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    Erweiterung und Änderung der Ta- gesordnung 23111 A, 23112 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 6, 20 (ohne 20 c) und 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23112 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 23112 C Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Republik Estland, Herrn Dr. Toomas Savi, und seiner Delegation . . . . . . . . . . . . . . 23112 D Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung zur Lage im Nahen Osten . . . . . . . . . . . . . . . 23113 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Volker Rühe, Karl Lamers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Eine deutli- che gemeinsame europäische Position für eine gerechte Friedenslösung im Na- hen Osten (Drucksache 14/8862) . . . . . . . . . . . . . . . . 23113 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der PDS: Die Gewaltspirale im Na- hen Osten beenden (Drucksachen 14/8271, 14/8877) . . . . . . . 23113 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . . 23113 B Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) 23117 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 23121 B Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 23124 B Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23125 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 23127 A Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23127 C Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23128 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23129 C Christoph Moosbauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23130 C Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23132 C Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23134 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . 23135 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23136 D Hans-Ulrich Klose SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23138 B Joachim Hörster CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23139 D Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23140 D Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23142 B Dagmar Schmidt (Meschede) SPD . . . . . . . . . 23143 A Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Volker Rühe, Dr. Karl-Heinz Hornhues, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Dr. Klaus Kinkel, Dr. Werner Hoyer und der Plenarprotokoll 14/233 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 233. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 I n h a l t : Fraktion der FDP: Die zweite Runde der NATO-Erweiterung auch als Bei- trag zur Stabilisierung Südosteuro- pas konzipieren (Drucksache 14/8835) . . . . . . . . . . . . . 23143 D b) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die NATO vor der Erweiterung (Drucksache 14/8861) . . . . . . . . . . . . . 23144 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . . 23144 A Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23144 C Dieter Schloten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23146 A Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23148 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23149 C Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23150 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 23151 D Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU 23153 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23154 A Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23155 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23155 D Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23161 C Tagesordnungspunkt 34: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Harald Friese, Anni Brandt- Elsweier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD, den Abgeordne- ten Beatrix Philipp, Renate Diemers, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der CDU/CSU, den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie den Abgeordne- ten Ina Lenke, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung anony- mer Geburten (Drucksache 14/8856) . . . . . . . . . . . . . 23157 D b) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Monika Griefahn, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Ab- geordneten Dr. Antje Vollmer, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Preisbin- dung bei Verlagserzeugnissen (Drucksache 14/8854) . . . . . . . . . . . . . 23158 A c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 30. November 2000 zurÄnderung des Europol-Übereinkommens (Drucksache 14/8709) . . . . . . . . . . . . . 23158 B d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Über- einkommen vom 16. Januar 1992 zum Schutz des archäologischen Er- bes (Drucksache 14/8710) . . . . . . . . . . . . . 23158 B e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sprengstoffgesetzes und anderer Vorschriften (2. SprengÄndG) (Drucksache 14/8771) . . . . . . . . . . . . . 23158 B f) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger ge- werberechtlicher Vorschriften (Drucksache 14/8796) . . . . . . . . . . . . . 23158 B g) Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Kon- krete Schritte gegen die Bedrohung durch biologische Waffen (Drucksache 14/8698) . . . . . . . . . . . . . 23158 C h) Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Förderung der Energiespeicherforschung (Drucksache 14/5576) . . . . . . . . . . . . . 23158 C i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundes- regierung für das Haushaltsjahr 2001 – Vorlage der Haushaltsrech- nung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 2001) (Drucksache 14/8729) . . . . . . . . . . . . . 23158 D in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 20: c) Antrag der Abgeordneten Hartmut Schauerte, Dagmar Wöhrl, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Fairen Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt effektiv und effizient sichern (Drucksache 14/7614) . . . . . . . . . . . . . 23158 D in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002II Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 34) a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zurÄnderung des Grundgeset- zes (Staatsziel Tierschutz) (Drucksache 14/8860) . . . . . . . . . . . . . 23158 D b) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Fortentwicklung der sozialen Pflege- versicherung (Drucksache 14/8864) . . . . . . . . . . . . . 23159 A c) Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Matthias Wissmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kein Emissionszertifikate- handel zum Nachteil des Wirtschafts- standortes Deutschland (Drucksache 14/8852) . . . . . . . . . . . . . 23159 A d) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Dirk Fischer (Hamburg), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Verbraucherschutz im Bereich des öffentlichen Personen- verkehrs noch immer unzureichend (Drucksache 14/8853) . . . . . . . . . . . . . 23159 B Tagesordnungspunkt 35: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. September 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gegenseitige Hilfe- leistung bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen (Drucksachen 14/7096, 14/8868) . . . . 23159 B b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durch- führung der Rechtsakte der Europä- ischen Gemeinschaft über gemeinschaft- liche Informations- und Absatzför- derungsmaßnahmen für Agrarerzeug- nisse (Agrarabsatzförderungsdurch- führungsgesetz) (Drucksachen 14/8526, 14/8811) . . . . 23159 C c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Ge- meinschaft über die Etikettierung von Fischen und Fischereierzeugnissen (Fischetikettierungsgesetz) (Drucksachen14/7726,14/8196,14/8810) 23160 A d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über den Aus- wärtigen Dienst (GAD) (Drucksachen 14/8225, 14/8833) . . . . 23160 B e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissions- schutzgesetzes (Drucksachen 14/8450, 14/8895) . . . . 23160 C f) – j) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 378, 379, 380, 381, 382 zu Petitionen (Drucksachen14/8801,14/8802,14/8803, 14/8804, 14/8805) . . . . . . . . . . . . . . . . 23160 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 35) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Grundstoffüberwachungs- gesetzes (Drucksachen 14/8387, 14/8882) . . . . 23161 A b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Ge- sundheitsstrukturgesetzes (Drucksachen 14/7462, 14/8883) . . . . 23161 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu den Wachstumspro- gnosen der Wirtschaftsforschungsinsti- tute in ihrem Frühjahrsgutachten 2002 23161 C Matthias Wissmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23161 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23162 C Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23163 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23164 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 III Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23165 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . . 23167 A Dr. Hansjürgen Doss CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23169 A Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23170 A Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23171 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23172 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23174 A Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23175 A Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23176 C Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23177 D Tagesordnungspunkt 5: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Peter Eckardt, Jörg Tauss, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmen- gesetzes (6. HRGÄndG) (Drucksachen 14/8361, 14/8878) 23179 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschul- rahmengesetzes (6. HRGÄndG) (Drucksachen 14/8732, 14/8878) 23179 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Än- derung des Hochschulrahmen- gesetzes (6. HRGÄndG) (Drucksachen 14/8295, 14/8878) 23179 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ein neues Hochschuldienstrecht für eine mo- derne, leistungsfähige und attraktive Bildung und Forschung in Deutsch- land (Drucksachen 14/7077, 14/8878) . . . . . 23179 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 23179 D Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23183 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23185 C Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23186 B Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23189 D Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23190 D Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 23192 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23194 A Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23195 B Tagesordnungspunkt 19: Schlussbericht der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel – Heraus- forderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“ (Drucksache 14/8800) . . . . . . . . . . . . . . . . 23196 D Walter Link (Diepholz) CDU/CSU . . . . . . . . . 23197 A Gabriele Iwersen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23198 B Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23200 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23201 B Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23203 A Christa Lörcher fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . 23204 B Arne Fuhrmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23204 D Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23206 C Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23208 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Wolf-Michael Catenhusen und weiteren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Sicherstellung des Em- bryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzell- gesetz) (Drucksachen 14/8394, 14/8846) . . . . . . . 23209 D Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23210 A Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 23211 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23212 C Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23214 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23215 B Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23216 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002IV Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23217 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23218 C Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23219 C Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23220 C Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . . . . . . . . . 23221 C Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23223 D Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23224 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . 23226 D, 23230 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 C, 23231 D Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines ... Strafrechtsänderungsge- setzes (Stärkung des Toleranzgebotes durch einen besseren Schutz religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen gemäß § 166 StGB) (Drucksache 14/4558, 14/8379) . . . . . . . . 23230 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23230 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23234 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23236 B Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23237 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23238 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23238 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 23239 C Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 23240 C Tagesordnungspunkt 9: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- nisierung des Stiftungsrechts (Drucksachen 14/8277, 14/8894) . . . . 23241 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung des Stiftungsrechts (Drucksachen 14/8765, 14/8894) . . . . 23241 C – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Rainer Funke, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsrechtsreformgesetz) (Drucksachen 14/5811, 14/8894) . . . . 23241 C Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Kinkel, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP so- wie der Abgeordneten Hans-Dirk Bierling, Dr. Wolfgang Bötsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Land- minen ohne integrierte Selbstneutra- lisierungs- oder Selbstzerstörungsmecha- nismen ächten – Minenräum- und Mi- nenopferhilfe deutlich erhöhen (Drucksache 14/8654) . . . . . . . . . . . . . . . . 23242 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Petra Ernstberger, Uta Zapf, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Angelika Beer, Rita Grießhaber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Für eine Weiterentwicklung der humanitären Rüstungskontrolle bei Landminen (Drucksache 14/8858) . . . . . . . . . . . . . . . . 23242 C Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches (Drucksachen 14/8524, 14/8892) . . . . 23242 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Inter- nationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 (Drucksachen 14/8527, 14/8888) . . . . 23242 D Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Böns- trup), Dirk Fischer (Hamburg), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Untersuchung von Seeunfällen (Seeunfalluntersuchungsänderungs- gesetz) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 V (Drucksachen 14/8108, 14/8707) . . . . . 23243 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bildung einer Leit- stelle für Seesicherheit (Drucksachen 14/5450, 14/8611) . . . . . 23243 D c) Antrag der Abgeordneten Reinhold Hiller (Lübeck), Reinhard Weis (Sten- dal), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Böns- trup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordne- ten Gila Altmann (Aurich), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abgeordne- ten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans- Michael Goldmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Maritime Sicherheit auf der Ostsee (Drucksache 14/8855) . . . . . . . . . . . . . 23243 D Tagesordnungspunkt 13: a) Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD so- wie der Abgeordneten Monika Knoche, Dr. Angelika Köster-Loßack, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Afrikas neues Denken unterstützen (Drucksache 14/8859) . . . . . . . . . . . . . 23244 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Afrika darf nicht zu einem vergesse- nen Kontinent werden (Drucksachen 14/2571, 14/4970) . . . . . 23244 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Brigitte Adler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Ab- geordneten Dr. Angelika Köster- Loßack, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: EU-AKP-Zusam- menarbeit – bewährte Partner- schaft mit großer Zukunft – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Reform der EU-Ent- wicklungszusammenarbeit ist bis- lang Stückwerk und muss konse- quent vorangetrieben werden (Drucksachen14/3396,14/3771,14/8617) 23244 C d) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Afrika-Politik der Bundes- regierung (Drucksachen 14/4181, 14/5582) . . . . . 23244 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine europä- ische Ausrichtung der deutschen Afrika- politik (Drucksachen 14/5090, 14/8849) . . . . . . . 23244 D Reinhold Hemker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23245 A Marlies Pretzlaff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23246 B Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 23247 D Marlies Pretzlaff CDU/CSU . . . . . . . . . . . 23248 A Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . 23248 D Ingrid Becker-Inglau SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23249 D Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . . 23251 A Joachim Tappe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23252 A Tagesordnungspunkt 14: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Getto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 14/8583, 14/8823) . . . . . 23253 B – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Zahlbarma- chung von Renten aus Beschäftigun- gen in einem Getto und zur Änderung des Sechsten Buches So- zialgesetzbuch (Drucksachen 14/8602, 14/8823) . . . . . 23253 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002VI Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Bündnisfall aufheben (Drucksache 14/8664) . . . . . . . . . . . . . . . . 23253 C Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23253 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23254 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 23255 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23255 D Dr. Hans Georg Faust CDU/CSU . . . . . . . . . . 23255 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23256 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 23256 B Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . . 23256 C Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23256 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 23257 B Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/CSU 23257 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Dietmar Bartsch und Dr. Uwe-Jens Rössel (alle PDS) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher em- bryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23257 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten René Röspel, Wolfgang Thierse, Hans-Werner Bertl, Willi Brase, Christel Deichmann, Marga Elser, Gabriele Iwersen, Klaus Kirschner, Horst Kubatschka, Helga Kühn-Mengel, Dirk Manzewski, Andrea Nahles, Günter Oesinghaus, Dagmar Schmidt (Meschede), Regina Schmidt-Zadel, Walter Schöler, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Adelheid Tröscher, Rüdiger Veit, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Arne Fuhrmann, Dr. Martin Pfaff, Waltraud Wolff (Wolmirstedt) und Christel Riemann- Hanewinckel (alle SPD) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23258 A Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hermann Kues, Kurt-Dieter Grill, Jochen Borchert, Sylvia Bonitz und Hermann Gröhe (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Si- cherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23258 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- nisierung des Stiftungsrechts – des Entwurfs eines Gesetzes für eine Re- form des Stiftungszivilrechts (Stiftungs- rechtsreformgesetz) (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23259 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23259 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23260 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Landminen ohne integrierte Selbstneutra- lisierungs- oder Selbstzerstörungsmecha- nismen ächten – Minenräum- und Minen- opferhilfe deutlich erhöhen – Für eine Weiterentwicklung der huma- nitären Rüstungskontrolle bei Landminen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23260 C Uta Zapf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23260 D Verena Wohlleben SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23261 D Hans-Dirk Bierling CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23262 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23264 A Dr. Klaus Kinkel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23265 B Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23266 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 VII Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung des Völkerstrafgesetzbuches – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . 23267 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . . 23267 A Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23268 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23268 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . . 23270 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23270 C Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23270 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Untersuchung von Seeunfällen (Seeunfalluntersuchungsände- rungsgesetz – SeeUÄndG) – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Bildung einer Leitstelle für Seesicherheit – des Antrags: Maritime Sicherheit auf der Ostsee (Tagesordnungspunkt 12 a bis c) . . . . . . . . . . . 23272 A Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23272 A Reinhold Hiller (Lübeck) SPD . . . . . . . . . . . . 23273 A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . . 23273 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23275 D Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . . 23276 C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Antrags: Afrikas neues Denken unter- stützen – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Afrika darf nicht zu einem vergessenen Kontinent werden – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – EU-AKP-Zusammenarbeit – bewährte Partnerschaft mit großer Zukunft – Reform der EU-Entwicklungszusam- menarbeit ist bislang Stückwerk und muss konsesquent vorangetrieben wer- den – der Großen Anfrage: Afrikapolitik der Bun- desregierung – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für eine europäische Aus- richtung der deutschen Afrikapolitik (Tagesordnungspunkt 13 a bis d und Zusatzta- gesordnungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23277 A Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . . 23277 B Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23278 B Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Getto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 14) 23279 A Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23279 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 23280 B Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . . 23280 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23281 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 23282 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bündnisfall aufheben (Tagesord- nungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23283 C Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23283 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23285 A Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . . . . 23286 C Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . . 23287 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002VIII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 Heidi Lippmann 23254 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 12 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23255 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 25.04.2002 Behrendt, Wolfgang SPD 25.04.2002* Bindig, Rudolf SPD 25.04.2002* Breuer, Paul CDU/CSU 25.04.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 25.04.2002* Klaus Erler, Gernot SPD 25.04.2002 Ernstberger, Petra SPD 25.04.2002 Friedrich (Altenburg), SPD 25.04.2002 Peter Haack (Extertal), SPD 25.04.2002* Karl-Hermann Hofbauer, Klaus CDU/CSU 25.04.2002 Hoffmann (Chemnitz), SPD 25.04.2002 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 25.04.2002* Karl-Heinz Hornung, Siegfried CDU/CSU 25.04.2002* Irmer, Ulrich FDP 25.04.2002 Jäger, Renate SPD 25.04.2002* Jünger, Sabine PDS 25.04.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 25.04.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 25.04.2002* Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 25.04.2002* DIE GRÜNEN Dr. Lucyga, Christine SPD 25.04.2002* Michels, Meinolf CDU/CSU 25.04.2002* Müller (Berlin), PDS 25.04.2002* Manfred Neumann (Gotha), SPD 25.04.2002* Gerhard Nietan, Dietmar SPD 25.04.2002 Onur, Leyla SPD 25.04.2002* Ostrowski, Christine PDS 25.04.2002 Palis, Kurt SPD 25.04.2002* Philipp, Beatrix CDU/CSU 25.04.2002 Raidel, Hans CDU/CSU 25.04.2002 Reiche, Katherina CDU/CSU 25.04.2002 Roos, Gudrun SPD 25.04.2002 Rühe, Volker CDU/CSU 25.04.2002 Rupprecht, Marlene SPD 25.04.2002* Scharping, Rudolf SPD 25.04.2002 Schily, Otto SPD 25.04.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 25.04.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 25.04.2002 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 25.04.2002* Schultz (Köln), Volkmar SPD 25.04.2002 Seehofer, Horst CDU/CSU 25.04.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 25.04.2002 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25.04.2002 Thönnes, Franz SPD 25.04.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 25.04.2002* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Em- bryonenschutzes im Zusammenhang mit Ein- fuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Druck- sache 14/8846) Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Ich lehne den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ab und stimme des- halb dem Gesetzentwurf nicht zu. Erstens. Bei der Entscheidung des Deutschen Bun- destages vom 30. Januar 2002 handelt es sich um eine grundlegende Weichenstellung. Damit wird ein Weg ein- geschlagen, den ich ablehne. Er widerspricht meinem grundlegenden Verständnis von der unteilbaren Würde des Menschen von Anfang an, beginnend mit der Ver- schmelzung von Ei und Samenzelle. entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Zweitens. Unabhängig davon respektiere ich die Mehr- heitsentscheidung, da eine grundsätzliche Regelung des Imports von embryonalen Stammzellen dringend erfor- derlich ist. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich lehne den Import embryonaler Stammzellen ab. Für mich beginnt das menschliche Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Dieses Leben in seiner Individu- alität muss den vollen Schutz des Grundgesetzes nach Art. 1 und 2 – die Unantastbarkeit der Würde des Men- schen sowie das Recht auf Leben – genießen. Diese ethi- sche Bewertung trifft auch für im Ausland erzeugte Em- bryonen zu. Am 30. Januar 2002 hat nach kontroverser und grundsätzlicher Debatte die Mehrheit des Deutschen Bun- destages dafür gestimmt, eine gesetzliche Regelung zum Stammzellenimport mit strikten Auflagen herbeizu- führen. Daraufhin habe ich mich dafür eingesetzt, eine klare und strenge Reglementierung in das Gesetz einzu- bringen, die gewährleistet, dass für die Stammzellfor- schung in Deutschland keine Embryonen getötet werden. Dies ist gelungen. Im Endeffekt stellt der jetzt vorliegende Gesetzentwurf eine wesentliche Verbesserung und Ver- schärfung der geltenden Gesetzeslage dar, die bisher keine Importeinschränkungen vorsieht. Deshalb kann ich dem jetzt vorliegenden Entwurf inklusive des Ände- rungsantrages Renesse/Fischer, der eine Klärung in den Strafvorschriften beinhaltet, zustimmen. Dieses Ergebnis ist ein großer Erfolg der Arbeit der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ sowie der öf- fentlichen Debatte, insbesondere der Beiträge von Kir- chen und NGOs. Noch vor einem Jahr wäre es so nicht zu- stande gekommen. Eine Rückholung der demokratischen Entscheidung vom 30. Januar durch einen Änderungsantrag, der den Im- port embryonaler Stammzellen gänzlich verbietet, halte ich trotz meiner oben dargelegten Auffassung zu diesem Thema für demokratisch und rechtlich problematisch. Eine Zustimmung zu diesem Antrag entspräche meiner Auffassung nach nicht dem Auftrag der Bundestagsmehr- heit zur Einbringung eines Gesetzesentwurfs mit strengen Richtlinien und würde den weiteren parlamentarischen Entscheidungen nicht standhalten. Im Gegenteil, eine sol- che Entscheidung wird zu rechtlich begründbaren Gegen- reaktionen führen und den Konsens gefährden. Daher werde ich mich an diesem Punkt enthalten. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Dem Gesetzent- wurf zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zu- sammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen – Drucksache 14/8394 – stimme ich zu in Respekt vor der Mehrheitsentscheidung des Bundestages vom 30. Januar dieses Jahres. In der damali- gen Debatte habe ich meine prinzipiellen Einwände gegen die Forschung an menschlichen Embryonen vorgetragen und meine Zweifel, ob die von der Mehrheit schließlich entschiedene Zulassung unter genau und eng definierten Grenzen auf Dauer haltbar und praktikabel ist. Diese Zweifel sind durch den vorliegenden Gesetzentwurf für mich keineswegs ausgeräumt, gleichwohl ist nicht zu be- streiten, dass dieser Entwurf die Grundsatzentscheidung der Mehrheit des Bundestages vom 30. Januar so genau wie eben möglich umsetzt. Ich stimme dem Gesetzentwurf nur deshalb zu, weil das geltende Embryonenschutzgesetz den Import embry- onaler Stammzellen nicht ausdrücklich ausschließt und daher eine Ergänzung und Präzisierung des Gesetzes- textes dringend geboten ist. Dies will ich nicht durch die Ablehnung dieses überfraktionellen Gesetzentwurfes ge- fährden, auch wenn er meinen persönlichen Überzeugun- gen im Grundsatz nicht entspricht. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet den Verbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken. In diesem Sinne lehne ich nach wie vor die Nutzung von Embryonen zu Forschungszwecken aus ethischen, moralischen und for- schungspolitischen Gründen ab. Folgerichtig resultiert daraus auch meine Ablehnung des Imports im Ausland hergestellter embryonaler Stammzellen. Eine Zulassung des Imports bedeutet, dass im Ausland gemacht wird, was in Deutschland verboten und nicht gewollt ist. Ethische Grundsätze aber ändern sich nicht mit dem Überschreiten politischer Grenzen. Der Deutsche Bundestag hat nach einer intensiven De- batte am 30. Januar 2002 die grundsätzliche Entscheidung in dieser Frage getroffen. Er hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Import embryonaler Stammzellen auf bestehende Stammzelllinien, die zu einem bestimmten Stichtag etabliert wurden, zu beschränken. Wenngleich ich den Versuch der Befürworter und Befürworterinnen eines beschränkten Imports anerkenne und respektiere, über einen solchen Weg den Verbrauch neuer Embryonen verhindern zu wollen, halte ich die getroffene Entschei- dung nach wie vor für falsch. Ich hätte es meiner Wertvorstellungen wegen gerne verhindert, dass menschliches Leben für spekulative For- schung genutzt wird. Ich hätte es forschungspolitisch für sinnvoller gehalten, die Kräfte zu bündeln und auf die the- rapeutisch erfolgreicheren adulten Stammzellen zu kon- zentrieren. Wenn ich mich heute beim Gesetzentwurf in der geän- derten Fassung enthalte, so geschieht das vor dem Hinter- grund der Befürchtung, dass eine Ablehnung des vorlie- genden Entwurfs dazu führen könnte, dass am Ende keine Regelung zustande kommt und die gesellschaftliche und politische Akzeptanz für eine Beschränkung schwindet. Der nach dem Embryonenschutzgesetz mögliche unge- hinderte Import embryonaler Stammzellen aber stellt für mich das größere Übel dar, denn er würde einem Ver- brauch neu hergestellter Embryonen im Ausland Vor- schub leisten. Heinz Schemken (CDU/CSU): Ich stimme gegen den Gesetzentwurf auf Bundestagsdrucksache 14/8394 „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryo- nenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwen- dung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stamm- zellgesetz – SZG)“. Es zeigt sich jetzt immer deutlicher, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223256 (C) (D) (A) (B) dass der Beschluss des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2002 mit der bedingten Öffnung der Einfuhr von menschlichen embryonalen Stammzellen und die Forschung an diesen Zellen uns in eine zwangsläufige Folge weiter gehender Entscheidungen führt. Damit geht auch dieser Gesetzentwurf immer mehr vom Geist des Embryonenschutzgesetzes weg. Das geltende Embryo- nenschutzgesetz schließt eindeutig Forschungen an Em- bryonen ebenso aus wie das so genannte „therapeutische“ Klonen, bei dem ein lebensfähiger Embryo zerstört wird. Statt der Forschung mit embryonalen Stammzellen sollte die Forschung mit adulten Stammzellen einschließlich der Stammzellen aus Nabelschnurblut intensiviert werden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass auf diesem Wege weit reichende Erkenntnisse zu ge- winnen sind. Leben ist mehr als Gesundheit und genetische Perfek- tion. Zum menschlichen Leben gehören ebenso Inspira- tion und Ideenreichtum, Engagement und Wille, aber auch Begrenzung und Behinderung. Als Christen glauben wir, dass Gott den Menschen nach seinem Bild geschaf- fen hat. Daher ist das Leben der Verfügbarkeit des Men- schen entzogen. Der Mensch darf nicht sein eigener Schöpfer werden und selbst den Maßstab gelingenden Le- bens festsetzen. Die Würde des Menschen ist unantastbar – das ist Grundlage unserer demokratischen Verfassung. Die Fortschritte im Bereich der Lebenswissenschaften wecken Erwartungen und Hoffnungen, aber auch Be- fürchtungen. Meine Auffassung ist die, dass technische Machbarkeit von Verfahren in der Biotechnologie und Me- dizin nicht zum Maßstab für eine ethische Rechtfertigung werden darf. Auch ökonomische Interessen sowie die Stan- dortfrage können nicht gegen Lebensschutz und Menschen- würde aufgewogen werden. Wer daher jetzt dem Drängen interessierter Kreise nachgibt, wird es zukünftig schwer ha- ben, entsprechende weiter gehende Forderungen abzu- wehren. Die Feststellung der EnqueteKommission, dass a ngesichts der ethischen Konflikte die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen, bei denen menschliches Leben vernichtet wurde, weiterhin nicht verantwortbar sei, muss deshalb wegweisend und bindend bleiben. Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU): Ich stimme dem Stammzellgesetz, eingeschlossen die vorliegenden Ände- rungsanträge, nicht zu. Nach meiner Auffassung bedarf es eines solchen Gesetzes nicht, sind die von ihm für die Em- bryonenforschung errichteten rechtlichen Schranken zu ri- gide. Der Schutz menschlichen Lebens kann grundsätzlich nur mit der Nidation beginnen. Vor der Nidation ist eine em- bryonale Stammzelle prinzipiell noch nicht als menschli- ches Leben im verfassungsrechtlich geschützten Sinne zu qualifizieren. Es besteht demgemäß kein verfassungsrecht- liches Erfordernis für eine Gesetzgebung der hier vorgese- henen Art. Im Gegenteil, gerade die Prinzipien des Schutzes der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und des Schutzes von Leben und Gesundheit für jeden Menschen gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebieten zumindest die prin- zipielle Zulassung auch der Stammzellenforschung. Denn Stammzellenforschung dieser Art eröffnet medizinisch emi- nente Möglichkeiten zur Heilung von Erbkrankheiten und zur Bekämpfung von Gesundheitsschäden gerade genetisch bedingter Art. Solche Forschungen auszuschließen ist nicht nur mit Art. 5 Abs. 3 GG, sondern auch mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar. Richtig ist, dass es bei Fragen dieser Art immer eines verhältnismäßigen Ausgleichs bedarf. Dies bedeutet ins- besondere, dass der Forschung an und mit adulten Stamm- zellen stets der Vorrang vor der Forschung mit embryona- len Stammzellen zu geben ist. Ein generelles Verbot der Forschung mit und an embryonalen Stammzellen ist je- doch unverhältnismäßig und meines Erachtens nicht ge- rechtfertigt. Aus diesem Grunde macht es auch keinen Sinn, ein entsprechendes Importverbot zu verhängen. Die Forschung an und mit embryonalen Zellen wird weltweit betrieben, stößt in aller Regel nicht auf vergleichbare Schranken, wie sie durch das Stammzellgesetz vorgese- hen werden. Aus Gewissensgründen wie aus verfassungs- rechtlichen Gründen kann ich dieser Gesetzgebung dem- gemäß nicht zustimmen. Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU/CDU): Ich lehne den Import von menschlichen embryonalen Stammzellen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus ab und stimme deshalb dem Gesetzentwurf nicht zu. Bei der Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 30. Januar 2002 handelt es sich um eine grundlegende Weichen- stellung. Damit wird ein Weg eingeschlagen, den ich ab- lehne. Er widerspricht meinem grundlegenden Verständ- nis von der unteilbaren Würde des Menschen von Anfang an, beginnend mit der Verschmelzung von Ei und Samen- zelle. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Dietmar Bartsch und Dr. Uwe-Jens Rössel (alle PDS) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstel- lung des Embryonenschutzes im Zusammen- hang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) Wir stimmen – im Unterschied zur Mehrheit unserer Fraktion – dem oben genannten Gesetzentwurf zu. Am 30. Januar 2002 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, in Deutschland – unter strengen Auflagen – die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen zu hochran- gigen Zwecken zu ermöglichen. In der Abwägung zwischen den verschiedenen Beden- ken gegenüber der Verwendung von menschlichen em- bryonalen Stammzellen für Forschungszwecke, den Ge- fahren der Kommerzialisierung der Stammzellgewinnung und den sich aus der Forschung an embryonalen Stamm- zellen möglicherweise ergebenden Heilungschancen für schwere Erkrankungen haben wir diesen Beschluss be- grüßt. Wir sind der Auffassung, dass neben der Schutzwür- digkeit möglichen und werdenden Lebens auch die Inte- ressen von Schwerkranken zu berücksichtigen sind. Dabei gehen wir davon aus, dass menschliche Embryonen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23257 (C) (D) (A) (B) keinesfalls beliebige Forschungsgegenstände sind, son- dern nur unter strengen Regeln und ausschließlich zu hochrangigen Forschungszwecken genutzt werden dür- fen. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt aus unserer Sicht den im Januar beschlossenen Kompromiss um, wenn auch mit zusätzlichen Restriktionen. Dennoch stimmen wir ihm zu, damit für die medizinische Forschung die not- wendige Rechtssicherheit hergestellt wird – auch wenn in Details andere Festlegungen wünschenswert gewesen wären. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO derAbgeordneten René Röspel, Wolfgang Thierse, Hans-Werner Bertl, Willi Brase, Christel Deichmann, Marga Elser, Gabriele Iwersen, Klaus Kirschner, Horst Kubatschka, Helga Kühn- Mengel, Dirk Manzewski, Andrea Nahles, Günter Oesinghaus, Dagmar Schmidt (Meschede), Regina Schmidt-Zadel, Walter Schöler, Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Adelheid Tröscher, Rüdiger Veit, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Arne Fuhrmann, Dr. Martin Pfaff, Waltraud Wolff (Wolmirstedt) und Christel Riemann-Hanewinckel (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Ver- wendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet den Verbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken. In diesem Sinne lehnen wir nach wie vor die Nutzung von Embryonen zu Forschungszwecken aus ethischen, moralischen und forschungspolitischen Gründen ab. Fol- gerichtig resultiert daraus auch unsere Ablehnung des Imports im Ausland hergestellter embryonaler Stamm- zellen. Eine Zulassung des Imports bedeutet, dass im Ausland gemacht wird, was in Deutschland verboten und nicht gewollt ist. Unsere ethischen Grundsätze aber än- dern sich nicht mit dem Überschreiten politischer Gren- zen. Wenn wir heute dem Gesetzentwurf in der geänderten Fassung trotzdem zustimmen, so geschieht das vor dem Hintergrund der Befürchtung, dass eine Ablehnung des vorliegenden Entwurfs dazu führen könnte, dass am Ende keine Regelung zustande kommt und die gesellschaftliche und politische Akzeptanz für eine Beschränkung schwin- det. Der nach dem Embryonenschutzgesetz mögliche un- gehinderte Import embryonaler Stammzellen aber stellt für uns das größere Übel dar, denn er würde einem Ver- brauch neu hergestellter Embryonen im Ausland Vor- schub leisten. Der Deutsche Bundestag hat nach einer intensiven De- batte am 30. Januar 2002 die grundsätzliche Entscheidung in dieser Frage getroffen. Er hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Import embryonaler Stammzellen auf bestehende Stammzelllinien, die zu einem bestimmten Stichtag etabliert wurden, zu beschränken. Wenngleich wir den Versuch der Befürworter und Befürworterinnen eines beschränkten Imports anerkennen und respektieren, über einen solchen Weg den Verbrauch neuer Embryonen verhindern zu wollen, halten wir die getroffene Entschei- dung nach wie vor für falsch. Darüber hinaus kritisieren wir, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht dem Bundestagsbeschluss vom 30. Januar entspricht: Die in § 3 formulierte Definition von Stammzelllinien ist wirklichkeitsfremd und führt ge- genüber der Intention des Beschlusses vom 30. Januar zu einer erheblichen Ausweitung der Zahl benutzbarer Zel- len. Grundsätzlich müssen aus einem Gewebe oder Em- bryo isolierte Zellen immer zunächst in Kultur genommen und (zumindest für kurze Zeit) gehalten werden. Als Zell- linien werden aber üblicherweise solche Zellen bezeich- net, die über längere Zeiträume stabil in Nährmedien kul- tiviert werden können, ohne wesentliche Eigenschaften zu verlieren. Die vorliegende Definition wird dazu führen, dass nicht nur die etwa 80 zum Zeitpunkt des Beschlusses am 30. Januar bekannten „Stammzelllinien“ importiert werden dürfen, sondern alle zum Stichtag vorhandenen embryonalen Stammzellen (vermutlich mehrere Hundert oder Tausend weltweit). Eine weitere Veränderung findet sich zum Beispiel in Bezug auf die so genannte Zustim- mungsregelung. Im Bundestagsbeschluss vom 30. Januar wurde die informierte Einwilligung der Eltern als Grund- lage für eine Genehmigung gefordert. Im zur Abstim- mung stehenden Entwurf wird der Anspruch aufgegeben, Anforderungen an die informierte Zustimmung zu stel- len, wie sie für das deutsche Recht in anderen Fällen diskutiert werden. Stattdessen wird nur noch die Übe- reinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland ge- fordert. Wir hätten unserer Wertvorstellungen wegen gerne verhindert, dass menschliches Leben für spekulative For- schung genutzt wird. Wir hätten es forschungspolitisch für sinnvoller gehalten, die Kräfte zu bündeln und auf die therapeutisch erfolgreicheren adulten Stammzellen zu konzentrieren. Die Wahl zwischen der schwachen Begrenzung und der Alternative der Regellosigkeit lassen uns keine andere realistische Möglichkeit, als dem Gesetzentwurf zuzu- stimmen. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Hermann Kues, Kurt- Dieter Grill, Jochen Borchert, Sylvia Bonitz und Hermann Gröhe (alle CDU/CSU) zur namentli- chen Abstimmung über den Entwurf eines Ge- setzes zur Sicherstellung des Embryonen- schutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stamm- zellen (Stammzellgesetz – SZG) (Drucksache 14/8846) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223258 (C) (D) (A) (B) Wir lehnen den Import von menschlichen embryona- len Stammzellen aus grundsätzlichen Erwägungen he- raus ab und stimmen deshalb dem Gesetzentwurf nicht zu. Erstens. Bei der Entscheidung des Deutschen Bundes- tages vom 30. Januar 2002 handelt es sich um eine grund- legende Weichenstellung. Damit wird ein Weg einge- schlagen, den wir ablehnen. Er widerspricht unserem grundlegenden Verständnis von der unteilbaren Würde des Menschen von Anfang an, beginnend mit der Ver- schmelzung von Ei und Samenzelle. Zweitens. Unabhängig davon respektieren wir diese Mehrheitsentscheidung. Das Parlament muss jetzt Rege- lungen beschließen, die diesem Abstimmungsverhalten entsprechen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts – des Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsrechtsreformgesetz) (Tagesordnungspunkt 9) Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute ist ein glücklicher Tag für das bürgerschaftliche En- gagement, denn heute wird die Reform des Stiftungs- rechts abgeschlossen. Fünf Jahre nachdem die Grünen sich dieses Themas angenommen haben und nachdem sich die Regierungskoalition vorgenommen hatte, das Thema zu einem zufrieden stellenden Abschluss zu brin- gen, sind wir heute hier und beraten den Gesetzentwurf zum letzten Mal – jedenfalls in dieser Legislaturperiode. Was haben wir geschafft? 1997 haben wir mit dem bündnisgrünen Gesetzentwurf das damalige Stiftungs- recht auf seine Schwächen und Stärken abgeklopft und ei- nen umfassenden Vorschlag zu seiner Verbesserung vor- gelegt. Das Hauptziel war, Anreize für Stifter und Interesse für Stiftungen zu wecken. Denn wir hatten er- kannt, was heute jedermann verstanden hat: Stiftungen wecken kreative Kräfte, sie sind Ideenschöpfer für eine moderne, globale Gesellschaft. Im Sommer 2000 setzten wir zusammen mit der SPD steuerrechtliche Reformen für die Stiftungen und die Stifter durch. Das schaffte konkrete Anreize vor allem auch für Stifter mit kleinen Vermögen, sich für eine gute Sache zu engagieren. Die Bürger und Bürgerinnen ergriffen die Gelegenheit beim Schopf. Vor allem die Bürgerstiftungen wuchsen allerorts aus dem Bo- den. Die Stiftungspraxis beweist, dass wir mit unserer Re- form unser Ziel erreichen: Allein im letzten Jahr sind an die 1 000 neue Stiftungen gegründet worden. Jetzt wird der vorläufig letzte Schritt vollzogen: Wir haben uns den zivilrechtlichen Regelungen im Stiftungs- wesen zugewandt und vier Regelungen vorgeschlagen: Erstens. Ein formuliertes „Recht auf Stiftung“. Was in juristischen Fachkreisen schon längst anerkannt ist, wird nun auch im Gesetz fest geschrieben. Zweitens. Eine abgeschlossene Liste der materiellen Voraussetzungen zur Errichtung einer Stiftung wird in das Gesetz aufgenommen. So ist ein Mindeststandard für die Errichtung einer Stiftung gewährleistet. Das bringt Über- sichtlichkeit, Einfachheit und Transparenz ins Stiftungs- wesen. Das ist stifterfreundlich. Drittens. Stiftungszweck kann jedes Anliegen eines Stifters sein, das nicht gegen die Gesetze verstößt. Nur so ist die Vielfalt der Stiftungen zu gewährleisten. Viertens. In Zukunft werden Stiftungen von den Behör- den nicht mehr länger genehmigt, sondern sie werden an- erkannt. Auch hier spiegelt sich die Auffassung wider, dass der Mensch ein Recht darauf hat, sich in Form einer Stiftung zu entfalten. Gestern meldeten sich schon die Stimmen der Kritik. Peter Rawert aus Hamburg wies nicht zu Unrecht auf den weitaus umfassenderen ersten Entwurf von 1997 hin. Und auch der Kulturrat bemängelte, dass man sich vor allem um eine eindeutigere Definition der Institution Stiftung hätte kümmern sollen. Mir persönlich ist es besonders bedauerlich, dass uns vonseiten des Parlaments die Hände vor allem dahin ge- hend gebunden waren, dass der Entwurf das Stiftungsre- gister mit all seinen Konsequenzen nicht aufnehmen konnte. Denn die Länder hatten von vornherein signali- siert, dass sie einem bundesweiten Register für Stiftungen nicht zustimmen würden. Mit einem solchen Register wäre dem legitimen Be- dürfnis der Öffentlichkeit Rechnung getragen worden, über die privilegierte Rechtsform Stiftung mehr und ein- heitlicheres zu erfahren, als die Stiftungen selbst bereit sind, bekannt zu geben. Stiftungen werden – so sie denn gemeinnützig sind – vom Staat vor allem steuerlich be- günstigt. Wir hätten uns also durchaus auch eine weiter gehende Reform vorstellen können, bei der gemeinnüt- zige echte Stiftungen im bürgerlichen Gesetzbuch defi- niert, durch bestimmte Rechtsformzusätze – entsprechend etwa dem „e. V.“ bei eingetragenen Vereinen gekenn- zeichnet und in einem öffentlich zugänglichen Re- gister geführt werden müssten. Mehr Transparenz in dieser Form hätte dem Stiftungs- wesen gut getan. Die Anhörung im Rechtsausschuss hat uns in dieser Hinsicht bestärkt, denn die Mehrheit der Re- ferenten sprach sich für ein Stiftungsregister aus. Wir ha- ben in dieser Hinsicht unsere parlamentarischen Möglich- keiten ausgeschöpft, indem wir im Ausschuss für Kultur und Medien einen interfraktionellen Entschließungsantrag einbrachten. Jetzt ist der Entschließungsantrag sogar ins Plenum eingebracht worden. Darin bitten wir die Länder, zumindest die regionalen Verzeichnisse zu vervollständi- gen, zu vernetzen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das hat mit einem Register wenig zu tun, schafft aber immerhin mehr Öffentlichkeit für die Arbeit und die Organisation der Stiftungen. Wir haben den Ländern wei- terhin nahe gelegt, selbst die Register in ihre Landesge- setze aufzunehmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23259 (C) (D) (A) (B) Wir werden die Praxis beobachten. Das Thema lässt uns noch nicht los. Sollte sich herausstellen, dass sich in Sachen Transparenz zu wenig bewegt, werden wir noch einmal über eine diesbezügliche Verbesserung nachden- ken müssen. Wir haben in der vorliegenden Reform auch Abstand davon genommen, uns mit den vielfältigen Mög- lichkeiten des Missbrauchs von Stiftungen auseinander zu setzen. Auch hier werden wir wachsam sein und beo- bachten, ob weitere spektakuläre Fälle den Namen der Stiftung in Misskredit bringen. Vielleicht müssen wir spä- ter auch hier noch einmal nachhaken. Jetzt wollen wir erst einmal diesen Teil der Reform an- gemessen begrüßen. Genauso sehr wie ich mich über den Abschluss insgesamt freue, ist es mir ein besonders großes Vergnügen, festzustellen, dass die Arbeit an dieser Reform wieder etwas Schönes gezeigt hat: Manche The- men eignen sich so wenig zur Polemisierung, dass die Sa- che wieder in den Vordergrund rückt. Das freut mich für unser Parlament und heute ganz besonders für eine große und wichtige Angelegenheit der Zivilgesellschaft; dem persönlichen Einsatz der Bürger und Bürgerinnen, die Stiftung. Rainer Funke (FDP): Wir sind uns sicherlich in die- sem Hause einig, dass das Stiftungsrecht modernisiert werden muss. Aus diesem Grund haben die Grünen einen umfangreichen Gesetzentwurf bereits am Ende der letzten Legislaturperiode eingebracht, der von dem angesehenen Notar Professor Dr. Rawert ausgearbeitet war. Die FDP hat einen eigenen Gesetzentwurf zu Beginn dieser Legis- laturperiode vorgelegt, der das materielle Stiftungsrecht, also die Bestimmungen des BGB und das Steuerrecht, umfasste. Das Stiftungssteuerrecht ist inzwischen durch Be- schlussfassung des Bundestages im Bundesgesetzblatt. Auch wenn uns diese steuerlichen Entlastungen für Stif- ter und Stiftungen nicht weit genug gehen, räume ich ein, dass wir mit diesem Stiftungssteuerrecht auf dem richti- gen Weg sind. Erfreulich ist auch, dass die Bereitschaft, gemeinnützige Stiftungen zu gründen, zugenommen hat. Aber gerade um diese Stiftungskultur in Deutschland auf eine neue Stufe der Qualität und Quantität zu heben, muss das materielle Stiftungsrecht grundlegend vereinfacht werden und vom Konzessionssystem zum Normativsys- tem verändert werden. Gerade diese Grundvoraussetzung erfüllt der Regierungsentwurf bzw. der Entwurf der Ko- alitionsfraktionen nicht. Aus diesem Grunde werden sie von uns auch abgelehnt. Die geringfügigen Änderungen in § 80 und § 81 BGB führen nicht dazu, dass das Stif- tungsrecht, wie der Titel heißt, modernisiert wird; denn all das ist lediglich ein Etikettenschwindel. Ich frage mich wirklich, wie glaubwürdig gerade die Grünen sind, die noch vor vier Jahren einen Entwurf von Professor Rawert vorgelegt haben, der, auch wenn man nicht in allen Punk- ten mit ihm einverstanden sein musste, grundlegende Ver- änderungen gebracht hätte. Auch die Sachverständigenanhörung hat deutlich ge- macht, dass der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf abgelehnt und als nicht weitgehend genug bezeichnet wird. Das deckt sich im Übrigen mit dem Votum des Deut- schen Kulturrates, der die Stiftungsreform halbherzig nennt und mit der Auffassung Professor Rawerts in der „FAZ“ vom 23. April 2002, der das neue Stiftungsgesetz als Rückfall in das 19. Jahrhundert bezeichnet. Recht hat er; denn das Stiftungsrecht verbleibt bei den alten Rege- lungen des Jahres 1896 und den Partikularinteressen und Partikularrechten der Länder. Damit kann man keine An- reize für Stifter geben. Hier ist eine gute Gelegenheit ver- tan worden, das Stiftungsrecht wirklich zu modernisieren. Dies wäre auch möglich gewesen gegen den Widerstand der Länder, in denen das Stiftungsgeschäft so gestaltet worden wäre, dass das Normativsystem eingeführt und damit das Gesetz vom Zustimmungsgesetz zum Ein- spruchsgesetz verändert worden wäre. Der Gesetzentwurf der FDP, der diesem Kriterium der Modernisierung entspricht, hat weitgehende Zustimmung bei den Sachverständigen gefunden. Frau Kollegin Vollmer war zwar im Ausschuss der Auffassung, dass dem Gesetzentwurf der FDP handwerkliche Mängel anhaften würde, aber sie war auch nicht bereit, diese angeblichen Mängel zu beseitigen. So verbleibt es heute dabei, dass das Stiftungsrecht nicht modernisiert wird und dieses Vorhaben zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wie- der aufgerufen und dann eine wirkliche Reform mithilfe der FDP beschlossen werden wird. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Landminen ohne integrierte Selbstneutralisie- rungs- oder Selbstzerstörungsmechanismen äch- ten – Minenräum- und Minenopferhilfe deutlich erhöhen – Für eine Weiterentwicklung der humanitären Rüstungskontrolle bei Landminen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Uta Zapf (SPD): Uns liegen heute zwei Anträge vor, die in langen Passagen bemerkenswerte Übereinstim- mungen aufweisen. Ich rätsele noch heute darüber, wie Teile des Textes des SPD/Grünen-Antrages, der erst gestern in den Bundestag eingebracht wurde, in den gemeinsamen Antrag von FDP und CDU/CSU vom 20. März 2002 gerieten. Der Ur- sprungstext des FDP-Antrages vom 20. Juni 2001 wurde jedenfalls dadurch wesentlich verbessert. Dies gibt Hoff- nung, dass in den Ausschussberatungen noch ein gemein- samer Antrag des ganzen Hauses entstehen kann. Wir sind uns alle darüber einig, dass Minen ein schwer wiegendes humanitäres Problem darstellen. Weltweit dürfte der Bestand an Antipersonenminen 230 bis 245 Millionen betragen, und täglich kommen mehr neue Minen hinzu, als geräumt werden können. Es sterben täglich viele Menschen oder werden verkrüppelt, weil sie auf zurückgelassene An- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223260 (C) (D) (A) (B) tipersonenminen treten. Ganze Landstriche sind nach Kon- flikten unbetretbar, weil sie minenverseucht sind. Das Minenprotokoll von 1996, das bestimmte Minen- arten ächtet, zum Beispiel booby-traps, und bei Verlegung von Minen strenge Vorschriften vorsieht, wie Kartierung und Markierung des Verlegegebietes, und das Standards für Detektierbarkeit und Wirkzeitbegrenzungen setzte, war ein begrüßenswerter Fortschritt, aber unzureichend. Diese Kriterien sind weltweit auch heute noch nicht um- gesetzt. Das Ottawa-Übereinkommen vom 4. Dezember 1997 ächtet die gesamte Kategorie von Antipersonenminen völlig. Man muss an dieser Stelle das „7-Punkte-Aktions- programm“ des damaligen Außenministers Kinkel lobend erwähnen. Die Bundesrepublik war hier sicher ein maß- geblicher Unterstützer des Verbotsprozesses. 