Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002
Vizepräsidentin Petra Bläss
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22677
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(B)
Adler, Brigitte SPD 22.03.2002
Altmaier, Peter CDU/CSU 22.03.2002
Barthle, Norbert CDU/CSU 22.03.2002
Dr. Bartsch, Dietmar PDS 22.03.2002
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 22.03.2002
Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.03.2002
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 22.03.2002
Bury, Hans Martin SPD 22.03.2002
Dr. Däubler-Gmelin, SPD 22.03.2002
Herta
Edathy, Sebastian SPD 22.03.2002
Ernstberger, Petra SPD 22.03.2002**
Fograscher, Gabriele SPD 22.03.2002
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 22.03.2002
Friedhoff, Paul K. FDP 22.03.2002
Friedrich (Mettmann), SPD 22.03.2002
Lilo
Friedrich (Altenburg), SPD 22.03.2002
Peter
Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 22.03.2002**
Ganseforth, Monika SPD 22.03.2002**
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 22.03.2002
Günther (Plauen), FDP 22.03.2002
Joachim
Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 22.03.2002
Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 22.03.2002
Heinrich, Ulrich FDP 22.03.2002
Hempelmann, Rolf SPD 22.03.2002
Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 22.03.2002
DIE GRÜNEN
Hinsken, Ernst CDU/CSU 22.03.2002
Dr. Hornhues, CDU/CSU 22.03.2002
Karl-Heinz
Dr. Hoyer, Werner FDP 22.03.2002
Irmer, Ulrich FDP 22.03.2002
Kampeter, Steffen CDU/CSU 22.03.2002
Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 90/ 22.03.2002**
Angelika DIE GRÜNEN
Koppelin, Jürgen FDP 22.03.2002
Kutzmutz, Rolf PDS 22.03.2002
Dr. Lamers CDU/CSU 22.03.2002*
(Heidelberg), Karl A.
Lensing, Werner CDU/CSU 22.03.2002
Lippmann, Heidi PDS 22.03.2002
Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 22.03.2002
Erich
Dr. Meyer (Ulm), SPD 22.03.2002
Jürgen
Michelbach, Hans CDU/CSU 22.03.2002
Mosdorf, Siegmar SPD 22.03.2002
Nolte, Claudia CDU/CSU 22.03.2002
Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ 22.03.2002
DIE GRÜNEN
Ostrowski, Christine PDS 22.03.2002
Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 22.03.2002
Philipp, Beatrix CDU/CSU 22.03.2002
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 22.03.2002
Raidel, Hans CDU/CSU 22.03.2002**
Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 22.03.2002
Roos, Gudrun SPD 22.03.2002
Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.03.2002
Schloten, Dieter SPD 22.03.2002**
Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 22.03.2002
Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 90/ 22.03.2002
Albert DIE GRÜNEN
Schmidt (Fürth), CDU/CSU 22.03.2002
Christian
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.03.2002
Hans Peter
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 22.03.2002
Andreas
Schröter, Gisela SPD 22.03.2002
Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 22.03.2002**
Schütze (Berlin), CDU/CSU 22.03.2002
Diethard
Schuhmann (Delitzsch), SPD 22.03.2002
Richard
Schultz (Everswinkel), SPD 22.03.2002
Reinhard
Seehofer, Horst CDU/CSU 22.03.2002
Sehn, Marita FDP 22.03.2002
Singhammer, Johannes CDU/CSU 22.03.2002
Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.03.2002
Dr. Freiherr von CDU/CSU 22.03.2002
Stetten, Wolfgang
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.03.2002
Thiele, Carl-Ludwig FDP 22.03.2002
Dr. Thomae, Dieter FDP 22.03.2002
Dr. von Weizsäcker, SPD 22.03.2002
Ernst Ulrich
Welt, Jochen SPD 22.03.2002
Wieczorek-Zeul, SPD 22.03.2002
Heidemarie
Wittlich, Werner CDU/CSU 22.03.2002
Wolf, Aribert CDU/CSU 22.03.2002
Dr. Wolf, Winfried PDS 22.03.2002
Zapf, Uta SPD 22.03.2002
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der NATO
** für die Teilnahme an der 107. Jahreskonferenz der Interparlamenta-
rischen Union
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über den
Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedoni-
schem Territorium zum Schutz von Beobachtern
internationaler Organisationen im Rahmen der
weiteren Implementierung des politischen Rah-
menabkommens vom 13. August 2001 auf der
Grundlage des Ersuchens der mazedonischen
Regierung vom 8. Februar 2002 und der Resolu-
tion Nr. 1371 (2001) des Sicherheitsrates derVer-
einten Nationen vom 26. September 2001 (Tages-
ordnungspunkt 20 a)
Dem Antrag auf Verlängerung des Bundeswehreinsat-
zes in Mazedonien stimme ich zu. Durch eigenen Ein-
druck vor Ort bin ich der festen Überzeugung, dass dieser
Einsatz deutlich länger dauert. Deswegen sollte die Re-
gierung mit der mazedonischen Regierung Gespräche
führen, um die Einsatzdauer nicht immer um drei Monate
zu verlängern. Dies wäre nicht nur für die Planung der be-
teiligten Länder, sondern insbesondere auch für die per-
sönlichen Planungen der dort jeweils stationierten Solda-
ten wichtig.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines ... Strafrechts-
änderungsgesetzes – Graffiti-Bekämpfungsge-
setz (... StrÄndG) (Tagesordnungspunkt 22)
Hermann Bachmaier (SPD): Seit Jahren beschäfti-
gen wir uns mit der Frage, welche Mittel wohl am geeig-
netsten sein könnten, den rechtswidrigen Graffitiaktivitä-
ten zu begegnen. Wer hätte kein Verständnis für den Ärger
von Privatleuten, seien sie Eigentümer oder Mieter, deren,
Gebäude beschmiert worden sind! Aber auch die Deut-
sche Bahn, kommunale Verkehrsunternehmen, die öffent-
liche Hand und überhaupt wir alle sind die Geschädigten,
wenn man Brücken, Unterführungen, Bushaltestellen,
Wartehäuschen, Schulen, Behörden, Züge und Straßen-
bahnen unter der Graffitibemalung fast nicht mehr wieder
erkennt.
Immer wieder haben wir hier im Bundestag und in den
dafür zuständigen Fachausschüssen darüber beraten,
weiche Mittel wohl am ehesten geeignet sind, den ärger-
lichen und illegalen Graffitiaktivitäten zu begegnen.
Lange Zeit hielt es ein Teil des Hauses und der Länder für
sinnvoll und richtig, mit der Aufnahme des Verunstal-
tungsbegriffes entweder in den Tatbestand der Sachbe-
schädigung oder in einen eigenständigen Bußgeldtatbe-
stand den unliebsamen Sprayereien zu begegnen. Pate
gestanden hat dabei natürlich der Glaube, dass man Miss-
liebigem am besten dadurch begegnet, dass man das Straf-
gesetzbuch ändert. Die Frage, ob dadurch wirklich Ab-
hilfe geschaffen wird oder nicht, interessiert dabei meist
wenig.
Vor allem wurde nicht berücksichtigt, dass Graffiti be-
reits strafbar ist. Selbstverständlich liegt eine Sachbe-
schädigung vor, wenn Farbaufträge aufgebracht werden,
die man nicht entfernen kann, ohne dass man den Unter-
grund beschädigt. Das ist bei Graffiti in aller Regel der
Fall. Diese Sachbeschädigung wird mit Freiheitsstrafe bis
zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.
Nur in wenigen Fällen kann es einmal zu einer stritti-
gen Sachfrage werden, ob eine Substanzverletzung im
Sinne des Sachbeschädigungstatbestandes vorliegt oder
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222678
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nicht. Dann müssen Gutachter eingeschaltet werden. Ich
betone aber: Das ist nicht der Normalfall. Der Regelfall
ist, dass Graffitisprayer meistens ohne, manchmal auch
mit Gutachten verurteilt werden. Das Problem ist also
nicht, dass ermittelte Sprayer nicht verurteilt werden kön-
nen. Das Problem ist doch in Wahrheit, dass die Sprayer
nur selten ermittelt werden. Und daran werden wir mit ei-
ner anderen Formulierung des Sachbeschädigungstatbe-
standes kaum etwas ändern.
Hätte man, wie dies früher immer gefordert wurde, den
Straftatbestand der Sachbeschädigung um so genannte
Verunstaltungen erweitert, wären übrigens die Probleme
nicht geringer geworden. Vielmehr wären weitere Ausle-
gungsprobleme entstanden Dieser schillernde und unbe-
stimmte Rechtsbegriff hätte dazu geführt, dass Polizei,
Beamte, Staatsanwälte und Richter in Zukunft auch noch
darüber zu entscheiden gehabt hätten, ob Graffiti an einer
Gebäudewand oder einem Eisenbahnwagen verunstalten-
der Natur ist oder nicht.
Deshalb ist es schon ein Fortschritt, wenn in dem jetzi-
gen Antrag des Bundesrates von Verunstaltung nicht mehr
die Rede ist. ist sicherlich hilfreich, dass ausschließlich
darauf abgehoben wird, ob eine nicht unerhebliche Ver-
änderung des Erscheinungsbildes gegen den Willen des
Eigentümers oder sonst Berechtigten vorliegt oder nicht.
Sicher bringt aber auch die Abgrenzung einer erheblichen
von einer unerheblichen Veränderung Auslegungspro-
bleme mit sich.
Insgesamt halte ich die jetzt vorgelegte Fassung des
Straftatbestandes für weniger problematisch als die bishe-
rigen Vorschläge. An dem Problem Graffiti werden wir
aber auch durch eine Erweiterung des Straftatbestandes
der Sachbeschädigung wenig ändern. Die jugendlichen
Sprayer wissen auch heute schon, dass sie sich in aller Re-
gel strafbar machen. Nicht umsonst verrichten sie ihr
Werk im Verborgenen und häufig zu nachtschlafender
Zeit. An eine größere Abschreckungswirkung glaube ich
nicht – und Sie, wenn Sie ehrlich sind, auch nicht.
Wir brauchen Prävention, wir brauchen verstärkte Auf-
klärung der Fälle; die Täter müssen tatsächlich gefasst
werden; wir brauchen sicherlich auch eine schnelle und
sinnvolle strafrechtliche Reaktion und soweit möglich
auch zivilrechtlichen Schadensersatz für die Geschädig-
ten.
Wir werden den mit großer Mehrheit beschlossenen
Gesetzesantrag des Bundesrates ernsthaft beraten. Wir
alle sollten uns allerdings davor hüten, den Eindruck zu
erwecken, als könnten wir durch eine entsprechende Er-
weiterung des Straftatbestandes der Sachbeschädigung
unliebsame Graffiti aus der Welt schaffen.
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das un-
erlaubte Beschmieren und Verschandeln von Häuserwän-
den mit so genannten Graffitis ist selten Kunst und meis-
tens auch nicht schön. Aber: Es ist immer strafbar und mit
schmerzhaften Sanktionen für die Betroffenen verbun-
den! Eine Ausweitung des Strafrechts ist deshalb nicht an-
gezeigt! Unsere Rechtslage spricht da schon eine eindeu-
tige Strafe. Das wissen übrigens auch die Sprayer: Fragen
Sie doch einmal die Jugendlichen. Die wissen doch alle,
dass ihr Tun nicht legal ist. Deshalb finden auch die meis-
ten Spray-Aktionen in der Nacht statt – weil den Kids be-
wusst ist, dass das, was sie da tun, prinzipiell verboten ist
und man sich dabei lieber nicht erwischen lässt.
Bedauerlicherweise diskutieren wir heute bereits zum
wiederholten Male in dieser Legislaturperiode eine Straf-
rechtsänderung wegen Graffitis. Zuletzt ging es ums
„Verunstalten“. Jetzt geht es um einen Passus, der eigent-
lich eher die zivilrechtliche Situation zum Ausdruck
bringt. Aber genügt dieser Passus überhaupt dem straf-
rechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz? Was bedeutet denn
eine „nicht unerhebliche Veränderung des Erscheinungs-
bildes“? Fällt darunter auch eine Verpackung oder das
Plakatieren, selbst wenn man den Originalzustand ohne
bleibende Schäden mit Leichtigkeit wieder entfernen
könnte? Das geht sicher zu weit.
Beim Graffiti ist unsere Rechtslage eindeutig. Graffiti,
das sich nicht mal eben mit dem Taschentuch wegwischen
lässt, führt zu einer Substanzverletzung und damit zu ei-
ner Sachbeschädigung. Denn Farbsubstanzen aus Sprüh-
dosen wirken derart massiv auf den Untergrund ein, dass
es regelmäßig besonderer Lösungsmittel bedarf, um die
aufgesprühte Farbe zu beseitigen. Der 3. Strafsenat des
BGH (in Bd. 41, S.55) bejaht ohne ein Wort des Zweifels
bei Farbsprühaktionen eine Sachbeschädigung. Ausge-
nommen von einer Strafbarkeit werden lediglich völlig
unerhebliche Beeinträchtigungen, deren Beseitigung üb-
licherweise überhaupt unterbleibt oder ohne ins Gewicht
fallenden Aufwand möglich wäre. Hierfür besteht aber zu
Recht kein Strafbedürfnis. Aber das Strafrecht ist gar
nicht das Wichtigste: Nachhaltig spürbarer sind die zivil-
rechtlichen Schadensersatzansprüche, die den Betroffe-
nen drohen.
Wer sich beim Sprühen erwischen lässt, für den wird’s
definitiv teuer, wenn er die Regressansprüche der Ei-
gentümer begleichen muss.
Machen Sie sich keine Illusionen: Diese kosmetische
Änderung im Strafgesetz führt nicht dazu, dass sich die
Sprayer nicht mehr mit ihrer Sprühdose nachts auf die
Pirsch durch den Kiez begeben. Wer das glaubt, verfällt dem
alten Irrtum, dass mehr Strafrecht und höhere Strafen die
Leute immer von ihren Schandtaten abhalten würden. Nein,
in präventiver Hinsicht ist dieses Gesetz wirkungslos. Es ist
eine Luftnummer, weiße Salbe. Solche Gesetze eignen sich
allenfalls dazu, den ordnungsliebenden Bürgerinnen und
Bürgern etwas vorzugaukeln. Das aber ist unseriös!
Das Problem bei der Graffitischmiererei ist nicht die zu
milde oder fehlende Sanktionierung, sondern das schwie-
rige Habhaftwerden der Täter. Hier muss man ansetzen.
Mehr Polizeipräsenz nachts auf den Straßen und öfter mal
ein wachsames Auge helfen hier mehr als die plumpe
Strafrechtskeule.
Sabine Jünger (PDS): Mir fallen wirklich viele
Dinge ein, über die man hier einmal debattieren könnte
und sollte. Warum wir uns heute allerdings schon wieder
mit Graffiti bzw. mit der Strafverschärfung für Graffiti-
sprühen beschäftigen sollen, mag mir nicht so ganz ein-
leuchten.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22679
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Wir haben zu diesem Thema in dieser Legislaturperi-
ode schon diverse Initiativen von konservativer Seite be-
handelt. Sie sind von uns – und auch von den Kolleginnen
und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – im-
mer mit den besseren Argumenten zurückgewiesen wor-
den. Was also soll dieser neue Versuch, junge Menschen
zu kriminalisieren?
Weil ich ein geduldiger Mensch und zudem eine An-
hängerin der Aufklärung bin, erkläre ich den Kolleginnen
und Kollegen zur Rechten und hier links hinter mir gerne
noch einmal, warum auch ihre neue Initiative keinen Sinn
macht.
Sprayer sind größtenteils männliche Jugendliche zwi-
schen 12 und 18. Wenn sie beim Sprühen erwischt wer-
den, dann hat das jetzt schon heftige Folgen für sie: Wem
ein oder mehrere Graffiti nachgewiesen werden können,
der muss – auch heute schon – mit deutlichen Konse-
quenzen rechnen. Das heißt in der Regel richterliche Er-
mahnung, Freizeitarbeiten oder Freizeitarrest. Hinzu
kommen Verhöre, Hausdurchsuchungen und der vorpro-
grammierte Ärger mit den Eltern, die Beseitigung der
Graffiti, die persönliche Haftung für den Schaden und da-
mit ein Schuldenberg. Je nach Sachlage gibt es oben drauf
noch eine Anklage wegen Sachbeschädigung. Was also
soll mit einer Strafverschärfung erreicht werden? Noch
drakonischere Strafen bis hin zum Knast? Bei allem Res-
pekt: Einige in diesem Hause und auch im Bundesrat soll-
ten sich vor Augen führen, dass es bei diesem Thema im
Wesentlichen um Jugendliche geht, anstatt hier weiterhin
die selbst ernannten Rächer der Häuslebauer zu geben.
Unsere Gesellschaft tut sich äußerst schwer damit,
Kinder und Jugendliche als eigenständige Wesen zu be-
greifen und ihnen eigene Rechte zuzugestehen. Man hört
Kindern und Jugendlichen nicht zu und man nimmt sie
nicht ernst. Sie dürfen nicht wählen und ihr Mitsprache-
recht in Schulen oder in weiten Teilen der Jugendhilfe ist
ein Lacher. Hier wäre ein weites Feld zu beackern, sowohl
im Bundesrat als auch hier im Hause.
Wer das Wahlalter nicht senken will und Jugendliche
von wesentlichen Entscheidungen ausschließt, wer Mit-
bestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche
sogar noch einschränkt, wer Kinder und Jugendliche in
politische und ästhetische Schablonen zwängt und deren
möglichst effektive Anpassung fordert, der muss schon
damit leben können, wenn ihm die eine oder andere poli-
tische oder ästhetische Meinungsäußerung dauerhaft von
Häuserwänden oder Bahnwaggons entgegenspringt.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Der Gesetzentwurf betrifft ein
Problemfeld, das uns vor einiger Zeit schon einmal im Be-
reich der Gesetzgebung beschäftigt hat. Ich meine die Ge-
setzesinitiativen des Bundesrates, der CDU/CSU und der
FDP aus dem Jahre 1999. Wie die damaligen Vorschläge
zielt auch der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf des
Bundesrates darauf ab, insbesondere Graffitischmiere-
reien und wildes Plakatieren auch dann unter Strafe zu
stellen, wenn sie lediglich den Zustand oder das Erschei-
nungsbild von Sachen verändern, nicht aber deren Sub-
stanz verletzen.
Tagtäglich werden wir mit Farbschmierereien und
Graffiti konfrontiert, deren Ausmaß zum Teil unerträglich
geworden ist. Private und öffentliche Gebäude, Brücken,
S-Bahn-Waggons, Straßenbahnwagen sind übersät von
Farbschmierereien und eventuell interessanten, aber von
den Eigentümern und anderen Berechtigten nicht gewoll-
ten Graffitis. Die Schäden für die Betroffenen sind in der
Summe gewaltig.
Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, ob die
gesetzlichen Sanktionen ausreichen. Oder haben die Ge-
gebenheiten inzwischen eine Entwicklung genommen,
die nun vielleicht doch eine Reaktion im Bereich der Ge-
setzgebung erfordert? Zu der Frage, ob und gegebenen-
falls unter welchen Voraussetzungen nach geltendem
Recht das Anbringen von Graffitischmierereien oder das
wilde Plakatieren als Sachbeschädigung oder gemein-
schädliche Sachbeschädigung strafbar ist, bestehen nach
wie vor unterschiedliche Rechtsauffassungen.
Eine dem Gestaltungswillen des Eigentümers zuwider-
laufende bloße Veränderung der äußeren Erscheinung und
Form einer Sache reicht nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs für sich allein grundsätzlich nicht
aus, um den Tatbestand der Sachbeschädigung zu begrün-
den. Die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit einer Sache
muss beeinträchtigt oder deren Substanz in einem ins Ge-
wicht fallenden Umfang verletzt sein. Wird die Substanz
der Sache durch den rechtswidrigen Eingriff derart in Mit-
leidenschaft gezogen, dass eine Reinigung zwangsläufig
zu deren Beschädigung führt, liegt ebenfalls eine Sachbe-
schädigung vor. Das mit dieser Konstellation verbundene
Problem für die Strafverfolgung kennen wir: Ermittlungs-
aufwand und -kosten sind nicht gerade gering.
In der gerichtlichen Praxis wird aber auch die Rechts-
auffassung vertreten, dass unter bestimmten Vorausset-
zungen schon eine Veränderung des Erscheinungsbildes
einer Sache, die den Gestaltungswillen des Eigentümers
beeinträchtigt, als Sachbeschädigung gewertet werden
kann.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sehe ich mit dem
Gesetzentwurf die Möglichkeit, nochmals das Für und
Wider etwaiger gesetzgeberischer Maßnahmen zu prüfen.
Ich begrüße deshalb den Beschluss des Rechtsausschus-
ses, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Sachver-
ständigenanhörung durchzuführen.
Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung in ihrer Stel-
lungnahme zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass
dem Begriff der nicht unerheblichen Veränderung des Er-
scheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers oder
sonst Berechtigten aus strafrechtlicher Sicht durchgrei-
fende Bedenken nicht begegnen. Es wäre zu prüfen, in-
wieweit die Rechtslage klargestellt wird, die Rechtsan-
wendung erleichtert und damit die Rechtssicherheit auf
diesem Gebiet verbessert werden könnten.
