülle von Kontakten im Rahmen der Kirchen, politischen Stiftungen, Gewerkschaften oder anderen Nichtregierungsorganisationen spiegelt die enorme Sym- pathie beider Seiten füreinander wider. Nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, son- dern auch in kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht sind Lateinamerika und die Karibik für Europa eine Wachstumsregion. Hier ergeben sich interessante, zu- kunftsweisende Kooperationsbereiche: bei der Frage bei- spielsweise, wie unsere Regionen den Übergang zur In- formationsgesellschaft bewerkstelligen oder bei der Diskussion über unsere kulturelle Identität im Kontext der Globalisierung. Auch ein solches Netzwerk muss institutionell veran- kert sein und von staatlicher Seite Unterstützung erfahren: Dies kostet Geld, aber dies ist gut investiertes Geld, wenn wir nicht wollen, dass die zukünftigen lateinamerikani- schen Eliten sich ausschließlich in Richtung USA orien- tieren. Europa läuft in der Tat Gefahr, seine Anziehungs- kraft als intellektuelles Zentrum zu verspielen. Es wächst eine Generation von Absolventen heran, für die ein Ab- schluss in Harvard oder Berkeley die bessere Eintrittskarte ist als der einer europäischen Universität. Um diesem Trend zumindest entgegenzuwirken, scheinen mir ver- schiedene Maßnahmen angezeigt, darunter eine deutliche Erhöhung der Stipendien und die Einrichtung eines euro- päischen Zentrums für Lateinamerika-Studien. Angesichts knapper öffentlicher Kassen muss freilich der Mittelein- satz zielgerichtet nach effizienten Kriterien erfolgen. Die Koalitionsfraktionen weisen mit dem vorliegenden Antrag meiner Ansicht nach in die richtige Richtung, näm- lich einen qualitativen Schritt vorwärts zu einer fruchtba- ren strategischen Partnerschaft mit Lateinamerika und der Karibik. Abschließend noch wenige Worte zum ebenfalls zu be- ratenden Antrag „Hilfe für die Opfer der Colonia Dig- nidad“. Es geht darum, die Menschenrechtsverletzungen in der südchilenischen Kolonie wirksam abzustellen und den Opfern der Sekte zu helfen. Der Antrag ist in erster Lesung im November des ver- gangen Jahres eingebracht worden. Diese Initiative wurde in der chilenischen Öffentlichkeit überwiegend sehr posi- tiv aufgenommen. Die chilenische Regierung hat die darin gemachten Angebote als „deutsches Interesse, das die Zeit überdauert hat“, gewürdigt. Im Rahmen seiner eingangs erwähnten Reise nach Chile Anfang dieses Jahres hat Bundesminister Fischer der chilenischen Regierung deutsche Hilfe bei der Straf- verfolgung im Zusammenhang mit Colonia Dignidad zu- gesagt. Ich glaube, durch diesen Antrag sind bereits jetzt entscheidende Schritte angeregt worden. Daher bin ich sehr hoffnungsvoll. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurden acht neue Klagen wegen Kindesmissbrauch gegen Mitglieder der Führungsclique eingereicht. Es sind insgesamt über 70 Prozesse gegen diese anhängig. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass den Menschen in der Kolonie noch immer nicht wirkungsvoll geholfen werden konnte. Seit der ersten Lesung hat es weitere un- geklärte Todesfälle gegeben. Es spricht auch nichts dafür, dass sich die menschenunwürdigen Zustände in der Colo- nia Dignidad seitdem wesentlich gebessert hätten. Noch immer ist Schäfer nicht gefasst. Die gegen ihn anhängigen Verfahren sind von der chilenischen Justiz vor kurzem vorübergehend eingestellt worden, ohne aller- dings den Haftbefehl gegen ihn aufzuheben. Hieran ist erkennbar, wie groß die Gefahr einer Ver- schleppung der Fälle ist. Das Erpressungspotenzial der Colonia Dignidad in der chilenischen Gesellschaft scheint noch immer bedeutend zu sein. Daher müssen politische Signale ausgesendet werden. Wir werden deshalb im Nachgang zum vorliegenden Antrag verstärkt die Zusam- menarbeit mit der chilenischen Seite auf parlamentari- scher Ebene suchen. Clemens Schwalbe (CDU/CSU): Heute geht es um das Verhältnis zwischen der EU und Lateinamerika. Ich muss leider feststellen, dass wir Europäer Lateinamerika im letzten Jahrzehnt etwas aus den Augen verloren haben, obwohl gerade wir den Kontinent sprachlich wie kulturell maßgeblich geprägt haben. In den 70er- und 80er-Jahren gingen noch Tausende von Menschen in Deutschland für den Freiheitskampf in Lateinamerika, vor allem in Chile, Argentinien, Nicara- gua und anderen Ländern, auf die Straße. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Öffnung gen Osten änderten sich aber die Prioritäten vor allem bei uns in Deutschland. Europa hörte nicht mehr am Eisernen Vorhang auf, sondern ein Riesentor öffnete sich. Die po- litische und wirtschaftliche Integration und Erweiterung der EU nach Osten ist das Thema schlechthin in den letz- ten Jahren und bindet leider viele Kräfte, sodass wir uns mehr mit uns selbst und unserer neuen Rolle in der glo- balisierten Welt beschäftigen müssen. Diese Neuorientie- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223642 (C) (D) (A) (B) rung muss natürlich geschehen, denn wir wissen, nur ein starkes Europa kann in einer globalisierten Welt vorne mitspielen. Aber gerade deshalb ist es nicht minder wich- tig, die Beziehungen zu außereuropäischen Märkten und Regionen neu zu definieren und aufzubauen. Sicher haben wir in Lateinamerika noch nicht überall gefestigte demokratische Strukturen. Korruption und Filz alter Machteliten bestimmen immer noch vielerorts die Politik. Aber die einfachen Menschen sind sich ihrer Macht zusehends bewusst und machen von ihren Grund- rechten Gebrauch. So hat sich die Qualität der Auseinandersetzungen in Lateinamerika verändert. Die Menschen möchten stärker an Wohlstand und Freiheit partizipieren und gehen heute, wie in Argentinien, wegen des drohenden Verlustes ihrer Ersparnisse auf die Straße. Wenn die Regierung Duhalde 25 Prozent der Verwaltung und auch der politischen Man- date auf allen Ebenen streicht, zeigt dies doch den Re- formdruck, aber auch die Fähigkeit, endlich zu handeln, und die Steuerschulden anzugehen. Erst 1999 beim Gipfeltreffen in Rio wurde der Faden zwischen der EU und Lateinamerika wieder geknüpft. Es wurde beschlossen, die Beziehungen zwischen EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik wieder auf- zufrischen und zu intensivieren. Damals hatte dieser Gip- fel unter der EU-Präsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland stattgefunden und Deutschland war damals sehr daran interessiert gewesen, die vereinbarten Emp- fehlungen und Ziele zu erreichen. Es geht uns immer noch darum, eine engere Zusam- menarbeit zwischen Europa und Lateinamerika zu erzie- len, und zwar nicht nur auf politischer und wirtschaftli- cher, sondern auch auf kultureller Ebene. Leider ist seitdem nicht viel umgesetzt worden, wie in Ihrem Antrag richtig bemerkt worden ist. Deutschland konnte sich in der EU nicht durchsetzen. Dieser Tage findet in Madrid das zweite lateinameri- kanisch-europäische Gipfeltreffen statt. Es wird für alle Beteiligten nicht einfach sein; denn die Situation hat sich nach 1999 stark verändert: Da haben wir zum einen eine wirtschaftliche Schieflage in Europa und zum anderen, was viel gravierender ist, befinden sich viele Länder La- teinamerikas ebenfalls in einer schwierigen wirtschaft- liche Krise, siehe Venezuela, Kolumbien oder Argenti- nien. Damit schwinden langsam die Hoffnungen von 1999 und die Agenda bleibt wenig konkret. Der bevorstehende Gipfel in Madrid bietet Koopera- tionen, die alle Beteiligten ernst nehmen sollten, denn in einer Welt nach dem 11. September sind politische und wirtschaftliche Zusammenschlüsse wichtiger denn je. Bisher, vor allem nach dem 11. September, streben wir nach noch engeren Beziehungen zu den USA. Aber auch die Osterweiterung, Osteuropa, die Balkanstaaten, der Frieden im Nahen Osten und die Maghreb-Staaten stehen jetzt im Mittelpunkt der derzeitigen außen- und sicher- heitspolitischen Interessen in Europa. Wir dürfen dabei aber die Staaten in Lateinamerika nicht vergessen; sie müssen ebenfalls in unser Kooperationsgeflecht mit ein- bezogen werden. Es ist an uns, dies jetzt in Madrid anzupacken. Es geht dabei um eine Intensivierung des politischen Dialogs, was die Sicherheit nach außen und nach innen angeht, das heißt um die Unterbindung von illegalen Drogen, eine Verbesserung der Sozialstandards, um Bioethik und um eine nachhaltige Umwelt- und Klimapolitik. Es geht um die technologische Kooperation und Informationsgesell- schaft und um den kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen EU und Lateinamerika. Ich beginne mit dem politischen Dialog und der Sicher- heitspolitik: Wir als EU sind zurzeit damit beschäftigt, eine effiziente Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen. Aber auch Lateinamerika setzt große Akzente für eine Außen- und Sicherheitspolitik. Dies wäre zum Bei- spiel ein wichtiger Ansatzpunkt für einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Die organisierte Kriminalität sowie das Drogenproblem können nur global bekämpft werden. Beim Kampf gegen die Drogenkartelle gibt es eine Reihe von Ansätzen, den einfachen Coca-Bauern Alternativen zum Drogenanbau anzubieten. Jedoch sind die Erträge zu niedrig, als dass sie die meisten Bauern überzeugen wür- den. Auch hier stoßen wir auf weitere Schwierigkeiten in unserer Argumentation, den Drogenhandel durch Alterna- tivprodukte zu unterbinden. Wir müssen dann nämlich auch unsere Märkte für diese Produkte öffnen und dürfen unsere Märkte nicht durch Schutzzölle abschotten, wie dies jahrelang im Bananenstreit geschehen ist. Welchen Anreiz sollen die Bauern denn haben, wenn sie ihre Pro- dukte nicht verkaufen können? Während die USA Polizei und Militäreinheiten in Ko- lumbien gegen Terroristen und Drogenkartelle zum Ein- satz bringen, stellt sich die Frage, was wir Europäer dies- bezüglich unternehmen. 6 000 Entführungen und über 30 000 Morde im Jahr in Kolumbien lassen uns anschei- nend unbeirrt, obwohl dies mehr Opfer sind als der Ju- goslawienkonflikt zu verantworten hatte. Ich frage mich, wo hier unser Konzept zur Befriedung bleibt. Wir sollten nicht verkennen, dass bei solchen instabilen Verhältnissen die Gefahr von Flächenbränden groß ist. Auch unsere Un- ternehmen und deren Mitarbeiter sind davon betroffen. Die Kriminalitätsquote ist in den meisten südamerika- nischen Ländern nach wie vor extrem hoch. Ursachen sind sicher die sozialen Verhältnisse vieler Länder und die hohe Arbeitslosigkeit und Inflation. Hier müssen wir über die Weltbank und vielleicht auch zunehmend über die EZB währungspolitische Hilfe anbieten, damit die Infla- tion nicht die Ersparnisse der kleinen Leute auffrisst mit den Folgen einer sozialen Verelendung und einer zuneh- menden Kriminalität. Das europäische Integrationsmodell der EU kann ebenfalls als Vorbild und somit als attraktives Konzept für die Staaten Lateinamerikas dienen. Die schlechte Ein- kommensverteilung in Lateinamerika könnte stark von ei- nem sozialen Mindeststandard profitieren und so den of- fenen Dialog untereinander fördern. Die Vereinheitlichung der Sozialmaßstäbe nach EU- Vorbild sollte von uns entsprechend gefördert und voran- getrieben werden. Denn nach wie vor herrschen sehr große soziale Unterschiede in den einzelnen Ländern La- teinamerikas. Während beispielsweise der Anteil der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23643 (C) (D) (A) (B) armen Bevölkerung in Chile von 42 Prozent auf 20 Pro- zent gesunken ist, beträgt der Anteil der Armen in vielen Ländern nach wie vor über 50 Prozent. Gerade das Bei- spiel Chile zeigt, dass eine solide, marktwirtschaftlich ori- entierte Wirtschaftspolitik, die auf einer soliden Haus- haltsführung und einer ausgeglichenen Steuerpolitik beruht, das beste Entwicklungsrezept ist. Die Inflation liegt in Chile unter 3 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei rund 10 Prozent, das Pro-Kopf-Einkommen ist mit 12 400 US- Dollar das höchste des Kontinents. Was Chile bisher ge- schafft hat, könnte auch für die anderen lateinamerikani- schen Staaten beispielhaft sein. Anders als in den 70er- und 80er-Jahren, als aufgrund der politischen Umstände viele Intellektuelle Zuflucht in Europa gefunden haben, suchen die lateinamerikanischen Eliten heute zunehmend den Weg in die USA und werden dort ausgebildet. Damit ist der kulturelle und wissen- schaftliche Austausch von EU zu Lateinamerika rückläu- fig. Unsere Universitäten bieten wenig Attraktivität, die Bildungskassen sind leer, die Hörsäle sind überfüllt und die Studienzeiten viel zu lang. Dies ist ein Ergebnis einer gescheiterten Bildungspolitik der Sozialdemokraten. Da- ran wird auch das neue Hochschulrahmengesetz der Ko- alition nicht viel ändern. Aber nicht nur die lateinamerikanischen Eliten drängt es in die USA, sondern auch Wirtschaftsflüchtlinge und Arbeitsmigranten zieht es dorthin. Dadurch ist Spanisch gerade in den südlichen US-Bundesstaaten mittlerweile schon die zweite Amtssprache geworden. Andererseits verfügen wir mit unseren EU-Partnern Spanien und Por- tugal über klassische Brückenköpfe mit entsprechendem kulturellen und sprachlichen Know-How, das vielmehr auch zugunsten der anderen EU-Partner genutzt werden sollte. Nicht zuletzt durch die intensive Arbeit, insbesondere auch der deutschen politischen Stiftungen – beispielhaft möchte ich hier natürlich die Konrad-Adenauer-Stiftung nennen –, gelang es in vielen Ländern, die Militärdiktatu- ren