142 Staaten sind diesem Übereinkommen beigetreten; 122 Staaten ha- ben es mittlerweile ratifiziert. Aber wesentliche große Staaten, die produzieren und exportieren, fehlen. USA, China, Russland, Indien und Pakistan – insgesamt 14 Staa- ten produzieren auch heute noch Antipersonenminen. Auf der anderen Seite ist jedoch positiv zu vermerken, dass seit dem Beginn des Ottawa-Prozesses circa 27 Milli- onen gelagerte Antipersonenminen von mehr als 50 Staaten zerstört worden sind. 29 Staaten haben ihre Bestände be- reits vollständig zerstört, andere sind dabei. Nach dem Ot- tawa-Übereinkommen muss ein Staat in den vier Jahren, nachdem das Übereinkommen für ihn in Kraft getreten ist, alle Vorräte an Antipersonenminen vernichtet haben. Für die Bundesrepublik läuft diese Frist am 1. März 2003 ab, sie hat aber bereits vor In-Kraft-Treten des Übereinkom- mens 1999 alle Vorräte an Antipersonenminen vernichtet. Der größte Teil – fast 90 Prozent – der weltweit existieren- den Antipersonenminen befindet sich jedoch im Besitz von Staaten, die dem Ottawa-Übereinkommen nicht beigetre- ten sind. Ein vordringliches Ziel muss deshalb die Univer- salisierung des Ottawa-Übereinkommens sein. Darin sind sich die vorliegenden Anträge einig. Der Deutsche Initiativkreis zum Verbot von Landmi- nen fordert ein umfassendes Verbot aller Minen, also auch der bisher erlaubten Kategorie der Antifahrzeugminen, während die International Campaign to Ban Landmines diese radikale Forderung bislang nicht erhoben hat. Sie verfolgt einen schrittweisen Ansatz. Der ursprüngliche Antrag der FDP forderte einen Verzicht auf alle Antifahr- zeugminen, die sich „nicht ausschalten lassen oder selbst zerstören“. Diese Initiative hat die Bundesregierung be- reits längst in den internationalen Verhandlungsprozess eingebracht. Eine Ottawa-Folgekonferenz mit eben die- sem Ziel wäre wünschenswert, löst aber nicht das Di- lemma, dass bei Ottawa die großen Minenproduzenten und -nutzer wie USA, Russland und China nicht dabei sind. Die Bundesregierung hat diese Forderung deshalb bei der VN-Waffenkonvention thematisiert, weil Hoffnung besteht, dass diese großen Länder dieser Forderung folgen könnten. Aber auch dies löst das Dilemma keineswegs, weil die VN-Waffenkonvention nur Restriktionen bei An- tipersonenminen, jedoch nicht das völlige Verbot wie Ot- tawa vorsieht. Wenn wir Fortschritte erzielen wollen, müssen wir auf allen Ebenen ansetzen. Wir müssen mit Nachdruck für die Universalisierung des Ottawa-Übereinkommens eintreten, damit diese schreckliche Kategorie von Waffen wirklich vom Erdboden verschwindet. Wir müssen gleichzeitig ver- suchen, im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens alle Minen zu ächten, die nicht detektierbar sind und die keine Wirkzeitbegrenzung haben. Dies wird nur schrittweise zu erreichen sein. Erster Schritt ist, wie in unserem Antrag gefordert, sol- che Antifahrzeugminen, die sensible Zündmechanismen haben und somit von einzelnen Personen unbeabsichtigt ausgelöst werden können, zu verbieten. Sie müssen wie Antipersonenminen behandelt werden. Außerdem fordern wir im Antrag das Verbot von nicht detektierbaren Anti- fahrzeugminen und solchen, die über keine Wirkzeitbe- grenzung verfügen. Alle diese Minen gefährden die Men- schen noch viele Jahre nach Beendigung eines Konfliktes. Was heute leistbar ist und was wir unbedingt brauchen, ist ein Einstieg in das Verbot bei der VN-Waffenkonven- tion. Deshalb beginnen wir mit der Forderung nach dem Verbot der Antifahrzeugminen, die wie Antipersonenmi- nen wirken. Auch diese Forderung muss im Rahmen des Ottawa-Übereinkommens bekräftigt werden. Es gibt ei- nen Interpretationsstreit über die Reichweite des Verbotes für Minen im Ottawa-Übereinkommen: ob auch Antifahr- zeugminen, die eine Aufhebesperre haben, aber unbeab- sichtigt zur Explosion gebracht werden können, umfasst sind. Dieser Interpretationsstreit muss ausgeräumt wer- den. Vergessen wir nicht, dass bei seriösen Staaten Anti- fahrzeugminen als defensives Schutzsystem für Soldaten eingesetzt werden. Ehe wir diesen Schutz nicht anders ge- währleisten können, wird eine Forderung nach schnellem völligen Verbot illusorisch sein. Deutschland stellt für humanitäres Minenräumen er- hebliche Mittel zur Verfügung. Seit 1993 hat es Projekte in 31 Ländern mit circa 155 Millionen DM finanziert. Im Jahr 2002 stellte die Bundesrepublik allein circa 17 Mil- lionen Euro für Minenräumaktivitäten zur Verfügung. Dazu kommen noch die Mittel, die auf EU-Ebene für Mi- nenräumen aufgewandt werden. Im vergangenen Jahr wurden hierfür circa 125 Millionen Euro ausgegeben. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihr Engagement in die- sem Bereich fortzusetzen und ihre Beiträge hierfür zu ver- stärken. Verena Wohlleben (SPD): Eine Weiterentwicklung der humanitären Rüstungskontrolle – und hier gerade bei Landminen – ist dringend geboten. Ich denke, soweit be- steht Einigkeit des Hauses. Uns allen sind die schreckli- chen Bilder geläufig von Minenopfern aus der Zivilbe- völkerung. Deshalb sind wir tätig geworden und bringen heute den Antrag der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ein. Wir hätten uns gewünscht, einen gemeinsamen Antrag mit der Opposition einzubringen. Dies ist leider nicht gelun- gen; aber vielleicht besteht nach abschließender Beratung noch die Möglichkeit dazu. Unser Antrag geht über die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23261 (C) (D) (A) (B) bestehenden Übereinkommen hinaus, nämlich das Ot- tawa-Übereinkommen zum Verbot von Antipersonenmi- nen und das Protokoll II der VN-Waffenkonvention zur Verbesserung der humanitären Standards von Landminen allgemein. Der entschiedene Kampf gegen das durch Minen ver- ursachte menschliche Leiden ist unser besonderes Anlie- gen, aber natürlich auch die Forderung der Bundesregie- rung. Sie ist dazu in den VN, der EU und den Gremien des Ottawa-Übereinkommens aktiv. Auch verfolgt die Bun- desregierung derzeit einen schrittweisen Ansatz, der die Universalisierung der bestehenden Abkommen in den Vordergrund stellt, aber parallel dazu Bemühungen um die Anhebung der humanitären Standards und die Aus- weitung der bestehenden Abkommen aktiv unterstützt. Die Forderung nach Universalisierung des Ottawa- Übereinkommens, Anhebung der humanitären Standards im Protokoll II des VN-Waffenübereinkommens, insbeson- dere auf Detektierbarkeit von Minen, die Wirkzeitbegren- zung für fernverlegte Minen, Unterstützung der Ini-tiative in den geeigneten Foren und Erweiterung humanitärer Hilfe sind für uns äußerst wichtig. Unser Ziel ist es, alle Minen zu ächten, die wie Anti- personenminen wirken. Die Ausrüstung von Antifahr- zeugminen mit sensiblen Zündmechanismen ist ein mög- licher Ansatz, um Unfälle durch Nichtkombattanten zu vermeiden. Diesbezügliche Ansätze waren bislang daran gescheitert, dass eine technische Definition von Sensibi- lität nicht zu erzielen war. Es geht dabei nicht nur um ein- fache Gewichtsbegrenzungen für Druckzünder, sondern um verschiedene Kriterien für unterschiedliche Zünder, zum Beispiel Magnetimpulse und Ähnliches. Eine ent- sprechende Initiative erscheint zwar derzeit international wenig erfolgversprechend, doch sollte dies in einem er- neuten Versuch ausgelotet werden. Der geeignete Rah- men dazu ist die VN-Waffenkonvention. Nun zum Problem des unbeabsichtigten Auslösens von Minen. Bisher gibt es keine Minentechnologie, die ver- lässlich zwischen beabsichtigter oder unbeabsichtigter, das heißt zufälliger Störung differenzieren könnte. Er- laubtheit oder Verbotensein einer Mine wäre damit von der Zufälligkeit des Geschehens abhängig, also von Ge- gebenheiten, die außerhalb des Einflussbereichs des Herstellers und des Anwenders lägen. Wir müssen dabei genau abwägen und überlegen, dass bei Einführung ei- nes derartigen Kriteriums praktisch alle Minen verboten werden würden. Dies wäre international nicht durchsetz- bar. Auch die Unterscheidung nach Fern- und Nahverle- gung ist zu beraten. Findet diese Unterscheidung nicht statt, würden auch nahverlegte Minen infrage gestellt, die aber im Spektrum an Sperr- und Wirkmitteln ein spezifi- sches, unverzichtbares Fähigkeitsprofil abdecken und ins- besondere dem unmittelbaren Selbstschutz unserer Solda- ten im Einsatz dienen, PzAbwMi DM 21. Ein Verzicht auf diese Mine würde die Gefährdung vor allem bei leichter un- gepanzerter eigener Truppen drastisch erhöhen. Die Vertei- digungsmöglichkeiten gegenüber gegnerischen gepanzer- ten Kräften würden erheblich eingeschränkt werden. Die dann vorhandene Fähigkeitslücke müsste durch neue ko- stenintensive Waffensysteme geschlossen werden. Nahverlegte Minen benötigen vorgenannte Wirkzeit- begrenzungen nicht notwendigerweise, wenn sie, wie nach den strengen Kriterien der Bundeswehr praktiziert, offen verlegt, gekennzeichnet, in einem Sperrplan sorg- fältig dokumentiert, durch Soldaten überwacht und beim Verlassen des jeweiligen Gebietes vollständig wieder auf- genommen werden. Eine eventuelle Wirkung wie bei An- tipersonenminen ist somit nicht gegeben. Daher wird eine Gefährdung der unbeteiligten Zivilbevölkerung nahezu ausgeschlossen. Daher ist zu überdenken, diese Differen- zierung, das heißt Beschränkung der Wirkzeitbegrenzung, auf fernverlegte Antifahrzeugminen, verknüpft mit den vorgenannten Kriterien, aufzunehmen. Zusammenfassend möchte ich feststellen: Es ist gut, dass heute der Antrag eingebracht wird. Es ist gut, dass wir in dieser Frage endlich zu einem Ergebnis kommen und den nächsten Schritt machen. Es ist gut, dass diese Anträge in verschiedenen Punkten in den Fachausschüs- sen noch beraten werden. Zu bedenken gebe ich: Es geht heute nicht mehr nur da- rum, dass wir es mit Staatsarmeen zu tun haben, die sich an die Regeln halten. Die terroristische Szene nutzt jede Gelegenheit, um tätig zu werden. Aus diesem Grunde darf man sich nicht alle Möglichkeiten des Schutzes selbst nehmen. Bei einer Gesamtächtung unterstellt man, dass alle Staaten sich an die Regeln halten. Aber im terroristi- schen Lager wird sich nicht daran gehalten, sondern die arbeiten weiter mit Dingen, die nicht unter die Verbote fal- len und deswegen muss man sich auch schützen können. Wenn dies aber nicht mehr möglich ist, hätte dies unüber- sehbare negative Folgen für die Operationsfähigkeit des Heeres und den Schutz sowie die Überlebensfähigkeit un- serer deutschen Soldaten. Demgegenüber würde sich aber die Gefährdungslage der Zivilbevölkerung nicht positiv verändern. Deshalb gilt es, streng darauf zu achten, dass wir nicht mit gut gemeinten Vorschlägen Leib und Leben unserer Soldaten gefährden. Hans-Dirk Bierling (CDU/CSU): Lassen Sie mich ei- nen prinzipiellen Satz vorausschicken: Es ist wieder ein- mal spät am Abend, und deshalb wird diese Debatte nicht mehr geführt, sondern zu Protokoll gegeben – ein abrüs- tungspolitisches Thema von internationaler Brisanz! Ich weiß, wir hatten bereits spät nachts liegende Termine für diese Thematik – aber trotzdem – vielleicht sollten wir uns in Zukunft bemühen, derartige Themen zu einer Zeit in diesem Hause zu diskutieren, die der Wichtigkeit des Themas Abrüstung entspricht. – Aber das nur vornweg. Angesichts der Bilder, die uns beinahe täglich via Bild- schirm von Minenopfern erreichen, darf man eines nicht vergessen, auch wenn es leider beinah alltäglich gewor- den scheint: Jedes der Opfer ist ein Einzelschicksal! Jedes der beinamputierten Kinder, jeder der einarmigen Män- ner, jede verstümmelte Frau hat eine eigene Leidensge- schichte! Und keiner weiß genau, wie viele dieser Minen noch überall in der Welt versteckt in der Erde liegen und eine Gefahr für die jeweilige Zivilbevölkerung darstellen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223262 (C) (D) (A) (B) Jeden Tag müssen wir damit rechnen, dass irgendwo in Kambodscha, im Sudan, in Afghanistan oder anderswo Menschen durch Minen verstümmelt oder getötet werden. Jeden Tag wird die Zukunft von Menschen zerstört, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben oder ihre Familien ernährt und versorgt haben. Da ist es auch wenig beruhi- gend, dass die Zahl der Todesopfer im Jahr 2000 leicht rückläufig war. Weltweit starben etwa 8 000 Menschen – ich wiederhole: 8 000 Tote! –, davon die meisten Zivilis- ten, durch Landminen. Man darf die Heimtücke und Unberechenbarkeit dieser Waffe nicht vergessen. Sie kann jahrelang im Boden lie- gen ohne unwirksam zu werden. Selbst wenn die eigent- lichen Kampfhandlungen vielleicht schon lange Zeit zurückliegen und die Region sogar befriedet ist, sie blei- ben eine unkalkulierbare Gefahr für die ansässige Bevöl- kerung. Genau da setzt der gemeinsame Antrag von CDU/CSU-Fraktion und FDP-Fraktion an. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die Ächtung von Minen ohne Wirkzeitbegrenzung international stark zu machen. Deutschland hat sich in der Zeit der CDU/CSU-FDP-Re- gierung international stark engagiert, um eine Ächtung von Antipersonenminen weltweit zu erreichen. Wie Sie wissen, war es vor allem die deutsche Seite, die sich bei den Ver- bündeten in EU und NATO für eine Vernichtung von Anti- personenminen eingesetzt hat und selbst mit gutem Beispiel vorangegangen ist, indem sie bereits vor dem In-Kraft-Tre- ten des Ottawa-Übereinkommens sämtliche Bestände von Antipersonenminen der Bundeswehr beseitigt hat. Zudem hat die deutsche Regierung sich 1998 auch bei den Vereinten Nationen als Miteinbringer mehrerer Reso- lutionen für eine rasche Umsetzung des Ottawa-Überein- kommens und des revidierten Minenprotokolls von 1996 eingesetzt. Bereits 1994 hat die unionsgeführte Bundesregierung ein Exportmoratorium für Antipersonenminen erlassen, dieses 1996 für unbefristete Zeit verlängert und sich seit 1993 ak- tiv an Maßnahmen zur Minenbeseitigung in 23 Ländern be- teiligt. Durch ihr Handeln hat Deutschland internationale Reputation beim Kampf gegen Antipersonenminen und bei der Betreuung von deren Opfern erworben. Und genau diese gilt es international zu nutzen und nun auf das Verbot wei- terer, nicht weniger unterschiedslos wirkender Landminen auszuweiten. Der Antrag von CDU/CSU und FDP verliert dabei die Realität nicht aus den Augen. Wir wissen, dass es derzeit nicht möglich ist, alle Landminen ohne Wirkzeitbegren- zung ebenfalls zu verbieten. Die Armeen der NATO verwenden Panzerminen mit Wirkzeitbegrenzung durch die Pioniertruppe in drei ver- schiedenen Typen, die auf Stunden oder Tage program- miert werden können. Diese Minen werden aber nicht durch die übrigen Truppen zur Sicherung eingesetzt. Für diese bedarf es der heute noch verwendeten Panzermine DM 21, die leicht zu handhaben ist und von jedem Infan- teristen etc. als überwachte Minensicherung zum Schutz der eigenen Truppe verlegt werden kann. Von diesen Mi- nen hat selbst die Bundeswehr einen Vorrat von circa 120 000 Stück. Die Herstellungskosten sind gering, aber eine Wirkzeitbegrenzung ist nicht einbaubar. Vielleicht ist es aber auch hier an der Zeit umzudenken und einen neuen Weg einzuschlagen, nach neuen Wegen und Formen zu suchen, die eigenen Truppen zu schützen. Gerade Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, aber auch nicht wenige Abgeordnete der SPD-Fraktion hatten eben dieses in der letzten Legislaturperiode gefor- dert. Ihren eigenen Forderungen in der Zeit der Opposi- tion haben Sie bislang auch hier keine Taten folgen lassen. Seine Vorreiterrolle bei der Ächtung von Minen sollte Deutschland dadurch untermauern, indem unser Land einseitig und beispielgebend auf die Erprobung, Herstel- lung und den Export nicht detektierbarer Landminen so- wie Minen ohne Wirkzeitbegrenzung verzichtet. Militärs weltweit betrachten Fahrzeugminen als legiti- mes Defensivmittel zum Schutz des eigenen Territoriums oder der eigenen Soldaten gegen mögliche Aggressoren. Zudem werden Fahrzeugminen und ihre Verlegung von regulären Armeen durch exakte Minenpläne dokumen- tiert. So ist es möglich, nach Beendigung der Konfliktsi- tuation die Minen zu entfernen und damit das Risiko für die Zivilbevölkerung weitgehend zu minimieren. Allerdings, Sie bemerken meine Einschränkung, ist die Herstellung und Beschaffung von Minen jeglicher Art auch für nicht reguläre militärische Verbände, wie die Ausrüstung verschiedener paramilitärischer Guerillaver- bände beweist, kein Problem, da ihre Herstellung relativ simpel ist. Eine internationale Verifikation eines etwaigen Abkommens über das Verbot von Minen ohne Wirkzeit- begrenzung ist derzeit äußerst kompliziert. Doch wer re- signiert, hat schon verloren! Und Deutschland und seine Partner dürfen in dieser Frage nicht resignieren! Daher unterstützt die CDU/CSU-Fraktion Initiativen, die der Ächtung von Minen auf lange Sicht hin dienen. In den vergangenen Jahren gab es ja einige Erfolge, die Mut machen sollten. Das Ottawa-Obereinkommen wurde von mehr als 120 Staaten unterzeichnet. Um seine tatsächliche Wirksamkeit zu erreichen, fordern wir die Bundesregie- rung auf, sich auch weiterhin für den Beitritt wichtiger Minenproduzenten wie China, Russland und auch des NATO-Partners USA einzusetzen. Denn nur so kann der Druck auf Staaten wie Irak, Pakistan, Indien oder Nord- und Südkorea erhöht werden, ebenfalls ihre Produktion von Antipersonenminen einzustellen. Im Rahmen des VN-Waffenübereinkommens fordern wir die Bundesre- gierung auf, nachdrücklich auf ein Verbot von Antifahr- zeugminen mit sensiblen Zündern hinzuwirken. Denn auch die können von Zivilisten ausgelöst werden. Sie ma- chen eben meist keinen Unterschied zwischen einem Pan- zer oder Militärtransporter und einem Traktor oder einem zivilen Autobus. Vergessen wir aber eines nicht: Mit dem Verbot der Mi- nen ohne Wirkzeitbeschränkung ist das Problem der be- reits verlegten Minen nicht gelöst. Vor allem in den Staa- ten, wo paramilitärische Einheiten Minenfelder gelegt haben, existieren keine Pläne darüber. Die Suche und Zer- störung der Minen ist ein zeitaufwendiges und teures Un- terfangen, von seiner Gefährlichkeit ganz zu schweigen. Wir wissen alle, dass die betroffenen Staaten nicht in der Lage sind, dies allein zu bewältigen, weder technisch noch logistisch und schon gar nicht finanziell. Auch die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23263 (C) (D) (A) (B) medizinische und psychologische Betreuung der Opfer von Minen ist in den meisten Ländern schwierig. Hier darf Deutschland die betroffenen Ländern nicht allein lassen. Bislang haben deutsche Spezialisten und Techniker in 23 Ländern bei der humanitären Minenräumung und der medizinischen Betreuung der Opfer geholfen und sich da- bei Ansehen und internationale Anerkennung erworben. Um dies nicht zu gefährden, muss die Höhe der dafür bereitgestellten Mittel im Haushalt – die Summe stagniert seit einigen Jahren – deutlich erhöht werden. Unverständ- lich sind mir im Übrigen die teilweise sehr versteckten Ti- tel, unter denen die Summen vor allem im BMZ deklariert werden. Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe als Gelder für das Minenräumen zu erkennen ist nicht einfach und das Finanzministerium war auf Anfrage überhaupt nicht bereit, Auskunft über die exakte Höhe der bereitge- stellten Mittel zu erteilen – aber das nur am Rande. Ich bitte Sie, dem Antrag der CDU/CSU- und FDP- Fraktion zur Ächtung von Landminen ohne Selbstneutra- lisierungs- oder Selbstzerstörungsmechanismen zuzu- stimmen und sich für die Erhöhung der Haushaltstitel für das Minenräumen und die Opferhilfe einzusetzen. Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Landminenproblem – das ist Konsens hier im Hause – ist längst nicht beseitigt; es besteht Handlungsbedarf. Immer noch sterben monatlich bis zu 2 000 Menschen. Allein in Afghanistan gibt es schätzungsweise zwischen 300 und 360 Opfer pro Monat. Zwar ist es gelungen – nicht zuletzt dank der Initiative der internationalen Landminenkam- pagne – ein Verbot von Antipersonenminen zustande zu bringen. Interessierte Staaten haben sich hier gefunden und eine Koalition mit den Nichtregierungsorganisatio- nen gebildet. Der Ottawa-Vertrag war ein wichtiger Schritt im Kampf für die Ächtung aller Landminen. Die internationale Kampagne gegen Landminen wurde dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Allerdings haben wichtige Länder den Vertrag noch nicht unter- schrieben und seine Reichweite ist begrenzt. Der Prozess war beispielhaft für eine neue Art des Verhandelns in der Rüstungskontrolle. Der Kampf gegen Minen geht weiter. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir dafür eintreten wollen, „besonders grausame Waffen wie Landminen weltweit zu verbieten“. Unser Koalitionsantrag stellt ei- nen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Herr Kollege Kinkel, Sie haben am 11. Dezember 1997 gesagt: „Wenn es irgendwie geht, müssen wir ... uns natür- lich langfristig darauf konzentrieren, irgendwann ohne Panzerminen zu sein“. Dem kann ich voll zustimmen. Nur kann ich aus dem Oppositionsantrag nicht erkennen, dass sich dies bei Ihnen durchgesetzt hat. Er macht den Ein- druck, in erster Linie nach einem schnellen und öffentli- chen Effekt zu suchen. Wir haben in unserem Antrag einen Step-by-step-An- satz gewählt, mit dem Ziel, schrittweise die Ächtung aller Landminen zu erreichen. Uns ist klar, dass Fortschritte im Rahmen internationaler Verhandlungen schwierig und lang- wierig sind. Von verschiedensten Seiten werden industrie- politische, sicherheitspolitische und andere Interessen vorgebracht, die einen schnellen Erfolg erschweren. Da- her erscheint uns ein schrittweiser Ansatz am sinnvolls- ten. Wir können versuchen, analog zum Ottawa-Prozess, gleichgesonnene Partner zu gewinnen. Gleichzeitig müs- sen aber auch die Verhandlungen im Rahmen des Genfer Waffenprotokolls weitergehen. Wir haben machbare und gleichzeitig wegweisende Schritte formuliert, die neue Spielräume für die Bundes- regierung öffnen und sie in ihren bisherigen Aktivitäten unterstützen. Erster Schritt ist die Universalisierung des Ottawa-Prozesses: Wichtige Staaten wie Russland, China, Indien, Pakistan, die Türkei und nicht zuletzt die USAha- ben den Vertrag noch nicht unterzeichnet. Wir müssen auf diese Staaten einwirken, damit sie dem Ottawa-Abkom- men beitreten. Weiterhin gibt es einzelne Staaten, die das Abkommen zwar unterzeichnet haben, es aber nicht ein- halten. Insbesondere hier versucht die Bundesregierung, die Staaten zur Umsetzung des Vertrages zu drängen. Antifahrzeugminen, die aufgrund sensibler Zündmecha- nismen auch von Personen ausgelöst werden können, sind als Antipersonenminen anzusehen und werden daher be- reits vom Ottawa-Abkommen erfasst. Wir wollen diese Position auch bei anderen Teilnehmern des Ottawa-Regi- mes durchsetzen, da es hier unterschiedliche Interpretati- onsweisen gibt und eine Präzisierung im Rahmen des Ab- kommens möglich und politisch sinnvoll ist. Wir sprechen in unserem Antrag auch das schwierige Thema der einseitigen Vorleistungen an. Wir sind dafür, noch vorhandene Minen, die von Personen unbeabsichtigt ausgelöst werden können, aus dem Bestand der Bundes- wehr zu entfernen und Herstellung, Erprobung, Produk- tion, Lagerung und Export zu unterbinden, um im Sinne der humanitären Rüstungskontrolle ein Signal auch für andere Staaten zu setzen. Dies ist notwendig, damit die Bundesrepublik Deutschland weiterhin ihre Vorreiterrolle in diesem Bereich wahrnehmen kann. Jetzt schon zu ent- scheiden, welche Vorleistungen wir erbringen, wäre ver- früht. Wir wollen darüber sorgfältig diskutieren und dann die geeigneten Schritte umsetzen. Die Bundesregierung hat im Bereich der humanitären Minenräumung bereits viel unternommen. 1998 wurden 16,6 Millionen DM ausgegeben. In diesem Jahr stehen 16,4 Millionen Euro zur Verfügung, also fast das Dop- pelte. Dazu kommen noch Mittel im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen und die des BMZ. Minenräumung wird von uns auch als Beitrag zur Ent- wicklungszusammenarbeit gesehen. Im Bad Honnefer Konzept der Nichtregierungsorganisationen wurde das herausgearbeitet. Deswegen sind im BMZ auch Mittel für die Opferrehabilitierung eingesetzt. Ich möchte betonen: Unsere Politik und die der Kam- pagne gegen Landminen ergänzen sich. Wir als Grüne un- terstützen die Bemühungen der Kampagne auf mehreren Ebenen, sowohl als Partei wie auch als Koalitionsfrak- tion. An dieser Stelle möchte ich auch das Engagement von Personen wie Sabine Christiansen, Marius Müller- Westernhagen oder Dr. Fritz Pleitgen hervorheben, die sich für ein Verbot aller Minen einsetzten. Es ist verständlich, dass es vielen engagierten Men- schen aus den Nichtregierungsorganisationen nicht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223264 (C) (D) (A) (B) schnell genug geht. Aber die Prozesse der Einigung in in- ternationalen Verhandlungen sind äußerst schwierig. Da- her benötigt es einen langen Atem. Dass er zum Erfolg führen kann, hat das Ottawa-Abkommen bewiesen. Die Lage für Rüstungskontrollverhandlungen ist nicht leichter geworden. Gestern hat das Kabinett den Jahres- abrüstungsbericht 2001 verabschiedet. Aus ihm lassen sich die vielfältigen Bemühungen der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle ablesen. Dennoch müssen wir ein Krise der Rüstungskontrolle im Allgemei- nen feststellen. Unsere amerikanischen Partner haben durch den unilaterialistischen Kurs zur Krise der Rüs- tungskontrolle beigetragen. Lassen Sie uns zusammen al- les daransetzen, sie davon zu überzeugen, wieder auf den Weg multilateraler Politik zurückzukehren. Unser Antrag zur Weiterentwicklung der humanitären Rüstungskon- trolle bei Landminen soll ein Beitrag in einem spezifi- schen Bereich sein, der hilft, diese Blockade zu beheben. Zum Abschluss möchte ich noch betonen: Die Kon- flikte, bei denen Landminen eingesetzt werden, gibt es nicht wegen dieser grausamen Waffen. Daher ist es not- wendig, unsere Politikansätze der Prävention weiterzu- entwickeln. Im Kampf gegen die Minenplage müssen wir auf mehreren Ebenen vorgehen: zum einen reagierend, um die akute Not und das Leiden der Menschen zu lin- dern, zweitens mittelfristig agierend, auf der völkerrecht- lichen Ebene, um diese Waffenkategorie endgültig abzu- schaffen, aber auch generell für eine effektive Export- und Importkontrolle zur Verhinderung destabilisierender Waf- fenlieferungen und drittens vorbeugend, indem wir die Mittel der Prävention und der Konfliktursachenbekämp- fung im Rahmen einer Weltinnenpolitik fördern. Das er- fordert eine Verstärkung der Mittel für Prävention und Entwicklungszusammenarbeit. Wenn diese drei Politik- ebenen zusammenwirken, kann es uns gelingen, die Landminenplage als ein zentrales humanitäres und sicher- heitspolitisches Problem zu lösen. Ich bitte dazu auch die Kollegen und Kolleginnen der Opposition um Unterstüt- zung. Dr. Klaus Kinkel (FDP): Landminen sind eine schlimme Menschheits-Geißel. Sie behalten ihre tödliche Wirkung noch Jahre über das Ende von Kriegshandlungen hinaus. Denn Minen kennen keinen Waffenstillstand, kei- nen Frieden. Weltweit fallen Jahr für Jahr Tausende den Minen zum Opfer, werden getötet oder auf schreckliche Weise verstümmelt. Weltweit gibt es heute über 200 Mil- lionen davon, und immer noch werden jährlich circa 10 Millionen neue Minen produziert. Deshalb war es so wichtig, dass vor vier Jahren in Ottawa das Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenmi- nen beschlossen wurde: 122 Staaten sind dem Abkommen bis heute beigetreten, Deutschland war mit einer der ersten Unterzeichner. Wichtige Staaten wie die USA, Russland, China, Indien und Pakistan haben leider noch nicht unter- zeichnet. Auch die Umsetzung durch die Unterzeichner lässt bis heute zu wünschen übrig; leider auch bei uns in Deutsch- land. Die Bundesregierung hat am 31. August 1999 verkün- det, man habe das Ottawa-Abkommen umgesetzt, alle Antipersonenminen seien aus dem Bestand der Bundes- wehr entfernt. Heute höre ich, dass das nicht zutrifft. Deutsche Tornado-Flugzeuge sind bis heute mit Antiper- sonenminen ausgestattet. Über 80 000 Munitionskörper der Submunition MUSPA des MB1-Körpers für das Kampfflugzeug Tornado befinden sich im Bestand der deutschen Luftwaffe. Alle anderen Tornado-Nutzerstaaten, die das Ottawa-Ab- kommen ratifiziert haben, sind der Meinung, dass es sich da- bei eindeutig um Antipersonenminen handelt, die seit Ottawa verboten sind. Großbritannien etwa hat deshalb schon vor längerer Zeit die Submunition MUSPA der briti- schen Royal Airforce vollständig vernichtet, Italien auch. Ich frage den Bundesverteidigungsminister: Wussten Sie das, als Sie stolz die vollständige Umsetzung von Ot- tawa verkündet haben? Im BMVg weiß offensichtlich die linke Hand nicht, was die rechte tut. Diese Geschichte könnte die nächste Mine werden, auf die der Bundesver- teidigungsminister tritt. Das Abkommen von Ottawa war beschränkt auf Anti- personenminen; Antipanzerminen waren ausgenommen. Mehr war damals leider noch nicht drin. Trotzdem war Ottawa ein wichtiger erster Schritt im Kampf gegen die Minen-Geißel. Rot-Grün hat das damals aus der Opposi- tion heraus als nicht weit gehend genug kritisiert. In der Regierungsverantwortung hat Rot-Grün sich dann selbst das Engagement für die Abrüstung groß auf die Fahnen geschrieben. In der Koalitionsvereinbarung stand der Ein- satz für die Umsetzung von Ottawa und für das weltweite Verbot aller Landminen als ein zentraler Punkt mit drin. Aber was ist seitdem passiert, was haben die selbster- nannten rot-grünen Abrüstungspäpste zur Umsetzung ih- rer hehren Ziele unternommen? Leider nichts. Weil die weltweite Bedrohung durch Landminen nicht ab-, sondern zugenommen hat – denken Sie nur an Angola, Mosambik, Kosovo und nicht zuletzt Afghanistan – hat die FDP-Frak- tion bereits im vergangenen Jahr einen Antrag zu Landmi- nen im Deutschen Bundestag eingebracht; mit der Forde- rung, den Einsatz für die Umsetzung von Ottawa zu verstärken und mehr Geld für die Erprobung und Entwick- lung von maschinellem Minenräumgerät aufzubringen. Denn Minen allein von Hand zu räumen, das ist wie eine Sanddüne mit dem Fingerhut abzutragen. Wir brau- chen deshalb zuverlässiges Großgerät zum Minenräumen. Damit könnten nach Expertenmeinung bis zu 60 Prozent der Minen geräumt werden. Die deutsche Industrie hat in der letzten Zeit große Fortschritte bei der Entwicklung von solchem Gerät gemacht. Sie verdienen eine Chance, diese mit