In einem Punkt weiß ich mich einig mit Ihnen: Wir ha-
ben zu beachten, dass Akteure des Graffitifarbsprühens
vor allem Jugendliche und Heranwachsende sind. Diesem
Phänomen dürfen wir vor allem auch deshalb weder aus-
schließlich noch in erster Linie mit den Mitteln des Straf-
rechts begegnen. Wie sowohl im Gesetzentwurf als auch
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222680
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in der Stellungnahme der Bundesregierung hervorgeho-
ben wird, kommt den Maßnahmen der Prävention eine
nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, wenn es gelingen
soll, das unbefugte Bemalen, Besprühen und Beschmie-
ren von Sachen einzudämmen.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung
– des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des
Völkerstrafgesetzbuches
– des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des
Römischen Staus des Internationalen Strafgerichts-
hofes vom 17. Juli 1998
(Tagesordnungspunkt 10 a und b)
Margot von Renesse (SPD): Der gerade abgeschlos-
sene Tagesordnungspunkt hat uns eine ausführliche Be-
schäftigung mit Straftaten beschert, die ganz offensicht-
lich unsere Bevölkerung in helle Aufregung versetzen und
deren mangelhafte Verfolgung ihr Vertrauen in die Durch-
setzung des Rechts erheblich erschüttert. Ich spreche vom
Unwesen der Graffiti-Schmierereien. Nun aber soll die
Rede sein von Straftaten von solch unglaublicher Grau-
samkeit, von solch massenhafter todbringender Wucht,
dass die Sprache eigentlich keine Worte hat, um ihnen ge-
recht zu werden, die aber gleichwohl in ihrer Bedeutung
zu verblassen scheinen, je weiter wir von den Orten ihrer
Begehung entfernt sind: von Völkermord, von Verbrechen
gegen die Menschlichkeit, von Kriegsverbrechen.
„Bei uns kann so etwas nicht passieren. So etwas gibt es
nur auf dem Balkan, dem ja alles zuzutrauen ist, oder den
Ländern, wo extreme Armut jede Brutalität beim Kampf
um die eigene Existenzsicherung begünstigt.“ So einfach
können wir es uns nicht machen, wenn wir nur ehrlich un-
sere eigene deutsche Vergangenheit befragen und die Erin-
nerung beschwören, die heute noch unter uns Lebende be-
zeugen können. Auch ein Volk wie das unsere mit einer
gebildeten Elite, mit einer großen Kultur und bewunderns-
werten Leistungen auf jedem geistigem Gebiet stürzte sich
kopfüber in den Abgrund bis dahin noch nicht da gewese-
ner Verbrechen. Wer, wenn nicht wir, sollte darum wissen,
wie leicht Menschen in Versuchung geraten, Macht dann
am meisten zu genießen, wenn sie groß genug ist, um an-
dere umgestraft quälen und vernichten zu können?
Es ist also nicht nur aus formalen Gründen gut und
richtig, dass wir unseren Beitrag zum Aufbau einer inter-
nationalen Strafrechtspflege mit Weltrechtsprinzip durch
die Aufnahme der inzwischen überall als schwerste
Straftaten anerkannten Grausamkeiten in unser nationales
Recht leisten und damit zum Ausdruck bringen, dass wir
unsere eigenen Staatsbürger auf dieses Recht verpflich-
ten. Bei uns soll auch niemand Unterschlupf finden, der
sich vor der Gerechtigkeit zu verbergen versucht.
Als ich vor gut zwei Jahren mit dem Kollegen
Hartenbach und der Kollegin Lilo Friedrich beim Interna-
tionalen Strafgerichtshof in Tansania war, gehörte für
mich zu den stärksten Eindrücken, dass die dortige be-
scheidene Bibliothek eine vollständige Dokumentation
der Nürnberger Prozesse aufwies und die Urteile über die
Gräueltaten, die sich in Ruanda ereignet hatten, gespickt
waren mit Zitaten aus den damaligen Entscheidungen
zum Dritten Reich. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg
entstanden die ersten Ansätze einer internationalen Ge-
richtsbarkeit, vor der sich die ehemaligen deutschen und
die japanischen Machthaber zu verantworten hatten.
Die Hoffnung, dass mit ihrer Entmachtung, der Grün-
dung der UNO sowie hochherzigen Erklärungen zur Gel-
tung der Menschenrechte ein für alle mal Schluss sein
werde mit Untaten dieser Größenordnung, hat sich nicht
erfüllt. Ja, wir mussten erleben, dass die Sicherheit eines
Verbrechers davor, zur Rechenschaft gezogen zu werden,
mit Umfang und Ausmaß seines Verbrechens eher zu-
nahm. Die internationalen Gerichtshöfe in Tansania und
den Niederlanden entwickeln nun endlich weiter, was mit
den Nürnberger Prozessen begonnen hatte: ein internatio-
nales Recht mit dem Anspruch, weltweit zu gelten.
Es sind die Verbrechen der Machteliten, die bei dem
vorliegenden Gesetzentwurf gemeint sind. Nur sie, die in
kleinen oder größeren Regionen die Möglichkeit haben,
Mehrheiten gegen Minderheiten zu hetzen, Milizen zu or-
ganisieren, größere Haufen zu bewaffnen, vor allem mit
den so gefährlichen Kleinwaffen, können die Gräueltaten
begehen, von denen in diesem Gesetzentwurf die Rede ist.
Massenmord, planmäßige und massenhafte Vergewalti-
gungen, Folter und Erniedrigung jeder Art werden gezielt
zur Vernichtung der zu Feinden erklärten Mitmenschen
eingesetzt, denen das Menschsein abgesprochen wird. Tä-
ter im Sinne dieses Gesetzentwurfs sind diejenigen, die
den Hass schüren, die Waffenlieferungen organisieren,
den Blutrausch für die Erhaltung ihrer Macht ausnutzen.
Hier geht es nicht um den kleinen Einzeltäter, der seine In-
strumentalisierung nicht wahrnimmt, sondern um die
Drahtzieher, die Kommandanten, die regionalen Fürsten,
die eigentlichen Nutznießer solcher kollektiven Aus-
brüche. Nirgends auf der Welt sollen sie mehr sicher
sein. Wir wollen – nicht zuletzt aus historischer Verant-
wortung – bei diesem wichtigen internationalen Projekt
zur Durchsetzung des Rechts nicht zurückstehen.
Wir werden im Bundestag, in den Ausschüssen, genau
zu beraten haben, ob die Tatbestände richtig gefasst wur-
den, ob sie all das enthalten, was zu den drei großen Grup-
pen von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit gehört. Ich kann mir durchaus
vorstellen, dass wir angesichts der bereits ergangenen
Entscheidungen zu Ruanda und Jugoslawien noch das
eine oder das andere zu ergänzen haben. So wie diese bei-
den noch arbeitenden internationalen Gerichte sich auf
die Urteile von Nürnberg und Tokio gestützt haben, wer-
den wir die Weiterentwicklung des internationalen Straf-
rechts einbeziehen müssen, die sich inzwischen ereignet
hat. Ich bin sicher, dass alle Fraktionen dieses Hauses
diese Aufgabe im Bewusstsein unserer gemeinsamen Ver-
antwortung erfüllen werden.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Lassen Sie mich
zu Beginn eines feststellen: Der Entwurf eines Gesetzes
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22681
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zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und der Ent-
wurf eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Sta-
tuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli
1998 verdienen – vorbehaltlich einer Detailprüfung –
nicht nur von der Zielsetzung, sondern auch von der in-
haltlichen Umsetzung her die volle Unterstützung der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Der menschenverachtende Terrorakt des 11. Septem-
ber hat uns allen die Notwendigkeit, den Prozess der Er-
richtung des Internationalen Strafgerichtshofes weiter
zielstrebig fortzusetzen, noch einmal deutlich vor Augen
geführt. Gleichwohl sind die beiden Gesetzesvorhaben
nicht nur Antwort auf die Ereignisse des 11. September.
Sie haben ihre Wurzeln in der erfolgreichen und konse-
quenten Außen- und Justizpolitik der Vorgängerregie-
rung. Die jetzige Regierung hat gut daran getan, die von
der Regierung Kohl angestoßene und mit großem Nach-
druck betriebene Entwicklung hin zu einer internationa-
len Gerichtsbarkeit, die die kardinale und stets beklagte
Schwäche des Völkerrechts, seine mangelnde Durchset-
zungskraft, überwinden soll, weiter voranzutreiben. Mit
der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und der ent-
sprechenden Begleitgesetze bewegen wir uns einen wei-
teren großen Schritt auf dieses Ziel zu. Ich glaube, es
spricht für Deutschland und für deutsche Politik, dass wir
diesen Weg in diesem Haus – jenseits aller innen- und
rechtspolitischen Meinungsverschiedenheiten – immer
gemeinsam im Konsens beschritten haben. Es ist sehr po-
sitiv, dass wir bei solchen Kernfragen der nationalen und
internationalen Politik Übereinstimmung haben. Dies galt
in der Vergangenheit für die Ratifizierung des Römischen
Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes und die Än-
derung des Art. 16 Abs. 2 unserer Verfassung und dies gilt
auch jetzt für die Einführung des Völkerstrafgesetzbu-
ches. Wir nehmen damit nicht nur an einer historischen
Entwicklung teil, sondern fördern diese aktiv durch das
gute Beispiel Deutschlands.
Die Einführung eines Völkerstrafgesetzbuches erfüllt
in erster Linie vier eminent wichtige Funktionen:
Erstens. Die völkerstrafrechtlichen Normen werden in
deutsches Recht transformiert. Hierdurch wird eine deut-
sche Strafverfolgung auf Grundlage dieser Normen über-
haupt erst möglich gemacht.
Zweitens. Strafbarkeits-, Strafzumessungs- und Straf-
anwendungslücken werden beseitigt. Auf diese Weise
wird eine umfassende und adäquate Bestrafung sämtli-
cher Straftatbestände des Statuts unter Erfassung des spe-
zifisch völkerrechtlichen Unrechtsgehaltes sichergestellt,
die das deutsche Strafrecht bislang nicht leisten kann.
Drittens. Mit der Entscheidung gegen Detailerweite-
rungen innerhalb des geltenden Strafrechts und für ein
weitgehend eigenständiges Regelwerk wird die Rolle des
Völkerstrafrechts gegenüber dem allgemeinen Strafrecht
verdeutlicht und dessen herausragende Bedeutung für Si-
cherheit und Frieden in der Weltgemeinschaft betont.
Viertens. Mit Blick auf den Grundsatz der Komple-
mentarität, also der Nachrangigkeit der Verfolgung der
völkerrechtlichen Straftatbestände durch den Internatio-
nalen Strafgerichtshof gegenüber der Verfolgung in den
Unterzeichnerstaaten des Statuts, wird eine nahezu
deckungsgleiche Verfolgbarkeit in Deutschland herge-
stellt. Wo diese Lücken aufweist, liegt dies in der not-
wendigen Achtung des Bestimmtheitsgrundsatzes des
Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie der dem Inhalt
des Statuts als internationalem Kompromiss und Aus-
gleich zwischen verschiedenen Rechtsordnungen inne-
wohnenden Besonderheiten begründet.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Rö-
mischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes
vom 17. Juli 1998 flankiert diese erfreuliche Entwick-
lung, indem er die Zusammenarbeit zwischen Deutsch-
land und dem Internationalen Strafgerichtshof als Voraus-
setzung für dessen effiziente Arbeit dezidiert und
zusammenhängend regelt.
Ich möchte keine Prognose wagen, wie viele Völker-
rechtsverbrechen auf Grundlage dieses neu geschaffenen
Rechts in Zukunft tatsächlich vor deutschen Strafgerich-
ten Verfolgung finden werden. Aber selbst dann, wenn es
kein einziges sein sollte, ändert das nichts an der heraus-
ragenden Bedeutung dieses Vorhabens für eine gerechte
Weltordnung. Denn entscheidend ist bereits die zweifache
Signalwirkung, die von dessen Verwirklichung ausgehen
wird. Das erste Signal richtet sich an die Staaten, die das
Statut noch nicht ratifiziert oder die Voraussetzungen für
eine innerstaatliche Verfolgung noch nicht geschaffen ha-
ben und wird diese motivieren, es uns gleich zu tun. Das
zweite Signal richtet sich an die potenziellen Täter und
macht unmissverständlich deutlich: Die Weltgemein-
schaft wird Verstößen gegen das Völkerrecht nicht taten-
los zuschauen oder diese tolerieren. Wir haben den Willen
und das Instrumentarium, diese Verbrechen zu verfolgen.
Wer die Regeln des Völkerrechts missachtet, treibt sich
selbst in die Isolation und wird – egal, ob in einem Unter-
zeichnerstaat oder vor dem Internationalen Strafgerichts-
hof – für seine Verbrechen bestraft werden.
Heute ist nicht der rechte Zeitpunkt, Kritik an einzel-
nen Regelungen der Gesetzentwürfe zu üben. Sicher ist
bei dem einen oder anderen Tatbestand fraglich, ob er dem
Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes genügt. Lassen
Sie mich hier beispielhaft nur § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Ent-
wurfes nennen. Andere Fragen – wie beispielsweise die
Behandlung ehemaliger Mitglieder ausländischer Regie-
rungen, die schwerste Völkerrechtsverbrechen begangen
haben – sind aus meiner Sicht offen geblieben. Ich bin al-
lerdings überzeugt, dass es im parlamentarischen Verfah-
ren gelingen wird, die vorhandenen Schwächen der Ent-
würfe zu beseitigen.
Mit der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und
der entsprechenden Begleitgesetze wird Deutschland ei-
nen weiteren maßgeblichen Beitrag zur weltweiten
Ächtung, Verfolgung und Bestrafung von Völkermord,
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsver-
brechen leisten und das Römische Statut des Internatio-
nalen Strafgerichtshofes nach dessen Ratifizierung und
der Änderung des Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes wei-
ter mit Leben füllen. Sicherheit und Frieden für eine im-
mer enger zusammenwachsende Welt sind unser gemein-
sames Anliegen. Dessen Realisierung findet heute und in
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222682
(C)
(D)
(A)
(B)
Zukunft die volle Unterstützung der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion.
Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Heute ist ein guter Tag: Nachdem Politik und Diplomatie
auf der internationalen Ebene erfolgreich für die Zeich-
nung des Römischen Statuts gekämpft haben und
Deutschland es am 11. Dezember 2000 ratifiziert hat, kön-
nen wir heute in erster Lesung über den Entwurf der Bun-
desregierung zur Ausführung des Römischen Statuts des
Internationalen Strafgerichtshofes und über das neue Völ-
kerstrafgesetzbuch beraten.
Mit Letzterem geben wir uns eines der modernsten
Völkerstrafgesetzbücher der Welt und haben eine über-
zeugende innerstaatliche Ergänzung des Römischen Sta-
tuts. Das Völkerstrafgesetzbuch wird es uns ermöglichen,
schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch in
Deutschland strafrechtlich zu verfolgen.
Bislang unterliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nur
Straftaten, die innerhalb Deutschlands gegen deutsches
Recht begangen wurden oder die ein deutscher Staatsan-
gehöriger im Ausland begeht und sowohl nach deutschem
als auch nach dem dortigen Recht strafbar ist. Das wird
jetzt anders: Für schwerwiegende Verstöße gegen das
Völkerrecht gilt künftig das Weltrechtsprinzip. Weder
muss der Täter Deutscher sein oder hier leben, noch muss
die Tat in Deutschland begangen worden sein.
Kofi Annan sagte Ende Februar hier vor diesem Haus,
dass es nur wenige Nationen gebe, die bessere historische
Gründe als die Deutschen hätten, sich für die Sache des
Friedens zu engagieren. Er hat Recht. Deshalb begrüße
ich es sehr, dass wir uns mit den Gesetzentwürfen so kon-
sequent für die Verfolgung von schwersten Menschheits-
verbrechen einsetzen.
Mitte Februar wurden manche Menschenrechtler von
einem Urteil des Internationalen, Gerichtshofs schwer
enttäuscht: Im Streit zwischen Belgien und dem Kongo
hat der Internationale Gerichtshof entschieden, dass ein
belgisches Gericht keinen Haftbefehl gegen den früheren
kongolesischen Außenminister wegen Völkermords an
den Tutsi erlassen durfte.
Heißt das, dass Staatschefs und Minister nicht verfolgt
werden dürfen, dass gerade die Haupttäter straffrei ausge-
hen? Macht Macht immun? Nein, nicht mehr und immer
weniger! Zwar dürfen Einzelstaaten nicht über Mitglieder
eines anderen Staates richten, internationale Strafgerichte
hingegen sehr wohl.
Hierfür spricht auch einiges. Denn die Strafverfolgung
von Staatschefs oder Ministern eines souveränen Staats
durch einen anderen Einzelstaat kann leicht als Miss-
brauch verstanden werden. Außenpolitisch und diploma-
tisch könnte es als hegemoniales Signal missverstanden
werden, wenn der politischen Elite der Dritten Welt vor
europäischen Gerichten der Prozess gemacht wird.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören vor ein
von den VN legitimiertes Strafgericht. Deswegen wird der
internationale Strafgerichtshof so dringend gebraucht.
Das wissen wir nicht erst seit dem 11. September. Die
schrecklichen Verbrechen in Ruanda und Exjugoslawien
wurden zwar mit VN-Sondertribunalen beantwortet. Aber
bisher fehlte auf die meisten furchtbaren Verbrechen eine
allgemeine Antwort der Staatengemeinschaft. Ein Bei-
spiel hierfür ist das Scheitern der Verhandlungen im Fe-
bruar zwischen Kambodscha und den Vereinten Nationen
um ein Tribunal gegen die Roten Khmer.
Ein Internationaler Strafgerichtshof ist überfällig. Aber
selbst wenn er – aller Voraussicht nach – nächstes Jahr
seine Arbeit aufnehmen wird, sind damit nicht alle Pro-
bleme aus dem Weg geräumt. Erstens wird seine Wirk-
samkeit auf die Vertragsstaaten beschränkt bleiben. Zwei-
tens fehlt eine wesentliche Komponente eines Straf-
gerichts: eine zuarbeitende eigene Polizeieinheit. Wie
problematisch Gefangennahmen und Überstellungen von
Tätern an ein Weltgericht sind, hat uns gerade in jüngster
Zeit das Jugoslawien-Tribunal wieder vor Augen geführt.
Es ist deshalb regelrecht tragisch, wenn die USA bis-
lang die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs
nicht unterstützen. Der Internationale Strafgerichtshofs
wird aber auf die universelle Anerkennung angewiesen
sein. Noch hat er diese Unterstützung nicht, im Gegenteil.
Deswegen möchte ich unsere amerikanischen Partner von
dieser Stelle aus nochmals auffordern: Helfen Sie mit, die
Verrechtlichung der internationalen Beziehungen weiter
voranzubringen!
Ich spreche mit Sicherheit im Namen vieler Frauen,
wenn ich sage, dass es sich lohnt, sich für die Weiterent-
wicklung des Völkerrechts einzusetzen: Zum ersten Mal in
der Geschichte des Völkerrechts werden Vergewaltigung,
sexuelle Sklaverei und erzwungene Schwangerschaften als
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbre-
chen anerkannt und im Statut des Internationalen Strafge-
richtshofs einzeln aufgeführt. Angesichts der Gräueltaten
auf dem Balkan ist das eine späte Genugtuung für viele
Frauen und ein wirklicher Durchbruch in der weltweiten
Anerkennung der Menschenrechte von Frauen.
Das Auswärtige Amt hat nicht nur bei den schwierigen
und zähen Verhandlungen um das Römische Statut
großartige Arbeit geleistet. Es setzt diese fort und startet
bereits Initiativen, um viele potenzielle deutsche Bewer-
berinnen und Bewerben auf Stellenmöglichkeiten ab
nächstem Jahr in Den Haag aufmerksam zu machen.
Mit dem Völkerstrafgesetzbuch knüpfen wir das Netz
enger, um der Menschenrechtspolitik nicht nur mit wohl-
klingenden Reden, sondern mit effektiven Instrumenten
zur Durchsetzung zu verhelfen.
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): In der Rechts-
politik ist aus Sicht der FDP in dieser Legislaturperiode
vieles schief gegangen. Dies im Einzelnen darzutun, ist
hier natürlich weder Anlass noch Zeit. Für den heutigen
Diskussionspunkt nämlich, die Fortentwicklung des in-
ternationalen Strafrechts, trifft das gottlob nicht zu. Dies
sei ausdrücklich attestiert. Denn hier hat die Regierung
die Vorarbeiten liberaler Minister nach anfänglichem Hol-
pern – ich denke nur an das unverständliche Gesperre bei
der Änderung von Art. 16 Abs. 2 GG – denn doch erfreu-
licherweise genutzt. Nach der Ratifizierung des Römi-
schen Statutes vom 17. Juli 1998 über einen ständigen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22683
(C)
(D)
(A)
(B)
Internationalen Strafgerichtshof kommen nun also der
Entwurf eines entsprechenden Umsetzungsgesetzes und
der Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung des Völker-
strafgesetzbuches auf den Weg. Beide Initiativen unter-
stützt die FDP mit Nachdruck.
Bei dein Gesetzesentwurf zur Ausführung des Römi-
schen Statuts geht es vor allem darum, eine enge und ef-
fiziente Zusammenarbeit mit dem internationalen Tribu-
nal sicherzustellen. Deutschland hat ein spezifsches
Interesse daran, dessen Wirken kraftvoll sich entfalten zu
lassen und also in jeder Hinsicht zu fördern. Hierfür müs-
sen etwa nationale Hoheitsrechte aufgegeben werden, wie
bei der Duldung von Verfahrenshandlungen auf deut-
schem Territorium. Die Regeln des internationalen
Rechtsverkehrs bedürfen einer nachhaltigen Intensivie-
rung. Entgegen teilweise geäußerter Kritik halten wir in-
soweit die vorgesehenen Zulassungen und Anpassungen
nicht für zu weit gehend, und zwar auch, soweit dazu eine
gewisse Zentralisierung justizieller Entscheidungen in
Deutschland notwendig wird.
Das eigentlich Innovatorische, Weiterführende macht
allerdings der Gesetzentwurf zur „Einführung des – rich-
tig wohl: – eines – Völkerstrafgesetzbuches“ aus. Hier
wird das materielle deutsche Strafrecht fortentwickelt.
