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    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 22597 A Absetzung des Tagesordnungspunktes 20 c 22597 B Tagesordnungspunkt 18: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Kioto-Protokoll in Kraft setzen – Un- sere Verantwortung für globalen Kli- maschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22597 B b) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Vereinbarkeit der Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur Klima- vorsorge mit den flexiblen Instrumen- ten des Kioto-Protokolls sicherstellen (Drucksache 14/8495) . . . . . . . . . . . . . 22597 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Das Kioto-Proto- koll ratifizieren und zum Weltgip- fel 2002 in Johannesburg in Kraft setzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kioto – Bonn – Marrakesch, ein wichtiger Schritt für die interna- tionale Klimapolitik – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gesetz zur Rati- fizierung des Kioto-Protokolls un- verzüglich vorlegen (Drucksachen 14/8026, 14/8028, 14/7450, 14/8582) . . . . . . . . . . . . . . . . 22597 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll von Kioto vom 11. Dezember 1997 zum Rahmen- übereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Kioto-Protokoll) (Drucksachen 14/8250, 14/8581) . . . . . . . 22598 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 22598 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 22600 D Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22602 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 22604 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22606 A Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 22609 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 22610 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 22611 D Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22613 D Tagesordnungspunkt 19: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der Plenarprotokoll 14/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Freitag, den 22. März 2002 I n h a l t : neuen Länder zu dem Antrag der Abge- ordneten Günter Nooke, Friedrich Merz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutschland 2015 – Aufbau Ost als Leitbild für ein modernes Deutschland (Drucksachen 14/6038, 14/8568) . . . . 22615 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Günter Nooke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Uranerzbergbau-Schäden beseitigen (Drucksachen 14/3373, 14/4689) . . . . 22615 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresbe- richt 2001 der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit (Drucksachen 14/6979, 14/8620) . . . . 22615 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 22616 A Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . 22618 C Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22620 A Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22622 C Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 22625 A Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22626 A Rainer Fornahl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22627 C Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 22628 D Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 22630 D Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 22632 D Christian Müller (Zittau) SPD . . . . . . . . . . . . 22634 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Modulationsgesetz) (Drucksachen 14/7252, 14/7812, 14/8190, 14/8630) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22636 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren fürdie Benutzung von Bundes- autobahnen mit schweren Nutzfahrzeu- gen (Drucksachen 14/7013, 14/7087, 14/7822, 14/8189, 14/8631) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22636 C Tagesordnungspunkt 20: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem NATO- geführten Einsatz auf mazedo- nischem Territorium zum Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen im Rahmen der weiteren Implementierung des poli- tischen Rahmenabkommens vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Ersuchens der mazedonischen Regierung vom 8. Februar 2002 und der Resolution Nr. 1371 (2001) des Si- cherheitsrates der Vereinten Natio- nen vom 26. September 2001 (Drucksachen 14/8500, 14/8624, 14/8632) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22636 D b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Stabilisierungs- und Assoziie- rungsabkommen zwischen den Euro- päischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien andererseits (Drucksachen 14/7766, 14/8512) . . . . 22637 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf maze- donischem Territorium zum Einsam- meln und Zerstören der Waffen, die durch die ethnisch albanischen be- waffneten Gruppen freiwillig abgege- ben werden (Drucksachen 14/6830, 14/6835, 14/6838, 14/7534) . . . . . . . . . . . . . . . . 22637 B e) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Ent- schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu dem Antrag der Bundes- regierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf maze- donischem Territorium zum Einsam- meln und Zerstören der Waffen, die durch die ethnisch albanischen be- waffneten Gruppen freiwillig abgege- ben werden (Drucksachen 14/6830, 14/6835, 14/6839, 14/7535) . . . . . . . . . . . . . . . . 22637 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002II Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . 22637 D Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 22639 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22641 B Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 22642 A Hildebrecht Braun (Augsburg) FDP . . . . . . . 22642 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 22644 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 22645 B Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . 22646 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . 22647 D Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 22648 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 22657 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22658 A Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwick- lung des Finanzplatzes Deutschland (Vier- tes Finanzmarktförderungsgesetz) (Drucksachen 14/8017, 14/8600, 14/8601) 22650 C Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22650 D Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 22652 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22654 A Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 22655 A Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 22655 D Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22656 C Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines ... Strafrechts- änderungsgesetzes – Graffiti-Bekämp- fungsgesetz (Drucksache 14/8013) . . . . . . . . . . . . . . . 22660 A Dr. Ulrich Goll, Minister (Baden-Württem- berg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22660 B Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . . . . . . . 22661 D Tagesordnungspunkt 10: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nesGesetzes zur Einführung des Völ- kerstrafgesetzbuches (Drucksache 14/8524) . . . . . . . . . . . . 22663 D b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nesGesetzes zurAusführung des Rö- mischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 (Drucksache 14/8527) . . . . . . . . . . . . 22663 D Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäfti- gung und Schwarzarbeit (Drucksachen 14/8221, 14/8288, 14/8625) 22664 A Tagesordnungspunkt 25: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres und anderer Gesetze (FSJ- Förderungsänderungsgesetz) (Drucksachen 14/7485, 14/8634 – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres und zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen öko- logischen Jahres (Drucksachen 14/5120, 14/8634) 22664 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Gerhard Schüßler, Ina Lenke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutschland braucht gesetzliche Rahmenbedin- gungen für einen allgemeinen Frei- willigendienst (Drucksachen 14/7811, 14/8634) . . . . 22664 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22665 A Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22666 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22668 A Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22668 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22669 A Monika Balt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22670 A Dieter Dzewas SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22670 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 III Tagesordnungspunkt 27: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (Drucksachen 14/7755, 14/8621, 14/8668) 22672 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wasserverbandsgesetzes (Drucksachen 14/8223, 14/8615) . . . . . . . 22672 C Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Joachim Stünker, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung der vorbehaltenen Sicherungs- verwahrung (Drucksache 14/8586) . . . . . . . . . . . . . . . 22673 B Tagesordnungspunkt 29: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Wieder- erhebung der Vermögensteuer (Drucksachen 14/6112, 14/7558) . . . . 22673 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Hei- demarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Erbschafts- besteuerung sofort reformieren (Drucksachen 14/7109, 14/7773) . . . . 22673 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22673 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22675 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 22677 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Bundes- regierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an dem NATO- geführten Einsatz auf mazedonischem Territo- rium zum Schutz von Beobachtern internatio- naler Organisationen im Rahmen der weiteren Implementierung des politischen Rahmenab- kommens vom 13. August 2001 auf der Grund- lage des Ersuchens der mazedonischen Regie- rung vom 8. Februar 2002 und der Resolution Nr. 1371 (2001) des Sicherheitsrates der Ver- einten Nationen vom 26. September 2001 (Ta- gesordnungspunkt 20 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22678 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungs- gesetzes – Graffiti-Bekämpfungsgesetz (... StrÄndG) (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . 22678 C Hermann Bachmaier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 22678 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22679 B Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22679 D Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 22680 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung des Völkerstrafgesetzbuches – des Entwurfs eines Gesetzes zur Aus- führung des Römischen Statuts des Interna- tionalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungspunkt 10 a und b) . . . . . . . . . . 22681 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . 22681 A Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22681 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22683 A Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . 22683 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 22684 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 22684 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichte- rung der Bekämpfung von illegaler Be- schäftigung und Schwarzarbeit (Tages- ordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22685 D Dieter Maaß (Herne) SPD . . . . . . . . . . . . . . 22685 D Anette Kramme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22686 C Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 22687 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002IV Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22689 A Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . 22689 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22690 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes – des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Wasserverbandsgesetzes (Tagesordnungspunkt 27 und Zusatztagesord- nungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22691 C Petra Bierwirth SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22691 C Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 22692 D Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 22693 B Dr. Bärbel Grygier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 22693 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 22694 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (Tagesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . 22695 A Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22695 A Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22695 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22697 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22697 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 22698 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 22699 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und der Berichte zu den Anträgen: – Wiedererhebung der Vermögensteuer – Erbschaftsbesteuerung sofort reformieren (Tagesordnungspunkt 29 a und b) . . . . . . . . . . 22699 D Simone Violka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22699 D Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 22700 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22701 D Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 22702 B Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22702 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 Vizepräsidentin Petra Bläss 22675 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22677 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 22.03.2002 Altmaier, Peter CDU/CSU 22.03.2002 Barthle, Norbert CDU/CSU 22.03.2002 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 22.03.2002 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 22.03.2002 Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.03.2002 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 22.03.2002 Bury, Hans Martin SPD 22.03.2002 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 22.03.2002 Herta Edathy, Sebastian SPD 22.03.2002 Ernstberger, Petra SPD 22.03.2002** Fograscher, Gabriele SPD 22.03.2002 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 22.03.2002 Friedhoff, Paul K. FDP 22.03.2002 Friedrich (Mettmann), SPD 22.03.2002 Lilo Friedrich (Altenburg), SPD 22.03.2002 Peter Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 22.03.2002** Ganseforth, Monika SPD 22.03.2002** Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 22.03.2002 Günther (Plauen), FDP 22.03.2002 Joachim Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 22.03.2002 Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 22.03.2002 Heinrich, Ulrich FDP 22.03.2002 Hempelmann, Rolf SPD 22.03.2002 Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 22.03.2002 DIE GRÜNEN Hinsken, Ernst CDU/CSU 22.03.2002 Dr. Hornhues, CDU/CSU 22.03.2002 Karl-Heinz Dr. Hoyer, Werner FDP 22.03.2002 Irmer, Ulrich FDP 22.03.2002 Kampeter, Steffen CDU/CSU 22.03.2002 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 90/ 22.03.2002** Angelika DIE GRÜNEN Koppelin, Jürgen FDP 22.03.2002 Kutzmutz, Rolf PDS 22.03.2002 Dr. Lamers CDU/CSU 22.03.2002* (Heidelberg), Karl A. Lensing, Werner CDU/CSU 22.03.2002 Lippmann, Heidi PDS 22.03.2002 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 22.03.2002 Erich Dr. Meyer (Ulm), SPD 22.03.2002 Jürgen Michelbach, Hans CDU/CSU 22.03.2002 Mosdorf, Siegmar SPD 22.03.2002 Nolte, Claudia CDU/CSU 22.03.2002 Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ 22.03.2002 DIE GRÜNEN Ostrowski, Christine PDS 22.03.2002 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 22.03.2002 Philipp, Beatrix CDU/CSU 22.03.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 22.03.2002 Raidel, Hans CDU/CSU 22.03.2002** Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 22.03.2002 Roos, Gudrun SPD 22.03.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.03.2002 Schloten, Dieter SPD 22.03.2002** Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 22.03.2002 Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 90/ 22.03.2002 Albert DIE GRÜNEN Schmidt (Fürth), CDU/CSU 22.03.2002 Christian Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.03.2002 Hans Peter entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 22.03.2002 Andreas Schröter, Gisela SPD 22.03.2002 Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 22.03.2002** Schütze (Berlin), CDU/CSU 22.03.2002 Diethard Schuhmann (Delitzsch), SPD 22.03.2002 Richard Schultz (Everswinkel), SPD 22.03.2002 Reinhard Seehofer, Horst CDU/CSU 22.03.2002 Sehn, Marita FDP 22.03.2002 Singhammer, Johannes CDU/CSU 22.03.2002 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.03.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 22.03.2002 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.03.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 22.03.2002 Dr. Thomae, Dieter FDP 22.03.2002 Dr. von Weizsäcker, SPD 22.03.2002 Ernst Ulrich Welt, Jochen SPD 22.03.2002 Wieczorek-Zeul, SPD 22.03.2002 Heidemarie Wittlich, Werner CDU/CSU 22.03.2002 Wolf, Aribert CDU/CSU 22.03.2002 Dr. Wolf, Winfried PDS 22.03.2002 Zapf, Uta SPD 22.03.2002 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO ** für die Teilnahme an der 107. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedoni- schem Territorium zum Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen im Rahmen der weiteren Implementierung des politischen Rah- menabkommens vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Ersuchens der mazedonischen Regierung vom 8. Februar 2002 und der Resolu- tion Nr. 1371 (2001) des Sicherheitsrates derVer- einten Nationen vom 26. September 2001 (Tages- ordnungspunkt 20 a) Dem Antrag auf Verlängerung des Bundeswehreinsat- zes in Mazedonien stimme ich zu. Durch eigenen Ein- druck vor Ort bin ich der festen Überzeugung, dass dieser Einsatz deutlich länger dauert. Deswegen sollte die Re- gierung mit der mazedonischen Regierung Gespräche führen, um die Einsatzdauer nicht immer um drei Monate zu verlängern. Dies wäre nicht nur für die Planung der be- teiligten Länder, sondern insbesondere auch für die per- sönlichen Planungen der dort jeweils stationierten Solda- ten wichtig. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines ... Strafrechts- änderungsgesetzes – Graffiti-Bekämpfungsge- setz (... StrÄndG) (Tagesordnungspunkt 22) Hermann Bachmaier (SPD): Seit Jahren beschäfti- gen wir uns mit der Frage, welche Mittel wohl am geeig- netsten sein könnten, den rechtswidrigen Graffitiaktivitä- ten zu begegnen. Wer hätte kein Verständnis für den Ärger von Privatleuten, seien sie Eigentümer oder Mieter, deren, Gebäude beschmiert worden sind! Aber auch die Deut- sche Bahn, kommunale Verkehrsunternehmen, die öffent- liche Hand und überhaupt wir alle sind die Geschädigten, wenn man Brücken, Unterführungen, Bushaltestellen, Wartehäuschen, Schulen, Behörden, Züge und Straßen- bahnen unter der Graffitibemalung fast nicht mehr wieder erkennt. Immer wieder haben wir hier im Bundestag und in den dafür zuständigen Fachausschüssen darüber beraten, weiche Mittel wohl am ehesten geeignet sind, den ärger- lichen und illegalen Graffitiaktivitäten zu begegnen. Lange Zeit hielt es ein Teil des Hauses und der Länder für sinnvoll und richtig, mit der Aufnahme des Verunstal- tungsbegriffes entweder in den Tatbestand der Sachbe- schädigung oder in einen eigenständigen Bußgeldtatbe- stand den unliebsamen Sprayereien zu begegnen. Pate gestanden hat dabei natürlich der Glaube, dass man Miss- liebigem am besten dadurch begegnet, dass man das Straf- gesetzbuch ändert. Die Frage, ob dadurch wirklich Ab- hilfe geschaffen wird oder nicht, interessiert dabei meist wenig. Vor allem wurde nicht berücksichtigt, dass Graffiti be- reits strafbar ist. Selbstverständlich liegt eine Sachbe- schädigung vor, wenn Farbaufträge aufgebracht werden, die man nicht entfernen kann, ohne dass man den Unter- grund beschädigt. Das ist bei Graffiti in aller Regel der Fall. Diese Sachbeschädigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Nur in wenigen Fällen kann es einmal zu einer stritti- gen Sachfrage werden, ob eine Substanzverletzung im Sinne des Sachbeschädigungstatbestandes vorliegt oder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222678 (C) (D) (A) (B) nicht. Dann müssen Gutachter eingeschaltet werden. Ich betone aber: Das ist nicht der Normalfall. Der Regelfall ist, dass Graffitisprayer meistens ohne, manchmal auch mit Gutachten verurteilt werden. Das Problem ist also nicht, dass ermittelte Sprayer nicht verurteilt werden kön- nen. Das Problem ist doch in Wahrheit, dass die Sprayer nur selten ermittelt werden. Und daran werden wir mit ei- ner anderen Formulierung des Sachbeschädigungstatbe- standes kaum etwas ändern. Hätte man, wie dies früher immer gefordert wurde, den Straftatbestand der Sachbeschädigung um so genannte Verunstaltungen erweitert, wären übrigens die Probleme nicht geringer geworden. Vielmehr wären weitere Ausle- gungsprobleme entstanden Dieser schillernde und unbe- stimmte Rechtsbegriff hätte dazu geführt, dass Polizei, Beamte, Staatsanwälte und Richter in Zukunft auch noch darüber zu entscheiden gehabt hätten, ob Graffiti an einer Gebäudewand oder einem Eisenbahnwagen verunstalten- der Natur ist oder nicht. Deshalb ist es schon ein Fortschritt, wenn in dem jetzi- gen Antrag des Bundesrates von Verunstaltung nicht mehr die Rede ist. ist sicherlich hilfreich, dass ausschließlich darauf abgehoben wird, ob eine nicht unerhebliche Ver- änderung des Erscheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers oder sonst Berechtigten vorliegt oder nicht. Sicher bringt aber auch die Abgrenzung einer erheblichen von einer unerheblichen Veränderung Auslegungspro- bleme mit sich. Insgesamt halte ich die jetzt vorgelegte Fassung des Straftatbestandes für weniger problematisch als die bishe- rigen Vorschläge. An dem Problem Graffiti werden wir aber auch durch eine Erweiterung des Straftatbestandes der Sachbeschädigung wenig ändern. Die jugendlichen Sprayer wissen auch heute schon, dass sie sich in aller Re- gel strafbar machen. Nicht umsonst verrichten sie ihr Werk im Verborgenen und häufig zu nachtschlafender Zeit. An eine größere Abschreckungswirkung glaube ich nicht – und Sie, wenn Sie ehrlich sind, auch nicht. Wir brauchen Prävention, wir brauchen verstärkte Auf- klärung der Fälle; die Täter müssen tatsächlich gefasst werden; wir brauchen sicherlich auch eine schnelle und sinnvolle strafrechtliche Reaktion und soweit möglich auch zivilrechtlichen Schadensersatz für die Geschädig- ten. Wir werden den mit großer Mehrheit beschlossenen Gesetzesantrag des Bundesrates ernsthaft beraten. Wir alle sollten uns allerdings davor hüten, den Eindruck zu erwecken, als könnten wir durch eine entsprechende Er- weiterung des Straftatbestandes der Sachbeschädigung unliebsame Graffiti aus der Welt schaffen. Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das un- erlaubte Beschmieren und Verschandeln von Häuserwän- den mit so genannten Graffitis ist selten Kunst und meis- tens auch nicht schön. Aber: Es ist immer strafbar und mit schmerzhaften Sanktionen für die Betroffenen verbun- den! Eine Ausweitung des Strafrechts ist deshalb nicht an- gezeigt! Unsere Rechtslage spricht da schon eine eindeu- tige Strafe. Das wissen übrigens auch die Sprayer: Fragen Sie doch einmal die Jugendlichen. Die wissen doch alle, dass ihr Tun nicht legal ist. Deshalb finden auch die meis- ten Spray-Aktionen in der Nacht statt – weil den Kids be- wusst ist, dass das, was sie da tun, prinzipiell verboten ist und man sich dabei lieber nicht erwischen lässt. Bedauerlicherweise diskutieren wir heute bereits zum wiederholten Male in dieser Legislaturperiode eine Straf- rechtsänderung wegen Graffitis. Zuletzt ging es ums „Verunstalten“. Jetzt geht es um einen Passus, der eigent- lich eher die zivilrechtliche Situation zum Ausdruck bringt. Aber genügt dieser Passus überhaupt dem straf- rechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz? Was bedeutet denn eine „nicht unerhebliche Veränderung des Erscheinungs- bildes“? Fällt darunter auch eine Verpackung oder das Plakatieren, selbst wenn man den Originalzustand ohne bleibende Schäden mit Leichtigkeit wieder entfernen könnte? Das geht sicher zu weit. Beim Graffiti ist unsere Rechtslage eindeutig. Graffiti, das sich nicht mal eben mit dem Taschentuch wegwischen lässt, führt zu einer Substanzverletzung und damit zu ei- ner Sachbeschädigung. Denn Farbsubstanzen aus Sprüh- dosen wirken derart massiv auf den Untergrund ein, dass es regelmäßig besonderer Lösungsmittel bedarf, um die aufgesprühte Farbe zu beseitigen. Der 3. Strafsenat des BGH (in Bd. 41, S.55) bejaht ohne ein Wort des Zweifels bei Farbsprühaktionen eine Sachbeschädigung. Ausge- nommen von einer Strafbarkeit werden lediglich völlig unerhebliche Beeinträchtigungen, deren Beseitigung üb- licherweise überhaupt unterbleibt oder ohne ins Gewicht fallenden Aufwand möglich wäre. Hierfür besteht aber zu Recht kein Strafbedürfnis. Aber das Strafrecht ist gar nicht das Wichtigste: Nachhaltig spürbarer sind die zivil- rechtlichen Schadensersatzansprüche, die den Betroffe- nen drohen. Wer sich beim Sprühen erwischen lässt, für den wird’s definitiv teuer, wenn er die Regressansprüche der Ei- gentümer begleichen muss. Machen Sie sich keine Illusionen: Diese kosmetische Änderung im Strafgesetz führt nicht dazu, dass sich die Sprayer nicht mehr mit ihrer Sprühdose nachts auf die Pirsch durch den Kiez begeben. Wer das glaubt, verfällt dem alten Irrtum, dass mehr Strafrecht und höhere Strafen die Leute immer von ihren Schandtaten abhalten würden. Nein, in präventiver Hinsicht ist dieses Gesetz wirkungslos. Es ist eine Luftnummer, weiße Salbe. Solche Gesetze eignen sich allenfalls dazu, den ordnungsliebenden Bürgerinnen und Bürgern etwas vorzugaukeln. Das aber ist unseriös! Das Problem bei der Graffitischmiererei ist nicht die zu milde oder fehlende Sanktionierung, sondern das schwie- rige Habhaftwerden der Täter. Hier muss man ansetzen. Mehr Polizeipräsenz nachts auf den Straßen und öfter mal ein wachsames Auge helfen hier mehr als die plumpe Strafrechtskeule. Sabine Jünger (PDS): Mir fallen wirklich viele Dinge ein, über die man hier einmal debattieren könnte und sollte. Warum wir uns heute allerdings schon wieder mit Graffiti bzw. mit der Strafverschärfung für Graffiti- sprühen beschäftigen sollen, mag mir nicht so ganz ein- leuchten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22679 (C) (D) (A) (B) Wir haben zu diesem Thema in dieser Legislaturperi- ode schon diverse Initiativen von konservativer Seite be- handelt. Sie sind von uns – und auch von den Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – im- mer mit den besseren Argumenten zurückgewiesen wor- den. Was also soll dieser neue Versuch, junge Menschen zu kriminalisieren? Weil ich ein geduldiger Mensch und zudem eine An- hängerin der Aufklärung bin, erkläre ich den Kolleginnen und Kollegen zur Rechten und hier links hinter mir gerne noch einmal, warum auch ihre neue Initiative keinen Sinn macht. Sprayer sind größtenteils männliche Jugendliche zwi- schen 12 und 18. Wenn sie beim Sprühen erwischt wer- den, dann hat das jetzt schon heftige Folgen für sie: Wem ein oder mehrere Graffiti nachgewiesen werden können, der muss – auch heute schon – mit deutlichen Konse- quenzen rechnen. Das heißt in der Regel richterliche Er- mahnung, Freizeitarbeiten oder Freizeitarrest. Hinzu kommen Verhöre, Hausdurchsuchungen und der vorpro- grammierte Ärger mit den Eltern, die Beseitigung der Graffiti, die persönliche Haftung für den Schaden und da- mit ein Schuldenberg. Je nach Sachlage gibt es oben drauf noch eine Anklage wegen Sachbeschädigung. Was also soll mit einer Strafverschärfung erreicht werden? Noch drakonischere Strafen bis hin zum Knast? Bei allem Res- pekt: Einige in diesem Hause und auch im Bundesrat soll- ten sich vor Augen führen, dass es bei diesem Thema im Wesentlichen um Jugendliche geht, anstatt hier weiterhin die selbst ernannten Rächer der Häuslebauer zu geben. Unsere Gesellschaft tut sich äußerst schwer damit, Kinder und Jugendliche als eigenständige Wesen zu be- greifen und ihnen eigene Rechte zuzugestehen. Man hört Kindern und Jugendlichen nicht zu und man nimmt sie nicht ernst. Sie dürfen nicht wählen und ihr Mitsprache- recht in Schulen oder in weiten Teilen der Jugendhilfe ist ein Lacher. Hier wäre ein weites Feld zu beackern, sowohl im Bundesrat als auch hier im Hause. Wer das Wahlalter nicht senken will und Jugendliche von wesentlichen Entscheidungen ausschließt, wer Mit- bestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche sogar noch einschränkt, wer Kinder und Jugendliche in politische und ästhetische Schablonen zwängt und deren möglichst effektive Anpassung fordert, der muss schon damit leben können, wenn ihm die eine oder andere poli- tische oder ästhetische Meinungsäußerung dauerhaft von Häuserwänden oder Bahnwaggons entgegenspringt. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Der Gesetzentwurf betrifft ein Problemfeld, das uns vor einiger Zeit schon einmal im Be- reich der Gesetzgebung beschäftigt hat. Ich meine die Ge- setzesinitiativen des Bundesrates, der CDU/CSU und der FDP aus dem Jahre 1999. Wie die damaligen Vorschläge zielt auch der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf des Bundesrates darauf ab, insbesondere Graffitischmiere- reien und wildes Plakatieren auch dann unter Strafe zu stellen, wenn sie lediglich den Zustand oder das Erschei- nungsbild von Sachen verändern, nicht aber deren Sub- stanz verletzen. Tagtäglich werden wir mit Farbschmierereien und Graffiti konfrontiert, deren Ausmaß zum Teil unerträglich geworden ist. Private und öffentliche Gebäude, Brücken, S-Bahn-Waggons, Straßenbahnwagen sind übersät von Farbschmierereien und eventuell interessanten, aber von den Eigentümern und anderen Berechtigten nicht gewoll- ten Graffitis. Die Schäden für die Betroffenen sind in der Summe gewaltig. Angesichts dieses Befundes stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Sanktionen ausreichen. Oder haben die Ge- gebenheiten inzwischen eine Entwicklung genommen, die nun vielleicht doch eine Reaktion im Bereich der Ge- setzgebung erfordert? Zu der Frage, ob und gegebenen- falls unter welchen Voraussetzungen nach geltendem Recht das Anbringen von Graffitischmierereien oder das wilde Plakatieren als Sachbeschädigung oder gemein- schädliche Sachbeschädigung strafbar ist, bestehen nach wie vor unterschiedliche Rechtsauffassungen. Eine dem Gestaltungswillen des Eigentümers zuwider- laufende bloße Veränderung der äußeren Erscheinung und Form einer Sache reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich allein grundsätzlich nicht aus, um den Tatbestand der Sachbeschädigung zu begrün- den. Die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit einer Sache muss beeinträchtigt oder deren Substanz in einem ins Ge- wicht fallenden Umfang verletzt sein. Wird die Substanz der Sache durch den rechtswidrigen Eingriff derart in Mit- leidenschaft gezogen, dass eine Reinigung zwangsläufig zu deren Beschädigung führt, liegt ebenfalls eine Sachbe- schädigung vor. Das mit dieser Konstellation verbundene Problem für die Strafverfolgung kennen wir: Ermittlungs- aufwand und -kosten sind nicht gerade gering. In der gerichtlichen Praxis wird aber auch die Rechts- auffassung vertreten, dass unter bestimmten Vorausset- zungen schon eine Veränderung des Erscheinungsbildes einer Sache, die den Gestaltungswillen des Eigentümers beeinträchtigt, als Sachbeschädigung gewertet werden kann. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sehe ich mit dem Gesetzentwurf die Möglichkeit, nochmals das Für und Wider etwaiger gesetzgeberischer Maßnahmen zu prüfen. Ich begrüße deshalb den Beschluss des Rechtsausschus- ses, zu dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Sachver- ständigenanhörung durchzuführen. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung in ihrer Stel- lungnahme zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass dem Begriff der nicht unerheblichen Veränderung des Er- scheinungsbildes gegen den Willen des Eigentümers oder sonst Berechtigten aus strafrechtlicher Sicht durchgrei- fende Bedenken nicht begegnen. Es wäre zu prüfen, in- wieweit die Rechtslage klargestellt wird, die Rechtsan- wendung erleichtert und damit die Rechtssicherheit auf diesem Gebiet verbessert werden könnten. In einem Punkt weiß ich mich einig mit Ihnen: Wir ha- ben zu beachten, dass Akteure des Graffitifarbsprühens vor allem Jugendliche und Heranwachsende sind. Diesem Phänomen dürfen wir vor allem auch deshalb weder aus- schließlich noch in erster Linie mit den Mitteln des Straf- rechts begegnen. Wie sowohl im Gesetzentwurf als auch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222680 (C) (D) (A) (B) in der Stellungnahme der Bundesregierung hervorgeho- ben wird, kommt den Maßnahmen der Prävention eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, wenn es gelingen soll, das unbefugte Bemalen, Besprühen und Beschmie- ren von Sachen einzudämmen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches – des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Staus des Internationalen Strafgerichts- hofes vom 17. Juli 1998 (Tagesordnungspunkt 10 a und b) Margot von Renesse (SPD): Der gerade abgeschlos- sene Tagesordnungspunkt hat uns eine ausführliche Be- schäftigung mit Straftaten beschert, die ganz offensicht- lich unsere Bevölkerung in helle Aufregung versetzen und deren mangelhafte Verfolgung ihr Vertrauen in die Durch- setzung des Rechts erheblich erschüttert. Ich spreche vom Unwesen der Graffiti-Schmierereien. Nun aber soll die Rede sein von Straftaten von solch unglaublicher Grau- samkeit, von solch massenhafter todbringender Wucht, dass die Sprache eigentlich keine Worte hat, um ihnen ge- recht zu werden, die aber gleichwohl in ihrer Bedeutung zu verblassen scheinen, je weiter wir von den Orten ihrer Begehung entfernt sind: von Völkermord, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, von Kriegsverbrechen. „Bei uns kann so etwas nicht passieren. So etwas gibt es nur auf dem Balkan, dem ja alles zuzutrauen ist, oder den Ländern, wo extreme Armut jede Brutalität beim Kampf um die eigene Existenzsicherung begünstigt.“ So einfach können wir es uns nicht machen, wenn wir nur ehrlich un- sere eigene deutsche Vergangenheit befragen und die Erin- nerung beschwören, die heute noch unter uns Lebende be- zeugen können. Auch ein Volk wie das unsere mit einer gebildeten Elite, mit einer großen Kultur und bewunderns- werten Leistungen auf jedem geistigem Gebiet stürzte sich kopfüber in den Abgrund bis dahin noch nicht da gewese- ner Verbrechen. Wer, wenn nicht wir, sollte darum wissen, wie leicht Menschen in Versuchung geraten, Macht dann am meisten zu genießen, wenn sie groß genug ist, um an- dere umgestraft quälen und vernichten zu können? Es ist also nicht nur aus formalen Gründen gut und richtig, dass wir unseren Beitrag zum Aufbau einer inter- nationalen Strafrechtspflege mit Weltrechtsprinzip durch die Aufnahme der inzwischen überall als schwerste Straftaten anerkannten Grausamkeiten in unser nationales Recht leisten und damit zum Ausdruck bringen, dass wir unsere eigenen Staatsbürger auf dieses Recht verpflich- ten. Bei uns soll auch niemand Unterschlupf finden, der sich vor der Gerechtigkeit zu verbergen versucht. Als ich vor gut zwei Jahren mit dem Kollegen Hartenbach und der Kollegin Lilo Friedrich beim Interna- tionalen Strafgerichtshof in Tansania war, gehörte für mich zu den stärksten Eindrücken, dass die dortige be- scheidene Bibliothek eine vollständige Dokumentation der Nürnberger Prozesse aufwies und die Urteile über die Gräueltaten, die sich in Ruanda ereignet hatten, gespickt waren mit Zitaten aus den damaligen Entscheidungen zum Dritten Reich. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden die ersten Ansätze einer internationalen Ge- richtsbarkeit, vor der sich die ehemaligen deutschen und die japanischen Machthaber zu verantworten hatten. Die Hoffnung, dass mit ihrer Entmachtung, der Grün- dung der UNO sowie hochherzigen Erklärungen zur Gel- tung der Menschenrechte ein für alle mal Schluss sein werde mit Untaten dieser Größenordnung, hat sich nicht erfüllt. Ja, wir mussten erleben, dass die Sicherheit eines Verbrechers davor, zur Rechenschaft gezogen zu werden, mit Umfang und Ausmaß seines Verbrechens eher zu- nahm. Die internationalen Gerichtshöfe in Tansania und den Niederlanden entwickeln nun endlich weiter, was mit den Nürnberger Prozessen begonnen hatte: ein internatio- nales Recht mit dem Anspruch, weltweit zu gelten. Es sind die Verbrechen der Machteliten, die bei dem vorliegenden Gesetzentwurf gemeint sind. Nur sie, die in kleinen oder größeren Regionen die Möglichkeit haben, Mehrheiten gegen Minderheiten zu hetzen, Milizen zu or- ganisieren, größere Haufen zu bewaffnen, vor allem mit den so gefährlichen Kleinwaffen, können die Gräueltaten begehen, von denen in diesem Gesetzentwurf die Rede ist. Massenmord, planmäßige und massenhafte Vergewalti- gungen, Folter und Erniedrigung jeder Art werden gezielt zur Vernichtung der zu Feinden erklärten Mitmenschen eingesetzt, denen das Menschsein abgesprochen wird. Tä- ter im Sinne dieses Gesetzentwurfs sind diejenigen, die den Hass schüren, die Waffenlieferungen organisieren, den Blutrausch für die Erhaltung ihrer Macht ausnutzen. Hier geht es nicht um den kleinen Einzeltäter, der seine In- strumentalisierung nicht wahrnimmt, sondern um die Drahtzieher, die Kommandanten, die regionalen Fürsten, die eigentlichen Nutznießer solcher kollektiven Aus- brüche. Nirgends auf der Welt sollen sie mehr sicher sein. Wir wollen – nicht zuletzt aus historischer Verant- wortung – bei diesem wichtigen internationalen Projekt zur Durchsetzung des Rechts nicht zurückstehen. Wir werden im Bundestag, in den Ausschüssen, genau zu beraten haben, ob die Tatbestände richtig gefasst wur- den, ob sie all das enthalten, was zu den drei großen Grup- pen von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehört. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir angesichts der bereits ergangenen Entscheidungen zu Ruanda und Jugoslawien noch das eine oder das andere zu ergänzen haben. So wie diese bei- den noch arbeitenden internationalen Gerichte sich auf die Urteile von Nürnberg und Tokio gestützt haben, wer- den wir die Weiterentwicklung des internationalen Straf- rechts einbeziehen müssen, die sich inzwischen ereignet hat. Ich bin sicher, dass alle Fraktionen dieses Hauses diese Aufgabe im Bewusstsein unserer gemeinsamen Ver- antwortung erfüllen werden. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Lassen Sie mich zu Beginn eines feststellen: Der Entwurf eines Gesetzes Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22681 (C) (D) (A) (B) zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und der Ent- wurf eines Gesetzes zur Ausführung des Römischen Sta- tuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 verdienen – vorbehaltlich einer Detailprüfung – nicht nur von der Zielsetzung, sondern auch von der in- haltlichen Umsetzung her die volle Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der menschenverachtende Terrorakt des 11. Septem- ber hat uns allen die Notwendigkeit, den Prozess der Er- richtung des Internationalen Strafgerichtshofes weiter zielstrebig fortzusetzen, noch einmal deutlich vor Augen geführt. Gleichwohl sind die beiden Gesetzesvorhaben nicht nur Antwort auf die Ereignisse des 11. September. Sie haben ihre Wurzeln in der erfolgreichen und konse- quenten Außen- und Justizpolitik der Vorgängerregie- rung. Die jetzige Regierung hat gut daran getan, die von der Regierung Kohl angestoßene und mit großem Nach- druck betriebene Entwicklung hin zu einer internationa- len Gerichtsbarkeit, die die kardinale und stets beklagte Schwäche des Völkerrechts, seine mangelnde Durchset- zungskraft, überwinden soll, weiter voranzutreiben. Mit der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und der ent- sprechenden Begleitgesetze bewegen wir uns einen wei- teren großen Schritt auf dieses Ziel zu. Ich glaube, es spricht für Deutschland und für deutsche Politik, dass wir diesen Weg in diesem Haus – jenseits aller innen- und rechtspolitischen Meinungsverschiedenheiten – immer gemeinsam im Konsens beschritten haben. Es ist sehr po- sitiv, dass wir bei solchen Kernfragen der nationalen und internationalen Politik Übereinstimmung haben. Dies galt in der Vergangenheit für die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes und die Än- derung des Art. 16 Abs. 2 unserer Verfassung und dies gilt auch jetzt für die Einführung des Völkerstrafgesetzbu- ches. Wir nehmen damit nicht nur an einer historischen Entwicklung teil, sondern fördern diese aktiv durch das gute Beispiel Deutschlands. Die Einführung eines Völkerstrafgesetzbuches erfüllt in erster Linie vier eminent wichtige Funktionen: Erstens. Die völkerstrafrechtlichen Normen werden in deutsches Recht transformiert. Hierdurch wird eine deut- sche Strafverfolgung auf Grundlage dieser Normen über- haupt erst möglich gemacht. Zweitens. Strafbarkeits-, Strafzumessungs- und Straf- anwendungslücken werden beseitigt. Auf diese Weise wird eine umfassende und adäquate Bestrafung sämtli- cher Straftatbestände des Statuts unter Erfassung des spe- zifisch völkerrechtlichen Unrechtsgehaltes sichergestellt, die das deutsche Strafrecht bislang nicht leisten kann. Drittens. Mit der Entscheidung gegen Detailerweite- rungen innerhalb des geltenden Strafrechts und für ein weitgehend eigenständiges Regelwerk wird die Rolle des Völkerstrafrechts gegenüber dem allgemeinen Strafrecht verdeutlicht und dessen herausragende Bedeutung für Si- cherheit und Frieden in der Weltgemeinschaft betont. Viertens. Mit Blick auf den Grundsatz der Komple- mentarität, also der Nachrangigkeit der Verfolgung der völkerrechtlichen Straftatbestände durch den Internatio- nalen Strafgerichtshof gegenüber der Verfolgung in den Unterzeichnerstaaten des Statuts, wird eine nahezu deckungsgleiche Verfolgbarkeit in Deutschland herge- stellt. Wo diese Lücken aufweist, liegt dies in der not- wendigen Achtung des Bestimmtheitsgrundsatzes des Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes sowie der dem Inhalt des Statuts als internationalem Kompromiss und Aus- gleich zwischen verschiedenen Rechtsordnungen inne- wohnenden Besonderheiten begründet. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Rö- mischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 17. Juli 1998 flankiert diese erfreuliche Entwick- lung, indem er die Zusammenarbeit zwischen Deutsch- land und dem Internationalen Strafgerichtshof als Voraus- setzung für dessen effiziente Arbeit dezidiert und zusammenhängend regelt. Ich möchte keine Prognose wagen, wie viele Völker- rechtsverbrechen auf Grundlage dieses neu geschaffenen Rechts in Zukunft tatsächlich vor deutschen Strafgerich- ten Verfolgung finden werden. Aber selbst dann, wenn es kein einziges sein sollte, ändert das nichts an der heraus- ragenden Bedeutung dieses Vorhabens für eine gerechte Weltordnung. Denn entscheidend ist bereits die zweifache Signalwirkung, die von dessen Verwirklichung ausgehen wird. Das erste Signal richtet sich an die Staaten, die das Statut noch nicht ratifiziert oder die Voraussetzungen für eine innerstaatliche Verfolgung noch nicht geschaffen ha- ben und wird diese motivieren, es uns gleich zu tun. Das zweite Signal richtet sich an die potenziellen Täter und macht unmissverständlich deutlich: Die Weltgemein- schaft wird Verstößen gegen das Völkerrecht nicht taten- los zuschauen oder diese tolerieren. Wir haben den Willen und das Instrumentarium, diese Verbrechen zu verfolgen. Wer die Regeln des Völkerrechts missachtet, treibt sich selbst in die Isolation und wird – egal, ob in einem Unter- zeichnerstaat oder vor dem Internationalen Strafgerichts- hof – für seine Verbrechen bestraft werden. Heute ist nicht der rechte Zeitpunkt, Kritik an einzel- nen Regelungen der Gesetzentwürfe zu üben. Sicher ist bei dem einen oder anderen Tatbestand fraglich, ob er dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes genügt. Lassen Sie mich hier beispielhaft nur § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Ent- wurfes nennen. Andere Fragen – wie beispielsweise die Behandlung ehemaliger Mitglieder ausländischer Regie- rungen, die schwerste Völkerrechtsverbrechen begangen haben – sind aus meiner Sicht offen geblieben. Ich bin al- lerdings überzeugt, dass es im parlamentarischen Verfah- ren gelingen wird, die vorhandenen Schwächen der Ent- würfe zu beseitigen. Mit der Einführung des Völkerstrafgesetzbuches und der entsprechenden Begleitgesetze wird Deutschland ei- nen weiteren maßgeblichen Beitrag zur weltweiten Ächtung, Verfolgung und Bestrafung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsver- brechen leisten und das Römische Statut des Internatio- nalen Strafgerichtshofes nach dessen Ratifizierung und der Änderung des Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes wei- ter mit Leben füllen. Sicherheit und Frieden für eine im- mer enger zusammenwachsende Welt sind unser gemein- sames Anliegen. Dessen Realisierung findet heute und in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222682 (C) (D) (A) (B) Zukunft die volle Unterstützung der CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion. Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute ist ein guter Tag: Nachdem Politik und Diplomatie auf der internationalen Ebene erfolgreich für die Zeich- nung des Römischen Statuts gekämpft haben und Deutschland es am 11. Dezember 2000 ratifiziert hat, kön- nen wir heute in erster Lesung über den Entwurf der Bun- desregierung zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes und über das neue Völ- kerstrafgesetzbuch beraten. Mit Letzterem geben wir uns eines der modernsten Völkerstrafgesetzbücher der Welt und haben eine über- zeugende innerstaatliche Ergänzung des Römischen Sta- tuts. Das Völkerstrafgesetzbuch wird es uns ermöglichen, schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch in Deutschland strafrechtlich zu verfolgen. Bislang unterliegen der deutschen Gerichtsbarkeit nur Straftaten, die innerhalb Deutschlands gegen deutsches Recht begangen wurden oder die ein deutscher Staatsan- gehöriger im Ausland begeht und sowohl nach deutschem als auch nach dem dortigen Recht strafbar ist. Das wird jetzt anders: Für schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht gilt künftig das Weltrechtsprinzip. Weder muss der Täter Deutscher sein oder hier leben, noch muss die Tat in Deutschland begangen worden sein. Kofi Annan sagte Ende Februar hier vor diesem Haus, dass es nur wenige Nationen gebe, die bessere historische Gründe als die Deutschen hätten, sich für die Sache des Friedens zu engagieren. Er hat Recht. Deshalb begrüße ich es sehr, dass wir uns mit den Gesetzentwürfen so kon- sequent für die Verfolgung von schwersten Menschheits- verbrechen einsetzen. Mitte Februar wurden manche Menschenrechtler von einem Urteil des Internationalen, Gerichtshofs schwer enttäuscht: Im Streit zwischen Belgien und dem Kongo hat der Internationale Gerichtshof entschieden, dass ein belgisches Gericht keinen Haftbefehl gegen den früheren kongolesischen Außenminister wegen Völkermords an den Tutsi erlassen durfte. Heißt das, dass Staatschefs und Minister nicht verfolgt werden dürfen, dass gerade die Haupttäter straffrei ausge- hen? Macht Macht immun? Nein, nicht mehr und immer weniger! Zwar dürfen Einzelstaaten nicht über Mitglieder eines anderen Staates richten, internationale Strafgerichte hingegen sehr wohl. Hierfür spricht auch einiges. Denn die Strafverfolgung von Staatschefs oder Ministern eines souveränen Staats durch einen anderen Einzelstaat kann leicht als Miss- brauch verstanden werden. Außenpolitisch und diploma- tisch könnte es als hegemoniales Signal missverstanden werden, wenn der politischen Elite der Dritten Welt vor europäischen Gerichten der Prozess gemacht wird. Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören vor ein von den VN legitimiertes Strafgericht. Deswegen wird der internationale Strafgerichtshof so dringend gebraucht. Das wissen wir nicht erst seit dem 11. September. Die schrecklichen Verbrechen in Ruanda und Exjugoslawien wurden zwar mit VN-Sondertribunalen beantwortet. Aber bisher fehlte auf die meisten furchtbaren Verbrechen eine allgemeine Antwort der Staatengemeinschaft. Ein Bei- spiel hierfür ist das Scheitern der Verhandlungen im Fe- bruar zwischen Kambodscha und den Vereinten Nationen um ein Tribunal gegen die Roten Khmer. Ein Internationaler Strafgerichtshof ist überfällig. Aber selbst wenn er – aller Voraussicht nach – nächstes Jahr seine Arbeit aufnehmen wird, sind damit nicht alle Pro- bleme aus dem Weg geräumt. Erstens wird seine Wirk- samkeit auf die Vertragsstaaten beschränkt bleiben. Zwei- tens fehlt eine wesentliche Komponente eines Straf- gerichts: eine zuarbeitende eigene Polizeieinheit. Wie problematisch Gefangennahmen und Überstellungen von Tätern an ein Weltgericht sind, hat uns gerade in jüngster Zeit das Jugoslawien-Tribunal wieder vor Augen geführt. Es ist deshalb regelrecht tragisch, wenn die USA bis- lang die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs nicht unterstützen. Der Internationale Strafgerichtshofs wird aber auf die universelle Anerkennung angewiesen sein. Noch hat er diese Unterstützung nicht, im Gegenteil. Deswegen möchte ich unsere amerikanischen Partner von dieser Stelle aus nochmals auffordern: Helfen Sie mit, die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen weiter voranzubringen! Ich spreche mit Sicherheit im Namen vieler Frauen, wenn ich sage, dass es sich lohnt, sich für die Weiterent- wicklung des Völkerrechts einzusetzen: Zum ersten Mal in der Geschichte des Völkerrechts werden Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und erzwungene Schwangerschaften als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbre- chen anerkannt und im Statut des Internationalen Strafge- richtshofs einzeln aufgeführt. Angesichts der Gräueltaten auf dem Balkan ist das eine späte Genugtuung für viele Frauen und ein wirklicher Durchbruch in der weltweiten Anerkennung der Menschenrechte von Frauen. Das Auswärtige Amt hat nicht nur bei den schwierigen und zähen Verhandlungen um das Römische Statut großartige Arbeit geleistet. Es setzt diese fort und startet bereits Initiativen, um viele potenzielle deutsche Bewer- berinnen und Bewerben auf Stellenmöglichkeiten ab nächstem Jahr in Den Haag aufmerksam zu machen. Mit dem Völkerstrafgesetzbuch knüpfen wir das Netz enger, um der Menschenrechtspolitik nicht nur mit wohl- klingenden Reden, sondern mit effektiven Instrumenten zur Durchsetzung zu verhelfen. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP): In der Rechts- politik ist aus Sicht der FDP in dieser Legislaturperiode vieles schief gegangen. Dies im Einzelnen darzutun, ist hier natürlich weder Anlass noch Zeit. Für den heutigen Diskussionspunkt nämlich, die Fortentwicklung des in- ternationalen Strafrechts, trifft das gottlob nicht zu. Dies sei ausdrücklich attestiert. Denn hier hat die Regierung die Vorarbeiten liberaler Minister nach anfänglichem Hol- pern – ich denke nur an das unverständliche Gesperre bei der Änderung von Art. 16 Abs. 2 GG – denn doch erfreu- licherweise genutzt. Nach der Ratifizierung des Römi- schen Statutes vom 17. Juli 1998 über einen ständigen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22683 (C) (D) (A) (B) Internationalen Strafgerichtshof kommen nun also der Entwurf eines entsprechenden Umsetzungsgesetzes und der Entwurf eines Gesetzes zur Einfügung des Völker- strafgesetzbuches auf den Weg. Beide Initiativen unter- stützt die FDP mit Nachdruck. Bei dein Gesetzesentwurf zur Ausführung des Römi- schen Statuts geht es vor allem darum, eine enge und ef- fiziente Zusammenarbeit mit dem internationalen Tribu- nal sicherzustellen. Deutschland hat ein spezifsches Interesse daran, dessen Wirken kraftvoll sich entfalten zu lassen und also in jeder Hinsicht zu fördern. Hierfür müs- sen etwa nationale Hoheitsrechte aufgegeben werden, wie bei der Duldung von Verfahrenshandlungen auf deut- schem Territorium. Die Regeln des internationalen Rechtsverkehrs bedürfen einer nachhaltigen Intensivie- rung. Entgegen teilweise geäußerter Kritik halten wir in- soweit die vorgesehenen Zulassungen und Anpassungen nicht für zu weit gehend, und zwar auch, soweit dazu eine gewisse Zentralisierung justizieller Entscheidungen in Deutschland notwendig wird. Das eigentlich Innovatorische, Weiterführende macht allerdings der Gesetzentwurf zur „Einführung des – rich- tig wohl: – eines – Völkerstrafgesetzbuches“ aus. Hier wird das materielle deutsche Strafrecht fortentwickelt. Zugleich erfolgt dadurch aber auch ein Beitrag zu Ausbau und Verdichtung der völkerrechtlichen Normen. Vision ist ja, wenigstens für die schwersten Verbrechen auf interna- tionaler Ebene wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen eine umfassende rechtliche Einfangung zu erreichen, und damit ein Stück Welt-Innenrechtsordnung zu schaffen. Wir Liberalen be- kennen uns zu diesem Ziel ausdrücklich und unterstützen jede vernünftige Anstrengung in diese Richtung, auch und gerade wenn zur endgültigen Zielerreichung noch viel Ar- beit und viele Einzelakte erforderlich sind. Der jetzt un- ternommene Schritt scheint uns jedenfalls eine gelungene Unternehmung auf diesem ebenso steinigen wie lohnen- den Weg. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Nachdem Deutschland das Römische Statut ratifiziert hat, ist es nach meiner Mei- nung richtig und geboten, seine Bestimmungen in das in- nerstaatliche Recht umzusetzen. Es entspricht dem Rang, den die Materie inzwischen im Völkerrecht einnimmt, ein eigenständiges Völkerstrafgesetzbuch zu schaffen. Auch die Einführung des Weltrechtsprinzips für Verbrechen nach Völkerstrafgesetzbuch ist angemessen. Ich hoffe, dass es nicht bei einem weitgehend symbo- lischen Akt bleibt und dass das Gesetz nicht selektiv an- gewandt wird. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu wei- sen, dass das Völkerstrafrecht entweder wirkungslos bleibt oder gegen die jeweiligen Gegner der USA und der NATO instrumentalisiert wird. Die Ausformulierung der Straftatbestände folgt im We- sentlichen denen des Statuts. Leider werden dabei auch bestimmte Defizite des Statuts fortgeschrieben. Das Verbrechen der Aggression ist im Statut verankert, allerdings ohne formulierten Tatbestand und daher nicht strafbewehrt. Im Entwurf des Völkerstrafgesetzbuchs ist dieses Verbrechen nicht erfasst. Nach meiner Meinung kann und muss die Aggression im Völkerstrafgesetzbuch als Verbrechen definiert und unter Strafe gestellt werden, zumal bereits im StGB – §§ 80 und 80 a – die Vorberei- tung eines Angriffskriegs und das Aufstacheln zu ihm un- ter Strafe steht. Im Entwurf fehlt ebenso wie im Statut ein Straftatbe- stand des Terrorismus. Wäre es nicht angebracht, im Zu- sammenhang mit den Verbrechen gegen die Menschlich- keit völkerrechtlich anerkannte Tatbestandsmerkmale des internationalen Terrorismus aufzunehmen? Es kommen freilich nur die Tatbestände infrage, auf die sich die Staa- tengemeinschaft in verbindlichen Verträgen geeinigt hat. Im Entwurf ist entsprechend dem Statut für das Ver- brechen des Einsatzes von Kindersoldaten eine Alters- grenze von 15 Jahren festgelegt. In dem von Deutschland unterzeichneten Zuatzprotokoll über die Rechte der Kin- der vom Mai 2000 wird die Heranziehung von Menschen unter 18 Jahren zum Kriegsdienst verboten. Der Entwurf sollte sich an dem jüngeren Zusatzprotokoll orientieren und eine Grenze von 18 Jahren bestimmen. Ein deutsches Völkerstrafgesetzbuch sollte angesichts der historischen, moralischen und juristischen Verantwor- tung Deutschlands festlegen, dass die Unterwerfung von Zivilpersonen unter Zwangsarbeit in einem bewaffneten Konflikt ein Kriegsverbrechen ist. In § 12 des Entwurfs wird die Verwendung von chemi- schen und biologischen Waffen unter Strafe gestellt. Es fehlt jedoch – wie auch im Statut – die Strafbarkeit des Einsatzes von Atomwaffen. Ungeachtet gewisser völker- rechtlicher Zweifelsfragen, ob Atomwaffen zu den verbo- tenen Mitteln der Kriegführung gehören, plädiere ich ganz entschieden dafür, dass im Völkerstrafgesetzbuch der Einsatz von Atomwaffen als ein schweres Kriegsver- brechen unter Strafe gestellt wird. Dasselbe gilt für die Verwendung von Laserwaffen und Antipersonenminen, von Streu- und Splitterbomben, wo die Strafbewehrung im Völkerrecht möglicherweise noch nicht allgemein an- erkannt ist. Ich sehe kein juristisches Hindernis, in einem inner- staatlichen Strafgesetzbuch, das der Umsetzung von Völ- kerstrafrecht dient, über den erreichten völkerrechtlichen Standard in bestimmten Punkten hinauszugehen. Das ist politisch geboten und würde das Völkerrecht stärken. Lassen Sie uns darüber nachdenken und beraten. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Mit dem Völkerstrafgesetzbuch und Ausführungsgesetz zum Römischen Statut des Inter- nationalen Strafgerichtshofs legt die Bundesregierung zwei wichtige Gesetzentwürfe zur Förderung der interna- tionalen Strafgerichtsbarkeit und der Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts in Deutschland vor. Vor knapp vier Jahren, nämlich am 17. Juli 1998, ist das Statut des künftigen Internationalen Strafgerichtshofs in Rom von 120 Staaten angenommen worden. Der stän- dige Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag wird, wie Sie alle wissen, Gerichtsbarkeit über die schwersten Verbrechen haben, die die internationale Ge- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222684 (C) (D) (A) (B) meinschaft als Ganzes berühren: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Ver- brechen der Aggression. Deutschland gehört zu den Wegbereitern des Internationalen Strafgerichtshofs. Am 27. Oktober 2000 haben Sie fast einstimmig das Vertrags- gesetz zum Internationalen Strafgesetzbuch und eine Änderung des Art. 16 Abs. 2 GG beschlossen und so er- möglicht, dass Deutschland das Statut bereits am 11. De- zember 2000 ratifizieren konnte. Mittlerweile liegen 55 Ratifikationen vor; mit der 60. Ratifikation wird das Statut in Kraft treten. Der Gerichtshof wird daher seine Arbeit voraussichtlich in naher Zukunft – früher als er- wartet – aufnehmen können. Da die Bundesregierung die Errichtung des Internatio- nalen Strafgerichtshofs mit hohem Engagement vorange- trieben hat, wollen wir auch unsere Gesetze bis zur Ent- stehung des Gerichtshofs so schnell wie möglich vollständig auf die internationalen Anforderungen aus- richten. Der Entwurf eines Ausführungsgesetzes schafft die in- nerstaatlichen Voraussetzungen für die Zusammenarbeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden mit dem Inter- nationalen Strafgerichtshof. Der Gerichtshof ist auf die Unterstützung der Vertragsstaaten, zum Beispiel durch die Überstellung beschuldigter Personen und die Über- sendung von Beweismaterial, angewiesen. Die im Römi- schen Statut vorgesehene Verpflichtung zur Zusammen- arbeit setzen wir im Ausführungsgesetz durch eine völkerrechts- und gerichtshoffreundliche Ausgestaltung der einschlägigen nationalen Regelungen punktgenau um. Aber auch die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen vor den deutschen Gerichten bleibt wichtig. Nach dem Grundsatz der Komplementarität, der im Römischen Sta- tut steht, ist ein Verfahren vor dem Internationalen Straf- gerichtshof nur dann zulässig, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, eines der vom Statut erfassten Kernverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Vorrangig sollen also die Vertragsstaaten ihrer Verantwortung für die internationale Strafgerichtsbarkeit gerecht werden. Was wir zur dauerhaften Überwindung der Straflosig- keit von Völkerrechtsverbrechen brauchen, ist ein Zu- sammenwirken von nationalen und internationalen Straf- gerichten. Die Bundesregierung hat daher beschlossen, durch das Völkerstrafgesetzbuch eine neue und bessere Rechtsgrundlage für die Verfolgung von Völkerrechts- straftaten in Deutschland zu schaffen. Mit dem Völker- strafgesetzbuch wird Deutschland ein besonderes Straf- gesetz für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhalten. Der heute vorliegende Entwurf geht zurück auf die Arbeit der von der Bundesministerin der Justiz im Jahr 2000 eingesetz- ten Expertenarbeitsgruppe, in der neben den betroffenen Ressorts insbesondere namhafte Wissenschaftler für Straf- und Völkerrecht vertreten waren. Ziel des Entwurfs ist es, das materielle Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland an das Statut des Internationalen Strafge- richtshofes und weiteres allgemein anerkanntes Völker- recht anzupassen. Dem Entwurf kommt insoweit auch eine Vorreiter- und Vorbildfunktion für zahlreiche Staaten zu, die ebenfalls vor der Frage stehen, wie sie das Römi- sche Statut umsetzen. Mit dem Völkerstrafgesetzbuch wird es künftig mög- lich sein, das spezifische Unrecht der Verbrechen gegen das Völkerrecht besser zu erfassen, als dies nach allge- meinem Strafrecht derzeit möglich ist. Neben dem Tatbe- stand des Völkermords, der bereits jetzt im Strafgesetz- buch geregelt ist, werden auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ausdrücklich als Straftatbestände aufgenommen. Zwar sind die Einzeltaten der Völkerrechtsverbrechen wie Mord, Vergewaltigung oder Folter im Wesentlichen schon nach unserem allge- meinen Strafrecht strafbar. Eine gezielte Regelung signa- lisiert jedoch stärker, dass wir diese Taten verfolgen wol- len und werden. Außerdem zeigt sich im Detail doch, dass es für manche speziellen Straftaten des Statuts kein ge- eignetes Pendant im Strafgesetzbuch gibt. Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches ist der aktuelle Stand des Völkergewohnheitsrechts. Die Strafbarkeit nach dem Völkerstrafgesetzbuch wird daher teilweise über die bloße Umsetzung der Strafvorschriften des Römischen Statuts hinaus erweitert, soweit es hierfür eine Grundlage im gesicherten Völkergewohnheitsrecht gibt. Beispielsweise werden bei den Kriegsverbrechen insbe- sondere die Strafbarkeiten im internationalen und im nicht internationalen bewaffneten Konflikt vereinheitlicht. Das Völkerstrafgesetzbuch wird so die Entwicklung des hu- manitären Völkerrechts fördern und zu seiner Verbreitung beitragen. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen: Der Entwurf – auch das ist neu – eröffnet die deutsche Gerichtsbarkeit für Völker- rechtsverbrechen auch dann, wenn die Täter weder selbst Deutsche sind noch die Taten in Deutschland oder an deutschen Staatsangehörigen begangen worden sind. Es schafft mithin die Grundlage zur weltweiten strafrechtli- chen Verfolgung von Völkermördern und Kriegsverbre- chern. Der Botschaft des Römischen Statuts, dass sich die Schreibtischtäter und Folterknechte dieser Welt nir- gendwo und zu keiner Zeit mehr sicher fühlen dürfen, kommt künftig durch das Völkerstrafgesetzbuch in Deutschland gewissermaßen Gesetzesrang zu. Ich freue mich außerordentlich, dass diese Anliegen durchweg geteilt werden, und bin zuversichtlich, dass das Völkerstrafgesetzbuch und ebenso das Ausführungsge- setz schon bald verabschiedet werden können. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Be- schäftigung und Schwarzarbeit (Tagesordnungs- punkt 24) Dieter Maaß (Herne) (SPD): Im Anschluss an diese Debatte werden wir ein Gesetz verabschieden, das illegale Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22685 (C) (D) (A) (B) Beschäftigung und Schwarzarbeit wirksam erschweren wird. Unsere Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die Bür- gerinnen und Bürger über Korruption, Bestechung und unlautere Spendenpraxis erschüttert sind. In diese Art von Kriminalität fällt auch Schwarzarbeit und illegale Be- schäftigung. Über die moralische Verwerflichkeit dieses Tuns wird seit langem geredet. Doch die viel beschworenen Selbst- heilungskräfte des Marktes haben bisher diese kriminel- len Machenschaften nicht verhindern können oder wol- len. Wir Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen machen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ernst und sagen illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit rigoros den Kampf an. Schwerpunkte unseres Gesetzes sind: eine verbesserte Kooperation und Koordination zwischen den Behörden, insbesondere des Datenaustausches, die Ausdehnung der Generalunternehmerhaftung auf Sozialabgaben und eine Verschärfung der Sanktionen bei Verstößen von Gesetzen. Nun mögen den Wirtschaftsliberalen unter uns die Be- stimmungen des Gesetzes zu bürokratisch sein. Doch ich sage Ihnen: Wenn wir eine soziale Marktwirtschaft wol- len, müssen wir diesen kriminellen Machenschaften das Handwerk legen, dann muss der Gesetzgeber handeln und dies tun wir. Aber es geht ja nicht nur um die Einhaltung von Regeln um Sozialdumping zu verhindern; es geht in erster Linie um Geld, viel Geld. Wir wissen, 100 000 durch illegal Be- schäftigte verlorene Arbeitsplätze führen zu Steuer- und Beitragsverlusten von circa 1,5 Milliarden Euro und ver- nichten 60 000 legale Arbeitsplätze. Nach Meinung der Sachverständigen kostet die Schwarzarbeit allein auf dem Bau 170 000 Stellen. Unser Kollege Klaus Wiesehügel hat von dieser Stelle aus oft eindringlich auf die Situation am Bau hingewiesen. Wir müssen in unserem Kampf gegen Illegalität von Beschäftigung am Bau und anderswo bei denen ansetzen, die solche Kriminalität organisieren. Denn es geht nicht um die so genannte Nachbarschaftshilfe. Arbeiter aus ar- men Ländern treibt oft die Not zu uns. Sie verdienen nicht das große Geld auf deutschen Baustellen. Ich kann sie deshalb nicht verurteilen. Aber es regt mich als Gewerk- schaftler auf, wenn andere mit kriminellen Handlungen das große Geld an ihnen verdienen. Noch einige Anmerkungen zu dem Antrag der Union. Im Grunde müssten Sie unserem Gesetz zustimmen. Das tun Sie nicht, denn es ist Wahlkampf. Andererseits müssen Sie den Bürgern und Bürgerinnen sagen, dass Sie illegale Beschäftigung nicht wollen. Deshalb fordern Sie in einem eigenen Antrag eine Mel- depflicht des Generalunternehmers bei einer zentralen Meldestelle der Sozialversicherungsträger einzuführen – damit ist die wirksame Haftung weg –, die Verfolgung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit bei den Behör- den der Zollverwaltung zu konzentrieren und die Bundes- anstalt für Arbeit von dieser Aufgabe zu entbinden, die Unfallversicherung so zu ändern, dass illegal Beschäftigte keine Leistungen erhalten, den Sozialversicherungsaus- weis fälschungssicher zu gestalten. Eine bescheidene Frage: Warum haben Sie diese For- derung nicht schon zu Ihrer Regierungszeit durchgesetzt? Ansonsten besteht Ihr Antrag aus Forderungen, die wir bereits umsetzen, und aus Allgemeinplätzen, die nicht zur Bekämpfung von illegaler Beschäftigung beitragen. Zur FDP ist zu sagen: Ihre Forderung nach einer Sen- kung der Steuern und Abgaben löst nicht das Problem. Il- legale Beschäftigung und Schwarzarbeit sind auch bei ei- ner radikalen Senkung der Steuern und Abgaben immer noch profitabler als legale Arbeit. Wollen Sie, dass die Ar- beitnehmer für einen Hungerlohn und ohne soziale Siche- rung arbeiten? Das wäre nämlich die Konsequenz Ihrer Vorschläge zur Bekämpfung der illegalen Arbeit. Diesen Weg werden die Koalitionsfraktionen nicht ge- hen. Mit uns wird es keinen Abbau sozialer Arbeitneh- merrechte und kein Lohndumping geben. Wenn wir es alle wollen, werden wir auch zum Erfolg kommen und Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung wirksam zurückdrängen. Ich bitte Sie daher, unserem Ge- setzesentwurf zuzustimmen. Anette Kramme (SPD): Illegale Beschäftigung ist ein Krebsgeschwür dieser Zeit, das mit harten Therapien aus- gebrannt werden muss. Das Schwarzarbeitsvolumen hat das unerträgliche Ausmaß von circa 16 Prozent des offiziellen Bruttoin- landproduktes erreicht. Dies entspricht einem Volumen von 336 Milliarden Euro im Jahr 2001. Besonders betrof- fen ist das Baugewerbe. Die Schattenwirtschaft nimmt hier einen Anteil von mittlerweile mehr als 50 Prozent der offiziellen Wertschöpfung ein. Es ist schlimm, dass in der Vergangenheit die Schwarzarbeitsbranche zu den Wachs- tumssiegern gehört hat. Die Folgen von Schwarzarbeit sind klar: Es überleben gerade im Bausektor nur Unternehmen, die mittels Misch- kalkulationen mehr Billigsubunternehmer mit Illegalen beschäftigen, als ihre Mitbewerber einkalkulieren. Durch illegale Beschäftigung werden legale Beschäf- tigungsverhältnisse vernichtet und es wird die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindert. Legal beschäftigte Arbeit- nehmer können mit Lohnkurrenzkampf mit den illegalen, die bei den Stundenverrechnungssätzen bis zu 50 Prozent billiger sind, nicht bestehen. Der Leiharbeitsbericht der Bundesregierung geht davon aus, dass in den letzten vier Jahren allein im Baugewerbe deshalb mindestens 170 000 legale Stellen durch diesen Prozess vernichtet worden sind. Die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer verschlech- tern sich stetig, weil viele Unternehmen meinen, nur durch den Bruch von Tarifverträgen und Arbeitsschutz- bedingungen im Wettbewerb bestehen zu können. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222686 (C) (D) (A) (B) Der öffentlichen Hand entgehen an Sozialversiche- rungsabgaben und Steuern durch Schwarzarbeit jährlich mindestens 125 Milliarden Euro. Der Gesetzesentwurf greift zahlreiche Forderungen auf, die von Gewerkschaften und Verbänden des Bauge- werbes und den Baupraktikern seit langem erhoben wer- den. Der Gesetzesentwurf hat deshalb von vielen Sach- verständigen gute Zustimmung erfahren. Wir führen deshalb die verschuldensabhängige Gene- ralunternehmerhaftung ein. Wir wollen keine unüberschaubaren Ketten von Sub- unternehmern mehr, deren Sinn und Zweck ausschließlich darin besteht zu vertuschen und zu verdecken und illegale Beschäftigung zu ermöglichen. Wie häufig haben Gene- ralunternehmer in der Bundesrepublik die Augen fest zu- gedrückt, nur um nicht zu sehen, dass bei ihren Subunter- nehmen illegale Praktiken gang und gäbe sind. Ich sage auch den betroffenen Generalunternehmern ganz klar: Die bloße Vorlage von Freistellungsbescheini- gungen des Finanzamtes reicht nicht aus, um den Exkul- pationsbeweis zu führen. Die Erfüllung steuerlicher Pflichten lässt nämlich nicht den Schluss zu, dass auch die Pflichten nach den Sozialversicherungsgesetzen erfüllt werden. Wir halten die Generalunternehmerhaftung für verfas- sungsmäßig. Im Vorfeld dieses Gesetzes hat es auch in Reihen der SPD Bedenken gegeben. Die Verfassungsjuris- ten des Bundesarbeitsministeriums und des Bundesjustiz- ministeriums haben deshalb besonders sorgfältig geprüft. Nicht umsonst enthält bereits die Gesetzesbegründung eine ausführliche und zutreffende Argumentation. Soweit Sie sich, meine Damen und Herren der Oppo- sition, auf das Rechtsgutachten von Professor Badura be- rufen, so ist dieses bereits deshalb unzutreffend, weil es augenscheinlich falsche Tatsachen für die Bauwirtschaft annimmt. Ein zweiter wesentlicher Punkt unseres Gesetzes ist der weitgehende Ausschluss von schwarzen Schafen der Branche bei öffentlichen Aufträgen immerhin für die be- achtliche Dauer von drei Jahren. Im Zuge der parlamen- tarischen Beratungen haben wir Sorge dafür getragen, dass der Haftungstatbestand sogar nochmals ausgedehnt wird. Ein Unternehmen wird jetzt auch von der Regelung erfasst, soweit sein gesetzlicher oder satzungsgemäßer Vertreter einen Straftatbestand der illegalen Beschäfti- gung verwirklicht hat. Wir wollen drittens, dass den hohen Gewinnchancen bei der illegalen Beschäftigung eine entsprechend hohe Abschreckung gegenübersteht. Schwarzarbeit wird daher mit einem Bußgeld von bis zu 300 000 Euro belegt. Ille- gale Ausländerbeschäftigung ist bereits dann eine Straftat, wenn mehr als fünf Ausländer beschäftigt werden. Viertens: Abschreckung hilft allerdings nur begrenzt. Was wir deshalb weiter machen, ist Folgendes: Wir bauen die Zusammenarbeitshindernisse zwischen den Behörden ab und verstärken den gegenseitigen Informationsaus- tausch. Sogar im Steuerrecht werden die Finanzbehörden verpflichtet, ggf. über die Verhältnisse des Steuerpflichti- gen zu unterrichten. Jeder illegal arbeitende Unternehmer und jeder illegal arbeitende Beschäftigte soll jederzeit fürchten, erwischt zu werden. Lassen sich mich noch ein Wort zur Politik der Oppo- sition sagen: Schwarzarbeit lässt sich nur sehr begrenzt durch niedrige Steuern und Sozialabgaben eindämmen. Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit werden immer billiger sein als legale Arbeit, mit der Sozialversiche- rungsschutz und sozialstaatliche Leistungen einhergehen. Aber wir berücksichtigen selbstverständlich auch diesen Aspekt. Wir haben deshalb Steuern und Abgaben gesenkt. Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung be- stätigt: Seit dem Jahr 2000 entwickelt sich die Schatten- wirtschaft zum ersten Mal seit den 80er-Jahren nicht stär- ker als die offizielle Wirtschaft. In der Vergangenheit ist dagegen die Schattenwirtschaft immer stärker angestie- gen als die offizielle Wirtschaft. Das IAW kommentiert diese Entwicklung wie folgt: „Vermutlich ist Hauptursache für das geringere Ansteigen der Schattenwirtschaft in Deutschland die in Kraft getre- tene Steuerreform, die bei der direkten Einkommensteuer, aber auch bei anderen Steuern eine spürbare Entlastung gebracht hat.“ Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Op- position, es ist unangenehm zu hören, dass die rot-grüne Koalition erfolgreich arbeitet, nicht wahr? Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Op- position, es entsteht ein unangenehmer Eindruck. Sie re- den gegen Schwarzarbeit, das ist richtig. Das tun fast alle. Aber wenn es um die effektive Bekämpfung dieses Phä- nomens geht, dann verweigern sie sich. Sie verfahren noch dem Motto „weiter so wie bisher“ und verharren in der Stagnation. Das wird ein guter Tag für die legal arbeitenden Unter- nehmen und für die legal arbeitenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen werden. Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Das Problem der illegalen Beschäftigung ist ein Thema, das insbesondere im Baubereich für berechtigten Unmut der Bevölkerung, vor allem der von Arbeitslosigkeit betroffe- nen Bauarbeiter sorgt. Wenn in den Medien Berichte er- scheinen, dass bei fast jeder Razzia auf deutschen Groß- baustellen illegale Beschäftigte entdeckt werden, dann wächst die berechtigte Erwartung an den Staat, dass er handelt. Ich halte dies für umso dringlicher, als nach einer Er- weiterung der Europäischen Union auch das Angebot il- legaler Arbeitskräfte steigen wird. Allein schon die Zu- nahme der wirtschaftlichen, aber auch persönlichen Kontakte wird dazu führen, dass immer mehr Menschen aus den EU-Beitrittsländern ihre Arbeitskraft illegal in Deutschland anbieten. Die Arbeitnehmer in Deutschland haben einen An- spruch darauf, dass sie nicht durch illegale Billigkräfte Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22687 (C) (D) (A) (B) aus ihren Arbeitsplätzen verdrängt werden, und die Bau- unternehmen, die sauber und fair im Markt arbeiten, ha- ben einen Anspruch darauf, dass sie nicht in einem unfai- ren Wettbewerb aus dem Markt gedrängt werden. Es ist deswegen richtig, dass es hohe Strafen gibt; es muss rich- tig wehtun. Nicht der Ehrliche darf der Dumme sein, son- dern der, der das Gesetz verletzt. Allerdings darf es nicht sein, dass der Unternehmer mit Sitz im Ausland faktisch von Strafe verschont bleibt, weil gegen ihn einfach nicht vollstreckt werden kann. Wir brauchen gemeinsame, europaweite Regelungen und am besten mit allen Ländern Vollstreckungsabkommen. Hier wäre ein wichtiger Schwerpunkt, europaweit etwas für die deutschen Interessen zu leisten. Ich halte es für richtig, dass ein Unternehmer von öf- fentlichen Aufträgen ausgeschlossen wird, wenn er Ille- gale beschäftigt – auch bei laufenden Verträgen. Alles, was die Kontrollen der Behörden erleichtert und effizienter macht, muss rasch umgesetzt werden. Die Überwachung der Einhaltung der Gesetze ist Aufgabe des Staates und liegt im Interesse nicht nur der Arbeitnehmer und der Unternehmen, sondern auch der Sozialsysteme, die durch die illegale Beschäftigung erheblich geschädigt werden. 10 000 verlorene reguläre Arbeitsplätze kosten Beitragsausfälle in der Sozialversicherung in Höhe von 110 Millionen Euro und weitere 45 Millionen Euro Steu- erausfälle. Was aber nicht geht, ist, unseren Bauunternehmen, un- serer Wirtschaft weitere immer neue bürokratische Vor- schriften und Belastungen aufzuerlegen. Das aber tun Sie mit der Generalunternehmerhaftung, die Sie einführen wollen. Sie müssen endlich begreifen, dass jede Belas- tung der Unternehmen, die sich an Recht und Gesetz hal- ten, auch den Arbeitnehmern in diesen Betrieben schadet. Es würde völlig ausreichen, eine Meldepflicht des Ge- neralunternehmers gegenüber den Sozialversicherungs- trägern einzuführen. Aber wenn Sie von einem General- unternehmer verlangen, dass er wie ein Bürge für die Sozialversicherungsbeiträge der Subunternehmer haftet, erzeugen Sie Bürokratie und Kosten nicht nur bei den Ge- neralunternehmern, sondern auch bei den Mittelständlern. Denn die Generalunternehmer werden sich so weit wie möglich rückversichern. Das wird sich auch negativ auf die Flexibilität der mit- telständischen Subunternehmer bei der Auftragserfüllung auswirken. Wenn vorher Listen mit Namen der Arbeit- nehmer abgeliefert werden müssen, kann man sie nicht ohne Weiteres austauschen. Auch ein weiterer Subunter- nehmer kann dann nicht ohne Weiteres eingeschaltet wer- den. Betroffen sind davon aber nicht nur die schwarzen Schafe, sondern die große Masse der anständig und fair arbeitenden Unternehmen. Bereits heute klagen viele Mit- telständler darüber, dass sie bei der Bezahlung durch den Generalunternehmer oft lange hingehalten werden – manchmal bis an den Rand des Ruins. Die Generalunter- nehmerhaftung liefert jetzt neue Vorwände und Begrün- dungen für Generalunternehmer, nicht zu bezahlen bzw. einen Teil des Geldes zurückzubehalten. Es ist zu befürchten, dass die Generalunternehmerhaf- tung Auswirkungen auf die Unternehmensstruktur im Baubereich hat. Derzeit ist es relativ einfach für General- unternehmer, Unteraufträge zu vergeben. Wenn eine Ver- komplizierung durch die Generalunternehmerhaftung kommt, besteht nicht zu Unrecht die Befürchtung, dass die Generalunternehmer wieder vieles selbst machen bzw. darauf bestehen, dass ihre Unterauftragnehmer nicht selbst wieder eigene Unterauftragnehmer beauftragen. Insgesamt bedeutet dies eine Auftragsverlagerung zulas- ten der mittelständischen Unternehmen. Unabhängig von all diesen Fragen bedeutet diese Ge- neralunternehmerhaftung eine Kostenerhöhung, die letz- ten Endes an die Subunternehmer, das heißt an die kleinen Betriebe, weitergegeben wird. Hier liegt der große Fehler, den Sie bei all Ihren Gesetzesentwürfen immer wieder machen: Sie erkennen nicht, dass die permanente Kos- tenerhöhung bei den Unternehmen dazu führt, dass da- durch in Deutschland die Schwarzarbeit blüht. Das ist auch bei der Anhörung in der vergangenen Wo- che aufgefallen. Es ist ein unmöglicher Zustand, dass illegal Beschäftigte, wenn sie auf einer Baustelle einen Unfall haben, Ansprüche aus der gesetzlichen Unfall- versicherung haben. Es kann doch nicht sein, dass die Ge- samtheit der Unternehmen in Deutschland immer mehr Geld dafür aufwenden muss, die Unfallfolgen von illegal Beschäftigten, die ohne Arbeitserlaubnis und ohne Auf- enthaltserlaubnis hier arbeiten, zu übernehmen. Bei Ihnen und bei der Gewerkschaft besteht immer noch die Vorstellung, alles, was nicht der Arbeitnehmer bezahlen muss, sondern die Unternehmen bezahlen müs- sen, sei gut und richtig. Genau das ist der große Fehler. All diese Kosten sind als Lohnnebenkosten oder sonstige Kosten arbeitsplatzschädlich. Je höher wir die Lohn- nebenkosten und die Kostenbelastungen für unsere Un- ternehmen machen, umso teurer machen Sie die reguläre Beschäftigung und umso attraktiver machen Sie die Schwarzarbeit. Dieses Gesetz mit Generalunternehmerhaftung reiht sich ein in eine Serie von Kostenerhöhungsgesetzen, von den 630-DM-Jobs über die Scheinselbstständigkeit bis hin zur Betriebsverfassungsgesetzänderung. Rot-Grün er- höht mit ständig neuen Gesetzen die Kosten bei den Un- ternehmen und damit die Kosten für die reguläre Be- schäftigung. Wenn heute ein Facharbeiter im Baubereich fünf bis sechs Stunden arbeiten muss, damit er eine re- guläre und legale Handwerkerstunde bezahlen kann, dann liegt darin die Ursache für die Schwarzarbeit. Wenn Sie noch ein bisschen Kontakt zu den Menschen im Land haben, werden Sie wissen, dass Schwarzarbeit in allen Bereichen des Lebens gang und gäbe ist. Allein im Jahr 2001 ist die Schwarzarbeit um 6,2 Prozent angestie- gen. Der Rest der Wirtschaft ist im gleichen Zeitraum fast nicht gewachsen, die Arbeitslosigkeit dramatisch ange- stiegen. Die beste und einzig wirklich effiziente Möglichkeit, die Schwarzarbeit zu bekämpfen, besteht darin, reguläre, gewerbliche Handwerkerleistungen wieder bezahlbar zu machen. Mit solchen Gesetzen, wie sie Rot-Grün am lau- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222688 (C) (D) (A) (B) fenden Band produziert, erreichen Sie das Gegenteil. Sie weigern sich, dies zur Kenntnis zu nehmen. Solange Rot-Grün in diesem Land regiert und mit wirt- schaftsfeindlichen Gesetzen Probleme lösen will, werden wir immer größere Probleme bekommen. Deshalb gibt es nur einen Weg: Der Regierungswechsel im September muss her, damit es mit der deutschen Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen wieder aufwärts geht. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Illegal zu beschäftigen ist kein Kavaliersdelikt. Der faire Wett- bewerb zwischen Unternehmen ist ausgehebelt, die illegal Beschäftigten haben oft zu wenig Lohn und nur schlechte Arbeitsbedingungen und es werden Steuern und Sozial- versicherungsabgaben hinterzogen. Der Gesetzentwurf greift zurückliegende Initiativen des Bundestags und des Bundesrats auf. Das Für und Wider einzelner Details ist im Vorfeld auch mit Arbeitgeber- und Berufsverbänden sowie mit den Gewerkschaften besprochen worden. Der Gesetzentwurf verfolgt drei Ansatzpunkte gegen die gesetzeswidrige Praxis: erstens eine bessere Zusam- menarbeit der bei der Bekämpfung zuständigen Behörden und mehr Befugnisse für die Arbeitsverwaltung. Dabei werden alle Behörden, die bei der Bekämpfung von ille- galer Beschäftigung und Schwarzarbeit zusammenarbei- ten, verpflichtet, Informationen auszutauschen. Zweitens erheblich verschärfte Sanktionen, wenn Unternehmer der illegalen Beschäftigung überführt werden. Drittens die Verstärkung der Verantwortung, die den Auftraggebern im Baugewerbe zukommt. Diese Haftung der Auftragge- ber für die Sozialversicherungsbeiträge, die der Unterauf- tragnehmer für seine Beschäftigten zu leisten hat, ist ver- schuldensabhängig. Das ist für die grüne Bundestags- fraktion ein wichtiges Anliegen. Zu einer Haftung kommt es nur, wenn gegen die übliche Sorgfaltspflicht des „or- dentlichen Kaufmanns“ verstoßen worden ist. Wer im Vorfeld überprüft hat, ob Subunternehmer die Sozialver- sicherungsbeiträge abführen, hat später nichts zu befürch- ten. Als besondere Signalwirkung ist vorgesehen, dass die öffentliche Hand zukünftig Unternehmer, denen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung nachgewiesen wird, drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließen kann. Die verschärften Sanktionen im Gesetz gegen illegale Beschäftigung sollen diejenigen Unternehmen verstärkt zur Kasse bitten, die Arbeitnehmer unter Umgehung der Sozialversicherungspflicht illegal beschäftigen. Der grü- nen Bundestagsfraktion war dabei besonders wichtig, dass das Bußgeld für Handwerker, die ihr Gewerbe be- treiben, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, nicht zusätzlich angehoben wird. Das haben wir durchge- sctzt und damit die geplante Strafverschärfung für eine Gruppe verhindert, die Steuern und Sozialabgaben zahlen und Arbeitsplätze schaffen. In der Europäischen Union ist nur in Deutschland und Österreich der Meisterbrief Vo- raussetzung für eine selbstständige Tätigkeit im Hand- werk. Bündnis 90/Die Grünen wollen die Selbstständig- keit im Handwerk erleichtern und treten daher dafür ein, auch Gesellen die Gründung von Betrieben zu ermögli- chen. Die Bundesregierung hat sich mit den Ländern im Dezember 2000 auf die flexible Anwendung der Hand- werksordnung verständigt, um Selbstständigkeit im Handwerk zu erleichtern und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu entsprechen. Vor diesem Hintergrund wäre die Erhöhung des Bußgeldes von 100 000 auf 300 000 Euro völlig unverhältnismäßig ge- wesen. Dieses Gesetz gehört zu einem Bündel von Maßnah- men, mit denen die rot-grüne Regierung die illegale Be- schäftigung wirksamer als bisher bekämpft. Beispielhaft wären zu nennen das Entsendegesetz, Steuersenkungen und die Stabilisierung der Abgaben, mit denen wir bereits die Rahmenbedingungen verbessert haben. Nicht zu ver- gessen die Reformen auf dem Arbeitsmarkt durch das Job-AQTIV-Gesetz. Aber es geht um große Geldmengen, die den Sozialversicherungen vorenthalten werden. Daher müssen wir auch ordnungspolitisch reagieren. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Es ist zwischen allen Fraktionen unstrittig: Schwarzarbeit und illegale Be- schäftigung führen zu verzerrtem Wettbewerb und betrü- gen die ehrlichen Unternehmen und Betriebe in unserem Land um Aufträge und Arbeit. Wahr ist aber auch: die ein- zige Boombranche unter der rot-grünen Bundesregierung ist die Schattenwirtschaft. Rund 6,5 Prozent Wachstum hat dieser Bereich unserer Volkswirtschaft nach Schät- zungen von Experten im letzten Jahr gehabt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt insbe- sondere auf die illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft, einer Branche, die besonders unter rot-grüner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zu leiden hat. Nur ein paar Zahlen: Auftragseingang 2001 gegen- über 2000 insgesamt: minus 5,1 Prozent, geleistete Ar- beitsstunden: minus 11,9 Prozent, Gesamtumsatz: minus 7,5 Prozent, Beschäftigte: minus 9,1 Prozent. Mit nur noch 954 000 liegt die Zahl der Beschäftigten im deut- schen Baugewerbe erstmals unter einer Million. Und jetzt geht auch noch des Kanzlers Lieblingsunternehmen Holzmann pleite. Das ist die aktuelle Lage in der Bau- branche. Nun frage ich mich: Was hat die deutsche Bauindustrie, was haben Millionen Handwerker Ihnen von der rot-grü- nen Koalition denn angetan, dass Sie diese schon krisen- geschüttelte Branche mit einem solchen existenzvernich- tenden Gesetz überziehen? Ihr Gesetzentwurf ist – anders als Sie behaupten – nicht kostenneutral für die Bauwirtschaft. Und er hat selbstver- ständlich Auswirkungen auf das Niveau der Baupreise. Die Kostenerhöhungen liegen nicht nur im höheren Ver- waltungsaufwand aufgrund zahlreicher Meldepflichten, Prüfungspflichten und Aufbereitungspflichten. Die größte Belastung liegt in der so genannten Generalunternehmer- haftung in § 28 e Absatz 3 a SGB IV, die, trotz der Exkul- pationsmöglichkeit ein immenses Haftungsrisiko darstellt. Unternehmen des Baugewerbes haften nach Ihrer Vor- lage für die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22689 (C) (D) (A) (B) nicht nur ihrer Subunternehmer sondern auch für die Sub- unternehmer der Subunternehmer und wiederum deren Auftragnehmer. Unter Umständen haftet ein Bauunter- nehmer für Dutzende von Subunternehmen. Die Last des Beweises, sich von der ordnungsgemäßen Abführung der Sozialversicherungsbeiträge oder zumindest der ord- nungsgemäßen Planung der Abführung überzeugt zu ha- ben, liegt bei den Bauauftraggebern. Die Folgen sind gerade für kleine und mittelständische Unternehmen verheerend. Da eine effektive Kontrolle der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für den Hauptunternehmer nicht möglich ist, wird sich jeder Bau- auftraggeber zukünftig dieses Haftungsrisiko von seinen Subunternehmern absichern lassen, etwa durch Einbehal- tung entsprechender Bestandteile vom Werklohn, um sich vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Durch einen sol- chen Einbehalt in Höhe von circa 40 Prozent der Brutto- lohnsumme wird die Liquidität in einer ohnehin eigenka- pitalschwachen Branche weiter strapaziert. Es sind wieder vor allem die kleinen und mittelständi- schen deutschen Baubetriebe betroffen, die Sie schon durch die Bauabzugsteuer in unzumutbarer Weise gefähr- det haben. Die großen Unternehmen der Bauindustrie können sich dieser Risiken durch Verlagerung ihrer Ge- schäftssitze ins Ausland entziehen. Angeschmiert sind wieder einmal gerade die kleinen Handwerks- und Bau- unternehmer, die zu lebenslänglich „Standort Deutsch- land“ verurteilt sind. Besonders skandalös ist auch, dass die öffentliche Hand von dieser Haftung ausgenommen wird. Das führt mit Recht zu Zorn und Wut in der Baubranche. Auch Ihre Ablehnung des fälschungssicheren Sozialversicherungs- ausweises versteht niemand. Statt auf intelligente Lösun- gen setzen Sie auf Kontrollen und Strafe. Mehr fällt Ihnen nicht ein. Neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wer- den Sie mit diesem Gesetzentwurf garantiert nicht schaf- fen, jedenfalls nicht im Bausektor. Hier ist eher ein mas- siver Abbau an Arbeitsplätzen für deutsche Bauarbeiter zu befürchten. Die Juristen aber werden sich freuen, denn neue Arbeitsplätze entstehen absehbar in den Anwalts- kanzleien. Die Anhörung der Betroffenen in der Baubranche hat eines deutlich gemacht: Dieser Gesetzentwurf wird exis- tenzvernichtende Verwerfungen in der Baubranche auslö- sen. Eine Spirale nach unten wird in Gang gesetzt. Am Ende steht für viele Unternehmen die Insolvenz und der Totalverlust sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. Das ist rot-grüne Politik im 21. Jahrhundert! Besonders hart trifft es im Übrigen die Bauunterneh- men in den neuen Bundesländern. Die Koalitionsfraktio- nen machen gerade die Erfahrung, dass sie das so ge- nannte Tariftreuegesetz selbst in ihren eigenen Reihen nicht durchsetzen können, weil es massiv die Existenz der ostdeutschen Bauwirtschaft gefährdet. Lernen Sie auch bei diesem Gesetz daraus und stimmen Sie unserem Än- derungsantrag zu! Wir Liberale wollen die Generalunternehmerhaftung, die teuren bürokratischen Auflagen und die nutzlose Ver- schärfung der Bußgeldrahmen streichen. Man muss das Übel an der Wurzel bekämpfen und nicht an den Sympto- men herumkurieren. Das sage ich auch in Richtung der Kollegen von CDU/CSU. Auch Ihr Entschließungsantrag will unter Punkt 3 eine Meldepflicht der Unternehmen an die Sozialversicherungsträger einführen. Auch das ist für uns nicht zustimmungsfähig, weswegen wir uns bei Ihrem Entschließungsantrag der Stimme enthalten werden. Wir Liberale wählen einen gänzlich anderen Ansatz: Wer illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit wirksam bekämpfen will, der muss dafür sorgen, dass legale Arbeit für die Unternehmen billiger wird und dass sich legale Ar- beit für Arbeitnehmer lohnt. Dazu braucht es entschiedene Steuersenkungen, braucht es wirkliche Reformen der So- zialsysteme, braucht es weniger Regulierung des Arbeits- marktes. Die Zeit dieser Koalition läuft ab. Die Menschen wol- len eine bessere Politik, die diese Herausforderungen nach dem 22. September 2002 annimmt. Die FDP ist hierzu bereit und wir freuen uns darauf. Dr. Klaus Grehn (PDS): Angesichts des Themas „Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung“ bin ich ver- sucht, in Abwandlung einer bekannten Volksweisheit fest- zustellen: Was dem einen die schwarzen Kassen, ist dem anderen die Schwarzarbeit. – Aber so einfach ist das Pro- blem nun wirklich nicht. Völlig in Übereinstimmung mit allen anderen Fraktio- nen dieses Hauses erklärt meine Fraktion, dass auch sie die wirksame Bekämpfung von Schwarzarbeit und illega- ler Beschäftigung für dringlich und notwendig erachtet. Diese Ausgangsfeststellung möchten wir ausdrücklich hervorheben, auch um Missverständnissen angesichts un- serer Bewertungen der einzelnen Regelungen vorzu- beugen. Unsere Kritik setzt an dem Grundtenor des Gesetzes an. Sie setzen mit dem Gesetz einen Weg fort, der bisher nicht nur erfolglos war, sondern teilweise konträr zu der Zielstellung verlief. Trotz aller Sanktionen ist das Ausmaß der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung ständig angestiegen und andererseits ist die Schere zwischen fest- gesetzten und realisierten Verwarngeldern ebenso ständig weiter auseinander gegangen. Wie also begründen Sie Ihre Annahme, dass die bloße Verschärfung der Sanktio- nen diese Ergebnisse verändern wird? Wir gehen vielmehr davon aus, dass diejenigen, die sich bisher nicht haben er- wischen lassen und die sich den Sanktionen erfolgreich entzogen haben – das ist im Übrigen der weitaus größere Teil – dies auch in Zukunft erfolgreich tun werden. Wir gehen davon aus, dass ein Weg, der an die Stelle der Verschärfung der Sanktionen zielgenauere Prävention setzt, erfolgreicher wäre und den Differenzierungen in- nerhalb des Problems wesentlich besser Rechnung tragen würde. Dadurch wäre es möglich, die Ursachen von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung wirksamer zu bekämpfen anstatt lediglich ihre Symptome. Zu den Ur- sachen gehören die ständige Ausweitung des Niedrig- lohnsektors genauso wie die hohe Abgabenlast für die Ar- beitnehmer, die zunehmende Armut oder die Spirale des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222690 (C) (D) (A) (B) ruinösen Wettbewerbs unter den Unternehmen und deren geringe Kapitaldecken, die die zunehmenden Liquiditäts- probleme der Handwerker und der kleinen Unternehmen bewirken. Hier anzusetzen ist mit Sicherheit erfolgrei- cher, als auf verschärfte Sanktionen zu setzen. Wir halten auch die Haftungsregelungen, so wie sie ausgestaltet sind, für nicht hilfreich. Bereits heute ist ab- zusehen, dass diese Regelung mit ihrer Ausgestaltung als selbstschuldnerische Haftung für die Zahlungspflicht der Nachauftragnehmer dazu führt, dass der Hauptauftrag- nehmer diese Haftung durchreicht bzw. im Selbstschutz Sicherheiten hinterlegen lässt. Das wiederum birgt die reale Gefahr, dass die Nachauftragnehmer überfordert sind, mit allen Konsequenzen bis zur Insolvenz. Diese Gefahren werden nicht durch den Vorschlag der CDU/CSU behoben, nach dem die Beiträge vorab an die Kassen zu entrichten sind. Zu viele Handwerker und kleine Unternehmen sind schon heute selbst bei kleineren Aufträgen auf Abschläge durch die Auftraggeber ange- wiesen. Sie alle können bei Strafe der Zahlungsunfähig- keit weder der einen noch der anderen Regelung Folge leisten. Das alles gefährdet in größerem Maße Arbeits- plätze, als die Verfasser des Entwurfes offensichtlich ein- kalkuliert haben. Gleiches gilt für den Ausschluss von öffentlichen Auf- trägen. Auch bei dieser Regelung scheint uns die Wirkung auf die Überlebenschance der davon betroffenen Betriebe nicht beachtet zu sein. Die Folge wäre zunehmende Ar- beitslosigkeit. Lassen Sie mich ein weiteres Beispiel anführen. Sie schließen auch Unternehmen als juristische Personen von der öffentlichen Auftragsvergabe aus, wenn bei für sie han- delnden Personen die Voraussetzungen nach Art. 9 Nr. 5 § 5 Abs. 1 vorliegen. Unbeantwortet bleibt die Fragen nach den Folgen für die Arbeitnehmer eines so betroffe- nen Betriebes. Ob und inwieweit sich die Hoffnung der Bundesregierung, dass bei der Haftung die Selbstregulie- rung der Wirtschaft die aufgeworfenen Probleme löst, bleibt fragwürdig. Wir halten es auch für notwendig, die Gleichsetzung der Regelungen zur unerlaubten Handwerksausübung mit den Tatbeständen der Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung angesichts der europäischen Regelungen aus dem Gesetz herauszulösen und den europäischen Rege- lungen Rechnung zu tragen. Nicht zu akzeptieren ist auch die Tatsache, dass ausge- rechnet in der gegenwärtigen Situation die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin in diesem Bereich so stark mit art- fremden Aufgaben belastet wird, wo es in ihrer Tätigkeit doch in Übereinstimmung aller Fraktionen verstärkt um Arbeitsvermittlung und die Sicherstellung des Leistungs- bezugs der Arbeitslosen geht. Alles in allem bleibt die Frage offen: Womit begründen Sie die Annahme, dass, nachdem die bisherigen Sank- tionen einen Anstieg von Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung nicht verhindert, geschweige denn zum Ab- bau beigetragen haben, die Fehlleistungen nun durch höhere Sanktionen aufgehoben werden? Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Än- derung des Wasserhaushaltsgesetzes – des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Wasserverbandsgesetzes (Tagesordnungspunkt 27 und Zusatztagesord- nungspunkt 6) Petra Bierwirth (SPD): Am 22. Dezember 1992 wurde durch die Vollversammlung der Vereinten Natio- nen der 22. März zum Tag des Wassers ausgerufen. Den Anstoß dazu gab die Lokale Agenda 21, die sich im Ka- pitel 18 mit den Problemen und der Notwendigkeit einer nachhaltigen Wasserwirtschaft auseinandersetzt. Der heutige Tag des Wassers steht unter der Überschrift „Wasser und Entwicklung“ – ein Hinweis auf eines der größten Probleme unseres Jahrhunderts: die ungleiche weltweite Verteilung des Wassers. Auch wenn wir in Eu- ropa von dieser Problematik noch nicht direkt betroffen sind, sind wir aufgefordert, durch unsere Lebensweise dazu beizutragen, dass die lebenswichtige Ressource Wasser geschont wird. Ein Beitrag dazu ist die nun endlich vorliegende EU- Wasserrahmenrichtlinie und der damit beginnende ge- meinsame Weg europäischer Wasserpolitik. Wir alle wis- sen: Flüsse, Seen und Meere halten sich nicht an Ländergrenzen. Verschmutzung bleibt nicht beim Verur- sacher. Anstrengungen, saubere Gewässer zu erhalten, machen wenig Sinn, wenn der Nachbar sich nicht daran hält. Doch wie bei vielen Dingen im Leben wird man erst aus dem Schaden klug. Manchmal bedarf es auch eines Zwangs, um mit den Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Die Wasserrahmenrichtlinie ebnet uns diesen Weg. Zukünftig sind die Gewässer mit allen Zuflüssen fluss- gebietsbezogen zu bewirtschaften. Die hydrologischen Bedingungen und nicht mehr Verwaltungs- oder Staats- grenzen sind maßgebend. Die Kriterien für die Beurtei- lung des Gewässerzustandes sind nicht mehr die chemi- schen und physikalischen Parameter, sondern die Gewässerökologie, vor allem die Flora und Fauna. Für das Grundwasser ist Ziel, einen guten chemischen und mengenmäßigen Zustand zu erlangen. Der Weg, um die hier benannten Kriterien umsetzen zu können, sind national und international zu koordinierende Maßnahmeprogramme und Bewirtschaftungspläne. Neu ist auch, dass bei der Erstellung von Bewirtschaftungs- plänen die Öffentlichkeit frühzeitig und kontinuierlich in- formiert und auch angehört werden muss. Ich beurteile diesen Punkt sehr positiv. Längst ist es ja schon gängige Praxis, dass eine breite Öffentlichkeit sich sehr bewusst für Maßnahmen interes- siert, die in ihrem Umfeld passieren, und sich aktiv und konstruktiv einmischt. Aus diesem Grund stellen wir im § 36 b Abs. 5 WHG explizit klar, dass die Länder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22691 (C) (D) (A) (B) verpflichtet sind, die Öffentlichkeit über das in der Was- serrahmenrichtlinie vorgesehene dreistufige Beteili- gungsverfahren hinaus zu informieren und zu beteiligen. Vor dem Hintergrund der in letzten Jahren zum Teil sehr heftig geführten Liberalisierungs- und Privatisie- rungsdiskussion der deutschen Wasserwirtschaft unter- stütze ich sehr die Forderung nach der Deckung der Kos- ten der Wasserdienstleistungen einschließlich der umwelt- und ressourcenbezogenen Aufwendungen nach dem Verursacherprinzip im Artikel 9 der Wasserrahmen- richtlinie. Hier wird sich sehr schnell die immer wieder geführte Behauptung, dass in Deutschland die Wasser- preise viel höher sind als in anderen EU-Ländern, als völ- lig unbegründet erweisen. Mit der Wasserrahmenrichtlinie ist die Umsetzung ei- nes sehr ehrgeizigen Fristenkonzepts verbunden. Bis 2003 muss die Umsetzung in nationales Recht abge- schlossen sein. Das heißt, dass bis zu diesem Zeitpunkt auch die Bundesländer ihre Landeswassergesetze ent- sprechend den neuen Anforderungen angepasst haben müssen. Bis 2009 sind die Maßnahmeprogramme und Bewirtschaftungspläne zu erstellen und bis 2015 soll das Ziel eines guten Gewässerzustandes umgesetzt sein. Mit der nun vorliegenden Novelle des Wasserhaushaltsgeset- zes gehen wir einen großen Schritt in Richtung Zielmarke 2003. Aufgrund der ausschließlichen Rahmengesetzge- bungskompetenz des Bundes können nur wesentliche Aspekte der Wasserrahmenrichtlinie in die Novelle des WHG übernommen werden. Schwerpunkte sind Rege- lungsaufträge an die Länder wie zum Beispiel zu der Pflicht der Bewirtschaftung der Gewässer nach Flussge- bietseinheiten und der damit einhergehenden nationalen und internationalen Koordinierungs- und Abstimmungs- pflicht, zu der getrennten Regelung der Bewirtschaf- tungsziele und Bewirtschaftungsanforderungen für Ober- flächengewässer und das Grundwasser und zu der rahmenrechtlichen Regelung von Maßnahmeprogramm und Bewirtschaftungsplan, die die bisherigen Planungsin- strumente – Abwasserbeseitigungsplan, Reinhalteord- nung, wasserwirtschaftliche Rahmenpläne und Bewirt- schaftungspläne – ersetzen. Gestern haben wir im Bundestag den Antrag der Re- gierungsfraktionen „Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland“ diskutiert und verabschiedet. Eines der wichtigsten wasserwirtschaftlichen Leitprinzipien in Deutschland ist der vorsorgende und flächendeckende Grundwasserschutz. Hierzu gehört auch, dass bei der Ge- wässerbewirtschaftung der Grundsatz der ortsnahen Was- serversorgung im Vordergrund stehen muss. In den Wassergesetzen der Länder Berlin, Baden- Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Thüringen ist der Grundsatz der ortsnahen Wasserversor- gung verankert. Wir haben diese Regelung aufgegriffen und im § 1 Abs. 3 als allgemeinen Regelungsauftrag an die Länder verankert. Völlig außer Frage steht natürlich, dass im Falle von quantitativen oder qualitativen Mängeln beim Grundwasserdargebot oder aus ökonomischen Gründen natürlich auf eine Fernwasserversorgung zurückgegriffen werden kann und muss. Auch ein Zu- sammenschluss zum Beispiel benachbarter Gemeinden zu einem Zweckverband ist mit dieser Vorgabe nicht ausge- schlossen und kann weiter sinnvoll bleiben. Lassen sie mich noch kurz auf einen weiteren wichti- gen Punkt eingehen. Mit der Umsetzung der Wasserrah- menrichtlinie werden auch die Bewirtschaftungsziele für die Gewässer neu definiert. Das heißt, alle Maßnahmen, die Einfluss auf den Zustand eines Gewässers haben kön- nen, müssen sich an den Bewirtschaftungszielen ausrich- ten und diese berücksichtigen. Das trifft auch auf die Bundeswasserstraßen zu. Viele Vorfluter großer Einzugsgebiete sind über weite Strecken Wasserstraßen. Auch hier fordert die Wasserrahmenricht- linie, diese Einzugsgebiete integriert zu betrachten. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung bekommt hierbei eine neue Verantwortung innerhalb der Wasserwirtschaft. Landesbehörden müssen künftig mit den entsprechen- den Landes- und Bundesbehörden Einvernehmen bei der Bewirtschaftung von Flussgebietseinheiten und bei der Festlegung der Bewirtschaftungsziele und der Maßnah- menprogramme erzielen. Umgekehrt muss aber die Was- ser- und Schifffahrtsverwaltung diese entsprechenden Pläne bei Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen berück- sichtigen. Aus unserer Sicht ist es deshalb unerlässlich, diesen Fakt auch im Bundeswasserstraßengesetz festzu- schreiben. Wir haben dies über einen Änderungsantrag zum Gesetz auch getan. Die Wasserrahmenrichtlinie macht in ihrem zentralen Erwägungsgrund deutlich: Wasser ist keine übliche Han- delsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, vertei- digt und entsprechend behandelt werden muss. – Nach dieser Maxime handeln wir mit der vorliegenden Novelle des WHG, mit unseren Änderungsanträgen, mit unserem Antrag „Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland“. Danach müssen wir auch international handeln, sei es, in- dem wir einen Schwerpunkt bei Projekten in der interna- tionalen Zusammenarbeit auf das Wasser legen, indem wir die Rahmenbedingungen für die bessere internatio- nale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirt- schaft setzen oder indem wir unsere Anstrengungen für den Klimaschutz noch verstärken. National und international stehen wir in der Pflicht, un- sere Wasserressourcen dauerhaft zu schützen und sie, wo nötig, nachhaltig zu nutzen. Die 7. Novelle des Wasser- haushaltsgesetzes, die wir heute verabschieden werden, liefert uns ein gutes Handwerkszeug, um dieses Ziel in Deutschland und Europa zu verwirklichen. Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Die heutige Verab- schiedung des Wasserhaushaltsgesetzes am Tag des Was- sers macht deutlich, welche Bedeutung das Wasser als eine der wichtigsten Grundlagen des Lebens auch in der Gestaltung von Politik hat. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie ist der posi- tive Versuch, die Gewässerpolitik in eine gemeinsame Strategie zu stellen, gleichzeitig aber auch dem Vollzug eine gemeinsame Basis zu geben. Sie ist ein Beitrag zur nachhaltigen Wasserwirtschaft. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222692 (C) (D) (A) (B) Die Orientierung an den Grenzen von Gewässerein- zugsgebieten überwindet Verwaltungs- und Staatsgrenzen und ist beredter Ausdruck einer „grenzenlosen“ Gesamt- verantwortung für das Wasser. Es ist ein Weg, der in Deutschland zum Beispiel auch mit der Entwicklung der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung begonnen hat. Dieses Gesetz ist zugleich ein Ausdruck eines tiefgrei- fenden Wandels der Aufgaben der Wasserwirtschaftsver- waltung von einer historisch entstandenen nutzerorien- tierten, eher dienenden Funktion hin zu einer Priorität des Gewässerschutzes und der ökologischen Vernutzung. Die neue Definition von Gewässergüte ist ein deutlicher Aus- druck auch eines neuen Verständnisses. Die beim Bund liegende Verantwortung für die Rah- mengesetzgebung führt dazu, dass viele Konflikte folgen könnten, die sich mit der Umsetzung in Landesrecht er- geben. Deswegen ist unser Appell, dass die gute Vorarbeit zwischen Bund und Ländern für eine „Eins-zu-eins“-Um- setzung von EU- in Bundesrecht letztendlich auch in ei- ner „Eins-zu-eins“-Umsetzung von Bundes- in Landes- recht resultiert. Wir wollen hier insbesondere auch eine Entschärfung der zu erwartenden Konflikte mit der Land- wirtschaft, eine Berücksichtigung der Belange etwa auch der Grundeigentümer. Die besondere Lage entsteht hier unter anderem auch durch eine Verknüpfung von Natur- und Gewässerschutz. Die „Eins-zu-eins“-Umsetzung der Vorschläge der Bund-und-Länder-Arbeitsgruppe ist bedauerlicherweise durch einige wenige, aus der Sicht der CDU/CSU aller- dings wichtige Änderungsanträge von Rot-Grün aufgeho- ben worden. Die faktische Privilegierung des Klima- schutzes, indirekt der Wasserkraft, entspricht nicht dem Bild der Gewässerökologie. Der verfassungsrechtlich be- denkliche Vorrang der ortsnahen Wasserversorgung ist ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und schützt darüber hinaus keineswegs vor Liberalisierung. Ferner er- geben sich aus den Änderungsanträgen mehrere Konflikt- felder speziell für die Landwirtschaft. Diese Aspekte sind der Grund für die Ablehnung des durch Rot-Grün veränderten Gesetzes. Birgit Homburger (FDP): Die Novelle des WHG dient der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie. Deren Ziel ist es, durch eine umfassende integrierte Ge- wässerbewirtschaftung einen guten ökologischen, chemi- schen und mengenmäßigen Zustand der Gewässer sicher- zustellen. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Rahmen der Novellierung des WHG erfolgt im Wesentli- chen eins zu eins, was die FDP nicht zuletzt aus Wettbe- werbsgesichtspunkten begrüßt. Mit den von Rot-Grün im Ausschuss vorgelegten Än- derungsanträgen sind wir allerdings nicht vollständig ein- verstanden. Wir hätten uns einerseits gewünscht, dass weitere Änderungswünsche des Bundesrates übernom- men würden. Andererseits ist bei manchen Änderungsan- trägen zu befürchten, dass im Ergebnis bei der Umsetzung auf Länderebene über die Eins-zu-eins-Umsetzung hi- nausgegangen wird. Abzulehnen ist insbesondere der erste von Rot-Grün vorgelegte Änderungsantrag in seiner geänderten Fas- sung. Die Beratung im Umweltausschuss hat gezeigt, dass die ortsnahe Wasserversorgung zwar durchaus sinnvoll sein kann, eine generelle Vorrangregelung jedoch nicht er- forderlich und die von Rot-Grün gewählte Formulierung hinsichtlich ihrer Auswirkungen nicht abzuschätzen ist. Wenn die ortsnahe Wasserversorgung ein wesentliches in- haltliches Anliegen von Rot-Grün ist, wie vorgetragen wurde, stellt sich die Frage, warum dieser Änderungsan- trag zum Änderungsantrag zur WHG-Novelle erst einen Tag vor den Ausschussberatungen vorgelegt und der Vor- rang nicht schon im eigentlichen Gesetzentwurf festge- schrieben wurde. Weiterhin ist für uns wichtig, dass die Regelung des § 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG unangetastet bleibt. Bei der letzten Novellierung des WHG ist die FDP vehement dafür eingetreten, die dezentrale Beseitigung von häus- lichem Abwasser zu ermöglichen. Gerade im ländlichen Raum kann dies eine ökologisch und ökonomisch sinn- volle Möglichkeit sein. § 18 a Abs. 1 Satz 2 WHG ist zwar von der jetzigen Novelle nicht ausdrücklich be- troffen. Wir verlassen uns darauf, dass die Auskunft der Bundesregierung zutrifft, dass diese Vorschrift auch nicht durch eine andere Regelung indirekt ausgehebelt wird Wir als Bundesgesetzgeber haben im Bereich des Was- serhaushaltes nur eine Rahmengesetzgebungskompetenz, sodass die eigentlich materielle Umsetzung erst durch die Länderparlamente erfolgen wird. National haben wir im Gewässerschutz schon in der Vergangenheit viel erreicht. Im Gegensatz zu anderen EG-Mitgliedstaaten, wird die Umsetzung in Deutschland im Wesentlichen im adminis- trativen und organisatorischen Bereich erfolgen. An die Landesgesetzgeber möchte ich in diesem Zu- sammenhang die dringende Bitte richten, dass sie sich bei der Anpassung der Landeswassergesetze ebenfalls eng an der Wasserrahmenrichtlinie orientieren und praktikable und unbürokratische Regelungen beschließen. Wenn in den Landeswassergesetzen neue, weiter gehende Anfor- derungen an die Landwirtschaft gestellt werden, so müs- sen auch entsprechende Entschädigungen vorgesehen werden. Dem Entschließungsantrag der Union stimmen wir zu, da er auch unsere Kritikpunkte enthält. Bei der 7. WHG- Novelle werden wir uns aus den genannten Gründen ent- halten. Dr. Bärbel Grygier (PDS): Durch die 7. WHG-No- velle soll die Umsetzung der unfassenden und komplexen Wasserrahmenrichtlinie auf Bundesebene erfolgen. Für mich bedeutet dies einen Schritt nach vorn im Gewässer- schutz. Das Vorhaben wird allerdings durch die föderale Verantwortung der Bundesländer in Fragen der Wasser- wirtschaft erschwert. Abgesehen davon müssen jedoch ei- nige Knackpunkte noch einmal benannt werden. Die Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung ist weiter- hin nur an den in der Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Mindestanforderungen, also an Flusseinzugsgebieten und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22693 (C) (D) (A) (B) den entsprechenden Maßnahme- und Bewirtschaftungs- plänen, ausgerichtet. Konsequent im Sinne der Aarhus- Konvention wäre aber gewesen, wenn diese Beteiligung auf Teileinzugsgebiete erweitert worden wäre und zu ei- nem früheren Zeitpunkt stattfinden könnte. Eine Bürger- beteiligung, die das Gesamteinzugsgebiet von Oder, Rhein, Donau oder Elbe umfasst, kann die konkreten Be- lange kaum widerspiegeln. Die Umweltverbände hatten eine Beteiligung auf Ebene der Lokalen Agenda vorge- schlagen, um schon im Vorfeld Missverständnisse und Widerstände gegenüber Zustandsverbesserungen von Ge- wässern auszuräumen und realistische Maßnahmepläne zu gestalten. Zudem hebelt das derzeitige Verfahren, die Umset- zungsanforderungen der Wasserrahmenrichtlinie weitge- hend behördenintern auf Länderebene abzustimmen, die Beteiligungsrechte der Umweltverbände nach dem Bun- desnaturschutzgesetz aus. Wir begrüßen dagegen vor dem Hintergrund der Libe- ralisierungsdiskussion ausdrücklich das nun verankerte Bekenntnis zum Vorrang der ortsnahen Wasserversor- gung. Positiv ist außerdem zu vermerken, dass nun bei der Planung von Unterhaltung und Ausbau durch die Bundes- wasserstraßenverwaltung die einschlägigen Bestimmun- gen der Länder zu berücksichtigen sind. Wir hoffen, dass nunmehr verhindert wird, dass das Bundesverkehrsminis- terium Projekte bei Ausbau und Unterhaltung planen kann, die die Erreichung des guten ökologischen Zustands der Gewässer nach den gemäß Landesrecht aufgestellten Bewirtschaftungsplänen durch Anwendung von Bundes- recht verhindern. Die ausdrückliche Widmung der Wasserkraftnutzung als „im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit lie- gend“ ist im WHG entbehrlich. Schließlich hat ja auch das Umweltbundesamt die ökologischen Grenzen der Was- serkraftnutzung herausgearbeitet. Nunmehr hat die Koali- tion die Stellung der Wasserkraft in Abwägung mit den Bewirtschaftungszielen noch etwas verstärkt. Hier wird mit dem Klimaschutz argumentiert. Dies ist ein Tot- schlagargument. Denn in Wirklichkeit geht es ja um den Bau vieler kleiner Wasserkraftwerke, die die Durchgän- gigkeit der Flüsse verbauen und nur einen unwesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit: Wasser kennt keine Gren- zen – mittlerweile ein lapidarer Satz, könnte man meinen. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie hat ihn mit Le- ben erfüllt. Sie ist die Grundlage für eine neue europa- weite Wassersolidarität. Die Novelle des Wasserhaushalt- gesetzes, die heute von Ihnen beschlossen werden soll, ist der erste Schritt zur Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland. Das Datum ist gut gewählt, denn der 22. März ist der Weltwassertag. Er steht unter dem Motto „Wasser für Entwicklung“. Damit ist zwar vorrangig der Schutz von Wasserressourcen in den Entwicklungsländern angespro- chen. Aber auch in Deutschland und Europa gibt es Ent- wicklungspotenzial für den Gewässerschutz, wie die Was- serrahmenrichtlinie zeigt. Die Ende 2000 in Kraft getretene Richtlinie dient der Schaffung eines gemeinsa- men Ordnungsrahmens für die europäische Wasserpolitik. Die Gewässer sollen aufgrund gemeinsamer Absprachen grenzüberschreitend bewirtschaftet werden. Was bedeutet diese Richtlinie für die Gewässerbewirt- schaftung in Deutschland? Zunächst ist festzuhalten, dass die deutsche Wasserwirtschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten gerade im Hinblick auf die Reduktion der Schadstoffbelastung der Gewässer viel erreicht hat. Man denke nur an die Umsetzung einer flächendeckenden fort- schrittlichen Abwasserreinigung. Auf dem Status quo darf man sich nicht ausruhen. Er ist aber eine gute Basis für die Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben. Was bringt die Wasserrahmenrichtlinie Neues für die deutsche Wasserwirtschaft? Die deutschen und die euro- päischen Gewässer sind vom guten Zustand, wie er von der Wasserrahmenrichtlinie bis 2015 gefordert wird, zum Teil noch deutlich entfernt, vor allem weil die Richtlinie nicht nur auf die Gewässerchemie, sondern vorrangig auf die Gewässerökologie abstellt. Fauna und Flora in den Gewässern sollen so weit wie möglich dem natürlichen Zustand entsprechen. Hier gibt es noch viel zu tun, wenn man zum Beispiel an die Durchgängigkeit von Gewässern für Wanderfischarten denkt. Viele Gewässer, die früher Laichgewässer dieser Fische waren, sind durch Querbau- werke nicht mehr zugänglich. Gerade für die föderalistisch geprägte deutsche Was- serwirtschaft wird die von der Wasserrahmenrichtlinie ge- forderte grenzüberschreitende Kooperation auch organi- satorisch eine Herausforderung darstellen. Die Gewässer sind künftig in so genannten Flussgebietseinheiten inte- griert zu bewirtschaften. Diese Flussgebietseinheiten um- fassen ein Gewässer von der Quelle bis zur Mündung einschließlich seiner Einzugsgebiete mit dem dazu- gehörenden Grundwasser. Zehn Flussgebietseinheiten liegen ganz oder teilweise auf deutschem Hoheitsgebiet. Acht davon sind international. Der Koordinierungsauf- wand wird beträchtlich sein. Als Beispiel sei die Flussge- bietseinheit Rhein genannt, die zahlreiche deutsche Län- der, EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten umfasst. Die Koordinierungsstrukturen auf nationaler und internatio- naler Ebene werden derzeit intensiv diskutiert. Die Wasserrahmenrichtlinie wird nicht nur Auswir- kungen auf die Wasserpolitik haben. Sie wird sich auch auf andere Politiken auswirken. Betroffen ist zum Bei- spiel noch die Landwirtschaft, da sie zur Belastung der Gewässer durch diffuse Quellen beiträgt. Hier wird etwa die Düngepraxis ein Ansatzpunkt sein. Welche Maßnah- men zur Verbesserung des Gewässerzustands im Einzel- nen erforderlich sein werden, wird die Bestandsaufnahme zeigen, die bis Ende 2004 im Wesentlichen abgeschlossen sein muss. Abschließend möchte ich noch auf einen weiteren neuen Aspekt der Wasserrahmenrichtlinie hinweisen. Sie fordert eine intensive Information und Anhörung der Öf- fentlichkeit. Die Ziele der Richtlinie sollen der betroffe- nen breiten Bevölkerung und den interessierten Verbän- den transparent gemacht werden. Sie sollen an der Umsetzung aktiv beteiligt werden. Hier haben EU, Bund und Länder durch erste Informationsveranstaltungen, In- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222694 (C) (D) (A) (B) ternetseiten und Broschüren bereits einen viel verspre- chenden Anfang gemacht. Sie sehen: Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist der Einstieg in eine nachhal- tige europäische Wasserwirtschaft. Diese Chance gilt es zu nutzen! Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherheitsver- wahrung (Tagesordnungspunkt 28) Joachim Stünker (SPD): Wir bringen heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung ein. Am 19. Okto- ber des vergangenen Jahres haben wir in diesem Hohen Hause den Gesetzentwurf der CDU/CSU zur nachträgli- chen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungs- verwahrung diskutiert, das heißt zur Anordnung der Un- terbringung in der Sicherungsverwahrung außerhalb eines rechtskräftigen Urteils aufgrund neuerer Erkenntnisse im Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe durch nachträgli- chen Beschluss einer Strafvollstreckungskammer. Gegen diesen Entwurf der Unionsparteien habe ich seinerzeit schwerwiegende verfassungsrechtliche und rechtssystematische Einwände vorgetragen. Ich habe da- rauf hingewiesen, dass die Anordnung der Sicherungsver- wahrung für einen Straftäter nach der Verhängung der le- benslangen Freiheitsstrafe die gravierendste Sanktion ist, die ein Strafgericht verhängen kann. Ich habe darauf hin- gewiesen, dass für jeden Straftäter die rechtsstaatlichen Garantien der Strafprozessordnung gelten müssen. Des- halb dürfen auch einem bereits rechtskräftig Verurteilten durch eine Nachfolgeentscheidung die wichtigsten Ga- rantien eines fairen Hauptverfahrens nicht vorenthalten werden. Diese Garantien sind: mündliche öffentliche Hauptverhandlung, die Beteiligung von Schöffen an der Urteilsfindung, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, das durch die Möglichkeit der Revision gesicherte Be- weisantragsrecht und die Pflichtverteidigung in der Hauptverhandlung. Diese verfassungsrechtlichen und rechtsstaatlichen Bedenken sind in der Sachverständigenanhörung vom 20. Februar diesen Jahres eindrucksvoll bestätigt worden. Als Ergebnis der Anhörung darf festgehalten werden: Erstens. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung läuft Gefahr gegen das Rückwirkungsverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG zu verstoßen. Zweitens. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung berührt auch das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 103 Abs. 3 GG. Bei ihrer Anordnung würde gegen ei- nen Straftäter durch zwei konstitutive Entscheidungen nacheinander eine Freiheitsentziehung verfügt. Drittens. Der gravierendste Einwand ist aber ihre Un- vereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach der europäischen Men- schenrechtskonvention ist nur die in einer strafrechtlichen Verurteilung angeordnete Sicherungsverwahrung zuläs- sig. Eine bloße Gefährlichkeit hingegen ist kein Grund für eine unbestimmte Freiheitsentziehung. Diese berechtigten Bedenken nimmt der von den Re- gierungsfraktionen jetzt vorgelegte Gesetzentwurf auf. Der Entwurf sieht vor, die zusätzlich erforderlichen Si- cherungen bei einem Täter zu schaffen, bei dem im Zeit- punkt des Urteils des erkennenden Gerichts der Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht mit der erforderli- chen Sicherheit festgestellt werden kann, dieser Hang sich jedoch während des Vollzuges der Freiheitsstrafe nach weiterer psychiatrischer Begutachtung herausstellt. Dem erkennenden Gericht wird daher die Möglichkeit einge- räumt, die Entscheidung über die Anordnung der Siche- rungsverwahrung bereits bei Verurteilung des Täters im Urteil vorzubehalten. Ergibt sich dann nach Teilver- büßung der verhängten Strafe, dass von dem Verurteilten erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, so kann die Strafvollstreckungskammer die im Urteil be- reits vorbehaltene Unterbringung in der Sicherungsver- wahrung noch rechtzeitig vor der Strafverbüßung anord- nen. Durch diese Regelung wird die weitere Sicherungs- möglichkeit geschaffen, das erkennbar schwerst gewalt- tätige Straftäter nicht sozusagen sehenden Auges nach endgültiger Verbüßung der verhängten zeitigen Freiheits- strafe aus der Haft entlassen werden müssen. Ich füge aber mit Nachdruck hinzu: Auch diese vorgeschlagene Rege- lung werden wir in einer ausführlichen Sachverständigen- anhörung auf den Prüfstand stellen lassen. Hierbei wird insbesondere die Frage zu erörtern sein, ob die für die An- ordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung not- wendige Prognoseentscheidung wie vorgesehen durch eine Strafvollstreckungskammer vorgenommen werden kann. Die Alternative hierzu wäre das erkennende Ge- richt, das in einer erneuten Hauptverhandlung mit allen strafprozessrechtlichen Garantien zu entscheiden hätte. Wir haben uns im Rechtsausschuss darauf verständigt, diese Anhörung gleich nach Ostern durchzuführen. Wir werden daher den Gesetzesbeschluss noch in dieser Le- gislaturperiode fassen können. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Zwischen den Regie- rungsfraktionen und dem Bundeskanzler hat sich über diese Legislaturperiode hinweg eine sehr spezifische Ar- beitsteilung entwickelt. Gerhard Schröder als Kanzler ist für die Schlagzeilen und die markigen Sprüche zuständig. Diese Sprüche stehen dann schon mal – und dies ist heute hier kein Einzelfall – in deutlichem Widerspruch zur rea- len Politik der Regierungsfraktionen in diesem Hause. Ich bin mir sicher, dass nicht nur den Familien der Op- fer von Sexual- und Gewaltdelikten das populistische Wort des Bundeskanzlers „Wegschließen – und zwar für immer“ noch im Ohr hallt und unsere Mitbürger auch die entsprechenden fetten Schlagzeilen noch vor ihrem geis- tigen Auge sehen. Nur folgen den markigen, vollmundigen Sprüchen des Kanzlers, die des Öfteren meilenweit von dem entfernt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22695 (C) (D) (A) (B) sind, rechtlich überhaupt umsetzbar ist, dann erwartungs- gemäß keine – oder zumindest lange Zeit keine – Taten. Dies ändert sich erst dann rasant, wenn ein Wahltermin vor der Tür steht und den Bürgern gegenüber nun ganz schnell die bisherige Untätigkeit kaschiert werden soll. Geradezu ein Paradebeispiel dieses Verhaltensmusters ist die Debatte und die Behandlung der entsprechenden Gesetzentwürfe zur Regelung der nachträglichen Siche- rungsverwahrung. Der Ausgangspunkt all unserer Überlegungen ist dabei eigentlich unstrittig. Das bestehende Strafrecht weist of- fenkundig – und von niemandem bestritten – eine Lücke auf. Nach geltender Gesetzeslage muss im Urteil bereits Sicherungsverwahrung angeordnet worden sein, wenn die Bevölkerung vor einem gefährlichen Hangtäter geschützt werden soll. Nun gibt es zahlreiche Strafprozesse, bei de- nen das Tatgericht keine Sicherungsverwahrung angeord- net hatte und sich erst während der Haftzeit des Täters dessen Gefährlichkeit im Sinne des § 66 StGB heraus- stellte. Nach geltendem Recht müssen wir diese Hangtä- ter vor die Türen der Vollzugsanstalten setzen, obwohl wir ziemlich genau wissen, dass sie mit hoher Wahrschein- lichkeit wieder schwere Delikte begehen werden. Diese erkennbare Lücke müssen wir als Gesetzgeber schließen. Es kann doch einfach nicht richtig sein, dass wir sehenden Auges die Allgemeinheit vermeidbaren Ge- fahren aussetzen, nur weil das erkennende Gericht – was ich ihm gar nicht vorwerfe – zum Zeitpunkt der Urteils- verkündung die Gefährlichkeit des Täters nicht hundert- prozentig feststellen konnte oder wollte. Zukünftig dürfen sich Fälle einfach nicht mehr wie- derholen, wie sie sich exemplarisch im vergangenen Jahr in meinem Wahlkreis abgespielt haben. Wegen gemein- schaftlichen Mordes in vier Fällen verbüßte in der JVA Kassel ein junger Erwachsener eine Jugendstrafe von zehn Jahren. In einem psychiatrischen Gutachten ist in schlüssiger Weise dargelegt worden, dass die Sozialpro- gnose des Verurteilten äußerst negativ ist. Dem Verurteil- ten wurde eine antisoziale Persönlichkeitsstörung attes- tiert. Daher gab es bis zum Endstraftermin keinen offenen Vollzug, keinen Urlaub, keine vorbereitenden Ausgänge. Wegen der mutmaßlichen fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten war eine Entlassung eigentlich auch nicht zu verantworten. Da keine Sicherungsverwahrung im Ur- teil angeordnet wurde, musste diese Person im Frühjahr 2001 allerdings entlassen werden. Ich ziehe aus diesem Beispiel, aber auch aus Fällen vergleichbarer Art eine eindeutige Schlussfolgerung für mich und selbstverständlich auch für meine Fraktion: Diesem haltlosen Zustand muss der Gesetzgeber schnell und nachdrücklich entgegenwirken. Wir müssen unser Bundesrecht dahin gehend ändern, dass bis zum Haftende die Unterbringung in der Sicherungsverwah- rung angeordnet werden kann, falls sich erst nach der Ver- urteilung des Täters, also im Vollstreckungsverfahren, seine Gefährlichkeit erweist. Der Anknüpfungspunkt ist dabei eine entsprechende Änderung des § 66 StGB. Nun vertrete ich persönlich diese Erkenntnis heute hier nicht zum ersten Mal. Das gilt erst recht nicht für die CDU/CSU-Fraktion. Auch die unionsgeführten Bundes- länder versuchen seit Jahren, eine Änderung zum besse- ren Schutz der Bevölkerung vor Hangtätern im Bundes- recht zu verankern. Immer wieder wurden sie von den SPD-geführten Ländern ausgebremst. Ich hoffe, dass der Bundesrat die Kraft aufbringen wird, einen Gesetzent- wurf zur Änderung des § 66 StGB einzubringen. Als CDU/CSU-Fraktion haben wir im Oktober letzten Jahres den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und an- deren Straftaten in dieses Haus eingebracht, dessen ab- schließende Lesung in der kommenden Sitzungswoche geplant ist. Ich appelliere an alle Fraktionen dieses Hau- ses, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen, denn die er- forderliche nachträgliche Anordnung der Sicherungsver- wahrung ist in unserem Gesetzentwurf weitaus besser und weitaus umfassender als im vorliegenden Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen geregelt. So bietet die so genannte Vorbehaltslösung, die uns von den Regierungsfraktionen in ihrem Gesetzentwurf offe- riert wird, keinerlei Lösung für die gefährlichen Altfälle, also für solche Hangtäter, die eine Freiheitsstrafe ver- büßen, die vor dem In-Kraft-Treten der angekündigten Neuregelung verhängt worden ist. In den kommenden Jahren sind also Situationen weiterhin möglich, wie ich sie anhand des Kasseler Beispiels geschildert habe. Dies ist eine Lösung mit einer sehr langen, eigentlich fast nicht zu verantwortenden Übergangsfrist. Viel gravierender ist noch die Tatsache, dass dieser Entwurf all diejenigen Fälle ungelöst lässt, in denen an- lässlich der Verurteilung kein Vorbehalt ausgesprochen wird und sich dennoch während der Haft die besondere Gefährlichkeit des Täters herausstellt. Um diesem Di- lemma zu entgehen, könnten die Gerichte quasi automa- tisch und prophylaktisch einen Vorbehalt aussprechen. Ob dies ein wünschbares Verhalten wäre, wage ich allerdings auch zu bezweifeln. Im Übrigen bin ich mehr als irritiert, dass die Vorbe- haltslösung sich nur auf Verurteilungen erstrecken soll, die wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten ausgesprochen werden. Damit sind alle gefähr- lichen Hangtäter im Sinne der übrigen Absätze außen vor – eine nicht gerade kleine Gruppe! Wollen die Sozialdemo- kraten wirklich allen Ernstes die Verantwortung dafür übernehmen, dass gefährliche Hangtäter, weil sie zufälli- gerweise nicht unter den Absatz 3 fallen, weiterhin auf die Öffentlichkeit losgelassen werden können? Ich hoffe ja noch darauf, dass dies lediglich ein handwerklicher Feh- ler in der Eile der Gesetzesproduktion war. Bei einer Gesamtwürdigung des vorliegenden Ent- wurfs komme ich daher über ein „besser als nichts“ leider nicht hinaus. Dieser Entwurf ist zu deutlich von dem Bemühen getragen, noch kurz vor dem 22. September schnell etwas vorweisen zu können. Es wäre doch allzu peinlich und allzu offensichtlich, wenn die markigen Sprüche des Kanzlers bei den Regierungsfraktionen völ- lig verhallen würden. Einen konsequenten Schutz der Bevölkerung vor Ge- walt- und Sexualverbrechern, die unter Sicherungsver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222696 (C) (D) (A) (B) wahrung gehören, bietet nur der Entwurf der CDU/CSU- Fraktion. Ich hoffe, dass wir am 22. September von den Bürgern das Mandat erhalten, dass dieser gute Entwurf auch Gesetzeskraft erhält. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Sicherungsverwahrung ist der schwerwiegendste Ein- griff in die Freiheitsrechte eines Menschen, den unser Strafgesetzbuch vorsieht. Sie ist das eigentliche „Lebens- länglich“. Für den Betroffenen kann es das Weggeschlos- sensein für immer und ewig bedeuten. Deshalb ist die Ver- hängung dieser einschneidenden Maßnahme auch nur zu rechtfertigen, wenn sie zum Schutz der Bevölkerung vor schwerwiegenden Straftaten absolut unerlässlich ist. Mit der vorliegenden Vorbehaltslösung schließen wir eine Gesetzeslücke, die – wenn auch nur in sehr wenigen Fällen – dazu führen könnte, dass Personen selbst dann aus der Strafhaft entlassen werden können, wenn nahezu sicher feststeht, dass sie danach weitere schwere Strafta- ten begehen werden. Mit diesem Gesetzentwurf ist es der Koalition gelungen, sowohl den Schutz der Bevölkerung vor schweren Straftaten zu optimieren als auch dem schweren Eingriffscharakter der Sicherungsverwahrung gerecht zu werden. In materieller Hinsicht grenzen wir den Anwendungs- bereich auf schwere Delikte ein: auf Straftaten gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperli- che Unversehrtheit. In verfahrensrechtlicher Hinsicht haben wir eine Reihe rechtsstaatlicher Sicherungen eingebaut. Zum Beispiel muss die Entscheidung über die nachträgliche Siche- rungsverwahrung spätestens ein halbes Jahr vor dem Zeit- punkt getroffen werden, zu dem über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung entschieden werden kann. Das ist nur fair: denn ohne so eine zeitliche Beschränkung könnte sich jemand, der wegen einer schweren Straftat verurteilt ist, bis zu seiner Entlassung nicht darauf ein- stellen, ob er in Freiheit entlassen wird oder nicht. Auch die Beiordnung eines Verteidigers für das Verfahren ist unerlässlich. Dieser Entwurf ist der einzige Weg, um die eingangs skizzierte Gesetzeslücke in rechtsstaatlich vertretbarer Weise zu füllen. Wären wir Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, gefolgt, dann hätten wir mit Sicherheit Probleme in Karlsruhe bekommen. Denn Ihre nachträgliche Sicherungsverwahrung wäre schon deshalb verfassungswidrig gewesen, weil im ursprünglichen Ur- teil davon überhaupt keine Rede sein soll. Da fehlt dann jeglicher Zusammenhang zwischen Tat und Sanktion; das Verbot der Doppelbestrafung wird negiert. In der Sach- verständigenanhörung im Rechtsausschuss ist unter ande- rem auch deshalb der Unionsentwurf zu Recht auf harsche Kritik gestoßen. Völlig abwegig ist übrigens der Vorwurf der CDU/CSU, wonach man mit unserer Vorbehaltslösung an die aktuellen Strafgefangenen nicht herankomme Ja, um Himmels willen! Was für ein Rechtstaatsverständnis liegt dieser These eigentlich zugrunde! Mit dieser Einstellung könnten wir ja gleich das Rückwirkungsverbot von Straf- gesetzen abschaffen. Auch der hessische Vorschlag zur Sicherungsverwah- rung war zur Umsetzung nicht geeignet. Hessen hat zwar immerhin unsere Vorbehaltslösung in seinem Entwurf auf- gegriffen. Aber es wäre nicht verhältnismäßig gewesen, die Regelung auf sämtliche Straftaten zu erstrecken. Wir haben auch hier die verfassungskonforme Lösung gefun- den, indem wir explizit auf § 66 Abs. 3 StGB hinweisen. Eines übrigens möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Bei der Sicherungsverwahrung handelt es nicht um eine Strafe. Daher muss die Sicherungsverwahrung auch so ausgestaltet werden, dass sie keine über die, reine Si- cherung hinausgehenden Eingriffe mit sich bringt. Der- zeit unterscheidet sich die Sicherungsverwahrung in der Praxis jedoch in der Regel nicht vom normalen Strafvoll- zug. Daher halte ich ein Sicherungsverwahrungsvollzugs- gesetz in nächster Zukunft für erforderlich. Machen wir uns nichts vor: Die strafrechtliche Reak- tion auf bereits geschehene Taten kann den Schutz der Be- völkerung vor Gewalt allein nicht gewährleisten. Wir le- gen deshalb einen Schwerpunkt unserer Politik auf präventive Maßnahmen und auf den Opferschutz. Präven- tion beginnt im Kindesalter. Erst Rot-Grün hat Kindern endlich ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung einge- räumt. Dies ist nicht nur Voraussetzung einer kinder- freundlichen Gesellschaft, sondern auch ein wichtiger Schritt zur langfristigen Gewaltprävention, denn wer als Kind Gewalt erfahren musste, neigt später verstärkt dazu, selbst gewalttätig zu werden. Jörg van Essen (FDP): Zahlreiche spektakuläre Fälle haben in der Vergangenheit gezeigt, dass es in Deutschland ein Defizit im Umgang mit Sexual- und Ge- waltverbrechern gibt. Obwohl alle Fachleute einen Häft- ling negativ beurteilen und mit hoher Sicherheit mit wei- teren schwersten Taten rechnen, müssen diese häufig entlassen werden. Dies ist der Bevölkerung zu Recht nicht zu vermitteln. Die Politik ist hier aufgerufen, den berech- tigten Ängsten und den erheblichen Gefährdungen von Leben und Gesundheit der bedrohten Bürger entschieden entgegenzutreten und Menschen erst gar nicht zu Opfern werden zu lassen. Die Bundesregierung hat lange Zeit tatenlos zugesehen und weder das Problem noch die Ängste in der Bevölke- rung erkannt. Auf diesem Gebiet hat Rot-Grün völlig ver- sagt. Es hätten viele Verbrechen vermieden werden kön- nen, wenn die nachträgliche Sicherungsverwahrung schon vorher möglich gewesen wäre und die Bundesre- gierung die Initiativen der Länder unterstützt hätte. Die Länder Baden-Württemberg und Bayern haben bereits vor Jahren eigene Initiativen hierzu gestartet. Es ist daher bedauerlich, dass die Initiative der Bundesregierung erst jetzt zum Ende der Wahlperiode vorliegt. Bei jeder Diskussion zum Sexualstrafrecht hat die Bundesregierung derartige Pläne brüsk zurückgewiesen. Noch im Herbst letzten Jahres haben Vertreter der Koali- tionsfraktionen im Bundestag die nachträgliche Sicher- heitsverwahrung vehement bekämpft. Der Kollege Beck Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22697 (C) (D) (A) (B) hat damals gesagt, die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung missachte elementare Verfassungs- grundsätze und sei daher abzulehnen. Ebenso argumen- tierte der Kollege Stünker. Er sagte damals, die Anord- nung der nachträglichen Sicherungsverwahrung käme einem Geheimverfahren gleich. Und ich zitiere: „Damit wären wir fast wieder im Mittelalter.“ Nach heutiger Rechtslage hat die Justiz keinerlei Mög- lichkeiten einzugreifen, wenn sich erst im Strafvollzug herausstellt, dass der Verurteilte nach der Entlassung wahrscheinlich wieder rückfällig wird. Oftmals kann die persönliche Entwicklung des Verurteilten erst nach der Einweisung in den Strafvollzug abschließend beurteilt werden. Gerichte müssen daher die Möglichkeit haben, die Rückfallprognose eines Täters auch noch später prü- fen zu können. Hier liegt auch der zentrale Punkt der Diskussion. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch zur Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit und ohne Vor- behaltslösung. Das Problem der Vorbehaltslösung liegt darin, dass das Gericht sich bereits bei der Verurteilung mit der besonders hohen Gefährlichkeit des Täters ausei- nander setzen muss. Kann diese Prognose erst während des Strafvollzugs getroffen werden, scheidet die Siche- rungsverwahrung aus. Andererseits müssen wir sehen, dass wir es hier mit ei- nem sehr sensiblen Grundrechtsbereich zu tun haben. Un- abdingbare Voraussetzung ist daher, dass die getroffene Regelung an sehr hohe materielle und verfahrensrechtli- che Voraussetzungen geknüpft sein muss. Dazu gehört für mich zum Beispiel die Anordnung durch die Strafvoll- streckungskammer. Das bedeutet auch, dass wir uns in keinem Fall in einer verfassungsrechtlichen Grauzone be- wegen dürfen. Die Verfassungsgrundsätze des Rückwir- kungsverbots und der Rechtssicherheit müssen gewähr- leistet werden. Dem entspricht eher die Vorbehaltslösung. Es gibt jedoch auch verfassungsrechtliche Gutachten, in denen rechtliche Bedenken gegen die Sicherungsverwah- rung ohne Vorbehalt ausgeräumt werden. Über diese zen- trale Frage müssen wir in den Beratungen sorgfältig dis- kutieren. Die FDPwill die nachträgliche Sicherungsverwahrung und hofft auf eine schnelle Einigung. Wir haben schon lange genug gewartet. Jetzt muss endlich gehandelt und entschieden werden. Die Bürger verlangen dies von uns zu Recht. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Die Sicherungsverwah- rung ist nichts Neues. Einschlägige Kommentare spre- chen von ihr als der „problematischsten Maßregel des Strafrechts“, der „letzten Notmaßnahme der Kriminalpo- litik“. Nun beraten wir heute über die Ausweitung dieser problematischen Maßregel. Sie soll nach dem Willen der Einreicher des vorliegenden Gesetzentwurfs zukünftig auch nachträglich für potenziell gefährliche Straftäter an- geordnet werden, die sich im Strafvollzug befinden. Die Initiatoren des Gesetzentwurfs wissen natürlich genau um die nicht nur juristischen Probleme, die damit verbunden sind. Nicht nur mir, sondern auch ihnen ist ge- wiss nicht wohl bei der Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung und so wird eine Vorbehaltslö- sung vorgeschlagen. Und selbst die ist – wie mein straf- rechtserfahrener Kollege Stünker ehrlicherweise im Aus- schuss schon bekannt hat – keineswegs eine rechtsstaatlich unbedenkliche Lösung. Was aber veranlasst uns eigentlich, heute darüber zu debattieren? Ist es die Einlösung des Kanzlerwortes vom Wegsperren, ein akutes rechtstatsächliches Problem oder beides? In der Gesetzesbegründung finde ich dazu nichts. Bei der jüngsten Anhörung zu Sexualstraftaten stieß die Initiative der Union, eine nachträgliche Sicherheits- verwahrung anzuordnen, wenn sich ein Sexualtäter bei Verbüßen seiner Haftstrafe als hochgefährlich erweist, bei einigen Experten auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken. Der nun vorgeschlagene Vorbehalt ist ein Kompromiss, doch leider kein idealer. Denn dadurch be- steht ganz praktisch die Gefahr, dass in jedem Verfahren, bei dem geringste Zweifel an der Ungefährlichkeit eines Straftäters auftauchen, ein solcher Vorbehalt ausgespro- chen werden wird. Doch damit nicht genug. Die Krux bei der nachträgli- chen Sicherungsverwahrung besteht ganz grundsätzlich darin, dass, wenn eine nachträgliche Anordnung von Frei- heitsentziehung unter weitgehender Abkopplung von Straftaten aufgrund einer prognostischen Mutmaßung erst einmal akzeptiert wird, dann alsbald die Suche danach einsetzen dürfte, wo man ähnlich weitere Lücken zur Be- friedigung des Sicherheitsbedürfnisses der Bürger schließen kann. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist sowohl aus verfassungsrechtlicher wie menschenrechtlicher Sicht hochproblematisch. Neben der möglichen Doppelbestra- fung und dem Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot stellt sich nicht zuletzt die Frage der Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Regelung. Maßregeln sind Maßnah- men der Gefahrenabwehr. Bemessungsgrundlage ist da- her nicht die Schuld, sondern letztlich das Sicherheitsbe- dürfnis. Statt des sanktionslimitierten Schuldprinzips gilt deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das Bundesver- fassungsgericht stellt hier bekanntlich wesentlich darauf ab, ob das Maß der den Einzelnen betreffenden Maß- nahme noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Und auf diese Frage habe ich keine überzeugende Antwort im Ge- setzentwurf gefunden. Aber fest steht Folgendes: Da es an zuverlässigen Pro- gnosekriterien mangelt, könnte eine unbestimmte Zahl von „falsch negativ“ eingeschätzten Betroffenen – erst einmal untergebracht – kaum eine Chance haben, jemals lebend aus der Sicherungsverwahrung entlassen zu wer- den. Die Einführung der nachträglichen Sicherungsver- wahrung bedeutet damit die Einführung eines tatsächlich lebenslangen Freiheitsentzuges. Abschließend möchte ich Sie noch auf einen offen- sichtlichen Fehler aufmerksam machen. Herr Ströbele steht in der Liste der Initianten. Das kann nicht sein. Denn bei Frau Christiansen hat Kollege Ströbele zum Kanzler- wort geäußert: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222698 (C) (D) (A) (B) Das halte ich für verfassungsrechtlich nicht haltbar, das ist ein Bruch mit unserem Schuldstrafrecht. Wir dürfen nicht vergessen: Die Sicherungsverwahrung ist eine Maßregel, welche die Nazis 1933 eingeführt haben. Die Formel „für immer“ geht schon gar nicht. Vergessen wir doch um Himmels willen nicht, weil Wahlkampf ist, unseren Rechtsstaat und unser Grundgesetz. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Es ist wichtig, hart nicht nur ge- gen die Kriminalität sondern auch konsequent gegen die Ursachen der Kriminalität vorzugehen. Kriminalpolitik muss schließlich den Schutz der Bürgerinnen und Bürger und die Belange der Opfer angemessen einbeziehen, das ist nicht weniger wichtig. Der Ihnen heute vorliegende Entwurf der Bundesre- gierung setzt an der Schnittstelle zwischen Bestrafung und Vorbeugung an. Immer wieder hören wir schreckliche Berichte von Sexualverbrechen, vor allem an Kindern. In- zwischen haben die Gerichte eine ganze Menge Möglich- keiten, diese Taten streng zu bestrafen und auch dafür zu sorgen, dass die Täter – wenn nötig – in Sicherungsver- wahrung gelangen, also nicht wieder auf freien Fuß kom- men und ihre entsetzlichen Taten begehen können. So kann seit der letzten Erweiterung der gesetzlichen Mög- lichkeiten zum Schutz vor schweren Sexualstraftaten in 1998 Sicherungsverwahrung bereits bei der ersten Rück- falltat angeordnet werden und ist generell zeitlich unbe- schränkt. Da wir aber in der Pflicht sind, den Schutz der Bevöl- kerung vor schwersten Straftaten ständig zu überprüfen und mögliche Schutzlücken zu schließen, haben wir uns Gedanken über immerhin vorstellbare Fälle gemacht und sind dabei auf folgende Konstellation gestoßen: Es ist denkbar, dass in einzelnen Fällen hoch gefährliche Straftäter aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe entlassen werden könnten, deren Gefährlichkeit zum Zeitpunkt des Urteils nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte, während sie zum Zeitpunkt der Entlas- sung aus dem Vollzug feststeht. Ich spreche von „denkbaren Fällen“, weil die vom Bundesministerium der Justiz durchgeführte Länderum- frage das Ergebnis erbracht hat, dass solche Fälle in der Praxis allenfalls – und ich betone nochmals: allenfalls! – vereinzelt vorkommen. Nun gilt auch hier, dass jede Tat eine Tat zu viel ist. We- gen ihrer großen Gefährlichkeit haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, auch vor solchen „Ausnahmefällen“ geschützt zu werden. Mit unserem Entwurf wollen wir deshalb den Gerich- ten die Möglichkeit geben, in Zweifelsfällen quasi abzu- warten, welche Erfahrungen man im Vollzug mit dem Tä- ter macht. Der Entwurf sieht vor, dass das erkennende Gericht in seinem Urteil die Unterbringung in der Siche- rungsverwahrung vorbehalten kann, und die endgültige Anordnung später erfolgt, wenn nach Teilverbüßung der Strafe die Gefährlichkeit des Verurteilten feststeht. Diese so genannte „vorbehaltene“ Sicherungsverwah- rung enthält also rechtsstaatlich bedenkenfreie Reaktions- möglichkeiten, die unter Umständen besonders für den Umgang mit sehr gefährlichen Tätern benötigt werden. Gerade bei deren Aburteilung wollen wir keine Lücken zulassen, selbst wenn sie eher selten auftauchen. Gegenüber dem Modell der „nachträglichen Siche- rungsverwahrung“ – das der Entwurf der CDU/CSU- Fraktion verfolgt – hat das „Vorbehaltsmodell“ entschei- dende Vorteile. Sie sind auch in der vom Rechtsausschuss durchgeführten Expertenanhörung klar herausgearbeitet worden: Durch den Vorbehalt im Strafurteil wird der Bezug zu der begangenen Tat hergestellt. Die Regelungskompetenz des Bundes folgt daher aus dem Titel „Strafrecht“, während es sich bei der „nachträglichen“ Sicherungsver- wahrung um eine reine Gefahrenabwehrmaßnahme han- delt, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Die spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung durchbricht nicht die Rechtskraft des Urteils, das im Falle des Vorbehalts ja gerade den Weg zur Anordnung der Si- cherungsverwahrung frei gemacht hat. Es besteht auch nicht – wie bei dem Modell der isoliert angeordneten „nachträglichen“ Sicherungsverwahrung – die Gefahr, dass die neue Regelung zur Korrektur des Ur- teils benutzt werden wird. Diese wollen wir nämlich nicht. Vielmehr sollen die erkennenden Gerichte in der Pflicht bleiben, nach den bereits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten selbst über die Anordnung der Siche- rungsverwahrung zu entscheiden. Die Vorbehaltslösung ermöglicht, in dogmatisch sau- berer Weise als Grundlage der abschließenden Gefähr- lichkeitsprognose sowohl Umstände der Tat und ihrer Vorgeschichte als auch Erkenntnisse aus dem Strafvollzug zu berücksichtigen, die für sich allein genommen regel- mäßig eine zu dünne Grundlage für eine Kriminalpro- gnose sind. Und schließlich mag das Wissen, unter dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zu stehen, bei den Verurteilten auch die Bereitschaft wecken, an seiner Resozialisierung aktiv mitzuarbeiten – eine Bereitschaft, die gerade bei vie- len Sexualstraftätern nicht vorhanden ist. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlungen und des Berichtes zu den Anträgen: – Wiedererhebung der Vermögensteuer – Erbschaftsbesteuerung sofort reformieren (Tagesordnungspunkt 29 a und b) Simone Violka (SPD): Indem die PDS-Fraktion ihren Antrag zur Wiedererhebung der Vermögensteuer immer wieder stellt, zugegeben immer mit veränderten Nuancen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22699 (C) (D) (A) (B) um einen Anschein der Aktualität zu geben, wird er weder besser noch zustimmungsfähiger. Die PDS-Fraktion beklagt in ihrem Antrag, es gebe in Deutschland eine verteilungspolitische Schieflage. Dem muss ich vehement widersprechen; denn es ist ihnen scheinbar total entgangen, dass es die rot-grüne Bundes- regierung mit den sie tragenden Fraktionen war, die die unter der CDU/CSU-FDP-Regierung entstandenen Miss- stände wieder in Ordnung gebracht hat. Uns geht es in der Frage der Besteuerung nicht darum, dass Menschen mit einem hohen Einkommen über die von ihnen geforderte Vermögensteuer zweimal Steuern zahlen müssen, son- dern dass jedes Einkommen nach seiner Leistungsfähig- keit besteuert wird. Aus diesem Grund haben wir 70 steuerliche Sondertat- bestände abgeschafft, deren Nutznießer nur die Bezieher hoher Einkommen waren, die sich dadurch ihrer Steuer- schuld im erheblichen Maße, in vielen Fällen sogar ganz entziehen konnten. Das ist für eine solidarische Gesell- schaft so nicht hinnehmbar. Daher sind wir aktiv gewor- den, um dort wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Die Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion ge- hen in ihrem Antrag auf diese Fälle ja auch ein und for- dern mit ihrem Gesetz dafür quasi eine nachträgliche Be- steuerung. Aber so kann man das nicht angehen. Zum einen ist überhaupt nicht feststellbar, wer sich dieser le- galen steuersparenden Instrumente bedient hat und wer trotz hohen Einkommens auch hohe Steuern gezahlt hat. Dazu kommt noch, dass sie mit ihrem Gesetzentwurf all jene bestrafen wollen, die sparsam mit ihrem erarbeiteten Vermögen umgehen. Denn jeder, der sein hohes Einkom- men ausgibt und einen luxuriösen Lebensstil vorzieht, wird von ihnen nicht belangt, da eventuell kein Vermögen vorhanden ist, was besteuert werden kann. Sie übersehen auch immer wieder, wenn sie ihre popu- listischen Neidanträge stellen, dass sie verfassungsrecht- lich auf tönernen Füßen stehen. Rechtmäßig erworbenes Vermögen ist bereits versteuert und das Bundesverfas- sungsgericht hat eindeutig die Besteuerung dieses Vermö- gens mit der Konsequenz einer Gesamtsteuerlast aus Ein- kommensteuer und Vermögensteuer von über 50 Prozent für verfassungswidrig erklärt. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ausdauer sie sich mit ihren Anträgen immer wieder über diese verfassungs- rechtliche Entscheidung hinwegsetzen. Dabei betonen sie doch immer wieder, dass die PDS eine Partei sei, die sich auf den Grundlagen von Verfassung und Grundgesetz be- wege. Mit solchen Anträgen zeigen sie aber, wie weit sie tatsächlich davon noch entfernt sind. Aber das scheint ja in ihren Reihen eh nichts Ungewöhnliches zu sein. Es ist doch ihr Parteimitglied Sarah Wagenknecht, die öffentlich erklärt, Berlins Finanzprobleme können gelöst werden, indem man die Banken quasi enteignet und das Geld zur Schuldentilgung verwendet. Dazu kommt noch, das sie auch das föderale System in der Bundesrepublik Deutschland infrage stellen. Denn in ihrem Antrag schreiben sie den Ländern, denen ja im Falle einer Vermögensteuer die Erträge zufließen würden, vor, wofür sie die Gelder auszugeben haben. Dass eine solche Einflussnahme von Bundesseite überhaupt nicht möglich ist, sollten sie als Bundestagsabgeordnete ja eigentlich wissen. Es ist traurig, dass sie das aber anscheinend noch immer nicht wissen oder aber sich absichtlich unwissend stellen, um stichhaltige Argumente nicht beachten zu müssen. Die PDS sollte doch mal ihren ehemaligen Frak- tionskollegen Gregor Gysi fragen, wie begeistert er wäre, wenn sie ihm vorschreiben, wofür er sein Geld auszuge- ben hat. Ich halte es für wichtig, auch wenn es in den vergan- genen Debatten immer wieder gesagt worden ist, noch einmal explizit darauf hinzuweisen: Die rot-grüne Koali- tion hat nicht die Absicht, die Vermögensteuer wieder ein- zuführen. Wir haben ein gerechteres Steuersystem ver- sprochen und auch dafür gesorgt, dass es umgesetzt wird. Die abgeschafften Sonderabschreibungen erwähnte ich bereits. Dazu kommt eine Steuerreform, die vor allem die unteren und mittleren Einkommen entlastet und im Rah- men der Unternehmensteuerreform die Unternehmen im internationalen Vergleich steuerlich gesehen wieder wett- bewerbsfähig macht. Wir sind kein Land mehr, das allein für sich steht, sondern wir befinden uns im internationa- len Wettbewerb. Wir brauchen attraktive Rahmenbedin- gungen, die Deutschland auch als Wirtschaftsregion at- traktiv machen, wo man gerne investiert und Arbeitsplätze schafft. Die immer schlechter gewordenen Rahmenbedingungen bis 1998 haben wir durch durch- greifende Reformen verbessert und werden das auch zukünftig weiter tun. Es ist völlig absurd, diese Verbesse- rungen jetzt durch eine neue Steuererhöhung wieder zu verschlechtern. Natürlich gibt es noch einige Lücken. Aber da ist es er- forderlich, dass diese im Rahmen von europäischen Re- geln geschlossen werden. Denn ein Alleingang nützt we- nig, sondern zieht eventuell nur noch dringend benötigtes Kapital aus dem Land. Dennoch ist auch heute schon für uns Steuerhinterzie- hung und Steuerflucht nicht hinnehmbar. Daher haben wir auch schon eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die sich gegen das kriminelle Abwenden von der gesell- schaftlichen Verantwortung richten. Denn es ist ja nicht so, dass dadurch „nur“ der Staat geschädigt wird. Damit wird jeder steuerehrliche Bürger und Unternehmer ge- schädigt, jeder, der als Empfänger auf die staatliche Un- terstützung angewiesen ist, und natürlich das soziale Sys- tem als Ganzes. Es liegt also im Interesse aller, dass auch durch gesetzliche Regelungen solchen Machenschaften das Handwerk gelegt wird. Damit wird das gesellschaftli- che System in der Waage gehalten und nicht mit Neidde- battenanträgen à la PDS. Otto Bernhardt (CDU/CSU): Sowohl die Staatsquote als auch die Steuerquote liegen in Deutschland nicht nur deutlich höher als zum Beispiel in den Vereinigten Staa- ten; vielmehr befinden wir uns auch innerhalb der EU in einer Spitzenposition. Einer der Gründe, warum Deutsch- land erstmalig zum Schlusslicht im Wirtschaftswachstum in Europa geworden ist, liegt in der zu hohen Staats- und Steuerquote. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222700 (C) (D) (A) (B) Was wir brauchen, sind nicht Steuererhöhungen. Da- von haben wir in den letzten Jahren genug hinnehmen müssen. Ich denke nur an die Ökosteuer mit ihren ver- hängnisvollen Auswirkungen – insbesondere auf Niedrig- verdienende, Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, aber auch viele mittelständische Unternehmer – und an die vor wenigen Monaten von der Mehrheit dieses Hau- ses beschlossene Erhöhung der Tabak- und der Versiche- rungsteuer. Vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation hat es in den letzten Monaten weltweit – und ins- besondere auch in Europa – Steuersenkungen und keine Steuererhöhungen gegeben. Einer der Gründe, warum die amerikanische Wirtschaft inzwischen wieder dabei ist, langsam Tritt zu fassen, liegt in den nicht unerheblichen Steuersenkungen, die die Bush-Administration mit breiter Zustimmung der beiden großen amerikanischen Parteien beschlossen hat. Die PDS hat offensichtlich immer noch nicht begriffen bzw. begreifen wollen, dass wir in Deutschland eine so- ziale Marktwirtschaft haben und eine freie Volkswirtschaft im Rahmen einer globalisierten Welt sind. Letztlich unter- streichen beide Anträge – wenn man sie genau liest – die Sehnsucht nach einem System, in dem der Staat alles ma- chen soll, weil er nach dieser Philosophie oder besser Ideologie alles besser kann. Sie von der PDS müssen zur Kenntnis nehmen, dass das System, von dem Sie offen- sichtlich immer noch träumen, weltweit gescheitert ist, während die soziale Marktwirtschaft zum weltweiten Er- folgsmodell geworden ist. Das Thema Wiedererhebung der Vermögensteuer ist nicht neu. Auch eine Reihe von Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern hat sich öffentlich in dieser Richtung geäußert. Jürgen Peters, Vizechef der IG Metall, erklärte am 14. März dieses Jahres: „Es wäre abenteuerlich, ... auf die Erhebung der Vermögensteuer zu verzichten.“ Ich will in diesem Zusammenhang gar nicht mit dem Bundesver- fassungsgerichtsurteil argumentieren und auch nicht mit dem enormen Verwaltungsaufwand. Ich will nur darauf hinweisen, dass eine Vermögensteuer letztlich darauf hi- naus läuft, dass die Spitzensteuerbelastung weiter bzw. wieder steigen würde, und gerade Spitzenverdiener leich- ter als alle anderen die Möglichkeit haben, ihre Aktivi- täten und ihre Einkünfte ins Ausland zu verlagern, und zwar dorthin, wo sie ganz legal weniger Steuern zahlen. Schon heute investiert das Ausland viel zu wenig in Deutschland und Deutsche investieren sehr viel im Aus- land. Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde diese Entwicklung weiter verstärken. Dies hätte erheb- liche Nachteile, nicht zuletzt für den Arbeitsmarkt in Deutschland. Was sozial klingt, ist nicht immer wirklich sozial. Bei der Erbschaftsteuer heißt die Überschrift fast wert- neutral „reformieren“. Es wird dann Bezug genommen auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Jahre 1995, in dem die Unterschiede bei der Bewertung von Grund- besitz und sonstigem Vermögen im Rahmen der Erbschaftsbesteuerung als verfassungswidrig bezeichnet werden. Die Bedenken des Bundesverfassungsgerichtes haben wir inzwischen bekanntlich ausräumen können. Streng genommen geht es der PDS aber um viel mehr, wenn es zum Beispiel in der Begründung ihres Antrages heißt: „Zugleich lässt sie die Chance für eine umfassende Reform der Erbschaftsbesteuerung verstreichen, die sich nicht nur auf eine Veränderung von Bewer- tungsvorschriften beschränken kann ...“. In der weiteren Begründung wird von „erheblichen Re- serven in Bezug auf die Erzielung von Mehreinnahmen“ gesprochen. Auch hier eine grundsätzliche Bemerkung: Marktwirt- schaft und Erbrecht bedingen einander. Ohne eine ver- nünftige Erbschaftsregelung ist eine soziale Marktwirt- schaft nicht denkbar. Schon heute bereitet die Erbschaftsteuer beim Übergang mittelständischer Firmen auf die nächste Generation große Probleme. Erb- schaftsteuer bedeutet Liquiditätsabzug und verringert die Eigenkapitalquote. Schon heute liegt die Eigenkapital- quote vieler mittelständischer Firmen bei deutlich unter 10 Prozent bezogen auf die Bilanzsumme, und dies ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Basel II, das heißt der geplanten Neuordnung der Eigenkapitalunterlegung für Kreditinstitute im Zusammenhang mit der Kreditver- gabe, eine äußerst problematische Situation, da die Eigenkapitalquote ein wichtiger Parameter für die zukünftige Eigenkapitalunterlegung sein wird. Lassen Sie mich abschließend Folgendes feststellen: Was wir in Deutschland brauchen, sind Steuersenkungen und keine Steuererhöhungen, ist eine Reduzierung und nicht eine Erhöhung der Staatsquote und der Steuerquote Nur so können wir im internationalen Wettbewerb beste- hen und den Arbeitsmarkt nachhaltig entlasten. Alle anderen Fraktionen lehnen die beiden Anträge der PDS ab, wenn es auch einigen Kollegen bei den Sozial- demokraten schwer fällt. Die Unionsfraktionen sagen zu beiden Anträgen aus Überzeugung ein klares Nein. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beide Anträge der PDS haben in dieser Legislaturperiode keine politische Relevanz mehr. Ende letzten Jahres wur- den auf Initiative des Bundesrates die Regelungen zur Be- wertung des Grundbesitzes für Zwecke der Erb- schaftsteuer und der Grunderwerbsteuer für weitere fünf Jahre verlängert. Damit ist klar, dass die politischen Auseinanderset- zungen um die Fragen der Bewertung für verschiedene Vermögensarten wieder auf die Tagesordnung kommen werden. Ich meine, dass wir bereits in der nächsten Le- gislaturperiode eine verfassungsgerichtlich feste Bemes- sungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sowie die Erb- schaft- und Schenkungsteuer brauchen. Die politische Vertagung löst das rechtliche Problem der ungleichen Be- steuerung von verschiedenen Vermögensarten nicht. Diese Feststellung wird untermauert durch den Be- schluss des Bundesfinanzhofes vom 24. Oktober 2001: „Der BFH hält es verfassungsrechtlich für bedenklich, dass bei Schenken und Erwerben von Todes wegen Betriebsver- mögen, bebauter Grundbesitz, land- und forstwirtschaftli- ches Vermögen und nicht notierte Anteile an Kapitalgesell- schaften im Gegensatz zu anderen Vermögensarten durch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22701 (C) (D) (A) (B) Freibeträge und Bewertungsabschläge erheblich begüns- tigt werden“, so im „Handelsblatt“ vom 5. Dezember 2001. Am 10. April 2002 wird der BFH nun mündlich über die Frage verhandeln, ob er die Erbschaftsteuer dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen wird. Dass er vorlegen wird, gilt als nahezu sicher. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Fragen der Bewertung für verschiedene Vermögensarten erneut vom BVerfG aufge- worfen werden. Bereits im Jahre 1995 hat das BVerfG eine realitätsnähere Bewertung von Immobilienvermögen annäherungsweise zu Verkehrswerten eingefordert. Es ist meines Erachtens eine Illusion, zu meinen, ein verfassungswidriger Zustand könne einfach so beibehal- ten werden. Ziel der verfassungsgerichtlichen Vorgabe ist die Einlösung des Grundsatzes der gleichmäßigen Be- steuerung aller Vermögensarten, die vererbt und ver- schenkt werden. Es ist unhaltbar, dass das Grundvermögen in der Regel nur mit 50 bis 70 Prozent des Verkehrswertes in die Be- messungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingeht. Ich würde es deshalb begrüßen, wenn die durch den ange- sprochenen BFH-Beschluss weiter aufgeworfenen Be- wertungsfragen einer rechtlich tragfähigen Lösung zuge- führt werden. Wir wollen eine Vermögensbesteuerung im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer, die den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung aller Vermö- gensarten auch wirklich anwendet. Die Bewertungs- grundsätze für Immobilienvermögen sind zu ändern, ohne dass es zu einer Belastung von selbst genutztem Immobi- lieneigentum, also Gebrauchsvermögen, kommt. Omas Häuschen soll auch weiterhin steuerfrei die nächste Ge- neration erreichen! Auch eine Betriebsübergabe an Erben darf die Fortführung des Betriebes nicht gefährden. Die Gleichbehandlung unterschiedlicher Vermögens- arten wird umso offensichtlicher notwendig, wenn be- kannt ist, wie sich das Bruttovermögen der privaten Haus- halte zusammensetzt. Es hatte 1997 einen Bestand von 14 Billionen DM. Davon entfielen auf den Immobilien- bestand im In- und Ausland sowie auf das Gebrauchsver- mögen 9 Billionen DM oder 62 Prozent. Etwa 38 Prozent, also den geringeren Anteil, machte das private Geldver- mögen aus. Dies ist dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom Januar 1999 zu entnehmen. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass das Steuersparen mit einer Geldanlage in Grundvermögen oder Immobilien als Betriebsvermögen kultiviert wird. Dass die Rechtsprechung weiter Druck macht, kann ich nur begrüßen. Gerhard Schüßler (FDP): Der Antrag der PDS, der die Wiedererhebung der Vermögensteuer verlangt, zeigt, dass es immer noch viel zu wenig Grundverständnis für die soziale Marktwirtschaft gibt. Beklagt werden die Ent- lastungen bei der Einkommensteuer, gefordert wird staat- liche Umverteilung. Befürchtet wird der Rückgang staat- licher Leistungen. Um das zu verhindern, sollen Ein- kommen- und Vermögensteuer zusammen 60 Prozent der Summe der Einkünfte betragen. Diese Forderung wider- spricht nicht nur dem grundgesetzlich gesicherten Schutz des Eigentums – das Bundesverfassungsgericht hat aus- drücklich festgelegt, dass das Grundgesetz dem Staat nur erlaubt, etwa die Hälfte der Einnahmen wegzusteuern –, sondern belegt darüber hinaus, dass die PDS sich weigert, einige Fakten zur Kenntnis zu nehmen: Unser Einkommensteuersystem ist gekennzeichnet von dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungs- fähigkeit. Dem entspricht es, dass die 10 Prozent der Bür- ger mit den höchsten Einkommen mehr als 50 Prozent des Einkommensteueraufkommens aufbringen. Die 50 Pro- zent der Bürger mit den geringeren Einkommen, zu deren Schutzpatron sich die PDS machen möchte, tragen weni- ger als 10 Prozent zum Steueraufkommen bei. Damit kann unser Einkommensteuersystem alles in allem schlicht und einfach nur als gerecht bezeichnet werden. Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft ist auch die Freiheit des Einzelnen. Auch das will die PDS nicht wahr- haben, wenn sie meint der Staat könnte Geld besser inves- tieren als der einzelne Bürger. Es ist doch aberwitzig zu unterstellen, wie die PDS es tut, dass erzielte Einkünfte in der privaten Schatulle bleiben. Tatsache ist doch vielmehr, dass Kapital wieder investiert wird, sei es in Unterneh- men, sei es in den Wohnungsbau. Dadurch entsteht Wohn- raum und es entstehen – das sollte die PDS endlich einmal zur Kenntnis nehmen – Arbeitsplätze. Aufgabe des Staates in einer sozialen Marktwirtschaft ist die Absicherung des Existenzminimums und die Schaffung von Chancengleichheit für alle. Darunter ist al- lerdings nicht Gleichmacherei zu verstehen. Investitionen sollen sich rentieren, Risiko wird belohnt. Das geht aller- dings nur in einer freien Marktwirtschaft, in der der Staat nicht für alles zuständig ist und umverteilt. Zur Vermögensteuer: Ihre Wiedererhebung ist verfas- sungswidrig, weil sie dem so genannten Halbteilungs- grundsatz widerspricht. Zudem muss auch die PDS zur Kenntnis nehmen, dass der Wegfall der Vermögen- steuer durch eine Anhebung der Erbschaftsteuern und der Grunderwerbsteuern seinerzeit mehr als kompensiert wurde. Vermögen tragen also in erheblichem Umfang zum Steueraufkommen bei. Die FDP ist aus diesem Grund gegen die Wiedererhebung der Vermögensteuer. Anlage 9 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Finanzausschuss – Zwischenbericht der Enquete-Kommission Globalisierung derWeltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten – Drucksache 14/6910 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Vierzehnter Bericht nach § 35 des Bundesausbildungs- förderungsgesetzes zur Überprüfung der Bedarfssätze, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 200222702 (C) (D) (A) (B) Freibeträge sowie Vomhundertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 – Drucksachen 14/7972, 14/8174 Nr. 2 – Finanzausschuss Drucksache 14/7883 Nr. 2.28 Drucksache 14/8081 Nr. 2.15 Drucksache 14/8179 Nr. 2.1 Drucksache 14/8179 Nr. 2.20 Drucksache 14/8179 Nr. 2.25 Drucksache 14/8179 Nr. 2.26 Drucksache 14/8179 Nr. 2.27 Drucksache 14/8179 Nr. 2.62 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/7883 Nr. 2.17 Drucksache 14/8179 Nr. 1.3 Drucksache 14/8179 Nr. 1.5 Drucksache 14/8179 Nr. 2.2 Drucksache 14/8179 Nr. 2.16 Drucksache 14/8179 Nr. 2.35 Drucksache 14/8179 Nr. 2.46 Drucksache 14/8179 Nr. 2.47 Drucksache 14/8179 Nr. 2.51 Drucksache 14/8179 Nr. 2.53 Drucksache 14/8179 Nr. 2.54 Drucksache 14/8179 Nr. 2.59 Drucksache 14/8179 Nr. 2.61 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/7708 Nr. 2.27 Drucksache 14/8179 Nr. 2.52 Drucksache 14/8179 Nr. 2.55 Drucksache 14/8428 Nr. 2.4 Drucksache 14/8428 Nr. 2.17 Drucksache 14/8428 Nr. 2.18 Drucksache 14/8428 Nr. 2.20 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/7409 Nr. 2.2 Drucksache 14/7708 Nr. 2.15 Ausschuss für Tourismus Drucksache 14/5172 Nr. 2.22 Drucksache 14/6908 Nr. 2.1 Drucksache 14/8081 Nr. 2.20 Drucksache 14/8179 Nr. 2.3 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/7883 Nr. 2.15 Drucksache 14/7883 Nr. 2.24 Drucksache 14/8081 Nr. 2.21 Drucksache 14/8179 Nr. 2.9 Drucksache 14/8179 Nr. 2.28 Drucksache 14/8179 Nr. 2.34 Drucksache 14/8179 Nr. 2.36 Drucksache 14/8179 Nr. 2.37 Drucksache 14/8179 Nr. 2.38 Drucksache 14/8179 Nr. 2.39 Drucksache 14/8179 Nr. 2.40 Drucksache 14/8179 Nr. 2.41 Drucksache 14/8179 Nr. 2.42 Drucksache 14/8179 Nr. 2.43 Drucksache 14/8179 Nr. 2.44 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. März 2002 22703 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Birgit Homburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich von-
    seiten der FDP-Fraktion sagen, dass der heutige Tag ein
    guter Tag ist, weil wir heute den Beschluss fassen werden,
    das Kioto-Protokoll zu ratifizieren. Wir haben das lange
    gefordert und sind froh, dass es am heutigen Tag im Deut-
    schen Bundestag beschlossen werden wird.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


    Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass die Bundes-
    regierung früher damit rüberkommt.


    (Zurufe von der SPD: Aha!)


    Wir haben das in vielen Anträgen immer wieder gefordert.
    Um Ihnen meine Position deutlich zu machen, möchte ich
    Ihnen vorhalten: Sie haben immer gesagt, es gebe Pro-
    bleme, weil die Sache sehr viel komplizierter sei, als man
    sich das in der Opposition vorstelle; insofern sei ein ent-
    sprechendes Regelwerk nötig. Im Februar dieses Jahres
    haben Sie uns dann einen Gesetzentwurf mit drei Artikeln
    vorgelegt, der allerdings nicht so kompliziert ist. Das hätte
    man also schon früher machen können.


    (Ulrich Kelber [SPD]: Weil wir Vorarbeit geleistet haben!)


    Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Man hätte in Deutsch-
    land früher ein Signal an die Staatengemeinschaft senden
    können, wenn wir früher ratifiziert hätten.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Allerdings muss ich sagen, Herr Trittin, Sie haben vor-

    hin in Ihrer Rede meines Erachtens einen zentralen Punkt
    vergessen. Zwischenzeitlich sind wir auf nationaler
    Ebene sehr viel weiter gekommen. Mittlerweile geht es
    um die Umsetzung des Kioto-Protokolls und darum, wie
    sie in Europa gestaltet wird. Dazu liegt inzwischen ein
    zweiter Richtlinienentwurf der EU-Kommission vor, zu
    dem Sie mit Ausnahme der Äußerung, die Vorleistungen
    der deutschen Wirtschaft müssten anerkannt werden, kein
    Wort verloren haben. Dabei wäre es dringend notwendig,
    zu dem EU-Richtlinienentwurf Stellung zu nehmen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie haben dazu so schön ausgeführt: Nur wer zu Hause
    seine Hausaufgaben macht, kann auf internationaler
    Ebene mitgestalten.

    Es ist bemerkenswert, wie Sie sich gewandelt haben.
    Der Kollege Lippold hat bereits alles Notwendige zu
    Ihren Ausführungen zu der Reduktion von Treibhausga-
    sen in Deutschland gesagt.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Früher haben Sie das nämlich noch mit dem Argument ge-
    geißelt, das sei alles auf die deutsche Einheit zurückzu-
    führen. Zurzeit aber wird das, was unter der alten Koa-
    lition durchgeführt wurde, einkassiert und für sich in
    Anspruch genommen.


    (Beifall bei der FDP)

    Ein zweiter Punkt, den ich für bemerkenswert halte, ist,

    dass Sie über das nationale Ziel der Emissionsmin-
    derung, das wir seinerzeit gemeinsam beschlossen haben
    und zu dem die FDP nach wie vor steht, kein Wort mehr
    verlieren. Da Sie wissen, dass Sie dieses Ziel mit Ihrer Po-
    litik nicht erreichen werden, beziehen Sie sich nur noch
    auf das, was auf internationaler Ebene gefordert wird, und
    tun so, als stünden wir sehr gut da. Ich möchte von Ihnen
    wissen, ob Sie noch zu dem nationalen Ziel der Emissi-
    onsminderung stehen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Lassen Sie mich noch einen dritten Punkt ansprechen.
    Es geht auch darum, die flexiblen Instrumente des Kioto-




    Ulrike Mehl
    22604


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Protokolls zu nutzen. Auch darauf sind Sie in Ihrer Rede
    nicht eingegangen. Das halte ich ebenfalls für bemer-
    kenswert. Sie sagten, Glaubwürdigkeit zeige sich durch
    Handeln. Aber genau das haben Sie in den letzten Jahren
    versäumt.

    Ihre Einstellung zu der bevorstehenden Einführung des
    Emissionshandels haben Sie mit dem Satz deutlich ge-
    macht: Handel wird kommen; man muss sich der Realität
    stellen. Das zeigt, dass Sie nicht begriffen haben, welches
    Potenzial in ökologischer und ökonomischer Hinsicht in
    diesen neuen Instrumenten liegt, Herr Minister. Sie han-
    deln so, weil es Ihnen von außen aufgezwungen wird, aber
    in Deutschland tragen Sie nichts zu der Umsetzung bei.


    (Beifall bei der FDP – Christoph Matschie [SPD]: Frau Homburger, Sie haben im Ausschuss auch nicht zugehört! Sonst wüssten Sie es besser!)


    Der Emissionshandel wird 2005 europaweit einge-
    führt. Großbritannien, Dänemark und die Niederlande be-
    reiten sich darauf vor. In Deutschland herrscht absolute
    Fehlanzeige.


    (Christoph Matschie [SPD]: Wo waren Sie denn am Mittwoch in der Ausschusssitzung?)


    Während die anderen ihre Börsenplätze für den Emis-
    sionshandel fit und attraktiv machen, passiert in Deutsch-
    land nichts in dieser Richtung.

    Ein Antrag der FDP-Bundestagsfraktion liegt heute zur
    Mitberatung vor.


    (Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Sehr guter Antrag!)


    Sie sollten diesen Antrag genau lesen, Herr Trittin, weil
    darin aufgezeigt wird, wie die flexiblen Instrumente des
    Kioto-Protokolls mit der deutschen Selbstverpflichtung
    der Industrie zur Reduktion von Klimagasen verknüpft
    werden können. Darauf kommt es jetzt an. Wir müssen
    weiterkommen, statt ausschließlich über die Ratifizierung
    von etwas längst Beschlossenem zu diskutieren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wollen, dass in Deutschland die ökologischen und

    ökonomischen Chancen des Emissionshandels genutzt
    werden können. Ihrer Äußerung, Frau Mehl, dass es auch
    um die Verantwortung gegenüber den Entwicklungslän-
    dern geht, ist entgegenzuhalten, dass das Kioto-Protokoll
    mit dem Emissionshandel etwas Hervorragendes beinhal-
    tet. Wenn der Emissionshandel betrieben wird und ge-
    meinsame Projekte mit den Entwicklungsländern durch-
    geführt werden,


    (Ulrike Mehl [SPD]: Das machen wir doch! Wo ist denn Ihr Problem?)


    dann werden diese Länder zukünftig nicht mehr nur Hil-
    feempfänger sein, sondern Teilnehmer am Weltmarkt,
    weil sie mit den CO2-Zertifikaten selbst etwas zum Han-del beisteuern können.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Wir sind doch dabei! Wo ist das Problem?)


    Diese Chance müssen wir ihnen endlich bieten. Selbst
    ohne die Ratifizierung des Protokolls ist es seit dem
    Jahr 2000 möglich, in der konkreten Umsetzung die flexi-
    blen Instrumente anzuwenden und schon zum gegenwär-
    tigen Zeitpunkt im Vorgriff auf den ersten Verpflich-
    tungszeitraum von Kioto solche Emissionszertifikate zu
    sammeln. In anderen Ländern geschieht das bereits. In
    Deutschland aber sind bisher die Voraussetzungen dafür
    nicht geschaffen worden. Wir fordern Sie auf, dies endlich
    zu tun und damit auch Chancen für die Entwicklungslän-
    der zu schaffen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)


    Sie haben immerhin verstanden, Herr Trittin, dass
    Deutschland den Löwenanteil der Verpflichtungen in Eu-
    ropa trägt. Wir haben aber Kritik an dem EU-Richtli-
    nienentwurf.Dieser Entwurf muss dringend überarbeitet
    werden, und zwar deshalb, weil er nicht von vornherein
    alle Klimagase einbezieht, nicht alle flexiblen Instru-
    mente zulässt und weil er hinsichtlich des Bezugsjahrs für
    Deutschland nachteilig ist. Wenn Sie wollen, dass der
    Emissionshandel in Deutschland kommt, dann müssen
    Sie endlich auf europäischer Ebene aktiv werden und
    berechtigte deutsche Interessen durchsetzen, anstatt nur
    hier im Plenum zu schwadronieren.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Horst Kubatschka [SPD]: Das sind aber Allgemeinplätze, Frau Kollegin!)


    Herr Kollege Trittin, wir erwarten, dass der Emis-
    sionshandel in Deutschland endlich vorbereitet wird.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Warum haben Sie das nicht im Ausschuss gefordert?)


    Sie ziehen sich stets hinter eine Arbeitsgruppe Ihres Mi-
    nisteriums zurück. Diese Arbeitsgruppe beschäftigt sich
    aber mitnichten mit der Vorbereitung des Emissionshan-
    dels, sondern, wie gerade ausgeführt wurde und auch in
    der Presse zu lesen war, vor allen Dingen mit der Bewer-
    tung des Richtlinienentwurfs. Sie haben in Ihrem Hause
    nicht einen einzigen Mitarbeiter, der daran arbeitet, diese
    flexiblen Instrumente in Deutschland zu etablieren.

    Die Erklärung dafür ist, dass Sie diese Instrumente
    nicht wirklich wollen. Wenn Sie weiterhin untätig blei-
    ben, dann wird es in Deutschland ein EU-Recht geben,
    das auf die deutsche Situation nicht passt, und dann wird
    auf Dauer der Emissionshandel scheitern, weil wir in
    Deutschland nicht vorbereitet sind. Das aber ist Ihnen
    recht, weil dann das Instrument kaputt sein wird und Sie
    mit Ordnungsrecht und Ökosteuer weitermachen können.


    (Ulrike Mehl [SPD]: Auf jeden Fall können wir weitermachen, das ist wahr!)


    Das wollen Sie offensichtlich, Herr Trittin, und deswegen
    sagen wir Ihnen sehr deutlich: Sie haben nicht wirklich
    ein Interesse daran. Anderenfalls würden Sie sich endlich
    bemühen, Deutschland für den Emissionshandel fit zu
    machen, der international demnächst stattfinden wird.
    Dazu fordern wir Sie auf.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





    Birgit Homburger

    22605


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort
hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske vom Bündnis 90/
Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Reinhard Loske


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau
    Homburger, wenn ich Sie hier als radikal-ökologische
    Vorkämpferin für den Klimaschutz erlebe, denke ich im-
    mer, ich sei im falschen Film.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bewundere Sie wirklich, wünschte mir aber, dass Sie
    Ihren missionarischen Eifer den Herren Westerwelle und
    Möllemann angedeihen ließen. Die können es gebrau-
    chen; dessen können Sie sicher sein.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Und dem VCI!)

    Hinsichtlich des Emissionshandels, für den Sie Seit‘ an

    Seit‘ mit uns so eifrig streiten,

    (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Vor Ihnen, weit vor Ihnen!)

    haben Sie eine falsche Wahrnehmung. Das Hauptproblem
    ist der BDI, auf dessen Schoß Sie doch sonst immer sit-
    zen.


    (Ulrike Flach [FDP]: Sind Sie neidisch?)

    Lassen Sie sich in dieser Frage nicht vom BDI irreleiten!

    Auch wenn es mir nach der Rede von Herrn Lippold
    schwer fällt, möchte ich doch einen kurzen historischen
    Rückblick geben; denn es haben in der Tat viele auch aus
    diesem Hause am Zustandekommen des Kioto-Proto-
    kolls mitgewirkt. So hat Klaus Töpfer 1992 in Rio eine
    uneingeschränkt positive Rolle gespielt; das darf und
    muss man sagen. Man kann sogar zugeben – auch wenn
    es noch schwerer fällt –, dass der ehemalige Bundeskanz-
    ler Kohl 1995 einen bedeutenden Anteil daran gehabt hat,
    dass die Konferenz nicht vor die Hunde gegangen ist. Als
    sie auf der Kippe stand, hat er durch eine fulminante Rede
    einen Stimmungswechsel hinbekommen, der dazu führte,
    dass wir wenigstens das Berliner Mandat erhielten. Auch
    das ist zu würdigen.

    Zu würdigen ist aber auch nicht minder das Engage-
    ment von Bundeskanzler Schröder 1999 auf der Konfe-
    renz in Bonn. Dort hat er das klare Signal gegeben, dass
    wir Europäer eine Vorreiterrolle einnehmen wollen, weil
    wir an dem Gelingen des Kioto-Protokolls interessiert
    sind.

    Vor allen Dingen zu würdigen ist die Rolle, die Bun-
    desumweltminister Trittin in Bonn und auf der Vertrags-
    staatenkonferenz in Den Haag gespielt hat. Dort ist es
    erstmals gelungen, dass Europa als eigenständiger Akteur
    in der internationalen Klimapolitik mit einer Stimme
    sprach, um die Sache gemeinsam mit den Entwicklungs-
    ländern zum Erfolg zu führen. Dafür gebührt ihm ohne
    Zweifel Dank.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Auch das Parlament hat seinen Anteil an diesem Er-
    folg. In den Enquete-Kommissionen von 1987 bis 1990
    und von 1990 bis 1994 haben wir die Vorarbeiten geleis-
    tet. Auch können wir stolz darauf sein, dass wir in
    Deutschland eine international so anerkannte Klimafor-
    schung haben. Ich denke hier an das Potsdam-Institut für
    Klimawirkungsforschung, an das Wuppertal-Institut oder
    an das Max-Planck-Institut in Hamburg. Wir haben auf
    diesem Gebiet eine lebendige Forschungslandschaft, die
    es uns ermöglicht, in der internationalen Diskussion eine
    Vorreiterrolle einzunehmen.


    (Beifall des Abg. Horst Kubatschka [SPD])

    Anders als in vielen anderen internationalen Gremien
    spielen deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
    ler eine wichtige Rolle im Intergovernmental Panel on
    Climate Change.

    Nicht zuletzt muss die Rolle der Nichtregierungsorga-
    nisationen gewürdigt werden. Auch den Umweltverbän-
    den gebührt der Dank dieses Hauses. Durch ihr lang an-
    haltendes Engagement haben sie es geschafft, das Thema
    ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Vor allen Dingen freue ich mich darüber, dass es auch
    NGOs wie beispielsweise German Watch gibt, die das
    Thema Nord-Süd-Gerechtigkeit in das Zentrum ihrer Ar-
    gumentation rücken. Das ist ganz wichtig.

    Last, but not least: Seit einigen Jahren vertreten die Ge-
    winnerindustrien des Strukturwandels und die Umwelt-
    verbände ihre Interessen gemeinsam. Das ist ganz wich-
    tig; denn diejenigen, die mit grünen Zielen schwarze
    Zahlen schreiben wollen, und diejenigen, die wie die Ver-
    sicherungswirtschaft vor den hohen Kosten des Klima-
    wandels warnen, waren ein Motor im internationalen Ver-
    handlungsprozess. Auch ihnen gebührt unser Dank.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Lippold, diejenigen, die Technologien anzubieten
    haben, die Versicherungswirtschaft und andere Branchen,
    wissen ganz genau, dass sie bei uns sehr gut, aber bei Ih-
    nen sehr schlecht aufgehoben sind, weil Sie sich nur zum
    Sprecher der sklerotischen Beharrungskräfte machen.
    Diese haben bei uns in der Tat kein gutes Standing.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich möchte das Ganze wie folgt zusammenfassen: All
    diesen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gebührt
    Dank dafür, dass das Thema Klimapolitik bei uns eine
    so große öffentliche Aufmerksamkeit genießt und dass
    unsere Zivilgesellschaft in dieser Frage so vital ist. Das
    alles ist sehr positiv. Ich neige normalerweise nicht zum
    Pathos. Aber ich sage heute: Die Ratifizierung des Kioto-
    Protokolls verdient das Attribut historisch. Ich glaube,
    über diese Ratifizierung können wir alle froh sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Als wäre das alles nicht genug – eine kleine Anekdote
    am Rande, Herr Minister; ich nehme an, das ist Zufall –,
    trägt die Drucksache des Entwurfs eines Gesetzes zum
    Kioto-Protokoll das Datum 15. Februar. Das ist das Da-
    tum meines Geburtstages. Danke schön!


    (Birgit Homburger [FDP]: Ich hätte das für Sie auch gemacht!)


    – Sie hätten es für mich auch gemacht? Darüber freue ich
    mich. Wunderbar!


    (Beifall bei der FDP)

    – Das heutige Niveau der FDP-Fraktion ist große Klasse.
    Ich erinnere Sie nur sicherheitshalber daran: Wir sind
    hier nicht im Karnevalsverein, sondern im Deutschen
    Bundestag.


    (Lachen bei der FDP)

    Zur Sache, zum Kioto-Protokoll! Im Umfeld der Bon-

    ner Konferenz und in der deutschen Öffentlichkeit hat es
    viele Diskussionen über die Frage gegeben: Ist das Kioto-
    Protokoll ein Durchbruch oder ist es nichts anderes, wie
    manche gesagt haben, als ein Placebo? Ist es nicht eine Art
    Abrüstungsvertrag, der aber in Wahrheit zur Aufrüstung
    führt? Diesen Fragen sollte man sich ernsthaft stellen. Ih-
    rer Beantwortung sollte man sich aus drei Richtungen
    nähern, nämlich aus der Richtung des Völkerrechtes, aus
    der Richtung der Ökologie und aus der Richtung der Ge-
    rechtigkeit. Das führt also zu den Fragen: Ist das Kioto-
    Protokoll ein guter Vertrag? Ist es ein ökologisch ziel-
    führender Vertrag? Ist es ein gerechter Vertrag?

    Aus der Sicht des Völkerrechts kann man, denke ich,
    uneingeschränkt sagen: Das Kioto-Protokoll ist ein guter
    Vertrag. Er schließt alle Staaten ein. Es gibt eine gemein-
    same, wenn auch unterschiedliche Verantwortung. Klar
    ist aber, dass das globale Problem des Klimawandels
    letztendlich nur von allen Staaten gemeinsam gelöst wer-
    den kann. Trittbrettfahren soll ausgeschlossen werden.


    (Eva Bulling-Schröter [PDS]: Soll!)

    Das ist das erste Ziel des Vertrages.

    Das zweite Ziel ist: Die Reduktion aller klimaverän-
    dernden Spurengase wird geregelt – mit Ausnahme der
    auch die Ozonschicht zerstörenden FCKW-Gase, deren
    Reduzierung im Montrealer Protokoll geregelt ist. Inso-
    fern erfasst der Vertrag die Problembereiche vollständig.
    Die Regelungen des Vertrages bezüglich der Reduktion
    des Kohlendioxidausstoßes – Kohlendioxid ist ja be-
    kanntlich ein unmittelbares Resultat der Verbrennung fos-
    siler Energieträger – werden unsere Art des Wirtschaftens
    – darauf hat Minister Trittin schon hingewiesen – sehr
    stark verändern; denn im Vertrag wird im Prinzip die
    Menge an fossilen Energieträgern festgelegt, die in Zu-
    kunft noch verbrannt werden darf. Insofern handelt es sich
    um einen sehr weit gehenden Vertrag. Ich glaube, das ist
    der eigentliche Quantensprung im internationalen Recht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Neu an diesem Vertrag ist auch, dass ihm ein dynami-
    sches, evolutives Konzept zugrunde liegt. Es ist vorgese-

    hen, die wissenschaftlichen Fakten regelmäßig zu über-
    prüfen, jährlich Vertragsstaatenkonferenzen einzuberufen
    sowie – das ist besonders wichtig – die Klimaschutzziele
    regelmäßig fortzuschreiben und weiterzuentwickeln. Das
    Kioto-Protokoll ist also kein Vertrag, der nur einfach ge-
    schlossen und dann umgesetzt wird. Dieser Vertrag setzt
    vielmehr einen permanenten Prozess in Gang. Hier hat
    man also vom Montrealer Protokoll gelernt, das ja heute
    – wie ich finde: zu Recht – als eine der Erfolgsgeschich-
    ten der internationalen Umweltpolitik gilt.

    Der Vertrag orientiert sich an einem erweiterten
    Gerechtigkeitsbegriff. Er enthält zwei Dimensionen der
    Gerechtigkeit, nämlich die intergenerative Gerechtigkeit
    – Herr Minister Fischer, die Kinderpolitik findet sich also
    auch im Kioto-Protokoll wieder; im Prinzip steckt die
    Idee dahinter, dass wir die Erde nur von unseren Kindern
    geborgt haben; der Gedanke der intergenerativen Gerech-
    tigkeit ist also ein zentrales, konstitutives Element dieses
    Vertrages – und die internationale Gerechtigkeit. Wenn
    die Industrieländer nicht wollen, dass die Entwicklungs-
    länder im Zuge ihrer Entwicklung die gleichen energie-
    intensiven Umwege gehen, wie wir das getan haben, dann
    müssen sie a) eine Vorreiterrolle einnehmen und b) Fi-
    nanz- und Technologietransfers leisten. Auch das ist ein
    ganz wichtiges Element dieses Vertrages.

    Mit dem nächsten Punkt wende ich mich noch einmal an
    Ihre Adresse, Frau Homburger. Der Vertrag orientiert sich
    auch am Prinzip der kosteneffizienten Erreichung von
    Klimaschutzzielen; Stichwort: flexible Mechanismen.


    (Birgit Homburger [FDP]: Das ist der Grund dafür, dass wir das vertreten!)


    Deswegen ist es umso unverständlicher, dass die Verei-
    nigten Staaten, die genau diese flexiblen Mechanismen
    wie JI, CDM und Emissionshandel hineingeboxt haben,
    just zu dem Zeitpunkt aussteigen, zu dem diese Mecha-
    nismen Elemente des Vertrags werden.


    (Birgit Homburger [FDP]: Daran bin ich allerdings nicht schuld!)


    Insofern ist die Position der USA wirklich sehr kurz-
    sichtig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Birgit Homburger [FDP]: Da ist eher Herr Fischer zuständig!)


    Aus der Sicht des Völkerrechts kann man zusammen-
    fassend sagen: Dieser Vertrag hat eine sehr gute Architek-
    tur. Sie ist ausbaufähig und entwicklungsfähig. Insofern
    ist es aus der Sicht des Völkerrechts ein guter, ein bahn-
    brechender Vertrag, nachgerade ein Quantensprung.

    Aus der Perspektive des Klimaschutzes und der Öko-
    logie kann man sagen: Der Vertrag ist nicht hinreichend.
    Er ist – das ist ganz klar – bestenfalls ein erster Schritt. Die
    Klimaforschung sagt uns: Im Weltmaßstab müssen wir bis
    2050 den Ausstoß an klimaverändernden Gasen um
    60 Prozent reduzieren, wir Industrieländer sogar um
    80 Prozent, weil wir an der Verringerung unseres Überge-
    wichts arbeiten müssen. Wir müssen sozusagen Raum
    dafür schaffen, dass sich die Entwicklungsländer ent-
    wickeln können. Wenn nach dem Kioto-Protokoll bis




    Dr. Reinhard Loske

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    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    2012 in den Industriestaaten eine Emissionsminderung
    um 2 bis 3 Prozent stattfindet, dann – Frau Mehl hat das
    zu Recht gesagt – reicht das nicht aus. Dieser Vertrag
    muss weiterentwickelt werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Eva BullingSchröter [PDS])


    Auf ein Problem müssen wir sehr achten: All die
    Schlupflöcher, die in diesen Vertrag hineingeraten sind
    – sei es die Senkenproblematik, sei es die Problematik der
    heißen Luft; Stichwort Russland –, gefährden die ökolo-
    gische Integrität des Protokolls. In der Umsetzung des
    Vertrages müssen wir sehr darauf achten, dass das ganze
    Regelwerk nicht unterhöhlt wird.

    Trotzdem glaube ich – dazu will ich einen historischen
    Vergleich heranziehen –, dass dieser Vertrag auch ökolo-
    gisch ein großer Schritt nach vorn ist. Wir haben das auch
    beim Montrealer Protokoll gehabt. Als es 1987 in Kraft
    trat, schrieb eine wichtige Hamburger Wochenzeitung,
    dieser Vertrag sei eine Sterbehilfe für die Ozonschicht.
    Heute, 15 Jahre später, sagen wir: Es ist der größte Erfolg
    in der internationalen Umweltpolitik. Dass das so ist, liegt
    natürlich genau an dem Grundkonzept des Montrealer
    Protokolls; man konnte es schrittweise verschärfen. Es
    gibt den Mechanismus, dass man wissenschaftliche Er-
    kenntnisse einfließen lässt. Es ist eine Tatsache, dass die
    Sorgen der Menschen zugenommen haben. Es ist eine Tat-
    sache, dass es Alternativen gegeben hat. Es ist eine Tatsa-
    che, dass es einzelne Staaten und Unternehmen gegeben
    hat, die gewillt waren, eine Vorreiterrolle einzunehmen.

    Man kann die Verhältnisse des Montrealer Vertrags
    nicht 1:1 auf den Kioto-Vertrag übertragen – da bin ich
    mir sicher –; aber die Lehren, die wir dabei gewonnen ha-
    ben, können wir nutzen. Der wissenschaftliche Sachstand
    entwickelt sich weiter. Die Sensibilität der Menschen
    steigt. Wir haben ganz klare Alternativen. Stichworte: er-
    neuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieeinspa-
    rung. Das ist die Richtung, in die wir gehen; wir setzen
    nicht auf die Atomkraft. Außerdem gibt es Vorreiterstaa-
    ten und Vorreiterunternehmen. Solche Staaten brauchen
    wir; sonst kommen wir international nicht voran. Dabei
    wollen wir ganz vorneweg sein.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich will jetzt nicht großartig über die nationale Klima-
    politik sprechen, aber ich will Herrn Lippold, auch wenn
    er gerade telefoniert, doch noch zweierlei sagen.

    Erster Punkt. Was die ökologische Steuerreform an-
    geht, Herr Lippold, so können Sie sich nicht auf die ge-
    samte Wissenschaft beziehen. Die Wissenschaft attestiert
    uns, dass die ökologische Steuerreform in ihrer jetzigen
    Form einen Beitrag zum Klimaschutz bis 2010 im Um-
    fang von 20 bis 25 Millionen Tonnen CO2 leistet – das istsehr viel – und gleichzeitig 250 000 Arbeitsplätze
    schafft. – Herr Lippold telefoniert und hört nicht zu,


    (Widerspruch des Abg. Dr. Klaus W. Lippold [Offenbach] [CDU/CSU])


    aber das ist sein Problem. Die Ökosteuer ist eine gute
    Sache.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zweiter Punkt. Herr Lippold, die Kollegin Hustedt hat
    mir gerade verraten, dass Sie in der letzten Legislaturpe-
    riode – da war ich noch nicht hier – für die Altbausanie-
    rung zuständig waren. Der Ansatz der Bundesregierung
    für die Altbausanierung im Rahmen des KfW-Programms
    betrug 20 Millionen DM.


    (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!)


    Heute beträgt er 400Millionen DM. Das ist ein Faktor 20.
    Das ist genau der Unterschied zwischen der Qualität Ihrer
    Umweltpolitik und der unserer Umweltpolitik.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Zu der Frage, ob das ein gerechter Vertrag ist, habe ich
    schon einiges gesagt. Ich glaube, dass es ein gerechter
    Vertrag ist. Wir haben die Verantwortung. Wir müssen
    eine Vorreiterrolle übernehmen. Wenn wir nicht wollen,
    dass auch in der Südhemisphäre die energieintensiven
    Umwege gegangen werden, dann müssen wir voran-
    schreiten.

    Abschließend ganz kurz noch zwei Punkte zu Europa.
    Ich neige normalerweise nicht zum Pathos, aber ich muss
    schon sagen: In dem Moment, als in Bonn Herr Pronk so-
    zusagen den Tagungshammer hat niederfahren lassen, hat
    mich für den Bruchteil einer Sekunde der Hauch der Ge-
    schichte angeweht.


    (Zurufe von der PDS: Oh!)

    Das gebe ich ganz offen zu. Das lag daran, dass Europa
    wirklich erstmalig mit nur einer Stimme sprach. Die Län-
    der, die der Europäischen Union beitreten wollen, haben
    nämlich mit der EU an einem Strang gezogen. Wir haben
    zusammen mit den Entwicklungsländern einen Erfolg er-
    zielt, den viele nicht für möglich gehalten hatten.


    (Birgit Homburger [FDP]: Das hätte man früher haben können!)


    Darauf kann man als Europäer ein wenig stolz sein.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Ein letzter Gedanke zu den Vereinigten Staaten von

    Amerika: Man muss ja feststellen, dass ironischerweise
    die radikale Verweigerung der Teilnahme am Kioto-Pro-
    zess von Präsident Bush dazu geführt hat, dass sich viele,
    die in Wahrheit gar nicht wollten, nicht mehr hinter dem
    breiten Kreuz der Amerikaner verstecken konnten. Das
    hat im Ergebnis einen Einigungszwang auf den Rest der
    Welt ausgeübt. Insofern ist Präsident Bush im Grunde ge-
    nommen einer der Geburtshelfer für den Kioto-Vertrag.


    (Eva Bulling-Schröter [PDS]: Oh! Oh!)

    Ich wünsche mir aber, dass die Amerikaner ihre Blocka-
    dehaltung aufgeben. Klimaschutz ohne die Vereinigten




    Dr. Reinhard Loske
    22608


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Staaten ist auf Dauer nicht möglich. Ich hoffe, dass sich
    dort über kurz oder lang die Vernunft wieder durchsetzt.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)