durch frei gewählte Parlamente abzulösen. Wenn in dem vorliegenden Antrag die Intensivierung der zivilge- sellschaftlichen Beteiligung der politischen Stiftungen und die Förderung der politischen Eliten durch eine Er- höhung der Stipendien gefordert wird, steht dies diametral dem neuen Haushaltsansatz der Regierung für das Jahr 2003 entgegen, in dem der Zuschuss für Stiftungen von 11,2 Millionen Euro auf 2,8 Millionen Euro gekürzt wer- den soll. Im Bereich Umweltschutz müssen die Staaten in La- teinamerika ihre Umweltprobleme ernst nehmen und ihre Ressourcen schützen. Das Bewusstsein für die Lebens- notwendigkeit der Erhaltung des tropischen Regenwaldes fehlt in vielen Regionen. Hier ist eine Sensibilisierung der Bevölkerung notwendig. EU-Projekte, die die Regenwälder bewahren, sind da ein Vorbild und müssen fortgesetzt werden. Da ist der Schutz des brasilianischen Regenwaldes zu nennen, der mithilfe eines europäischen Pilotprojektes gerettet werden soll. Deutschland ist der größte Beitragszahler dieses Pilotpro- jektes mit der Übernahme von 43 Prozent der Kosten in Höhe von insgesamt 350 Millionen US-Dollar. Lateiname- rika muss für den Klimaschutz sensibilisiert werden und da ist die EU ein guter Partner bei der Einhaltung und Weiter- entwicklung der Klimakonventionen. Aber gerade in die- sem Bereich hätten wir von dem grünen Koalitionspartner mehr Akzente und Engagement erwartet. Wirtschaftlich gesehen ist die lateinamerikanische Si- tuation zurzeit sehr angeschlagen. Ich erinnere nur an die schwierige Lage Argentiniens und Venezuelas. Deutsche Direktinvestitionen und der Außenhandel mit Lateiname- rika und dem Mercosur sind in den letzten Jahren zurück- gegangen, obwohl zum Beispiel gerade das Engagement deutscher Firmen, und ich möchte ausdrücklich betonen: auch mittelständischer Unternehmen – in Brasilien in die- ser hohen Anzahl einzigartig ist. Davon konnten wir uns bei der Südamerikareise des Bundeskanzlers vor wenigen Wochen vor Ort überzeugen. Dies bezieht sich nicht nur auf die wirtschaftlichen Investitionen in Brasilien, son- dern gleichzeitig auf die sozialen Standards, die dort ge- setzt werden, sowie auf das ökologische Engagement, das viele Firmen dort freiwillig setzen. Eine Wirtschaftskooperation mit EU und Mercosur ist kein einseitiges europäisches Ziel. Die Staaten des Mer- cosur brauchen ebenfalls die strategische Kooperation mit der EU. Lateinamerika darf sich nicht in eine Wirtschafts- und Währungsabhängigkeit mit den USA und ihrem Dollar begeben. Die Partnerschaft mit der EU muss hier als nützliche Balance wirken und ihre Chancen müssen aufgezeigt werden. Eine weitere Verzögerung des Freihandelsabkommens zwischen EU und Mercosur würde die Wettbewerbsposi- tion deutscher und europäischer Unternehmen schwächen und dem US-amerikanischen Wirtschaftseinfluss auf La- teinamerika weiteren Auftrieb geben. 2005 soll das ge- samtamerikanische Freihandelsabkommen ALCA in Kraft treten. Wir stehen somit in einem Wettbewerb mit den USA, den wir, wenn wir so weitermachen, sicherlich verlieren werden. Dadurch, dass deutsche Unternehmen ihre Direktin- vestitionen zunehmend in andere Weltregionen leiten, vorrangig in andere EU-Staaten, die USA und nach Ost- europa, verliert Deutschland vor allem in Lateinamerika gegenüber Mitbewerbern an Boden. Hier wird Latein- amerika als Markt und als strategischer Partner unter- schätzt, obwohl dieser mit einer halben Milliarde Ein- wohnern ein Bruttoinlandsprodukt von drei Billionen Dollar erwirtschaftet. Beispielsweise ist die Wirtschafts- kraft Brasiliens größer als die von Russland und Indien zusammen. Hoffen wir, dass die Gespräche am 17. und 18. Mai auf dem Gipfeltreffen in Madrid zu mehr Taten statt Worten führen. Abschließend möchte ich jedoch nicht unerwähnt las- sen, dass der Antrag der PDS zur gleichen Problematik heute nicht beraten wird, obwohl er viel früher einge- bracht wurde als dieser Antrag, den wir heute beraten. Ich habe stark den Eindruck, dass es sich hier um einen Alibi- Antrag handelt, um vom PDS-Antrag abzulenken. Was von der PDS kritisch angemerkt wird, wird letztendlich etwas geschönt dargestellt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt der Über- weisung zu, weil damit die Gelegenheit besteht, beide An- träge gemeinsam zu beraten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223644 (C) (D) (A) (B) Zum Antrag „Hilfe für die Opfer der Colonia Dignidad“ werden wir uns enthalten. Dr. Werner Hoyer (FDP): Wir sind ja daran gewöhnt, dass auch die entlegensten Themen zu Wahlkampf- zwecken missbraucht werden. Aber dass nicht einmal die Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika von parteipolitischen Eifersüchteleien freigehalten werden können, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang. Wir Li- berale bedauern es jedenfalls sehr, dass die Regierungs- fraktionen ihr Angebot, den heute zur Beratung stehenden Antrag interfraktionell einzubringen, auf Drängen der GRÜNEN wieder zurückgezogen haben. Gerade am Vor- abend des zweiten EU-Lateinamerika-Gipfels in Madrid wäre es ein schönes Signal gewesen, wenn die dringend notwendige Intensivierung der Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika in einem gemeinsamen Antrag aller maßgeblichen politischen Kräfte dieses Hauses zum Ausdruck gekommen wäre. Ein wenig mehr Souveränität wäre der Sache sicherlich dienlicher gewesen. Da wir aber nicht nachtragend sind und weil wir über Kontinuität in der Außenpolitik nicht nur reden, sondern sie auch praktizieren, werden wir dazu beitragen, den Schaden zu begrenzen und dem Antrag zumindest unse- rerseits die Zustimmung nicht verweigern. Dabei geht es uns, wie immer, um die Sache und um die verantwor- tungsvolle Wahrnehmung deutscher außenpolitischer In- teressen. Deutschland hat ein vorrangiges außenpoliti- sches Interesse daran, dass die in Rio beschworene strategische Partnerschaft endlich Gestalt annimmt und dass die Zusammenarbeit zwischen Europa und Latein- amerika zu einer zentralen Säule der transatlantischen Be- ziehungen wird. Dabei geht es uns nicht nur um die Intensivierung des politischen Dialogs. Es mangelt nicht in erster Linie an Dialogforen. Es mangelt vor allen Dingen an der prakti- schen Umsetzung gemeinsamer Projekte in wichtigen Po- litikbereichen wie die Schaffung einer euro-lateinameri- kanischen Sicherheitspartnerschaft mit gemeinsamen Initiativen zur Rüstungskontrolle. Es mangelt an belast- baren Strukturen für eine gemeinsame Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels und es mangelt an der Umsetzung der handelspolitischen Zu- sammenarbeit. Alle diese Themen greift der Antrag auf und fordert zu Recht ein stärkeres Engagement der Bun- desregierung. Wenn die nun immerhin schon vor 15 Jahren gegrün- dete Rio-Gruppe tatsächlich ihrer Aufgabe als ständiges politisches Koordinierungsinstrument gerecht werden will, dann muss sie über die jährlichen Ministertreffen hi- naus die euro-lateinamerikanischen Beziehungen durch konkrete Projekte sichtbarer und ergebnisorientierter ge- stalten. Dabei sollten in Anbetracht der bevorstehenden neuen Welthandelsrunde handelspolitische Themen im Vordergrund stehen. Hier hat die EU gegenüber Latein- amerika, insbesondere gegenüber MERCOSUR, eine Bringschuld. Die 1999 begonnenen Verhandlungen über ein Freihan- delsabkommen mit der Europäischen Union zielen neben der Intensivierung des Handelsaustausches und der Inves- titionstätigkeit auch auf eine Stärkung der Position von MERCOSUR im Rahmen der gesamtamerikanischen Frei- handelsbemühungen ab. Wegen der Weigerung der EU, den europäischen Markt für lateinamerikanische Agrarimporte zu öffnen, stagnieren diese Verhandlungen. Besonders Ar- gentinien, aufgrund seiner Finanzkrise ohnehin stark ge- beutelt, wird durch den europäischen Protektionismus hart getroffen und in seinen Bemühungen, seine Wirtschaft wie- der auf Vordermann zu bringen, behindert. Ich frage mich bisweilen, ob wir eigentlich begreifen, welch dramatische Folgen die Entwicklung in Argentinien bereits hat und – sollte sie weiter instabil werden – noch haben wird. Unser derzeitiger peruanischer Gast, Außen- minister Dr. Garcia-Sayan, hat mir noch gestern berichtet, dass sein Land mit bis zu 50 000 Re-Migranten aus Ar- gentinien im Zuge der Wirtschaftskrise rechnet. Während- dessen ist der Re-Migrationsstrom der Bolivianer bereits voll im Gange und könnte bis zu 500000 Personen erfassen. Der soziale und ökonomische Sprengstoff, der in dieser Ent- wicklung liegt, wird meines Erachtens derzeit sträflich un- terschätzt. Überzeugende Lösungsmodelle internationaler Finanzinstitutionen sind auch nicht in Sicht. Man stelle sich nur einmal die Konsequenzen vor, wenn es nicht ge- lingen sollte, Brasilien gegen die argentinische Krise zu immunisieren. Die Folge wäre eine politische, wirtschaft- liche und soziale Destabilisierung von kontinentaler, ja weltwirtschaftlicher Dimension. Meine Damen und Herren, seit der von George Bush junior in Quebec kürzlich lancierten Initiative zur Ver- schmelzung von NAFTA und der transamerikanischen Freihandelszone (FTAA) haben die Verhandlungen zwi- schen MERCOSUR und EU eine zusätzliche politische Dimension erhalten. Zwar wird von US-amerikanischer Seite immer wieder beteuert, bei FTAA handele es sich nicht um eine Art handelspolitische Neuauflage der Mon- roe-Doktrin. Dennoch muss sich Europa anstrengen, wenn es nicht seine traditionell herausgehobene politi- sche und wirtschaftliche Rolle in Lateinamerika verlieren will. Allen Beteiligten muss klar sein, dass die Errichtung einer transamerikanischen Freihandelszone vor dem Ab- schluss eines Abkommens mit der EU europäische und la- teinamerikanische Interessen gleichermaßen beeinträchti- gen und zum Verlust beträchtlicher Marktanteile führen würde. Europa macht sich unglaubwürdig, wenn es welt- weit für Freihandel eintritt, den eigenen Markt aber ab- schirmt. Dass Europa nicht bereit ist, mit MERCOSUR ähnliche Abkommen abzuschließen wie bereits mit Me- xiko und Südafrika, ist aus unserer Sicht daher vollkom- men unverständlich. Dabei wäre gerade dies aus europä- ischer Sicht eine geeignete Maßnahme, um langfristig den Zugang zu dem zukünftigen gesamtamerikanischen Markt abzusichern. Hier liegt ein wichtiges Betätigungs- feld für die Bundesregierung. Sie hat es jedoch in den letz- ten dreieinhalb Jahren ebenso versäumt, in diesem Be- reich Initiativen zu ergreifen, wie sie auch die bilaterale Gestaltung der Beziehungen zu Lateinamerika hat schlei- fen lassen. Wenn wir es mal ganz nüchtern betrachten, dann kommt man zu dem Schluss, dass deutsche Außenwirt- schaftspolitik in Lateinamerika – wie auch in anderen Re- gionen der Welt – schlichtweg nicht stattfindet. Noch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23645 (C) (D) (A) (B) Mitte der 90er-Jahre war Deutschland hinter den USAder zweitwichtigste Investitionspartner Lateinamerikas. Mit Blick auf Brasilien sind wir – ehemals auf dem zweiten Rang – kürzlich von Portugal auf Platz 6 verdrängt wor- den. Ähnlich düster ist die Lage bei Betrachtung der übri- gen lateinamerikanischen Länder. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es drängt sich die Frage auf: Wo ist denn der Wirtschaftsminister angesichts einer ernüchternden Bilanz für den deutschen Außenhan- del mit Lateinamerika? Wo ist denn unser überall Prioritä- ten setzender Außenminister? Für uns als FDP ist der Zustand, dass Herr Müller weder Leidenschaft noch Kon- zepte für eine Unterstützung unserer eigenen Wirtschaft durch eine intensive Außenwirtschaftspolitik zeigt, uner- träglich. Es ist schon ein ziemlich starkes Stück, wenn Wirtschaftsminister Müller kurz nach Amtsantritt unsere lateinamerikanischen Partner zu einer großen Konferenz nach Porto Alegre bittet, selbst dann aber gar nicht zu die- ser Konferenz erscheint. Viel später dann endlich zur ers- ten Lateinamerikareise aufzubrechen, hier aber lediglich Kuba anstatt die zuvor brüskierten Partner und insbeson- dere Brasilien und Argentinien zu besuchen, setzt dem Ganzen dann die Krone auf. Die Bilanz: Außenwirt- schaftspolitik findet bei diesem Wirtschaftsminister, bei dieser Bundesregierung, schlicht nicht statt. Lateiname- rika zeigt deutlich, dass wir hier auch im Vergleich zu an- deren europäischen Staaten immer weiter zurückfallen, anstatt unser Engagement im Zuge der dramatischen Wirt- schaftsliberalisierung in Lateinamerika zu verstärken. Viel Musik ist in diesem Thema drin, aber andere sitzen im Or- chester und Deutschland hört wieder einmal nur zu. Die USA – wer könnte es ihnen verdenken – richten derweil ihre Handelspolitik noch aggressiver auf die Wachstumsmärkte ihrer südlichen Nachbarn aus. Dies führt jedoch auch dazu, dass einige Lateinamerikaner eine zunehmende Abhängigkeit vom großen Bruder im Nor- den befürchten und daher ihre politischen und wirtschaft- lichen Beziehungen zugunsten Europas diversifizieren möchten. So strebt zum Beispiel Brasilien als größtes Land und führende Industrienation Lateinamerikas unter dem Stichwort „Emanzipatorische Integration“ eine stär- kere Orientierung in Richtung Europa auch deswegen an, um sich gegenüber den USA stärker zu behaupten. Im wohlverstandenen europäischen Eigeninteresse sollten wir die ausgestreckte Hand der lateinamerikanischen Staaten ergreifen. Wolfgang Gehrcke (PDS): Es geschehen noch Wun- der – selten, zu