Zugleich erfolgt dadurch aber auch ein Beitrag zu Ausbau
und Verdichtung der völkerrechtlichen Normen. Vision ist
ja, wenigstens für die schwersten Verbrechen auf interna-
tionaler Ebene wie Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen eine umfassende
rechtliche Einfangung zu erreichen, und damit ein Stück
Welt-Innenrechtsordnung zu schaffen. Wir Liberalen be-
kennen uns zu diesem Ziel ausdrücklich und unterstützen
jede vernünftige Anstrengung in diese Richtung, auch und
gerade wenn zur endgültigen Zielerreichung noch viel Ar-
beit und viele Einzelakte erforderlich sind. Der jetzt un-
ternommene Schritt scheint uns jedenfalls eine gelungene
Unternehmung auf diesem ebenso steinigen wie lohnen-
den Weg.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Nachdem Deutschland
das Römische Statut ratifiziert hat, ist es nach meiner Mei-
nung richtig und geboten, seine Bestimmungen in das in-
nerstaatliche Recht umzusetzen. Es entspricht dem Rang,
den die Materie inzwischen im Völkerrecht einnimmt, ein
eigenständiges Völkerstrafgesetzbuch zu schaffen. Auch
die Einführung des Weltrechtsprinzips für Verbrechen
nach Völkerstrafgesetzbuch ist angemessen.
Ich hoffe, dass es nicht bei einem weitgehend symbo-
lischen Akt bleibt und dass das Gesetz nicht selektiv an-
gewandt wird. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu wei-
sen, dass das Völkerstrafrecht entweder wirkungslos
bleibt oder gegen die jeweiligen Gegner der USA und der
NATO instrumentalisiert wird.
Die Ausformulierung der Straftatbestände folgt im We-
sentlichen denen des Statuts. Leider werden dabei auch
bestimmte Defizite des Statuts fortgeschrieben.
Das Verbrechen der Aggression ist im Statut verankert,
allerdings ohne formulierten Tatbestand und daher nicht
strafbewehrt. Im Entwurf des Völkerstrafgesetzbuchs ist
dieses Verbrechen nicht erfasst. Nach meiner Meinung
kann und muss die Aggression im Völkerstrafgesetzbuch
als Verbrechen definiert und unter Strafe gestellt werden,
zumal bereits im StGB – §§ 80 und 80 a – die Vorberei-
tung eines Angriffskriegs und das Aufstacheln zu ihm un-
ter Strafe steht.
Im Entwurf fehlt ebenso wie im Statut ein Straftatbe-
stand des Terrorismus. Wäre es nicht angebracht, im Zu-
sammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlich-
keit völkerrechtlich anerkannte Tatbestandsmerkmale des
internationalen Terrorismus aufzunehmen? Es kommen
freilich nur die Tatbestände infrage, auf die sich die Staa-
tengemeinschaft in verbindlichen Verträgen geeinigt hat.
Im Entwurf ist entsprechend dem Statut für das Ver-
brechen des Einsatzes von Kindersoldaten eine Alters-
grenze von 15 Jahren festgelegt. In dem von Deutschland
unterzeichneten Zuatzprotokoll über die Rechte der Kin-
der vom Mai 2000 wird die Heranziehung von Menschen
unter 18 Jahren zum Kriegsdienst verboten. Der Entwurf
sollte sich an dem jüngeren Zusatzprotokoll orientieren
und eine Grenze von 18 Jahren bestimmen.
Ein deutsches Völkerstrafgesetzbuch sollte angesichts
der historischen, moralischen und juristischen Verantwor-
tung Deutschlands festlegen, dass die Unterwerfung von
Zivilpersonen unter Zwangsarbeit in einem bewaffneten
Konflikt ein Kriegsverbrechen ist.
In § 12 des Entwurfs wird die Verwendung von chemi-
schen und biologischen Waffen unter Strafe gestellt. Es
fehlt jedoch – wie auch im Statut – die Strafbarkeit des
Einsatzes von Atomwaffen. Ungeachtet gewisser völker-
rechtlicher Zweifelsfragen, ob Atomwaffen zu den verbo-
tenen Mitteln der Kriegführung gehören, plädiere ich
ganz entschieden dafür, dass im Völkerstrafgesetzbuch
der Einsatz von Atomwaffen als ein schweres Kriegsver-
brechen unter Strafe gestellt wird. Dasselbe gilt für die
Verwendung von Laserwaffen und Antipersonenminen,
von Streu- und Splitterbomben, wo die Strafbewehrung
im Völkerrecht möglicherweise noch nicht allgemein an-
erkannt ist.
Ich sehe kein juristisches Hindernis, in einem inner-
staatlichen Strafgesetzbuch, das der Umsetzung von Völ-
kerstrafrecht dient, über den erreichten völkerrechtlichen
Standard in bestimmten Punkten hinauszugehen. Das ist
politisch geboten und würde das Völkerrecht stärken.
Lassen Sie uns darüber nachdenken und beraten.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Mit dem Völkerstrafgesetzbuch
und Ausführungsgesetz zum Römischen Statut des Inter-
nationalen Strafgerichtshofs legt die Bundesregierung
zwei wichtige Gesetzentwürfe zur Förderung der interna-
tionalen Strafgerichtsbarkeit und der Weiterentwicklung
des Völkerstrafrechts in Deutschland vor.
Vor knapp vier Jahren, nämlich am 17. Juli 1998, ist
das Statut des künftigen Internationalen Strafgerichtshofs
in Rom von 120 Staaten angenommen worden. Der stän-
dige Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag
wird, wie Sie alle wissen, Gerichtsbarkeit über die
schwersten Verbrechen haben, die die internationale Ge-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222684
(C)
(D)
(A)
(B)
meinschaft als Ganzes berühren: Völkermord, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Ver-
brechen der Aggression. Deutschland gehört zu den
Wegbereitern des Internationalen Strafgerichtshofs. Am
27. Oktober 2000 haben Sie fast einstimmig das Vertrags-
gesetz zum Internationalen Strafgesetzbuch und eine
Änderung des Art. 16 Abs. 2 GG beschlossen und so er-
möglicht, dass Deutschland das Statut bereits am 11. De-
zember 2000 ratifizieren konnte. Mittlerweile liegen
55 Ratifikationen vor; mit der 60. Ratifikation wird das
Statut in Kraft treten. Der Gerichtshof wird daher seine
Arbeit voraussichtlich in naher Zukunft – früher als er-
wartet – aufnehmen können.
Da die Bundesregierung die Errichtung des Internatio-
nalen Strafgerichtshofs mit hohem Engagement vorange-
trieben hat, wollen wir auch unsere Gesetze bis zur Ent-
stehung des Gerichtshofs so schnell wie möglich
vollständig auf die internationalen Anforderungen aus-
richten.
Der Entwurf eines Ausführungsgesetzes schafft die in-
nerstaatlichen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit
der deutschen Strafverfolgungsbehörden mit dem Inter-
nationalen Strafgerichtshof. Der Gerichtshof ist auf die
Unterstützung der Vertragsstaaten, zum Beispiel durch
die Überstellung beschuldigter Personen und die Über-
sendung von Beweismaterial, angewiesen. Die im Römi-
schen Statut vorgesehene Verpflichtung zur Zusammen-
arbeit setzen wir im Ausführungsgesetz durch eine
völkerrechts- und gerichtshoffreundliche Ausgestaltung
der einschlägigen nationalen Regelungen punktgenau um.
Aber auch die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen
vor den deutschen Gerichten bleibt wichtig. Nach dem
Grundsatz der Komplementarität, der im Römischen Sta-
tut steht, ist ein Verfahren vor dem Internationalen Straf-
gerichtshof nur dann zulässig, wenn Staaten nicht willens
oder nicht in der Lage sind, eines der vom Statut erfassten
Kernverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Vorrangig
sollen also die Vertragsstaaten ihrer Verantwortung für die
internationale Strafgerichtsbarkeit gerecht werden.
Was wir zur dauerhaften Überwindung der Straflosig-
keit von Völkerrechtsverbrechen brauchen, ist ein Zu-
sammenwirken von nationalen und internationalen Straf-
gerichten. Die Bundesregierung hat daher beschlossen,
durch das Völkerstrafgesetzbuch eine neue und bessere
Rechtsgrundlage für die Verfolgung von Völkerrechts-
straftaten in Deutschland zu schaffen. Mit dem Völker-
strafgesetzbuch wird Deutschland ein besonderes Straf-
gesetz für Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhalten. Der heute
vorliegende Entwurf geht zurück auf die Arbeit der von
der Bundesministerin der Justiz im Jahr 2000 eingesetz-
ten Expertenarbeitsgruppe, in der neben den betroffenen
Ressorts insbesondere namhafte Wissenschaftler für
Straf- und Völkerrecht vertreten waren. Ziel des Entwurfs
ist es, das materielle Strafrecht der Bundesrepublik
Deutschland an das Statut des Internationalen Strafge-
richtshofes und weiteres allgemein anerkanntes Völker-
recht anzupassen. Dem Entwurf kommt insoweit auch
eine Vorreiter- und Vorbildfunktion für zahlreiche Staaten
zu, die ebenfalls vor der Frage stehen, wie sie das Römi-
sche Statut umsetzen.
Mit dem Völkerstrafgesetzbuch wird es künftig mög-
lich sein, das spezifische Unrecht der Verbrechen gegen
das Völkerrecht besser zu erfassen, als dies nach allge-
meinem Strafrecht derzeit möglich ist. Neben dem Tatbe-
stand des Völkermords, der bereits jetzt im Strafgesetz-
buch geregelt ist, werden auch Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ausdrücklich als
Straftatbestände aufgenommen. Zwar sind die Einzeltaten
der Völkerrechtsverbrechen wie Mord, Vergewaltigung
oder Folter im Wesentlichen schon nach unserem allge-
meinen Strafrecht strafbar. Eine gezielte Regelung signa-
lisiert jedoch stärker, dass wir diese Taten verfolgen wol-
len und werden. Außerdem zeigt sich im Detail doch, dass
es für manche speziellen Straftaten des Statuts kein ge-
eignetes Pendant im Strafgesetzbuch gibt.
Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches ist der aktuelle
Stand des Völkergewohnheitsrechts. Die Strafbarkeit
nach dem Völkerstrafgesetzbuch wird daher teilweise
über die bloße Umsetzung der Strafvorschriften des
Römischen Statuts hinaus erweitert, soweit es hierfür eine
Grundlage im gesicherten Völkergewohnheitsrecht gibt.
Beispielsweise werden bei den Kriegsverbrechen insbe-
sondere die Strafbarkeiten im internationalen und im nicht
internationalen bewaffneten Konflikt vereinheitlicht. Das
Völkerstrafgesetzbuch wird so die Entwicklung des hu-
manitären Völkerrechts fördern und zu seiner Verbreitung
beitragen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen weiteren
wichtigen Aspekt eingehen: Der Entwurf – auch das ist
neu – eröffnet die deutsche Gerichtsbarkeit für Völker-
rechtsverbrechen auch dann, wenn die Täter weder selbst
Deutsche sind noch die Taten in Deutschland oder an
deutschen Staatsangehörigen begangen worden sind. Es
schafft mithin die Grundlage zur weltweiten strafrechtli-
chen Verfolgung von Völkermördern und Kriegsverbre-
chern. Der Botschaft des Römischen Statuts, dass sich die
Schreibtischtäter und Folterknechte dieser Welt nir-
gendwo und zu keiner Zeit mehr sicher fühlen dürfen,
kommt künftig durch das Völkerstrafgesetzbuch in
Deutschland gewissermaßen Gesetzesrang zu.
Ich freue mich außerordentlich, dass diese Anliegen
durchweg geteilt werden, und bin zuversichtlich, dass das
Völkerstrafgesetzbuch und ebenso das Ausführungsge-
setz schon bald verabschiedet werden können.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Be-
schäftigung und Schwarzarbeit (Tagesordnungs-
punkt 24)
Dieter Maaß (Herne) (SPD): Im Anschluss an diese
Debatte werden wir ein Gesetz verabschieden, das illegale
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22685
(C)
(D)
(A)
(B)
Beschäftigung und Schwarzarbeit wirksam erschweren
wird.
Unsere Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die Bür-
gerinnen und Bürger über Korruption, Bestechung und
unlautere Spendenpraxis erschüttert sind. In diese Art von
Kriminalität fällt auch Schwarzarbeit und illegale Be-
schäftigung.
Über die moralische Verwerflichkeit dieses Tuns wird
seit langem geredet. Doch die viel beschworenen Selbst-
heilungskräfte des Marktes haben bisher diese kriminel-
len Machenschaften nicht verhindern können oder wol-
len.
Wir Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen
machen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ernst und
sagen illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit rigoros
den Kampf an.
Schwerpunkte unseres Gesetzes sind: eine verbesserte
Kooperation und Koordination zwischen den Behörden,
insbesondere des Datenaustausches, die Ausdehnung der
Generalunternehmerhaftung auf Sozialabgaben und eine
Verschärfung der Sanktionen bei Verstößen von Gesetzen.
Nun mögen den Wirtschaftsliberalen unter uns die Be-
stimmungen des Gesetzes zu bürokratisch sein. Doch ich
sage Ihnen: Wenn wir eine soziale Marktwirtschaft wol-
len, müssen wir diesen kriminellen Machenschaften das
Handwerk legen, dann muss der Gesetzgeber handeln und
dies tun wir.
Aber es geht ja nicht nur um die Einhaltung von Regeln
um Sozialdumping zu verhindern; es geht in erster Linie
um Geld, viel Geld. Wir wissen, 100 000 durch illegal Be-
schäftigte verlorene Arbeitsplätze führen zu Steuer- und
Beitragsverlusten von circa 1,5 Milliarden Euro und ver-
nichten 60 000 legale Arbeitsplätze. Nach Meinung der
Sachverständigen kostet die Schwarzarbeit allein auf dem
Bau 170 000 Stellen. Unser Kollege Klaus Wiesehügel hat
von dieser Stelle aus oft eindringlich auf die Situation am
Bau hingewiesen.
Wir müssen in unserem Kampf gegen Illegalität von
Beschäftigung am Bau und anderswo bei denen ansetzen,
die solche Kriminalität organisieren. Denn es geht nicht
um die so genannte Nachbarschaftshilfe. Arbeiter aus ar-
men Ländern treibt oft die Not zu uns. Sie verdienen nicht
das große Geld auf deutschen Baustellen. Ich kann sie
deshalb nicht verurteilen. Aber es regt mich als Gewerk-
schaftler auf, wenn andere mit kriminellen Handlungen
das große Geld an ihnen verdienen.
Noch einige Anmerkungen zu dem Antrag der Union.
Im Grunde müssten Sie unserem Gesetz zustimmen. Das
tun Sie nicht, denn es ist Wahlkampf.
Andererseits müssen Sie den Bürgern und Bürgerinnen
sagen, dass Sie illegale Beschäftigung nicht wollen.
Deshalb fordern Sie in einem eigenen Antrag eine Mel-
depflicht des Generalunternehmers bei einer zentralen
Meldestelle der Sozialversicherungsträger einzuführen
– damit ist die wirksame Haftung weg –, die Verfolgung
illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit bei den Behör-
den der Zollverwaltung zu konzentrieren und die Bundes-
anstalt für Arbeit von dieser Aufgabe zu entbinden, die
Unfallversicherung so zu ändern, dass illegal Beschäftigte
keine Leistungen erhalten, den Sozialversicherungsaus-
weis fälschungssicher zu gestalten.
Eine bescheidene Frage: Warum haben Sie diese For-
derung nicht schon zu Ihrer Regierungszeit durchgesetzt?
Ansonsten besteht Ihr Antrag aus Forderungen, die wir
bereits umsetzen, und aus Allgemeinplätzen, die nicht zur
Bekämpfung von illegaler Beschäftigung beitragen.
Zur FDP ist zu sagen: Ihre Forderung nach einer Sen-
kung der Steuern und Abgaben löst nicht das Problem. Il-
legale Beschäftigung und Schwarzarbeit sind auch bei ei-
ner radikalen Senkung der Steuern und Abgaben immer
noch profitabler als legale Arbeit. Wollen Sie, dass die Ar-
beitnehmer für einen Hungerlohn und ohne soziale Siche-
rung arbeiten? Das wäre nämlich die Konsequenz Ihrer
Vorschläge zur Bekämpfung der illegalen Arbeit.
Diesen Weg werden die Koalitionsfraktionen nicht ge-
hen. Mit uns wird es keinen Abbau sozialer Arbeitneh-
merrechte und kein Lohndumping geben.
Wenn wir es alle wollen, werden wir auch zum Erfolg
kommen und Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung
wirksam zurückdrängen. Ich bitte Sie daher, unserem Ge-
setzesentwurf zuzustimmen.
Anette Kramme (SPD): Illegale Beschäftigung ist ein
Krebsgeschwür dieser Zeit, das mit harten Therapien aus-
gebrannt werden muss.
Das Schwarzarbeitsvolumen hat das unerträgliche
Ausmaß von circa 16 Prozent des offiziellen Bruttoin-
landproduktes erreicht. Dies entspricht einem Volumen
von 336 Milliarden Euro im Jahr 2001. Besonders betrof-
fen ist das Baugewerbe. Die Schattenwirtschaft nimmt
hier einen Anteil von mittlerweile mehr als 50 Prozent der
offiziellen Wertschöpfung ein. Es ist schlimm, dass in der
Vergangenheit die Schwarzarbeitsbranche zu den Wachs-
tumssiegern gehört hat.
Die Folgen von Schwarzarbeit sind klar: Es überleben
gerade im Bausektor nur Unternehmen, die mittels Misch-
kalkulationen mehr Billigsubunternehmer mit Illegalen
beschäftigen, als ihre Mitbewerber einkalkulieren.
Durch illegale Beschäftigung werden legale Beschäf-
tigungsverhältnisse vernichtet und es wird die Schaffung
neuer Arbeitsplätze verhindert. Legal beschäftigte Arbeit-
nehmer können mit Lohnkurrenzkampf mit den illegalen,
die bei den Stundenverrechnungssätzen bis zu 50 Prozent
billiger sind, nicht bestehen. Der Leiharbeitsbericht der
Bundesregierung geht davon aus, dass in den letzten
vier Jahren allein im Baugewerbe deshalb mindestens
170 000 legale Stellen durch diesen Prozess vernichtet
worden sind.
Die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer verschlech-
tern sich stetig, weil viele Unternehmen meinen, nur
durch den Bruch von Tarifverträgen und Arbeitsschutz-
bedingungen im Wettbewerb bestehen zu können.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222686
(C)
(D)
(A)
(B)
Der öffentlichen Hand entgehen an Sozialversiche-
rungsabgaben und Steuern durch Schwarzarbeit jährlich
mindestens 125 Milliarden Euro.
Der Gesetzesentwurf greift zahlreiche Forderungen
auf, die von Gewerkschaften und Verbänden des Bauge-
werbes und den Baupraktikern seit langem erhoben wer-
den. Der Gesetzesentwurf hat deshalb von vielen Sach-
verständigen gute Zustimmung erfahren.
Wir führen deshalb die verschuldensabhängige Gene-
ralunternehmerhaftung ein.
Wir wollen keine unüberschaubaren Ketten von Sub-
unternehmern mehr, deren Sinn und Zweck ausschließlich
darin besteht zu vertuschen und zu verdecken und illegale
Beschäftigung zu ermöglichen. Wie häufig haben Gene-
ralunternehmer in der Bundesrepublik die Augen fest zu-
gedrückt, nur um nicht zu sehen, dass bei ihren Subunter-
nehmen illegale Praktiken gang und gäbe sind.
Ich sage auch den betroffenen Generalunternehmern
ganz klar: Die bloße Vorlage von Freistellungsbescheini-
gungen des Finanzamtes reicht nicht aus, um den Exkul-
pationsbeweis zu führen. Die Erfüllung steuerlicher
Pflichten lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass auch die
Pflichten nach den Sozialversicherungsgesetzen erfüllt
werden.
Wir halten die Generalunternehmerhaftung für verfas-
sungsmäßig. Im Vorfeld dieses Gesetzes hat es auch in
Reihen der SPD Bedenken gegeben. Die Verfassungsjuris-
ten des Bundesarbeitsministeriums und des Bundesjustiz-
ministeriums haben deshalb besonders sorgfältig geprüft.
Nicht umsonst enthält bereits die Gesetzesbegründung
eine ausführliche und zutreffende Argumentation.
Soweit Sie sich, meine Damen und Herren der Oppo-
sition, auf das Rechtsgutachten von Professor Badura be-
rufen, so ist dieses bereits deshalb unzutreffend, weil es
augenscheinlich falsche Tatsachen für die Bauwirtschaft
annimmt.
Ein zweiter wesentlicher Punkt unseres Gesetzes ist
der weitgehende Ausschluss von schwarzen Schafen der
Branche bei öffentlichen Aufträgen immerhin für die be-
achtliche Dauer von drei Jahren. Im Zuge der parlamen-
tarischen Beratungen haben wir Sorge dafür getragen,
dass der Haftungstatbestand sogar nochmals ausgedehnt
wird. Ein Unternehmen wird jetzt auch von der Regelung
erfasst, soweit sein gesetzlicher oder satzungsgemäßer
Vertreter einen Straftatbestand der illegalen Beschäfti-
gung verwirklicht hat.
Wir wollen drittens, dass den hohen Gewinnchancen
bei der illegalen Beschäftigung eine entsprechend hohe
Abschreckung gegenübersteht. Schwarzarbeit wird daher
mit einem Bußgeld von bis zu 300 000 Euro belegt. Ille-
gale Ausländerbeschäftigung ist bereits dann eine Straftat,
wenn mehr als fünf Ausländer beschäftigt werden.
Viertens: Abschreckung hilft allerdings nur begrenzt.