viel Aufwand entwickelte Technologie in der Praxis einzusetzen. Da ist die Bundesregierung in der Pflicht. Vor allem aber zielte unser Antrag darauf, jetzt die Ini- tiative zu ergreifen und in einer zweiten Stufe nicht nur Antipersonenminen, sondern auch solche Antipanzermi- nen zu verbieten, die sich nicht selbst zerstören. Denn für diese Minen gilt dasselbe wie für Antipersonenminen: Sie gefährden das Leben von Zivilisten auch noch weit nach dem Ende der Kampfhandlungen. Antipanzerminen un- terscheiden nicht, ob es ein Panzer ist oder ein Schulbus, durch den sie ausgelöst werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23265 (C) (D) (A) (B) Der Antrag wurde in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages im Sommer letzten Jahres abgelehnt. Die Abgeordnete Beer hat das damals damit begründet, die Forderungen der FDP gingen ihr nicht weit genug. Rot-Grün würde lieber an der Zielvorgabe der Koaliti- onsvereinbarung festhalten und alle Landminen verbieten lassen – also auch die so genannten „intelligenten“ Pan- zerminen, die sich nach einer gewissen Zeit selbst aus- schalten. Darüber lässt sich streiten. Aber was ist in den letzten neun Monaten passiert? Wieder nichts. Rot-Grün kriegt es einfach nicht auf die Reihe. Der Verteidigungsminister blockiert. Deshalb kommt die FDP jetzt erneut mit einem Antrag, in dem sie von der Bundesregierung eine Initiative zur internationa- len Ächtung von Antipanzerminen, die sich nicht selbst zerstören, fordert und in dem sie von der Bundesregierung als Signal fordert, auf die Minen, die sich heute im Be- stand der Bundeswehr befinden, einseitig zu verzichten und die Herstellung solcher Minen zu untersagen. Die Union hat sich unserem Antrag angeschlossen. Wir be- grüßen das ausdrücklich. Die rot-grüne Regierungskoalition hat zunächst lange herumgeeiert, vorsichtig Unterstützung signalisiert, und jetzt, gestern, einen Tag vor der Debatte, einen eigenen Antrag eingebracht, einen Antrag, der unsere Formulie- rungen in weiten Teilen übernimmt, aber an zwei ent- scheidenden Stellen kneift: Die DM 21-Minen der Bun- deswehr, die bei uns eindeutig genannt werden und die als Vorleistung sofort abgerüstet werden sollten, werden nicht beim Namen genannt, sondern verschwinden in ei- ner nebulösen Forderung nach einer „schrittweisen Ent- fernung“ einiger nicht genauer benannter Minen. Die For- derung nach einseitigem Verzicht auf Erprobung, Herstellung, Lizenzvergabe, Lagerung und Export sol- cher Minen taucht überhaupt nicht auf. Wir sollen das Teufelszeug also schrittweise abbauen, aber weiter expor- tieren? Das kann doch wohl nicht ihr Ernst sein! Frau Beer, ich wende mich jetzt ganz bewusst einmal an Sie, die verteidigungspolitische Sprecherin der Grü- nen: Sie haben mir im Sommer letzten Jahres öffentlich vorgeworfen, unsere Initiative reiche nicht weit genug. Jetzt bringen Sie hier im Deutschen Bundestag endlich eine eigene Landminen-Initiative ein. Schön und gut – man muss diese rot-grüne Bundesre- gierung wie immer zum Jagen tragen, bis überhaupt etwas passiert. Aber Ihre Initiative fällt in entscheidenden Punk- ten ganz bewusst hinter das, was wir wollen, zurück. Was ist eigentlich mit Ihnen los? Rot-Grün ist wirklich meilen- weit davon entfernt, den eigenen Zielen und Ansprüchen zu genügen. Aber hier geht es um das Leben Tausender un- schuldiger Zivilisten in den ärmsten Ländern der Welt. Und da sollte auch Rot-Grün einmal über den eigenen Schatten springen und unseren weiter gehenden Antrag unterstützen – auch mit den Forderungen nach einseitigen deutschen Vorleistungen, nach einem echten Signal für die Abrüstung und gegen die Landminen. Heidi Lippmann (PDS): Um es vorwegzunehmen: Beim Antrag der FDP werden wir uns enthalten, weil er nur einen klitzekleinen Schritt nach vorn weist und da- rüber hinaus einen fragwürdigen Ansatz verfolgt: Die High-Tech-Minen der großen Militärnationen sollen tabu bleiben, während die anderen abrüsten sollen. Das passt nicht zusammen. Dem Antrag der Koalitionsfraktion wer- den wir zustimmen, weil er über den Status quo hinaus- weist, richtige Schritte enthält und auch Einschnitte im Minenarsenal der Bundeswehr verlangt. Wir unterstützen die Universalisierung des Ottawa- Protokolls, aber wir sind uns darüber im Klaren, dass da- mit nur ein kleiner Teil des Minenproblems gelöst wäre. Daher ist es unabweisbar über Ottawa hinauszugehen. Dies betrifft alle Anti-Tank-Minen, die die Zivilbevölke- rung gefährden, und in letzter Konsequenz alle Landminen. Hier werden wir weiterhin die Auffassungen der Interna- tionalen Kampagne gegen die Landminen ohne Wenn und Aber unterstützen. Dass auch die Bundeswehr Ernst machen soll mit der Entfernung einer ganzen Kategorie von Landminen, fin- den wir richtig. Es bleibt zu hoffen, dass die Formulierung im Koalitionsantrag, dass diese Waffen „schrittweise zu entfernen“ seien, nicht als Alibi benutzt wird, diesen Pro- zess endlos hinauszuzögern. Es muss unmittelbar damit begonnen werden und diese todbringenden Waffen müs- sen zügig aus dem Bestand entfernt werden. Das muss da- mit beginnen, dass offen gelegt wird, über welche Waffen dieser Kategorie die Bundeswehr verfügt. Wir werden – sicherlich in Verbindung mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen – darauf zu achten haben, dass der heutige Be- schluss des Bundestages konsequent umgesetzt wird. Der Antrag der Regierungsfraktionen berücksichtigt leider nicht das Problem der Mehrzweckbomben, die in gleicher Weise unterschiedslos Zivilbevölkerung wie Sol- daten treffen und in ihrer Wirkung von den Minen nicht zu unterscheiden sind: Ich denke hier an die auch von der NATO im Jugoslawien-Krieg eingesetzten Cluster-Bom- ben. Die darin enthaltenen „bomblets“ widersprechen ebenso wie die Minen dem humanitären Kriegsvölker- recht: Sie differenzieren nicht zwischen Zivilist und Sol- dat. Auch dieser Bombentyp muss unseres Erachtens auf die Liste der zu ächtenden Waffen. Die PDS hat im Mai 1995 erstmals den Antrag gestellt, Landminen weltweit zu ächten. Darin haben wir unter an- derem gefordert, dass die Bundesrepublik auf Forschung, Entwicklung, Produktion und Export aller Landminen so- fort verzichten sollte. Weiter wollten wir, dass die Mittel, die bis zu diesem Zeitpunkt für die Erforschung und Be- schaffung neuer Minen aufgewandt wurden, für die zivile Minenräumung umgewidmet werden. Seitdem stellen wir Jahr für Jahr bei den Haushaltsberatungen den Antrag, die Mittel für die Minenräumung, für die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer kräftig aufzustocken, und zwar aus den Finanzmitteln, die im Wehretat bisher für die Mi- nenrüstung aufgebracht werden. Diese Anträge wurden von dem Rest des Hauses immer wieder abgelehnt. Sie werden uns vorwerfen, uns ginge es nur um billige Symbolik. Das ist nicht der Fall. Richtig ist, dass es um eine Grundsatzentscheidung geht: Geld, das für die Ent- wicklung neuer Waffen ausgegeben wird, ist besser für die zivile Krisenbewältigung und die Abrüstung ausgegeben. Es geht uns aber nicht zuletzt darum – das ist für uns ein moralisches Prinzip –, dass wir das doppelbödige Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223266 (C) (D) (A) (B) Spiel der Konzerne nicht mitmachen, die einerseits neue Waffen dieses Typs entwickeln, andererseits bei der Räu- mung der Minen noch einmal Kasse machen wollen. Es bleibt zu hoffen, dass mit der heutigen Debatte und der Entschließung des Bundestages die Bekämpfung der Landminen wieder einen höheren Stellenwert erhält. Die- ses Engagement muss über den 22. September hinausrei- chen. Die PDS wird ihren Teil dazu beitragen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafge- richtshofes vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungspunkt 11 a und b) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD):Am 22. März hat die erste Lesung des Gesetzes zur Einführung des Völker- strafgesetzbuches sowie des Ausführungsgesetzes zum Römischen Statut stattgefunden. In den fünf Wochen da- nach sind wir der von allen Fraktionen dieses Hauses ge- wollten Einrichtung des ersten weltweit zuständigen Strafgerichtshofes und der Sicherung seiner Arbeitsfähig- keit erneut mit großen Schritten näher gekommen. Die er- forderliche Mindestzahl von 60 Ratifikationen ist am 11. April erreicht und sogar deutlich überschritten wor- den. Das Römische Statut wird damit am 1. Juli in Kraft treten. Von diesem Tag an können Verbrechen wie Völ- kermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Rahmen eines neuen internationalen Rechtssystems geahndet werden. Es wird wohl weniger als ein Jahr dauern, bis der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit tatsächlich aufnehmen kann. In der am 22. März verabschiedeten Entschließung ha- ben wir die Bundesregierung aufgefordert, auf die Regie- rung der Vereinigten Staaten einzuwirken, damit sie keine direkten oder indirekten Maßnahmen gegenüber Staaten ergreift, die den Römischen Vertrag zu ratifizieren beab- sichtigen. Dieser Appell hat nun zusätzliches Gewicht. Bei dem Besuch einer Delegation des Rechtsausschusses in New York sechs Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September haben uns hochrangige Vertreter der amerikanischen Regierung zugesichert, dass die USAsich im Falle der Errichtung des Internationalen Strafgerichts- hofes und nach positiven Erfahrungen mit der Rechts- staatlichkeit der Verfahren dazu entschließen könnten, sich dem Gerichtshof anzuschließen. Dieser Schritt ist in hohem Maße wünschenswert, weil der Gerichtshof ganz besonders auf die Amts- und Rechtshilfe amerikanischer Polizei- und Justizbehörden angewiesen sein wird. Die gelegentlich befürchtete Anklageerhebung gegen ameri- kanische Politiker und Militärs hat sich in unseren Ge- sprächen als Scheinargument erwiesen. Denn selbstver- ständlich sind die USA ein Rechtsstaat, der die von eigenen Staatsangehörigen begangenen Verbrechen vor den eigenen Gerichten anklagt und zur Aburteilung bringt. In diesem Falle aber entsteht die Strafgewalt des Internationalen Strafgerichtshofes nicht, die bekanntlich dem Grundsatz der Komplementarität folgt. Sie ist also davon abhängig, dass das an sich zuständige nationale Ge- richt das Strafverfahren nicht durchführen kann oder will. Für die Bundesrepublik Deutschland haben wir in den vergangenen Wochen durch außerordentlich konstruktive und zügige Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches die Vorausset- zungen dafür geschaffen, dass auch bei uns in praktisch allen relevanten Fällen der Grundsatz der Komplementa- rität greift. Dabei haben wir den an sich schon vorzügli- chen Entwurf an zwei Stellen noch einmal verbessert. Zum einen haben wir die Möglichkeit paralleler Ermitt- lungen durch die deutschen Staatsanwälte auch in Fällen, in denen ein Internationaler Strafgerichtshof oder ein vor- rangig zuständiger Gerichtshof eines anderen Staates die Verfolgung übernommen hat, erweitert. Wir haben die ur- sprünglich vorgesehene Soll-Einstellung des deutschen Verfahrens in eine Kann-Einstellung umgewandelt, wo- mit wir die internationale Zusammenarbeit bei der Auf- klärung schwerster Verbrechen verbessern wollen. Zum anderen haben wir aufgrund der Stellungnahme des Bun- desrates und entsprechender Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion die neuen Tatbestände des Verbre- chens gegen die Menschlichkeit sowie der Kriegsverbre- chen in mehrere Tatbestände unseres Strafgesetzbuches eingefügt, in denen bisher beispielsweise die Nichtan- zeige von Verbrechen lediglich bei geplanten Taten wie Mord, Totschlag oder Völkermord für strafbar erklärt worden war. Die gewünschte Einfügung der neuen Straftatbestände des Völkerstrafgesetzbuches in die Straf- prozessordnung haben wir allerdings zurückgestellt. Es geht dabei insbesondere um die Möglichkeit der Telefon- und Wohnraumüberwachung. Wir sind der Auffassung, dass es insoweit nicht nur um eine Überprüfung der De- liktskataloge gehen darf, sondern auch eine kritische Überprüfung der bisher bestehenden und aus unsere Sicht noch nicht ausreichenden rechtsstaatlichen Kontrollen notwendig ist. Bei den dazu notwendigen Beratungen wollen wir uns auf das von der Bundesregierung in Auf- trag gegebene rechtsvergleichende und rechtstatsächliche Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für aus- ländisches und internationales Strafrecht stützen. Die Er- stellung dieses Gutachtens ist leider nicht zuletzt durch die lange Zeit verweigerte Herausgabe von Akten seitens der Landesregierungen von Bayern und Baden-Württem- berg verzögert worden. Wir wollen bei unseren Beratun- gen auch die Anregungen des neuen Gremiums nach Art. 13 Grundgesetz berücksichtigen, in welchem die Mit- glieder aller Fraktionen mit den bisher durch die Landes- regierungen ermöglichten Kontrollen unzufrieden sind. Das heute ebenfalls in dritter Lesung zu beratende und zu verabschiedende Gesetz zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 ist mit großer Einmütigkeit von allen Fraktionen dieses Hauses gutgeheißen worden. Das Aus- führungsgesetz dient der effektiven Zusammenarbeit zwischen den deutschen Justizbehörden und dem künfti- gen Internationalen Strafgerichtshof. Die von der Bun- desregierung in Formulierungshilfen vorgeschlagenen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23267 (C) (D) (A) (B) Verbesserungen des Entwurfes sind von allen Fraktionen begrüßt worden. Ich nehme das zum Anlass, insbesondere den Beamten des Bundesministeriums der Justiz, aber auch der von die- sem Ministerium eingesetzten Expertengruppe den Dank sicherlich aller Fraktionen auszusprechen. Nach meiner Überzeugung wird das Völkerstrafgesetzbuch auch in an- deren Staaten, die sich dem Gerichtshof bereits ange- schlossen haben, große Beachtung finden. Es ist sicher gut, wenn nicht nur deutsche Autobauer, sondern gele- gentlich auch der deutsche Gesetzgeber in anderen Län- dern geschätzte Exportartikel erarbeiten. Die Botschaft des Römischen Statuts, dass sich die Schreibtischtäter und Folterknechte dieser Welt nirgendwo und zu keiner Zeit mehr sicher fühlen dürfen, beginnt, ihre Wirkung zu ent- falten. Nach meiner Überzeugung wird allein die Tatsache der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes ein wesentlicher Beitrag dazu sein, die generalpräventive Wirkung des Römischen Statuts und unseres Völkerstraf- gesetzbuches weiter zu verstärken, noch bevor auch nur ein einziger Prozess in Den Haag begonnen hat und abge- schlossen worden ist. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):Wir haben in die- sem Hause in dieser Legislaturperiode viele rechtspoliti- sche Kontroversen geführt. Der Einsatz Deutschlands für eine internationale Strafrechts- und Strafgerichtsordnung war und ist aber kein Streitthema, sondern bildet einen Grundkonsens deutscher Rechts- und Außenpolitik. Die Grenzen fallen, die Welt wächst zusammen. Dies hat sehr viele positive Seiten, aber wir erleben gerade in diesen Tagen auch den ambivalenten Charakter der Glo- balisierung. Neben Ängsten besteht die konkrete Besorg- nis, dass die Schwächung der Staaten nicht kompensiert wird durch internationale Institutionen, sondern ein Va- kuum zurücklässt. Es formieren sich die Globalisierungs- gegner. Aber die Wirklichkeit, die uns nicht gefällt, ruft nicht nach Verneinung, sondern nach Gestaltung, also nach einer Ordnung. Dies ist nach unserer kulturellen Vor- stellung eine Ordnung des Rechts und durch das Recht. Das Strafrecht ist elementarer Teil auch der internationa- len Rechtsordnung und umfasst die unverzichtbaren Werte und Regeln für ein friedliches Zusammenleben. Wir sind Zeugen, dass diese alte Erkenntnis Gestalt an- nimmt. Sie hat begonnen mit der Schaffung des Interna- tionalen Strafgerichtshofes und setzt sich fort durch das Völkerstrafgesetzbuch, das wir heute beschließen. Mit diesem Völkerstrafgesetzbuch werden schwerste Verlet- zungen des humanitären Völkerrechts nun auch durch die nationale Rechtsordnung und nationale Institutionen geächtet und verfolgt. Dies hat einen unmittelbaren prak- tischen Nutzen, indem so die Anwendung der völker- rechtlichen Bestimmungen, also die Verfolgung der Straftaten, sichergestellt wird. Es ist auch ein Signal der Ernsthaftigkeit; die Ächtung schwerster Verbrechen ge- gen die Menschlichkeit ist keine symbolische Geste, son- dern Gegenstand effektiven staatlichen Handelns. Die politische Dimension dieses Prozesses geht aber über diese praktischen Wirkungen hinaus: Die Über- nahme völkerrechtlicher Bestimmungen in nationales Strafrecht leitet eine Entwicklung ein, die den Dualismus zwischen dem zwar weltweit geltenden, aber durchset- zungsschwachen Völkerrecht einerseits und dem zwar durchsetzungsstarken, aber regional begrenzten staat- lichen Recht andererseits partiell auflöst und an seiner Stelle gemeinsames Recht vieler Staaten schafft. Das Recht antwortet damit der Wirklichkeit, in der sich die Unterscheidung zwischen innen und außen, zwischen in- nerer Bedrohung und äußerer Bedrohung, innerem Frieden und äußerem Frieden zunehmend auflöst. Die Entschei- dung für den Internationalen Strafgerichtshof und das Völ- kerstrafgesetzbuch sind der ernste und verbindliche Aus- druck der Geltung gemeinsamer universaler Werte. Sie sind die zivilisierte Antwort auf Terror und Krieg. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diesen Prozess immer positiv begleitet. Dies gilt auch für das jetzige Ge- setzesvorhaben. Der von unserer Fraktion gestellte Ände- rungsantrag umfasste zum einen die Einbeziehung der Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch in die Straftatenkataloge der §§ 126, 129 a und 138 des Strafge- setzbuches. Wir begrüßen, dass die Koalition in der letz- ten Sitzung des Rechtsausschusses diesem Teil unserer Änderungsanträge doch noch zugestimmt hat. Darüber hinaus zielt unser fortbestehender Änderungs- antrag darauf ab, dass die Bundesrepublik zur Verfolgung der schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch die strafprozessualen Mittel der §§ 100 a und 100 c der Strafprozessordnung einsetzt. Wir bedauern aus- drücklich, dass die rot-grüne Koalition aus rein internen, koalitionstaktischen Gründen hierzu die Kraft nicht auf- gebracht hat. Dies ist Ausdruck der inhaltlichen Auszeh- rung und politischen Schwäche der rot-grünen Koalition auch auf dem Gebiet der Rechtspolitik. Es ist schade, dass das Gesetzesvorhaben hiermit belastet wird. Aber ent- scheidend ist: Mit dem Völkerstrafgesetzbuch wird ein konkreter und zukunftsweisender Beitrag für eine gerech- tere und friedlichere Weltordnung geleistet. Darum stim- men wir dem Gesetzentwurf zu. Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Freude und Genugtuung stehe ich heute Abend hier und rede zu und mit Ihnen über unsere beiden von der Bun- desregierung vorgelegten Gesetzentwürfe zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches sowie zur Ausführung des Statutes von Rom. Als ich mich vor vielen Jahren nicht nur, aber auch in diesem Hause intensiv mit der juristi- schen Aufarbeitung des immensen von den beiden deut- schen Diktaturen im letzten Jahrhundert unzähligen Men- schen beigebrachten Unrechtes beschäftigt habe, musste ich wieder einmal erkennen: Das schlimmste, wirkungs- vollste und monströseste Unrecht liegt gar nicht in indivi- duellen Rechtsverletzungen oder Straftaten. Diese nehmen sich – gerade im 20. Jahrhundert! – minimal aus gegen das- jenige Unrecht, das in Befolgung der Gesetze geschehen ist. Diktaturen, gerade auch in Deutschland, haben es an sich, dass sie Gesetze erlassen, gegen die jedes menschli- che Empfinden rebelliert, dass sie formal zu Recht erklären, was jeden Gedanken von Freiheit, Demokratie, Toleranz und Menschenwürde zutiefst widerspricht: Verbrechen ge- gen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Verfolgung und Unterdrückung bis hin zu Mord und Völkermord. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223268 (C) (D) (A) (B) Die juristische Aufarbeitung solchen Unrechts gestal- tet sich schwierig. Dafür sorgt schon das verfassungs- rechtliche Rückwirkungsverbot. Der Grundsatz „nulla poena sine lege“ zwingt uns, immer nur dasjenige Recht anzuwenden, das zur Tatzeit für den Täter galt. So sind der justiziellen Aufarbeitung von Unrecht im nationalen Rechtsgefüge oft enge Grenzen gezogen. Diese Erkenntnis war ein Grund für mich – sicher nicht der einzige, allerdings aber ein sehr wichtiger – , mich sehr früh schon für die Einführung eines Völkerstrafge- setzbuches und die Schaffung eines ständigen Internatio- nalen Strafgerichtshofes einzusetzen. Nach unzähligen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern internatio- naler Juristenvereinigungen, von Amnesty International und auch aus dem Außen- und dem Justizministerium un- serer Bundesregierung, nach Kongressen, öffentlichen Anhörungen usw. habe ich schließlich in der vergangenen Legislaturperiode einen Antrag zur Schaffung eines stän- digen Internationalen Strafgerichtshofes im Deutschen Bundestag eingebracht – Drucksache 13/19935 –. Es ver- schafft mir große Befriedigung, nun heute mit Ihnen allen gemeinsam sowohl das rechtswirksame Zustandekom- men dieses Internationalen Strafgerichtshofes durch die Ratifizierung von mehr als 60 Mitgliedstaaten feiern und gleichzeitig auch die notwendige Umsetzung des Ergeb- nisses der in Rom hierüber getroffenen Vereinbarungen in das deutsche Recht vornehmen zu können. Das Zustandekommen dieses Internationalen Strafge- richtshofes ist ein Meilenstein in der Geschichte des Völ- kerrechtes. Die zügige Ratifikation so vieler Staaten belegt eindrucksvoll den Willen der internationalen Gemeinschaft zur Ächtung von Kriegsverbrechen, Völkermord und Ver- brechen gegen die Menschlichkeit. Derartige Handlungen haben keinen Platz mehr in unserer immer enger werden- den, dichter vernetzten und immer stärker aufeinander an- gewiesenen Welt. Es gibt einen starken und eindrucksvollen Willen, ele- mentaren Grundsätzen des Menschen- und Völkerrechtes über die Grenzen von Staaten und Systemen hinweg welt- weit Geltung zu verschaffen. Dies ist ein elementarer Fortschritt in der Geschichte der Menschheit. Künftig wird es möglich sein, auf der Basis international vertrag- lich vereinbarten Rechtes einzelne Personen, Gewalttäter, Terroristen oder auch rücksichtslose Diktatoren wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord vor Gericht zu stellen. Das so vereinbarte Recht schützt die Schwachen. Und es macht, das ist wichtig, vor der Mächtigen, vor den Thronen dieser Welt nicht halt. Denn auch regierende Per- sonen sind ausdrücklich vor Anklagen nicht geschützt. Dabei haben betroffene Staaten die Chance, selbst mit den Mitteln der Strafverfolgung und des Rechtes tätig zu werden. Nur dann, wenn und dort, wo sie das nicht können oder tun, wird der Internationale Strafgerichtshof tätig. Der oft, zum Beispiel auch im Falle der Nürnberger Prozesse oder aktuell im Falle des Jugoslawien-Gerichts- hofes von interessierter Seite erhobene Vorwurf der „Sie- gerjustiz“ geht gegenüber diesem ständigen Strafgerichts- hof ins Leere. Dies nicht nur, weil ein großer und ständig wachsender Teil der Staatengemeinschaft sich seinen Grundsätzen und seiner Jurisdiktion bereits freiwillig und auf Dauer unterworfen hat, sondern auch deshalb, weil seine Richterinnen und Richter nicht nur aus einem Land oder einem Teil der Erde, sondern auf Dauer aus allen der 139 Unterzeichnerstaaten kommen werden. Dies wird die Bereitschaft zur Anerkennung des Gerichtes als unpartei- ischer Wahrer des auf Grundlage frei getroffener Verein- barungen international geltenden Weltrechtes wesentlich befördern. Noch wichtiger ist ein zweiter Punkt: Anders als etwas das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal wird der Inter- nationale Strafgerichtshof die Rechtmäßigkeit seiner Strafverfolgung nicht mit hohem rechtsphilosophischen Aufwand lange nach den begangenen Taten erst begrün- den müssen. Denn die Taten, die vor seine Schranken kommen, werden vorher schon ausdrücklich und für je- dermann bekannt von jetzt an unter Strafe gestellt. Dies wird die wichtigste Funktion der Existenz dieses Gerichtes fördern: die Abschreckung. Wer künftig Verbre- chen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder das Verbrechen des Völkermordes begeht, muss und wird vom ersten Moment an wissen, dass er, für den Fall, dass er über- lebt, der Folgen seiner Taten nicht froh werden kann. Er muss und wird wissen, dass das Gericht auf ihn wartet und dass er weltweit in allen Staaten, die mit diesem zusam- menarbeiten, verfolgt werden wird – und dies so lange, bis er, vor Gericht gebracht, für seine Taten sühnen muss. Das heißt: Mit der Schaffung dieses Gerichtshofes wird die Welt für Menschen, die guten Willens sind, ein klein wenig sicherer und für Terroristen und Machthaber, die ihre Macht zur Begehung schrecklicher Verbrechen missbrauchen, etwas unsicherer werden. Mit dem NS-Unrechtsstaat hat Deutschland in einem Rechtssystem, das jedes Maß verlor, das Recht perver- tiert, hat Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommu- nisten, Pazifisten, Christen, anders Denkende pauschal rechtlos gestellt und der Verfolgung und Vernichtung aus- gesetzt. Wir dürfen und wir werden das nicht vergessen. Umso mehr ehrt es unser Land, dass gerade Deutschland zu den wichtigsten, engagiertesten und aktivsten Wegbe- reitern dieses Gerichtshofes gehört. Mein besonderer Dank gilt daher denjenigen Vertretern unseres Landes und unserer Regierung, die – über Partei- grenzen und den Wechsel von Regierungsmehrheiten hin- weg – dieses Projekt so tatkräftig vorangetrieben haben. Und mein Dank gilt den vielen Juristen- und Menschen- rechtsinitiativen und Verbänden, die diese Idee mit ent- wickelt, vorangetrieben und gefördert haben. Meine dringende Bitte richtet sich an Russland, China und die Vereinigten Staaten von Amerika, die bisher die Zu- sammenarbeit mit dem Gericht noch verweigern. Wer dem Recht auf Dauer Geltung verschaffen will, wer möchte, dass Freiheit, Menschenwürde und Menschenrechte welt- weit Gültigkeit erlangen, darf sich der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Völkerstrafgerichtshof nicht ver- weigern, will er nicht seine Glaubwürdigkeit verlieren. Die Stärkung des internationalen Rechtes ist die Alter- native zur Sprache der Waffen und der Gewalt. Der Aus- bau des Internationalen Rechtes stärkt Frieden, Freiheit, Menschenrecht und Menschenwürde. Geben wir diesem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23269 (C) (D) (A) (B) Weg eine Chance! Stärken wir das Recht als Mittel gegen Terror und Gewalt! Deshalb darf ich Sie um Unterstützung für die vorlie- genden Gesetzentwürfe bitten! Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): Die nur sehr kurze mir zur Verfügung stehende Redezeit will ich dem Völkerstrafgesetzbuch widmen; denn allein dieses ist das politisch Innovative. Der zweite Gegenstand unserer heuti- gen Befassung, das Ausführungs- bzw. Zusammenarbeits- gesetz, setzt lediglich – was ja auch gut und richtig ist – die Vorgaben des Römischen Statuts vom 17. Juli 1998 um, welches im Übrigen politisch maßgeblich von den Libera- len in der damaligen Bundesregierung mit zustande ge- bracht wurde. Deutschland ist nach dem Römischen Statut nicht ver- pflichtet, die dort thematisierten schweren Völkerrechts- verbrechen selber unter Strafe zu stellen. Es muss dann aber, wenn es eine innerstaatliche Pönalisierung nicht vor- sieht, Tatverdächtige zur Strafverfolgung an den Interna- tionalen Strafgerichtshof überstellen, und zwar auch, wenn es sich um eigene Staatsangehörige handelt. Stellt Deutschland also mit einem Völkerstrafgesetzbuch wie dem vorliegenden die inländische Strafverfolgung sicher, verhindert es zugleich, dass deutsche Staatsangehörige an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert werden müssen. Schon deshalb kann man die Gesetzesinitiative eigentlich nur unterstützen. Es geht zugleich aber auch um den Ausbau des deut- schen Strafrechts zu einer im Hinblick auf die internatio- nalen Verpflichtungen und Herausforderungen leistungs- fähigen, modernen und den eigenen Ansprüchen gerecht werdenden Rechtsordnung. Wir wollen ja die Domesti- zierung des internationalen Geschehens, also auch die Friedenssicherung, durch das Recht. Wir wollen die inter- nationale rechtliche Verbindlichkeit der grundlegenden, gemeinsamen Wertvorstellungen auf diesem Globus. Wir wollen die persönliche Verantwortlichkeit staatspoliti- scher Täter vor der Völkergemeinschaft. Deshalb müssen wir in dieser Richtung auch alle Schritte unternehmen, die uns unserem Ziel näher bringen. Und es erübrigt sich, zu sagen, dass dies dann natürlich auch die Bereitschaft vo- raussetzt, das bisherige System zu reformieren und über- kommene, enge Souveränitätsvorstellungen aufzugeben. Auch dies wäre reizvoll näher auszuführen; ich kann das aber wegen der Kürze der Zeit leider nicht tun. Denn schließlich, drittens, soll das Völkerstrafrecht ja als solches noch vorangebracht und weiterentwickelt werden. Insofern haben wir die Chance, mit unserem Völkerstrafge- setzbuch jetzt einen Markstein zu setzen und gewisser- maßen eine kodifikatorische Vorbildfunktion zu überneh- men. Dies ist mit dem vorgelegten Corpus – das will ich freudig anerkennen – insgesamt gut gelungen. Ich möchte deshalb an dieser Stelle vor allem der vom Bundesjustizmi- nisterium eingesetzten Expertenarbeitsgruppe für ihre maß- stabsetzende Entwurfsfassung danken und – das sehen Sie mir hoffentlich nach – meiner Genugtuung Ausdruck geben, dass die parlamentarische Beratung an diesem geschlos- senen Konzept nicht sonderlich herumfrisiert hat. Die FDP jedenfalls wird den Gesetzesvorlagen gerne zustimmen. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Meine Fraktion wird bei- den Gesetzentwürfen zustimmen. Das Völkerstrafgesetz- buch setzt das materielle Recht des Römischen Statuts im Großen und Ganzen adäquat in deutsches innerstaatliches Recht um. Es ist zweifellos ein gewichtiges Gesetzes- werk. Das Ausführungsgesetz regelt die Zusammenarbeit deutscher Behörden mit dem Internationalen Strafge- richtshof auf eine Weise, die rechtsstaatlichen Erforder- nissen und praktischen Notwendigkeiten entspricht. Auch ich halte das In-Kraft-Treten des Statuts für ein außerordentlich bedeutsames politisches und völkerrecht- liches Ereignis. Ich würdige ausdrücklich den Anteil der deutschen Diplomatie an seinem Zustandekommen. Erst- malig in der Geschichte kann ein internationaler Ge- richtshof mit universalem Anspruch schwerste internatio- nale Verbrechen verfolgen lassen und bestrafen. Das gilt allerdings nur, wenn ein Vertragsstaat nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Strafverfolgung selbst zu betreiben. Er ergänzt also nur die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit. Der Gerichtshof kann seinen univer- salen Anspruch nur in dem Maße verwirklichen, wie im- mer mehr Staaten Vertragspartner des Statuts werden. Ge- genwärtig fehlen noch etwa 120 Ratifikationen, darunter die von China, Indien, Pakistan, Russland, der Türkei und der USA. Die USA veranstalten geradezu ein Kesseltrei- ben gegen das Statut und den Gerichtshof. Ich bin mir nicht sicher, ob die Regierung dagegen das oft beschwo- rene gewachsene Gewicht Deutschlands mit aller Deut- lichkeit in die Waagschale wirft. Ich habe schon bei früherer Gelegenheit darauf auf- merksam gemacht, dass das Römische Statut auch Defi- zite enthält. Es ist ja ein Kompromiss zwischen vielen Staaten. Diese Defizite werden durch das vorliegende Ge- setz nun im innerstaatlichen Recht sozusagen fortgeschrie- ben. Man sagt, das geht nicht anders, weil die beanspruchte Geltung des Weltrechtsprinzips es verbietet, dass das Völ- kerstrafgesetzbuch über die vertraglich oder gewohnheits- rechtlich eindeutig abgesicherten Verbrechenstatbestände hinausgeht. Ich meine, das Problem hätte sich juristisch lösen lassen. In meinen Augen ist es mehr als ein Schönheitsfehler, dass das deutsche Völkerstrafgesetzbuch keinen Tatbe- stand des Aggressionsverbrechens enthält. Der Erstein- satz von Atomwaffen wird im Entwurf der Regierung nicht unter Strafe gestellt, ebenso wenig wie die Anwen- dung besonders grausamer Waffen, wie Laserwaffen und Antipersonenminen, von Streu- und Splitterbomben. Ich nenne nur einige gravierende Defizite. Unser Entschließungsantrag verfolgt das Ziel, die Defi- zite sowohl im Römischen Statut als auch im Völkerstraf- gesetzbuch zu überwinden. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz: Ich freue mich sehr, dass wir bereits heute das Ge- setz zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und das zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationa- len Strafgerichtshofs in zweiter und dritter Lesung bera- ten und beschließen können. Das zeigt nicht nur, dass die Bundesregierung auch hier sehr gut gearbeitet hat, son- dern macht die parteienübergreifende breite Unterstüt- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223270 (C) (D) (A) (B) zung für die Errichtung und die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs hier im Deutschen Bundestag deutlich. Deutschland nimmt seine Verantwortung wahr und leistet seinen Beitrag zur Bekämpfung und Verfolgung der schwersten Verbrechen in unserer internationalen Gemein- schaft: Bei Völkermord, Verbrechen gegen die Mensch- lichkeit und Kriegsverbrechen darf es künftig nirgendwo auf dieser Welt mehr Straflosigkeit geben. Vor knapp vier Jahren, am 17. Juli 1998, ist in Rom das Statut des künftigen Internationalen Strafgerichtshofs von 120 Staaten angenommen worden. Er soll seinen Sitz in Den Haag bekommen und die ständige Gerichtsbarkeit über die schwersten Völkerrechtsverbrechen ausüben. Deutschland hat die Errichtung dieses Internationalen Strafgerichtshofes immer breit gefördert und das Statut bereits am 11. Dezember 2000 ratifiziert. Bei aller Unter- stützung bleibt doch darauf hinzuweisen, dass selbst die größten Optimisten die für das In-Kraft-Treten des Status nötigen Ratifikation durch 60 Vertragsstaaten erst in eini- gen Jahren erwartet hatten. Tatsache ist jedoch, dass der Gerichtshof schon sehr bald seine Arbeit aufnehmen kann. Nachdem vor zwei Wochen in New York nicht nur die 60., sondern schon die 66. Ratifikationsurkunde hin- terlegt wurde, kann das Statut am 1. Juli 2002 in Kraft tre- ten. Das ist ein großer Erfolg. Der IStGH wird ein echter „Weltstrafgerichtshof“ sein. Zwar stehen heute noch große Staaten der Welt, auch sol- che mit rechtsstaatlicher Tradition – wie etwa die USA – beiseite. Das ist bedauerlich, deshalb werben nicht nur wir hier in Deutschland, sondern alle Mitgliedstaaten der EU darum, dass die Regierung der USA ihre derzeitige politi- sche Skepsis überwindet und mitarbeitet. Ich werde auch die G-8-Konferenz der Justizminister in Kanada in eini- gen Tagen dazu nutzen, dafür zu werben. Insgesamt bin ich auch in diesem Punkt optimistisch – die Arbeit des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs wird dazu beitragen, dass dieses globale Recht immer stärker auch für diese großen Staaten gelten wird. Sie sollen nicht auf Dauer abseits stehen. Für uns in Deutschland geht es jetzt nicht allein darum, die Aufbauarbeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu unterstützen. Wir – und das geschieht durch die heute be- ratenen Gesetze – richten auch unser innerstaatliches Recht auf die künftigen Anforderungen aus, soweit dies nötig und sinnvoll ist. Das Ausführungsgesetz schafft die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden mit dem Internationalen Straf- gerichtshof, etwa bei der Überstellung beschuldigter Per- sonen und der Übersendung von Beweismaterial. Die Re- gelungen folgen dem Statut und berücksichtigen die guten Erfahrungen der Zusammenarbeit insbesondere mit dem Jugoslawien-Gerichtshof, dem wir, ebenso wie dem Ruanda-Gerichtshof für seine hervorragende Arbeit auch an dieser Stelle ausdrücklich danken. Wir alle wissen auch, dass die Verfolgung von Völker- rechtsverbrechen vor den deutschen Gerichten wichtig bleibt. Der Komplementaritäts-Grundsatz des Römischen Status setzt ja fest, dass die Gerichtsbarkeit des Interna- tionalen Strafgerichtshofs nur greift, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, eines der vom Statut erfassten Kernverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Das heißt, die Vertragsstaaten behalten ihre Verantwortung für die internationale Strafgerichtsbarkeit, soweit sie das kön- nen. Wir als Rechtsstaat können und wollen das. Mit unserem Völkerstrafgesetzbuch schaffen wir eine verbesserte Rechtsgrundlage für die Verfolgung von Völ- kerrechtsverbrechen. Bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gelten jetzt die besonderen Straftatbestände. Diese schrecklichen Verbre- chen sind heute durch das allgemeine Strafrecht zwar er- fasst; ihr besonderer Unrechtsgehalt, etwa bei Massen- vergewaltigungen und ethnischer Säuberung im Rahmen systematischer Angriffe gegen die Zivilbevölkerung oder in einem Krieg, kommt jedoch in den Bestimmungen des Völkerstrafgesetzbuchs besser zum Ausdruck. Das gilt auch für die anderen hier angesprochenen Verbrechen wie etwa die Folter, die jetzt gesondert und nicht mehr allein über einen Tatbestand der Körperverletzung bestraft wird. Das Völkerstrafgesetzbuch setzt das Römische Statut um und nimmt zugleich gesichertes Völkergewohnheits- recht auf. Damit erleichtert es die Arbeit der Praxis und fördert darüber hinaus die Entwicklung und Verbreitung des humanitären Völkerrechts. Ein Wort noch zum Weltrechtsprinzip. Auch Täter, die weder selbst Deutsche sind, noch ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Deutschland oder an Deutschen be- gehen, können hier zur Verantwortung gezogen werden. Das ist vernünftig, einfach um die globale Bedeutung der Ächtung und Verfolgung solcher schwerster Straftaten zu unterstreichen. Allzu häufig werden freilich solche Fälle nicht sein. Die vorgesehene Einstellungsmöglichkeit stellt zudem sicher, dass die deutsche Justiz mit Verfahren ohne Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss im Inland oder bei bestehender Strafverfolgung durch vorrangig be- rufene andere Staaten oder durch die internationale Ge- richtsbarkeit nicht unnötig belastet wird. Ich habe schon erwähnt, die vorliegenden Gesetze sind gut. Und ich danke allen, die bei ihrer Erarbeitung und Be- ratung mitgewirkt haben: Das ist zum einen die Exper- tenkommission mit den Professoren Wehrle, Fischer, Weigend, Zimmermann, Ambos; das sind zum anderen die hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafrechtsabteilung des Bundesministeriums der Justiz unter Ministerialdirektor Wilkitzki, die sich ja seit Jahren nicht nur bei der Erarbeitung des Römischen Statuts, son- dern gerade auch beim Aufbau des Internationalen Strafgerichtshofs engagieren, und die Experten aus dem AA und dem BMV. Ich danke auch in besonderem Maße den Kolleginnen und Kollegen auf allen Seiten dieses Hauses, die sich beteiligt haben. Unser Völkerstrafgesetzbuch stößt auf großes Interesse auch im Ausland. Gerade auch bei den Staaten, die ebenfalls vor der Frage stehen, wie sie das Römische Statut umsetzen. Deshalb gibt es bereits eine englische und französische, eine russische und spanische Fassung; eine chinesische wird in Kürze folgen. Die deutsche Delegation hat es bei der jüngs- ten Tagung der Vorbereitungskommission für den Interna- tionalen Strafgerichtshof im April in New York vorgestellt – mit außerordentlich positivem Echo. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23271 (C) (D) (A) (B) Die Botschaft des Ständigen Internationalen Strafge- richtshofs ist: Die Folterknechte und Schreibtischtäter dieser Welt können sich nirgendwo und zu keiner Zeit mehr vor einer gerechten Strafverfolgung sicher fühlen. Diese Botschaft unterstreichen und stärken wir heute. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes über die Untersuchung von Seeunfällen (See- unfalluntersuchungsänderungsgesetz SeeUÄndG) – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Bildung einer Leitstelle für Seesicherheit – des Antrags: Maritime Sicherheit auf der Ostsee (Tagesordnungspunkte 12 a bis c) Annette Faße (SPD): Wir – die rot-grüne Bundesre- gierung und die Koalitionsfraktionen – haben auf dem Gebiet der Schiffssicherheit eine Menge erreicht. Der Bundesverkehrsminister hat mit der umfassenden Neu- konzeption der maritimen Notfallvorsorge Maßnahmen eingeleitet, die wesentlich dazu beitragen werden, das Schiffssicherheitskonzept zu optimieren. Ich möchte dem Ministerium an dieser Stelle – insbesondere auch als Be- troffene, als Küstenbewohnerin – meinen ausdrücklichen Dank für die effektive und erfolgreiche Arbeit in den ver- gangenen vier Jahren aussprechen. Im Gegensatz zu den Damen und Herren von der Opposition haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Im Falle eines schweren Seeunfalls ist ein zügiges, ef- fektives und kompetentes Eingreifen unbedingt erforder- lich. Hier zumindest scheinen wir einer Meinung zu sein. Mit der Errichtung eines Havariekommandos wird dies gewährleistet, und zwar auch ohne eine Änderung des Grundgesetzes. Uns ist es in erster Linie wichtig, dass das Havariekommando so schnell wie möglich seine Arbeit aufnehmen kann. Überflüssige Grundgesetzänderungen würden den Prozess der Optimierung des Sicherheitskon- zepts nur unnötig verlängern. Ich bin schon etwas verwundert, wenn uns die CDU/ CSU in ihrem Antrag mit der Errichtung des Havariekom- mandos eine „Alibi-Aktion“ unterstellt und plötzlich vehe- ment eine Zusammenfassung der bisher getrennten Aufga- benzuordnung von Bund und Ländern einfordert. Wenn ihr das so wichtig ist, frage ich mich allerdings, warum sie das nicht angegangen ist, als sie die Gelegenheit dazu hatte. Zeit genug dazu hatte sie. Dass sie es nicht tat, liegt wohl daran, dass sie die be- stehende Struktur für vollkommen ausreichend hielt. Dies kann sie gerne in der Antwort der alten Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Sicherheit in der Deutschen Bucht V“, Drucksache 13/11453, nachlesen. Dort heißt es: „Die bestehende Einsatzleitungsstruktur hat sich bei der Bekämpfung von Unfallfolgen und den regelmäßig durchgeführten Übungen bewährt.“ Also möge sie uns bitte nicht erzählen, das geplante Havariekommando sei unzureichend. Im Übrigen setzen wir mit dem Havariekommando in Konsens mit den Küstenländern zentrale Empfehlungen der Grobecker-Kommission um. Bereits seit Dezember 2001 werden in Cuxhaven die Voraussetzungen geschaffen, damit das Havariekom- mando noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen kann. Die entsprechenden Vereinbarungen mit den Landesre- gierungen sind auf Arbeitsebene abgestimmt und den Län- dern zugeleitet worden. Es ist also davon auszugehen, dass die Länderkabinette bald ihre Zustimmung erteilen werden. Die Einsatzzentrale des Havariekommandos wird ein in 24-Stunden-Bereitschaft gehaltenes maritimes Lagezen- trum sein, das aus dem Bereich der Wasser- und Schiff- fahrtsverwaltung des Bundes und den Wasserschutzpoli- zeien der Küstenländer derzeit aufgebaut wird. Dort laufen künftig alle notwendigen Informationen zusammen. Der Leiter des Havariekommandos übernimmt die Führung des Einsatzes, wobei er von Arbeitsstäben für Schadstoff- und Brandbekämpfung, Verletztenversorgung, Bergung und Öffentlichkeitsarbeit beraten wird. Für den Einsatz kann er allen notwendigen Kräften des Bundes und der Küstenländer, zum Beispiel der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, den Feuerwehren, den Schleppern und den Ölbekämpfungsschiffen, Einsätze er- teilen und Einsatzabschnitte einrichten. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und die Bundesmarine werden vollständig in die Arbeit des Havariekommandos integriert. Da der konkrete Einsatzfall hoffentlich künftig der ab- solute Ausnahmefall bleibt, wird unter dem Dach des Ma- ritimen Lagezentrums ein Kompetenzzentrum für alle Fra- gen der maritimen Unfallbekämpfung eingerichtet. Darin werden alle bisherigen Aufgaben, wie der Zentrale Melde- kopf oder die Sonderstellen zur Schadstoffbekämpfung, aufgehen. Für die Schiffsbrandbekämpfung gibt es dann erstmals eine zentrale Stelle. Neben dem Havariekommando ist die Vorhaltung aus- reichender Schleppkapazität ein elementarer Bestandteil eines optimalen Sicherheitskonzepts. Ich habe es sehr be- grüßt, dass mit Beginn des letzten Winterhalbjahres erst- mals auch in der Ostsee zwei Notschlepper in Rostock und Kiel stationiert sind. Ziel sind möglichst kurze Eingreifzeiten von maximal zwei Stunden in Nord- und Ostsee. Für die Nordsee ist der Chartervertrag für den Hochseeschlepper „Oceanic“ um weitere sechs Monate verlängert worden. Darüber hinaus ist im Frühjahr dieses Jahres ein europaweites Interessen- bekundungsverfahren eingeleitet worden. Dieses gibt den Schleppreedereien die Möglichkeit, ihre Vorstellungen und Angebote zur Umsetzung des Notschleppkonzepts darzulegen. Damit ist der teilweise geäußerten Kritik an den technischen Anforderungen des Notschleppers be- gegnet worden. Ich komme nun zu dem Bereich, der im Februar an die- ser Stelle höchst umstritten war, die Reform der Seeun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223272 (C) (D) (A) (B) falluntersuchung. Sie war umstritten, weil die Opposition entweder von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist oder bewusst Unwahrheiten verbreitet hat, die sie auch noch weiter verbreitet. Aber lange werden die Leute ihr nicht mehr auf den Leim gehen; denn es wird sich zeigen, dass die Seeämter auch mit der neuen Gesetzeslage erhal- ten bleiben. Ich bleibe dabei: Die Reform der Seeunfallunter- suchung ist ein wichtiger und notwendiger Beitrag zur Ver- besserung der Schiffssicherheit und zur Unfallvermeidung. Damit haben wir mit unserem Gesetz die Unfallunter- suchung endlich an den internationalen Standard angepasst. Ihr Gesetzentwurf ist damit gegenstandslos geworden. Er wird im Übrigen den deutschen rechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Ein wasserdichtes Notfallmanagement gibt es leider nicht. Aber wir haben mit den in den vergangenen vier Jahren eingeleiteten Maßnahmen die maritime Sicherheit entscheidend verbessert. Eine Optimierung werden wir Schritt für Schritt weiterverfolgen. Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Mit dem vorliegen- den Antrag fordern alle Fraktionen des Deutschen Bun- destages die Bundesregierung auf, bis Ende Mai dem Bundestag einen Bericht zur maritimen Sicherheit im Ost- seeraum zuzuleiten. In diesem Bericht sollen die Maßnah- men aufgeführt werden, die bereits realisiert oder geplant sind. Derartige Berichte sollen in allen Ostseeanrainer- staaten erarbeitet und veröffentlicht werden. Damit kann zum ersten Mal eine vergleichende Analyse für den ge- samten Ostseebereich erstellt werden. Die Berichte stellen dann zusammen mit den Ergeb- nissen einer im Mai stattfindenden Experten-Anhörung in Kopenhagen die Grundlage für Beschlussempfehlungen der 11. Ostseeparlamentarierkonferenz im September in St. Petersburg dar. Zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Beschlussfassung für die Konferenz in St. Petersburg ist eigens und erstmals eine Arbeitsgruppe der Ostseeparla- mantarierkonferenz eingesetzt worden. Es ist sehr erfreu- lich, dass sich der Deutsche Bundestag bei diesem Antrag einig ist, und ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung einen Bericht erstellen wird, der sich sehen lassen kann. Ist in Deutschland bisher vorrangig die maritime Si- cherheit auf der Ostsee aus nationaler Sicht diskutiert worden, zum Beispiel bezogen auf die nationalen Gewäs- ser, so hat sich bei Havarien insbesondere bei der Kader- rinne gezeigt, dass es sich hier um eine internationale Auf- gabe handelt. Diese internationale Aufgabenstellung wurde bisher be- sonders von der HELCOM wahrgenommen, meiner Mei- nung nach mit sehr großem Erfolg, besonders auch unter umweltpolitischen Aspekten, wie Kollegin Deichmann und ich in Helsinki feststellen konnten. Aber auch die Ost- seeparlamentarierkonferenz hat sich dieser internationalen Aufgabe gestellt: Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe „Maritime Sicherheit“ ist der Anfang. Auf der Konferenz in Helsinki sind bereits diverse Maßnahmen gefordert worden. Hierauf wird der Bericht der Bundesregierung besonders eingehen. Die Konse- quenzen aus den verschiedenen nationalen Berichten wird dann der nächste Deutsche Bundestag nach der Ostsee- parlamentarierkonferenz in St. Petersburg ziehen. Die Ostseeparlamentarierkonferenz hat natürlich wenig von dem, was man Institution nennt. Deshalb hat sich be- sonders der Landtag Mecklenburg-Vorpommern große Ver- dienste bei den Vorbereitungen der Aktivitäten erworben, insbesondere der Vorsitzende Dr. Henning Klostermann. Das gilt auch für die im Mai stattfindende internatio- nale Anhörung in Kopenhagen. Dazu muss ich erneut eine Bitte an die Bundesregierung richten: Es wäre gut, wenn sie Clauß Grobecker als Sachverständigen vorschlagen würde, gegebenenfalls auch einen Mitarbeiter aus dem Verkehrsministerium. Fast alle anderen Ostseeanrainerstaaten sind vertreten. Außerdem könnte das Grobecker Gutachten offizielle Be- ratungsgrundlage werden. Ich glaube nicht, dass wir uns verstecken müssen und eine internationale Parlamentarier- konferenz ist auf eine entsprechende Zuarbeit angewiesen. Vielleicht überlegt sich das Verkehrsministerium diese Bitte noch einmal. Alle weiteren inhaltlichen Aspekte sind nach der Vorlage des Berichtes der Bundesregierung nach der Konferenz in St. Petersburg zu beraten. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Schwer- punkt aller politischen Maßnahmen um zu mehr Seesi- cherheit zu kommen, muss die Unfallvermeidung sein. Deshalb halten wir von der Union an unserer Forderung nach einer nationalen Küstenwache fest. Das im letzten Sommer von Bundesverkehrsminister Bodewig konzi- pierte Havariekommando ist nur ein erster Schritt dazu, es erfüllt nicht die notwendigen Anforderungen an ein nau- tisches Sicherheitskonzept aus einem Guss. Wir brauchen eine nationale Küstenwache, wie sie in anderen Ländern mit Erfolg praktiziert wird, weil wir im Falle einer Hava- rie kurze Reaktionszeiten benötigen, weil wir eine straffe, alle Kompetenzen umfassende Organisation brauchen, weil alle an der Rettung Beteiligten nach einheitlichen Grundsätzen handeln müssen und weil die Handelnden als Team aufeinander eingespielt sein müssen und nicht erst im Falle eine Havarie kurzfristig zusammengerufen werden können. Das Havariekommando steht nur in einem konkreten Havariefall unter einheitlicher Führung, eine ständige Einrichtung aller mit einem eingespielten Team ist es nicht. Kontraproduktiv ist das Ausgrenzen von Zoll, BGS und Bundesmarine, so Kritiker von der Küste. Die nauti- schen Vereine sowie die Arbeitsgemeinschaft der Berufs- feuerwehren, machten erst vor kurzem wieder darauf aufmerksam, dass effektiver Küstenschutz nur unter Ein- beziehung der SAR-Hubschrauber, Ölaufklärungsflug- zeuge und Ölauffangschiffe der Bundesmarine möglich ist, so sehen es auch andere Experten. Von den Schleppern bis hin zu den Ölbekämpfungs- schiffen verfügt allein der Bund über 100 Boote. Noch im- mer gelten für den Einsatzverbund Küste zwei Zentren: Neustadt für die Ostsee, Cuxhaven für die Nordsee. Der Bundesrechnungshof hat, wie auch der Haushalts- ausschuss des Deutschen Bundestages, die Bundesregie- rung mehrfach auf die Notwendigkeit der Konzentration Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23273 (C) (D) (A) (B) aller Seedienste hingewiesen; auch aus fiskalisch-ökono- mischen Überlegungen. Das Management aller Boote aus einer Hand im Krisenfall wurde als Zielmarke herausge- stellt. Handlungsdruck kommt auch von der EU-Kom- mission und durch das Europäische Parlament. Die EU will eine europäische Küstenwache. Deutschland kann aber diesem Erfordernis nur dann entsprechen, wenn es zuerst einmal eine nationale See- und Küstenwache schafft. Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass man eine einheitliche Schiffssicherheitsbehörde, ein Amt für Seesicherheit, mit allen Kompetenzen im Katastro- phenfall benötigt. Das alles ist in dem Bericht der Kom- mission über die „Gesamtstrategie der Gemeinschaft für die Sicherheit im Seeverkehr“ nachzulesen. Es fehlt ein Unfallmanagement aus einem Guss mit klaren Zuständigkeiten, einheitlicher Führung und dem Recht des direkten Zugriffs auf alle Einheiten. Seit der „Pallas-Katastrophe“ vor dreieinhalb Jahren sind nur unzulängliche Entscheidungen getroffen worden, weil sie in unserem föderalen Zuständigkeitswirrwarr of- fensichtlich auch gar nicht zu treffen sind. Deshalb muss die Bundesregierung in diesem Punkt endlich für eine Neuordnung der Zuständigkeiten sorgen. Notwendig dafür ist eine Grundgesetzänderung. Zu die- sem Schluss kommt auch das fundierte Gutachten der Universität Rostock, das im Auftrag der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern erstellt wurde. Es liegt in unserer Verantwortung als Parlament, das aufzugreifen, was unter anderem der Schleswig-Holsteinische Landtag unter Einbindung von Sozialdemokraten, Christdemokra- ten, Bündnisgrünen und Freien Demokraten vor mehr als zweieinhalb Jahren beschlossen hat. Dort wurde, wie 2001 in Schwerin, eine Grundgesetzänderung gefordert, um zu einer einheitlichen Lösung beim Seekatastrophen- schutz zu kommen. Diese Anregungen aus Kiel und Schwerin, fachlich und sachlich begründet, sind von der Bundesregierung nicht aufgegriffen worden. Delegiert von den beteiligten Behörden wird im Kata- strophenfall beim Havariekommando nur auf Zeit. Jeder bleibt in seiner Uniform. Die Abgabe von Kompetenzen kann kurzfristig widerrufen werden. Auch wechseln viele der verantwortlichen Personen erst im Notfall ihre Posi- tion unter das Dach des Kommandos. Eine Kontinuität der Zusammenarbeit ist trotz vorgesehener Trainingsperioden schwer erkennbar. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben mit der Zielrichtung einer konsequenten, unmittelbaren See- Katastrophen-Abwehr zahlreiche Initiativen ergriffen. Das gilt auch für die CDU/CSU-Landtagsfraktionen in Kiel und Schwerin. Als Berliner Anträge sind die Große Anfrage der Union von 1999 mit dem Titel „Schaffung ei- ner deutschen Küstenwache“, die Kleine Anfrage aus dem Jahr 2000 „Sicherheits- und Notfallkonzept für Nord- und Ostsee“, 2001 die erst heute auf der Tagesordnung ste- hende Initiative „Bildung einer Leitstelle für Seesicher- heit“, unser Antrag „Optimierung der Ostseesicherheit im Bereich der Kadetrinne“ sowie aktuell aus diesem Jahr der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Untersuchung von Seeunfällen“ und die heute zu debattierende überfraktionelle Initiative „Maritime Si- cherheit auf der Ostsee“ zu erwähnen. Alle Initiativen der Opposition wurden von der Regie- rungsbank bisher abgeschmettert, stattdessen das umstrit- tene Havariekommando ins Leben gerufen. Selbst in des- sen Struktur eingebundene Einrichtungen wissen bis heute nicht, was ihre Aufgaben und Kompetenzen inner- halb des Kommandos sind, wie ich erst diese Woche von Petenten erfahren musste. Jährlich nehmen 90 000 Schiffe Kurs auf die Deutsche Bucht. Täglich sind folgenschwere Unfälle auf See mög- lich. In den letzten zehn Jahren kam es zu über 100 schwe- ren Schiffsunfällen in Nord- und Ostsee, über 20 alleine in dem nur 50 Quadratkilometer großen Bereich der Ka- detrinne. Sie ist eine der meistbefahrenen Schifffahrts- wege in der Ostsee. Täglich passieren drei bis vier Tanker, dazu circa fünf Massengutfrachter, diese Strecke, jährlich etwa 50 000 Schiffe. Die Kadetrinne hat teilweise nur eine Tiefe von 18 Metern, was sie extrem risikoreich für tief liegende 100 000-Tonnen-Tanker macht. Da es sich um ein internationales Gewässer handelt, gibt es hier weder eine Lotsannahmepflicht noch eine Ra- darüberwachung, noch ist es ein Verkehrstrennungsge- biet. Die Gefahr einer Ölpest ist täglich gegeben, wie das Tankerunglück der „Baltic Carrier“ vom 29. März letzten Jahres zeigte. Hier ist vom Bundesverkehrsminister erst nach öffentlichen Protesten, aber bisher nicht ausreichend gehandelt worden. Eine Risikolücke besteht weiterhin. Sie soll offenbar sogar vergrößert werden: Es ist auf- merksamen Gewerkschaftern zu verdanken, dass im Spät- sommer des vergangenen Jahres die Geheimpläne des Bundesministers über einen radikale Stellenabbau von 6 200 Planstellen im Bereich der See- und Wasserbehör- den bekannt wurden. Durch Privatisierung von Diensten, Ausgabenverlage- rung und Abbau von Arbeitsplätzen will Bodewig sein ehrgeiziges Ziel durchsetzen. Zwar hat ihn der Protest der Personalräte derzeit einknicken lassen, doch die Gutach- ten haben ihre Aktualität nicht verloren. Die jetzt begin- nende personelle Entleerung der Seeämter wird von Ge- werkschaftern als Anfang des größten Personalabbaus in der Geschichte des Bundesverkehrsministeriums gesehen und auch als einen Verlust von Sicherheit. Auch wenn die Bodewig-Pläne in die Schublade zurückgelegt wurden, haben sie doch zu Unruhe, Besorgnis und Ängsten bei Tausenden von Familien und bei den Seesicherheitsver- bänden an der Küste geführt. Eine ganze Legislaturperiode ist nichts Grundlegendes geschehen, sieht man einmal davon ab, dass sich jetzt be- reits ein dritter SPD-Verkehrsminister einarbeiten musste. Jetzt einen Bericht der Bundesregierung zur „Maritimen Sicherheit auf der Ostsee“ zu fordern, ist für vier Jahre Regierungsbilanz mehr als mager, aber immer noch bes- ser als gar nichts. Eine weitere Bestandsaufnahme wird keine zusätzliche Sicherheit bringen, wird aber auch kei- nen weiteren Schaden anrichten, wie das vor wenigen Wo- chen radikal und undemokratisch geänderte Seeunfallun- tersuchungsverfahren. Deshalb werden wir heute dem überfraktionellen An- trag zustimmen und auf interessante Anregungen für un- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223274 (C) (D) (A) (B) sere Regierungszeit nach dem 22. September hoffen. Das vor wenigen Wochen von der Regierung geänderte See- unfall-Untersuchungsgesetz schließt in Zukunft die Öf- fentlichkeit von Seeamtsverhandlungen aus. Es verlagert die Fachaufsicht in die Bundesbehörde. Es ermöglicht die Weitergabe aller personengestützten Daten. Es schafft das Widerspruchsverfahren ab. Es verzichtet auf die Einbezie- hung von ehrenamtlichen Fachleuten. Ich greife bewusst noch einmal unsere Hauptkritikpunkte aus der 1. Lesung auf: Erstens. Damit verstößt das Gesetz gegen den Grund- satz von Transparenz bei Seeunfalluntersuchungen, in de- nen der Staat oder seine Verwaltung eine Mitschuld trägt. Der Angeklagte ist in Zukunft sein eigener Richter. Zweitens. Damit verstößt das Gesetz gegen die Presse- freiheit, weil aus den bisher öffentlichen Seeamtsver- handlungen jetzt behördeninterne Verfahren werden. Den Journalisten und Angehörigen von Unfallopfern ist es in Zukunft verboten, an 90 Prozent aller Seeamtsverhand- lungen teilzunehmen. Drittens. Damit verstößt das Gesetz gegen den Persön- lichkeitsschutz. Kommt es zu einem Seeunfall, wird ein Matrose oder Offizier beschuldigt, können sie sich nicht mehr öffentlich dagegen wehren. Die Verhandlungen erfolgen hinter verschlossenen Türen. Und ist der Beschuldigte auch schuldlos, der Ma- kel bleibt, dem Rufmord sind Tor und Tür geöffnet. Recht hat nur noch die Behörde. Das Gesetz verstößt gegen eine Reihe grundsätzlicher Prinzipien unserer Demokratie. Deshalb kämpften aufrechte Demokraten und nahezu alle Fachleute von Nord- und Ostsee sowie Verbände gegen das Kritik-Verhinderungsgesetz von Rot-Grün. Gewerkschafter und Greenpeace protestierten dagegen, die Lotsenkammer, die Reeder, die nautischen Vereine, die Schiffsingenieure, die Schutzgemeinschaft deutsche Nord- seeküste, die Seglerverbände, die Wasserschutzpolizei, Be- triebs- und Personalräte aus der maritimen Wirtschaft, Um- weltschützer, Fischer, auch der schleswig-holsteinische Journalistenverband. Obwohl sich unter dieser geballten Front der Küsten- kritiker Sympathisanten der Koalition befinden, ließ Bun- desminister Kurt Bodewig dieser Protest kalt. Diese Kalt- schnäuzigkeit im Umgang mit kritischen Bürgern gilt auch für Teile der SPD und der Bündnisgrünen. „Keine Anregung, kein Ratschlag von uns“, so ein Sprecher der Aktionskonferenz Nordsee, „wurde von Bodewigs Minis- terium oder von SPD und Grünen akzeptiert. Zwei Mal standen wir als Bittsteller vor verschlossenen Türen.“ Dieser außergewöhnliche Vorgang lässt nach den Be- weggründen von Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig fragen, warum hier ein im Ansatz undemokratisches Ge- setz mit der Brechstange durchgeboxt worden ist. Da geht es zuerst einmal um das Reform-Image des Ministers. Mit diesem Gesetz werden die Seeämter von Emden, Bremer- haven, Hamburg und Rostock im Prinzip aufgelöst und das Seeamt Kiel verkleinert. Es bleibt das Oberseeamt in Hamburg. Dieses wird in Zukunft allein für die Seeamtsverhandlungen zuständig sein, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Aufsicht über dieses Amt übt das Bundesverkehrsministerium aus. Verwaltungstechnisch ist das Hamburger BSU beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie angesie- delt. Auch diese Behörde ist wiederum Berlin unterstellt. „Reformziel erreicht“, kann Kurt Bodewig melden, „mehr Zentralisierung, weniger Personal und doppelte Abhän- gigkeit der neuen Behörde vom eigenen Ministerium.“ Einen weiteren Beweggrund dieser eiskalten Seeamts- reform sehen die Küstenkritiker in der Tatsache, dass sich nach der Havarie der „Pallas“ Seeämter – also Behörden- vertreter – erdreistet haben, ebenso wie viele Fachleute Kritik an dem dilletantischen Krisenmanagement von Rot-Grün in Kiel, aber auch am Berliner Ministerium zu üben. Der schleswig-holsteinische Journalistenverband spricht mit Recht von einer „Lex-Pallas“, die verabschie- det worden ist. Gleichzeitig baut man mit diesem Transpa- renz-Verhinderungsgesetz eine Mauer des Schweigens um das zukünftige Havariekommando und verhindert so, dass mögliche Behördenfehler aufgedeckt werden, wie Green- peace es öffentlich anprangert. Noch nie zuvor hat diese Bundesregierung eine so klare Aussage zu ihrem politischen Grundverständnis ge- troffen, wie in ihrer Begründung für das neue Seeunfall- untersuchungsverfahren. Sie erklärt darin wörtlich, dass eine öffentliche Ver- handlung, Ausdruck, und jetzt kommt es, „einer von alters her überkommenen, ... Streitkultur“ ist. Ich wiederhole noch einmal: Die Bundesregierung hält ein transparentes öffentliches Verfahren für das Instru- ment einer überkommenen Streitkultur. Das nenne ich antidemokratisch! Dieses Politikverständnis setzte sich am 22. März im Bundesrat fort. Die Küstenländer hatten sich in einer einheitlichen Empfehlung gegen das Bodewig-Gesetz ausgesprochen und wollten den Vermitt- lungsausschuss anrufen. Der Auszug der Union aus dem Bundesrat hat eine klare Entscheidung verhindert. Doch die verbliebenen rot-grünen Regierungen haben das Vo- tum der betroffenen Küstenländer missachtet und die Lage genutzt, das heißt missbraucht, um Bodewigs Wil- len durchzusetzen. Die Abstimmung hätte zurückgestellt werden müssen, als nach der kontroversen Entscheidung über das Zuwan- derungsgesetz im Bundesrat nur noch eine Minderheit anwesend war; das wäre fair gewesen. Doch Rot-Grün missachtete den Willen der Betroffenen und setzte ein un- demokratisches Gesetz auf undemokratische Weise durch. Diesen Kollisionskurs für die Seesicherheit werden wir nach dem 22. September korrigieren und dabei auf das be- währte, transparente und demokratische Verfahren unter Einbindung der ehrenamtlichen Fachkräfte von der Küste setzen. Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Ihr heute in zweiter und dritter Lesung zu be- ratender Antrag zum Thema „Seeunfalluntersuchung“ hat es natürlich schwer, unsere Zustimmung zu finden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass bereits vor über zwei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23275 (C) (D) (A) (B) Monaten, am 21. Februar diesen Jahres, der Koalitions- antrag hierzu eine Mehrheit des Hauses erzielen konnte. Seien Sie mir bitte nicht böse, aber das Gesetz, auf den sich Ihr Antrag bezieht, gibt es schlichtweg in der von Ih- nen dargestellten Form nicht mehr. Aber auch inhaltlich greift Ihr Antrag gegenüber den von uns eingebrachten Neuerungen nicht weit genug. Unser Gesetzentwurf sieht daher unter anderem eine Reform der Seeunfalluntersuchung nach internationalem Standard vor. Er trennt erstmals die objektiven Ermittlun- gen der Unfallursachen – zuständig ist hierfür zukünftig eine unabhängige und weisungsungebundene Bundes- stelle – von der individuellen Verantwortlichkeit und dem damit unter Umständen verbundenen Entzug der Patente; hierfür sind weiter wie bisher die Seeämter zuständig. Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist in erster Linie die Un- fallverhütung. Die Bevölkerung und die Natur der Küsten soll zukünftig so effektiver geschützt werden können als bisher. Darum müssen die Fragen der persönlichen Vor- werfbarkeit für einen Unfallhergang von der systemati- schen Unfalluntersuchung und den Lehren, die daraus zu ziehen sind, strikt getrennt werden. Die weisungsunabhängige Behörde soll neben der um- fassenden Unfalluntersuchung auch Vorschläge – das ist das Entscheidende – zur zukünftigen Unfallvermeidung unterbreiten. Der Bericht, den die Bundesstelle erstellt, hat den Sinn und Zweck, die Öffentlichkeit über Unfall und entsprechende Präventionsmaßnahmen zu unterrich- ten. Er soll Fakten liefern, die in erster Linie die Politik unterstützen soll, unter Umständen geeignete Gegenmaß- nahmen zu beschließen. Der Gesetzentwurf entspricht dem 1998 einstimmig verabschiedeten Flugunfall-Unter- suchungsgesetz! Die IMO – International Maritim Organisation – hat das Verfahren des Luftverkehrs auf den Seeverkehr über- tragen. Dazu gibt es meines Erachtens keine stichhaltige Alternative. Auch der Antrag der CDU/CSU bezüglich der Bildung einer Leitstelle für Seesicherheit kann nicht unsere Zu- stimmung finden. Die Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren intensiv an der Verbesserung des Küsten- schutzes gearbeitet. Eine Reihe von Arbeitsgruppen prüft die Vorschläge der Grobecker-Kommission und hat zu vielen Punkten auch bereits konkrete Maßnahmen vorge- legt. Dazu zählt auch der sehr konkrete Vorschlag zur Ein- richtung eines Havariekommandos, mit dem eines der großen strukturellen Probleme nach der Havarie der „Pal- las“, nämlich das Kompetenzgerangel, durch die Bünde- lung der Entscheidungsstrukturen behoben werden soll. Bei schweren Seeunfällen wird das neu zu errichtende Havariekommando unter der Leitung eines Bundesbeam- ten eine einheitliche Einsatzleitung über alle infrage kom- menden Einsatzkräfte des Bundes und der Länder sichern. Dessen Kern ist ein in 24-Stunden-Bereitschaft gehalte- nes maritimes Lagezentrum. Es wird aus dem Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und den Wasserschutzpolizeien der Küstenländer aufgebaut. Dort werden zukünftig alle relevanten Informationen zusam- menlaufen. Bei einer Havarie übernimmt der Leiter des Havariekommandos die Führung des Einsatzes. Eine Än- derung des Grundgesetzes brauchen wir, im Gegensatz zu Ihnen, dafür allerdings nicht. Die Verabschiedung des interfraktionellen Antrages zur maritimen Sicherheit auf der Ostsee halte ich hingegen für geboten. Die Offenlegung der grundsätzlichen politischen und fachlichen Positionen durch die Bundesregierung zu Fragen der maritimen Sicherheit im Ostseeraum ist vor dem Hintergrund der bevorstehenden 11. Konferenz der Ostseeparlamentarier angezeigt. Nur durch noch stärkeres und weiter gehendes gemeinsames Handeln der Ostseean- rainerstaaten kann der besonderen Gefährdung der Ostsee und ihrer Küsten durch Schiffshavarien effektiv begegnet werden. Michael Goldmann (FDP): Noch einmal steht heute das Seeunfalluntersuchungsgesetz auf der Tagesordnung. Es ist schon wirklich dreist, mit welchen Halbwahrheiten die Regierungskoalition versucht, den Menschen an der Küste Sand in die Augen zu streuen. In den letzten Wo- chen wurde immer wieder von Ihrer Seite vorgebracht, dass die Seeämter doch erhalten blieben und der Vorwurf, es handele sich künftig nur noch um Briefkastenämter, aus der Luft gegriffen sei. Sie wissen aber ganz genau, dass die Seeämter künftig nur noch in Fällen von Patententzugsverfahren tätig wer- den und dass dies nur circa 10 Prozent der bisherigen Ver- fahren sind. Das Seeamt Kiel soll das einzige Seeamt mit Personal bleiben und dieses dann gegebenenfalls nach Bremerhaven oder Emden oder Rostock schicken. Ich frage Sie: Wie würden Sie ein Amt nennen, das nur noch ein Schild an der Wand hat, damit das ab und an auftau- chende Personal das Amt auch findet? Das Schöne ist, dass Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, sich mit nahezu jeder Äußerung zu diesem Thema an der Küste lächerlich machen. Alle In- teressierten kennen den wahren Sachverhalt und sie las- sen sich von Ihnen kein X für ein U mehr vormachen. Am 22. September werden Sie dafür die verdiente Quittung bekommen. Doch auch die CDU/CSU hat sich unter Führung ihres Kanzlerkandidaten Stoiber in der Bundesratssitzung am 22. März skandalös verhalten. Nachdem es vielen enga- gierten Menschen durch unermüdlichen Einsatz gelungen war, die Ablehnungsfront im Bundesrat entgegen allen Anfeindungen aus dem Bundesverkehrsministerium auf- rechtzuerhalten, und die Mehrheit zur Anrufung des Ver- mittlungsausschusses in Sachen Seeunfalluntersuchung feststand, stellt sich die CDU/CSU ein Armutszeugnis aus. Wie beleidigte Kinder hat sie den Saal zu verlassen. Das war ein Skandal, wegen dieses einstudierten Theaters kann nun ein Gesetz in Kraft treten, das niemand an der Küste will. Damit hat die CDU/CSU der Sache einen Bärendienst erwiesen und ich hoffe, dass Sie, liebe Kolle- ginnen und Kollegen der CDU/CSU, Ihren Ministerpräsi- denten ordentlich die Meinung gesagt haben, denn auch Ihre Arbeit wurde damit zunichte gemacht. Am 22. November 2001 haben die fünf Küstenländer eine gemeinsame Empfehlung verabschiedet, die eine so genannte kleine Lösung vorsieht. Die CDU hat diese Empfehlung aufgegriffen und als eigenen Antrag einge- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223276 (C) (D) (A) (B) bracht. Leider hat die Regierungskoalition keinerlei Ein- sehen gezeigt, sodass auch dieser Kompromissvorschlag verpufft ist. Ein Gesetz, das wie das SUG der Regierung dazu dient, „Mauscheleien“ von Behörden zu ermöglichen und die Verantwortung für Seeunfälle zu vernebeln, darf keinen Bestand haben. Nach dem 22. September werden die Karten neu ge- mischt und dann wird die FDP die notwendigen Korrek- turen an der Seeunfalluntersuchung vornehmen. Heute geht es aber nicht nur um die Seeunfalluntersu- chung, sondern auch um die künftige Sicherheit auf der Ostsee. In dem gemeinsamen Antrag fordern wir zu Recht einen Bericht der Bundesregierung an. Die Ostsee ist schließlich der wichtigste Verkehrsweg zu den baltischen Staaten und mit einer weiteren Zunahme des Schiffsver- kehrs ist in den nächsten Jahren zu rechnen. Ich freue mich, dass wenigstens auf diesem Gebiet die Regierungs- koalition auf den Weg zum gemeinsamen Handeln zurückgefunden hat. Die FDP unterstützt den Antrag. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Antrags: Afrikas neues Denken unter- stützen – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Afrika darf nicht zu einem ver- gessenen Kontinent werden – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – EU-AKP-Zusammenarbeit – bewährte Partnerschaft mit großer Zukunft – Reform der EU-Entwicklungszusammen- arbeit ist bislang Stückwerk und muss kon- sequent vorangetrieben werden – der Großen Anfrage: Afrikapolitik der Bun- desregierung – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Für eine europäische Ausrich- tung der deutschen Afrikapolitik (Tagesordnungspunkt 13 a bis d und Zusatz- tagesordnungspunkt 8) Joachim Günther (Plauen) (FDP): Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation haben sich neue Ansätze für einen nachhaltigen Strukturwandel durch Reformen und für einen intensiven politischen Dialog mit den afrikani- schen Staaten ergeben. Mit unserem Antrag „Für eine eu- ropäische Ausrichtung der deutschen Afrikapolitik“ legen wir ein politisches Rahmenkonzept für Stabilität und Si- cherheit, nachhaltiges Wachstum, regionale Kooperation und Förderung der Innovationsfähigkeit vor. Wir fordern auch, endlich die Vorgaben des Amsterda- mer Vertrages umzusetzen und eine gemeinsame europä- ische Afrika-Strategie im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln. Der Hin- weis der Bundesregierung darauf, dass regionale Kon- zepte nicht mehr zeitgemäß seien, darf nicht zur Untätig- keit führen. In diesen Kontinent darf nicht weiter so hineingestolpert werden, wie das bei den letzten Afrika- Besuchen des Bundesaußenministers geschah. Konzepte hin oder her: Das von der Bundesregierung wortreich angekündigte Afrika-Engagement muss finan- ziert werden. Es ist da schon ein Trauerspiel, dass wir nun schon im vierten Jahr nach dem Amtsantritt von Rot-Grün zusehen müssen, wie die deutsche Entwicklungspolitik an Substanz und – was fast noch schlimmer ist – an Glaub- würdigkeit verliert. Allen Sonntagsreden zum Trotz ist die Bundesregierung inzwischen zum entwicklungspoliti- schen Schlusslicht in der Europäischen Union geworden. Auch bei der Außenpolitik ist Afrika im Streichkonzert der Botschaften besonders bedacht worden. Vier Bot- schaften, drei Goethe-Institute und mehrere Außenstellen fielen dem Rotstift zum Opfer. Wir haben im mittleren Afrika praktisch eine botschaftsfreie Zone erreicht. Ist es nicht gerade die Perfektion der Abstimmung zwischen den Ministerien, wenn in einem Schwerpunktland der Entwicklungshilfe, Burundi, die Botschaft geschlossen wird? Diese Unkoordiniertheit muss endlich beendet wer- den. Lassen Sie mich noch einige Punkte anschneiden, bei denen Anspruch und Realität weiter auseinander klaffen als das Maul eines Krokodils. In erster Linie wäre hier die vollmundige Ankündigung der Bundesregierung auf dem Millenniumgipfel in New York zu nennen, aktiv an der weltweiten Armutsbekämpfung mitwirken zu wollen. Tat- sache ist, dass die KfW ihre Finanzierungszusagen unter anderem für Armutsbekämpfungsprojekte wegen sinken- der Bundeszuschüsse radikal zurückfahren muss. Da nutzt auch nicht der lautstark propagierte Rückgriff auf so genannte Marktmittel. Entwicklungsländer, die sich auf den internationalen Finanzmärkten zu Marktkonditionen finanzieren können, sind auf die KfW nicht angewiesen und gehören daher im Zweifel auch nicht zu der Ziel- gruppe der Ärmsten. Wenn die Bundesregierung, wie von Ministerin Wieczorek-Zeul öffentlich angekündigt, nicht einmal Mittel zur Kofinanzierung des Internationalen Fonds für Aids-Hilfe zur Verfügung stellt, dann muss sie sich schon fragen lassen, wie sie überhaupt entwicklungspolitisch in Afrika noch eine Rolle spielen will. Da hilft auch nicht die auf der Konferenz in Monterrey überstrapazierte Forde- rung nach einer Tobinsteuer als Wunderwaffe gegen knappe Kassen. Wir brauchen keine neuen Steuern, son- dern intelligente Konzepte für eine Entwicklungspolitik, deren Erfolg nicht nur an der Höhe der Transferleistungen messbar ist. Jede noch so gute Entwicklungszusammenarbeit kann zur wirtschaftlichen Entwicklung nur einen begrenzten Beitrag leisten. Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, die Armut in Afrika durch Finanztransfers oder großange- legte Entschuldungsaktionen allein beseitigen zu können. Deutsche Entwicklungspolitik darf nicht als Politik der Grundbedürfnisbefriedigung systematisch missverstanden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23277 (C) (D) (A) (B) werden. Die FDP-Bundestagsfraktion bekennt sich dazu, auch in Zukunft den Menschen in Afrika in Notsituatio- nen, zum Beispiel durch Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, zu helfen. Dies trifft gerade auch auf die Krisenregionen am Horn von Afrika, im Gebiet um die Großen Seen und in Westafrika zu. Nachhaltige Entwick- lungspolitik muss aber über diese notwendige Form karita- tiver Hilfe hinausgehen. Entwicklungshilfe muss dazu beitragen, politische, ökonomische und gesellschaftliche Strukturen aufzubauen, die es den Menschen vor Ort er- möglichen, sich auf Dauer selbst zu helfen. Eliten in Afrika müssen ihre Märkte vom staatlichen Dirigismus befreien, Landreformen zulassen und für klare Eigentumsverhältnisse sorgen. Wenn es nicht gelingt, eine solche Entwicklungsstrategie für die ländlichen Räume zu schaffen, wird der Drang zur Bildung von nicht mehr lenkbaren großstädtischen Agglomerationen und damit zur Landflucht und mit allen damit verbundenen Proble- men noch weiter verstärkt. Dreh- und Angelpunkt der wirtschaftlichen Entwick- lung ist aus unserer Sicht ein verstärkter Einsatz markt- wirtschaftlicher Instrumente. Dazu gehört in erster Linie die Förderung und Entwicklung des Finanzsektors. We- sentliche Elemente sind unter anderem der Zugang zu Kleinkrediten, der Aufbau von Dorfbankensystemen, die Ausbildung von Bankfachleuten, eine stabile Geldpolitik der Entwicklungsländer und Rechtssicherheit im Finanz- wesen. Ganz entscheidend für die Entwicklungschancen unserer Partnerländer ist darüber hinaus ihre volle Teil- nahme am freien Welthandel. Nach wie vor gilt: Handel ist besser als Hilfe. Gerade angesichts rückläufiger Mittel für die Außen- und Entwicklungspolitik wird eine zukünftige deutsche Afrikapolitik nur im Rahmen einer europäischen Aus- richtung erfolgreich sein können. Deshalb muss die Bun- desregierung sich vorrangig dafür einsetzen, dass die bilaterale Afrikapolitik der EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union zu einer wirksamen gemeinsamen Politik zusammengeführt wird. Die hierfür von dem Kairoer Gipfel festgelegte Frist bis zum Jahre 2003 muss die Bundesregierung dringend nutzen, um einen aktiven Beitrag zur Entwicklung einer europäischen Afrikapolitik zu leisten. Wir haben dafür ein Konzept ausgearbeitet und dem Deutschen Bundestag als Antrag für eine europä- ische Ausrichtung der deutschen Afrikapolitik vorgelegt. Carsten Hübner (PDS): Es ist an Symbolwirkung kaum zu überbieten, wenn vom Bundestag kurz vor dem Ende der Legislaturperiode als Botschaft in die Welt geht: Wir nehmen uns ganze 45 Minuten Zeit für Afrika und das zu nachtschlafender Zeit. Eigentlich sagt das schon so ziemlich alles, was zum deutschen Engagement für Afrika zu sagen wäre. Dabei ist – oberflächlich betrachtet – das Interesse für Afrika auch hierzulande gestiegen: So hat der Bundes- kanzler zum Beispiel persönlich den Afrika-Wirtschafts- tag vor wenigen Tagen eröffnet. Es gibt mit Frau Dr. Eid eine persönliche Afrikabeauftragte, es gibt neue konkur- rierende Strategiepapiere zur Afrikapolitik aus dem BMZ und dem Auswärtigen Amt sowie zahlreiche Bekundun- gen und eine erklärte Aufbruchstimmung. Bei genauerem Hinschauen aber sieht es weiterhin trüb für Afrika aus, insbesondere trüb an Ideen, wie wir mit den Menschen in Afrika und ihren immensen Problemen umgehen sollen. Genau das spiegelt auch ein Teil der An- träge wider. Dabei stimmt die Analyse der meisten An- träge durchaus: Afrikas Anteil an den „Segnungen“ der Globalisierung beschränkt sich weit gehend auf die Län- der Südafrika und vielleicht noch Nigeria, die mit mehr als 50 Prozent den größten Anteil an den minimalen Aus- landsdirektinvestitionen in Afrika haben. Deren Volumen beläuft sich allerdings gerade mal auf 1,6 Prozent der glo- balen Auslandsdirektinvestitionen. Hier gibt es 80 Pro- zent der weltweit HIV/Aids-Infizierten. Hier gibt es in mehr als 16 Ländern gewaltsame Konflikte und Bürger- kriege. Hier müssen fast 50 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 1 Euro täglich auskommen, leben also in bit- terster Armut. Hier gibt es circa 6 Millionen Binnen- flüchtlinge, die größten Wüstengebiete, die längsten Dür- rekatastrophen usw. Afrika ist Spitzenreiter auf der nach oben offenen Katastrophenskala. Trotz alledem scheint für die deutsche Wirtschaft aus Afrika aber noch einiges herauszuholen zu sein – so zu- mindest der Tenor der vorliegenden Anträge, die selbst Mittel der Entwicklungszusammenarbeit nicht etwa für die Basisversorgung der Bevölkerung, sondern für Pro- jekte der privaten Wirtschaft in Afrika mobilisieren wol- len. Alles andere sollen die Afrikaner gefälligst selbst fi- nanzieren. Das stellt die NePAD-Initiative, also die „Neue Part- nerschaft für Afrikas Entwicklung“ geradezu auf den Kopf. Afrika braucht keine forcierte Implementierung der Wirtschaftsinteressen des Nordens nun auch durch die Entwicklungszusammenarbeit. Afrika braucht – und das sagt NePAD ganz deutlich – Hilfe zur Selbsthilfe, das heißt, Hilfe bei der Grundversorgung mit Bildung, Nah- rung und in der Gesundheitsfürsorge, für die Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten, für den Aufbau eigener Kapazitäten und Potenziale in Verwaltung und Manage- ment. Das heißt, Afrika endlich die Chance auf eine ei- genständige Entwicklung eröffnen; nach Sklaverei, Kolo- nialismus und postkolonialer Abhängigkeit. In keinem der vorliegenden entwicklungspolitischen Anträge finden sich die Forderungen des Südens, insbe- sondere der dortigen Zivilgesellschaft wieder, zum Bei- spiel die Forderung nach umfassenden Entschuldungs- initiativen, die über eine HIPC-Initiative hinausgehen und auch nach der Legitimität der Schulden fragen, zum Bei- spiel im Fall Südafrikas. Dies gilt auch für Forderungen nach dem Fall der EU- Zollbarriere und einem besseren Zugang zu den Märkten des Nordens, zum Beispiel für Zucker, Mais und verar- beitete Produkte und Fertigerzeugnisse, oder die Forde- rung nach Streichung der EU-Agrarsubventionen und nach einem wirksamen Schutz lokaler und regionaler Märkte des Südens gegen das freie Spiel ungleicher Kräfte im so genannten Freihandel. All dies findet man in den vorliegenden Anträgen nicht. Im Gegenteil, im Mittelpunkt steht bei Ihnen die Frage: Wie können wir über neue Instrumente der EZ, wie etwa die Public Private Partnership, die Marktzugänge für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223278 (C) (D) (A) (B) deutsche Unternehmen weiter ausbauen und verdeckt staatlich subventionieren lassen? Das ist genau die falsche Konsequenz aus den Fehlern der Vergangenheit. Deshalb kann ich Sie nur dringend auffordern, in der afrikanischen Zivilgesellschaft, in afri- kanischen Frauenvereinigungen und den Intellektuellen endlich einen ernst zu nehmenden Partner zu sehen. Ihre Erfahrungen und Ansätze müssen sich in der deutschen und europäischen Afrikapolitik niederschlagen, nicht die Interessen von Shell, de Beers und anderen Konzernen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigun- gen in einem Getto und zur Änderung des Sechs- ten Buches Sozialgesetzbuch (Tagesordnungs- punkt 14) Claudia Nolte (CDU/CSU): Heute beraten wir über den „Entwurf eines Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Getto und zur Än- derung des SGB VV“. Hinter diesem doch recht techno- kratischen Titel verbergen sich zwei Regelungsbereiche, die die Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion finden. Bei allen Grabenkämpfen in dieser Wahlperiode zum Thema Rente begrüße ich ausdrücklich, dass wir uns in beiden Bereichen zu einem interfraktionellen Gesetz- entwurf haben verständigen können. Kurz zum Inhalt des Gesetzentwurfs: Zunächst geht es um Regelungen zur Zahlung von Renten an ehemalige Beschäftigte in einem Getto. Damit ist endlich eine bisher bestehende Lücke bei der Wiedergutmachung nationalso- zialistischen Unrechts geschlossen worden. Kritiker des Gesetzentwurfs mögen einwenden, mit dem Gesetz werde nur das umgesetzt, was das Bundessozialgericht dem Ge- setzgeber ohnehin vorgeschrieben hat. In der Tat hat uns – wie im Übrigen auch viele andere – die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1997 sehr über- rascht. Denn in der Vergangenheit war man überwiegend davon ausgegangen, dass innerhalb eines Gettos Zwangs- arbeit aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltver- hältnisses geleistet wurde und deshalb wegen der er- zwungenen Arbeitsleistung keinBeschäftigungsverhältnis und damit auch keine Rentenzahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Betracht kam. Eine Lösung für die Betroffenen innerhalb der gesetzlichen Rentenversiche- rung war deshalb nicht erwogen worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat al- lerdings nunmehr den Weg vorgezeichnet, dass die Be- troffenen eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversiche- rung erhalten müssen. Das ist sicher auch ein gangbarer Weg. Allerdings gerät dabei nach meiner Einschätzung ein wichtiger Aspekt aus dem Blickfeld, nämlich dass es sich bei der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Un- rechts um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Wenn eine Lösung innerhalb des Systems der gesetzli- chen Rentenversicherung gewollt ist, wäre es aus meiner Sicht auch wichtig, für die gesetzliche Rentenversiche- rung eine entsprechende Erstattungsregelung vorzusehen. Denn warum sollen nur die Beitragszahler diese gesamt- gesellschaftliche Aufgabe bezahlen? Eine Erstattungs- regelung zugunsten der Rentenversicherung, wie sie im Übrigen ursprünglich auch vom Bundesarbeitsministe- rium erwogen wurde, ist aber leider an den Widerständen des Bundesfinanzministeriums gescheitert. Das bedaure ich sehr. Ich sage Ihnen jetzt schon vo- raus: In naher Zukunft, wenn im Zusammenhang mit der angespannten finanziellen Situation der gesetzlichen Ren- tenversicherung wieder von den so genannten versiche- rungsfremden Leistungen die Rede ist, wird man unwei- gerlich auch auf diese Aufwendungen zu sprechen kommen. Und das wäre alles andere als angebracht. In diesem Zusammenhang noch eine weitere Anmer- kung: Bei den Betroffenen handelt es sich ausschließlich um ältere Personen. Deshalb ist es besonders wichtig, si- cherzustellen, dass auch alle zu ihrem Recht kommen. Ich weiß, dass bei den Rentenversicherungsträgern eine Viel- zahl von Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ihre Ansprüche bereits geltend gemacht haben. Gleichwohl muss gewähr- leistet werden, dass auch wirklich alle anspruchsberech- tigten Personen die für die Rentenleistung erforderlichen Anträge stellen. Weil sich die betroffenen Personen im Ausland aufhalten, muss über das Gesetz ausreichend in- formiert werden. Diese Forderung richtet sich an die Ren- tenversicherung und an die Politik gleichermaßen. Zum zweiten Regelungsbereich des Gesetzentwurfs: Für ehemalige Bezieher von Invalidenrenten oder Blin- den- und Sonderpflegegeld nach dem Recht der ehemali- gen DDR werden nunmehr bei der Rentenberechnung Beschäftigungszeiten vor Erreichen der Altersgrenze 65 als Beitragszeiten anerkannt. Bisher bestandene Nachteile bei der Regelaltersrente, bei der sich diese Beschäftigungs- zeiten nicht ausgewirkt haben, werden damit beseitigt. Auch diese Änderung wird von der CDU/CSU-Bun- destagsfraktion begrüßt. Wichtig ist vor allem, dass von dieser Neuregelung auch Personen profitieren, die bereits einen Rentenbescheid erhalten haben, in dem solche Zei- ten auf der Grundlage der bisher geltenden Rechtslage noch nicht berücksichtigt sind, und die diesen Bescheid haben bestandskräftig werden lassen. Auch wenn man nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. Au- gust 2001 in dieser Frage wohl keine andere Wahl hatte, erscheint mir die gefundene – für alle Betroffenen und rückwirkend ab 1. September 2001 geltende Lösung ver- nünftig. Zumal es auch für die Menschen einen Unter- schied macht, ob sie einen Anspruch gemäß Richterrecht haben oder kraft Gesetzes. Aber auch in diesem Zusammenhang habe ich eine kri- tische Anmerkung. Zwar ist die Neuregelung für die be- troffenen Personen sicher äußerst positiv. Auf die Schul- tern sollten wir uns deshalb aber nicht klopfen. Denn viele Fragen im Zusammenhang mit dem Recht der Rentenüberleitung bleiben nach wie vor ungelöst. Das führt zu einem Verdruss bei den Menschen in den neuen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23279 (C) (D) (A) (B) Bundesländern. Diese gewinnen allmählich den Ein- druck, der Gesetzgeber wird nur dann aktiv, wenn ihm nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder – wie hier – des Bundessozialgerichts keine andere Wahl bleibt. Und wenn der Gesetzgeber dann etwas tut, dann immer nur die Minimallösung. Das war so beim Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes von Mitte letzten Jahres, und auch bei dem heute zu beschließenden Gesetz ist es nicht anders. Ich möchte hier und heute nicht alte Schlachten aus dem letzten Jahr schlagen. Sie kennen meine Forderungen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des An- spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes und die Anträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Allerdings möchte ich ganz nachdrücklich auf die nach wie vor un- befriedigende rentenrechtliche Situation der Menschen in den neuen Bundesländern aufmerksam machen. Viele Personen sind nach wie vor unzufrieden, viele Fragen sind und bleiben regelungsbedürftig. Angesichts der zahlrei- chen Briefe, die wir von den Bürgern aus den neuen Bun- desländern erhalten, wissen wir dies alle. Deshalb richtet sich an dieser Stelle meine Kritik an die Bundesregierung, der es in dieser Wahlperiode nicht gelungen ist, den Bür- gern aus den neuen Bundesländern zu vermitteln, dass ihre rentenrechtlichen Probleme ernst genommen werden. Allerdings bin ich mir sicher, dass der Rechtsstreit wei- tergehen wird, zumal wir heute in meinen Augen einen Präzidenzfall schaffen: Bei der Beratung zum 2. AAÜG- Änderungsgesetz wurde bei den Reichsbahnern und den Beschäftigten der Post der 1,5-prozentige Steigerungssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zuerkannt mit dem Argument, dass dafür keine individuellen Bei- träge gezahlt wurden. Allerdings wurde dafür damals sei- tens der Betriebe sehr wohl im Umlageverfahren Beiträge an die Sozialversicherung abgeführt – also eine analoge Situation wie bei der Personengruppe, über die wir heute reden. Wenn nunmehr eine rentenwirksame Anerkennung erfolgt, dann werden wir uns sicher auch noch einmal über die Reichsbahner und Postler verständigen müssen. Aber genug der Kritik. Ich möchte so versöhnlich schließen wie ich begonnen habe. Der Gesetzentwurf ist eine gute Sache und weist den Weg in die richtige Rich- tung. Deshalb findet er die volle Unterstützung der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Getto-Renten-Gesetz wird endlich eine weitere Lücke im Entschädigungsrecht geschlossen. Ich bin froh darüber, dass wir diese Verbesserung hier einmütig mit Zustimmung aller Fraktionen auf den Weg bringen kön- nen. In dieser Wahlperiode ist es gelungen, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädi- gung von NS-Zwangsarbeit zu errichten. Damit wurde endlich dieses Unrecht offiziell anerkannt und eine hu- manitäre Geste für die noch lebenden Zwangsarbeiterin- nen und Zwangsarbeiter ermöglicht. Bei dem heute vorliegenden Getto-Renten-Gesetz geht es um einen Personenkreis, der nicht unter die Regelun- gen der Zwangsarbeiter-Stiftung fällt, dem aber dennoch schweres Unrecht geschehen ist. Es betrifft Personen, die von den Nazis in ein Getto gezwungen wurden und die dort in dieser Zwangssituation, um überleben zu können, einer entlohnten Beschäftigung nachgingen. Wir alle wis- sen, in welch schrecklichen Zuständen die Menschen le- ben mussten, die von den Nazis ins Getto gepfercht wur- den, in Warschau, in Lodz und an vielen anderen Orten. Durch das neue Gesetz kann dieser Personenkreis nun für die Arbeitszeit im Getto Rentenzahlungen erhalten. Es ist dabei sichergestellt, dass die Zahlungen die Betroffenen rasch erreichen. Rentenrechtliche Hürden wurden beseitigt. So müssen die Betroffenen nicht nachträglich noch Beiträge zur Rentenversicherung entrichten. Der Anspruch gilt zudem rückwirkend ab dem Stichtag 18. Juni 1997. Es ist sehr erfreulich, dass es – aufbauend auf den Urteilen des Bundessozialgerichts – gelungen ist, diese unbürokratische Lösung zu finden, damit die Betroffenen auch wirklich zeitnah Leistungen empfangen können. Das Getto-Renten-Gesetz zeigt auch: Einen bisweilen geforderten Schlussstrich unter die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit kann und darf es nicht geben. Immer wieder werden wir auch heute noch mit Verfolgungs- schicksalen konfrontiert, für die das Entschädigungsrecht noch keine Regelung parat hat. Immer noch gibt es NS-Verfolgte, die keine oder keine ausreichende Entschä- digung für das ihnen angetane Unrecht erhalten haben. Wir setzen uns dafür ein, die Anliegen von NS-Verfolgten sehr genau zu prüfen und wo immer möglich Abhilfe zu schaffen. Hier gibt es noch einiges zu tun. Das Getto-Ren- ten-Gesetz ist dabei ein wichtiger Schritt. Noch ein Wort zur Änderung des SGB IV: Auch diese neue Regelung dient dazu, mehr Gerechtigkeit zu schaf- fen. Bisher bestehende rentenrechtliche Nachteile für die Bezieherinnen und Bezieher von Invalidenrente oder Blinden- und Sonderpflegegeld nach dem Recht der ehe- maligen DDR werden damit beseitigt. Hier wird ebenfalls eine Lücke geschlossen. Lassen Sie mich noch abschließend zum Verlauf der Beratungen sagen: Über alle Fraktionsgrenzen hinweg ist es gelungen, mit diesem Gesetz sehr einmütig Verbesse- rungen zu erreichen. Dafür danke ich allen daran Betei- ligten im Parlament und in der Bundesregierung. Das ist ein schöner Erfolg. Dr. Irmgard Schwaetzer (FDP): Über ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der Naziherrschaft in Deutschland und dem Zweiten Weltkrieg wird heute einer Personengruppe genüge getan, die immer im Schatten an- derer Opfergruppen gestanden hat, aber unendliches Leid zu tragen hatte: Menschen, die als Verfolgte in Gettos zur Arbeit gezwungen wurden, aber nach dem Krieg nie oder nur kurze Zeit in Deutschland gelebt haben. Zu keiner Zeit haben sie für ihre Arbeit eine angemessene Entlohnung, nie eine Rente erhalten. Nachdem nun durch erhebliche Anstrengungen der Bundesregierung, des gesamten Bun- destags und der deutschen Industrie die Entschädigung der Zwangsarbeiter, nicht zuletzt durch das Verhand- lungsgeschick von Graf Lambsdorff ermöglicht wurde, muss dieses Problem dringend gelöst werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223280 (C) (D) (A) (B) Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf um eine an- gemessene Regelung, die für viele zu spät, aber hoffent- lich für viele noch eine Genugtuung für die erlittenen Lei- den darstellt. Hier wird eine Rechtslücke geschlossen, die durch ein Urteil des Bundessozialgerichts erst offensicht- lich gemacht worden ist, denn bis 1997 wurde davon aus- gegangen, dass Arbeit in einem Getto Zwangsarbeit sei und damit rentenrechtlich nicht in Betracht komme. 1997 und dann in einem weiteren Urteil 2001 hat das Bundes- sozialgericht die Grundlage für eine neue Bewertung die- ser Arbeit geschaffen, die mit diesem Gesetz nun in tatsächliche Rentenansprüche umgesetzt wird, die auch ins Ausland zahlbar sind. Wir sind einen weiten Weg gegangen, um diesen Men- schen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Es ist zutiefst bedauerlich, dass mehrere Jahrzehnte ins Land gehen mussten, bis Politik und Rechtsprechung eine für die Be- troffenen nutzlose Grundsatzdebatte über die Bewertung der Arbeit im Getto in einer sehr pragmatischen Weise po- sitiv beendet haben. Dabei ist Arbeit auch außerhalb des Gettos von diesem Gesetz umfasst, wenn sie Ausfluss der Beschäftigung im Getto war. Auch andere Unklarheiten, die sich im Wesentlichen auf Verfahrensfragen bezogen, konnten ausgeräumt werden. Natürlich können diese Ren- ten auch ins Ausland gezahlt werden! Wartefristen entfal- len. Auch Hinterbliebene erhalten diesen Rentenanspruch, wenn der Verfolgte nach dem 18. Juni 1997, dem Datum des Gerichtsurteils, verstorben ist. Es ist gut, dass heute dieses Gesetz mit großer Mehrheit verabschiedet wird. Das Gesetz enthält aber auch eine Regelung, die Bezie- her von Invaliden- oder Blindenrenten aus der ehemaligen DDR nun einen zusätzlichen Rentenanspruch zuspricht, wenn sie gleichzeitig eine Beschäftigung ausgeübt haben. Auch damit wird eine Rechtslücke geschlossen, die für die Betroffenen schmerzlich war. Rentenrecht ist nicht nur kompliziert, sondern auch häufig ungerecht. Es ist gut, dass wir einige der Unge- rechtigkeiten heute beseitigen können. Dr. Ilja Seifert (PDS):Mehr als 50 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus wird dem Anspruch der Beschäftig- ten des Gettos Lodz auf wohlverdiente Rente endlich nachgekommen. Nach dem Motto „besser spät als nie“ ist eine neue, dringend gebrauchte Regelung der Rente von Beschäftigten in einem Getto auf den Weg gebracht wor- den. Vielleicht kann diese Tatsache angesichts des hiermit behobenen Unrechts Bürgerinnen und Bürger im Nach- hinein wenigstens etwas versöhnen. Es kommt nicht so oft vor, dass es Einigkeit innerhalb dieses Hohen Hauses gibt, und darüber können wir uns auch freuen. Endlich liegt ein langerwartetes Gesetz auf dem Tisch. Aber richten Sie ein- mal Ihre Blicke hinter die Kulissen! Was das Ansehen des gesamten Bundestages – ja, Deutschlands – nach innen und außen – hätte aufwerten können, wird von kleingeisti- gem, parteitaktischem Kalkül und durch Ausgrenzung ent- würdigt. Die PDS wurde absichtlich – das nicht zum ers- ten Mal – von einem überparteilichen Gesetzesantrag ausgeschlossen. Wenn sachliche Argumente fehlen, blüht der Opportunismus und werden – im anachronistischen Denken verhaftet – realitätsabgekehrt und höchst unde- mokratisch immer wieder ideologische Barrieren aufge- richtet oder ideologische Ressentiments bemüht. Wir werden trotz alledem weiterhin kritisch-konstruk- tiv und sachbezogen Politik zum Nutzen und im Interesse der betroffenen Menschen betreiben. Die PDS hat sich im Bundestag stets für Rentengerechtigkeit und gegen Über- führungslücken eingesetzt. Wir sind die einzige Fraktion, die Anträge zum Abbau der Überführungslücken in der gesetzlichen Rentenversicherung gestellt hat. Das gilt auch für die Anerkennung rentenrechtlicher Zeiten von DDR-Invalidenrentnern und Blinden- oder Sonderpflege- geldempfängern. Elf Jahre lang haben Betroffene und Behindertenver- bände eine gesetzliche Regelung eingefordert. Elf Jahre lang haben diverse Bundesregierungen „geprüft“ und vor allem eine solche Regelung verzögert. Elf Jahre lang hat die PDS diese Forderungen im Bundestag mit parlamen- tarischen Initiativen unterstützt. Noch 2001 lehnte die rot- grüne Mehrheit im Bundestag mit Unterstützung von CDU/CSU einen entsprechenden PDS-Antrag – Drucksa- che 14/4041 vom 6. September 2000 – ab. Jetzt – nach unzähligen Klagen vor den Sozialgerich- ten bis hin zum Bundessozialgericht, unter anderem auch von mir selbst – legt die rot-grüne Regierung kurz vor Ende der Wahlperiode eine Änderung zum SGB VI vor, mit der endlich die rentenrechtlichen Zeiten von DDR-In- validenrentnern und Blinden- oder Sonderpflegegeld- empfängern anerkannt werden. Die Verbesserungen kön- nen ab 1. September 2001 in Anspruch genommen werden, denn seit dem 30. August 2001 liegt eine ent- sprechende Entscheidung des Bundessozialgerichts vor. Damit – das sei hier ausdrücklich angemerkt – wird aber verhindert, dass betroffene Menschen ihre berechtigten Ansprüche rückwirkend seit 1992 geltend machen kön- nen. Ihnen gehen so auch entsprechende Dynamisierun- gen verloren. Trotzdem sind diese lange überfälligen Regelungen eine Verbesserung. Viele der Betroffenen wurden mit der Nichtanerkennung ihrer rentenrechtlichen Ansprüche für eine Regelung bestraft, die sie nicht beeinflussen konnten. In der DDR konnten sie eine Erwerbstätigkeit ausüben, waren aber von der Zahlung ihres Anteils zur Rentenver- sicherung freigestellt. Dieser Nachteilsausgleich wurde mit der Überführung in bundesdeutsches Rentenrecht ohne einen wirklich vernünftigen Grund zu ihrem Nach- teil ungemünzt. Die Beseitigung dieser Ungerechtigkeit wäre bei ent- sprechendem politischen Willen von schwarz-gelb oder rosa-grün schon lange möglich gewesen. Stattdessen ha- ben viele der betroffenen Menschen Jahre lang Zeit, Geld und Nerven aufwenden müssen, um ihr Recht zu erstrei- ten. Wenn jetzt SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP unter Ausschluss der PDS einen „fraktionsüber- greifenden“ Gesetzentwurf vorlegen, so ist das offenbar ein Ausdruck des schlechten Gewissens und der Hoff- nung, dass die Wähler im Osten vergesslich wären. Aber solche Spekulationen sind bekanntlich gefährlich. Schließlich verlangten viele Betroffene schon seit ver- gangenem Herbst – nicht zuletzt mit Verweis auf die von mir vor dem Bundessozialgericht erstrittene Anerkenntnis Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23281 (C) (D) (A) (B) meiner rentenrechtlichen Zeiten durch die Bundesversi- cherungsanstalt für Angestellte – eine Neuberechnung ih- rer Rente. Vielleicht deutet diese positive Änderung des SGB VI auf ein neues Verhalten in Richtung zu mehr Rentenge- rechtigkeit hin. Das würde vielen Menschen Mut und Hoffnung geben, denn es gibt noch viel zu tun, so zum Beispiel: die Umsetzung der Forderungen zum AAÜG, das Schließen der immer noch existierenden Über- führungslücken bei der Rentenüberleitung von An- sprüchen ehemaliger DDR-Bürger in das bundesdeutsche Recht oder die Angleichung der Renten im Osten an das Westniveau. Ob oder inwieweit die rot-grüne Regierung sowie die CDU/CSU- und FDP-Fraktion diese Punkte vernünftig umsetzen werden, kann ich nicht sagen. Aber Folgendes kann ich mit Sicherheit versprechen: Die PDS wird sich als Partei des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit auch weiterhin für die ureigensten Interessen ihrer Mit- bürgerinnen und Mitbürger einsetzen. Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Arbeit und Sozialordnung: Mit den rege- lungsgleichen fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen soll einerseits der Rechtsprechung des Bundessozialge- richt BSG, zu so genannten Getto-Beitragszeiten von Ver- folgten des Nationalsozialismus Rechnung getragen wer- den und andererseits ein sich in den neuen Ländern stellendes rentenrechtliches Problem für die früheren Empfänger von Blinden- und Sonderpflegegeld gelöst werden. Für Menschen, die zwischen 1939 und 1945 in einem Getto, zum Beispiel in Lodz, beschäftigt waren, war es in der Vergangenheit nicht möglich, eine Anerkennung die- ser Zeiten als Beitragszeiten in der Rentenversicherung zu erreichen. Bisher waren die Rentenversicherungsträger im Regelfall davon ausgegangen, dass innerhalb eines Gettos Zwangsarbeit aufgrund eines öffentlich-rechtli- chen Gewaltverhältnisses geleistet wurde. Allein wegen dieser erzwungenen Arbeitsleistung kam eine Anerken- nung als Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversiche- rung nicht in Betracht. 1997 hat das Bundessozialgericht eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen: Auch eine Tätigkeit in einem Betrieb im Getto Lodz kann die Voraussetzung für eine rentenrechtlich relevante Beschäftigung erfüllen und diese Tätigkeitszeiten sind dann als Beitragszeiten der ge- setzlichen Rentenversicherung anzuerkennen. Wir wollen für Menschen, die alle bereits ein hohes Alter erreicht ha- ben und gewöhnlich im Ausland leben, eine Lücke im Recht der Wiedergutmachung schließen. Bisher kann eine Rente, die sich aus einer Beschäftigung in einem Getto er- gibt, nicht ins Ausland gezahlt werden, weil keine Bei- tragszeiten aus Beschäftigung im Gebiet der Bundesrepu- blik im erforderlichen Umfang vorliegen. In der Vergangenheit war Verfolgten des Nationalso- zialismus durch verschiedene Regelungen zur Wiedergut- machung nationalsozialistischen Unrechts die Möglich- keit eröffnet worden, Beiträge nach dem vor 1992 geltenden Recht nachzuzahlen. Heute würde die Eröff- nung neuer Nachzahlungsmöglichkeiten mit dem Ziel, für Beschäftigungszeiten in einem Getto auch Leistungen ins Ausland zahlbar zu machen, insbesondere im Hinblick auf das Alter der Betroffenen und dem seit 1992 gelten- den Auslandsrentenrecht vergleichsweise hohe Vorleis- tungen erfordern, die den Betroffenen angesichts ihres Al- ters nicht zugemutet werden sollen. Wir wollen jetzt die Zahlbarkeit dieser Renten aus Getto-Beschäftigungszeiten dadurch erreichen, dass diese Beschäftigungszeiten für die Erbringung der Leistung ins Ausland als Beitragszeiten im Bundesgebiet gelten. Damit unabhängig von der jeweiligen geographischen Lage des Gettos und den an diesen Orten jeweils gege- benen sozialrechtlichen Verhältnissen einheitliche Grundsätze für die Berechnung der Rente aus Getto-Be- schäftigungszeiten Anwendung finden, wird darüber hi- naus bestimmt, dass für die Berechnung der Rente Getto- Beschäftigungszeiten als Beitragszeiten nach den Reichsversicherungsgesetzen außerhalb des Bundesge- biets zu behandeln sind. Abstellend auf die im Juni 1997 ergangene Rechtspre- chung des BSG ist eine rückwirkende Rentenzahlung ab dem 1. Juli 1997 vorgesehen. Außerdem wird bestimmt, dass bei Vorliegen der durch die Rechtsprechung des BSG nunmehr anerkannten Versicherungszeiten für die Be- rechnung einer Rente davon auszugehen ist, dass die Vor- aussetzungen für einen Rentenanspruch bereits mit Voll- endung des 65. Lebensjahres vorgelegen haben. Diejenigen Getto-Beschäftigten, die das 65. Lebensjahr bereits vor dem 1. Juli 1997 vollendet haben, erhalten da- mit nach den allgemeinen Grundsätzen der Rentenbe- rechnung für jeden Monat des „Nichtbezugs“ der Rente vom vollendeten 65. Lebensjahr bis zum 1. Juli 1997 ei- nen Zuschlag in Höhe von 0,5 Prozent. Somit ergibt sich für jedes Jahr des „Nichtbezugs“ der Altersrente vor dem 1. Juli 1997 ein Zuschlag zur Rente von 6 Prozent. Für den Fall, dass der Verfolgte bereits verstorben ist, wird für Hinterbliebenenrenten auf den Todestag abgestellt, womit Rentennachzahlungen an die Hinterbliebenen sicherge- stellt sind. Mit den Vorschriften des Art. 2 des Gesetzentwurfs wird ein Problem gelöst, das nach der Überleitung des ein- heitlichen Rentenrechts des Sechsten Buches Sozialge- setzbuch auf die neuen Bundesländer bei der Berechnung von auf Invalidenrenten folgenden Alters- und Hin- terbliebenenrenten zu unbefriedigenden Ergebnissen ge- führt hat. Die Bewertung von Beschäftigungszeiten insbeson- dere während des Bezuges von Blinden- und Sonderpfle- gegeld in der ehemaligen DDR war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand von parlamentarischen Anträgen und Anfragen. Parlamentarische Mehrheiten für eine po- sitive Lösung des Problems hat es in den vergangenen Le- gislaturperioden nicht gegeben. Die SPD hat jedoch im- mer ein Bedürfnis für die Korrektur des geltenden Rentenrechts für diesen Personenkreis gesehen. Es ist nun besonders erfreulich, dass wir in einer fraktionsübergrei- fenden Initiative doch noch eine dem Sachverhalt gerecht werdende Lösung gefunden haben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223282 (C) (D) (A) (B) Nach dem Sozialversicherungsrecht der ehemaligen DDR waren Bezieher einer Rente der Sozialversicherung für neben der Rente erzielte Arbeitsentgelte grundsätzlich von der persönlichen Beitragszahlung zur Sozialpflicht- versicherung-Arbeitnehmeranteil – befreit. Invaliden- rentner waren berechtigt, neben der Rente in einem Lohn- drittel Hinzuverdienst zu erzielen. Das Lohndrittel wurde von dem vor dem Rentenbezug erzielten Arbeitsverdienst abgeleitet. Bei monatlichen Arbeitsverdiensten bis zu 1 200 DM lag die Hinzuverdienstgrenze einheitlich bei 400 DM. Für Bezieher von Blinden- und Sonderpflege- geld galten darüber hinaus Besonderheiten. Anders als in den alten Bundesländern galten sie ab 1. September 1972 automatisch als Invalide und durften im Unterschied zu anderen Beziehern einer Invalidenrente neben ihrer Inva- lidenrente und dem Blinden- oder Sonderpflegegeld un- eingeschränkt hinzuverdienen. Der von Rentnern – Al- ters- und Invalidenrentner – erzielte Hinzuverdienst war für die Arbeitgeber beitragspflichtig zur Sozialversiche- rung; die Arbeitnehmer waren jedoch – ebenfalls ab dem 1. September 1972 – für einen Arbeitsverdienst bis zu 600 DM monatlich von der persönlichen Beitragszahlung befreit. Anders als „normale“ Invalidenrentner mit Hin- zuverdienst im so genannten Lohndrittel waren Bezieher von Blinden- und Sonderpflegegeld jedoch berechtigt, der freiwilligen Zusatzrentenversicherung, FZR, beizutreten. Bei der Berechnung von Renten nach dem geltenden Recht werden diese zwischen dem 1. September 1972 und dem 31. Dezember 1991 zurückgelegten Beschäftigungs- zeiten wegen der fehlenden Zahlung des Arbeitnehmer- anteils am Sozialversicherungsbeitrag nicht als Beitrags- zeiten berücksichtigt. Zeiten, in denen Bezieher von Blinden- und Sonderpflegegeld Beiträge zur FZR gezahlt haben, werden zwar als Pflichtbeitragszeiten anerkannt; es wird aber nur der tatsächlich versicherte Verdienst oberhalb von 600 DM monatlich bei der Rente berück- sichtigt. Dies hat zur Folge, dass sich aus der dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigung je nach Lage des Falles keine oder nur eine sehr geringfügige Er- höhung der ab dem 65. Lebensjahr zu zahlenden Alters- rente ergibt. Die Auswirkungen auf die Rentenhöhe sind je nach in- dividueller Versicherungsbiografie unterschiedlich. Be- sonders nachteilig wirkt sich das geltende Recht bei Personen aus, die – vor Einführung des einheitlichen Bei- tragsrechts ab 1. Januar 1992 – eine Beschäftigung noch nach Vollendung des 55. Lebensjahres ausgeübt haben, weil Zurechnungszeiten wegen des Bezuges einer Er- werbsminderungsrente bislang nur bis zum vollendeten 55. Lebensjahr und die Zeit zwischen dem 55. und 60. Le- bensjahr zu einem Drittel anrechenbar waren. Mit der geplanten Rechtsänderung sollen die sich nach dem bisherigen gesamtdeutschen Rentenrecht ergeben- den Nachteile bei der Berechnung von Folgerenten für In- validenrentner und Bezieher von Blinden- und Sonder- pflegegeld aufgrund der besonderen beitragsrechtlichen Vorschriften des DDR-Rechts beseitigt werden. Insbeson- dere die Anerkennung von Pflichtbeitragszeiten nach dem vollendeten 55. Lebensjahr wird zur Erhöhung dieser Fol- gerenten führen. Die Verbesserungen sollen rückwirkend für die Zeit ab dem 1. September 2001 gezahlt werden. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Bündnisfall aufheben (Tagesordnungspunkt 15) Markus Meckel (SPD): Bevor ich auf den Antrag der PDS im Einzelnen eingehe, möchte ich die Vorgeschichte des hier zur Debatte stehenden NATO-Beschlusses in Er- innerung rufen. Die schrecklichen Terroranschläge vom 11. September 2001 haben nicht nur New York und Wa- shington getroffen, sondern sie haben die gesamte freie Welt erschüttert. Der Schock sitzt noch immer tief. Skru- pellose Attentäter ermordeten über 3 000 unschuldige Zi- vilisten. Menschen aus über 80 Nationen starben in den Trümmern des World Trade Centers in New York. Zu- gleich richtete sich der Angriff gegen Symbole der Welt- macht USAund der liberalen internationalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Das konnten wir nicht tatenlos hinnehmen! Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft war eindeutig und unmissverständlich. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte schon am 12. September in der grundlegenden Resolution 1368 die Anschläge von New York und Washington einmütig, also mit chinesi- scher und russischer Zustimmung. Er stellte erstmals fest, dass terroristische Anschläge eine Bedrohung des Welt- friedens und der internationalen Sicherheit darstellen. Der Weltsicherheitsrat hat damit eine Weiterentwicklung des bisherigen Völkerrechts vorgenommen und die Voraus- setzungen für ein entschiedenes, auch militärisches Vor- gehen gegen den Terrorismus geschaffen, das auf dem Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung beruht. Der NATO-Rat signalisierte den Vereinigten Staaten noch am gleichen Tag die Bereitschaft, erstmals den Bünd- nisfall nach Art. 5 des Washingtoner Vertrages zu erklären. Am 4. Oktober 2001 stellte der NATO-Rat fest, dass die Anschläge ihren Ursprung im Ausland hatten, und be- schloss den Bündnisfall. Über 50 Jahre hatten die USAdie Sicherheit in Europa garantiert und alle waren davon aus- gegangen, dass im Zweifelsfall die USAden europäischen oder kanadischen Verbündeten beistehen würden. Nun zeigte sich: Die transatlantische Solidarität gilt in beide Richtungen. Dies war eine wichtige Erfahrung für unsere amerikanischen Verbündeten. Auf dieser Grundlage ge- lang es der US-Administration in den Wochen nach dem Anschlag, eine globale Koalition gegen den Terrorismus zu schmieden, der sich weit über 100 Staaten, neben Russ- land und China auch beinah alle muslimischen Staaten, an- schlossen. Nachdem das Taliban-Regime mehrere Ultimaten hatte verstreichen lassen, den Drahtzieher der Anschläge, Osama Bin Laden, auszuliefern und die terroristische In- frastruktur im Lande zu zerstören, begannen die USA am 7. Oktober mit der militärischen Operation „Enduring Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23283 (C) (D) (A) (B) Freedorm“. Zunächst handelten hauptsächlich US-Trup- pen allein. Nur britische Verbände baten sie, sich zu be- teiligen. Die Beiträge anderer Verbündeter und Partner beschränkten sich anfänglich auf logistische Unterstüt- zung, die Bereitstellung von Militärbasen und Überflug- rechte. Später wurden selektiv bestimmte Kapazitäten an- derer Alliierter angefragt. Der Deutsche Bundestag hat am 16. November 2001 der Entsendung von bis zu 3 900 Sol- daten zugestimmt, die überwiegend logistische und de- fensive Aufgaben übernehmen. Die effektive Kombina- tion von US-Luftangriffen und Bodenoperationen der von Russland seit Jahren unterstützten oppositionellen Nord- allianz führte unerwartet schnell zum Zusammenbruch des Taliban-Regimes. Damit wurde dem terroristischen Netzwerk Bin Ladens die wichtigste Operationsbasis ent- zogen. Der Freudentaumel der Bevölkerung in Afghanis- tan zeigte, dass die Mehrheit das Ende des tyrannischen Regimes als Befreiung empfindet. Die militärischen Operationen bahnten den Weg für ei- nen politischen Neuanfang in Afghanistan nach 22 Jahren Bürgerkrieg. Einen ersten Schritt bildete das unter UN- Vermittlung und mit maßgeblicher Unterstützung der Bun- desregierung am 5. Dezember 2001 zustande gekommene „Bonn Agreement“. Die wichtigsten politischen Kräfte ha- ben sich dabei auf eine zweijährige Übergangsphase zur Normalisierung des politischen Lebens und die Bildung einer multiethischen, parteiübergreifenden Übergangsre- gierung unter Hamid Karzai verständigt. Angesichts der zahlreichen Kriegsherren und verbliebener Taliban-An- hänger wird die Übergangsregierung durch die Internatio- nal Security Assistance Force in der Hauptstadt Kabul ge- schützt. Die ISAF wurde auf der Basis eines UN-Mandates gebildet und steht bis Mai 2002 unter britischer Führung. Danach leitet die Türkei die Operation. Deutschland hat im März das taktische Kommando über die in Kabul operie- rende multinationale Brigade erhalten und zur Führung ei- nen integrierten multinationalen Stab gebildet. Die Frie- denstruppe soll der Stabilisierung der Lage dienen und die Voraussetzungen für den Beginn des Wiederaufbaus schaf- fen. Eine internationale Geberkonferenz in Tokio hat zur Unterstützung Afghanistans in den nächsten fünf Jahren bereits 5 Milliarden Dollar zugesagt. Deutschland allein wird dazu in den nächsten vier Jahren Millionen von Euro beitragen. Die Lage im Land ist aber weiterhin instabil und es zeigen sich starke Wiederstandsnester von al-Qaida- und Taliban-Kämpfern. Ist die Gefahr damit gut acht Monate nach den An- schlägen vom 11. September gebannt? Die Antwort lautet leider: Nein. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus dauert an. Der schreckliche Selbstmordan- schlag auf die Synagoge von Ghirba auf der tunesischen Insel Djerba vom 11. April sollte reichen, um jedem von uns in Erinnerung zu rufen, dass sich diese Bedrohung auch gegen uns richtet. 