späten Zeiten, aber immerhin: Nachdem die Bundesregierung fast vier Jahre nicht in der Lage war, sich strategisch zu Lateinamerika zu äußern, aber weil die PDS-Fraktion am 15. März 2002 ein solches strategisches Konzept vorschlug und einreichte, legte die Koalition von SPD und Grünen gestern für die heutige Debatte einen Antrag auf den Tisch. Schon das zeigt: Eine ernsthafte Diskussion eines wichtigen Themas ist nicht gewünscht. Schade – aber kein Wunder. Der Antrag, der vorliegt, ist langweilig, unaktuell und von einer grenzenlosen Allgemeinheit. Der vorliegende Antrag ist schlichtweg schlecht. Not- wendig hingegen wären wirkliche konzeptionelle, strate- gische Vorstellungen für die Zusammenarbeit Deutsch- land – Europa – Lateinamerika. Die USA zielen mit der gesamtamerikanischen Frei- handelszone darauf, die lateinamerikanischen Länder in Abhängigkeit zu halten, ihre politische und militärische Dominanz zu festigen und europäische Firma aus diesen Märkten zu verdrängen. Monopolstellung und Marktbe- herrschung – das ist die Strategie der USA. Deutsche und europäische Firmen, die in Lateiname- rika tätig sind, brauchen Förderung und Unterstützung; sie müssen aber auch begreifen, das gute soziale, öko- logische und demokratische Standards nicht hinderlich, sondern zum Vorteil längerfristiger Geschäftsbeziehun- gen sind und dass Handel nur dann dauerhaft ist, wenn eu- ropäische Märkte sich gegenüber Lateinamerika öffnen. Notwendig ist es, Friedensprozesse in solchen Ländern wie El Salvador, Guatemala, Nicaragua druckvoll zu un- terstützen, Bewegungen, die sich mit der Aufarbeitung von Vergangenheit befassen wie in Chile, Argentinien, Peru und anderen Ländern zu helfen und nicht zuzusehen, wenn die USA wieder auf Militär, Putsch und Unter- drückung setzen. Der rot-grüne Antrag entwickelt keine Idee zur Lösung der Verschuldensproblematik, keine Ideen, wie die Sta- gnation der Entwicklungszusammenarbeit aufgebrochen, kulturelle Zusammenarbeit neu in Gang gebracht wird und Lateinamerika-Forschung nicht ein Fremdwort bleibt. Vergleichen Sie die Anträge – die PDS scheut keinen Leistungsvergleich. Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Morgen beginnt in Madrid der zweitägige Gipfel EU–Lateinamerika/Karibik. Ich bin sicher, dass dieser Gipfel – wie der vorangegangene erste Gipfel in Rio 1999 unter deutscher EU-Präsidentschaft – ein Erfolg wird und Impulse gibt für die Weiterentwicklung der biregionalen Beziehungen. Der Gipfelprozess ist wichtiger Teil der sich intensi- vierenden Lateinamerikapolitik der Bundesregierung. Wir wollen engere Beziehungen zu dieser an politischem und wirtschaftlichem Gewicht wachsenden Region. Wir wollen eine stärkere Einbeziehung und eine stärkere Mit- sprache der sich international mehr zu Wort meldenden lateinamerikanischen Länder. Ich erwähne nur Themen wie Terrorismusbekämpfung, Umweltschutz, Menschen- rechte. Wir wollen den dynamischen Integrationsprozess Lateinamerikas aktiv unterstützend begleiten, im deut- schen und europäischen Eigeninteresse einer demokrati- schen und wirtschaftlichen Stabilisierung des Subkonti- nents. Wir wollen einen stärkeren Ausbau von Handel und Investitionen mit Lateinamerika; schließlich werden be- reits heute über 300 000 Arbeitsplätze in Deutschland durch unsere Exporte nach Lateinamerika gesichert und hierin steckt noch einiges an Potenzial. Wir wollen außer- dem einen Zuwachs an kulturellem Austausch einschließ- lich eines enger geführten Dialogs der Zivilgesellschaf- ten. Beziehungen zwischen Ländern und Völkern sind nicht nur Sache der Regierungen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223646 (C) (D) (A) (B) Sie alle haben in jüngster Zeit in den Medien Meldun- gen aus Lateinamerika verfolgt, die alles andere als be- ruhigend sind. Versuchter Putsch in Venezuela: Präsident Chávez ist in Parlament und Bevölkerung erheblich ge- schwächt. Wird sich die Lage in diesem wichtigen ölpro- duzierenden Land wieder stabilisieren? Argentinien befindet sich seit Ende letzten Jahres in der Zahlungsunfähigkeit. Die Wirtschaftsentwicklung ist alarmierend. Das Land durchlebt eine tiefe wirtschaftli- che und auch politische Krise. Das betrifft uns unmittel- bar. Das starke Engagement der deutschen Wirtschaft in Argentinien ist bekannt. In Kolumbien läuft seit fast vier Jahrzehnten ein be- waffneter Konflikt, der von Staats- wie von Guerillaseite mit großer Härte ausgetragen wird, mit erheblichen Men- schenrechtsverletzungen von beiden Seiten. Auch dies geht uns Deutsche unmittelbar an! Kürzlich wurden in Bellavista, in Kolumbien, in einer Kirche 100 Personen umgebracht, darunter 40 Kinder. Dies sind drei Beispiele aus jüngster Zeit. Wir dürfen Lateinamerika nicht in der Hoffnung, der Kontinent sei demokratisch und marktwirtschaftlich auf dem richtigen Weg, sich selbst überlassen. Sonst riskieren wir, über- rascht zu werden. Neben den ernormen Chancen, die La- teinamerika gerade der deutschen Wirtschaft bietet, gibt es Risiken, die wir sehen müssen und bei deren Bewälti- gung wir im eigenen Interesse den Lateinamerikanern beistehen müssen. Die Bundesregierung hat kurz nach Amtsantritt festge- stellt, dass die alten, kontinentbezogenen Konzepte der außenpolitischen Zusammenarbeit den heutigen Realitä- ten nicht gerecht werden. Lateinamerika kann man ge- nauso wenig wie Asien einheitlich behandeln und eine nur auf Wirtschaftsbeziehungen fokussierende Kontaktauf- nahme greift zu kurz. Wir haben hingegen Wert auf Dia- log auf gleicher Augenhöhe gelegt: zur Wirtschaft wie zur Politik, zu sozialen Entwicklungen wie zu globalen Fra- gen. Die Bundesregierung wie nach deren Aussage auch unsere lateinamerikanischen Partner haben daraus wert- volle Denkanstöße, Hintergründe und Lösungsansätze und ein verbessertes Verständnis füreinander gefunden. Lateinamerikapolitik folgt nun fünf differenzierten, nach Regionen gegliederten Konzepten: für die Andenstaaten, den Mercosur/Mercosul und Chile, für Brasilien, für Me- xiko und für Zentralamerika und die Karibik. Diese Re- gionalisierungen sind sinnvoll; wir möchten sie in La- teinamerika angesichts unserer eigenen europäischen Erfolgsgeschichte mit der Regionenbildung unterstützen. Im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit hat sich Deutschland stets für faire und angemessene Handelsbe- dingungen eingesetzt, zum Beispiel in den Verhandlungen über das Assoziationsabkommen zwischen EU und Mer- cosur. Faire Bedingungen sind der Schlüssel für einen ver- besserten Welthandel. Dabei müssen wir unsere europä- ischen Kontakte und Beziehungen zu Lateinamerika in ein harmonisches Verhältnis zu anderen bringen: Die Bundesregierung befürwortet ein transatlantisches Drei- eck von Beziehungen zwischen USA und Lateinamerika und Europa. Nicht Konkurrenz, sondern Kooperation zu allseitigem Vorteil muss unser Ziel sein. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund mit Interesse den Beschlussantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen „Intensivierung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Latein- amerika und der Karibik“ aufgenommen. Um es kurz zu sagen: Der Antrag weist mit seinen wesentlichen Forde- rungen in Richtungen, die die Bundesregierung bereits in- tensiv verfolgt. Die Botschaft des Antrags, dass nämlich für unsere Beziehungen mit Lateinamerika Engagement erforderlich ist – übrigens nicht nur vonseiten der Bun- desregierung –, kann ich nur begrüßen! Ich will einige zentrale Punkte aus dem Antrag heraus- greifen: Da ist zunächst die Forderung nach einer Intensivie- rung der politischen Beziehungen mit dem Ziel gemein- samer Initiativen in der Weltpolitik. Hier wird genau zu prüfen sein, inwieweit „gemeinsame Initiativen“ mit der in der internen Abstimmung gemeinsamer Positionen noch ungeübten Region Lateinamerika praktisch möglich sind; Ziffer II, 2. Im Vordergrund steht ganz sicher zunächst die Intensivierung biregionaler Konsultationen, wie wir sie mit der lateinamerikanischen Seite bereits führen. Reform der europäischen Agrarpolitik mit dem Ziel ei- ner Ausweitung des biregionalen Handels, Ziffer II, 3: Die lateinamerikanischen Länder fordern einen besseren Zu- gang ihrer Agrarprodukte auf die europäischen Märkte und sie haben Recht mit dieser Forderung. Wir können nicht erweiterten Handel und Zollabbau verlangen und die Landwirtschaft dabei teilweise ausklammern. Die Re- form der gemeinsamen Agrarpolitik gehört zu den vor- rangigen Zielen der EU-Politik der Bundesregierung. Auch mit Blick auf die kommende Erweiterungsrunde der EU müssen wir auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren. Schneller Abschluss der Assoziationsabkommen mit Mercosur und mit Chile, Ziffer II, 4: Mit Chile hat die EU die Verhandlungen rechtzeitig zum morgigen Gipfel ab- schließen können. Nach den Verträgen mit Mexiko ist das Abkommen mit Chile ein weiteres sehr konkretes Ele- ment zur Umsetzung der in Rio 1999 vereinbarten strate- gischen Partnerschaft der beiden Regionen. Mit dem Mer- cosur – Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay – kommen die Verhandlungen voran, wenn auch sehr lang- sam. Dies hat nun mit der Argentinienkrise einen ganz konkreten Grund. Der Mercosur steht wegen der kata- strophalen Verhältnisse in Argentinien selbst in einer tie- fen Krise. Dass EU und Mercosur in den Verhandlungen trotzdem gewisse Fortschritte machen, zeigt den Grad des beiderseitigen Interesses. Dieses Interesse ist gerade vor dem Hintergrund der laufenden Bemühungen zur Errich- tung einer panamerikanischen Freihandelszone, FTAA, von großer Bedeutung. Ein gewisses Wettbewerbsver- hältnis mit den USA in der Region ist nicht zu leugnen. Mir liegt aber daran, zu unterstreichen, dass sich der von der EU verfolgte Verhandlungsansatz gerade dadurch aus- zeichnet, die Zusammenarbeit mit Lateinamerika über den reinen Handelsbereich hinaus in nahezu allen Berei- chen systematisch fortzuentwickeln. Dies wird von unse- ren Partnern auch immer wieder besonders gewürdigt. Die Bundesregierung unterstützt im Übrigen auch den Wunsch der Staaten Zentralamerikas und der Andenge- meinschaft nach Intensivierung der Beziehungen zur EU. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23647 (C) (D) (A) (B) Sie hat sich besonders im Hinblick auf den EU-Latein- amerika-Gipfel in Madrid für ein positives Signal an die Partner eingesetzt. Es gab – und gibt – jedoch unter EU-Mitgliedstaaten und bei der EU-Kommission erhebli- che Widerstände gegen die Verhandlung von Assoziie- rungsabkommen mit diesen Staaten zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Um dennoch zu einer für unsere lateinamerikanischen Partner akzeptablen Lösung zu kommen, haben wir einen zweistufigen Ansatz vorgeschlagen, der vom Rat aufge- griffen und gebilligt wurde. Danach wird den betreffen- den Staaten zunächst eine Intensivierung der Kooperation in Form eines Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit angeboten, das insbesondere die Förde- rung von Demokratie, Menschenrechten und verantwor- tungsvoller Staatsführung, die Vollendung der regionalen Integrationsprozesse sowie Armutsbekämpfung, Sozial- standards und nachhaltiges Ressourcenmanagement zum Ziel hat. Durch die Umsetzung dieser Ziele sollen die Vo- raussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen über Freihandelsabkommen nach Abschluss der Doha-Runde geschaffen werden. Diese Linie knüpft im Übrigen an das Vorgehen der EU gegenüber Mercosur/Chile an. Die Kommission wird noch in diesem Jahr einen Mandatsentwurf für die künftigen Abkommen vorlegen. Eine zielgerichtete Intensivierung der Zusammenarbeit kann auf der Grundlage bereits vor- liegender Vorschläge der Kommission sofort beginnen. Die Kooperation im Umweltschutz, Ziffer Il, 6, wird die Bundesregierung weiter intensivieren. Zeichen hierfür sind nicht nur das umfangreiche Tropenwaldprogramm PPG 7, bei dessen Finanzierung Deutschland den größten Anteil hält, sondern auch die Fülle von Projekten der Ent- wicklungszusammenarbeit, gerade auch im Bereich des städtischen Umweltschutzes. Der hier liegenden Ge- schäftschancen für die deutsche Industrie ist sich die Bundesregierung wohl bewusst. Die intensivere Einbeziehung der Zivilgesellschaft, Ziffer II, 9, entspricht der laufenden Praxis der Bundesre- gierung. Ein Beispiel ist der vom Bundeskanzler und dem brasilianischen Staatspräsidenten Cardosa während des Bundeskanzlerbesuchs in Brasilia vereinbarte Dialogme- chanismus zwischen beiden Zivilgesellschaften. Die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren La- teinamerika stärker zugewandt. Symptomatisch ist hierfür auch der zunehmende Besucheraustausch. Ich erwähne nur die jüngsten Lateinamerikareisen von Bundeskanzler Schröder und Bundesminister Fischer im Februar und März 2002 sowie mehrerer Bundesminister. Die chileni- sche Parlamentspräsidentin und auch der chilenische Wirtschaftsminister Rodriguez Grossi sind mit einer Wirtschaftsdelegation zurzeit in Deutschland. Die Staats- präsidenten von Brasilien, Mexiko, Argentinien, Peru und Chile waren hier. Wir alle, Bundesregierung und Bundestag, die deut- sche Wirtschaft wie Wissenschaft und Forschung, müssen in den Anstrengungen fortfahren, unsere Partnerschaft mit Lateinamerika weiter zu vertiefen. Der Deutsche Bundes- tag hat die Bundesregierung hier sehr unterstützt und dafür danke ich. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge – Welternährungsgipfel – fünf Jahre später – Umsetzung der von Deutschland beim Mille- niumgipfel übernommenen Verpflichtungen (Tagesordnungspunkt 17 und Zusatztagesord- nungspunkt 19) Joachim Günther (FDP): Es ist inzwischen fast schon zum parlamentarischen Ritual dieser Legislaturpe- riode geworden, dass die Bundesregierung und die sie tra- genden Parteien durch Ankündigungen und Anträge den Eindruck zu erwecken versuchen, als sei die entwick- lungspolitische Zusammenarbeit ein zentrales Anliegen deutscher Politik. Daraus ergibt sich für uns stets die trau- rige Pflicht, darauf zu verweisen, dass genau das Gegen- teil zutrifft. Entwicklungspolitik ist zum Stiefkind rot- grüner Politik degradiert worden. Darüber kann auch der vorliegende Antrag nicht hinwegtäuschen, zumal er trotz aller Lobhudelei für die „Förderung der Diskussion über Lösungsstrategien unter Einbeziehung aller gesellschaft- licher Gruppen“ durch die Bundesregierung in seinem Forderungsteil letztlich selbst zu dem Ergebnis kommt, dass die finanziellen Mittel für die Entwicklungszusam- menarbeit deutlich gesteigert werden müssen. Wir brauchen nicht die Förderung von Diskussionen. An Redebeiträgen und gut gemeinten Ratschlägen aus Deutschland besteht kein Mangel. Wir brauchen anderer- seits auch keine exorbitanten Steigerungen unserer öf- fentlichen Entwicklungsausgaben. Aber um unsere inter- nationale Glaubwürdigkeit nicht vollends zu verlieren, müssen wir wenigstens zu unseren Worten stehen und un- sere internationalen Verpflichtungen erfüllen. Von daher bedauern auch wir, wie die Regierungsfrak- tionen, dass der „Welternährungsgipfel – fünf Jahre spä- ter“ abgesagt wurde. Wir bedauern es aber auch deswe- gen, weil die Bundesregierung dann hätte Farbe bekennen müssen, dass sie ihre international übernommenen Ver- pflichtungen vernachlässigt. Dies gilt für den Welternährungsgipfel ebenso wie den Millenniumgipfel. 1,2 Milliarden Menschen, Viertel der Bevölkerung in den Entwicklungsländern, müssen mit we- niger als einem Dollar pro Tag auskommen. Absolute Ar- mut und das dadurch geförderte Bevölkerungswachstum auf voraussichtlich 7 Milliarden Menschen bis 2015 bedro- hen Frieden und Sicherheit, verursachen weltweite Flücht- lingsströme, belasten die Umwelt und beeinträchtigen den Aufbau rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Struk- turen. Vor diesem Hintergrund haben 146 Staats- und Re- gierungschefs, darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder, anlässlich des Millenniumgipfels der Vereinten Nationen im September 2000 in New York die Halbierung der extremen Armut bis 2015 beschlossen. Infolge des Millenniumgipfels hat die Bundesregierung im April 2001 ein „Aktionsprogramm 2015 – der Beitrag der Bun- desregierung zur weltweiten Halbierung extremer Armut“ vorgelegt. In diesem Programm verpflichtet sich die Bun- desregierung unter anderem dazu, mehr Mittel für die Ar- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223648 (C) (D) (A) (B) mutshalbierung bis zum Jahre 2015 zu mobilisieren, die Finanzsysteme in den Entwicklungsländern verstärkt zu unterstützen, die wirtschaftliche Dynamik in den betrof- fenen Ländern zu erhöhen, verstärkt Mittel für die Zu- sammenarbeit mit solchen Ländern einzusetzen, die wie Bolivien, Mosambik, Vietnam oder Jemen besondere An- strengungen zur Armutsminderung unternehmen, sich weiter den 0,7-Prozent-BSP-Ziel der Vereinten Nationen zu nähern, besondere Anstrengungen für Grunddienste in den Partnerländern zu unternehmen und Sektorreform- programme, besonders in Bildungs- und Gesundheitswe- sen der Entwicklungsländer, stärker zu unterstützen. Die zahlreichen im Aktionsprogramm aufgezählten Maßnahmen – 75 Aktionen – sollen anhand eines „Um- setzungsplanes“ durchgeführt werden, der konkrete Schritte für die einzelnen Aktionen enthalten und die je- weiligen Verantwortlichen benennen soll. Bis heute, über ein Jahr nach der Verabschiedung des Aktionsprogramms, liegt jedoch ein derartiger Umsetzungsplan mit konkreten Angaben über die Finanzierung der Aktionen nicht vor. Auch auf der internationalen Konferenz über die Finan- zierung von Entwicklungen im März 2002 in Monter- rey/Mexiko hat die Bundesregierung keinerlei Finanzplan zur Umsetzung der von ihr eingegangenen Verpflichtun- gen vorgelegt. Entgegen der während des Millenniumgip- fels übernommenen Verpflichtungen, die Mittel für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu erhöhen, ist der Haushalt des BMZ in dieser Legislaturperiode viel- mehr deutlich gesunken. Anstatt also stets nur Aktionen anzukündigen, fordern wir die Bundesregierung auf, baldmöglichst einen kon- kreten Finanzplan für die Umsetzung des von ihr veröf- fentlichten Aktionsprogramms 2015 zur Armutsbekämp- fung vorzulegen und anstatt bei der Umsetzung des Aktionsplanes eine Vielzahl von Aktionen gleichzeitig anzustreben, deutliche sektorale, regionale und instru- mentelle Schwerpunkte zu bilden. Einen entsprechenden Antrag haben wir heute hierzu vorgelegt. Carsten Hübner (PDS): Mit Blick auf über 800 Mil- lionen Menschen auf der Welt, die Hunger leiden, ist die Zielsetzung vom Welternährungsgipfel in Rom, die Zahl der Hungernden bis 2015 auf 400 Millionen zu reduzie- ren, ein ebenso ehrgeiziges wie dringend notwendiges Ziel. Die PDS-Fraktion unterstützt in diesem Zusammen- hang ausdrücklich die Positionen des Koalitionsantrages, wenn auch gesagt werden muss, dass wiederum gerade die Knackpunkte beflissentlich umgangen wurden, also jene Bereiche, in denen es um Kohärenz mit anderen Politikfeldern geht, in denen auch hier Widerstand einflussreicher Lobbygruppen zu erwarten wäre. Bei- spielhaft dafür ist die hier wieder und wieder debattierte Frage des Marktprotektionismus und der EU-Subventi- onspolitik in der Landwirtschaft. Die unter Punkt 10 an- geführten Initiativen greifen jedenfalls zu kurz, der Zeit- rahmen ihrer Umsetzung ist inaktzeptabel lang und die beschriebenen Perspektiven sind zu unkonkret. Denn letztlich, zumindest wenn man es ernst meint, geht kein Weg vorbei an der völligen Öffnung der Märkte der Indus- trieländer für die gesamte Produktpalette des Südens bei gleichzeitigem Schutz der dortigen Märkte vor den un- gleich leistungsstärkeren Ökonomien des Nordens. Und noch ein Punkt, auf den ich verweisen möchte: Seit Jahren fordert die PDS-Fraktion eine Umstrukturie- rung des BMZ-Etats in Richtung grundsichernder Ar- mutsbekämpfung und der vom Weltsozialgipfel geforder- ten 20:20-Initiative. In diesem Rahmen unverzichtbare Maßnahmen wie die Förderung lokaler und regionaler Märkte und insbesondere die Förderung von Frauen im ländlichen Raum sind von der PDS-Fraktion in den Haus- haltsberatungen Jahr für Jahr beantragt, aber wieder und wieder von der Koalitionsmehrheit abgelehnt worden – mit fadenscheinigen Argumenten. Wir begrüßen es des- halb umso mehr, dass diesen Aspekten in Punkt 8 Ihres Antrages nun endlich Rechnung getragen wurde und Sie nicht wieder mittels der Formel „Frauenförderung ist Querschnittsaufgabe“ der besonderen Fördernotwendig- keit von Frauen in Entwicklungsländern ausgewichen sind. Wir erwarten, dass sich diese Einsicht allerdings auch im kommenden Haushalt niederschlägt. Die PDS-Fraktion wird dem Koalitionsvertrag zustim- men. Beim Antrag der FDP werden wir uns enthalten. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zurBeratung derGroßen Anfrage: Sicherung so- zialer und tariflicher Standards sowie Stellung der kommunalen Selbstverwaltung und der öf- fentlichen Daseinsvorsorge im nationalen und europäischen Wettbewerbs- und Vergaberecht (Tagesordnungspunkt 18) Klaus Wiesehügel (SPD): Man könnte meinen, die heutige Beratung der Großen Anfrage der PDS-Fraktion komme zu spät oder sie wäre obsolet, weil wir ja in die- sem Hause am 16. April in zweiter und dritter Lesung ein entsprechendes und den Erfordernissen gerecht werden- des Vergabegesetz verabschiedet haben. Ich nutze aber heute gern nochmals die Gelegenheit, die Notwendigkeit eines – wie ja auch in der Anfrage ge- forderten – Vergabegesetzes sowie dessen wesentlichen Inhalte zu erläutern. Dies scheint mir nicht nur wegen der Beiträge von Herrn Schauerte und Herrn Brüderle in der soeben angesprochenen Debatte notwendig, sondern ins- besondere vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Zustimmung des Bundesrates. Wer heute immer noch die Notwendigkeit eines Verga- begesetzes bestreitet, der verkennt und ignoriert die Ursa- chen und Probleme der Bauwirtschaft und verschließt die Augen vor den sich anbahnenden Problemen im Bereich des ÖPNV. Wir wissen, dass spätestens seit dem Ende des Bau- booms in Ostdeutschland, seit 1995, sich die Bauwirt- schaft in einer schweren strukturellen Krise befindet. Der deutsche Baumarkt ist von Überkapazitäten geprägt, die durch eine falsche Weichenstellung der Regierung Kohl bedingt sind. Zugleich ist der deutsche Baumarkt der größte und of- fenste in Westeuropa, auf dem vor allem ausländische Bil- ligunternehmen ein weites Betätigungsfeld gefunden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23649 (C) (D) (A) (B) haben. Die Folge sind ein enormer Konkurrenzdruck und ein ruinöser Wettbewerb, gekennzeichnet durch Lohn- dumping und eine zunehmende Tarifflucht, selbst deut- scher Firmen. Die Zahl der legalen Arbeitsplätze mit tarifgerechter Bezahlung sinkt dramatisch immer weiter und im glei- chen Tempo weiten sich illegale Strukturen aus. Seit 1995 sind ein Drittel der legalen inländischen Arbeitsplätze abgebaut worden. Das sind mehr als eine halbe Million Menschen. Gleichzeitig haben wir aber eine Zunahme der illegalen Beschäftigung auf mindestens 300 000 Beschäftigte zu verzeichnen. Neben der Bauwirtschaft ist das Tariftreuegesetz aber auch insbesondere mit Blick auf die Zukunft für den öf- fentlichen Personennahverkehr wichtig. Denn die Europä- ische Kommission hat zuletzt im Februar einen Vorschlag für eine Europäische Verordnung vorgelegt, wonach künf- tig Verkehrsleistungen grundsätzlich im Ausschreibungs- wettbewerb zu vergeben sind. Das heißt ganz klar: Ohne ein flankierendes Tariftreuegesetz würde dies den deut- schen Nahverkehrsmarkt mit seinen rund 6 400 Betrieben und 250000 Arbeitnehmern in einen ruinösen Wettbewerb treiben, so wie wir es leider aus der Bauwirtschaft kennen. Diese Regierung hat die Probleme erkannt, hat gehan- delt, mit dem Gesetz eine neue Weichenstellung vorgenom- men und damit ihren Weg konsequent fortgesetzt, Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder herzustellen. Wir ha- ben dies im Übrigen auch in dieser Woche nochmals in ei- ner Entschließung des Wirtschaftsausschusses im Bereich der Europäischen Vergabepraxis untermauert. Nur klare und faire Vergaberichtlinien, so wie wir sie gesetzlich hier verabschiedet haben, können die katastro- phalen Zustände in der Bauwirtschaft auf Dauer beseiti- gen und im Bereich des öffentlichen Personennahverkehr vorbeugen. Der Kern unseres Gesetzentwurfes ist, dass öffentliche Auftraggeber verpflichtet werden, Aufträge nur an Unter- nehmen zu vergeben, die sich verpflichten, ihren Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens die am Ort der Leis- tungsausführung einschlägigen Lohn- und Gehaltstarife zu zahlen. Der Gesetzentwurf sieht ein Stufenmodell vor, das die Interessen ostdeutscher Unternehmen bzw. struktur- schwacher Regionen berücksichtigt. Ab Inkrafttreten soll die Zahlung von mindestens 92,5 Prozent des am Ort der Leistungserbringung einschlägigen Lohn- und Gehaltsta- rifs gezahlt werden. Dieser Anteil erhöht sich zum 1. Ja- nuar 2003 auf 95 Prozent und zum 1. Januar 2004 auf 97,5 Prozent. Ab dem 1. Januar 2005 ist der volle Tarif zu zahlen. Darüber hinaus haben wir festgelegt, das bei Vorliegen mehrerer Tarifverträge der öffentliche Auftraggeber den Tarifvertrag zugrunde zu legen hat, der für die meisten Ar- beitnehmer Anwendung findet: repräsentativer Tarifver- trag. Ganz wesentlich ist, dass diese Regelungen auch für Nachunternehmen gelten. Damit wird erreicht, dass die Nachunternehmer unmittelbar durch den öffentlichen Auftraggeber zur Einhaltung der Lohn- und Gehaltstarif- verträge verpflichtet werden. Zusätzlich ist für den Anwendungsbereich eine zeit- liche Staffelung vereinbart. Das neue Gesetz gilt zunächst bei öffentlichen Aufträgen mit einem Auftragsvolumen von 100 000 Euro. Dieser Wert verringert sich zum 1. Ja- nuar 2003 auf 75 000 Euro und zum 1. Januar 2004 auf 50 000 Euro. Die zweite wesentliche Komponente im Rahmen unse- rer Tariftreueregelung ist die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wir schaffen die gesetzli- chen Grundlagen für die Einrichtung eines Registers unzu- verlässiger Unternehmen, die von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen worden sind: Unternehmen, de- nen schwere Verfehlungen – wie beispielsweise Korrup- tion, illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit oder Verstöße gegen die Tariftreueregelung nachgewiesen werden kann, werden in dieses Register aufgenommen und können von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Wird ein Unternehmen einmal wegen Korruption oder an- derer Wirtschaftsdelikte ausgeschlossen, werden das alle 35 000 deutschen öffentlichen Auftraggeber erfahren. Von daher wird das Register eine erhebliche Abschreckungs- wirkung auf die Unternehmen haben. Wettbewerb darf nicht über Lohndumping und auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausge- tragen werden, sondern muss über Produktivität, Service und Qualität bestimmt werden. Darum geht es uns. Es geht um den Erhalt vieler Arbeitsplätze in zwei sehr sen- siblen Bereichen. Es geht darum, einen ausreichenden so- zialen Schutz und ein angemessenes Einkommensniveau zu gewährleisten und auf der anderen Seite Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme zu vermeiden. Ich appelliere daher nochmals ausdrücklich an die Kol- leginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion: Geben sie ihre Blockadehaltung auf. Sorgen sie dafür, dass nicht aus wahltaktischen Gründen im Bundesrat ein Gesetz verhindert wird, auf das die Beschäftigten sowohl im öf- fentlichen Personennahverkehr als auch in der Baubran- che dringend warten. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Es ist schon erstaunlich, dass sich ausgerechnet die PDS als Retter der sozialen Sicherung, tariflicher Standards sowie der kom- munalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Daseins- vorsorge präsentiert. Wir haben nicht vergessen, dass es die SED war, in deren Nachfolge Sie stehen, die in vier Jahrzehnten durch eine zentrale Verwaltungswirtschaft den östlichen Teil unseres Vaterlandes in Grund und Bo- den gewirtschaftet haben. Wir leiden noch heute darunter. Große Ressourcen unserer Volkswirtschaft müssen für die Folgenbeseitigung dieser 40 Jahre aufgewendet werden. Die zentrale Verwaltungswirtschaft ist genau das Ge- genteil von dezentraler Kreativität und damit der kommu- nalen Selbstverwaltung. Nach der Landtagswahl in Sach- sen-Anhalt ist deutlich geworden, dass die Mehrheit der Bürger Dunkelrot besser von der Verantwortung fernhal- ten will. Auch die SPD sollte endlich begreifen, dass Rot- Rot alles andere als ein Erfolgsmodell ist. Aber auch die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage macht deutlich, dass sie immer noch nicht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223650 (C) (D) (A) (B) begriffen hat, dass die Chance in der Kreativität der Men- schen und im Wettbewerb, nicht aber in bürokratischer Gängelung liegt. Es ist der falsche Weg, mithilfe des Ta- riftreuegesetzes die Wettbewerbsprobleme entlang der ehemaligen Zonengrenze lösen zu wollen. Bürokratie bringt eher zusätzliche Belastung und Lähmung anstelle von Wettbewerbsgleichheit und Chancen. Es wird immer wieder Kräfte geben, die fantasievoller als der regelnde Staat sind und die bürokratischen Regelungen unterlaufen. Das künstliche Hochhalten von tariflichen Regelungen wird nichts bringen. Wer immer noch dafür eintritt über- sieht, dass die Menschen in den neuen Bundesländern längst mit den Füßen über derartige Konzepte abgestimmt haben. Mit Billigung der Gewerkschaften werden tarif- vertragliche Regelungen entgegen der geltenden Rechts- lage unterlaufen. Man nimmt den Abschluss eines Flächentarifes hin, beachtet ihn aber nicht, sondern ersetzt ihn durch betriebsbezogene Vereinbarungen. Dies ge- schieht nicht aus bösem Willen, sondern aus purer Not. Andernfalls würden noch mehr Arbeitsplätze gefährdet sein. Wenn man die Realitäten richtig zur Kenntnis nähme, könnte man darin auch ein Vorbild für richtige Re- gelungen in ganz Deutschland sehen. Wir wollen deshalb das Günstigkeitsprinzip dahingehend erweitern, dass die Sicherung von Arbeitsplätzen auch als günstigere Rege- lung im Sinne des Tarifrechtes gilt und als Anlass zum Ab- weichen von Flächentarifverträgen genommen werden darf. Dies wird dafür sorgen, dass der Arbeitsmarkt wie- derum ein Stück näher zum Markt wird und seine Funk- tion wieder besser erfüllen kann. Hinsichtlich des Tariftreuegesetzes scheint es auch in der SPD Nachdenklichkeit zu geben. Vielleicht setzt diese sich ja doch noch durch. Man sollte auch bedenken, dass durch ein Tariftreuegesetz die Betätigungsmöglichkeiten von Betrieben aus den neuen Bundesländern eingeschränkt werden. Dies kann eigentlich nicht wünschenswert sein. Dennoch verkennen wir nicht, dass es gerade an der Naht- stelle zwischen alten und neuen Bundesländern durch Wett- bewerbsverzerrungen erhebliche Probleme gibt. Betriebe aus den Gebieten mit höheren Tarifen bekommen entlang des ehemaligen Zonenrandgebietes kaum noch Aufträge. Auch dieser Zustand ist nicht richtig und muss in Angriff genommen werden. Hier sehe ich allerdings bisher keine Aktivitäten der Bundesregierung. Das ist sehr zu bedauern. Wir dürfen allerdings nicht Ost gegen West oder Alt gegen Neu ausspielen. Wir müssen die Probleme gemeinsam so lösen, dass unter dem Strich eine möglichst hohe wirt- schaftliche Aktivität das Ergebnis ist. Das gilt natürlich auch für die Bekämpfung der illega- len Beschäftigung. Das Gifhorner-Modell und die Ver- besserung von Angebotsbedingungen sind hier allerdings wesentlich erfolgsversprechender als ein Tariftreue- gesetz. Noch besser wäre es natürlich, wenn durch eine Steigerung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Markt wieder so groß würde, dass viel mehr Betriebe und Be- schäftigte Arbeit fänden. Deshalb kommt es auf die rich- tige Gestaltung des wirtschaftspolitischen Rahmens an, um für Wirtschaftswachstum zu sorgen. In diese Richtung bietet die Politik der Bundesregierung allerdings prak- tisch keine Ansätze. Im Gegenteil: Durch Entzug der Kaufkraft bei der Bevölkerung über Ökosteuer, Tabak und Versicherungssteuer sowie steigende Sozialversiche- rungsbeiträge und Aushöhlung der Kommunalfinanzen wird den beiden Gruppen, nämlich der Bevölkerung und den Kommunen, die Investitionskraft genommen. Ihr Ausfall am Nachfragemarkt behindert das Wirtschafts- wachstum ganz massiv. Da liegen die Hauptprobleme. Es ist eben gerade nicht so, dass die Steuerquote gesunken wäre. Sie versuchen, durch verbale Kraftakte die „größte Steuerreform“ vorzutäuschen, dass sie hier richtig han- deln. Die Steuerschätzung ergibt allerdings das Gegenteil. Die Steuerquote ist unverändert geblieben. Sie macht deutlich, dass es gerade nicht zu einer Steuerentlastung gekommen ist. Es gibt gute Beispiele für eine erfolgreiche Politik aus den angeblich so schrecklichen 16 Regierungsjahren von Helmut Kohl. Wenn der Bundeskanzler im Fernsehen be- hauptet, er habe eine Steuerreform zustande gebracht, die Vorgängerregierung dagegen in 16 Jahren nicht; dann zeigt das sein wohl etwas kurzes Gedächtnis. Ich kann ja verstehen, dass er an seine eigene Versprechen nicht gern erinnert wird, ich nenne hier nur das Beispiel: Wenn wir es nicht schaffen die Arbeitslosigkeit nennenswert unter 3,5 Millionen zu drücken, dann haben wir es nicht länger verdient zu regieren. Ich kann verstehen, dass er dies an- gesichts der zurzeit mehr als 4 Millionen Arbeitslosen verdrängt, genauso wie er etwa gegenüber den Rentnern das Versprechen gebrochen hat, die Renten weiter wie die Nettolöhne steigen zu lassen oder etwa „6 Pfennig sind genug bei der Ökosteuer“. Aber leider hat er über das Ver- drängen auch verlernt, dass es in der Vergangenheit rich- tige Rezepte gegeben hat. Ich erinnere an die stoltenbergsche Steuerreform von 1985 bis 1989. Hier waren allein in den alten Bundeslän- dern am Ende 3 Millionen mehr Menschen in sozialver- sicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und das Steueraufkommen hatte sich sogar erheblich gestei- gert. Anstelle von einem Minus von 43 Milliarden DM, wie es theoretisch vorgesehen war, gab es Mehreinnah- men von 121 Milliarden DM. Hat der Kanzler vergessen, dass die Petersberger Beschlüsse mit einer umfassenden Steuerreform, die wesentlich besser war als all das, was Rot-Grün jemals vorgelegt hat, zweimal im Bundestag mit Kanzlermehrheit von CDU/CSU und FDP verab- schiedet wurden und durch ihn als Ministerpräsidenten mit seinen SPD-Kollegen Eichel und Lafontaine im Bun- desrat verhindert worden ist? Zwei wichtige Meister- stücke von Reformen wurden von der Union konzipiert und beschlossen. Soweit sie in Kraft getreten sind, wie die stoltenbergschen Reform, waren sie ein großer Erfolg. Die SPD trägt die Verantwortung dafür, dass die Pe- tersberger Beschlüsse nicht in Kraft treten konnten und dementsprechend erhebliches Wirtschaftswachstum ver- hindert wurde. Dies hat dazu geführt, dass Arbeitslosig- keit nicht in dem Maße beseitigt worden ist, wie das mög- lich gewesen wäre. Dieses Versagen der Politik hat einen Namen: Gerhard Schröder. Wenn der 1998 eingeleitete Aufschwung angeblich der Aufschwung Gerhard Schröders war, dann ist der jetzige Abschwung ebenfalls sein Abschwung. Da die Union die Regelungen des Tariftreuegesetzes schon inhaltlich für falsch hält, kommt es auf die Verein- barkeit mit dem europäischen Recht nicht mehr an. Die Ergebnisse der entsprechenden Prüfung werden uns Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23651 (C) (D) (A) (B) sicherlich bald ins Haus stehen und dann werden Sie Ihr nächstes Waterloo erleben. Es wäre besser, wenn die Bundesregierung unseren Vorschlägen für eine Verbesse- rung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen folgen würde. Schlagt nach bei Stoiber, Merkel und Merz im Re- gierungsprogramm. Das, was in anderen Ländern zum Er- folg geführt hat, wie die Beispiele Frankreich, England und Amerika beweisen und wie die stoltenbergschen Re- formen bei uns selbst bewiesen haben, sollten wir endlich anpacken. Bürokratie führt uns nicht von der Roten La- terne zur Lokomotive in Europa zurück. Die Antworten der Bundesregierung machen deutlich, dass nur ein poli- tischer Wechsel am 22. September 2002 den wirtschaft- lichen Aufschwung bringen wird. Gerhard Schüßler (FDP): Bei den öffentlich er- brachten Dienstleistungen und im öffentlichen Vergabe- recht liegt vieles im Argen. Aufgrund der mangelnden Kos- tenkontrolle arbeiten öffentliche Unternehmen ineffizient. Anstatt sich auf ihre Kernleistungen zu konzentrieren, bre- chen sie mit zusätzlichen Leistungen in den privatwirt- schaftlichen Markt ein und machen den Handwerkern und der mittelständischen Wirtschaft Konkurrenz. Ausrangierte Parteipolitiker werden mit lukrativen Posten versorgt und sichern den Einfluss der Parteien auf die Unternehmen. Die Unternehmen müssen wiederum Annehmlichkeiten der Politik finanzieren. Damit die Rechnung immer wieder aufgeht, zahlen die Bürger überteuerte Tarife, ohne dass sie die Möglichkeit haben, auf Konkurrenz auszuweichen. Von der öffentlichen Verwaltung werden Leistungen häufig mit fadenscheinigen Ausreden gar nicht ausge- schrieben, um sie bestimmten Unternehmern zuschieben zu können. Oder bei unausweichlichen Ausschreibungen werden sie nach großzügiger „Beatmung“ der Privat- oder Parteikassen befreundeten Bewerbern zugeschlagen. Die große Koalition aus SPD und CDU in den Rathäu- sern Westdeutschlands kann damit großartig leben. Das tut auch die PDS im Osten, die das System schnell für sich entdeckt hat. Der Spendenskandal der SPD in NRW hat die Mechanismen gerade wieder schonungslos offen ge- legt. Also wehe dem, der wie die europäische Kommission Hand an das deutsche System legen will. Die vorliegende Große Anfrage zeigt ein einträchtiges Bild. Das Wechsel- spiel von Fragen der PDS und Antworten der Bundes- regierung zeigt, wie ängstlich das rot-rot-grüne Trio in ih- rer deutschen Trutzburg sitzt und misstrauisch auf das böse Brüssel schielt. Da finden sich schnell die Nichtigen zusammen, wenn es darum geht, auch nur den kleinsten Fortschritt auf dem Gebiet des Vergaberechts und der öf- fentlichen Dienstleistungen zu verhindern. Auf nationaler Ebene versucht Rot-Grün mit seinem Tariftreuegesetz der darniederliegenden ostdeutschen Bauwirtschaft den Todesstoß zu geben. Als finanzielle Auswirkung gesteht selbst die Bundesregierung eine Ver- teuerung von öffentlichen Projekten um 5 Prozent ein. Das sind 2 Milliarden Euro. Dazu kommen noch Verwal- tungsmehrkosten in Höhe von mindestens 1 Prozent des Auftragsvolumens, Kontrollkosten, Vollzugskosten, Kos- ten für Registerführung etc. Der PDS geht das natürlich noch nicht weit genug, wobei schwer vorzustellen ist, wie ein noch größerer Schaden aussehen könnte. Da müssen wir fast der europäischen Kommission dankbar sein. Bei allem unguten Gefühl, das auch ich habe, wenn Politik außerhalb des deutschen Parlaments gemacht wird, muss ich anerkennen, dass die europäische Kommission derzeit die einzige Akteurin ist, die in Deutschlands Wirtschaftverfassung für Bewegung sorgt und die das Wohl der deutschen Bürger eher im Auge behält als die rot-grüne Regierung. Während die Bundes- regierung alles unternimmt, ein nicht mehr leistungsfähi- ges Industrie- und Arbeitsmarktmodell weiter zu zemen- tieren, versucht die Kommission Standards für mehr Wettbewerb und effizientere Leistungserbringung bei öf- fentlichen Dienstleistungen durchzusetzen. Es steht aller- dings auch hier zu befürchten, dass Bundeskanzler Schröder bei diesen Ansätzen ähnlich wie bei der Stein- kohlesubventionierung oder der Kfz-Vermarktung in Brüssel und Europa eine Schneise der Verwüstung schla- gen wird, um für seine antiquierte Vorstellung von deut- scher Industriepolitik zu kämpfen. Man muss sich nicht mit allen Vorschlägen der Kom- mission einverstanden erklären. Aber die Zielrichtung verdient Zustimmung. Mit den Verordnungs- und Richtli- nienvorschlägen sollen Mindestanforderungen an die Qualität der Dienstleistung festgelegt werden. Es soll vollständige Transparenz geschaffen werden, die gerade in Deutschland bitter notwendig wäre. Die Bürger sollen Wahlmöglichkeiten bekommen. Damit wäre endlich auch ein effizienzsteigernder Wettbewerb möglich. Zudem sol- len unabhängige Regulierungsinstanzen geschaffen wer- den, ein Instrument, mit dem wir in Deutschland zumin- dest auf dem Gebiet der Telekommunikation recht positive Erfahrungen gesammelt haben. Dies alles ist durchaus im Sinne unserer Bürger. Aber die Vorstellung des freien Wettbewerbs für kommunale Unternehmen scheint SPD, PDS und Grüne auf die Barri- kaden zu treiben. Der Begriff der Daseinsvorsorge dient ihnen als Deckmantel, ein ineffizientes, in parteipoliti- schen Filz verwobenes System öffentlicher Dienstleistun- gen und Vergabepraktiken zu rechtfertigen. Wann erken- nen diese sich selbst „sozial“ nennenden Parteien endlich, dass auch faire Preise für öffentliche Güter und Dienst- leistungen soziale Errungenschaften sind? Reformen sind in Deutschland dringend notwendig. Nur sollten wir damit nicht auf Brüsseler Kompromisse warten müssen, sondern sie selbst zielstrebig für unser Land anpacken. Ursula Lötzer (PDS): In seiner Berliner Rede be- schrieb Bundespräsident Rau am Montag dieser Woche den Widerspruch zwischen Markt und Demokratie als eine der zentralen Herausforderungen an eine politische Gestaltung der Globalisierung: „Wenn jetzt der Markt global wird, dann brauchen wir Ordnungen, die weltweit die Freiheit der Menschen sichern. Dann muss die Politik dafür sorgen, dass die Freiheit des globalen Marktes die Freiheit der Menschen nicht beschädigen kann.