Was wir deshalb weiter machen, ist Folgendes: Wir bauen
die Zusammenarbeitshindernisse zwischen den Behörden
ab und verstärken den gegenseitigen Informationsaus-
tausch. Sogar im Steuerrecht werden die Finanzbehörden
verpflichtet, ggf. über die Verhältnisse des Steuerpflichti-
gen zu unterrichten.
Jeder illegal arbeitende Unternehmer und jeder illegal
arbeitende Beschäftigte soll jederzeit fürchten, erwischt
zu werden.
Lassen sich mich noch ein Wort zur Politik der Oppo-
sition sagen: Schwarzarbeit lässt sich nur sehr begrenzt
durch niedrige Steuern und Sozialabgaben eindämmen.
Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit werden immer
billiger sein als legale Arbeit, mit der Sozialversiche-
rungsschutz und sozialstaatliche Leistungen einhergehen.
Aber wir berücksichtigen selbstverständlich auch diesen
Aspekt. Wir haben deshalb Steuern und Abgaben gesenkt.
Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung be-
stätigt: Seit dem Jahr 2000 entwickelt sich die Schatten-
wirtschaft zum ersten Mal seit den 80er-Jahren nicht stär-
ker als die offizielle Wirtschaft. In der Vergangenheit ist
dagegen die Schattenwirtschaft immer stärker angestie-
gen als die offizielle Wirtschaft.
Das IAW kommentiert diese Entwicklung wie folgt:
„Vermutlich ist Hauptursache für das geringere Ansteigen
der Schattenwirtschaft in Deutschland die in Kraft getre-
tene Steuerreform, die bei der direkten Einkommensteuer,
aber auch bei anderen Steuern eine spürbare Entlastung
gebracht hat.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Op-
position, es ist unangenehm zu hören, dass die rot-grüne
Koalition erfolgreich arbeitet, nicht wahr?
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Op-
position, es entsteht ein unangenehmer Eindruck. Sie re-
den gegen Schwarzarbeit, das ist richtig. Das tun fast alle.
Aber wenn es um die effektive Bekämpfung dieses Phä-
nomens geht, dann verweigern sie sich. Sie verfahren
noch dem Motto „weiter so wie bisher“ und verharren in
der Stagnation.
Das wird ein guter Tag für die legal arbeitenden Unter-
nehmen und für die legal arbeitenden Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen werden.
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Das
Problem der illegalen Beschäftigung ist ein Thema, das
insbesondere im Baubereich für berechtigten Unmut der
Bevölkerung, vor allem der von Arbeitslosigkeit betroffe-
nen Bauarbeiter sorgt. Wenn in den Medien Berichte er-
scheinen, dass bei fast jeder Razzia auf deutschen Groß-
baustellen illegale Beschäftigte entdeckt werden, dann
wächst die berechtigte Erwartung an den Staat, dass er
handelt.
Ich halte dies für umso dringlicher, als nach einer Er-
weiterung der Europäischen Union auch das Angebot il-
legaler Arbeitskräfte steigen wird. Allein schon die Zu-
nahme der wirtschaftlichen, aber auch persönlichen
Kontakte wird dazu führen, dass immer mehr Menschen
aus den EU-Beitrittsländern ihre Arbeitskraft illegal in
Deutschland anbieten.
Die Arbeitnehmer in Deutschland haben einen An-
spruch darauf, dass sie nicht durch illegale Billigkräfte
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22687
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aus ihren Arbeitsplätzen verdrängt werden, und die Bau-
unternehmen, die sauber und fair im Markt arbeiten, ha-
ben einen Anspruch darauf, dass sie nicht in einem unfai-
ren Wettbewerb aus dem Markt gedrängt werden. Es ist
deswegen richtig, dass es hohe Strafen gibt; es muss rich-
tig wehtun. Nicht der Ehrliche darf der Dumme sein, son-
dern der, der das Gesetz verletzt.
Allerdings darf es nicht sein, dass der Unternehmer mit
Sitz im Ausland faktisch von Strafe verschont bleibt, weil
gegen ihn einfach nicht vollstreckt werden kann. Wir
brauchen gemeinsame, europaweite Regelungen und am
besten mit allen Ländern Vollstreckungsabkommen. Hier
wäre ein wichtiger Schwerpunkt, europaweit etwas für die
deutschen Interessen zu leisten.
Ich halte es für richtig, dass ein Unternehmer von öf-
fentlichen Aufträgen ausgeschlossen wird, wenn er Ille-
gale beschäftigt – auch bei laufenden Verträgen.
Alles, was die Kontrollen der Behörden erleichtert und
effizienter macht, muss rasch umgesetzt werden. Die
Überwachung der Einhaltung der Gesetze ist Aufgabe des
Staates und liegt im Interesse nicht nur der Arbeitnehmer
und der Unternehmen, sondern auch der Sozialsysteme,
die durch die illegale Beschäftigung erheblich geschädigt
werden. 10 000 verlorene reguläre Arbeitsplätze kosten
Beitragsausfälle in der Sozialversicherung in Höhe von
110 Millionen Euro und weitere 45 Millionen Euro Steu-
erausfälle.
Was aber nicht geht, ist, unseren Bauunternehmen, un-
serer Wirtschaft weitere immer neue bürokratische Vor-
schriften und Belastungen aufzuerlegen. Das aber tun Sie
mit der Generalunternehmerhaftung, die Sie einführen
wollen. Sie müssen endlich begreifen, dass jede Belas-
tung der Unternehmen, die sich an Recht und Gesetz hal-
ten, auch den Arbeitnehmern in diesen Betrieben schadet.
Es würde völlig ausreichen, eine Meldepflicht des Ge-
neralunternehmers gegenüber den Sozialversicherungs-
trägern einzuführen. Aber wenn Sie von einem General-
unternehmer verlangen, dass er wie ein Bürge für die
Sozialversicherungsbeiträge der Subunternehmer haftet,
erzeugen Sie Bürokratie und Kosten nicht nur bei den Ge-
neralunternehmern, sondern auch bei den Mittelständlern.
Denn die Generalunternehmer werden sich so weit wie
möglich rückversichern.
Das wird sich auch negativ auf die Flexibilität der mit-
telständischen Subunternehmer bei der Auftragserfüllung
auswirken. Wenn vorher Listen mit Namen der Arbeit-
nehmer abgeliefert werden müssen, kann man sie nicht
ohne Weiteres austauschen. Auch ein weiterer Subunter-
nehmer kann dann nicht ohne Weiteres eingeschaltet wer-
den.
Betroffen sind davon aber nicht nur die schwarzen
Schafe, sondern die große Masse der anständig und fair
arbeitenden Unternehmen. Bereits heute klagen viele Mit-
telständler darüber, dass sie bei der Bezahlung durch den
Generalunternehmer oft lange hingehalten werden –
manchmal bis an den Rand des Ruins. Die Generalunter-
nehmerhaftung liefert jetzt neue Vorwände und Begrün-
dungen für Generalunternehmer, nicht zu bezahlen bzw.
einen Teil des Geldes zurückzubehalten.
Es ist zu befürchten, dass die Generalunternehmerhaf-
tung Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur im
Baubereich hat. Derzeit ist es relativ einfach für General-
unternehmer, Unteraufträge zu vergeben. Wenn eine Ver-
komplizierung durch die Generalunternehmerhaftung
kommt, besteht nicht zu Unrecht die Befürchtung, dass
die Generalunternehmer wieder vieles selbst machen bzw.
darauf bestehen, dass ihre Unterauftragnehmer nicht
selbst wieder eigene Unterauftragnehmer beauftragen.
Insgesamt bedeutet dies eine Auftragsverlagerung zulas-
ten der mittelständischen Unternehmen.
Unabhängig von all diesen Fragen bedeutet diese Ge-
neralunternehmerhaftung eine Kostenerhöhung, die letz-
ten Endes an die Subunternehmer, das heißt an die kleinen
Betriebe, weitergegeben wird. Hier liegt der große Fehler,
den Sie bei all Ihren Gesetzesentwürfen immer wieder
machen: Sie erkennen nicht, dass die permanente Kos-
tenerhöhung bei den Unternehmen dazu führt, dass da-
durch in Deutschland die Schwarzarbeit blüht.
Das ist auch bei der Anhörung in der vergangenen Wo-
che aufgefallen. Es ist ein unmöglicher Zustand, dass
illegal Beschäftigte, wenn sie auf einer Baustelle einen
Unfall haben, Ansprüche aus der gesetzlichen Unfall-
versicherung haben. Es kann doch nicht sein, dass die Ge-
samtheit der Unternehmen in Deutschland immer mehr
Geld dafür aufwenden muss, die Unfallfolgen von illegal
Beschäftigten, die ohne Arbeitserlaubnis und ohne Auf-
enthaltserlaubnis hier arbeiten, zu übernehmen.
Bei Ihnen und bei der Gewerkschaft besteht immer
noch die Vorstellung, alles, was nicht der Arbeitnehmer
bezahlen muss, sondern die Unternehmen bezahlen müs-
sen, sei gut und richtig. Genau das ist der große Fehler. All
diese Kosten sind als Lohnnebenkosten oder sonstige
Kosten arbeitsplatzschädlich. Je höher wir die Lohn-
nebenkosten und die Kostenbelastungen für unsere Un-
ternehmen machen, umso teurer machen Sie die reguläre
Beschäftigung und umso attraktiver machen Sie die
Schwarzarbeit.
Dieses Gesetz mit Generalunternehmerhaftung reiht
sich ein in eine Serie von Kostenerhöhungsgesetzen, von
den 630-DM-Jobs über die Scheinselbstständigkeit bis
hin zur Betriebsverfassungsgesetzänderung. Rot-Grün er-
höht mit ständig neuen Gesetzen die Kosten bei den Un-
ternehmen und damit die Kosten für die reguläre Be-
schäftigung. Wenn heute ein Facharbeiter im Baubereich
fünf bis sechs Stunden arbeiten muss, damit er eine re-
guläre und legale Handwerkerstunde bezahlen kann, dann
liegt darin die Ursache für die Schwarzarbeit.
Wenn Sie noch ein bisschen Kontakt zu den Menschen
im Land haben, werden Sie wissen, dass Schwarzarbeit in
allen Bereichen des Lebens gang und gäbe ist. Allein im
Jahr 2001 ist die Schwarzarbeit um 6,2 Prozent angestie-
gen. Der Rest der Wirtschaft ist im gleichen Zeitraum fast
nicht gewachsen, die Arbeitslosigkeit dramatisch ange-
stiegen.
Die beste und einzig wirklich effiziente Möglichkeit,
die Schwarzarbeit zu bekämpfen, besteht darin, reguläre,
gewerbliche Handwerkerleistungen wieder bezahlbar zu
machen. Mit solchen Gesetzen, wie sie Rot-Grün am lau-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222688
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fenden Band produziert, erreichen Sie das Gegenteil. Sie
weigern sich, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Solange Rot-Grün in diesem Land regiert und mit wirt-
schaftsfeindlichen Gesetzen Probleme lösen will, werden
wir immer größere Probleme bekommen. Deshalb gibt es
nur einen Weg: Der Regierungswechsel im September
muss her, damit es mit der deutschen Wirtschaft und der
Schaffung von Arbeitsplätzen wieder aufwärts geht.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Illegal
zu beschäftigen ist kein Kavaliersdelikt. Der faire Wett-
bewerb zwischen Unternehmen ist ausgehebelt, die illegal
Beschäftigten haben oft zu wenig Lohn und nur schlechte
Arbeitsbedingungen und es werden Steuern und Sozial-
versicherungsabgaben hinterzogen. Der Gesetzentwurf
greift zurückliegende Initiativen des Bundestags und des
Bundesrats auf. Das Für und Wider einzelner Details ist
im Vorfeld auch mit Arbeitgeber- und Berufsverbänden
sowie mit den Gewerkschaften besprochen worden.
Der Gesetzentwurf verfolgt drei Ansatzpunkte gegen
die gesetzeswidrige Praxis: erstens eine bessere Zusam-
menarbeit der bei der Bekämpfung zuständigen Behörden
und mehr Befugnisse für die Arbeitsverwaltung. Dabei
werden alle Behörden, die bei der Bekämpfung von ille-
galer Beschäftigung und Schwarzarbeit zusammenarbei-
ten, verpflichtet, Informationen auszutauschen. Zweitens
erheblich verschärfte Sanktionen, wenn Unternehmer der
illegalen Beschäftigung überführt werden. Drittens die
Verstärkung der Verantwortung, die den Auftraggebern
im Baugewerbe zukommt. Diese Haftung der Auftragge-
ber für die Sozialversicherungsbeiträge, die der Unterauf-
tragnehmer für seine Beschäftigten zu leisten hat, ist ver-
schuldensabhängig. Das ist für die grüne Bundestags-
fraktion ein wichtiges Anliegen. Zu einer Haftung kommt
es nur, wenn gegen die übliche Sorgfaltspflicht des „or-
dentlichen Kaufmanns“ verstoßen worden ist. Wer im
Vorfeld überprüft hat, ob Subunternehmer die Sozialver-
sicherungsbeiträge abführen, hat später nichts zu befürch-
ten.
Als besondere Signalwirkung ist vorgesehen, dass die
öffentliche Hand zukünftig Unternehmer, denen
Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung nachgewiesen
wird, drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge
ausschließen kann.
Die verschärften Sanktionen im Gesetz gegen illegale
Beschäftigung sollen diejenigen Unternehmen verstärkt
zur Kasse bitten, die Arbeitnehmer unter Umgehung der
Sozialversicherungspflicht illegal beschäftigen. Der grü-
nen Bundestagsfraktion war dabei besonders wichtig,
dass das Bußgeld für Handwerker, die ihr Gewerbe be-
treiben, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein,
nicht zusätzlich angehoben wird. Das haben wir durchge-
sctzt und damit die geplante Strafverschärfung für eine
Gruppe verhindert, die Steuern und Sozialabgaben zahlen
und Arbeitsplätze schaffen. In der Europäischen Union ist
nur in Deutschland und Österreich der Meisterbrief Vo-
raussetzung für eine selbstständige Tätigkeit im Hand-
werk. Bündnis 90/Die Grünen wollen die Selbstständig-
keit im Handwerk erleichtern und treten daher dafür ein,
auch Gesellen die Gründung von Betrieben zu ermögli-
chen.
Die Bundesregierung hat sich mit den Ländern im
Dezember 2000 auf die flexible Anwendung der Hand-
werksordnung verständigt, um Selbstständigkeit im
Handwerk zu erleichtern und der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes zu entsprechen. Vor diesem
Hintergrund wäre die Erhöhung des Bußgeldes von
100 000 auf 300 000 Euro völlig unverhältnismäßig ge-
wesen.
Dieses Gesetz gehört zu einem Bündel von Maßnah-
men, mit denen die rot-grüne Regierung die illegale Be-
schäftigung wirksamer als bisher bekämpft. Beispielhaft
wären zu nennen das Entsendegesetz, Steuersenkungen
und die Stabilisierung der Abgaben, mit denen wir bereits
die Rahmenbedingungen verbessert haben. Nicht zu ver-
gessen die Reformen auf dem Arbeitsmarkt durch das
Job-AQTIV-Gesetz. Aber es geht um große Geldmengen,
die den Sozialversicherungen vorenthalten werden. Daher
müssen wir auch ordnungspolitisch reagieren.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Es ist zwischen allen
Fraktionen unstrittig: Schwarzarbeit und illegale Be-
schäftigung führen zu verzerrtem Wettbewerb und betrü-
gen die ehrlichen Unternehmen und Betriebe in unserem
Land um Aufträge und Arbeit. Wahr ist aber auch: die ein-
zige Boombranche unter der rot-grünen Bundesregierung
ist die Schattenwirtschaft. Rund 6,5 Prozent Wachstum
hat dieser Bereich unserer Volkswirtschaft nach Schät-
zungen von Experten im letzten Jahr gehabt.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt insbe-
sondere auf die illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit
in der Bauwirtschaft, einer Branche, die besonders unter
rot-grüner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu leiden
hat. Nur ein paar Zahlen: Auftragseingang 2001 gegen-
über 2000 insgesamt: minus 5,1 Prozent, geleistete Ar-
beitsstunden: minus 11,9 Prozent, Gesamtumsatz: minus
7,5 Prozent, Beschäftigte: minus 9,1 Prozent. Mit nur
noch 954 000 liegt die Zahl der Beschäftigten im deut-
schen Baugewerbe erstmals unter einer Million. Und jetzt
geht auch noch des Kanzlers Lieblingsunternehmen
Holzmann pleite. Das ist die aktuelle Lage in der Bau-
branche.
Nun frage ich mich: Was hat die deutsche Bauindustrie,
was haben Millionen Handwerker Ihnen von der rot-grü-
nen Koalition denn angetan, dass Sie diese schon krisen-
geschüttelte Branche mit einem solchen existenzvernich-
tenden Gesetz überziehen?
Ihr Gesetzentwurf ist – anders als Sie behaupten – nicht
kostenneutral für die Bauwirtschaft. Und er hat selbstver-
ständlich Auswirkungen auf das Niveau der Baupreise.
Die Kostenerhöhungen liegen nicht nur im höheren Ver-
waltungsaufwand aufgrund zahlreicher Meldepflichten,
Prüfungspflichten und Aufbereitungspflichten. Die größte
Belastung liegt in der so genannten Generalunternehmer-
haftung in § 28 e Absatz 3 a SGB IV, die, trotz der Exkul-
pationsmöglichkeit ein immenses Haftungsrisiko darstellt.
Unternehmen des Baugewerbes haften nach Ihrer Vor-
lage für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge
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nicht nur ihrer Subunternehmer sondern auch für die Sub-
unternehmer der Subunternehmer und wiederum deren
Auftragnehmer. Unter Umständen haftet ein Bauunter-
nehmer für Dutzende von Subunternehmen. Die Last des
Beweises, sich von der ordnungsgemäßen Abführung der
Sozialversicherungsbeiträge oder zumindest der ord-
nungsgemäßen Planung der Abführung überzeugt zu ha-
ben, liegt bei den Bauauftraggebern.
Die Folgen sind gerade für kleine und mittelständische
Unternehmen verheerend. Da eine effektive Kontrolle der
Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für den
Hauptunternehmer nicht möglich ist, wird sich jeder Bau-
auftraggeber zukünftig dieses Haftungsrisiko von seinen
Subunternehmern absichern lassen, etwa durch Einbehal-
tung entsprechender Bestandteile vom Werklohn, um sich
vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Durch einen sol-
chen Einbehalt in Höhe von circa 40 Prozent der Brutto-
lohnsumme wird die Liquidität in einer ohnehin eigenka-
pitalschwachen Branche weiter strapaziert.
Es sind wieder vor allem die kleinen und mittelständi-
schen deutschen Baubetriebe betroffen, die Sie schon
durch die Bauabzugsteuer in unzumutbarer Weise gefähr-
det haben. Die großen Unternehmen der Bauindustrie
können sich dieser Risiken durch Verlagerung ihrer Ge-
schäftssitze ins Ausland entziehen. Angeschmiert sind
wieder einmal gerade die kleinen Handwerks- und Bau-
unternehmer, die zu lebenslänglich „Standort Deutsch-
land“ verurteilt sind.
Besonders skandalös ist auch, dass die öffentliche
Hand von dieser Haftung ausgenommen wird. Das führt
mit Recht zu Zorn und Wut in der Baubranche. Auch Ihre
Ablehnung des fälschungssicheren Sozialversicherungs-
ausweises versteht niemand. Statt auf intelligente Lösun-
gen setzen Sie auf Kontrollen und Strafe. Mehr fällt Ihnen
nicht ein.
Neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wer-
den Sie mit diesem Gesetzentwurf garantiert nicht schaf-
fen, jedenfalls nicht im Bausektor. Hier ist eher ein mas-
siver Abbau an Arbeitsplätzen für deutsche Bauarbeiter zu
befürchten. Die Juristen aber werden sich freuen, denn
neue Arbeitsplätze entstehen absehbar in den Anwalts-
kanzleien.
Die Anhörung der Betroffenen in der Baubranche hat
eines deutlich gemacht: Dieser Gesetzentwurf wird exis-
tenzvernichtende Verwerfungen in der Baubranche auslö-
sen. Eine Spirale nach unten wird in Gang gesetzt. Am
Ende steht für viele Unternehmen die Insolvenz und der
Totalverlust sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze.
Das ist rot-grüne Politik im 21. Jahrhundert!
Besonders hart trifft es im Übrigen die Bauunterneh-
men in den neuen Bundesländern. Die Koalitionsfraktio-
nen machen gerade die Erfahrung, dass sie das so ge-
nannte Tariftreuegesetz selbst in ihren eigenen Reihen
nicht durchsetzen können, weil es massiv die Existenz der
ostdeutschen Bauwirtschaft gefährdet. Lernen Sie auch
bei diesem Gesetz daraus und stimmen Sie unserem Än-
derungsantrag zu!
Wir Liberale wollen die Generalunternehmerhaftung,
die teuren bürokratischen Auflagen und die nutzlose Ver-
schärfung der Bußgeldrahmen streichen. Man muss das
Übel an der Wurzel bekämpfen und nicht an den Sympto-
men herumkurieren. Das sage ich auch in Richtung der
Kollegen von CDU/CSU. Auch Ihr Entschließungsantrag
will unter Punkt 3 eine Meldepflicht der Unternehmen an
die Sozialversicherungsträger einführen. Auch das ist für
uns nicht zustimmungsfähig, weswegen wir uns bei Ihrem
Entschließungsantrag der Stimme enthalten werden.
Wir Liberale wählen einen gänzlich anderen Ansatz:
Wer illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit wirksam
bekämpfen will, der muss dafür sorgen, dass legale Arbeit
für die Unternehmen billiger wird und dass sich legale Ar-
beit für Arbeitnehmer lohnt. Dazu braucht es entschiedene
Steuersenkungen, braucht es wirkliche Reformen der So-
zialsysteme, braucht es weniger Regulierung des Arbeits-
marktes.