16 Menschen kamen bei der Ex- plosion eines Tanklastzuges in den Flammen um. Über- wiegend waren die Opfer deutsche Touristen. Die bisheri- gen Ermittlungen weisen darauf hin, dass es sich bei den Tätern um Mitglieder einer islamistischen Organisation handelt, die über Verbindungen zu al-Qaida verfügt. Auch wenn sich derzeit noch nichts Abschließendes über die Urheber und ihre Ziele sagen lässt, zeigt dieser Anschlag, dass Warnungen vor weiteren Anschlägen in den USAund andernorts ernst zu nehmen sind. Wir können nicht ein- fach die Hände in den Schoß legen. Die Urheber der Anschläge vom 11. September sind noch nicht dingfest gemacht worden. Mit dem Sturz des Taliban-Regimes wurde zwar die Operationsbasis al-Qai- das in Afghanistan weitgehend zerstört, aber das interna- tionale terroristische Netzwerk besteht fort. Das zeigt die Festnahme einer Reihe von Mitgliedern der Gruppe Al- Tawhid in dieser Woche in Deutschland. In Afghanistan ist selbst die militärische Phase in der Auseinanderset- zung mit dem Terrorismus noch nicht abgeschlossen. Af- ghanistan ist ein Testfall für die Glaubwürdigkeit der Ko- alition gegen den Terror. Zu den vorrangigen Aufgaben gehört eine Stabilisierung der Übergangsregierung und das Anlaufen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Aber noch immer leisten bis zu 5 000 Kämpfer al-Qaidas und der Taliban im Land Widerstand beziehungsweise for- mieren sich in Pakistan neu. Sie sind auszuschalten. Nur dann kann der Wiederaufbau des Landes dauerhaft erfolg- reich verlaufen und können die Wurzeln des Terrorismus gekappt werden. Der Einfluss der Übergangsregierung beschränkt sich bislang weitgehend auf den Raum Kabul, wo die Regierung von ISAF geschützt wird. In den ande- ren Regionen häufen sich in den letzten Monaten die Aus- einandersetzungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und lokalen Führern, die um die Vormachtstel- lung ringen. Da eine Ausweitung des ISAF-Mandats über Kabul hinaus aufgrund der notwendigen Vergrößerung des Umfangs der Truppe keine Chance hat, ist es wichtig, die Übergangsregierung beim Aufbau einer nationalen Armee zu unterstützen. In der Zwischenzeit werden Ver- bände der USA und ihrer Verbündeten im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ auch Aufgaben bei der Gewährleistung der Sicherheit außerhalb Kabuls über- nehmen. Auch hier ist also noch kein Zeichen zur Ent- warnung in Sicht. Das Militär kann zwar nur einen be- grenzten Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus leisten; aber dieser Beitrag ist essenziell. Wie ich bereits zuvor ausgeführt habe, war die Er- klärung des Bündnisfalls nach Art. 5 ein wichtiges Zei- chen transatlantischer Solidarität. Am Ende Ihres Antra- ges räumt auch die PDS ein, der Antrag habe keine NATO-Operation nach sich gezogen. Mithin gibt es auch rechtlich keine Maßnahme, die außer Kraft zu setzen wäre. Militärisch würde sich also gar nichts ändern. Kein einziger deutscher Soldat müsste zurückgezogen werden. Der Antrag ist also eigentlich gegenstandslos. Aber ich möchte nicht nur formal argumentieren. Was wären die politischen Folgen, wenn wir uns derzeit im Bündnis für eine Aufhebung einsetzen würden? Angesichts der fort- dauernden Bedrohung durch den internationalen Terroris- mus – selbst durch die konkrete Organisation aI-Qaida – würde der Vorstoß bei unseren Verbündeten auf absolutes Unverständnis stoßen. Wir wären isoliert. Man würde da- ran zweifeln, dass wir wirklich eine gemeinsame Haltung im Kampf gegen den Terrorismus einnehmen. Unsere amerikanischen Verbündeten würden dies nicht nur als Zeichen von Unentschlossenheit, sondern als Misstrauen- serklärung gegenüber ihrer Führung, der internationalen Koalition gegen den Terrorismus und der Operation Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223284 (C) (D) (A) (B) „Enduring Freedom“ werten. Dies würde die Beziehun- gen zu unserem wichtigsten Partner auf lange Sicht be- lasten. Daher müssen wir einen solchen Vorstoß mit Nachdruck ablehnen. Wir werden als SPD-Fraktion gegen den Antrag der PDS stimmen. Im Übrigen möchte ich Sie daran erinnern, dass die Er- klärung des Bündnisfalls keine Generalermächtigung dar- stellt. Jedes Mitgliedsland entscheidet souverän, welchen Beitrag es zur Abwendung einer Bedrohung leistet und an welchen konkreten Operationen der NATO es sich betei- ligt. Diese Aussage gilt analog für die US-geführte Ope- ration „Enduring Freedom“. Abschließend möchte ich auf Folgendes hinweisen: Wenn die Sicherheitslage dies zulässt, ist es jederzeit im Konsens aller NATO-Mitglieder möglich, den Bündnis- fall durch einen neuerlichen Beschluss des NATO-Rates zu beenden. Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, wird dies sicherlich geschehen. Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Befreit man den Antrag der PDS zur Aufhebung des Bündnisfalles von sei- nem juristischen Pulverdampf und schaut man auf die in- haltliche Substanz, so wird eins deutlich: Es geht der PDS nicht um eine korrekte Anwendung völkerrechtlicher Normen, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Wie egal ihr völkerrechtliche Normen und Grundsätze sind, hat sie ja eindrucksvoll bewiesen, als Gregor Gysi Slobodan Milosevic hofierte. Die PDS will nur eins: die Solidarität mit den USA aufkündigen und Deutschland international isolieren. Dazu ist ihr offen- sichtlich jedes Mittel recht und kein Preis zu hoch. Ihren antiamerikanischen Ressentiments freien Lauf lassend ist die PDS auch bereit, den Kampf gegen den internationa- len Terrorismus aufzugeben und weitere Opfer dieses Ter- rorismus hinzunehmen. Von Anfang an war die PDS ge- gen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und das Bündnis mit den USA. Und nun versucht sie, auf juristi- schen Schleichwegen ihr Ziel zu erreichen. Ich werde mich mit der in dem Antrag enthaltenen ju- ristischen Argumentation nicht weiter auseinander setzen, sondern mich auf die zentralen Aussagen Ihres Papiers be- schränken. Ihre Behauptung, eine reale Verteidigungssituation ge- gen einen gegenwärtigen Angriff auf die USA oder ihre Verbündeten sei nicht mehr gegeben, ist falsch. Gerade die Ereignisse der letzten Tage und Wochen müssen doch auch Ihnen deutlich gemacht haben, wie konkret und ge- genwärtig die von islamistischen Terroristen ausgehende Bedrohung für uns alle ist. Ich will Ihnen noch einmal die wichtigsten Ereignisse nennen und empfehle künftig den Blick in die Tageszeitung. In Frankfurt stehen mutmaßliche Terroristen vor Ge- richt, die ein Attentat auf die jüdische Synagoge in Straß- burg geplant haben. Ein Angeklagter hat ausgesagt, er habe zuvor ein Jahr in afghanischen Lagern verbracht. Drei Monate Glaubensschule der Taliban und neun Mo- nate Militärlager waren seine Schulung. Vor wenigen Tagen wurden zwölf palästinensische Is- lamisten in Deutschland verhaftet. Es besteht der begrün- dete Verdacht, dass mindestens diese zwölf Männer terro- ristische Anschläge in Deutschland geplant haben. Auch ein Kontakt zur al-Qaida Osama bin Ladens wird nicht aus- geschlossen: Der Generalbundesanwalt hat mitgeteilt, dass die Gruppe durch die gemeinsame Ausbildung in Lagern in Afghanistan entstanden sei. Wörtlich sagte er: „Da diese Lager überwiegend von al-Qaida finanziert werden, ist es nahe liegend, dass hier auch Verbindungen bestehen.“ Der Name der Organisation, der diese Männer an- gehören, ist Al Tawhid. Er bedeutet Einheit Gottes und ist für Fachleute Programm. Nicht die friedliche Missionie- rung ist das Ziel, sondern die Missionierung mit Feuer und Schwert. Die westliche Kultur und die angeblichen Feinde des Islam sollen vernichtet werden. Und dafür ste- hen die USA, Israel und deren Verbündete. Auch Deutsch- land steht also auf der „Schwarzen Liste“. Die Ermittler decken jeden Tag neue, internationale Netzwerke von Terroristen auf. Und immer wieder stoßen sie auf die Begriffe Afghanistan, Taliban oder al-Qaida. Internationale Truppen, die Truppen, die Sie zurückrufen wollen, sind bei der Suche nach al-Qaida- und Tali- bankämpfern in Afghanistan auf weitere Waffenlager ge- stoßen. Im Südosten des Landes haben die Soldaten Depots mit Handfeuerwaffen, Raketen und Munition gefunden. Auch die Befürchtung, dass Terroristen in der Lage sind, Massenvernichtungswaffen herzustellen, besteht weiter. Was jetzt ans Licht kommt, ist nur die Spitze des Eis- bergs. Viel zu lange hatten die Terroristen Zeit, Pläne zu schmieden und ein weltweites Verbindungsnetz aufzu- bauen, ungestört und in aller Ruhe. Und da wagen Sie zu behaupten, eine Bedrohung bestehe nicht mehr. Wollen Sie das tatsächlich den Opfern des Terroranschlages auf Djerba und deren Angehörigen erklären? Die Terroristen tragen Angst, Mord und Unglück bis vor unsere Haustür und Sie wollen allen Ernstes behaupten, es bestehe keine Gefahr mehr? Sie behaupten weiter, die UNO habe mit der Entsen- dung der ISAF nach Kabul alle notwendigen Maßnahmen im Sinne von Art. 51 der UNO-Charta ergriffen. Folge sei, dass das kollektive Selbstverteidigungsrecht nach Art. 5 des NATO-Vertrages verdrängt werde. Dies ist falsch. Art. 5 des NATO-Vertrages bestimmt, dass Maßnahmen der individuellen und kollektiven Selbstverteidigung ein- zustellen sind, wenn der UN-Sicherheitsrat seinerseits Maßnahmen zur Wiederherstellung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit eingeleitet hat. Um solche Maßnahmen zur Wiederherstellung des in- ternationalen Friedens und der internationalen Sicherheit handelt es sich bei der Entsendung der ISAF nach Kabul aber gerade nicht. Und das wissen Sie auch. Denn Sie sa- gen selber, dass der Auftrag der ISAF darauf beschränkt ist, der afghanischen Interimsregierung bei der Herstel- lung und Aufrechterhaltung der Sicherheit in und um Ka- bul beizustehen. Es handelt sich um nationale Friedenssi- cherung. Der internationale Frieden und die internationale Sicherheit werden hingegen ausschließlich durch den Einsatz von „Enduring Freedom“ gesichert. Und wie sehr der internationale Frieden und die internationale Sicher- heit gefährdet sind, habe ich an anderer Stelle ja bereits er- wähnt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23285 (C) (D) (A) (B) Sie berufen sich auf Kofi Annan. Mir ist nicht bekannt, dass Kofi Annan den von der NATO ausgerufenen Bünd- nisfall und den Einsatz von NATO-Truppen im Rahmen von „Enduring Freedom“ kritisiert und als völkerrechts- widrig abgelehnt hätte. Es ist vielmehr so, dass „Enduring Freedom“ in Übereinstimmung mit UN-Resolutionen statt- findet. Da Sie ja schon mit der Erinnerung an Ereignisse der jüngsten Vergangenheit Schwierigkeiten zu haben schei- nen, können Sie sich sicherlich auch nicht so gut an die Geschehnisse aus dem September und Oktober des ver- gangenen Jahres erinnern. Daher noch einmal eine kurze Darstellung der Ereignisse. Bereits am 12. September 2001 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolu- tion 1368 (2001), in der die Anschläge als Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicher- heit qualifiziert werden. Die Resolution bestätigt die Not- wendigkeit, alle erforderlichen Schritte gegen solche Be- drohungen zu unternehmen, und unterstreicht das Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung. Ebenfalls am 12. September 2001 beschloss der NATO- Rat, dass die Terrorangriffe, sofern sie von außen gegen die USA gerichtet gewesen seien, als Angriffe auf alle Bündnispartner im Sinne der Beistandsverpflichtung des Art. 5 des NATO-Vertrages zu betrachten seien. Mit der Resolution 1368 vom 28. September 2001 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Bekämp- fung des internationalen Terrorismus mit allen politi- schen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberi- schen Maßnahmen aufgerufen. Sprecher der al-Qaida haben öffentlich weitere Angriffe auf die USA angekün- digt und andere dazu aufgerufen. Wie dieser Aufruf um- gesetzt wurde und, wenn wir nicht aufpassen, auch künf- tig umgesetzt werden wird, habe ich an anderer Stelle ja bereits ausgeführt. Am 2. Oktober 2001 legten die USAim NATO-Rat dar, dass die Angriffe nachweislich von außen gegen die USA gerichtet waren. Daraufhin bekräftigte und präzisierte der NATO-Rat am 4. Oktober 2001 die Beistandsverpflich- tung aus Art. 5. Damit ist auch die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert, im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung zu Maßnahmen der Bündnispartner gegen den Terrorismus beizutragen. Am 7. Oktober 2001 unterrichteten die USA und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über ihre Maßnahmen zur Bekämp- fung des Terrorismus gemäß Art. 51 der Satzung der Ver- einten Nationen im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“. In seiner Presseerklärung vom 8. Oktober 2001 würdigte der Präsident des Sicherheitsrats der Ver- einten Nationen die Unterrichtung durch diese beiden Staaten und bekräftigte die Entschlossenheit, die Resolu- tion 1368 (2001) und die ergänzende, am 28. September 2001 verabschiedete Resolution 1373 (2001) vollständig umzusetzen. Deutschland beteiligt sich damit an einer Koalition aus vielen Staaten der Welt, die dem Aufruf des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen gefolgt sind. Zur Bekämp- fung des Terrorismus bedarf es eines langfristigen, strate- gischen Ansatzes. Der Einsatz militärischer Mittel ist unverzichtbar, um die terroristische Bedrohung zu bekämpfen und eine Wiederholung von Angriffen wie am 11. September 2001 nach Möglichkeit auszuschließen. Natürlich handelte es sich bei der Ausrufung des Bünd- nisfalls auch um eine politische Solidaritätserklärung. Sie versuchen, Deutschland als willigen und unkritischen Ge- folgsmann der Vereinigten Staaten darzustellen. Das ist falsch. Was die europäischen NATO-Partner gemacht ha- ben, war, die Solidarität zu leisten, die sie von den USA in den Dekaden des Kalten Krieges erwartet und um ein Vielfaches erhalten haben. Dies gilt auch und gerade für Deutschland, dessen Freiheit und Wohlstand ohne das Engagement der Vereinigten Staaten undenkbar gewesen wäre. Folgerichtig waren es auch nicht die USA, die im Nordatlantikrat die Bündnissolidarität einforderten. Die Initiative ging stattdessen von Generalsekretär George Robertson aus. Diese Solidarität kann man von einer Par- tei, die ihre Herkunft aus der SED ableitet und damit für die Teilung Deutschlands und Europas mitverantwortlich ist, natürlich nicht erwarten. Sie wollen nur eins: Sie wollen politisches Kapital schlagen aus einer vorgezogenen Diskussion um die wei- tere Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan. Nachdem Sie durch ihre Verweigerungshaltung in der ers- ten Entsendedebatte bereits gehofft hatten, die Pazifisten abzugrasen, die sich bei den Grünen nicht mehr zu Hause fühlen, versuchen Sie nun, dieses Thema für den Wahl- kampf zu nutzen. Dies ist unredliches Spiel. Hildebrecht Braun (Augsburg) (FDP): Normaler- weise wäre ich unglücklich, weil ich nur dreieinhalb Mi- nuten habe, um die Stellungnahme für die FDP abzuge- ben. Heute reicht diese Zeit üppig aus. Die Stellungnahme ist nämlich kurz und bündig. Wir werden dem Antrag der PDS nicht folgen. Die Gründe in aller Kürze: Dass die NATO nach dem 11. September des vergangenen Jahres erstmalig den Bündnisfall beschlossen hat, war nicht nur nachvollzieh- bar, sondern notwendig. Der Bundestag hat sich dieser Er- klärung der Regierungschefs nahezu einmütig ange- schlossen. Die Gründe für die Erklärung des Bündnisfalls waren primär die, dass alle NATO-Staaten die Bedrohung durch internationalen Terrorismus als nicht nur gegen die USA, sondern gegen den nicht moslemischen Teil der Welt ins- gesamt gerichtet wahrgenommen haben. In erster Linie ging es den NATO-Staaten darum, ihre Solidarität mit den USA auszudrücken, zugleich wurde aber auch erklärt, dass die NATO-Staaten den Kampf ge- gen al-Qaida und vergleichbare terroristische Strukturen gemeinsam führen wollen. Es hat sich nun gezeigt, dass die USA die Unterstüt- zung der NATO als Institution gar nicht in Anspruch ge- nommen haben. Vielmehr schallt uns der Spruch noch im Ohr: „We will call you, when we need you.“ Die NATO, die bis zum 11. September 2001 als das Machtzentrum der Welt angesehen wurde, wurde von den Amerikanern gar nicht gefordert, da die USA das Thema selbst zu lösen trachteten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223286 (C) (D) (A) (B) In der Zwischenzeit sind zwar Soldaten aus verschie- denen NATO-Staaten im globalen Zusammenhang der Terrorismusbekämpfung aktiv geworden. So sind deut- sche Soldaten nicht nur in Afghanistan, sondern in Dschi- buti, in Kenia und in Kuwait tätig. Das Mandat für diese Auslandseinsätze beruht aber nicht auf dem NATO-Bünd- nisfall, sondern auf entsprechenden Beschlüssen des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen, die den Deutschen Bundestag zu entsprechenden Ermächtigungsbeschlüssen veranlasst haben. Ich will es in aller Deutlichkeit ausdrücken: Die USA haben auch weiterhin unsere Solidarität. Wir sehen uns im gemeinsamen Kampf gegen die neue Bedrohung der Frei- heit der Menschen in der Welt, die mit dem Stichwort Terrorismus umschrieben wird. Gerade die NATO als eine Wertegemeinschaft fühlt sich den USA hier nach wie vor besonders verbunden. So wird es auch in der nahen Zu- kunft bleiben. Es gibt keinen Grund, weder einen politischen noch ei- nen rechtlichen, weswegen ausgerechnet der Deutsche Bundestag darauf drängen sollte, den Solidaritätsbeschluss der NATO aufzuheben. Ein solcher Beschluss wäre ein Si- gnal, das nirgends in der Welt verstanden würde. Er ist von der Sache her nicht geboten. Ganz im Gegenteil: Er würde nur Probleme schaffen, die wir nicht wollen. Es mag sein, dass die PDS noch immer nicht die Be- deutung der weltweiten Bedrohung durch Terrorismus er- kannt hat. Der Bundestag hat oft zu diesem Thema disku- tiert. Es ist zwar betrüblich, wenn Kollegen im Bundestag die Botschaft, hinter der immerhin vier von fünf Fraktio- nen stehen, nicht verstehen wollen oder können. Wir müs- sen wohl weiter mit der Wahrnehmung leben, dass die PDS in der Welt von heute noch nicht angekommen ist. An diesem Umstand werden wir heute Nacht auch nichts ändern können. Deutschland ist sich seiner Verantwor- tung für den Frieden bewusst. Dies wollen wir auch heute nochmals klarstellen. Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Am 11. September sind schlagartig Albträume zur Wirklichkeit geworden. Ein zu allem bereiter Terrorismus hat die Menschen und die Regierung der Vereinigten Staa- ten von Amerika angegriffen, aber es hätte auch jede an- dere offene Gesellschaft treffen können. Vom ersten Au- genblick an war klar, dass dieser Angriff auf unseren wichtigsten Bündnispartner uns allen galt, unserer Vor- stellung von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, und dass die USA unserer Solidarität bedurften, dass Deutsche und Europäer in der Pflicht waren, die Solida- rität jetzt unsererseits zu leisten. Wir müssen uns gemein- sam der Gefahr stellen. Allen Beteiligten war zum Zeitpunkt dieser Entschei- dungen klar, dass die Bekämpfung der terroristischen Strukturen der al-Qaida eine ungewohnte Herausforde- rung ist, die einen langen Atem erfordert: Der Gegner ist nicht ein Staat, sondern eine international organisierte und weltweit agierende Gruppierung von Terroristen. Das Netzwerk dieser Terrorgruppe in Afghanistan konnte zwar weitgehend zerschlagen werden. Insbesondere konnte das Taliban-Regime, das dieser Gruppierung Beherbergung und Schutz bot, abgelöst werden. Das Ziel einer nachhaltigen Zerschlagung der al- Qaida Strukturen ist aber noch nicht erreicht. Die al-Qaida verfügt weiter über Stützpunkte in Afghanistan, Mitglie- der des Netzwerks haben in anderen Regionen Basen so- wie Führungs- und Ausbildungseinrichtungen. Sprecher der al-Quaida haben sich nicht nur zu den Anschlägen vom 11. September bekannt, sondern öffentlich weitere Angriffe gegen die USA angekündigt und andere dazu aufgerufen. Dies nicht ernst nehmen zu wollen, wäre völ- lig verantwortungslos. Ich erinnere daran: Schon der Anschlag auf den Nord- turm des World Trade Centers in New York 1993 hatte das Ziel, den Nord- und den Südturm zum Einsturz zu brin- gen. Auf diese versuchten Attentate haben die USA da- mals lediglich politisch und strafrechtlich, nicht jedoch militärisch reagiert. In den USAwird nun eine Debatte da- rüber geführt, ob das nicht ein Fehler war. Nach den jüngsten Androhungen der al-Quaida werden weitere An- schläge folgen, wenn wir sie nicht verhindern können, wenn wir den Terroristen nicht das Handwerk legen. Unsere Gesellschaften bleiben verwundbar. Die kon- krete Bedrohung, so die gemeinsame Überzeugung der NATO-MS, ist nicht beendet. Das zeigen nicht nur aktu- elle Ermittlungen der Bundesanwaltschaft. Auch die To- ten und Verletzten auf Djerba sind Opfer des Terrorismus. Die Ihrem Antrag zugrunde liegende Behauptung, die Bedrohung bestehe nicht mehr, ist vor diesem Hinter- grund völlig realitätsfern. Sie suggerieren eine Illusion, der wir uns nicht hingeben können, auch wenn die USA mit ihren Bündnispartnern an der Seite ohne Zweifel wichtige Erfolge erzielt haben. Es besteht daher kein An- lass, die Grundlagen für die Aufrechterhaltung des Art. 5 infrage zu stellen. Das deutsche militärische Engagement ist legitimiert, berechenbar und verhältnismäßig. Es hält sich in jeder Einzelheit an das Völkerrecht. Es kommt für uns nicht in Frage, uns in militärische Abenteuer hinein ziehen zu las- sen. Unsere militärische Beteiligung an der Terrorismus- bekämpfung hält sich strikt an die Aufgaben, die durch die einschlägigen Resolutionen des VN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit den Terrorangriffen auf die USA, durch die Anrufung des Art. 5 des NATO-Vertrages und durch den Beschluss des Bundestages vom 16. November 2001 vorgegeben sind. Auch die in Kuweit eingesetzten deutschen Streitkräfte sind selbstverständlich an das vom Deutschen Bundestag am 16. November 2001 erteilte Mandat gebunden. Die Bundesregierung wird diese Kräfte auch weiterhin nur nach Maßgabe dieses Mandats einsetzen. Schon deshalb steht die Präsenz deutscher ABC-Abwehrkräfte in Kuweit in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über die auch von der EU geteilten Aufforderung an die irakische Führung, ihre Verpflichtungen aus den einschlä- gigen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Na- tionen – insbesondere die Wiederzulassung der Inspektio- nen gemäß SR-Resolution 1284 – zu erfüllen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat festge- stellt, dass das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gegeben ist und in seiner Resolution 1373 von 28. September die Mitgliedstaaten der VN zur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 2002 23287 (C) (D) (A) (B) Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit politi- schen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgebe- rischen Maßnahmen aufgerufen. Das Atlantische Bündnis hat die Feststellung getroffen, dass die Beseitigung dieser Bedrohung gemeinsame An- gelegenheit ist. Dabei beschränkt sich das Engagement des Bündnisses nicht auf politische Rückendeckung. Die NATO ist zum Beispiel auf Bitten der USAzum Schutz des amerikanischen Luftraumes seit Oktober 2001 engagiert. Der Deutsche Bundestag hat dies bei mehreren Gele- genheiten, am 19. September 2001 und bei der Entschei- dung über die Beteiligung der Bundeswehr an den Opera- tionen von „Enduring freedom“ am 16. November 2001, mit Nachdruck unterstützt. Bei all dem bleibt klar: Deutschland wird weiterhin keine Chance ungenutzt lassen, um mit politischen Mit- teln an der Bewältigung der Ursachen für Hass und damit an den Ursachen des internationalen Terrorismus zu ar- beiten. In Afghanistan hat die entschlossene Strategie der politischen Stabilisierung, die von Deutschland maßgeb- lich mitgestaltet wurde, eine Umkehr der Entwicklungen bewirkt. Noch ist der Erfolg der Befriedung Afghanistans und seiner Befreiung vom Terrorismus nicht gesichert, doch haben die Bildung einer Übergangsregierung in Ka- bul und der Beginn des Wiederaufbaus wichtige Voraus- setzungen geschaffen, dass das Land seinen Weg zurück in die Staatengemeinschaft findet. Unsere Außen- und Sicherheitspolitik ist von Verläss- lichkeit, Zielstrebigkeit und von Ausdauer gekennzeich- net. Sie wollen Sprunghaftigkeit, Kurzatmigkeit und Selbsttäuschung einziehen lassen. Damit das nicht ge- schieht, muss dieser Antrag abgelehnt werden. Darum bitte ich das Haus. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 233. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. April 200223288 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Bitte
    schön, Frau Nickels.



Rede von Christa Nickels
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Geis, stimmen Sie mir zu, dass durch die
Steuererklärungen und auch durch amtliche Statistiken
zweifelsfrei belegt ist, dass in Deutschland immer noch
80 Prozent der Bevölkerung konfessionell an den christ-
lichen Gauben gebunden sind? Es gibt Unterschiede zwi-
schen den neuen und den alten Bundesländern. Aber wenn
Sie es mitteln, sind es immer noch 70 bis 80 Prozent. Das
ist meine erste Frage.

Zweite Frage: Stimmen Sie mir darin zu, dass es, wenn
man wirklich wieder Ehrfurcht vor Glauben in der Ge-
sellschaft verankern will – ich stimme Ihnen zu, dass das
nötig ist –, doch viel wichtiger wäre, dass die vielen Chris-
tinnen und Christen in einen interkulturellen Dialog mit
sich selbst eintreten, um das Bewusstsein dafür zu schaf-
fen, dass die Ehrfurcht vor dem Heiligen etwas ist, was
eine Gesellschaft zusammenhält?


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    Rede von Norbert Geis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    In der ersten Frage
    stimme ich Ihnen nicht zu. Ich habe andere Zahlen.

    In der zweiten Frage stimme ich Ihnen zu. Ich halte
    dies in der Tat für wesentlich. Ich bin der Meinung, dass
    dadurch gegenseitige Achtung gefördert werden kann.

    Das hindert uns allerdings nicht daran, dass wir uns Ge-
    danken darüber machen, ob eine Norm im Gesetz so ste-
    hen bleiben kann. Sie ist nämlich im Grunde genommen
    das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Diese Norm ver-
    pufft. Deswegen haben die Grünen ja auch den Antrag ge-
    stellt, diese Norm völlig zu streichen. Also müssen wir,
    wenn wir diese Norm beibehalten wollen, uns Gedanken
    darüber machen, wie wir sie verbessern können. Ich ver-
    trete die Auffassung, Frau Nickels, dass wir die Norm
    dann verbessern, wenn wir den Toleranzgedanken wieder
    als Schutzziel dieser Norm herausstellen.

    Ich meine, man muss sich sehr wohl Gedanken darüber
    machen, ob man das strafrechtlich lösen kann. Insoweit
    hat Herr Stünker Recht. Aber wenn Toleranz eine der Vo-
    raussetzungen für das Funktionieren einer pluralistischen
    Gesellschaft ist, wenn sie Voraussetzung für eine freie Ge-
    sellschaft ist, dann muss die freie Gesellschaft um ihrer
    selbst willen diejenigen zur Räson bringen, die diese To-
    leranz beschädigen. Wenn sie in einem solch schweren
    Maß beschädigt wird, wie dies im Augenblick in Deutsch-
    land immer wieder der Fall ist, dann muss die Gesell-
    schaft nach meiner Auffassung mit dem schärfsten Mittel
    antworten, das sie hat. Das ist das Mittel des Strafrech-
    tes. Das haben wir in anderen Fällen auch getan.

    Ich bin also sehr wohl der Meinung, dass mit dem
    Strafrecht durchaus erreicht werden kann, dass das Tole-
    ranzgebot beachtet wird. Dies ist nach meiner Auffassung
    auch in anderen Fällen so. Warum soll es in dieser wich-
    tigen Frage nicht ebenfalls so sein?

    Es gibt noch einen zweiten Grund. Es geht nicht nur um
    die Toleranz gegenüber dem Glaubensverständnis des
    Einzelnen. Es geht nicht um eine individuelle Frage, son-
    dern es geht auch darum, dass die Kirchen selbst in ihrer
    Stellung nicht beschädigt werden. Insofern ist es wie-
    derum ein verfassungsrechtliches Gebot: Der Staat ist auf-
    grund unseres Staatskirchenrechts zweifellos verpflichtet,
    alles zu tun, damit die Kirchen in ihrer Stellung nicht be-
    schädigt werden.

    Es gibt noch einen dritten Grund. Ich meine, der Satz,
    dass der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht
    garantieren kann, hat eine große Bedeutung. Das ist ein
    wirklich wichtiger Satz, den Böckenförde niedergeschrie-
    ben hat. Wenn es aber um Voraussetzungen des Staates
    geht und der Staat diese selbst nicht garantieren kann,
    dann brauchen wir Institutionen, die diese Voraussetzun-
    gen immer wieder erneuern, die die Bevölkerung immer
    wieder darauf hinweisen. Das sind unter anderem ganz
    gewiss die Kirchen. Wenn wir aber zulassen, dass die Kir-
    chen lächerlich gemacht und von der Jugend nicht mehr
    ernst genommen werden, dann sägen wir, auf Dauer ge-
    sehen, an dem Ast, auf dem wir sitzen.

    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])