“ Diese Worte des Bundespräsidenten gelten auch für die Europäische Union und ihr Wettbewerbsrecht: Wollen wir Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223652 (C) (D) (A) (B) eine Europäische Union, in der allein die uneinge- schränkte Marktteilnahme internationaler Konzerne das Maß dafür ist, ob und wie Leistungen der Daseinsvor- sorge erbracht werden, oder wollen wir, dass darüber de- mokratisch nach sozialen und ökologischen Kriterien in den Kommunen entschieden wird, wie es dem grundge- setzlich geschützten Recht auf kommunale Selbstverwal- tung entspricht? Wollen wir eine Europäische Union mit einer Wettbewerbsordnung, die eine Abwärtsspirale der Konkurrenz um immer niedrigere Einkommen, immer schlechtere soziale Standards in Gang setzt, oder wollen wir eine politische Gestaltung des Wettbewerbs, die die Einkommen der Beschäftigten davor schützt? Ausgehend von diesen beiden Grundfragen haben wir in unserer Großen Anfrage die Forderungen von Gewerk- schaften und die Positionen kommunaler Verkehrsver- bände wie auch des Deutschen Städtetages für zukunfts- fähige, qualitativ hochwertige Nahverkehrsunternehmen aufgenommen; auf sie umfassend im Detail einzugehen in fünf Minuten Redezeit ist nicht möglich. Umso notwendiger ist es bei einer Debatte, die mehr als sechs Monate nach Abfassung der Antwort stattfindet, auch auf die inzwischen eingetretenen Entwicklungen einzugehen. Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament, auch dank der hervorragenden Arbeit des Berichterstatters Erik Meijer aus der Fraktion der Europäischen Linken (GUE/NGL), zahlreiche Änderungen des Verordnungs- entwurfes der Kommission beschlossen, die wir als Schritte zur Stärkung von sozialer Gerechtigkeit und De- mokratie begrüßen und nachhaltig unterstützen. Von he- rausragender Bedeutung ist dabei die Entscheidung des EP, den Kommunen selbst die Entscheidung zu überlas- sen, ob sie Nahverkehrsdienstleistungen weiterhin mit ihren kommunalen Unternehmen erbringen oder ob sie eine europaweite Ausschreibung durchführen wollen. Die Europäische Kommission weigert sich hingegen hart- näckig, auf den Zwang zur Ausschreibung zu verzichten, mit dem das Subsidiaritätsprinzip verletzt und das Wett- bewerbsrecht der kommunalen Demokratie übergeordnet wird, wie ein gerade von der Gewerkschaft Verdi vorge- legtes Rechtsgutachten eindrucksvoll aufzeigt. Wir erwarten, dass die Bundesregierung im Europä- ischen Rat entsprechend ihrer Aussage in der Antwort auf unsere Frage diese Position wirksam unterstützt und diese Auseinandersetzung auch öffentlich führt. Denn es geht um Grundfragen der demokratischen Verfasstheit der Europäischen Union und, wie unlängst in Köln Stefan Arcticus, Geschäftsführer des Deutschen Städtetages, for- mulierte, um „Überlebensfragen der Kommunalpolitik“. Die kommunale Demokratie darf nicht zu einer Aus- schreibungsagentur mit besonderen Ortskenntnissen von Gnaden der EU-Kommission verkommen. In dieser Auseinandersetzung steht die PDS an der Seite der Kommunen und der Gewerkschaften ebenso wie in der Frage der so genannten Quersubventionierung, der in vielen Kommunen üblichen Finanzierung der Verluste des QPNV mit Gewinnen aus der kommunalen Energie- und Wasserversorgung, die die Kommission als wettbe- werbswidrige Beihilfen verboten sehen will. Wo bleibt die viel beschworene Neutralität der EU gegenüber Eigen- tums- und Betriebsformen, wenn von im Verkehrsbereich tätigen Konzernen wie Vivendi nicht verlangt wird, nach- zuweisen, den Busbereich nicht mit Gewinnen aus ande- ren Geschäftsbereichen zu subventionieren? Ich sage: Die internen Bilanzen von Stadtwerken gehen die Wettbe- werbsbürokraten in Brüssel nichts an. Quersubventionie- rung muss möglich bleiben. Auch hier erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie sich öffentlich und im Europäischen Rat dafür ein- setzt. Wenn wir ein soziales Europa wollen, in dem erst die Demokratie und dann der freie Markt kommt – wie es der Bundespräsident gefordert hat –, brauchen wir ei- nen öffentlichen und transparenten Entscheidungspro- zess. Aussagen wie die der Bundesregierung, dass „sie die von ihr gewählte Verhandlungslinie auf europäischer Ebene im Rahmen der Beantwortung einer Großen An- frage im Detail nicht darlegen kann“, sind damit nicht vereinbar. Dies ist aus meiner Sicht eine tief greifende Missach- tung des Parlaments, unserer Informationsrechte als Ab- geordnete und wie die Sache selbst eine Grundfrage der Demokratie in der Europäischen Union. Es spricht der Demokratie Hohn, wenn über Regierungshandeln, das mit europäischen Richtlinien zu Ergebnissen führt, die für die Politik in der Bundesrepublik verbindlich sind, erst nachträglich im Parlament diskutiert werden kann. Und dieses Demokratiedefizit Ihrer Politik ist mitverantwort- lich für Euroskepsis und die Erfolge einer nationalisti- schen und rechtspopulistischen Kritik an einem Europa, das als undurchschaubare Instanz empfunden wird – nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in unseren Nachbarländern, allen voran in Frankreich. In der letzten Sitzungswoche wurde das Tariftreuege- setz verabschiedet. Im Wirtschaftsausschuss haben wir, mit den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak- tionen Änderungen zu den jetzt vorliegenden Richtlinien- entwürfen für die Auftragsvergabe beschlossen. Mit die- sen Änderungen sollen die jeweiligen unterschiedlichen Tarifsysteme der Mitgliedstaaten für den anzuwendenden Tarifvertrag berücksichtigt werden. Wir fordern die Ver- treter der Bundesregierung dringend auf, sich dafür ein- zusetzen. Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Juni vergangenen Jahres ist die PDS mit ihrer Großen An- frage „Sicherung sozialer und tariflicher Standards sowie der Stellung der kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Daseinsvorsorge im nationalen und europä- ischen Wettbewerbs- und Vergaberecht“, über die wir heute debattieren, auf einen Zug aufgesprungen, den die Bundesregierung bereits aufs Gleis gesetzt und zum Fah- ren gebracht hat: Ich meine damit das von der Bundesre- gierung im Dezember letzten Jahres eingebrachte und am 26. April hier im Plenum in zweiter und dritter Lesung ver- abschiedete Tariftreuegesetz bei öffentlichen Aufträgen. Wenn man die Fragen der Damen und Herren der PDS einmal etwas näher betrachtet, stellt man sehr schnell fest, dass hier weitgehend Fragen aufgeworfen und Problem- kreise angesprochen sind, mit denen sich die Bundesre- gierung bereits eingehend bei der Erarbeitung des Ge- setzentwurfes befasste. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 2002 23653 (C) (D) (A) (B) Meine Damen und Herren, das Tariftreuegesetz, das öffentliche Auftragnehmer bei der Vergabe von Bauauf- trägen und bei Auftragsvergaben im öffentlichen Perso- nennahverkehr dazu zwingt, ihren Beschäftigten den je- weiligen Lohn am Ort der Leistungserbringung zu zahlen, ist ein Beitrag zur Stabilisierung der Arbeitsbedingungen in der Bauwirtschaft und im ÖPNV und dient gleichzeitig dazu, Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz von Niedriglohnkräften zu verhindern. Es sichert Arbeitsplätze, auskömmliche Löhne und hilft, Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme zu vermeiden. Zur Verwirklichung dieser Ziele müssen die Unterneh- men zur Zahlung der ortsüblichen Tariflöhne verpflichtet werden. Nichts anderes sieht das Gesetz vor, das hoffent- lich noch in diesem Monat in der vom Bundestag verab- schiedeten Fassung auch den Bundesrat passiert. Dem Grundsatz könnte entgegen gehalten werden, dass Bauunternehmen aus Regionen mit niedrigerer Lohnstruktur, etwa den neuen Bundesländern, ihren bis- lang bestehenden Lohnvorteil bei öffentlichen Auf- trägen verlieren würden. Doch auch dies haben wir bedacht. Mit der schrittweisen Absenkung der Schwel- lenwerte und der stufenweisen Anhebung der zu zahlen- den Löhne haben wir eine Lösung erarbeitet, die sowohl dem mit dem Tariftreuegesetz angestrebten Ziel Rech- nung trägt, gleichzeitig aber sozialen Schutz wahrt und Rücksicht auf die Interessen der ostdeutschen Bauwirt- schaft nimmt. Meine Damen und Herren, eine Alternative zu diesem Gesetz gibt es nicht. Die Bundesregierung sieht sich viel- mehr in guter Gesellschaft mit den Bundesländern. Bayern, Berlin und Sachsen-Anhalt, um nur ein paar zu nennen, waren Länder, die ihrerseits bereits Tariftreue- regelungen eingeführt hatten, bevor der Bund das Thema aufgriff und die Gesetzesinitiative übernahm. Auch die von Ihnen in der Großen Anfrage vorge- brachten Bedenken der europa- und verfassungsrechtli- chen Zulässigkeit einer solchen gesetzlichen Regelung sind sorgfältigst geprüft. Meine Damen und Herren, zusammen mit dem Tarif- treuegesetz schaffen wir in dem Entwurf die rechtliche Grundlage zur Einrichtung eines Registers über unzuver- lässige Unternehmen, allgemein „Korruptionsregister“ genannt. Unternehmen, deren führende Mitarbeiter durch korrupte Verhaltensweisen oder andere schwere Verfeh- lungen im Rechtsverkehr negativ aufgefallen sind, haben beim Geschäft mit dem Staat nichts zu suchen. Sie sind vom Wettbewerb um öffentliche Aufträge auszu- schließen. Dies ist seit langer Zeit in Deutschland bereits geltendes Recht und daher kein legislatives Problem. Das Problem ist vielmehr: Wie erfährt der öffentliche Auftraggeber in A, dass ein Auftraggeber in B ein Unter- nehmen wegen schwerer Verfehlungen ausgeschlossen hat? Hier setzt das von uns geplante Korruptionsregister an, für dessen Einrichtung wir mit dem Tariftreuegesetz die notwendige Rechtsgrundlage schaffen. Durch Rechtsverordnung sollen in Zukunft alle öffent- lichen Auftraggeber verpflichtet werden, Unternehmen, die wegen einer schweren Verfehlung von der Vergabe öf- fentlicher Aufträge ausgeschlossen worden sind, dem Re- gister zu melden. Damit werden sie bundesweit erfasst und die Unzulässigkeit dieser Unternehmen wird allen öf- fentlichen Auftraggebern bekannt. Durch Rechtsverordnung sollen in Zukunft außerdem alle öffentlichen Auftraggeber verpflichtet werden, beim Register anzufragen, ob das Unternehmen, an das der Auftrag gehen soll, dort gelistet ist. Der Ausschluss we- gen einer schweren Verfehlung ist dann bundesweit jedem öffentlichen Auftraggeber vor Auftragsvergabe bekannt, und jeder öffentliche Auftraggeber hat dann noch einmal im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die Ausschluss- gründe weiter fortbestehen oder ob das Unternehmen sich wieder auf den Pfad der Tugend begeben und Maßnahmen der Selbstreinigung ergriffen hat. Ist dies in ausreichen- dem Maße der Fall, muss es wieder zum Wettbewerb um öffentliche Aufträge zugelassen werden. Ich denke, dass mit diesen Maßnahmen auch klare Sig- nale an Unternehmen und Bürger gehen, dass die Bun- desregierung Korruption und Wirtschaftskriminalität ernsthaft bekämpft, dokumentiert, dass in Deutschland mit unlauteren Mitteln keine Geschäfte mit dem Staat zu machen sind und das Vertrauen der Bürger in Politik und Verwaltung stärken will. Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, hat die Bun- desregierung mit dem Tariftreuegesetz ein Bündel von Maßnahmen vorgelegt, das von diesem Parlament auch mehrheitlich verabschiedet wurde und das weit über das hinausgeht, was Sie mit Ihrer Großen Anfrage bezwecken wollten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 236. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. Mai 200223654 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Klaus Brandner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrte Frau Präsiden-
    tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich
    zuerst einen Dank an den Kollegen Herrn Schemken rich-
    ten, den ich im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
    als menschlich fairen Kollegen kennen und schätzen ge-
    lernt habe.