Die Zeit dieser Koalition läuft ab. Die Menschen wol-
len eine bessere Politik, die diese Herausforderungen
nach dem 22. September 2002 annimmt. Die FDP ist
hierzu bereit und wir freuen uns darauf.
Dr. Klaus Grehn (PDS): Angesichts des Themas
„Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ bin ich ver-
sucht, in Abwandlung einer bekannten Volksweisheit fest-
zustellen: Was dem einen die schwarzen Kassen, ist dem
anderen die Schwarzarbeit. – Aber so einfach ist das Pro-
blem nun wirklich nicht.
Völlig in Übereinstimmung mit allen anderen Fraktio-
nen dieses Hauses erklärt meine Fraktion, dass auch sie
die wirksame Bekämpfung von Schwarzarbeit und illega-
ler Beschäftigung für dringlich und notwendig erachtet.
Diese Ausgangsfeststellung möchten wir ausdrücklich
hervorheben, auch um Missverständnissen angesichts un-
serer Bewertungen der einzelnen Regelungen vorzu-
beugen.
Unsere Kritik setzt an dem Grundtenor des Gesetzes
an. Sie setzen mit dem Gesetz einen Weg fort, der bisher
nicht nur erfolglos war, sondern teilweise konträr zu der
Zielstellung verlief. Trotz aller Sanktionen ist das Ausmaß
der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung ständig
angestiegen und andererseits ist die Schere zwischen fest-
gesetzten und realisierten Verwarngeldern ebenso ständig
weiter auseinander gegangen. Wie also begründen Sie
Ihre Annahme, dass die bloße Verschärfung der Sanktio-
nen diese Ergebnisse verändern wird? Wir gehen vielmehr
davon aus, dass diejenigen, die sich bisher nicht haben er-
wischen lassen und die sich den Sanktionen erfolgreich
entzogen haben – das ist im Übrigen der weitaus größere
Teil – dies auch in Zukunft erfolgreich tun werden.
Wir gehen davon aus, dass ein Weg, der an die Stelle
der Verschärfung der Sanktionen zielgenauere Prävention
setzt, erfolgreicher wäre und den Differenzierungen in-
nerhalb des Problems wesentlich besser Rechnung tragen
würde. Dadurch wäre es möglich, die Ursachen von
Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung wirksamer zu
bekämpfen anstatt lediglich ihre Symptome. Zu den Ur-
sachen gehören die ständige Ausweitung des Niedrig-
lohnsektors genauso wie die hohe Abgabenlast für die Ar-
beitnehmer, die zunehmende Armut oder die Spirale des
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ruinösen Wettbewerbs unter den Unternehmen und deren
geringe Kapitaldecken, die die zunehmenden Liquiditäts-
probleme der Handwerker und der kleinen Unternehmen
bewirken. Hier anzusetzen ist mit Sicherheit erfolgrei-
cher, als auf verschärfte Sanktionen zu setzen.
Wir halten auch die Haftungsregelungen, so wie sie
ausgestaltet sind, für nicht hilfreich. Bereits heute ist ab-
zusehen, dass diese Regelung mit ihrer Ausgestaltung als
selbstschuldnerische Haftung für die Zahlungspflicht der
Nachauftragnehmer dazu führt, dass der Hauptauftrag-
nehmer diese Haftung durchreicht bzw. im Selbstschutz
Sicherheiten hinterlegen lässt. Das wiederum birgt die
reale Gefahr, dass die Nachauftragnehmer überfordert
sind, mit allen Konsequenzen bis zur Insolvenz.
Diese Gefahren werden nicht durch den Vorschlag der
CDU/CSU behoben, nach dem die Beiträge vorab an die
Kassen zu entrichten sind. Zu viele Handwerker und
kleine Unternehmen sind schon heute selbst bei kleineren
Aufträgen auf Abschläge durch die Auftraggeber ange-
wiesen. Sie alle können bei Strafe der Zahlungsunfähig-
keit weder der einen noch der anderen Regelung Folge
leisten. Das alles gefährdet in größerem Maße Arbeits-
plätze, als die Verfasser des Entwurfes offensichtlich ein-
kalkuliert haben.
Gleiches gilt für den Ausschluss von öffentlichen Auf-
trägen. Auch bei dieser Regelung scheint uns die Wirkung
auf die Überlebenschance der davon betroffenen Betriebe
nicht beachtet zu sein. Die Folge wäre zunehmende Ar-
beitslosigkeit.
Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel anführen. Sie
schließen auch Unternehmen als juristische Personen von
der öffentlichen Auftragsvergabe aus, wenn bei für sie han-
delnden Personen die Voraussetzungen nach Art. 9 Nr. 5
§ 5 Abs. 1 vorliegen. Unbeantwortet bleibt die Fragen
nach den Folgen für die Arbeitnehmer eines so betroffe-
nen Betriebes. Ob und inwieweit sich die Hoffnung der
Bundesregierung, dass bei der Haftung die Selbstregulie-
rung der Wirtschaft die aufgeworfenen Probleme löst,
bleibt fragwürdig.
Wir halten es auch für notwendig, die Gleichsetzung
der Regelungen zur unerlaubten Handwerksausübung mit
den Tatbeständen der Schwarzarbeit und illegaler Be-
schäftigung angesichts der europäischen Regelungen aus
dem Gesetz herauszulösen und den europäischen Rege-
lungen Rechnung zu tragen.
Nicht zu akzeptieren ist auch die Tatsache, dass ausge-
rechnet in der gegenwärtigen Situation die Bundesanstalt
für Arbeit weiterhin in diesem Bereich so stark mit art-
fremden Aufgaben belastet wird, wo es in ihrer Tätigkeit
doch in Übereinstimmung aller Fraktionen verstärkt um
Arbeitsvermittlung und die Sicherstellung des Leistungs-
bezugs der Arbeitslosen geht.
Alles in allem bleibt die Frage offen: Womit begründen
Sie die Annahme, dass, nachdem die bisherigen Sank-
tionen einen Anstieg von Schwarzarbeit und illegaler Be-
schäftigung nicht verhindert, geschweige denn zum Ab-
bau beigetragen haben, die Fehlleistungen nun durch
höhere Sanktionen aufgehoben werden?
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung
– des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Än-
derung des Wasserhaushaltsgesetzes
– des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än-
derung des Wasserverbandsgesetzes
(Tagesordnungspunkt 27 und Zusatztagesord-
nungspunkt 6)
Petra Bierwirth (SPD): Am 22. Dezember 1992
wurde durch die Vollversammlung der Vereinten Natio-
nen der 22. März zum Tag des Wassers ausgerufen. Den
Anstoß dazu gab die Lokale Agenda 21, die sich im Ka-
pitel 18 mit den Problemen und der Notwendigkeit einer
nachhaltigen Wasserwirtschaft auseinandersetzt.
Der heutige Tag des Wassers steht unter der Überschrift
„Wasser und Entwicklung“ – ein Hinweis auf eines der
größten Probleme unseres Jahrhunderts: die ungleiche
weltweite Verteilung des Wassers. Auch wenn wir in Eu-
ropa von dieser Problematik noch nicht direkt betroffen
sind, sind wir aufgefordert, durch unsere Lebensweise
dazu beizutragen, dass die lebenswichtige Ressource
Wasser geschont wird.
Ein Beitrag dazu ist die nun endlich vorliegende EU-
Wasserrahmenrichtlinie und der damit beginnende ge-
meinsame Weg europäischer Wasserpolitik. Wir alle wis-
sen: Flüsse, Seen und Meere halten sich nicht an
Ländergrenzen. Verschmutzung bleibt nicht beim Verur-
sacher. Anstrengungen, saubere Gewässer zu erhalten,
machen wenig Sinn, wenn der Nachbar sich nicht daran
hält. Doch wie bei vielen Dingen im Leben wird man erst
aus dem Schaden klug. Manchmal bedarf es auch eines
Zwangs, um mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen.
Die Wasserrahmenrichtlinie ebnet uns diesen Weg.
Zukünftig sind die Gewässer mit allen Zuflüssen fluss-
gebietsbezogen zu bewirtschaften. Die hydrologischen
Bedingungen und nicht mehr Verwaltungs- oder Staats-
grenzen sind maßgebend. Die Kriterien für die Beurtei-
lung des Gewässerzustandes sind nicht mehr die chemi-
schen und physikalischen Parameter, sondern die
Gewässerökologie, vor allem die Flora und Fauna. Für
das Grundwasser ist Ziel, einen guten chemischen und
mengenmäßigen Zustand zu erlangen.
Der Weg, um die hier benannten Kriterien umsetzen zu
können, sind national und international zu koordinierende
Maßnahmeprogramme und Bewirtschaftungspläne. Neu
ist auch, dass bei der Erstellung von Bewirtschaftungs-
plänen die Öffentlichkeit frühzeitig und kontinuierlich in-
formiert und auch angehört werden muss. Ich beurteile
diesen Punkt sehr positiv.
Längst ist es ja schon gängige Praxis, dass eine breite
Öffentlichkeit sich sehr bewusst für Maßnahmen interes-
siert, die in ihrem Umfeld passieren, und sich aktiv und
konstruktiv einmischt. Aus diesem Grund stellen wir
im § 36 b Abs. 5 WHG explizit klar, dass die Länder
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verpflichtet sind, die Öffentlichkeit über das in der Was-
serrahmenrichtlinie vorgesehene dreistufige Beteili-
gungsverfahren hinaus zu informieren und zu beteiligen.
Vor dem Hintergrund der in letzten Jahren zum Teil
sehr heftig geführten Liberalisierungs- und Privatisie-
rungsdiskussion der deutschen Wasserwirtschaft unter-
stütze ich sehr die Forderung nach der Deckung der Kos-
ten der Wasserdienstleistungen einschließlich der
umwelt- und ressourcenbezogenen Aufwendungen nach
dem Verursacherprinzip im Artikel 9 der Wasserrahmen-
richtlinie. Hier wird sich sehr schnell die immer wieder
geführte Behauptung, dass in Deutschland die Wasser-
preise viel höher sind als in anderen EU-Ländern, als völ-
lig unbegründet erweisen.
Mit der Wasserrahmenrichtlinie ist die Umsetzung ei-
nes sehr ehrgeizigen Fristenkonzepts verbunden. Bis
2003 muss die Umsetzung in nationales Recht abge-
schlossen sein. Das heißt, dass bis zu diesem Zeitpunkt
auch die Bundesländer ihre Landeswassergesetze ent-
sprechend den neuen Anforderungen angepasst haben
müssen. Bis 2009 sind die Maßnahmeprogramme und
Bewirtschaftungspläne zu erstellen und bis 2015 soll das
Ziel eines guten Gewässerzustandes umgesetzt sein. Mit
der nun vorliegenden Novelle des Wasserhaushaltsgeset-
zes gehen wir einen großen Schritt in Richtung Zielmarke
2003.
Aufgrund der ausschließlichen Rahmengesetzge-
bungskompetenz des Bundes können nur wesentliche
Aspekte der Wasserrahmenrichtlinie in die Novelle des
WHG übernommen werden. Schwerpunkte sind Rege-
lungsaufträge an die Länder wie zum Beispiel zu der
Pflicht der Bewirtschaftung der Gewässer nach Flussge-
bietseinheiten und der damit einhergehenden nationalen
und internationalen Koordinierungs- und Abstimmungs-
pflicht, zu der getrennten Regelung der Bewirtschaf-
tungsziele und Bewirtschaftungsanforderungen für Ober-
flächengewässer und das Grundwasser und zu der
rahmenrechtlichen Regelung von Maßnahmeprogramm
und Bewirtschaftungsplan, die die bisherigen Planungsin-
strumente – Abwasserbeseitigungsplan, Reinhalteord-
nung, wasserwirtschaftliche Rahmenpläne und Bewirt-
schaftungspläne – ersetzen.
Gestern haben wir im Bundestag den Antrag der Re-
gierungsfraktionen „Nachhaltige Wasserwirtschaft in
Deutschland“ diskutiert und verabschiedet. Eines der
wichtigsten wasserwirtschaftlichen Leitprinzipien in
Deutschland ist der vorsorgende und flächendeckende
Grundwasserschutz. Hierzu gehört auch, dass bei der Ge-
wässerbewirtschaftung der Grundsatz der ortsnahen Was-
serversorgung im Vordergrund stehen muss.
In den Wassergesetzen der Länder Berlin, Baden-
Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und
Thüringen ist der Grundsatz der ortsnahen Wasserversor-
gung verankert. Wir haben diese Regelung aufgegriffen
und im § 1 Abs. 3 als allgemeinen Regelungsauftrag an
die Länder verankert. Völlig außer Frage steht natürlich,
dass im Falle von quantitativen oder qualitativen Mängeln
beim Grundwasserdargebot oder aus ökonomischen
Gründen natürlich auf eine Fernwasserversorgung
zurückgegriffen werden kann und muss. Auch ein Zu-
sammenschluss zum Beispiel benachbarter Gemeinden zu
einem Zweckverband ist mit dieser Vorgabe nicht ausge-
schlossen und kann weiter sinnvoll bleiben.
Lassen sie mich noch kurz auf einen weiteren wichti-
gen Punkt eingehen. Mit der Umsetzung der Wasserrah-
menrichtlinie werden auch die Bewirtschaftungsziele für
die Gewässer neu definiert. Das heißt, alle Maßnahmen,
die Einfluss auf den Zustand eines Gewässers haben kön-
nen, müssen sich an den Bewirtschaftungszielen ausrich-
ten und diese berücksichtigen.
Das trifft auch auf die Bundeswasserstraßen zu. Viele
Vorfluter großer Einzugsgebiete sind über weite Strecken
Wasserstraßen. Auch hier fordert die Wasserrahmenricht-
linie, diese Einzugsgebiete integriert zu betrachten. Die
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bekommt hierbei
eine neue Verantwortung innerhalb der Wasserwirtschaft.
Landesbehörden müssen künftig mit den entsprechen-
den Landes- und Bundesbehörden Einvernehmen bei der
Bewirtschaftung von Flussgebietseinheiten und bei der
Festlegung der Bewirtschaftungsziele und der Maßnah-
menprogramme erzielen. Umgekehrt muss aber die Was-
ser- und Schifffahrtsverwaltung diese entsprechenden
Pläne bei Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen berück-
sichtigen. Aus unserer Sicht ist es deshalb unerlässlich,
diesen Fakt auch im Bundeswasserstraßengesetz festzu-
schreiben. Wir haben dies über einen Änderungsantrag
zum Gesetz auch getan.
Die Wasserrahmenrichtlinie macht in ihrem zentralen
Erwägungsgrund deutlich: Wasser ist keine übliche Han-
delsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, vertei-
digt und entsprechend behandelt werden muss. – Nach
dieser Maxime handeln wir mit der vorliegenden Novelle
des WHG, mit unseren Änderungsanträgen, mit unserem
Antrag „Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland“.
Danach müssen wir auch international handeln, sei es, in-
dem wir einen Schwerpunkt bei Projekten in der interna-
tionalen Zusammenarbeit auf das Wasser legen, indem
wir die Rahmenbedingungen für die bessere internatio-
nale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirt-
schaft setzen oder indem wir unsere Anstrengungen für
den Klimaschutz noch verstärken.
National und international stehen wir in der Pflicht, un-
sere Wasserressourcen dauerhaft zu schützen und sie, wo
nötig, nachhaltig zu nutzen. Die 7. Novelle des Wasser-
haushaltsgesetzes, die wir heute verabschieden werden,
liefert uns ein gutes Handwerkszeug, um dieses Ziel in
Deutschland und Europa zu verwirklichen.
Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Die heutige Verab-
schiedung des Wasserhaushaltsgesetzes am Tag des Was-
sers macht deutlich, welche Bedeutung das Wasser als
eine der wichtigsten Grundlagen des Lebens auch in der
Gestaltung von Politik hat.
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie ist der posi-
tive Versuch, die Gewässerpolitik in eine gemeinsame
Strategie zu stellen, gleichzeitig aber auch dem Vollzug
eine gemeinsame Basis zu geben. Sie ist ein Beitrag zur
nachhaltigen Wasserwirtschaft.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222692
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Die Orientierung an den Grenzen von Gewässerein-
zugsgebieten überwindet Verwaltungs- und Staatsgrenzen
und ist beredter Ausdruck einer „grenzenlosen“ Gesamt-
verantwortung für das Wasser. Es ist ein Weg, der in
Deutschland zum Beispiel auch mit der Entwicklung der
wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung begonnen hat.
Dieses Gesetz ist zugleich ein Ausdruck eines tiefgrei-
fenden Wandels der Aufgaben der Wasserwirtschaftsver-
waltung von einer historisch entstandenen nutzerorien-
tierten, eher dienenden Funktion hin zu einer Priorität des
Gewässerschutzes und der ökologischen Vernutzung. Die
neue Definition von Gewässergüte ist ein deutlicher Aus-
druck auch eines neuen Verständnisses.
Die beim Bund liegende Verantwortung für die Rah-
mengesetzgebung führt dazu, dass viele Konflikte folgen
könnten, die sich mit der Umsetzung in Landesrecht er-
geben. Deswegen ist unser Appell, dass die gute Vorarbeit
zwischen Bund und Ländern für eine „Eins-zu-eins“-Um-
setzung von EU- in Bundesrecht letztendlich auch in ei-
ner „Eins-zu-eins“-Umsetzung von Bundes- in Landes-
recht resultiert. Wir wollen hier insbesondere auch eine
Entschärfung der zu erwartenden Konflikte mit der Land-
wirtschaft, eine Berücksichtigung der Belange etwa auch
der Grundeigentümer. Die besondere Lage entsteht hier
unter anderem auch durch eine Verknüpfung von Natur-
und Gewässerschutz.
Die „Eins-zu-eins“-Umsetzung der Vorschläge der
Bund-und-Länder-Arbeitsgruppe ist bedauerlicherweise
durch einige wenige, aus der Sicht der CDU/CSU aller-
dings wichtige Änderungsanträge von Rot-Grün aufgeho-
ben worden. Die faktische Privilegierung des Klima-
schutzes, indirekt der Wasserkraft, entspricht nicht dem
Bild der Gewässerökologie. Der verfassungsrechtlich be-
denkliche Vorrang der ortsnahen Wasserversorgung ist ein
Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und schützt
darüber hinaus keineswegs vor Liberalisierung. Ferner er-
geben sich aus den Änderungsanträgen mehrere Konflikt-
felder speziell für die Landwirtschaft.
Diese Aspekte sind der Grund für die Ablehnung des
durch Rot-Grün veränderten Gesetzes.
Birgit Homburger (FDP): Die Novelle des WHG
dient der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie.
Deren Ziel ist es, durch eine umfassende integrierte Ge-
wässerbewirtschaftung einen guten ökologischen, chemi-
schen und mengenmäßigen Zustand der Gewässer sicher-
zustellen. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im
Rahmen der Novellierung des WHG erfolgt im Wesentli-
chen eins zu eins, was die FDP nicht zuletzt aus Wettbe-
werbsgesichtspunkten begrüßt.
Mit den von Rot-Grün im Ausschuss vorgelegten Än-
derungsanträgen sind wir allerdings nicht vollständig ein-
verstanden. Wir hätten uns einerseits gewünscht, dass
weitere Änderungswünsche des Bundesrates übernom-
men würden. Andererseits ist bei manchen Änderungsan-
trägen zu befürchten, dass im Ergebnis bei der Umsetzung
auf Länderebene über die Eins-zu-eins-Umsetzung hi-
nausgegangen wird.
Abzulehnen ist insbesondere der erste von Rot-Grün
vorgelegte Änderungsantrag in seiner geänderten Fas-
sung. Die Beratung im Umweltausschuss hat gezeigt, dass
die ortsnahe Wasserversorgung zwar durchaus sinnvoll
sein kann, eine generelle Vorrangregelung jedoch nicht er-
forderlich und die von Rot-Grün gewählte Formulierung
hinsichtlich ihrer Auswirkungen nicht abzuschätzen ist.
Wenn die ortsnahe Wasserversorgung ein wesentliches in-
haltliches Anliegen von Rot-Grün ist, wie vorgetragen
wurde, stellt sich die Frage, warum dieser Änderungsan-
trag zum Änderungsantrag zur WHG-Novelle erst einen
Tag vor den Ausschussberatungen vorgelegt und der Vor-
rang nicht schon im eigentlichen Gesetzentwurf festge-
schrieben wurde.
Weiterhin ist für uns wichtig, dass die Regelung des
§ 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG unangetastet bleibt. Bei der
letzten Novellierung des WHG ist die FDP vehement
dafür eingetreten, die dezentrale Beseitigung von häus-
lichem Abwasser zu ermöglichen. Gerade im ländlichen
Raum kann dies eine ökologisch und ökonomisch sinn-
volle Möglichkeit sein. § 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG ist
zwar von der jetzigen Novelle nicht ausdrücklich be-
troffen. Wir verlassen uns darauf, dass die Auskunft der
Bundesregierung zutrifft, dass diese Vorschrift auch
nicht durch eine andere Regelung indirekt ausgehebelt
wird
Wir als Bundesgesetzgeber haben im Bereich des Was-
serhaushaltes nur eine Rahmengesetzgebungskompetenz,
sodass die eigentlich materielle Umsetzung erst durch die
Länderparlamente erfolgen wird. National haben wir im
Gewässerschutz schon in der Vergangenheit viel erreicht.
Im Gegensatz zu anderen EG-Mitgliedstaaten, wird die
Umsetzung in Deutschland im Wesentlichen im adminis-
trativen und organisatorischen Bereich erfolgen.
An die Landesgesetzgeber möchte ich in diesem Zu-
sammenhang die dringende Bitte richten, dass sie sich bei
der Anpassung der Landeswassergesetze ebenfalls eng an
der Wasserrahmenrichtlinie orientieren und praktikable
und unbürokratische Regelungen beschließen. Wenn in
den Landeswassergesetzen neue, weiter gehende Anfor-
derungen an die Landwirtschaft gestellt werden, so müs-
sen auch entsprechende Entschädigungen vorgesehen
werden.
Dem Entschließungsantrag der Union stimmen wir zu,
da er auch unsere Kritikpunkte enthält. Bei der 7. WHG-
Novelle werden wir uns aus den genannten Gründen ent-
halten.
Dr. Bärbel Grygier (PDS): Durch die 7. WHG-No-
velle soll die Umsetzung der unfassenden und komplexen
Wasserrahmenrichtlinie auf Bundesebene erfolgen. Für
mich bedeutet dies einen Schritt nach vorn im Gewässer-
schutz. Das Vorhaben wird allerdings durch die föderale
Verantwortung der Bundesländer in Fragen der Wasser-
wirtschaft erschwert. Abgesehen davon müssen jedoch ei-
nige Knackpunkte noch einmal benannt werden.
Die Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung ist weiter-
hin nur an den in der Wasserrahmenrichtlinie festgelegten
Mindestanforderungen, also an Flusseinzugsgebieten und
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22693
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den entsprechenden Maßnahme- und Bewirtschaftungs-
plänen, ausgerichtet. Konsequent im Sinne der Aarhus-
Konvention wäre aber gewesen, wenn diese Beteiligung
auf Teileinzugsgebiete erweitert worden wäre und zu ei-
nem früheren Zeitpunkt stattfinden könnte. Eine Bürger-
beteiligung, die das Gesamteinzugsgebiet von Oder,
Rhein, Donau oder Elbe umfasst, kann die konkreten Be-
lange kaum widerspiegeln. Die Umweltverbände hatten
eine Beteiligung auf Ebene der Lokalen Agenda vorge-
schlagen, um schon im Vorfeld Missverständnisse und
Widerstände gegenüber Zustandsverbesserungen von Ge-
wässern auszuräumen und realistische Maßnahmepläne
zu gestalten.
Zudem hebelt das derzeitige Verfahren, die Umset-
zungsanforderungen der Wasserrahmenrichtlinie weitge-
hend behördenintern auf Länderebene abzustimmen, die
Beteiligungsrechte der Umweltverbände nach dem Bun-
desnaturschutzgesetz aus.
Wir begrüßen dagegen vor dem Hintergrund der Libe-
ralisierungsdiskussion ausdrücklich das nun verankerte
Bekenntnis zum Vorrang der ortsnahen Wasserversor-
gung. Positiv ist außerdem zu vermerken, dass nun bei der
Planung von Unterhaltung und Ausbau durch die Bundes-
wasserstraßenverwaltung die einschlägigen Bestimmun-
gen der Länder zu berücksichtigen sind. Wir hoffen, dass
nunmehr verhindert wird, dass das Bundesverkehrsminis-
terium Projekte bei Ausbau und Unterhaltung planen
kann, die die Erreichung des guten ökologischen Zustands
der Gewässer nach den gemäß Landesrecht aufgestellten
Bewirtschaftungsplänen durch Anwendung von Bundes-
recht verhindern.
Die ausdrückliche Widmung der Wasserkraftnutzung
als „im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit lie-
gend“ ist im WHG entbehrlich. Schließlich hat ja auch das
Umweltbundesamt die ökologischen Grenzen der Was-
serkraftnutzung herausgearbeitet. Nunmehr hat die Koali-
tion die Stellung der Wasserkraft in Abwägung mit den
Bewirtschaftungszielen noch etwas verstärkt. Hier wird
mit dem Klimaschutz argumentiert. Dies ist ein Tot-
schlagargument. Denn in Wirklichkeit geht es ja um den
Bau vieler kleiner Wasserkraftwerke, die die Durchgän-
gigkeit der Flüsse verbauen und nur einen unwesentlichen
Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Wasser kennt keine Gren-
zen – mittlerweile ein lapidarer Satz, könnte man meinen.
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie hat ihn mit Le-
ben erfüllt. Sie ist die Grundlage für eine neue europa-
weite Wassersolidarität. Die Novelle des Wasserhaushalt-
gesetzes, die heute von Ihnen beschlossen werden soll, ist
der erste Schritt zur Umsetzung dieser Richtlinie in
Deutschland.
Das Datum ist gut gewählt, denn der 22. März ist der
Weltwassertag. Er steht unter dem Motto „Wasser für
Entwicklung“. Damit ist zwar vorrangig der Schutz von
Wasserressourcen in den Entwicklungsländern angespro-
chen. Aber auch in Deutschland und Europa gibt es Ent-
wicklungspotenzial für den Gewässerschutz, wie die Was-
serrahmenrichtlinie zeigt. Die Ende 2000 in Kraft
getretene Richtlinie dient der Schaffung eines gemeinsa-
men Ordnungsrahmens für die europäische Wasserpolitik.
Die Gewässer sollen aufgrund gemeinsamer Absprachen
grenzüberschreitend bewirtschaftet werden.
Was bedeutet diese Richtlinie für die Gewässerbewirt-
schaftung in Deutschland? Zunächst ist festzuhalten, dass
die deutsche Wasserwirtschaft in den letzten Jahren und
Jahrzehnten gerade im Hinblick auf die Reduktion der
Schadstoffbelastung der Gewässer viel erreicht hat. Man
denke nur an die Umsetzung einer flächendeckenden fort-
schrittlichen Abwasserreinigung. Auf dem Status quo darf
man sich nicht ausruhen. Er ist aber eine gute Basis für die
Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben.
Was bringt die Wasserrahmenrichtlinie Neues für die
deutsche Wasserwirtschaft? Die deutschen und die euro-
päischen Gewässer sind vom guten Zustand, wie er von
der Wasserrahmenrichtlinie bis 2015 gefordert wird, zum
Teil noch deutlich entfernt, vor allem weil die Richtlinie
nicht nur auf die Gewässerchemie, sondern vorrangig auf
die Gewässerökologie abstellt. Fauna und Flora in den
Gewässern sollen so weit wie möglich dem natürlichen
Zustand entsprechen. Hier gibt es noch viel zu tun, wenn
man zum Beispiel an die Durchgängigkeit von Gewässern
für Wanderfischarten denkt. Viele Gewässer, die früher
Laichgewässer dieser Fische waren, sind durch Querbau-
werke nicht mehr zugänglich.
Gerade für die föderalistisch geprägte deutsche Was-
serwirtschaft wird die von der Wasserrahmenrichtlinie ge-
forderte grenzüberschreitende Kooperation auch organi-
satorisch eine Herausforderung darstellen. Die Gewässer
sind künftig in so genannten Flussgebietseinheiten inte-
griert zu bewirtschaften. Diese Flussgebietseinheiten um-
fassen ein Gewässer von der Quelle bis zur Mündung
einschließlich seiner Einzugsgebiete mit dem dazu-
gehörenden Grundwasser. Zehn Flussgebietseinheiten
liegen ganz oder teilweise auf deutschem Hoheitsgebiet.
Acht davon sind international. Der Koordinierungsauf-
wand wird beträchtlich sein. Als Beispiel sei die Flussge-
bietseinheit Rhein genannt, die zahlreiche deutsche Län-
der, EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten umfasst. Die
Koordinierungsstrukturen auf nationaler und internatio-
naler Ebene werden derzeit intensiv diskutiert.
Die Wasserrahmenrichtlinie wird nicht nur Auswir-
kungen auf die Wasserpolitik haben. Sie wird sich auch
auf andere Politiken auswirken. Betroffen ist zum Bei-
spiel noch die Landwirtschaft, da sie zur Belastung der
Gewässer durch diffuse Quellen beiträgt. Hier wird etwa
die Düngepraxis ein Ansatzpunkt sein. Welche Maßnah-
men zur Verbesserung des Gewässerzustands im Einzel-
nen erforderlich sein werden, wird die Bestandsaufnahme
zeigen, die bis Ende 2004 im Wesentlichen abgeschlossen
sein muss.
Abschließend möchte ich noch auf einen weiteren
neuen Aspekt der Wasserrahmenrichtlinie hinweisen. Sie
fordert eine intensive Information und Anhörung der Öf-
fentlichkeit. Die Ziele der Richtlinie sollen der betroffe-
nen breiten Bevölkerung und den interessierten Verbän-
den transparent gemacht werden. Sie sollen an der
Umsetzung aktiv beteiligt werden. Hier haben EU, Bund
und Länder durch erste Informationsveranstaltungen, In-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222694
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ternetseiten und Broschüren bereits einen viel verspre-
chenden Anfang gemacht. Sie sehen: Die Umsetzung der
Wasserrahmenrichtlinie ist der Einstieg in eine nachhal-
tige europäische Wasserwirtschaft. Diese Chance gilt es
zu nutzen!
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Einführung der vorbehaltenen Sicherheitsver-
wahrung (Tagesordnungspunkt 28)
Joachim Stünker (SPD): Wir bringen heute in erster
Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der
vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ein. Am 19. Okto-
ber des vergangenen Jahres haben wir in diesem Hohen
Hause den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur nachträgli-
chen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungs-
verwahrung diskutiert, das heißt zur Anordnung der Un-
terbringung in der Sicherungsverwahrung außerhalb eines
rechtskräftigen Urteils aufgrund neuerer Erkenntnisse im
Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe durch nachträgli-
chen Beschluss einer Strafvollstreckungskammer.
Gegen diesen Entwurf der Unionsparteien habe ich
seinerzeit schwerwiegende verfassungsrechtliche und
rechtssystematische Einwände vorgetragen. Ich habe da-
rauf hingewiesen, dass die Anordnung der Sicherungsver-
wahrung für einen Straftäter nach der Verhängung der le-
benslangen Freiheitsstrafe die gravierendste Sanktion ist,
die ein Strafgericht verhängen kann. Ich habe darauf hin-
gewiesen, dass für jeden Straftäter die rechtsstaatlichen
Garantien der Strafprozessordnung gelten müssen. Des-
halb dürfen auch einem bereits rechtskräftig Verurteilten
durch eine Nachfolgeentscheidung die wichtigsten Ga-
rantien eines fairen Hauptverfahrens nicht vorenthalten
werden. Diese Garantien sind: mündliche öffentliche
Hauptverhandlung, die Beteiligung von Schöffen an der
Urteilsfindung, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme,
das durch die Möglichkeit der Revision gesicherte Be-
weisantragsrecht und die Pflichtverteidigung in der
Hauptverhandlung.
Diese verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen
Bedenken sind in der Sachverständigenanhörung vom
20. Februar diesen Jahres eindrucksvoll bestätigt worden.
Als Ergebnis der Anhörung darf festgehalten werden:
Erstens. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung
läuft Gefahr gegen das Rückwirkungsverbot gemäß
Art. 103 Abs. 2 GG zu verstoßen.
Zweitens. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung
berührt auch das Verbot der Doppelbestrafung gemäß
Art. 103 Abs. 3 GG. Bei ihrer Anordnung würde gegen ei-
nen Straftäter durch zwei konstitutive Entscheidungen
nacheinander eine Freiheitsentziehung verfügt.
Drittens. Der gravierendste Einwand ist aber ihre Un-
vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Europäischen
Menschenrechtskonvention. Nach der europäischen Men-
schenrechtskonvention ist nur die in einer strafrechtlichen
Verurteilung angeordnete Sicherungsverwahrung zuläs-
sig. Eine bloße Gefährlichkeit hingegen ist kein Grund für
eine unbestimmte Freiheitsentziehung.
Diese berechtigten Bedenken nimmt der von den Re-
gierungsfraktionen jetzt vorgelegte Gesetzentwurf auf.
Der Entwurf sieht vor, die zusätzlich erforderlichen Si-
cherungen bei einem Täter zu schaffen, bei dem im Zeit-
punkt des Urteils des erkennenden Gerichts der Hang im
Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht mit der erforderli-
chen Sicherheit festgestellt werden kann, dieser Hang sich
jedoch während des Vollzuges der Freiheitsstrafe nach
weiterer psychiatrischer Begutachtung herausstellt. Dem
erkennenden Gericht wird daher die Möglichkeit einge-
räumt, die Entscheidung über die Anordnung der Siche-
rungsverwahrung bereits bei Verurteilung des Täters im
Urteil vorzubehalten. Ergibt sich dann nach Teilver-
büßung der verhängten Strafe, dass von dem Verurteilten
erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die
Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden,
so kann die Strafvollstreckungskammer die im Urteil be-
reits vorbehaltene Unterbringung in der Sicherungsver-
wahrung noch rechtzeitig vor der Strafverbüßung anord-
nen.
Durch diese Regelung wird die weitere Sicherungs-
möglichkeit geschaffen, das erkennbar schwerst gewalt-
tätige Straftäter nicht sozusagen sehenden Auges nach
endgültiger Verbüßung der verhängten zeitigen Freiheits-
strafe aus der Haft entlassen werden müssen. Ich füge aber
mit Nachdruck hinzu: Auch diese vorgeschlagene Rege-
lung werden wir in einer ausführlichen Sachverständigen-
anhörung auf den Prüfstand stellen lassen. Hierbei wird
insbesondere die Frage zu erörtern sein, ob die für die An-
ordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung not-
wendige Prognoseentscheidung wie vorgesehen durch
eine Strafvollstreckungskammer vorgenommen werden
kann. Die Alternative hierzu wäre das erkennende Ge-
richt, das in einer erneuten Hauptverhandlung mit allen
strafprozessrechtlichen Garantien zu entscheiden hätte.
Wir haben uns im Rechtsausschuss darauf verständigt,
diese Anhörung gleich nach Ostern durchzuführen. Wir
werden daher den Gesetzesbeschluss noch in dieser Le-
gislaturperiode fassen können.
Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Zwischen den Regie-
rungsfraktionen und dem Bundeskanzler hat sich über
diese Legislaturperiode hinweg eine sehr spezifische Ar-
beitsteilung entwickelt. Gerhard Schröder als Kanzler ist
für die Schlagzeilen und die markigen Sprüche zuständig.
Diese Sprüche stehen dann schon mal – und dies ist heute
hier kein Einzelfall – in deutlichem Widerspruch zur rea-
len Politik der Regierungsfraktionen in diesem Hause.
Ich bin mir sicher, dass nicht nur den Familien der Op-
fer von Sexual- und Gewaltdelikten das populistische
Wort des Bundeskanzlers „Wegschließen – und zwar für
immer“ noch im Ohr hallt und unsere Mitbürger auch die
entsprechenden fetten Schlagzeilen noch vor ihrem geis-
tigen Auge sehen.
Nur folgen den markigen, vollmundigen Sprüchen des
Kanzlers, die des Öfteren meilenweit von dem entfernt
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22695
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sind, rechtlich überhaupt umsetzbar ist, dann erwartungs-
gemäß keine – oder zumindest lange Zeit keine – Taten.
Dies ändert sich erst dann rasant, wenn ein Wahltermin
vor der Tür steht und den Bürgern gegenüber nun ganz
schnell die bisherige Untätigkeit kaschiert werden soll.
Geradezu ein Paradebeispiel dieses Verhaltensmusters
ist die Debatte und die Behandlung der entsprechenden
Gesetzentwürfe zur Regelung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung.
Der Ausgangspunkt all unserer Überlegungen ist dabei
eigentlich unstrittig. Das bestehende Strafrecht weist of-
fenkundig – und von niemandem bestritten – eine Lücke
auf. Nach geltender Gesetzeslage muss im Urteil bereits
Sicherungsverwahrung angeordnet worden sein, wenn die
Bevölkerung vor einem gefährlichen Hangtäter geschützt
werden soll. Nun gibt es zahlreiche Strafprozesse, bei de-
nen das Tatgericht keine Sicherungsverwahrung angeord-
net hatte und sich erst während der Haftzeit des Täters
dessen Gefährlichkeit im Sinne des § 66 StGB heraus-
stellte. Nach geltendem Recht müssen wir diese Hangtä-
ter vor die Türen der Vollzugsanstalten setzen, obwohl wir
ziemlich genau wissen, dass sie mit hoher Wahrschein-
lichkeit wieder schwere Delikte begehen werden.
Diese erkennbare Lücke müssen wir als Gesetzgeber
schließen. Es kann doch einfach nicht richtig sein, dass
wir sehenden Auges die Allgemeinheit vermeidbaren Ge-
fahren aussetzen, nur weil das erkennende Gericht – was
ich ihm gar nicht vorwerfe – zum Zeitpunkt der Urteils-
verkündung die Gefährlichkeit des Täters nicht hundert-
prozentig feststellen konnte oder wollte.
Zukünftig dürfen sich Fälle einfach nicht mehr wie-
derholen, wie sie sich exemplarisch im vergangenen Jahr
in meinem Wahlkreis abgespielt haben. Wegen gemein-
schaftlichen Mordes in vier Fällen verbüßte in der JVA
Kassel ein junger Erwachsener eine Jugendstrafe von
zehn Jahren. In einem psychiatrischen Gutachten ist in
schlüssiger Weise dargelegt worden, dass die Sozialpro-
gnose des Verurteilten äußerst negativ ist. Dem Verurteil-
ten wurde eine antisoziale Persönlichkeitsstörung attes-
tiert. Daher gab es bis zum Endstraftermin keinen offenen
Vollzug, keinen Urlaub, keine vorbereitenden Ausgänge.
Wegen der mutmaßlichen fortbestehenden Gefährlichkeit
des Verurteilten war eine Entlassung eigentlich auch nicht
zu verantworten. Da keine Sicherungsverwahrung im Ur-
teil angeordnet wurde, musste diese Person im Frühjahr
2001 allerdings entlassen werden.
Ich ziehe aus diesem Beispiel, aber auch aus Fällen
vergleichbarer Art eine eindeutige Schlussfolgerung für
mich und selbstverständlich auch für meine Fraktion:
Diesem haltlosen Zustand muss der Gesetzgeber
schnell und nachdrücklich entgegenwirken. Wir müssen
unser Bundesrecht dahin gehend ändern, dass bis zum
Haftende die Unterbringung in der Sicherungsverwah-
rung angeordnet werden kann, falls sich erst nach der Ver-
urteilung des Täters, also im Vollstreckungsverfahren,
seine Gefährlichkeit erweist. Der Anknüpfungspunkt ist
dabei eine entsprechende Änderung des § 66 StGB.
Nun vertrete ich persönlich diese Erkenntnis heute hier
nicht zum ersten Mal. Das gilt erst recht nicht für die
CDU/CSU-Fraktion. Auch die unionsgeführten Bundes-
länder versuchen seit Jahren, eine Änderung zum besse-
ren Schutz der Bevölkerung vor Hangtätern im Bundes-
recht zu verankern. Immer wieder wurden sie von den
SPD-geführten Ländern ausgebremst. Ich hoffe, dass der
Bundesrat die Kraft aufbringen wird, einen Gesetzent-
wurf zur Änderung des § 66 StGB einzubringen.
Als CDU/CSU-Fraktion haben wir im Oktober letzten
Jahres den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des
Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und an-
deren Straftaten in dieses Haus eingebracht, dessen ab-
schließende Lesung in der kommenden Sitzungswoche
geplant ist. Ich appelliere an alle Fraktionen dieses Hau-
ses, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, denn die er-
forderliche nachträgliche Anordnung der Sicherungsver-
wahrung ist in unserem Gesetzentwurf weitaus besser und
weitaus umfassender als im vorliegenden Gesetzentwurf
der Regierungsfraktionen geregelt.
So bietet die so genannte Vorbehaltslösung, die uns von
den Regierungsfraktionen in ihrem Gesetzentwurf offe-
riert wird, keinerlei Lösung für die gefährlichen Altfälle,
also für solche Hangtäter, die eine Freiheitsstrafe ver-
büßen, die vor dem In-Kraft-Treten der angekündigten
Neuregelung verhängt worden ist. In den kommenden
Jahren sind also Situationen weiterhin möglich, wie ich
sie anhand des Kasseler Beispiels geschildert habe. Dies
ist eine Lösung mit einer sehr langen, eigentlich fast nicht
zu verantwortenden Übergangsfrist.
Viel gravierender ist noch die Tatsache, dass dieser
Entwurf all diejenigen Fälle ungelöst lässt, in denen an-
lässlich der Verurteilung kein Vorbehalt ausgesprochen
wird und sich dennoch während der Haft die besondere
Gefährlichkeit des Täters herausstellt. Um diesem Di-
lemma zu entgehen, könnten die Gerichte quasi automa-
tisch und prophylaktisch einen Vorbehalt aussprechen. Ob
dies ein wünschbares Verhalten wäre, wage ich allerdings
auch zu bezweifeln.
Im Übrigen bin ich mehr als irritiert, dass die Vorbe-
haltslösung sich nur auf Verurteilungen erstrecken soll,
die wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten
Straftaten ausgesprochen werden. Damit sind alle gefähr-
lichen Hangtäter im Sinne der übrigen Absätze außen vor –
eine nicht gerade kleine Gruppe! Wollen die Sozialdemo-
kraten wirklich allen Ernstes die Verantwortung dafür
übernehmen, dass gefährliche Hangtäter, weil sie zufälli-
gerweise nicht unter den Absatz 3 fallen, weiterhin auf die
Öffentlichkeit losgelassen werden können? Ich hoffe ja
noch darauf, dass dies lediglich ein handwerklicher Feh-
ler in der Eile der Gesetzesproduktion war.
Bei einer Gesamtwürdigung des vorliegenden Ent-
wurfs komme ich daher über ein „besser als nichts“ leider
nicht hinaus. Dieser Entwurf ist zu deutlich von dem
Bemühen getragen, noch kurz vor dem 22. September
schnell etwas vorweisen zu können. Es wäre doch allzu
peinlich und allzu offensichtlich, wenn die markigen
Sprüche des Kanzlers bei den Regierungsfraktionen völ-
lig verhallen würden.