    Ich möchte aber gleichzeitig deutlich machen: Dies än-
    dert nichts daran, dass die heutige Debatte ein Trauerspiel
    ist, weil die CDU/CSU in der Frage der Rentenreform gar




    Heinz Schemken
    23510


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    nichts zu bieten hat. Wir haben gerade wieder erlebt, dass
    sie das nicht zugeben möchte. Sie vertuscht diesen Zu-
    stand mit Scheinargumenten. Schlimmer noch: Die Union
    will die Rentner und vor allem – das haben wir deutlich
    erlebt – die Rentnerinnen verunsichern und sogar verängs-
    tigen. Das hat mit der Realität der Rentenreform nichts zu
    tun. Für Angst besteht nämlich überhaupt kein Anlass.
    Deshalb sagen wir ganz deutlich: Mit uns geht das so
    nicht.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Was ist an unserer Rentenreform schlimm? Nichts. Sie
    ist nachhaltig, richtig und gerecht. Die ältere Generation
    hat jetzt endlich ein sicheres Fundament unter den Füßen.
    Die Renten steigen zwar etwas langsamer als geplant,
    dafür steigt aber die Sicherheit enorm. Das zählt.

    Wir wissen, dass Sicherheit ihren Preis hat. Die Men-
    schen sind bereit, Ihren Beitrag dazu zu leisten. Das gilt
    auch für die jüngere Generation; denn wer seinen Le-
    bensstandard halten will, muss rechtzeitig privat vorsor-
    gen. Das sind die Herausforderungen, denen wir uns auf-
    grund der demographischen Veränderungen stellen
    müssen. Das ist in dieser Gesellschaft bekannt.

    Anders als die Regierung Kohl haben wir es uns zuge-
    traut, das auch offen zu sagen. Nicht zuletzt deshalb fin-
    den so viele unsere Reform richtig. Der Staat bietet auf der
    Grundlage sozialer Kriterien massive Hilfe. Familien mit
    Kindern werden besser geschützt. Die Zuschüsse können
    bis zu 90 Prozent betragen. Das findet in der Gesellschaft
    Akzeptanz.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Rentenversicherung ist und bleibt eine starke
    Säule, aber sie braucht ein zweites Standbein. Besonders
    positiv ist die Entwicklung bei der betrieblichen Alters-
    vorsorge. Es fällt auf, dass Sie, meine Damen und Herren
    von der Opposition, zum Thema der betrieblichen
    Altersvorsorge gar nichts zu sagen haben. Das ist nun
    wieder sehr ehrlich; denn hierzu ist auch in Ihrer Regie-
    rungszeit nichts erfolgt, im Gegenteil: Der Verbreitungs-
    grad ist während der Regierungszeit von CDU/CSU und
    FDP weiter zurückgegangen.

    Dabei ist doch gerade diese Form der Alterssicherung
    die modernste; denn sie verbindet für die Beschäftigten
    die möglichen Chancen einer kapitalgedeckten Vorsorge
    mit den Vorteilen der geringen Verwaltungskosten und
    enthält Elemente des Solidarausgleichs.

    Durch die verbesserten Rahmenbedingungen infolge
    unserer Rentenreform erfährt die betriebliche Altersvor-
    sorge gerade jetzt eine Renaissance. Hierzu möchte ich
    angesichts der Kürze der Zeit nur einige Stichworte nen-
    nen: Bereits jetzt sind 15,3Millionen Arbeitnehmer in Be-
    trieben beschäftigt, in denen tarifvertragliche Regelungen
    über eine Zusatzversorgung im Alter bzw. Entgeltum-
    wandlungen existieren.

    In Fachkreisen geht man davon aus, dass in Zukunft
    90 Prozent aller Arbeitnehmer eine betriebliche Alters-
    versorgung erhalten werden. Zum Vergleich: Heute erhält

    nur ein gutes Viertel aller ehemaligen Beschäftigten in der
    Privatwirtschaft eine Betriebsrente. Selbst die Anbieter
    von Finanzdienstleistungen schätzen, dass etwa 70 Pro-
    zent der Fördermittel über die betriebliche Altersversor-
    gung abgewickelt werden. Das sind eindeutige Erfolge,
    die wir uns von niemandem kleinreden und schon gar
    nicht schlechtreden lassen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Was hat die Union zu bieten? Ich finde, eine klägliche
    Show. Während Blüm Plakate „Die Rente ist sicher“
    klebte, haben wir tatsächlich für Sicherheit gesorgt.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/ CSU]: Das glauben Sie selber nicht!)


    Geglaubt hat Ihnen am Schluss keiner mehr und das wirkt
    leider lange nach. Die Unsicherheit in der Rentenpolitik
    ist eine Gefahr für die Politik. Gerade in der Rentenpoli-
    tik muss man gemeinsam für die Sicherheit der Bürgerin-
    nen und Bürger sorgen. Das haben Sie versäumt.

    Deshalb fühlen sich immer noch viele verunsichert. Sie
    wollen – so empfinde ich das – diese Situation wahl-
    taktisch ausnutzen.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist wahr!)


    Genau das ist in Ihrem Antrag wiederzufinden. Sie haben
    wieder einmal einen großartigen Titel gefunden: „Renten-
    reform ehrlich, generationengerecht und zukunftssicher
    gestalten“. Haben Sie eigentlich jegliche Scham verloren?
    Wenn Sie nicht gerade das Wort „ehrlich“ benutzt hätten,
    würde ich Sie fragen, ob Sie überhaupt noch wissen, wie
    dieses Wort geschrieben wird.


    (Beifall bei der SPD – Julius Louven [CDU/ CSU]: Na, na, Herr Brandner! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie müssen sich unsicher fühlen, wenn solche Breitseiten kommen!)


    Abgesehen von der Wiedereinführung des so genann-
    ten demographischen Faktors, treffen Sie in Ihrem Antrag
    nicht eine einzige konstruktive Aussage zu dem, was Sie
    rentenpolitisch umsetzen möchten. Der demographische
    Faktor hat allerdings nicht unwesentlich dazu beigetra-
    gen, dass Sie 1998 abgewählt wurden.

    Was haben Sie am Altersvermögensgesetz und am Al-
    tersvermögensergänzungsgesetz zu kritisieren? Bei der
    Förderung der zusätzlichen Altersvorsorge ist Ihnen der
    Verbraucherschutz zuwider. Lassen Sie mich das klarstel-
    len: Alle Kriterien, die für eine Zertifizierung eines Al-
    tersversorgungsvertrags erfüllt sein müssen, dienen dazu,
    dass Mindestanforderungen an die Altersbindung erfüllt
    werden. Offensichtlich haben Sie in dem Zusammenhang
    den Sinn der zusätzlichen Altersvorsorge gar nicht ver-
    standen.

    Ich will Ihnen das gern noch einmal erläutern: Es gilt
    sicherzustellen, dass im Alter ausreichende Einkünfte
    vorhanden sind. Nur das schafft Sicherheit. Geradezu ab-
    surd ist die Behauptung, die Finanzierung der Rentenver-
    sicherung sei unsicher. Das ist nicht wahr und das wissen




    Klaus Brandner

    23511


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Sie auch. Die langfristige Stabilität der Rente ist garantiert.
    Weil wir den Generationenvertrag mit einer zusätzlichen
    Säule aufgebaut haben, ist auch das Versorgungsniveau ga-
    rantiert. Bis zum Jahr 2020 wird der Beitragssatz nicht
    über 20 Prozent und bis 2030 nicht über 22 Prozent stei-
    gen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich finde, das ist auch gut so.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Im Übrigen haben wir uns das nicht ausgedacht, son-
    dern wir konnten diese Zusagen auf der Grundlage der
    Annahmen über die Entwicklung der Wirtschaft, der Ein-
    kommen und der Bevölkerung machen, wie sie mit dem
    VDR und der BfA abgestimmt sind. Die von Ihnen erho-
    bene Forderung, dass über die zukünftige Entwicklung
    des Beitragssatzes Auskunft gegeben werden soll, wird
    außerdem längst erfüllt. Jedes Jahr gibt die Bundesregie-
    rung den Rentenversicherungsbericht heraus. Da können
    Sie das gerne nachlesen. Wie Sie wissen, haben wir nichts
    zu verstecken und schon gar nichts zu vertuschen.

    Sie sprechen sich dafür aus – ich zitierte –,
    die eigenständige Alterssicherung von Frauen durch
    Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für
    eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf
    auszubauen.


    (Peter Dreßen [SPD]: Ja!)

    Bravo, kann ich da nur sagen; dem kann ich mich voll und
    ganz anschließen. Es ist nur schade, dass Sie diese Forde-
    rung nicht in ihrem Wahlprogramm unterbringen konnten.
    Der Ausbau von Einrichtungen zur Kinderbetreuung bil-
    det im Wahlprogramm der SPD dagegen einen Schwer-
    punkt. Insofern ist er auch ein deutlicher Schwerpunkt bei
    unserer zukünftigen Regierungsarbeit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, wir sorgen für geeignete
    Rahmenbedingungen. Deshalb ist es so schade, dass Sie
    es sich bei Ihrer Rentenreform nicht einmal ansatzweise
    zugetraut haben eine Reform der Hinterbliebenenrenten
    vorzunehmen – nicht etwa aus Großherzigkeit gegenüber
    den Betroffenen, sondern weil Sie die Konflikte zwischen
    den Konservativen Ihrer Partei und denjenigen, die
    gleichstellungspolitisch auf der Höhe der Zeit sind, ge-
    scheut haben. Sie haben die Probleme vor sich herge-
    schoben. 16 Jahre lang war Aussitzen Ihr Markenzeichen.
    Das hilft aber niemandem weiter.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Darin, Probleme abzuschieben, sind Sie aber wirklich Experte!)


    Rot-Grün hat Änderungen durchgeführt, die zu einer
    stärkeren Berücksichtigung der Kindererziehung führen
    und mit einem modernen Familienverständnis im Ein-
    klang stehen. Bei Ihrer Kritik an der bedarfsorientierten
    Grundsicherung schrecken Sie im Übrigen nicht einmal
    vor Falschbehauptungen zurück: Die finanziellen Belas-
    tungen werden übertrieben und Sie verschweigen den

    Überforderungsschutz, den wir für die Kommunen veran-
    kert haben.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wir werden noch vor dem 22. September sehen, ob das so ist!)


    Um es ganz deutlich zu sagen: Sie wissen, dass wir an ei-
    ner systematischen Gemeindefinanzreform arbeiten und
    dass die Gemeinden in diesem Land darauf vertrauen kön-
    nen, dass Rot-Grün den örtlichen Einrichtungen in unse-
    rer Gesellschaft für die Zukunft einen ausreichenden fi-
    nanziellen Spielraum zusichert.


    (Beifall bei der SPD)

    Warum trauen Sie sich nicht auch an dieser Stelle, of-

    fen zu sagen, was Sie ganz verschämt in Ihrem Wahlpro-
    gramm versteckt haben, dass Sie nämlich die Grund-
    sicherung tatsächlich wieder abschaffen wollen? Was ist
    das für ein Weg, verschämte Armut zu bekämpfen?


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie spalten dieses Land, indem Sie sowohl die alten als
    auch die jungen Menschen verunsichern. Die Akzeptanz
    der Rentenversicherung als eine der tragenden Säulen des
    Sozialstaates wird von Ihnen ohne Alternative untergra-
    ben. Ich bedauere das sehr und darf zum Schluss sagen:
    Unsere langfristigen Ziele in der Rentenreform werden
    – dabei bleibt es – systematisch umgesetzt.


    (Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Habt ihr doch schon im letzen Jahr kritisiert!)


    Erstens stabile Beiträge, zweitens ein vertretbares Ren-
    tenniveau zur Sicherung eines angemessenen Lebensstan-
    dards im Alter, drittens eine stärkere Eigenvorsorge, vier-
    tens eine Verbesserung der Alterssicherung von Frauen
    und der kindbezogenen Leistungen bei der eigenständi-
    gen Rente und der Hinterbliebenenversorgung und fünf-
    tens eine systematische Vermeidung verschämter Alters-
    armut. – Das ist das Markenzeichen von Rot-Grün; dafür
    treten wir ein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Für die FDP-Fraktion
erteile ich der Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin!
    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jährliche Mit-
    gliederversammlung des Verbandes der Rentenversi-
    cherungsträger hat gerade in Leipzig stattgefunden.
    Dort wurde bekannt, dass eine Beitragssatzerhöhung von
    19,1 auf 19,3 Prozent spätestens im nächsten Jahr unaus-
    weichlich sein wird. Im Gegensatz dazu steht in Ihrem
    Rentenkonzept, dass der Beitragssatz auf 19 Prozent ge-
    senkt werden könnte.

    Darüber hinaus wurde bekannt, dass, wenn Sie nicht
    tricksen und schönen, dieser erhöhte Beitragssatz beibe-
    halten werden muss und noch weiter steigen kann, statt
    dass eine Senkung auf unter 19 Prozent möglich wird.




    Klaus Brandner
    23512


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Trotzdem stellen Sie sich hier hin und behaupten, die Welt
    sei schön. Sie verschließen die Augen fest vor der Realität
    und wollen nicht wahrnehmen, dass hier der rentenpoliti-
    sche Offenbarungseid notwendig gewesen wäre, der von
    anderen für Sie ausgesprochen worden ist.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Nichts von dem, was Sie in dieser Legislaturperiode
    gemacht haben, hat etwas genutzt. Weder die 15 Milliar-
    den Euro Ökosteuer, die Sie in die Rentenversicherung
    gegeben haben, noch die unsystematische Absenkung des
    Anpassungssatzes zu Beginn der Legislaturperiode haben
    die Rentenversicherung in irgendeiner Weise stabilisieren
    können. Das heißt, Sie haben die gesamte Legislaturperi-
    ode den Reformbedarf systematisch verschleiert und die
    Zahlen geschönt. Das rächt sich jetzt.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dennoch versuchen Sie, Ihr mutloses Reförmchen von
    2001 als große Tat zu preisen.

    Nein, es muss eine Reform her. Die FDP will diese
    überfällige Reform endlich machen, damit die Bürger
    wieder Zutrauen zu unseren Alterssicherungssystemen
    fassen. Die gesetzliche Rentenversicherung wird entge-
    gen allen Behauptungen, die jetzt manchmal über das auf-
    gestellt werden, was der eine oder der andere will, auch in
    Zukunft das Rückgrat der Alterssicherung der meisten
    Menschen in Deutschland sein. Das ist auch richtig so.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Aber sie muss reformiert werden, damit sie diese Aufgabe
    in Zukunft leisten kann. Dies gilt im Übrigen auch für die
    private Altersversorgung; denn das Vertrauen, das damit
    aufgebaut werden sollte, ist nicht vorhanden. Die Men-
    schen glauben nicht, dass dies ein vernünftiger Ansatz ist,
    der ihre Altersvorsorge sichern könnte.

    Immer mehr Deutsche fühlen sich bei der Altersver-
    sorgung vom Staat im Stich gelassen. Im Oktober 2001
    misstrauten 52 Prozent der Bevölkerung den staatlichen
    Maßnahmen. Im März 2002 waren es schon 60 Prozent.
    Das hat aber nicht dazu geführt, dass sie gleichzeitig eine
    Entscheidung für die Inanspruchnahme der geförderten
    Riester-Rente getroffen hätten. Das haben gerade einmal
    8 Prozent getan. Immerhin 70 Prozent sagen, dass sie
    nicht die Absicht haben, eine solche private Vorsorge ab-
    zuschließen. Wenn das keine Misstrauenserklärung ge-
    genüber dem komplizierten Konstrukt ist, das Sie verab-
    schiedet haben, dann weiß ich wirklich nicht, wie man das
    anders belegen sollte.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Sie machen keine zukunftsweisende Rentenpolitik.

    Wenn Sie immer darauf verweisen, was früher alles an-
    ders und, wie Sie sagen, schlechter gewesen ist, dann kann
    ich Ihnen nur eines sagen: Die Bürger werden am 22. Sep-
    tember nicht über die Regierung von vor 1998, sondern
    über Ihre Regierung abstimmen, über das, was Sie ver-
    sprochen und nicht gehalten haben. Sie werden darüber

    abstimmen, dass sie geglaubt haben, Sie würden die not-
    wendigen Reformen in Angriff nehmen. Die Bürger haben
    festgestellt, dass Sie diese Reformen nicht zustande ge-
    bracht haben. Im Gegenteil: Sie deklarieren etwas als Re-
    form, was sich in keiner Weise als zukunftsweisend oder
    auch nur vom Ansatz her als wirklich tragfähig erweist.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben heute Morgen den Begriff der Nachhaltigkeit
    nachhaltig beschädigt, indem Sie ihn für wirklich alle
    Facetten Ihrer unzulänglichen Politik zu missbrauchen
    versucht haben. Nachhaltigkeit bedeutet Generationen-
    gerechtigkeit. Sie haben nicht den Mut gehabt, für die
    junge Generation die richtigen Entscheidungen zu treffen,
    weil Sie nicht in der Lage waren, den Gewerkschaften be-
    greiflich zu machen, dass Reformen wirklich Reformen
    bedürfen.


    (Beifall bei der FDP)

    Man muss es einfach sagen: Es gibt viele Menschen,

    die bei dem Wort Reformen immer nur an Reformen für
    andere denken, die sie selbst nicht betreffen. Wer Refor-
    men will, muss wissen: Sie betreffen alle. Wenn wir bei
    der Rente wirklich Generationengerechtigkeit herstellen
    wollen, dann müssen wir endlich eine tief greifende Re-
    form machen. Wir werden das tun. Ich werde Ihnen kurz
    skizzieren, wie das aussehen soll.


    (V o r s i t z : Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


    Lassen Sie mich vorher einige Anmerkungen zu den
    vorliegenden Anträgen machen. Ich hätte mir schon ge-
    wünscht, meine Kolleginnen und Kollegen von der
    Union, dass Sie etwas präziser definieren würden, was
    nach Ihrer Auffassung in der nächsten Legislaturperiode
    notwendig ist.


    (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das haben wir schon!)


    – Ich hätte mir gewünscht, dass diese grundlegende De-
    batte vor und nicht nach der Wahl stattfindet. Ich denke,
    die Menschen haben einen Anspruch darauf, sehr klar zu
    wissen, was notwendig ist.


    (Beifall bei der FDP – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie kennen doch unser Wahlprogramm!)


    Daneben hat die PDS einen Antrag mit einem Sack voll
    unerfüllbarer Versprechen vorgelegt, die sich nur auf die
    Menschen in den ostdeutschen Bundesländern beziehen.
    Auch wir sehen in einem von Ihnen angesprochenen Be-
    reich, nämlich beim mittleren medizinischen Personal,
    sehr wohl die Notwendigkeit, weitere Verbesserungen vor-
    zunehmen.


    (Beifall bei der FDP)

    Wenn aber die PDS in einer Rentendebatte, die den

    zukünftigen Reformbedarf aufzeigen soll, ausschließlich
    die vermeintlichen Interessen von Menschen aus den
    neuen Bundesländern bedient, dann hat sie ihren An-
    spruch, eine gesamtdeutsche Partei zu sein, aufgegeben.




    Dr. Irmgard Schwaetzer

    23513


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Sie sind das nicht und werden es auch den Menschen nicht
    klarmachen können.


    (Beifall bei der FDP)

    Die Voraussetzung für eine seriöse Reform – das ist der

    erste Punkt – sind volkswirtschaftliche und bevölke-
    rungswissenschaftliche Annahmen, die tatsächlich
    langfristig angelegt sind. Als wir mit der Debatte über Ihre
    Reform begonnen haben, haben Sie behauptet, sie sei
    langfristig angelegt. Aber anschließend sind die kritischen
    Anmerkungen vonseiten der Bevölkerungswissenschaft-
    ler systematisch ausgeblendet worden. Sie haben Annah-
    men zugrunde gelegt, die schon bei der Entwicklung der
    Arbeitslosigkeit in diesem und im nächsten Jahr und bei
    der Entwicklung der Beitragssätze zur Krankenversiche-
    rung nicht zutreffen. Damit sind Ihre gesamten Prognosen
    falsch und können nicht aufrechterhalten werden. Das
    macht nicht nur der Anstieg des Beitragssatzes im nächs-
    ten Jahr deutlich. Vielmehr werden Sie schon sehr viel
    früher einen Beitragssatz von 20 Prozent erreicht haben,
    als es nach Ihrer Berechnung vorgesehen ist.


    (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sie versuchen, über diese Wahl hinweg zu kommen,

    ohne der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Ich
    bin aber sicher, dass die Menschen kritischer sind und Ih-
    nen das nicht durchgehen lassen werden.


    (Beifall bei der FDP)

    Zweitens ist angesichts der weltweit höchsten Lohnzu-

    satzkosten, die wir in Deutschland haben, insgesamt ein
    niedrigeres Belastungsniveau notwendig, als Sie es für
    Ihre Rentenreform bis zum Jahr 2030 anstreben.

    Drittens brauchen wir als wesentliches Kriterium für
    die geförderte private Vorsorge eine praktikable Zweck-
    bestimmung. Das reicht dann auch aus. Warum werden
    denn so wenige Verträge für die private Vorsorge abge-
    schlossen? – Sie sind unattraktiv, weil erstens die Ver-
    wendungsmöglichkeiten der angesparten Summe die
    Menschen nicht zufrieden stellen, weil Sie zweitens Ver-
    erbbarkeit nicht vorgesehen und drittens eine Fülle von
    undurchsichtigen Kriterien aufgenommen haben, die die
    Menschen verunsichert. Damit die Akzeptanz verbessert
    wird und der an sich richtige Schritt der privaten Vorsorge
    auch tatsächlich gegangen werden kann, ist eine Reform
    dieses Ansatzes in der nächsten Legislaturperiode drin-
    gend notwendig.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Viertens muss das Wohneigentum als klassische Form
    der Altersvorsorge in einer praktikablen Form einbezogen
    werden.

    Fünftens muss die nachgelagerte Besteuerung für
    alle Vorsorgebeiträge eingeführt werden. Die jetzige
    Rechtslage, nach der ein Teil schon bei der Erbringung
    steuerlich geltend gemacht werden kann, ein anderer Teil
    aber nicht, ist verwirrend und führt auch zu für den Ein-
    zelnen schlecht abschätzbaren Ergebnissen bei der Aus-
    zahlung seiner Rente. Deswegen ist eine nachgelagerte
    Besteuerung generell richtig. Dabei ist allerdings jegliche
    Doppelbesteuerung zu vermeiden.

    Sechstens müssen im Rahmen der betrieblichen Al-
    tersvorsorge die Durchführungswege gleichgestellt wer-
    den. Es gibt keinen Grund dafür, warum Direktzusagen
    und Unterstützungskassen diskriminiert werden. Darüber
    hinaus muss die Direktversicherung auch ab 2008 weiter-
    hin attraktiv bleiben. Dieses Instrument wird derzeit ge-
    rade im Mittelstand verstärkt angewendet.

    Auch muss dafür gesorgt werden, dass die deutschen
    Pensionsfonds aus der Ecke der reinen Versicherungspro-
    dukte herauskommen und international vergleichbaren
    Kriterien genügen. Sie müssen rentabel, europatauglich
    und international wettbewerbsfähig werden, was sie zur-
    zeit nicht sind.

    Deswegen ist es siebtens auch notwendig, dass die be-
    darfsorientierte Grundsicherung, die – darin bin ich mir
    sicher – die Kommunen vor massive finanzielle Bela-
    stungen stellen wird – –


    (Erika Lotz [SPD]: Das ist doch überhaupt nicht wahr! Das wissen Sie doch! – Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Aber selbstverständlich!)


    – Das ist schon derzeit anhand der Vorlagen, die die Käm-
    merer für verschiedene Gebietskörperschaften erarbeitet
    haben, abzusehen. Wir haben diesbezüglich eine Anfrage
    an die Bundesregierung gerichtet. Ich bin gespannt, wie
    die Bundesregierung sie behandeln wird.

    Die Wähler merken, dass Sie Ihre Versprechen aus dem
    Wahlkampf 1998 nicht eingehalten haben. Viele haben
    geglaubt, die Reform der sozialen Sicherungssysteme
    könne man mal eben so machen und gehe sie eigentlich
    nichts an. Jetzt wird die Sorge um die eigene Zukunft
    größer. Sie, meine Damen und Herren von der rot-grünen
    Koalition, haben Ihre Chance gehabt. Sie haben sie ver-
    spielt.


    (Peter Dreßen [SPD]: Warten Sie es ab! Ihr Spaßprogramm ist auch nicht überwältigend!)


    Wir werden vernünftige Reformen in der nächsten Legis-
    laturperiode machen.

    Danke schön.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Erika Lotz [SPD]: Die FDP ist zur Klamaukpartei verkommen!)