Einen konsequenten Schutz der Bevölkerung vor Ge-
walt- und Sexualverbrechern, die unter Sicherungsver-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222696
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wahrung gehören, bietet nur der Entwurf der CDU/CSU-
Fraktion. Ich hoffe, dass wir am 22. September von den
Bürgern das Mandat erhalten, dass dieser gute Entwurf
auch Gesetzeskraft erhält.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Sicherungsverwahrung ist der schwerwiegendste Ein-
griff in die Freiheitsrechte eines Menschen, den unser
Strafgesetzbuch vorsieht. Sie ist das eigentliche „Lebens-
länglich“. Für den Betroffenen kann es das Weggeschlos-
sensein für immer und ewig bedeuten. Deshalb ist die Ver-
hängung dieser einschneidenden Maßnahme auch nur zu
rechtfertigen, wenn sie zum Schutz der Bevölkerung vor
schwerwiegenden Straftaten absolut unerlässlich ist.
Mit der vorliegenden Vorbehaltslösung schließen wir
eine Gesetzeslücke, die – wenn auch nur in sehr wenigen
Fällen – dazu führen könnte, dass Personen selbst dann
aus der Strafhaft entlassen werden können, wenn nahezu
sicher feststeht, dass sie danach weitere schwere Strafta-
ten begehen werden. Mit diesem Gesetzentwurf ist es der
Koalition gelungen, sowohl den Schutz der Bevölkerung
vor schweren Straftaten zu optimieren als auch dem
schweren Eingriffscharakter der Sicherungsverwahrung
gerecht zu werden.
In materieller Hinsicht grenzen wir den Anwendungs-
bereich auf schwere Delikte ein: auf Straftaten gegen das
Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperli-
che Unversehrtheit.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht haben wir eine Reihe
rechtsstaatlicher Sicherungen eingebaut. Zum Beispiel
muss die Entscheidung über die nachträgliche Siche-
rungsverwahrung spätestens ein halbes Jahr vor dem Zeit-
punkt getroffen werden, zu dem über die Aussetzung des
Strafrestes zur Bewährung entschieden werden kann. Das
ist nur fair: denn ohne so eine zeitliche Beschränkung
könnte sich jemand, der wegen einer schweren Straftat
verurteilt ist, bis zu seiner Entlassung nicht darauf ein-
stellen, ob er in Freiheit entlassen wird oder nicht. Auch
die Beiordnung eines Verteidigers für das Verfahren ist
unerlässlich.
Dieser Entwurf ist der einzige Weg, um die eingangs
skizzierte Gesetzeslücke in rechtsstaatlich vertretbarer
Weise zu füllen. Wären wir Ihnen, verehrte Kolleginnen
und Kollegen von der Union, gefolgt, dann hätten wir mit
Sicherheit Probleme in Karlsruhe bekommen. Denn Ihre
nachträgliche Sicherungsverwahrung wäre schon deshalb
verfassungswidrig gewesen, weil im ursprünglichen Ur-
teil davon überhaupt keine Rede sein soll. Da fehlt dann
jeglicher Zusammenhang zwischen Tat und Sanktion; das
Verbot der Doppelbestrafung wird negiert. In der Sach-
verständigenanhörung im Rechtsausschuss ist unter ande-
rem auch deshalb der Unionsentwurf zu Recht auf harsche
Kritik gestoßen.
Völlig abwegig ist übrigens der Vorwurf der
CDU/CSU, wonach man mit unserer Vorbehaltslösung an
die aktuellen Strafgefangenen nicht herankomme Ja, um
Himmels willen! Was für ein Rechtstaatsverständnis liegt
dieser These eigentlich zugrunde! Mit dieser Einstellung
könnten wir ja gleich das Rückwirkungsverbot von Straf-
gesetzen abschaffen.
Auch der hessische Vorschlag zur Sicherungsverwah-
rung war zur Umsetzung nicht geeignet. Hessen hat zwar
immerhin unsere Vorbehaltslösung in seinem Entwurf auf-
gegriffen. Aber es wäre nicht verhältnismäßig gewesen,
die Regelung auf sämtliche Straftaten zu erstrecken. Wir
haben auch hier die verfassungskonforme Lösung gefun-
den, indem wir explizit auf § 66 Abs. 3 StGB hinweisen.
Eines übrigens möchte ich noch einmal in Erinnerung
rufen: Bei der Sicherungsverwahrung handelt es nicht um
eine Strafe. Daher muss die Sicherungsverwahrung auch
so ausgestaltet werden, dass sie keine über die, reine Si-
cherung hinausgehenden Eingriffe mit sich bringt. Der-
zeit unterscheidet sich die Sicherungsverwahrung in der
Praxis jedoch in der Regel nicht vom normalen Strafvoll-
zug. Daher halte ich ein Sicherungsverwahrungsvollzugs-
gesetz in nächster Zukunft für erforderlich.
Machen wir uns nichts vor: Die strafrechtliche Reak-
tion auf bereits geschehene Taten kann den Schutz der Be-
völkerung vor Gewalt allein nicht gewährleisten. Wir le-
gen deshalb einen Schwerpunkt unserer Politik auf
präventive Maßnahmen und auf den Opferschutz. Präven-
tion beginnt im Kindesalter. Erst Rot-Grün hat Kindern
endlich ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung einge-
räumt. Dies ist nicht nur Voraussetzung einer kinder-
freundlichen Gesellschaft, sondern auch ein wichtiger
Schritt zur langfristigen Gewaltprävention, denn wer als
Kind Gewalt erfahren musste, neigt später verstärkt dazu,
selbst gewalttätig zu werden.
Jörg van Essen (FDP): Zahlreiche spektakuläre
Fälle haben in der Vergangenheit gezeigt, dass es in
Deutschland ein Defizit im Umgang mit Sexual- und Ge-
waltverbrechern gibt. Obwohl alle Fachleute einen Häft-
ling negativ beurteilen und mit hoher Sicherheit mit wei-
teren schwersten Taten rechnen, müssen diese häufig
entlassen werden. Dies ist der Bevölkerung zu Recht nicht
zu vermitteln. Die Politik ist hier aufgerufen, den berech-
tigten Ängsten und den erheblichen Gefährdungen von
Leben und Gesundheit der bedrohten Bürger entschieden
entgegenzutreten und Menschen erst gar nicht zu Opfern
werden zu lassen.
Die Bundesregierung hat lange Zeit tatenlos zugesehen
und weder das Problem noch die Ängste in der Bevölke-
rung erkannt. Auf diesem Gebiet hat Rot-Grün völlig ver-
sagt. Es hätten viele Verbrechen vermieden werden kön-
nen, wenn die nachträgliche Sicherungsverwahrung
schon vorher möglich gewesen wäre und die Bundesre-
gierung die Initiativen der Länder unterstützt hätte. Die
Länder Baden-Württemberg und Bayern haben bereits
vor Jahren eigene Initiativen hierzu gestartet. Es ist daher
bedauerlich, dass die Initiative der Bundesregierung erst
jetzt zum Ende der Wahlperiode vorliegt.
Bei jeder Diskussion zum Sexualstrafrecht hat die
Bundesregierung derartige Pläne brüsk zurückgewiesen.
Noch im Herbst letzten Jahres haben Vertreter der Koali-
tionsfraktionen im Bundestag die nachträgliche Sicher-
heitsverwahrung vehement bekämpft. Der Kollege Beck
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22697
(C)
(D)
(A)
(B)
hat damals gesagt, die Anordnung der nachträglichen
Sicherungsverwahrung missachte elementare Verfassungs-
grundsätze und sei daher abzulehnen. Ebenso argumen-
tierte der Kollege Stünker. Er sagte damals, die Anord-
nung der nachträglichen Sicherungsverwahrung käme
einem Geheimverfahren gleich. Und ich zitiere: „Damit
wären wir fast wieder im Mittelalter.“
Nach heutiger Rechtslage hat die Justiz keinerlei Mög-
lichkeiten einzugreifen, wenn sich erst im Strafvollzug
herausstellt, dass der Verurteilte nach der Entlassung
wahrscheinlich wieder rückfällig wird. Oftmals kann die
persönliche Entwicklung des Verurteilten erst nach der
Einweisung in den Strafvollzug abschließend beurteilt
werden. Gerichte müssen daher die Möglichkeit haben,
die Rückfallprognose eines Täters auch noch später prü-
fen zu können.
Hier liegt auch der zentrale Punkt der Diskussion. Es
liegen Vorschläge auf dem Tisch zur Anordnung der
nachträglichen Sicherungsverwahrung mit und ohne Vor-
behaltslösung. Das Problem der Vorbehaltslösung liegt
darin, dass das Gericht sich bereits bei der Verurteilung
mit der besonders hohen Gefährlichkeit des Täters ausei-
nander setzen muss. Kann diese Prognose erst während
des Strafvollzugs getroffen werden, scheidet die Siche-
rungsverwahrung aus.
Andererseits müssen wir sehen, dass wir es hier mit ei-
nem sehr sensiblen Grundrechtsbereich zu tun haben. Un-
abdingbare Voraussetzung ist daher, dass die getroffene
Regelung an sehr hohe materielle und verfahrensrechtli-
che Voraussetzungen geknüpft sein muss. Dazu gehört für
mich zum Beispiel die Anordnung durch die Strafvoll-
streckungskammer. Das bedeutet auch, dass wir uns in
keinem Fall in einer verfassungsrechtlichen Grauzone be-
wegen dürfen. Die Verfassungsgrundsätze des Rückwir-
kungsverbots und der Rechtssicherheit müssen gewähr-
leistet werden. Dem entspricht eher die Vorbehaltslösung.
Es gibt jedoch auch verfassungsrechtliche Gutachten, in
denen rechtliche Bedenken gegen die Sicherungsverwah-
rung ohne Vorbehalt ausgeräumt werden. Über diese zen-
trale Frage müssen wir in den Beratungen sorgfältig dis-
kutieren.
Die FDPwill die nachträgliche Sicherungsverwahrung
und hofft auf eine schnelle Einigung. Wir haben schon
lange genug gewartet. Jetzt muss endlich gehandelt und
entschieden werden. Die Bürger verlangen dies von uns
zu Recht.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Die Sicherungsverwah-
rung ist nichts Neues. Einschlägige Kommentare spre-
chen von ihr als der „problematischsten Maßregel des
Strafrechts“, der „letzten Notmaßnahme der Kriminalpo-
litik“. Nun beraten wir heute über die Ausweitung dieser
problematischen Maßregel. Sie soll nach dem Willen der
Einreicher des vorliegenden Gesetzentwurfs zukünftig
auch nachträglich für potenziell gefährliche Straftäter an-
geordnet werden, die sich im Strafvollzug befinden.
Die Initiatoren des Gesetzentwurfs wissen natürlich
genau um die nicht nur juristischen Probleme, die damit
verbunden sind. Nicht nur mir, sondern auch ihnen ist ge-
wiss nicht wohl bei der Einführung einer nachträglichen
Sicherungsverwahrung und so wird eine Vorbehaltslö-
sung vorgeschlagen. Und selbst die ist – wie mein straf-
rechtserfahrener Kollege Stünker ehrlicherweise im Aus-
schuss schon bekannt hat – keineswegs eine
rechtsstaatlich unbedenkliche Lösung.
Was aber veranlasst uns eigentlich, heute darüber zu
debattieren? Ist es die Einlösung des Kanzlerwortes vom
Wegsperren, ein akutes rechtstatsächliches Problem oder
beides? In der Gesetzesbegründung finde ich dazu nichts.
Bei der jüngsten Anhörung zu Sexualstraftaten stieß
die Initiative der Union, eine nachträgliche Sicherheits-
verwahrung anzuordnen, wenn sich ein Sexualtäter bei
Verbüßen seiner Haftstrafe als hochgefährlich erweist, bei
einigen Experten auf gravierende verfassungsrechtliche
Bedenken. Der nun vorgeschlagene Vorbehalt ist ein
Kompromiss, doch leider kein idealer. Denn dadurch be-
steht ganz praktisch die Gefahr, dass in jedem Verfahren,
bei dem geringste Zweifel an der Ungefährlichkeit eines
Straftäters auftauchen, ein solcher Vorbehalt ausgespro-
chen werden wird.
Doch damit nicht genug. Die Krux bei der nachträgli-
chen Sicherungsverwahrung besteht ganz grundsätzlich
darin, dass, wenn eine nachträgliche Anordnung von Frei-
heitsentziehung unter weitgehender Abkopplung von
Straftaten aufgrund einer prognostischen Mutmaßung erst
einmal akzeptiert wird, dann alsbald die Suche danach
einsetzen dürfte, wo man ähnlich weitere Lücken zur Be-
friedigung des Sicherheitsbedürfnisses der Bürger
schließen kann.
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist sowohl
aus verfassungsrechtlicher wie menschenrechtlicher Sicht
hochproblematisch. Neben der möglichen Doppelbestra-
fung und dem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot
stellt sich nicht zuletzt die Frage der Verhältnismäßigkeit
der vorgeschlagenen Regelung. Maßregeln sind Maßnah-
men der Gefahrenabwehr. Bemessungsgrundlage ist da-
her nicht die Schuld, sondern letztlich das Sicherheitsbe-
dürfnis. Statt des sanktionslimitierten Schuldprinzips gilt
deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das Bundesver-
fassungsgericht stellt hier bekanntlich wesentlich darauf
ab, ob das Maß der den Einzelnen betreffenden Maß-
nahme noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der
Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Und auf
diese Frage habe ich keine überzeugende Antwort im Ge-
setzentwurf gefunden.
Aber fest steht Folgendes: Da es an zuverlässigen Pro-
gnosekriterien mangelt, könnte eine unbestimmte Zahl
von „falsch negativ“ eingeschätzten Betroffenen – erst
einmal untergebracht – kaum eine Chance haben, jemals
lebend aus der Sicherungsverwahrung entlassen zu wer-
den. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsver-
wahrung bedeutet damit die Einführung eines tatsächlich
lebenslangen Freiheitsentzuges.
Abschließend möchte ich Sie noch auf einen offen-
sichtlichen Fehler aufmerksam machen. Herr Ströbele
steht in der Liste der Initianten. Das kann nicht sein. Denn
bei Frau Christiansen hat Kollege Ströbele zum Kanzler-
wort geäußert:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222698
(C)
(D)
(A)
(B)
Das halte ich für verfassungsrechtlich nicht haltbar,
das ist ein Bruch mit unserem Schuldstrafrecht. Wir
dürfen nicht vergessen: Die Sicherungsverwahrung
ist eine Maßregel, welche die Nazis 1933 eingeführt
haben. Die Formel „für immer“ geht schon gar nicht.
Vergessen wir doch um Himmels willen nicht, weil
Wahlkampf ist, unseren Rechtsstaat und unser
Grundgesetz.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun-
desministerin der Justiz: Es ist wichtig, hart nicht nur ge-
gen die Kriminalität sondern auch konsequent gegen die
Ursachen der Kriminalität vorzugehen. Kriminalpolitik
muss schließlich den Schutz der Bürgerinnen und Bürger
und die Belange der Opfer angemessen einbeziehen, das
ist nicht weniger wichtig.
Der Ihnen heute vorliegende Entwurf der Bundesre-
gierung setzt an der Schnittstelle zwischen Bestrafung
und Vorbeugung an. Immer wieder hören wir schreckliche
Berichte von Sexualverbrechen, vor allem an Kindern. In-
zwischen haben die Gerichte eine ganze Menge Möglich-
keiten, diese Taten streng zu bestrafen und auch dafür zu
sorgen, dass die Täter – wenn nötig – in Sicherungsver-
wahrung gelangen, also nicht wieder auf freien Fuß kom-
men und ihre entsetzlichen Taten begehen können. So
kann seit der letzten Erweiterung der gesetzlichen Mög-
lichkeiten zum Schutz vor schweren Sexualstraftaten in
1998 Sicherungsverwahrung bereits bei der ersten Rück-
falltat angeordnet werden und ist generell zeitlich unbe-
schränkt.
Da wir aber in der Pflicht sind, den Schutz der Bevöl-
kerung vor schwersten Straftaten ständig zu überprüfen
und mögliche Schutzlücken zu schließen, haben wir uns
Gedanken über immerhin vorstellbare Fälle gemacht und
sind dabei auf folgende Konstellation gestoßen: Es ist
denkbar, dass in einzelnen Fällen hoch gefährliche
Straftäter aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe entlassen
werden könnten, deren Gefährlichkeit zum Zeitpunkt des
Urteils nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt
werden konnte, während sie zum Zeitpunkt der Entlas-
sung aus dem Vollzug feststeht.
Ich spreche von „denkbaren Fällen“, weil die vom
Bundesministerium der Justiz durchgeführte Länderum-
frage das Ergebnis erbracht hat, dass solche Fälle in der
Praxis allenfalls – und ich betone nochmals: allenfalls! –
vereinzelt vorkommen.
Nun gilt auch hier, dass jede Tat eine Tat zu viel ist. We-
gen ihrer großen Gefährlichkeit haben die Bürgerinnen
und Bürger einen Anspruch darauf, auch vor solchen
„Ausnahmefällen“ geschützt zu werden.
Mit unserem Entwurf wollen wir deshalb den Gerich-
ten die Möglichkeit geben, in Zweifelsfällen quasi abzu-
warten, welche Erfahrungen man im Vollzug mit dem Tä-
ter macht. Der Entwurf sieht vor, dass das erkennende
Gericht in seinem Urteil die Unterbringung in der Siche-
rungsverwahrung vorbehalten kann, und die endgültige
Anordnung später erfolgt, wenn nach Teilverbüßung der
Strafe die Gefährlichkeit des Verurteilten feststeht.
Diese so genannte „vorbehaltene“ Sicherungsverwah-
rung enthält also rechtsstaatlich bedenkenfreie Reaktions-
möglichkeiten, die unter Umständen besonders für den
Umgang mit sehr gefährlichen Tätern benötigt werden.
Gerade bei deren Aburteilung wollen wir keine Lücken
zulassen, selbst wenn sie eher selten auftauchen.
Gegenüber dem Modell der „nachträglichen Siche-
rungsverwahrung“ – das der Entwurf der CDU/CSU-
Fraktion verfolgt – hat das „Vorbehaltsmodell“ entschei-
dende Vorteile. Sie sind auch in der vom Rechtsausschuss
durchgeführten Expertenanhörung klar herausgearbeitet
worden:
Durch den Vorbehalt im Strafurteil wird der Bezug zu
der begangenen Tat hergestellt. Die Regelungskompetenz
des Bundes folgt daher aus dem Titel „Strafrecht“,
während es sich bei der „nachträglichen“ Sicherungsver-
wahrung um eine reine Gefahrenabwehrmaßnahme han-
delt, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz
fehlt.
Die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung
durchbricht nicht die Rechtskraft des Urteils, das im Falle
des Vorbehalts ja gerade den Weg zur Anordnung der Si-
cherungsverwahrung frei gemacht hat.
Es besteht auch nicht – wie bei dem Modell der isoliert
angeordneten „nachträglichen“ Sicherungsverwahrung –
die Gefahr, dass die neue Regelung zur Korrektur des Ur-
teils benutzt werden wird. Diese wollen wir nämlich
nicht. Vielmehr sollen die erkennenden Gerichte in der
Pflicht bleiben, nach den bereits bestehenden rechtlichen
Möglichkeiten selbst über die Anordnung der Siche-
rungsverwahrung zu entscheiden.
Die Vorbehaltslösung ermöglicht, in dogmatisch sau-
berer Weise als Grundlage der abschließenden Gefähr-
lichkeitsprognose sowohl Umstände der Tat und ihrer
Vorgeschichte als auch Erkenntnisse aus dem Strafvollzug
zu berücksichtigen, die für sich allein genommen regel-
mäßig eine zu dünne Grundlage für eine Kriminalpro-
gnose sind.
Und schließlich mag das Wissen, unter dem Vorbehalt
der Sicherungsverwahrung zu stehen, bei den Verurteilten
auch die Bereitschaft wecken, an seiner Resozialisierung
aktiv mitzuarbeiten – eine Bereitschaft, die gerade bei vie-
len Sexualstraftätern nicht vorhanden ist.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlungen und
des Berichtes zu den Anträgen:
– Wiedererhebung der Vermögensteuer
– Erbschaftsbesteuerung sofort reformieren
(Tagesordnungspunkt 29 a und b)
Simone Violka (SPD): Indem die PDS-Fraktion ihren
Antrag zur Wiedererhebung der Vermögensteuer immer
wieder stellt, zugegeben immer mit veränderten Nuancen,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22699
(C)
(D)
(A)
(B)
um einen Anschein der Aktualität zu geben, wird er weder
besser noch zustimmungsfähiger.
Die PDS-Fraktion beklagt in ihrem Antrag, es gebe in
Deutschland eine verteilungspolitische Schieflage. Dem
muss ich vehement widersprechen; denn es ist ihnen
scheinbar total entgangen, dass es die rot-grüne Bundes-
regierung mit den sie tragenden Fraktionen war, die die
unter der CDU/CSU-FDP-Regierung entstandenen Miss-
stände wieder in Ordnung gebracht hat. Uns geht es in der
Frage der Besteuerung nicht darum, dass Menschen mit
einem hohen Einkommen über die von ihnen geforderte
Vermögensteuer zweimal Steuern zahlen müssen, son-
dern dass jedes Einkommen nach seiner Leistungsfähig-
keit besteuert wird.
Aus diesem Grund haben wir 70 steuerliche Sondertat-
bestände abgeschafft, deren Nutznießer nur die Bezieher
hoher Einkommen waren, die sich dadurch ihrer Steuer-
schuld im erheblichen Maße, in vielen Fällen sogar ganz
entziehen konnten. Das ist für eine solidarische Gesell-
schaft so nicht hinnehmbar. Daher sind wir aktiv gewor-
den, um dort wieder ein Gleichgewicht herzustellen.
Die Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion ge-
hen in ihrem Antrag auf diese Fälle ja auch ein und for-
dern mit ihrem Gesetz dafür quasi eine nachträgliche Be-
steuerung. Aber so kann man das nicht angehen. Zum
einen ist überhaupt nicht feststellbar, wer sich dieser le-
galen steuersparenden Instrumente bedient hat und wer
trotz hohen Einkommens auch hohe Steuern gezahlt hat.
Dazu kommt noch, dass sie mit ihrem Gesetzentwurf all
jene bestrafen wollen, die sparsam mit ihrem erarbeiteten
Vermögen umgehen. Denn jeder, der sein hohes Einkom-
men ausgibt und einen luxuriösen Lebensstil vorzieht,
wird von ihnen nicht belangt, da eventuell kein Vermögen
vorhanden ist, was besteuert werden kann.
Sie übersehen auch immer wieder, wenn sie ihre popu-
listischen Neidanträge stellen, dass sie verfassungsrecht-
lich auf tönernen Füßen stehen. Rechtmäßig erworbenes
Vermögen ist bereits versteuert und das Bundesverfas-
sungsgericht hat eindeutig die Besteuerung dieses Vermö-
gens mit der Konsequenz einer Gesamtsteuerlast aus Ein-
kommensteuer und Vermögensteuer von über 50 Prozent
für verfassungswidrig erklärt.
Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ausdauer sie sich
mit ihren Anträgen immer wieder über diese verfassungs-
rechtliche Entscheidung hinwegsetzen. Dabei betonen sie
doch immer wieder, dass die PDS eine Partei sei, die sich
auf den Grundlagen von Verfassung und Grundgesetz be-
wege. Mit solchen Anträgen zeigen sie aber, wie weit sie
tatsächlich davon noch entfernt sind. Aber das scheint ja
in ihren Reihen eh nichts Ungewöhnliches zu sein. Es ist
doch ihr Parteimitglied Sarah Wagenknecht, die öffentlich
erklärt, Berlins Finanzprobleme können gelöst werden,
indem man die Banken quasi enteignet und das Geld zur
Schuldentilgung verwendet.
Dazu kommt noch, das sie auch das föderale System in
der Bundesrepublik Deutschland infrage stellen. Denn in
ihrem Antrag schreiben sie den Ländern, denen ja im Falle
einer Vermögensteuer die Erträge zufließen würden, vor,
wofür sie die Gelder auszugeben haben. Dass eine solche
Einflussnahme von Bundesseite überhaupt nicht möglich
ist, sollten sie als Bundestagsabgeordnete ja eigentlich
wissen. Es ist traurig, dass sie das aber anscheinend noch
immer nicht wissen oder aber sich absichtlich unwissend
stellen, um stichhaltige Argumente nicht beachten zu
müssen. Die PDS sollte doch mal ihren ehemaligen Frak-
tionskollegen Gregor Gysi fragen, wie begeistert er wäre,
wenn sie ihm vorschreiben, wofür er sein Geld auszuge-
ben hat.
Ich halte es für wichtig, auch wenn es in den vergan-
genen Debatten immer wieder gesagt worden ist, noch
einmal explizit darauf hinzuweisen: Die rot-grüne Koali-
tion hat nicht die Absicht, die Vermögensteuer wieder ein-
zuführen. Wir haben ein gerechteres Steuersystem ver-
sprochen und auch dafür gesorgt, dass es umgesetzt wird.
Die abgeschafften Sonderabschreibungen erwähnte ich
bereits. Dazu kommt eine Steuerreform, die vor allem die
unteren und mittleren Einkommen entlastet und im Rah-
men der Unternehmensteuerreform die Unternehmen im
internationalen Vergleich steuerlich gesehen wieder wett-
bewerbsfähig macht. Wir sind kein Land mehr, das allein
für sich steht, sondern wir befinden uns im internationa-
len Wettbewerb. Wir brauchen attraktive Rahmenbedin-
gungen, die Deutschland auch als Wirtschaftsregion at-
traktiv machen, wo man gerne investiert und
Arbeitsplätze schafft. Die immer schlechter gewordenen
Rahmenbedingungen bis 1998 haben wir durch durch-
greifende Reformen verbessert und werden das auch
zukünftig weiter tun. Es ist völlig absurd, diese Verbesse-
rungen jetzt durch eine neue Steuererhöhung wieder zu
verschlechtern.
Natürlich gibt es noch einige Lücken. Aber da ist es er-
forderlich, dass diese im Rahmen von europäischen Re-
geln geschlossen werden. Denn ein Alleingang nützt we-
nig, sondern zieht eventuell nur noch dringend benötigtes
Kapital aus dem Land.
Dennoch ist auch heute schon für uns Steuerhinterzie-
hung und Steuerflucht nicht hinnehmbar. Daher haben wir
auch schon eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die
sich gegen das kriminelle Abwenden von der gesell-
schaftlichen Verantwortung richten. Denn es ist ja nicht
so, dass dadurch „nur“ der Staat geschädigt wird. Damit
wird jeder steuerehrliche Bürger und Unternehmer ge-
schädigt, jeder, der als Empfänger auf die staatliche Un-
terstützung angewiesen ist, und natürlich das soziale Sys-
tem als Ganzes. Es liegt also im Interesse aller, dass auch
durch gesetzliche Regelungen solchen Machenschaften
das Handwerk gelegt wird. Damit wird das gesellschaftli-
che System in der Waage gehalten und nicht mit Neidde-
battenanträgen à la PDS.
Otto Bernhardt (CDU/CSU): Sowohl die Staatsquote
als auch die Steuerquote liegen in Deutschland nicht nur
deutlich höher als zum Beispiel in den Vereinigten Staa-
ten; vielmehr befinden wir uns auch innerhalb der EU in
einer Spitzenposition. Einer der Gründe, warum Deutsch-
land erstmalig zum Schlusslicht im Wirtschaftswachstum
in Europa geworden ist, liegt in der zu hohen Staats- und
Steuerquote.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222700
(C)
(D)
(A)
(B)
Was wir brauchen, sind nicht Steuererhöhungen. Da-
von haben wir in den letzten Jahren genug hinnehmen
müssen. Ich denke nur an die Ökosteuer mit ihren ver-
hängnisvollen Auswirkungen – insbesondere auf Niedrig-
verdienende, Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger,
aber auch viele mittelständische Unternehmer – und an
die vor wenigen Monaten von der Mehrheit dieses Hau-
ses beschlossene Erhöhung der Tabak- und der Versiche-
rungsteuer.
Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen
Situation hat es in den letzten Monaten weltweit – und ins-
besondere auch in Europa – Steuersenkungen und keine
Steuererhöhungen gegeben. Einer der Gründe, warum die
amerikanische Wirtschaft inzwischen wieder dabei ist,
langsam Tritt zu fassen, liegt in den nicht unerheblichen
Steuersenkungen, die die Bush-Administration mit breiter
Zustimmung der beiden großen amerikanischen Parteien
beschlossen hat.
Die PDS hat offensichtlich immer noch nicht begriffen
bzw. begreifen wollen, dass wir in Deutschland eine so-
ziale Marktwirtschaft haben und eine freie Volkswirtschaft
im Rahmen einer globalisierten Welt sind. Letztlich unter-
streichen beide Anträge – wenn man sie genau liest – die
Sehnsucht nach einem System, in dem der Staat alles ma-
chen soll, weil er nach dieser Philosophie oder besser
Ideologie alles besser kann. Sie von der PDS müssen zur
Kenntnis nehmen, dass das System, von dem Sie offen-
sichtlich immer noch träumen, weltweit gescheitert ist,
während die soziale Marktwirtschaft zum weltweiten Er-
folgsmodell geworden ist.
Das Thema Wiedererhebung der Vermögensteuer ist
nicht neu. Auch eine Reihe von Sozialdemokraten und
Gewerkschaftlern hat sich öffentlich in dieser Richtung
geäußert. Jürgen Peters, Vizechef der IG Metall, erklärte
am 14. März dieses Jahres: „Es wäre abenteuerlich, ... auf
die Erhebung der Vermögensteuer zu verzichten.“ Ich will
in diesem Zusammenhang gar nicht mit dem Bundesver-
fassungsgerichtsurteil argumentieren und auch nicht mit
dem enormen Verwaltungsaufwand. Ich will nur darauf
hinweisen, dass eine Vermögensteuer letztlich darauf hi-
naus läuft, dass die Spitzensteuerbelastung weiter bzw.
wieder steigen würde, und gerade Spitzenverdiener leich-
ter als alle anderen die Möglichkeit haben, ihre Aktivi-
täten und ihre Einkünfte ins Ausland zu verlagern, und
zwar dorthin, wo sie ganz legal weniger Steuern zahlen.
Schon heute investiert das Ausland viel zu wenig in
Deutschland und Deutsche investieren sehr viel im Aus-
land. Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde
diese Entwicklung weiter verstärken. Dies hätte erheb-
liche Nachteile, nicht zuletzt für den Arbeitsmarkt in
Deutschland. Was sozial klingt, ist nicht immer wirklich
sozial.
Bei der Erbschaftsteuer heißt die Überschrift fast wert-
neutral „reformieren“. Es wird dann Bezug genommen
auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Jahre 1995,
in dem die Unterschiede bei der Bewertung von Grund-
besitz und sonstigem Vermögen im Rahmen der
Erbschaftsbesteuerung als verfassungswidrig bezeichnet
werden. Die Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes
haben wir inzwischen bekanntlich ausräumen können.
Streng genommen geht es der PDS aber um viel mehr,
wenn es zum Beispiel in der Begründung ihres Antrages
heißt:
„Zugleich lässt sie die Chance für eine umfassende
Reform der Erbschaftsbesteuerung verstreichen, die
sich nicht nur auf eine Veränderung von Bewer-
tungsvorschriften beschränken kann ...“.
In der weiteren Begründung wird von „erheblichen Re-
serven in Bezug auf die Erzielung von Mehreinnahmen“
gesprochen.
Auch hier eine grundsätzliche Bemerkung: Marktwirt-
schaft und Erbrecht bedingen einander. Ohne eine ver-
nünftige Erbschaftsregelung ist eine soziale Marktwirt-
schaft nicht denkbar. Schon heute bereitet die
Erbschaftsteuer beim Übergang mittelständischer Firmen
auf die nächste Generation große Probleme. Erb-
schaftsteuer bedeutet Liquiditätsabzug und verringert die
Eigenkapitalquote. Schon heute liegt die Eigenkapital-
quote vieler mittelständischer Firmen bei deutlich unter
10 Prozent bezogen auf die Bilanzsumme, und dies ist
nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Basel II, das heißt
der geplanten Neuordnung der Eigenkapitalunterlegung
für Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Kreditver-
gabe, eine äußerst problematische Situation, da die
Eigenkapitalquote ein wichtiger Parameter für die
zukünftige Eigenkapitalunterlegung sein wird.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes feststellen:
Was wir in Deutschland brauchen, sind Steuersenkungen
und keine Steuererhöhungen, ist eine Reduzierung und
nicht eine Erhöhung der Staatsquote und der Steuerquote
Nur so können wir im internationalen Wettbewerb beste-
hen und den Arbeitsmarkt nachhaltig entlasten.
Alle anderen Fraktionen lehnen die beiden Anträge der
PDS ab, wenn es auch einigen Kollegen bei den Sozial-
demokraten schwer fällt. Die Unionsfraktionen sagen zu
beiden Anträgen aus Überzeugung ein klares Nein.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Beide Anträge der PDS haben in dieser Legislaturperiode
keine politische Relevanz mehr. Ende letzten Jahres wur-
den auf Initiative des Bundesrates die Regelungen zur Be-
wertung des Grundbesitzes für Zwecke der Erb-
schaftsteuer und der Grunderwerbsteuer für weitere fünf
Jahre verlängert.
Damit ist klar, dass die politischen Auseinanderset-
zungen um die Fragen der Bewertung für verschiedene
Vermögensarten wieder auf die Tagesordnung kommen
werden. Ich meine, dass wir bereits in der nächsten Le-
gislaturperiode eine verfassungsgerichtlich feste Bemes-
sungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sowie die Erb-
schaft- und Schenkungsteuer brauchen. Die politische
Vertagung löst das rechtliche Problem der ungleichen Be-
steuerung von verschiedenen Vermögensarten nicht.
Diese Feststellung wird untermauert durch den Be-
schluss des Bundesfinanzhofes vom 24. Oktober 2001:
„Der BFH hält es verfassungsrechtlich für bedenklich, dass
bei Schenken und Erwerben von Todes wegen Betriebsver-
mögen, bebauter Grundbesitz, land- und forstwirtschaftli-
ches Vermögen und nicht notierte Anteile an Kapitalgesell-
schaften im Gegensatz zu anderen Vermögensarten durch
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22701
(C)
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Freibeträge und Bewertungsabschläge erheblich begüns-
tigt werden“, so im „Handelsblatt“ vom 5. Dezember
2001. Am 10. April 2002 wird der BFH nun mündlich
über die Frage verhandeln, ob er die Erbschaftsteuer dem
Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen
wird. Dass er vorlegen wird, gilt als nahezu sicher. Es ist
deshalb zu erwarten, dass die Fragen der Bewertung für
verschiedene Vermögensarten erneut vom BVerfG aufge-
worfen werden. Bereits im Jahre 1995 hat das BVerfG
eine realitätsnähere Bewertung von Immobilienvermögen
annäherungsweise zu Verkehrswerten eingefordert.
Es ist meines Erachtens eine Illusion, zu meinen, ein
verfassungswidriger Zustand könne einfach so beibehal-
ten werden. Ziel der verfassungsgerichtlichen Vorgabe ist
die Einlösung des Grundsatzes der gleichmäßigen Be-
steuerung aller Vermögensarten, die vererbt und ver-
schenkt werden.
Es ist unhaltbar, dass das Grundvermögen in der Regel
nur mit 50 bis 70 Prozent des Verkehrswertes in die Be-
messungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingeht. Ich
würde es deshalb begrüßen, wenn die durch den ange-
sprochenen BFH-Beschluss weiter aufgeworfenen Be-
wertungsfragen einer rechtlich tragfähigen Lösung zuge-
führt werden. Wir wollen eine Vermögensbesteuerung im
Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die den
Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung aller Vermö-
gensarten auch wirklich anwendet. Die Bewertungs-
grundsätze für Immobilienvermögen sind zu ändern, ohne
dass es zu einer Belastung von selbst genutztem Immobi-
lieneigentum, also Gebrauchsvermögen, kommt. Omas
Häuschen soll auch weiterhin steuerfrei die nächste Ge-
neration erreichen! Auch eine Betriebsübergabe an Erben
darf die Fortführung des Betriebes nicht gefährden.
Die Gleichbehandlung unterschiedlicher Vermögens-
arten wird umso offensichtlicher notwendig, wenn be-
kannt ist, wie sich das Bruttovermögen der privaten Haus-
halte zusammensetzt. Es hatte 1997 einen Bestand von
14 Billionen DM. Davon entfielen auf den Immobilien-
bestand im In- und Ausland sowie auf das Gebrauchsver-
mögen 9 Billionen DM oder 62 Prozent. Etwa 38 Prozent,
also den geringeren Anteil, machte das private Geldver-
mögen aus. Dies ist dem Monatsbericht der Deutschen
Bundesbank vom Januar 1999 zu entnehmen.
Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass das
Steuersparen mit einer Geldanlage in Grundvermögen
oder Immobilien als Betriebsvermögen kultiviert wird.
Dass die Rechtsprechung weiter Druck macht, kann ich
nur begrüßen.
Gerhard Schüßler (FDP): Der Antrag der PDS, der
die Wiedererhebung der Vermögensteuer verlangt, zeigt,
dass es immer noch viel zu wenig Grundverständnis für
die soziale Marktwirtschaft gibt. Beklagt werden die Ent-
lastungen bei der Einkommensteuer, gefordert wird staat-
liche Umverteilung. Befürchtet wird der Rückgang staat-
licher Leistungen. Um das zu verhindern, sollen Ein-
kommen- und Vermögensteuer zusammen 60 Prozent der
Summe der Einkünfte betragen. Diese Forderung wider-
spricht nicht nur dem grundgesetzlich gesicherten Schutz
des Eigentums – das Bundesverfassungsgericht hat aus-
drücklich festgelegt, dass das Grundgesetz dem Staat nur
erlaubt, etwa die Hälfte der Einnahmen wegzusteuern –,
sondern belegt darüber hinaus, dass die PDS sich weigert,
einige Fakten zur Kenntnis zu nehmen:
Unser Einkommensteuersystem ist gekennzeichnet
von dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungs-
fähigkeit. Dem entspricht es, dass die 10 Prozent der Bür-
ger mit den höchsten Einkommen mehr als 50 Prozent des
Einkommensteueraufkommens aufbringen. Die 50 Pro-
zent der Bürger mit den geringeren Einkommen, zu deren
Schutzpatron sich die PDS machen möchte, tragen weni-
ger als 10 Prozent zum Steueraufkommen bei. Damit kann
unser Einkommensteuersystem alles in allem schlicht und
einfach nur als gerecht bezeichnet werden.
Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft ist auch die
Freiheit des Einzelnen. Auch das will die PDS nicht wahr-
haben, wenn sie meint der Staat könnte Geld besser inves-
tieren als der einzelne Bürger. Es ist doch aberwitzig zu
unterstellen, wie die PDS es tut, dass erzielte Einkünfte in
der privaten Schatulle bleiben. Tatsache ist doch vielmehr,
dass Kapital wieder investiert wird, sei es in Unterneh-
men, sei es in den Wohnungsbau. Dadurch entsteht Wohn-
raum und es entstehen – das sollte die PDS endlich einmal
zur Kenntnis nehmen – Arbeitsplätze.
Aufgabe des Staates in einer sozialen Marktwirtschaft
ist die Absicherung des Existenzminimums und die
Schaffung von Chancengleichheit für alle. Darunter ist al-
lerdings nicht Gleichmacherei zu verstehen. Investitionen
sollen sich rentieren, Risiko wird belohnt. Das geht aller-
dings nur in einer freien Marktwirtschaft, in der der Staat
nicht für alles zuständig ist und umverteilt.
Zur Vermögensteuer: Ihre Wiedererhebung ist verfas-
sungswidrig, weil sie dem so genannten Halbteilungs-
grundsatz widerspricht. Zudem muss auch die PDS
zur Kenntnis nehmen, dass der Wegfall der Vermögen-
steuer durch eine Anhebung der Erbschaftsteuern und der
Grunderwerbsteuern seinerzeit mehr als kompensiert
wurde. Vermögen tragen also in erheblichem Umfang
zum Steueraufkommen bei. Die FDP ist aus diesem Grund
gegen die Wiedererhebung der Vermögensteuer.
Anlage 9
Amtliche Mitteilungen
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Finanzausschuss
– Zwischenbericht der Enquete-Kommission
Globalisierung derWeltwirtschaft – Herausforderungen
und Antworten
– Drucksache 14/6910 –
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vierzehnter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungs-
förderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222702
(C)
(D)
(A)
(B)
Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge
nach § 21 Abs. 2
– Drucksachen 14/7972, 14/8174 Nr. 2 –
Finanzausschuss
Drucksache 14/7883 Nr. 2.28
Drucksache 14/8081 Nr. 2.15
Drucksache 14/8179 Nr. 2.1
Drucksache 14/8179 Nr. 2.20
Drucksache 14/8179 Nr. 2.25
Drucksache 14/8179 Nr. 2.26
Drucksache 14/8179 Nr. 2.27
Drucksache 14/8179 Nr. 2.62
Ausschuss fürWirtschaft
und Technologie
Drucksache 14/7883 Nr. 2.17
Drucksache 14/8179 Nr. 1.3
Drucksache 14/8179 Nr. 1.5
Drucksache 14/8179 Nr. 2.2
Drucksache 14/8179 Nr. 2.16
Drucksache 14/8179 Nr. 2.35
Drucksache 14/8179 Nr. 2.46
Drucksache 14/8179 Nr. 2.47
Drucksache 14/8179 Nr. 2.51
Drucksache 14/8179 Nr. 2.53
Drucksache 14/8179 Nr. 2.54
Drucksache 14/8179 Nr. 2.59
Drucksache 14/8179 Nr. 2.61
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft
Drucksache 14/7708 Nr. 2.27
Drucksache 14/8179 Nr. 2.52
Drucksache 14/8179 Nr. 2.55
Drucksache 14/8428 Nr. 2.4
Drucksache 14/8428 Nr. 2.17
Drucksache 14/8428 Nr. 2.18
Drucksache 14/8428 Nr. 2.20
Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 14/7409 Nr. 2.2
Drucksache 14/7708 Nr. 2.15
Ausschuss für Tourismus
Drucksache 14/5172 Nr. 2.22
Drucksache 14/6908 Nr. 2.1
Drucksache 14/8081 Nr. 2.20
Drucksache 14/8179 Nr. 2.3
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/7883 Nr. 2.15
Drucksache 14/7883 Nr. 2.24
Drucksache 14/8081 Nr. 2.21
Drucksache 14/8179 Nr. 2.9
Drucksache 14/8179 Nr. 2.28
Drucksache 14/8179 Nr. 2.34
Drucksache 14/8179 Nr. 2.36
Drucksache 14/8179 Nr. 2.37
Drucksache 14/8179 Nr. 2.38
Drucksache 14/8179 Nr. 2.39
Drucksache 14/8179 Nr. 2.40
Drucksache 14/8179 Nr. 2.41
Drucksache 14/8179 Nr. 2.42
Drucksache 14/8179 Nr. 2.43
Drucksache 14/8179 Nr. 2.44
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22703
(C)(A)
Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin