Rede:
ID1422500300

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Ich: 1
    2. erteile: 1
    3. dem: 1
    4. Kolle-gen: 1
    5. Gernot: 1
    6. Erler,: 1
    7. SPD-Fraktion,: 1
    8. das: 1
    9. Wort.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 22326 A Tagesordnungspunkt 13: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Internationale Verantwortung – Ent- wicklung stärken . . . . . . . . . . . . . . . . 22325 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Elfter Bericht zur Entwick- lungspolitik der Bundesregierung (Drucksache 14/6496) . . . . . . . . . . . . . 22325 A c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Dritter Bericht über die Ar- mutsbekämpfung in der Dritten Welt durch Hilfe zur Selbsthilfe (Drucksache 14/6269) . . . . . . . . . . . . . 22325 B d) Antrag der Abgeordneten Adelheid Tröscher, Brigitte Adler, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Entwicklungsfinanzierung interna- tional stärken – VN-Konferenz „Financing for Development“ (Drucksache 14/8487) . . . . . . . . . . . . . 22325 B e) Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Reformpolitik und Stabilität in den Transformations- staaten weiter fördern – gegen den Kahlschlag bei der Entwicklungs- zusammenarbeit (Drucksache 14/8109) . . . . . . . . . . . . . 22325 C f) Erste Beratung des von der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Sicherung der öffentlichen Entwicklungshilfe des Bundes (Ent- wicklungshilfesicherungsgesetz) (Drucksache 14/8338) . . . . . . . . . . . . . 22325 D g) Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Politische Stabilisierung der zentralasiatischen Krisenregion (Drucksache 14/8057) . . . . . . . . . . . . . 22325 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mit der Internationalen Konferenz über Entwicklungsfinanzierung den Abwärts- trend der Finanzmittel für nachhaltige Entwicklung umkehren (Drucksache 14/8482) . . . . . . . . . . . . . . . 22326 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Informationstechnologie in den Mittel- punkt der Entwicklungszusammenarbeit stellen (Drucksache 14/5578) . . . . . . . . . . . . . . . 22326 A Plenarprotokoll 14/225 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 225. Sitzung Berlin, Freitag, den 15. März 2002 I n h a l t : Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesminis- terin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22326 B Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . 22330 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22332 B Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . . 22334 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22336 B Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22337 C Adelheid Tröscher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 22339 A Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22341 A Detlev von Larcher SPD . . . . . . . . . . . . . 22342 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22343 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . 22344 D Detlef Dzembritzki SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 22346 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 22347 A Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hansjürgen Doss, Friedhelm Ost, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Offensive für die Bauwirt- schaft (Drucksachen 14/6315, 14/8504) . . . . . . . 22349 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Wiesehügel, Dieter Maaß (Herne), weiterer Abgeordneter und der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zukunft der deutschen Bauwirtschaft (Drucksachen 14/7297, 14/8506) . . . . . . . 22350 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Hans-Michael Goldmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Chancen für die Bauwirt- schaft durch weniger Regulierung (Drucksachen 14/7458, 14/8507) . . . . . . . 22350 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Große Anfrage der Abgeordneten Uwe Hiksch, Christine Ostrowski, Rolf Kutzmutz und der Fraktion der PDS: Zukunft der Bauwirtschaft (Drucksachen 14/7135, 14/8498) . . . . . . . 22350 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . 22350 B Klaus Wiesehügel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 22352 B Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22354 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22355 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22357 B Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär BMWi 22358 C Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 22360 B Dieter Maaß (Herne) SPD . . . . . . . . . . . . . . . 22362 B Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (Drucksachen 14/8214, 14/8529, 14/8546, 14/8530) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22363 C Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 22364 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 22365 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22367 D Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 22369 A Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22370 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22371 C Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22372 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22372 D Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22373 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 22374 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22376 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22376 C Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22377 A Tagesordnungspunkt 16: a) Antrag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Einsatzdauer von Soldaten bei Friedensmissionen verkürzen – Rahmenbedingungen ver- bessern (Drucksache 14/7159) . . . . . . . . . . . . . 22378 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002II b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Begrenzung derEinsatzdauer von Soldaten bei Friedensmissionen (Drucksachen 14/1307, 14/2841) . . . . 22379 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Jörg von Essen, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Einsatzdauer von Soldaten bei Friedensmissionen verkürzen – Rah- menbedingungen verbessern (Drucksachen 14/4536, 14/6684) . . . . 22379 A Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . 22379 B Johannes Kahrs SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22380 D Ursula Lietz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 22382 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22385 B Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22386 B Ursula Mogg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22387 A Tagesordnungspunkt 18: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Erfahrungsbericht der Bundesregierung zu den Wirkungen der Wohnungsüber- wachung durch Einsatz technischerMit- tel (Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG, § 100 c bis 100 f StPO) (Drucksache 14/8155) . . . . . . . . . . . . . . . 22388 B Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der steuerlichen Diskriminierung Alleinerziehender (Drucksache 14/8274) . . . . . . . . . . . . 22388 C b) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der PDS: Gerechtigkeit im Familienlastenaus- gleich herstellen (Drucksache 14/8273) . . . . . . . . . . . . 22388 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22388 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22390 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 22391 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertretung in den Aufsichtsrat (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . 22392 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Erfahrungsbericht der Bundes- regierung zu den Wirkungen der Wohnungs- überwachung durch Einsatz technischer Mittel (Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG, § 100 c bis 100 f StPO) (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . 22393 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . 22393 A Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 22394 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22395 C Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22396 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22397 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 22398 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Entwurfs eines Gesetzes zur Besei- tigung der steuerlichen Diskriminierung Alleinerziehender – des Antrags: Gerechtigkeit im Familienlas- tenausgleich herstellen (Tagesordnungspunkt 18 a und b) . . . . . . . . . . 22399 A Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22399 B Elke Wülfing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 22400 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 22402 A Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22402 D Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22403 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 Dr. Barbara Höll 22390 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22391 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 15.03.2002 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 15.03.2002 Beck (Köln), BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 Volker DIE GRÜNEN Bernhardt, Otto CDU/CSU 15.03.2002 Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Blank, CDU/CSU 15.03.2002 Joseph-Theodor Bodewig, Kurt SPD 15.03.2002 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 15.03.2002 Böttcher, Maritta PDS 15.03.2002 Bohl, Friedrich CDU/CSU 15.03.2002 Brase, Willi SPD 15.03.2002 Brüderle, Rainer FDP 15.03.2002 Büttner (Ingolstadt), SPD 15.03.2002 Hans Dr. Däubler-Gmelin, SPD 15.03.2002 Herta Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 DIE GRÜNEN Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 DIE GRÜNEN Faße, Annette SPD 15.03.2002 Feibel, Albrecht CDU/CSU 15.03.2002 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 DIE GRÜNEN Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 Joseph DIE GRÜNEN Fograscher, Gabriele SPD 15.03.2002 Formanski, Norbert SPD 15.03.2002 Forster, Hans SPD 15.03.2002 Dr. Friedrich CDU/CSU 15.03.2002 (Erlangen), Gerhard Friedrich (Mettmann), SPD 15.03.2002 Lilo Friedrich (Altenburg), SPD 15.03.2002 Peter Fuchs (Köln), Anke SPD 15.03.2002 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 15.03.2002 Gloser, Günter SPD 15.03.2002 Göllner, Uwe SPD 15.03.2002 Goldmann, FDP 15.03.2002 Hans-Michael Gröhe, Hermann CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Guttmacher, FDP 15.03.2002 Karlheinz Haack (Extertal), SPD 15.03.2002 Karl-Hermann Hartnagel, Anke SPD 15.03.2002 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 15.03.2002 Hempelmann, Rolf SPD 15.03.2002 Holetschek, Klaus CDU/CSU 15.03.2002 Irmer, Ulrich FDP 15.03.2002 Kaspereit, Sabine SPD 15.03.2002 Körper, Fritz Rudolf SPD 15.03.2002 Kolbow, Walter SPD 15.03.2002 Kortmann, Karin SPD 15.03.2002 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 15.03.2002 Krüger-Leißner, SPD 15.03.2002 Angelika Lamers, Karl CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Leonhard, Elke SPD 15.03.2002 Lewering, Eckhart SPD 15.03.2002 Meckel, Markus SPD 15.03.2002 Merten, Ulrike SPD 15.03.2002 Michels, Meinolf CDU/CSU 15.03.2002* Neumann (Bramsche), SPD 15.03.2002 Volker entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222392 (C) (D) (A) (B) Nietan, Dietmar SPD 15.03.2002 Ostrowski, Christine PDS 15.03.2002 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 15.03.2002 Philipp, Beatrix CDU/CSU 15.03.2002 Pieper, Cornelia FDP 15.03.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 15.03.2002 Raidel, Hans CDU/CSU 15.03.2002** Rühe, Volker CDU/CSU 15.03.2002 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 15.03.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 15.03.2002 Schloten, Dieter SPD 15.03.2002** Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 Albert DIE GRÜNEN Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 15.03.2002 Hans Peter Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 15.03.2002 Andreas Schönfeld, Karsten SPD 15.03.2002 Schröder, Gerhard SPD 15.03.2002 Dr. Schubert, Mathias SPD 15.03.2002 Schuhmann (Delitzsch), SPD 15.03.2002 Richard Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 15.03.2002 Schultz (Everswinkel), SPD 15.03.2002 Reinhard Schwalbe, Clemens CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 15.03.2002 Christian Seehofer, Horst CDU/CSU 15.03.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Solms, Hermann FDP 15.03.2002 Otto Sorge, Wieland SPD 15.03.2002 Dr. Spielmann, Margrit SPD 15.03.2002 Dr. Stadler, Max FDP 15.03.2002 Steinbach, Erika CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Freiherr von CDU/CSU 15.03.2002 Stetten, Wolfgang Störr-Ritter, Dorothea CDU/CSU 15.03.2002 Strebl, Matthäus CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 15.03.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 15.03.2002 Dr. Thomae, Dieter FDP 15.03.2002 Voßhoff, Andrea CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 15.03.2002 Welt, Jochen SPD 15.03.2002 Dr. Westerwelle, Guido FDP 15.03.2002 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 15.03.2002 Wilhelm (Amberg), BÜNDNIS 90/ 15.03.2002 Helmut DIE GRÜNEN Zeitlmann, Wolfgang CDU/CSU 15.03.2002 Dr. Zöpel, Christoph SPD 15.03.2002 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der 107. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) zur Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmerver- tretung in den Aufsichtsrat (Tagesordnungs- punkt 15) Mit dem heute beschlossenen Gesetz macht die Regie- rungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ei- nen Schritt zum Ausstieg aus der paritätisch finanzierten, solidarischen Arbeitslosenversicherung. Nach der Teil- privatisierung der Rentenversicherung erfolgt hier ein weiterer Systembruch, der nicht hinnehmbar ist und den ich ablehne. Vor allem auf Druck der Gewerkschaften hat die rot- grüne Koalition zwar einen Teil ihrer Vorhaben zur Priva- tisierung der Arbeitsvermittlung korrigiert. Arbeitslose, die Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit beziehen, müssen nichts mehr aus ihrer Privatschatulle dazusteuern. Dies gilt allerdings nicht für den ganzen „Rest“ an Ar- beitslosen. Das Gesetz lässt also noch jede Menge sozia- len Zündstoff übrig. Die Logik des Vorhabens und ihre Konsequenzen werden dadurch nicht geändert: die wei- tere Privatisierung des Sozialstaats, das Entstehen zweier „Klassen“ von Arbeitslosen. Welche fatalen Auswirkungen damit verbunden sind, lässt sich anhand der konkreten Lage im Osten erahnen. Allein in Sachsen waren im Februar 2002 mehr als 438 000 Arbeitslose registriert – das ist Rekordniveau und bedeutet, dass auf eine freie Stelle 20 arbeitslose Bewer- ber entfallen. Weder die Einführung von Kombilöhnen noch die Privatisierung der Arbeitsvermittlung tragen zur Lösung dieser Probleme bei. Im Gegenteil – unter Bedin- gungen wie in Sachsen führen sie eher dazu, dass eine Vielzahl der Langzeitarbeitslosen in das soziale Abseits gedrängt werden. Das Gesetz zur „Reformierung der Arbeitslosenver- mittlung“ entsolidarisiert und ist daher verantwortungs- los. Deshalb stimme ich gegen dieses Gesetz. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Erfahrungsbe- richt der Bundesregierung zu den Wirkungen derWohnungsüberwachung durch Einsatz tech- nischerMittel (Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG, § 100 c bis 100 f StPO) (Tagesordnungspunkt 18) Dr. Jürgen Meyer (Ulm) (SPD):Die technische Über- wachung von Wohnräumen oder der polemisch gerne so bezeichnete „große Lauschangriff“ war ein besonders heiß umstrittenes Thema des Bundestages in der letzten Legislaturperiode. Dabei wurde immer wieder übersehen oder verschwiegen, dass es derartige Maßnahmen zur Verhütung von Verbrechen, also zu präventiven Zwecken, längst gab und es insoweit einer neuen verfassungsrecht- lichen Grundlage, die nur für den repressiven Bereich fehlte, nicht bedurfte. In der Bundestagsdebatte vom 9. Oktober 1997 habe ich auf diesen Sachverhalt hingewiesen und gefordert, „dieses als letztes Mittel offenbar unverzichtbare Instru- ment rechtsstaatlich zu kontrollieren und dadurch seine Anwendung einzuschränken“. Diese Forderung konnte in den Verhandlungen mit der damaligen Regierungskoali- tion durchgesetzt werden. In der Bundestagsdebatte vom 16. Januar 1998 habe ich die neuen Einschränkungen der präventiven Wohnraumüberwachung erläutert und neben dem Richtervorbehalt besonders die nunmehr durch die Verfassung vorgeschriebene öffentliche Berichterstattung sowie die auf meinen Vorschlag eingeführte parlamenta- rische Kontrolle hervorgehoben. Ich habe damals festge- stellt: „Diese parlamentarische Kontrolle wird künftig durch Gremien, die von jedem Landtag und dem Bundestag neu einzurichten sind, durchgeführt werden“. In derselben Bun- destagssitzung haben wir die Bundesregierung aufgefordert, spätestens zum 31. Januar 2002 einen detaillierten Erfah- rungsbericht zu den Wirkungen der Wohnraumüberwachung vorzulegen. Dieser Bericht ist Gegenstand der heutigen De- batte. Er wird uns auch in den bevorstehenden Ausschuss- beratungen noch intensiv beschäftigen. Von besonderem Interesse ist die Information, dass in den drei Berichtsjahren von 1998 bis 2000 in insgesamt 70 Verfahren in 78 Wohnungen akustische Wohnraum- überwachungsmaßnahmen angeordnet und vollzogen wor- den sind, und zwar ganz überwiegend wegen des Ver- dachts einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz oder eines Tötungsdelikts. Die Zahl legt die Vermutung nahe, dass derartige Maßnahmen, die in der Vergangen- heit häufig mit dem Etikett der Prävention versehen wor- den sein dürften, eine weitaus geringere Rolle spielen, als in den heißen Debatten angenommen worden ist. Der von einigen Landesregierungen gegebene Hinweis auf einen „Verunsicherungseffekt insbesondere im Bereich der Or- ganisierten Kriminalität“ lässt unwillkürlich an die Kriegslist von Hannibal denken, der seine zahlenmäßig stark reduzierten Truppen dadurch bedrohlich erscheinen ließ, dass er seine verbliebenen Soldaten mit ihren Schwertern auf die Schilde schlagen und dadurch großen Lärm verursachen und außerdem seine Elefanten gewal- tige Staubwolken aufwirbeln ließ. Möglicherweise ist aber durch die neuen Schranken für die Anordnung und Durchführung von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen auch der von mir seinerzeit erhoffte Reduzierungseffekt eingetreten. Ärgerlich bleibt gleichwohl, dass in 41 der insgesamt 70 Fälle die aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse nicht für das Ermittlungsverfahren von Be- deutung waren. Das legt den Schluss nahe, dass eine noch sorgfältigere Überprüfung derartiger Maßnahmen als Ul- tima Ratio im Sinne von Art. 13 Abs. 3 GG zu einem wei- teren Rückgang der statistischen Zahlen führen müsste. Dass wir bei der Bewertung der Erfahrungen auf Mut- maßungen angewiesen sind, ist gewiss nicht Schuld der Bundesregierung. Es liegt vielmehr an dem eindeutigen Wi- derwillen verschiedener Landesregierungen, ihre durch die Verfassung festgelegten und für die Staatsanwaltschaften durch § 100 e StPO konkretisierten Berichtspflicht wirklich nachzukommen. Der Bericht der Bundesregierung legt be- redtes Zeugnis dafür ab, dass sie ganz ähnlich wie das vom Bundestag gewählte Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG ei- nen ausdauernden Kampf um die Verbesserung der sehr höf- lich als „weitgehend recht pauschal“ bezeichneten Berichte der Landesjustizverwaltungen geführt hat. Die Folge ist, dass der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz erst im November 2001 eine Verbesserung der Erhebungsbö- gen durch Präzisierungen beschlossen hat, die erst für die Berichte ab dem Berichtsjahr 2002 relevant werden. Für den heute vorliegenden Erfahrungsbericht hatte die Bundesregierung den Landesjustizverwaltungen einen Katalog mit zwölf präzisen Fragen vorgelegt, die weitge- hend unbeantwortet geblieben sind. Aus der Erfahrung als Mitglied des Gremiums nach Art. 13 Abs. 6 GG kann ich berichten, dass wir einzelne Landesregierungen immer wieder an ihre verfassungs- rechtliche Berichtspflicht erinnern mussten. Geradezu grotesk ist, dass teilweise die Auffassung vertreten wor- den ist, dass eine auf Länderebene einzurichtende parla- mentarische Kontrolle der präventiven Wohnraumüber- wachung nicht erforderlich sei. Man kann zwar darüber streiten, ob in den Landtagen neue Ausschüsse einzurich- ten waren oder eine Berichterstattung gegenüber beste- henden Ausschüssen, etwa den Innenausschüssen oder ständigen Ausschüssen, dem Verfassungsgebot genügt. Aber Art. 13 Abs. 6 Satz 3 GG schreibt im Anschluss an die Vorschrift über das Bundestagsgremium unmissver- ständlich vor: „Die Länder gewährleisten eine gleichwer- tige parlamentarische Kontrolle“. Ob dieses inzwischen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22393 (C) (D) (A) (B) vier Jahre nach In-Kraft-Treten der zitierten Regelung im GG geschehen ist, wird den Bundestag und hoffentlich auch die betreffenden Landtage noch beschäftigen. Es ist in hohem Maße bedauerlich, dass einzelne Lan- desregierungen, die sich offensichtlich hinsichtlich der im Lande durchgeführten Überwachungsmaßnahmen nicht in die Karten schauen lassen wollten, darauf hingewiesen wer- den mussten, dass das GG auch in den Bundesländern gilt. Eine unbestreitbare Schwäche der in Art. 13 GG vorge- sehenen öffentlichen Berichterstattung und parlamentari- schen Kontrolle ist es jedoch, dass dadurch eine Einzelfall- bewertung nicht ermöglicht wird. Diese ist aber notwendig, um die Erfahrungen mit der Praxis akustischer Wohn- raumüberwachungen zuverlässig auszuwerten. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung an das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg einen Gutachtenauftrag erteilt hat, der sich auf die Rechtswirklichkeit und die Effizienz der Überwachung nicht nur der Telekommunikation, sondern auch anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen bezieht. Selbstverständlich muss bei der Auswertung von Akten den Erfordernissen des Datenschutzes Rechnung getragen wer- den. Die Anonymisierung persönlicher Daten ist aber kein Hindernis für verlässliche wissenschaftliche Aussagen. Abschließend möchte ich noch auf ein besonderes Är- gernis in der Berichterstattung der Landesjustizverwal- tungen hinweisen. Bekanntlich ist die in § 101 StPO im Einzelnen geregelte Benachrichtigung des Betroffenen selbstverständliche und verfassungsrechtlich gebotene Voraussetzung dafür, Rechtsschutz in Anspruch zu neh- men. Deshalb haben wir festgelegt, dass immer dann, wenn eine Benachrichtigung des Betroffenen nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme erfolgt, es für das weitere Zurückstellen der Benachrichtigung der richterlichen Zustimmung bedarf. Dennoch kommt es im- mer wieder vor, dass die Maßnahme längst abgeschlossen ist, dass sie keine Relevanz für das Verfahren hatte und gleichwohl mit der pauschalen Begründung „andauernder Ermittlungen“ eine Benachrichtigung unterbleibt. In Bay- ern war dieses ausweislich der Berichte für die Jahre 1999 und 2000 eine mehrfach geübte Praxis, ohne dass man sich anscheinend der Mühe unterzogen hat, die gebotene richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die im Gesetz festgelegte Frist von sechs Monaten beginnt aber nicht erst nach dem Ende der Ermittlungen, sondern bereits nach Beendigung der Maßnahme. Das im Erfahrungsbericht der Bundesregierung doku- mentierte Verhalten verschiedener Landesjustizverwaltun- gen ist eine wesentliche Ursache dafür, dass heute zu den Erfahrungen mit der Wohnraumüberwachung „noch keine definitiven Aussagen und Schlussfolgerungen“ mög- lich sind. Dieses rechtfertigt den Hinweis an einzelne Lan- desregierungen, die seitens des Gremiums nach Art. 13 Abs. 6 GG brieflich an ihre Pflichten erinnert werden muss- ten, dass der Rechtsstaat nur glaubwürdig ist, wenn seine Organe dieselbe Gesetzestreue üben, die sie von den Bür- gerinnen und Bürgern ganz selbstverständlich verlangen. Ronald Pofalla (CDU/CSU): Der Bericht der Bun- desregierung führt uns zwei Dinge vor Augen: erstens, dass die Einführung des „großen Lauschangriffs“ in der letzten Legislaturperiode eine richtige, sicherheitspoli- tisch vorausschauende Maßnahme war, die durch Erfolg bei der Verbrechensbekämpfung gekrönt ist; zweitens, dass durchaus noch Änderungs- und Verbesserungsbedarf besteht, um die Instrumentarien der Bekämpfung insbe- sondere der organisierten Kriminalität noch zu verfeinern. Doch auch Kritik hinsichtlich des Berichts ist, trotz des durchaus guten Ansatzes, angebracht. So bleibt der Be- richt stellenweise schwammig und geht mit nur kurzen Bemerkungen auf die von der Praxis vorgetragenen Ver- besserungsvorschläge ein; dies wohl vor allem deshalb, weil die Änderungsvorschläge der Praxis der Bundesre- gierung politisch nicht in den Kram passen. Hier muss sei- tens der Bundesregierung wieder einmal Rücksicht vor allem auf den kleine Koalitionspartner der Regierungsko- alition genommen werden, und das wieder einmal auf Kosten der inneren Sicherheit! Dabei geht aus dem Bericht der Bundesregierung klar hervor, dass mit dem „großen Lauschangriff“ kein Schind- luder getrieben worden ist. So sind in den dreieinhalb Jah- ren, die das Gesetz nun schon in Kraft ist, nur um die 100 Wohnungen akustischen Wohnraumüberwachungs- maßnahmen unterzogen worden. Im Berichtszeitraum, von 1998 bis 2000, waren es genau 70 Verfahren, in deren Verlauf 78 akustische Wohnraumüberwachungsmaßnah- men angeordnet und vollzogen wurden. Dies zeigt, dass sich die Staatsanwaltschaften der hohen Hürden dieser Maßnahme durchaus bewusst sind. Kritiker des Lauschangriffes benutzen nun aber gerade diese Zahlen, um die Notwendigkeit dieser Maßnahme in Frage zu stellen. Aber das sind gerade die Kritiker, die in der Vergangenheit vor der massenhaften Zunahme von Lauschangriffen gewarnt haben! Und nun beschweren sie sich, dass die zuständigen Justizbehörden maßvoll und ver- nünftig hiermit umgehen. Wieder einmal verkehrte Welt! Die Befürworter des „großen Lauschangriffes“, zu de- nen ich mich auch zähle, sehen jedoch in der geringen An- zahl der Verfahren mit Wohnraumüberwachungsmaßnah- men vor allem eins: eine unnötige Zurückhaltung aufgrund zu hoher Hürden. Für mich ist die verhältnismäßig ge- ringe Anzahl von Lauschangriffen ein Zeichen dafür, dass hier durchaus noch Bedarf besteht, die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung und Überführung von Schwerstkriminellen auszuweiten. In der Praxis wird vor allem bemängelt – dies geht auch aus dem Bericht hervor –, dass bei akustischen Wohn- raumüberwachungsmaßnahmen eine Zuordnung des ge- sprochenen Wortes zu den einzelnen Gesprächspartnern oft schwerfällt und so ohne Nutzen für die Ermittler ist. Hier kann nur der „große Spähangriff“, also die optische Wohnraumüberwachung, Abhilfe leisten. Auf diese Weise könnte zweifelsfrei das gesprochene Wort dem Täter zu- geordnet werden und so eine Verbesserung des Beweis- wertes erreicht werden. Ein Umdenken in Sachen „innere Sicherheit“ tut Not. Ge- rade im Hinblick auf global organisierte Kriminalität und auf weltweit operierende Tenoristen ist es nötig, den Strafverfol- gungsbehörden in ausreichendem Maße mit geeigneten ge- setzlichen Maßnahmen beizustehen. Eine solche geeignete Maßnahme wäre zweifelsohne die Erleichterung der An- wendung von akustischen Wohnraumüberwachungsmaß- nahmen wie auch die Einführung optischer Wohnraum- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222394 (C) (D) (A) (B) überwachungsmaßnahmen. Auch die Verpflichtung Dritter, zum Beispiel der Telekommunikationsanbieter, zur Ermög- lichung von Wohnraumüberwachungsmaßnahmen sollte zumindest geprüft werden. Durch diese Maßnahme würde ebenfalls die Arbeit der Ermittler erheblich erleichtert. Ein weiterer Punkt ist die Frist des § 100 d Abs. 4 StPO, derzufolge eine Wohnraumüberwachung auf nur vier Wo- chen zu befristen ist. Die Frist beginnt mit dem Erlass der richterlichen Anordnung, sodass es in schwierigen Fällen dazu kommen kann, dass alleine die Installation der Ab- höreinrichtungen diesen Zeitraum in Anspruch nimmt. Der Vorschlag aus der Praxis, die Drei-Monats-Frist des „kleinen Lauschangriffes“ außerhalb der Wohnung auch für den „großen Lauschangriff“ zu übernehmen, erscheint daher sachgerecht. Doch trotz des zum Teil offensichtlichen Änderungs- bedarfs traut sich die Bundesregierung nicht an konkrete Gesetzesinitiativen heran. Doch, meine Damen und Her- ren von der Regierungskoalition, Umdenken tut Not! Glo- bal organisierte Schwerstkriminalität und mit Unterstüt- zung fremder Staaten operierende Terroristennetzwerke bedrohen unser aller Sicherheit! Hier ist kein Platz für im- mer dieselbe alte, ideologisch eingefärbte Jammerei vom bösen Überwachungsstaat. Die zuständigen Behörden ha- ben unser Vertrauen. Sie haben es auch verdient, wie der Bericht meines Erachtens ausdrücklich zeigt. Dass in dem Bericht festgestellt wird, eine abschlie- ßende Beurteilung der Wohnraumüberwachung sei noch nicht möglich, halte ich für Augenwischerei. Auch der Hinweis auf das Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, auf dessen Ergebnisse zunächst gewartet werden soll, ist eine klare Verzögerungstaktik. Die Zurückhaltung bei Fragen der inneren Sicherheit, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ehrt Sie nicht! Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass wir alles Nötige und Mögliche tun, um innere Si- cherheit herzustellen. Das Argument der Einengung bür- gerlicher Freiheiten durch den Überwachungsstaat ist überholt. Nur in Sicherheit hat Freiheit überhaupt einen Nutzen. Und die Freiheit wird keineswegs durch über- handnehmende Kompetenzen der Justizbehörden in der Bundesrepublik bedroht, sondern durch die Feinde des Rechtsstaats, mafiöse Verbrecherbanden und internatio- nal operierende Terroristen. Die Bedenken der Regierung kann ich hier beim besten Willen nicht verstehen. Unverständlich ist auch, warum auch die von der Pra- xis geforderte Angleichung der Straftatenkataloge des „großen Lauschangriffes“ und der Telekommunikations- überwachung mit dem Hinweis auf das noch ausstehende Gutachten des Max-Planck-Instituts lapidar abgelehnt wird. Eine Diskussion um eine Angleichung und eine Er- weiterung der hier aufgezählten Delikte ist dringend ge- boten. So sollte zumindest eine Telefonüberwachung nach § 100 a StPO bei Fällen von Kindesmissbrauch und bei dem Verdacht auf Verbreitung von Kinderpornographie möglich sein. Die reine „Beobachtung der Entwicklung“, wie es in dem Bericht nett umschrieben wird, reicht eben nicht aus. Man muss auch bereit sein, die innenpolitischen Konsequenzen zu ziehen. Der Bericht bestätigt nur, was bereits zu vermuten war: Die Bereitschaft, diese Konsequenzen zu ziehen, ist bei der jetzigen Bundesregierung nicht vorhanden. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber heute als morgen würde ich den „großen Lauschangriff“ aus dem Grundgesetz und der Strafprozessordnung ver- bannen. Heute wie damals bin ich davon überzeugt, dass die damalige Verfassungsänderung ein schwerer Fehler war. Die Änderung des Art. 13 mit der Erlaubnis zum Ver- wanzen des menschlichen Intimbereichs hat der Rechts- kultur schweren Schaden zugefügt. Wir fordern eine umfassende Reform der gesamten Praxis der technischen Überwachung – einschließlich des „großen Lauschangriffes“. Wenn der Staat zu viel schnüf- feln will, muss ihm das Recht hin und wieder ein Nasen- loch zustopfen. Uns ist natürlich klar, dass die nötige Zweidrittelmehr- heit in Bundestag und Bundesrat für eine Instandsetzung der Verfassung durch Wiedereinsetzung des alten Art. 13 des Grundgesetzes in seinen früheren Stand nicht zu be- kommen ist. Wir beharren aber darauf, dass diese Schnüf- felei im engsten persönlichen Nahbereich so weit wie möglich verschwindet. Angesagt ist die bessere richterli- che Kontrolle. Dies gilt übrigens für die gesamte techni- sche Überwachung: Richter müssen nicht nur anordnen. Sie müssen auch den Verlauf der Verfahrens kontrollieren und für seine Rechtmäßigkeit sorgen. Gerade daran fehlt es im deutschen Recht. Hier sind die USAweiter. Was nun den leidigen „großen Lauschangriff“ angeht, so fordern wir erst einmal die Einhaltung der Berichts- pflichten der Länderbehörden. Selbst das genügt aber nicht; die Berichtspflichten müssen auch erheblich ausge- weitet werden. Es kann doch nicht angehen, dass der Staatsanwaltschaft mit dem Gericht noch freundlich plau- dert, den Angeklagten über den Lauschangriff zu infor- mieren oder auch nicht, während der Betroffene und sein Verteidiger keinen blassen Schimmer haben. Noch ein besonderes Ärgernis will ich anfügen: die faktische Mithaftung der Angehörigen, die selbst munter abgehört werden, obwohl gegen sie keinerlei Verdacht existiert. Wir setzen uns auch dafür ein, die Familie vor dem „großen Lauschangriff“ besser zu schützen und die Verfahrensrechte von Betroffenen und Angehörigen zu stärken. Verteidiger dürfen im Prozess mit gleichen Rech- ten kämpfen wie der Staatsanwalt. Das uns alle betreffende Thema Grundrechtsschutz hät- ten wir besser anhand des ersten Erfahrungsberichts der Bundesregierung hier im Parlament ausführlicher diskutie- renmüssen.DieserBerichtundseineAuswertungverdienen eine große Öffentlichkeit. Er zeigt anschaulich, was Exper- ten uns schon bei derÄnderung desArt. 13 desGrundgeset- zes gesagt haben: Der Lauschangriff führt nicht zu mehr Sicherheit.OhneNotwird stattdessen indasGrundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen. DerBundestag hat anlässlich derBeratung zum„großen Lauschangriff“ in der letzten Wahlperiode die Bundesre- gierung aufgefordert, einen Erfahrungsbericht über die Wohnraumüberwachung bis spätestens 13. Januar 2002 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22395 (C) (D) (A) (B) vorzulegen. Wenn schon das Recht auf die Unverletzlich- keit der Wohnung angetastet wird, dann muss zumindest eine ausreichende parlamentarische Kontrolle erfolgen. Dazu müssen die Länder, aber auch die Bundesregierung beitragen. Der Bericht sollte ein Element dieser Kontrolle sein. Hier müssen aber auch die Länder mitspielen. Allerdings zweifele ich gerade wegen der dürftigen Länderberichte an der Qualität der Kontrolle. Schon als Mitglied des G-13-Gremiums habe ich Schwierigkei- ten, die Kontrolle auszuüben. Bei Vorstellung des ersten Berichtes gemäß Art. 13 Abs. 6 des Grundgesetzes rügte der hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Friedrich von Zezschwitz, dass „der Bericht keine effektive parla- mentarische Kontrolle gewährleistet. Wesentliche Infor- mationen, die wertende Aussagen zur Effizienz der Maß- nahmen und zur Intensität der damit verbundenen Grundrechtseingriffe ermöglichen, fehlen“. Die Qualität der Berichte hat sich auch in den folgen- den Jahren zu meinem größten Missfallen nicht wirklich verbessert. Immer noch wird das Parlament nur spärlich mit Informationen gefüttert. Ich habe – da stehe ich nicht allein – immer weniger Lust, mich dieser Informations- diät auszusetzen. Der informative Kahlschlag der Länder bei der Unterrichtung des Bundes ist eine Zumutung. Ich frage mich ernsthaft, ob wir uns das noch länger bieten lassen können. Ich habe jedenfalls große Schwierigkeiten, meinem gesetzlichen Auftrag als Mitglied des Gremiums nach Art. 13 nachzukommen. DasWenige, was uns an Informationen bleibt, bestätigt unsere Einschätzung in der letzten Legislaturperiode. Der „großeLauschangriff“ greift ohneNot inBürgerrechte ein. Das G-13-Gremium hat in den drei Jahren seines Beste- hens jährlich einen Bericht bekommen, in dem in Tabel- lenform aufgelistet ist, wie wieleWohnraumüberwachun- gen nachArt. 13Abs. 6 des Grundgesetzes vorgenommen worden sind.Alle bisher vorgelegten Berichte hatten eines gemeinsam: Die Hälfte der vorgenommenen Lausch- angriffe waren nicht verfahrensrelevant, führten also nicht zur Überführung eines Täters oder zur Aufklärung einer Straftat.Auch der uns jetzt vorliegende Bericht bietet eine traurige Bilanz:Von den insgesamt seit 1998 durchgeführ- ten 70Verfahren führten 41nichtweiter. Sie lieferten keine Beweise, halfen im Verfahren nicht weiter, führten nicht zurÜberführungdesTäters. In 58Prozent derFällewar der Lauschangriff also überflüssig und das bei Kosten pro Lauschangriff von bis zu 25 000 Euro! Ich denke, dass dieses Ergebnis deutlich vor Augen führt, dass derAngriff auf die Privatsphäre der Bürger und Bürgerinnen teuer ist und nicht zu mehr Sicherheit führt. Ein anderes Ergebnis ist so interessant, dass sogar die Union einmal genau hinschauen sollte: Elektronische Wohnraumüberwachung ist in 90 Prozent der Fälle einge- setzt worden bei Tötungsdelikten und Betäubungsmittel- delikten. Der Katalog der Straftaten, die in § 100 c StPO aufgelistet werden, wird in der Praxis erst gar nicht ausge- schöpft. Die Forderungen der Union, den Lauschangriff auch bei anderen Delikten anzuwenden, geht an der Wirk- lichkeit vorbei. Die Union will hier die Bürgerrechte ohne Not preisgeben, Der Union fällt bei der Kriminalitäts- bekämpfung nur eines ein: Bürgerrechte beschränken! Ginge es nach der Union, hätten wir jetzt nicht nur den „großenLauschangriff“, sondern auch den großen Spähan- griff. Überwachung total also! Das kann nicht mit einem vermeintlichen Recht auf Sicherheit begründet werden. Ich möchte abschließend die FDP an ihre früheren libe- ralen Zeiten erinnern. Burkhard Hirsch, der seinerzeit ge- gen seine Fraktion den „großen Lauschangriff“ abgelehnt hat, schrieb: „Die Behauptung eines Grundrechts auf Sicherheit ist der Versuch, sich im Interesse einer ‚schlag- kräftigen‘ Strafverfolgung vom lästigen Rankenwerk rechtsstaatlicher Begrenzung staatlicher Macht zu be- freien. Es ist die Vorstellung, dass die Bewahrung des Kernbereichs der Privatheit eben nur ein privates Interesse sei und dem öffentlichen Interesse an einem ‚wehrhaften‘ Staat nachgeordnet ist. Es ist das Urbild der wohlmeinen- den Obrigkeit, die nicht zu sehr durch individualistische Eigenheiten in ihrer gemeinnützigen Tätigkeit behindert werden dürfe. Mit der Rechtsordnung des Grundgesetzes ist das nicht vereinbar.“ Diesen Worten möchte ich nichts mehr hinzufügen. Jörg van Essen (FDP): Das Grundrecht auf Unver- letzlichkeit der Wohnung ist wichtig. Es darf daher beim Abhören von Wohnungen keinen Freibrief geben. Jedwe- der Eingriff in ein Grundrecht muss so gering wie mög- lich bleiben. Daher haben wir seinerzeit besonderen Wert auf strenge verfahrensmäßige Sicherungen im Grundge- setz gelegt. So ist das Abhören von Wohnungen nur zur Verfolgung schwerster Straftaten zulässig, die Anordnung einer Überwachung nur durch eine mit drei Richtern be- setzte Strafkammer des Landgerichts und nur für be- grenzte Zeit erlaubt. Zu diesen Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen zählt auch der Bericht der Bundesregierung. Der Bericht zeigt, dass die Ängste und Befürchtungen von damals, dass nun die Verwanzung der Republik droht, völlig an der Sache vorbei- gehen. Von 1998 bis Ende 2000 wurden in 70 Verfahren in 78 Wohnungen akustische Wohnraumüberwachungen ange- ordnet. Das zeigt, dass von diesem Instrument sehr verant- wortungsvoll und zurückhaltend Gebrauch gemacht wurde. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass dem 3 353 Verfahren von telefonischen Überwachungs- maßnahmen allein im Jahr 2000 gegenüberstehen. Art. 13 Abs. 6 GG ermächtigt das so genannte Art.-13- Gremium des Bundestages zur Ausübung der parlamenta- rischen Kontrolle. Dieser Kontrolle können wir aber nur dann gerecht werden, wenn wir umfassend unterrichtet werden und uns alle notwendigen Zahlen und Daten zur Verfügung gestellt werden. Dies ist leider nicht der Fall, was sich auch unzweifelhaft aus dem Bericht der Bun- desregierung ergibt. Die Datenlage ist völlig unzurei- chend. Die jährlichen Berichte der Länder geben über- wiegend nackte Zahlen und statistische Aussagen wieder. Vereinzelt machen die Bundesländer überhaupt keine An- gaben über die Verfahren. Die Aussagekraft dieser Daten ist sehr begrenzt und lässt eine sorgfältige Kontrolle nicht zu. Jeder einzelne Eingriff in Grundrechte des Bürgers ist erklärungsbedürftig. Wir waren uns daher seinerzeit da- rüber einig, dass eine rechtliche Überprüfbarkeit der Maß- nahmen garantiert werden muss. Ein wichtiger Bestand- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222396 (C) (D) (A) (B) teil ist hier die parlamentarische Kontrolle. Es gebietet al- lein der Respekt vor diesem von der Verfassung ausdrück- lich vorgesehenen parlamentarischen Gremium, dass man uns wichtige Informationen nicht vorenthält, sondern ebendiese umfassend zur Verfügung stellt. Wenn wir un- seren verfassungsgemäßen Kontrollauftrag ernst nehmen, dann müssen wir auch kritisch hinterfragen, warum einige Länder eine hohe Anzahl an Verfahren haben und andere Länder einen geringen, einige Länder sehr erfolgreich sind, andere viele Fehlschläge haben. Insbesondere diese ungleiche Gewichtung ist erklärungsbedürftig. Wiederholt hat das Art.-13-Gremium diese Praxis der Länder beanstandet. Ich habe nun die Hoffnung, dass die Ermahnungen an die Länder Wirkung zeigen, und wir in den folgenden Berichten endlich die detaillierten Infor- mationen bekommen, die uns helfen, zu einer umfassen- den Beurteilung der Sachverhalte zu kommen. Kontrolle kann nur dort verantwortlich ausgeübt werden, wo eine objektive Beurteilung möglich ist. Ulla Jelpe (PDS): Der „große Lauschangriff“ auf pri- vate Wohnungen ist ein schwerer Eingriff in Grundrechte. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und auf Schutz der Person und ihrer Privatsphäre wird durch dieseMaßnahme außer Kraft gesetzt. Die PDS hat deshalb dieÄnderungdesGrundgesetzes,mit der diese polizeiliche Maßnahme erstmals erlaubt wurde, 1998 strikt abgelehnt. Der vorliegende Erfahrungsbericht der Regierung über die in den letzten drei Jahren von Polizei und Staatsan- waltschaften vorgenommenen Lauschangriffe auf private Wohnungen bestätigt alle unsere Bedenken. Die bei der Debatte über diese Grundgesetzänderung hier großspurig angekündigten Erfolge gegen das organisierte Verbrechen sind ausgeblieben. Bei einer Vielzahl von Delikten findet der Lauschangriff selbst aus polizeilichen Erwägungen offensichtlich überhaupt nicht statt. Das dokumentiert auch der vorliegende Bericht. In den drei Jahren von 1998 bis 2000, so ist dort zu lesen, haben Polizei und Staatsanwaltschaften in gerade einmal 70 Er- mittlungsverfahren insgesamt 78 Wohnungen und Ge- schäftsräume mit den im „großen Lauschangriff“ erlaub- ten Mitteln abgehört. Zum Vergleich: Wegen schwerer Gewaltkriminalität, also Mord, Totschlag, Raubdelikten und gefährlicher und schwerer Körperverletzung, ermit- teln Polizei und Staatsanwaltschaften jährlich in etwa 180 000 Fällen. Verglichen mit dieser schweren Krimina- lität griffen Polizei und Staatsanwaltschaften also jährlich in weniger als 0,2 Promille aller Ermittlungsverfahren zum Mittel des Lauschangriffs. In 41 dieser 70 Verfahren waren die am Ende gewon- nenen Erkenntnisse, ich zitiere aus dem Bericht, für das Verfahren „nicht ... von Bedeutung“. In mehr als der Hälfte dieser Fälle ist der „große Lauschangriff“ als aus krimi- nalpolizeilicher Sicht völlig wertlos geblieben. Ernüchte- rung scheint sich selbst in Polizei- und Justizkreisen breit zu machen. Das hessische Justizministerium berichtet von 16 Wohnraumüberwachungen seit Sommer 1998. Nur in fünf Fällen seien dabei Informationen von Bedeutung ge- wonnen worden. Das sei, so das Ministerium wörtlich, „ein eher ernüchterndes Bild.“ Wegen einer Vielzahl von Straftaten, die im Katalog des 1998 verabschiedeten Kriminalitätsbekämpfungsgesetzes, mit dem der „große Lauschangriff“ eingeführt wurde, aus- drücklich genannt werden, hat in diesen immerhin nun drei Jahren überhaupt kein Lauschangriff stattgefunden. Ich zi- tiere wieder aus dem vorliegenden Bericht: „Wegen fol- gender Katalogstraftaten wurden ... bislang noch keine Überwachungsmaßnahmen angeordnet: Geld- oder Wert- papierfälschung; Fälschung von Zahlungskarten; schwe- rer Menschenhandel; Straftaten gegen die persönliche Frei- heit; gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei; Straftaten nach dem Waffengesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz; Straftaten des Friedens- verrats, des Hochverrats ...; Straftaten nach dem Ausländer- sowie dem Asylverfahrensgesetz“. Trotzdem sind die Befürworter des Lauschangriffs zu keiner Korrektur bereit. Stattdessen wird auf Zeit gespielt und abgewiegelt. Wörtlich heißt es in dem Bericht; ich zi- tiere erneut: „Angesichts des geringen Anwendungsgra- des der Maßnahme insgesamt erscheinen Rückschlüsse auf die Erforderlichkeit der Aufnahme dieser Straftaten in den Katalog ... jedenfalls verfrüht.“ Mit anderen Worten: Alles soll so bleiben wie bisher. Mehr noch: Die Landes- justizverwaltungen wollen den Lauschangriff offensicht- lich beibehalten, am liebsten sogar ausweiten. Der Lausch- angriff sei wichtig, so der Bericht – ich zitiere –, „ohne dass dies freilich durch Einzelbeispiele hinreichend be- legt werden kann.“ Dabei nennt der Bericht auf der anderen Seite geradezu groteske Einzelheiten über die Praxis des Lauschangriffs. Das Sächsische Staatsministerium des Innern etwa be- richtet von einem Fall, in dem der „große Lauschangriff“ deshalb eingesetzt wurde, weil – ich zitiere wieder – „der Beschuldigte und seine Mittäter im Rahmen ihrer Akti- vitäten in Bordell- und sonstigen Vergnügungsbetrieben zahlreiche, zum Teil enge Beziehungen zu Angehörigen von Strafverfolgungsbehörden geschaffen hatten. Dies hatte wiederholt zu Informationsabflüssen und Vereite- lung von strafprozessualen Maßnahmen gegen den Be- schuldigten geführt.“ Soll der „große Lauschangriff“ etwa dazu dienen, Kor- ruption und Bestechlichkeit innerhalb von Polizei und Jus- tiz entgegenzuwirken? Ich finde das einen unglaublichen Vorgang. Ebenso sorglos scheinen einige Ermittlungsorgane auch mit dem Zeugnisverweigerungsrecht umzugehen. Ich erinnere daran: Bei der Debatte um die Einführung des „großen Lauschangriffs“ hatten Rechtsanwälte, Ärzte und andere Personen, bei denen der vertrauliche Umgang mit Patienten und Klienten gesetzlich geschützt ist, schon da- mals mit Recht erhebliche Bedenken und Kritik geäußert. Nun erfahren wir aus dem vorliegenden Bericht, dass min- destens in zwei Fällen auch gegen Anwälte und/oder Ärzte Lauschangriffe stattgefunden haben. „Über mögliche Kol- lisionen mit den beruflichen Zeugnisverweigerungsrech- ten wurden keine gesonderten Erkenntnisse mitgeteilt.“ Was heißt das? Soll das bedeuten, dass die beteiligten Stel- len solche Kollisionen noch nicht einmal geprüft haben? Trotz dieser erschreckenden Bilanz erörtert der vorlie- gende Bericht am Ende seitenlang Möglichkeiten und Vorschläge zur Ausweitung des Lauschangriffs. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22397 (C) (D) (A) (B) In meinen Augen müssen ganz andere Konsequenzen gezogen werden. Die Aufhebung dieses Grundrechts ist unbegründet, unnötig und völlig unverhältnismäßig. Der „große Lauschangriff“ gehört abgeschafft, das Grund- recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung muss wieder hergestellt werden. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Die Einführung der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung hat seinerzeit die Gemüter sehr bewegt. Die einen sahen darin einen unver- hältnismäßigen Eingriff in die Intimsphäre der Bürger, gar eine Bedrohung für den Rechtsstaat, die anderen einen un- verzichtbaren Bestandteil der Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Die damit verbundenen Änderungen des Grundgesetzes wie auch der Strafpro- zessordnung waren daher das Ergebnis einer intensiven rechtspolitischen Auseinandersetzung, an deren Ende ein Kompromiss stand, der für sich in Anspruch nehmen kann, einer breiten Mehrheit gerecht geworden zu sein. Zu diesem Kompromiss gehörte auch der Berichtsauf- trag des Bundestages an die Bundesregierung zu den Wir- kungen der Wohnungsüberwachung. Durch den heute zu beratenden Bericht ist die Bundesregierung diesem Auf- trag nachgekommen. Die Bundesregierung war dabei allerdings vollständig auf die Mithilfe der Bundesländer angewiesen, da die akustische Wohnraumüberwachung bislang ausschließ- lich von den Strafverfolgungsbehörden der Länder ange- wandt wurde. Im Zuständigkeitsbereich des Bundes ist es dagegen zu keiner einzigen berichtspflichtigen Maß- nahme gekommen. Der Bericht enthält deshalb überwiegend eine zusam- menfassende Darstellung der von den Ländern gelieferten Stellungnahmen. Diese Stellungnahmen waren aber teil- weise recht pauschal, sodass auch in der Gesamtschau verallgemeinernde Schlussfolgerungen nicht möglich wa- ren. Dabei will ich darauf hinweisen, dass die mitunter eingeschränkte Aussagekraft auf ein meiner Ansicht nach sehr wesentliches Ergebnis des Berichtes zurückzuführen ist: Seit In-Kraft-Treten des Gesetzes am 9. Mai 1998 wurden in den Berichtsjahren 1998 bis 2000 nämlich le- diglich in 70 Verfahren akustische Wohnraumüber- wachungsmaßnahmen angeordnet und vollzogen. Hinzu kommt, dass diese Überwachungen – auch aus tech- nischen Gründen – in mehr als der Hälfte der Fälle für die Verfahren keine Relevanz hatten. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass eine fundierte Bewertung der verfassungsrechtlichen, kriminal- und gesellschaftspoliti- schen Auswirkungen noch nicht möglich ist. Gleichwohl enthält der Bericht Aussagen zu nahezu allen Themen, die uns bei der Beratung des Gesetzes so intensiv beschäftigt haben: Tatverdacht und Anlasstat, Subsidiarität, Zeugnisverweigerungsrechte, technische Realisierung, In- tensität des Grundrechtseingriffs, Benachrichtigungs- und Berichtspflicht der Staatsanwaltschaft, Relevanz der Maßnahme für die Ermittlungsverfahren, für die Bekämp- fung der organisierten Kriminalität sowie finanzieller Aufwand und Nutzen. Ich will mich hier auf einige wenige Resultate be- schränken: So hat sich ergeben, dass nahezu 90 Prozent der Wohnraumüberwachungsmaßnahmen wegen des Ver- dachts von Tötungs- und Betäubungsmitteldelikten ange- ordnet wurden. 41 von 70 Maßnahmen blieben für das Verfahren ohne Bedeutung. Hier spricht allerdings bei al- len Vorbehalten, die auf dem geringen Fallmaterial beru- hen, vieles für die Annahme, dass sich die Zahl der nicht relevant gewordenen Maßnahmen teilweise mit techni- schem Fehlschlagen der Überwachung erklären lässt; im- merhin hat sich mehrfach die technische Umsetzung des Abhörens in Wohnungen als nicht unproblematisch er- wiesen. So kam es zu technischen Übertragungsproble- men und zu Schwierigkeiten bei der Auswertung der Auf- zeichnung aufgrund störender Geräusche. Daneben werden in dem Bericht die in den Länder- berichten enthaltenen gesetzgeberischen Änderungsvor- schläge im Bereich dieses Ermittlungsinstrumentariums dargestellt und bewertet. Die erhobenen Forderungen wurden allerdings regelmäßig nicht mit konkreten Er- mittlungsdefiziten oder anderen rechtstatsächlichen Er- kenntnissen untermauert. Schon aus diesem Grunde sehe ich hier keinen akuten Handlungsbedarf. Andere Forde- rungen sind altbekannt und aus sachlichen Gründen abzu- lehnen. Einige Beispiele: Ich sehe derzeit keinen Bedarf für eine Verlängerung der Vier-Wochen-Höchstbefristung für die Anordnung einer Wohnraumüberwachungsmaßnah- me; gibt es doch im Gesetz die Möglichkeit einer Verlän- gerung der Maßnahme. Auch werden Änderungen des Straftatenkatalogs erst erfolgen können, wenn ein ent- sprechendes Bedürfnis tatsächlich nachgewiesen wurde. Weiterhin ist die gelegentlich vorgetragene Forderung nach der Ermöglichung des so genannten „großen Späh- angriffs“, also der Zulassung auch der optischen Wohn- raumüberwachung, zurückzuweisen: Weder ist für eine derartige Ausweitung der strafprozessualen Eingriffs- norm, die eine Änderung des Grundgesetzes erfordern würde, ein konkretes Bedürfnis dargetan, noch wird sie der Bedeutung der Wohnung für den Bürger als dem Ort gerecht, an dem er frei und unbeobachtet sein kann. Als Fazit nach der Auswertung von knapp drei Jahren großer Lauschangriff kann nur festgehalten werden: Ei- nerseits lässt sich die Erfolgseignung der Maßnahme auf- grund des geringen Fallmaterials abschließend noch nicht bewerten. Andererseits hat die Untersuchung aber jeden- falls keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Straf- verfolgungsbehörden von dem Abhören des Wohnraums in überzogenem Maß Gebrauch gemacht hätten. Mängel im Gesetzesvollzug, die durch Gesetzesänderungen kurz- fristig beseitigt werden müssten, waren nicht erkennbar. Die Bundesregierung wird sich aber mit dieser eher mageren Zwischenbilanz nicht zufrieden geben. Insbe- sondere wird sie prüfen, ob und wie zukünftig eine bes- sere Erfolgskontrolle erreicht werden kann, als dies bisher durch die Berichte der Länder gewährleistet wurde. Zwar haben sich die Länder auch aufgrund der Bemühungen des Justizministeriums bereits zu einer in einzelnen Punk- ten präzisierenden Berichterstattung entschlossen. So werden ab dem Berichtszeitraum 2002 Angaben über ei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222398 (C) (D) (A) (B) nen möglichen OK-Bezug der Maßnahme, über die Gründe des Fehlschlagens der Maßnahme sowie über die Art des überwachten Objektes gemacht. Ob diese Be- richte dann aussagekräftiger sind, bleibt aber abzuwarten. Die bestehende jährliche parlamentarische Kontrolle gemäß Art. 13 Abs. 6 GG muss jedenfalls die Beobach- tung der Entwicklung dieser verdeckten Ermittlungsmaß- nahme effektiv ermöglichen, damit Defizite festgestellt und kurzfristig durch gesetzgeberische Korrekturen be- reinigt werden können. Bei einer abschließenden Bewertung werden auch die Ergebnisse aus dem Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Frei- burg zur „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwa- chung der Telekommunikation nach den §§ 100 a, 100 b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“ zu berücksichtigen sein. Denn dieses Gutachten wird sich auch mit der akustischen Wohnraumüberwachung befas- sen, soweit diese im Zusammenhang mit Telekommuni- kationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt wird. Ich denke, meine Ausführungen haben deutlich ge- macht, dass der Erfahrungsbericht der Bundesregierung nicht mehr als eine erste Zwischenbilanz sein kann. Die weitere Entwicklung werden wir sorgfältig beobachten. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Entwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung der steuerlichen Diskriminierung Alleinerzie- hender – des Antrags: Gerechtigkeit im Familienlasten- ausgleich herstellen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Nicolette Kressl (SPD): Wir alle wissen, dass Fami- lien einen wichtigen Teil des Rückgrats unseres Staates ausmachen. Familien stehen deshalb im Mittelpunkt un- serer Politik und im Mittelpunkt unserer Steuerreform. Seit unserem Regierungsantritt im Jahr 1998 haben wir die Aufwendungen für Familien – nur im Bereich des Fa- milienleistungsausgleichs – um rund 8 Milliarden Euro auf 48,2 Milliarden Euro im Jahr erhöht und gleichzeitig Familien entlastet. Eine durchschnittliche Arbeitnehmer- familie hat heute im Vergleich zu 1998 bereits 1 884 Euro im Jahr mehr zur Verfügung. Das verdanken wir zum einen unserer Kindergelderhöhung von insgesamt rund 80 DM im Monat, zum anderen unserer Steuerreform zu- gunsten kleinerer und mittlerer Einkommensgruppen. Aber weil eine glückliche Familie eben nicht nur durch materielle Verbesserungen entsteht, sondern zugleich auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen müs- sen, haben wir auch hier zukunftsweisende Neuerungen geschaffen, die wir ausbauen werden: Elternzeit für Müt- ter und Väter, Gewaltschutz, Unterhaltsvorschuss für Al- leinerziehende, mehr Chancengleichheit für Frauen im Be- ruf, Verbesserungen beim BAföG oder unsere Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit sind nur einige Beispiele für unsere umfassende Familienförderung. Nach jahrzehntelanger Stagnation unter CDU/CSU und FDP haben wir die Familienförderung wieder belebt und dabei an alle Familienformen gedacht. Für uns galt schon immer: Familie ist da, wo Kinder sind. Deshalb ist es für uns auch unerheblich, ob ein Kind nun mit ein oder zwei Elternteilen aufwächst, solange es dabei glücklich ist. Der Vorwurf, dass unsere Familienpolitik Alleinerzie- hende benachteilige, verkennt diese Tatsache und ver- kennt vor allem auch die Regelungen des Einkommen- steuergesetzes. Im PDS-Antrag stehen Aussagen, die offensichtlich von Unkenntnis geprägt sind: Einmal ganz abgesehen da- von, dass es das große Geheimnis der PDS bleiben muss, was Alleinerziehende ohne Kinder sind (offensichtlich wurde im Antrag geschludert), wird eine Unwahrheit zur Besteuerung von Alleinerziehenden mehrfach wiederholt: Sie würden wie Menschen ohne Kinder besteuert. Das Ur- teilsvermögen der Betreffenden ist entweder von er- schreckender Unkenntnis getrübt oder sie stellen entge- gen besserem Wissen unser Steuerrecht falsch dar. Beide Alternativen sind keine Empfehlungen für eine verant- wortungsvolle Familienpolitik. Das Kindergeld von 300 DM (154 Euro) ist die Vo- rauszahlung für viele kindbezogene Steuerfreibeträge und bei einkommensschwachen Familien gleichzeitig zu ei- nem hohen Anteil Förderung. Kindergeld erhält nur, wer Kinder hat. Schon beim Kindergeld wird also deutlich: Kein Mann und keine Frau mit Kindern – egal in welcher Familienform – wird wie ein Alleinstehender ohne Kinder besteuert. In der Wirklichkeit gibt es für viele Alleinerziehende steuerliche Verbesserungen für das Jahr 2002. Lassen Sie mich kurz erläutern, wie diese Besserstellung aussieht, damit es auch die verstehen, die immer noch behaupten, Alleinerziehende würden wie Singles besteuert: Der Haushaltsfreibetrag wird zum Jahr 2005 hin abge- schmolzen. An einschneidenden Änderungen führt seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998 auch kein Weg vorbei. Aber er wird lang- sam abgeschmolzen, obwohl wir ihn auch mit sofortiger Wirkung hätten streichen können. Aber wir wollen eben Alleinerziehenden einen sanften Übergang in ein neues und verfassungskonformes System zur Familienförde- rung ermöglichen. In diesem neuen System wird keineswegs der Haus- haltsfreibetrag ersatzlos gestrichen: Mit dem zum 1. Ja- nuar in Kraft getretenen Freibetrag für Betreuung, Erzie- hung und Ausbildung (BEA) von 2 160 Euro pro Kind und Jahr haben wir eine Freibetragsregelung, bei der nicht wie beim Haushaltsfreibetrag die Erwachsenen, sondern die Kinder im Mittelpunkt stehen. Denn der BEA knüpft an die Zahl der Kinder an und nicht an die Zahl der Erwach- senen. Während der Haushaltsfreibetrag eben nur einmal pro Haushalt galt, wird der neue Freibetrag pro Kind be- rechnet. Darüber hinaus besteht durch die Möglichkeit, erwerbsbedingte Betreuungskosten geltend zu machen, ein weiterer steuerlicher Vorteil, der auch dafür steht, wie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22399 (C) (D) (A) (B) wichtig uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Auch dieser gilt pro Kind und nicht pro Haushalt. Für Alleinerziehende ist also bis 2005 die Situation so, dass sie gleichzeitig den BEAund den – wenn auch abge- schmolzenen – Haushaltsfreibetrag in Anspruch nehmen können. Wir haben dies so entschieden, weil wir diesen Eltern Vertrauensschutz geben wollten. Aus verfassungs- rechtlichen Überlegungen heraus haben wir diese Rege- lung nicht für die „neuen“ Alleinerziehenden in das Ge- setz mit eingezogen, weil insoweit verfassungsrechtlich kein Vertrauen zu schützen war. Dies werden wir aber mit einer gesetzlichen Regelung so bald wie möglich ändern, um steuerliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der Al- leinerziehenden zu verhindern. Es werden also – auch rückwirkend – alle Alleinerziehenden die Möglichkeit der Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags in Anspruch nehmen können. Noch eine Anmerkung zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Durch den Armuts- und Reichtumsbe- richt wird deutlich, dass hier der Schlüssel liegt, um Ar- mut von Kindern zu verringern. Wenn Erwerbstätigkeit durch mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten er- schwert wird, dann entsteht ein besonders hohes Risiko der Abhängigkeit von Sozialhilfe. Ich will auch nochmals betonen, wie wichtig die Kinder- gelderhöhung um insgesamt 80 DM jeden Monat für jedes erste und zweite Kind ist. Die Kindergelderhöhung bedeu- tet für die Mehrzahl der Alleinerziehenden einen monatli- chen Gewinn. Die größte Gruppe der Alleinerziehenden bil- den nämlich diejenigen, welche die Einkommensgrenze für Freibeträge nicht oder nicht mehr erreichen. Wer angesichts all dieser zusätzlichen steuerlichen Möglichkeiten, die für alle Erziehenden gelten, behauptet, Alleinerziehende würden wie Singles besteuert, täuscht nicht nur sich selbst, sondern leider auch alle Alleinerzie- henden. Singles bekommen nämlich weder Kindergeld; noch können sie die für Kinder und deren Erziehende gel- tenden Freibeträge in Anspruch nehmen. Familienpolitik durch Verunsicherung mag für manche ein Feld sein, das es zu bestellen gilt – aber nicht für uns. Wir bleiben lieber bei einer ehrlichen Familienpolitik und versprechen nicht, was wir finanziell nicht halten können, und wecken nicht Erwartungen, die nicht erfüllbar sind. Inzwischen konnten wir feststellen, dass ja auch einige Damen und Herren auf den Bänken der Opposition von allzu fantastischen Programmen der Familienförderung Abstand genommen haben: Das nach 16-jähriger fami- lienpolitischer Steinzeit plötzlich hervorgezauberte Fami- liengeld ist allzu offensichtlich nicht umsetzbar. Selbst in den Reihen der bisherigen Verfechter hat man wohl be- griffen, dass auch der Steinzeitmensch nicht gleich Wol- kenkratzer erstellt hat, sondern erst mal klein angefangen und Hütten gebaut hat. Offensichtlich trauen sich die be- treffenden Damen und Herren zwischenzeitlich aber nicht einmal mehr das zu; denn seit der Trennung vom Fami- liengeld sind sie ein konkretes Programm zur Familien- politik schuldig geblieben. Wir wollen hingegen auch künftig eine Familienpoli- tik, die gerecht ist und nicht zulasten der Kinder geht. Da- mit scheidet eine Familienförderung, die dann von der nächsten Generation finanziert werden muss, für uns aus. Wir können nicht einfach Milliardenbeträge verteilen, die wir gar nicht haben. Damit würden wir genau den Kin- dern, die dadurch kurzfristig gefördert würden, dann das Abtragen der Schuldenberge überlassen. Familienförderung ist für uns ein Gesamtkonzept, das wir auch nachfolgenden Generationen gegenüber vertre- ten wollen und müssen. Mit Schnellschüssen mag kurz- fristig, insbesondere vor Bundestagswahlen, etwas ge- wonnen werden; langfristig gesehen bleibt meist die Gerechtigkeit auf der Strecke. Unsere Familienpolitik trägt hingegen zu mehr Ge- rechtigkeit bei. Das soll auch so bleiben. Die Bilanz un- serer dreieinhalb Jahre Familienförderung kann sich be- reits durchaus sehen lassen und braucht den Vergleich zu den 16 Jahren davor keinesfalls zu scheuen. Wir lehnen uns aber nicht zufrieden zurück, sondern wollen weitere Verbesserungen für Kinder und Eltern erreichen. Damit wir unsere Familienförderung weiterentwickeln können, sind die bestehenden materiellen und sozialen Vorausset- zungen für Familien ständig zu verbessern. Kinderbetreuung steht dabei ganz oben auf unserer Prio- ritätenliste: Der BEAund vor allem die erwerbsbedingten Betreuungskosten sind ein erster großer Schritt hin zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Berufs- tätige Eltern werden dadurch bereits heute von den Kos- ten für Betreuung entlastet. Diese beiden Standbeine – materielle Sicherheit von Fa- milien und Vereinbarkeit von Familie und Beruf – werden wir in der nächsten Legislaturperiode ausbauen. Wir wollen dies in einem Gesamtkonzept tun, das die einkommensun- abhängige finanzielle Förderung von Familien und weitere Schritte zu einer verbesserten Situation bei der Kinderbe- treuung verbindet. Selbstverständlich werden wir in diesem Gesamtkonzept die besondere Situation der Alleinerzie- henden durch die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags einbeziehen. Aber deshalb widerstehen wir auch der Versu- chung, jetzt durch hektische Einzelmaßnahmen einzelne Verbesserungen vorzusehen, die dann nicht mit unseren zukünftigen Vorhaben verzahnt sind. Wir wollen beides: materielle Sicherheit für Familien und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für beide Ziele sehen die Menschen in der SPD die kompetente Kraft – und diesem Vertrauen werden wir auch in Zukunft gerecht werden. Elke Wülfing (CDU/CSU): Es ist schade, dass wir heute nur über einen Gesetzentwurf und einen Antrag der PDS-Fraktion zur steuerlichen Diskriminierung Alleiner- ziehender und zu mehr Gerechtigkeit im Familienleis- tungsausgleich beraten. Wirklich interessant wäre es ge- wesen, wenn die Grünen ihre Gesetzesinitiative zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungs- kosten, die sie im Februar im Internet angekündigt haben, auf den Tisch gelegt hätten. Wie immer haben Frau Scheel und Herr Metzger die Öffentlichkeit genutzt und die „FAZ“ am 12. März über ihre geplante Gesetzesinitiative informiert, statt mit Bundesfinanzminister Eichel und der SPD-Fraktion eine realisierbare Regierungsinitiative zu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222400 (C) (D) (A) (B) starten. In Ankündigungen waren sie ja schon immer groß. Am Ende geben Sie leider immer klein bei. Dabei gäbe es dringend Handlungsbedarf. Denn allen Alleinerziehenden, die nach dem 1. Januar 2002 Kinder bekommen haben, wurde der Haushaltsfreibetrag von 2 900 Euro ersatzlos gestrichen, bei allen anderen wird er schrittweise abgeschmolzen. Damit werden Alleinerzie- hende künftig steuerlich behandelt wie Singles. Die Begründung der Bundesregierung und auch der Grünen, sie hätten durch das Verfassungsgerichtsurteil von 1998 unter Handlungszwang gestanden, ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ab Jahresbeginn 2000 für alle Eltern Kinderbetreuungskosten in Höhe von 4 000 DM für das erste und 2000 DM für jedes weitere Kind steuermindernd zu berücksichtigen sind, wenn die Regierung keine Rege- lung zustande bringt. Dies sollte nicht nur bei außerhäus- licher Betreuung gegen Entgelt, sondern auch bei eigener häuslicher Betreuung gelten. Zum Haushaltsfreibetrag stellt das Bundesverfas- sungsgericht in der Entscheidung klar, dass kindbedingte Mehrkosten, die sich vorrangig als besonderer Erzie- hungsbedarf darstellen, bei allen Eltern, nicht nur bei Al- leinerziehenden, anfallen. Bei Ehepaaren würden diese Mehrkosten nicht durch das Ehegattensplitting aufgefan- gen, weil die Splittingwirkung ja auch allen kinderlosen Ehepaaren zugute komme. Diesen Haushaltsfreibetrag auf alle Eltern auszudehnen war aber der rot-grünen Bun- desregierung zu teuer. Denn nicht 22 Milliarden DM, wie es nach den ersten Regierungsberechnungen hieß, son- dern nur 7 Milliarden DM wurden ausgegeben, von denen 40 Prozent noch durch den gekürzten Ausbildungsfreibe- trag, den wegfallenden Haushaltsfreibetrag und die Strei- chung der steuerlichen Absetzbarkeit von Haushaltshilfen gegenfinanziert wurden. Mit dem wegfallenden Haushaltsfreibetrag hat die Bundesregierung die Alleinerziehenden jetzt endgültig aufs Abstellgleis manövriert. Damit trifft es mal wieder die finanziell Schwächsten in unserer Gesellschaft. Denn der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat erneut bestätigt, dass sich bei alleinerziehenden Frauen die höchste Armutsgrenze mit stark steigender Tendenz abzeichnet. Damit werden Eineltern-Familien jetzt noch mehr in die Sozialhilfe gedrängt. Auch die Ehepaare können mit dieser Regelung nicht zufrieden sein, denn das Verfas- sungsgericht hat ausdrücklich sowohl außerhäusliche Be- treuung wie auch eigene häusliche Betreuung gemeint und gerade nicht die Streichung des Haushaltsfreibetrages für Alleinerziehende. Diese rot-grüne Bundesregierung ist offensichtlich aber nicht in der Lage, Bundesverfassungsgerichtsurteile wirklich zu lesen bzw. richtig zu interpretieren und sie in Gesetzesform umzusetzen. Verheirateten Eltern den ihnen zustehenden Kinderbetreuungsfreibetrag nicht in voller Höhe zu gönnen und Eineltern-Familien im Regen stehen zu lassen ist unsozial und herzlos. Wenn Sie das getan hät- ten, was das Bundesverfassungsgericht von Ihnen ver- langt hat, brauchte die Halbschwester von Gerhard Schröder als Alleinerziehende jetzt nicht erneut vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Der Gesetzentwurf der PDS auf Beseitigung der steuer- lichen Diskriminierung Alleinerziehender greift leider auch zu kurz. Er weist zwar auf die Ungleichbehandlung unter Alleinerziehenden hin, wenn deren Kinder vor oder nach dem 31. Dezember 2001 geboren wurden, nicht aber auf die Tatsache, dass das Verfassungsgericht Verheirate- ten die gleiche Förderung zukommen lassen wollte wie Al- leinerziehenden. Der zweite PDS-Antrag, der uns heute vorliegt, kann auf keinen Fall die Zustimmung der CDU- Bundestagsfraktion finden. Er fordert eine Einkommens- besteuerung unabhängig von der Lebensweise bzw. Le- bensform, das heißt Abschaffung des Ehegattensplittings. Da laufen Sie ja nun total am Bundesverfassungsgericht vorbei, das gerade erneut wieder geurteilt hat, das Ehe- gattensplitting sei zu erhalten, unabhängig davon, ob Kin- der da sind oder nicht. Mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird keine politische Initiative in diesem Hause etwas an Art. 6 Abs. 1 verändern, in dem deutlich steht: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben die beson- dere Schutzwürdigkeit ja nicht nur für die Familie mit Kin- dern anerkannt, sondern auch für die Ehe. Das bedeutet, eine Abschaffung des Ehegattensplittings ist auf der Grundlage des Art. 6 Abs. 1 wohl nicht möglich. Ganz da- von abgesehen würden wir als christlich geprägte Partei, in der die Ehe als eine vor Gott geschlossene Gemeinschaft gilt, einer solchen Initiative nie zustimmen. Denn die auf Dauer angelegte Ehe ist noch immer die beste Grundlage dafür, dass Frau und Mann partnerschaftlich füreinander und als Mutter und Vater für ihre Kinder Verantwortung übernehmen und gemeinsam zur Erziehung, Haushalts- führung und zum Lebensunterhalt beitragen. Deshalb ist der besondere Schutz des Staates, unter den das Grundge- setz Ehe und Familie stellt, nach wie vor gut begründet und für die CDU entscheidender Maßstab ihrer Politik. Nun scheinen ja Wahlkampfzeiten die Zeiten zu sein, in denen zum Beispiel die SPD ihrem schlechten Gewis- sen huldigt. Warum sonst hätte Bundesfamilienministerin Bergmann vor wenigen Tagen mit der Vorstellung einer so genannten Familienstrategie zugegeben, dass die eigent- lichen Verbesserungen für die Familien auf die nächste Legislaturperiode vertagt wurden? Gleichzeitig hat die SPD-Bundesvorsitzende Renate Schmidt nun völlig vage und undifferenziert Ankündigungen über ein neues Kin- derfördergeld für berufstätige Eltern gemacht. Ihre Äuße- rungen werfen anscheinend mehr Fragen auf als Antwor- ten. Wer was bekommt, ist unklar, ebenso der Gesamtumfang der Förderung, von der Finanzierung ganz zu schweigen. Nur berufstätige Eltern sollen in den Ge- nuss der Förderung kommen. Deren Kinder sind aber meist nicht in der Sozialhilfe. Daher geht diese Maß- nahme am Ziel vorbei, alle Kinder aus der Sozialhilfe zu holen. Für Eltern, die ganz in der Sozialhilfe sind, gibt es keinen Anreiz, Arbeit aufzunehmen. Demgegenüber ist die Position der Union klar: Alle Kinder müssen dem Staat gleich viel wert sein. Deswegen setzt die Union auf ein Familiengeld, das die Familien Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22401 (C) (D) (A) (B) spürbar entlastet, Kinder wirklich aus der Sozialhilfe holt und überdies genügend Lohnabstand schafft, damit sich für viele eine Arbeitsaufnahme wieder lohnt. Die Fa- milienpolitik darf aber nicht nur die finanzielle Situation von Sozialhilfeempfängern und Beziehern kleiner Ein- kommen verbessern. Wir wollen Gerechtigkeit für alle Familien und eine wirksame Familienförderung. Diesem Grundsatz folgt das Familiengeld, das 600 Euro in den ersten drei Jahren betragen soll, das ebenfalls für die Kin- der von drei bis 18 Jahren schrittweise auf 300 Euro er- höht werden soll. Diese Beschlüsse des Bundesparteita- ges der CDU werden wir bei Übernahme der Regierung am 22. September, – dafür haben wir gute Aussichten – in die Tat umsetzen. Rot-Grün hat vier Jahre Zeit gehabt, die Lebenssitua- tion von Familien wirklich zu verbessern. Da sie nur Stückwerk abgeliefert hat, ist es den Familien sicher ganz recht, wenn wir ab dem 23. September eine Familienför- derung vorlegen, die den Namen wirklich verdient. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube auch, dass man Familien noch besser entlasten kann und muss, aber trotzdem rate ich dazu, auf dem Tep- pich zu bleiben: Alleinerziehende mit einem Kind werden bei 25 000 Euro Jahreseinkommen in diesem Jahr um rund 1 200 Euro im Vergleich zu 1998 entlastet, nicht be- lastet. lm Jahr 2005 sind es immerhin noch rund 900 Euro steuerliche Entlastung. Diese Verminderung in der steuer- lichen Entlastung ist auf den stufenweisen Abbau des Haushaltsfreibetrages zurückzuführen. Hier liegt das Pro- blem! Der Haushaltsfreibetrag wurde durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1998 für verfassungswidrig erklärt. Die rot-grüne Koalition konnte das nicht ignorie- ren. Wir haben in zwei Reformschritten den Familienlas- tenausgleich vor dem Hintergrund der Vorgaben durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil rechtzeitig neu geregelt. Die Leistungen für Familien wurden dabei erheblich gesteigert. Allein bei den Steuern von 30,5 Milliarden Euro 1998 auf rund 41 Milliarden Euro im Jahr 2002. Und dabei sind die Anhebung des Grundfreibetrages und die Absenkung des Einkommensteuertarifes noch gar nicht berücksichtigt. Die Ausgaben für alle familienpolitischen Maßnahmen zusammen stiegen um mehr als ein Drittel: von 40 Milliarden Euro 1998 auf 53,2 Milliarden Euro im Jahr 2002. Diese Zahlen belegen ganz eindeutig: Rot- Grün hat in der Familienpolitik einen politischen Schwer- punkt erfolgreich verwirklicht! Ich will hier nur einige Stichworte aufzählen, die umge- setzt sind: Kindergeld erhöht, Erhöhung des sachlichen Existenzminimums, Betreuungsfreibetrag und Erziehungs- bedarf eingeführt, Erziehungsgeldreform und BAföG-Re- form realisiert. Eine Familie mit Durchschnittseinkommen von rund 30000 Euro im Jahr und zwei Kindern wird in die- sem Jahr um bereits mehr als 2000 Euro gegenüber 1998, im Jahr 2005, nach der dritten Stufe der Einkommensteuer- reform, sogar um mehr als 2600 Euro im Jahr entlastet. So viel zu den Erfolgen, zurück zum Problem: Der Haushaltsfreibetrag für unverheiratete Eltern ist mit Art. 6 Grundgesetz nicht vereinbar, weil er der ehelichen Erzie- hungsgemeinschaft vorenthalten, unverheirateten Eltern dagegen auch dann gewährt wird, wenn sie eine Erzie- hungsgemeinschaft bilden und beide steuerpflichtig sind. Der Haushaltsfreibetrag hat den Mehrbedarf für Betreu- ung und Erziehung von Kindern nur für Alleinstehende abgebildet, nicht jedoch für alle Kinder verheirateter El- tern. Deshalb musste er mit dem 2. Familienförderungs- gesetz in drei Stufen bis 2005 abgebaut werden. Diese Stufenregelung wollen wir im Sinne der Gleichbehand- lung auf alle alleinerziehenden Eltern anwenden, also auch für nach dem 31. Dezember 2001 geborene Kinder oder ab dem Jahr 2000 verwitwete und 2001 geschiedene Eltern. Die Steuerklasse II bleibt bis 2005 erhalten. Darüber hinaus vertritt Bündnis 90/Die Grünen die Forderung nach der Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kin- derbetreuungskosten ab dem ersten Euro. Wir wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärken. Hierzu gehört, dass es qualifizierten Frauen leichter ermöglicht wird, berufliche Anforderungen und familiäre Pflichten vereinbar zu gestalten. Es freut mich, das Renate Schmidt als stellvertretende Vorsitzende der SPD unsere Forde- rung teilt. Deshalb ist es völlig unverständlich, dass die SPD-Fraktion – übrigens im Gegensatz auch zur Meinung des Bundeskanzlers Schröder – unserer Forderung, den fi- nanziellen Nachteilen aus dem Abbau des Haushaltsfrei- betrages strukturell offensiv entgegenzuwirken und sie zu kompensieren, nicht nachkommt. Wir wissen, dass die fi- nanziellen Nachteile für die Gruppe der Alleinerziehenden ab dem Jahr 2003 und erst recht ab 2005 erheblich zuneh- men. Aus diesem Grunde ist die Haltung von Schröders Schwester mehr als nachvollziehbar. Es bleibt ein Rätsel, wieso bei der SPD bislang keine Meinungsänderung ein- getreten ist. Wir wollen weiterhin die Absetzbarkeit der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten für alle Eltern ab dem ersten Euro. Umfassende und gute Betreuungsangebote für Kinder sind die familienpolitische Aufgabe der nächsten Legisla- turperiode. Wir wollen über unsere aktuelle Forderung hi- naus bundesweit die Kinderbetreuungsangebote ausbauen. Mit Kinderbetreuungsgutscheinen können Eltern dann nach ihren eigenen Vorstellungen entscheiden, welche Angebote sie in Anspruch nehmen wollen. All dies verbessert die Chancen von Müttern und Vä- tern, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Gerade im unteren Einkommensbereich muss aber mehr geschehen. Hier hilft unser Kindergrundsicherungskon- zept Familien aus der Sozialhilfe und über die Beschäfti- gungsschwelle. Ein schlüssiges familienpolitisches Kon- zept hierzu werden wir im Wahlprogramm verankern. Aktuell geht es aber erst einmal darum, den Grundsatz der Gleichbehandlung auch im Detail zu realisieren. Ina Lenke (FDP): Die FDP lehnt den Antrag der PDS ab, weil er auf Annahmen beruht, die von uns in keiner Weise geteilt werden. Erstens. Wie selbstverständlich geht die PDS davon aus, dass die Höhe der steuerlichen Lasten, die sie anders verteilen will, sakrosankt, also gottgegeben und damit un- veränderbar ist. Damit ist die FDP in keinster Weise ein- verstanden. Wir sind der Auffassung, dass unsere Steuerbe- lastung, und zwar nicht nur die der Familien, entschieden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222402 (C) (D) (A) (B) zu hoch ist. Bevor wir über Steuertarife oder Umvertei- lung reden, müssen wir die Steuern senken. Dazu ist die PDS in ihrer Staatsgläubigkeit natürlich nicht bereit. Zweitens. Wie selbstverständlich, aber nicht anders zu erwarten, geht die PDS davon aus, dass sämtliche Kinderkosten von der Allgemeinheit zu tragen sind. – Auch hier vertritt die FDP eine andere Auffassung. Ehe und Familie stehen natürlich unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, genießen Verfassungs- rang. Das kann aber doch nicht heißen, dass die Erzie- hung und das Heranwachsen von Kindern verstaatlicht werden kann. In beiden Punkten unterscheidet sich die FDP grund- legend von der PDS. Für uns kommt die Eigenverantwor- tung des Menschen vor der staatlichen Fürsorge. Auf dieser Grundlage können wir beginnen, über die Förderung von Ehe und Familie zu diskutieren. Natürlich ist das Ehegattensplitting Diskussionsgegenstand in allen politischen Lagern. Wie Sie zu Recht in Ihrem Antrag be- merken, hat Karlsruhe festgestellt, dass es sich dabei nicht um eine Form der Kinderförderung handelt. Sie können nicht leugnen, dass das Grundgesetz Ehe und Fa- milie schützt und insofern die Ehe nicht lapidar als ir- gendeine Form des Zusammenlebens einordnen. Das er- laubt unser Grundgesetz nicht. Natürlich kann man über die Form diskutieren, in der die Ehe steuerlich berück- sichtigt werden muss. Ignorieren können wir die Ehe steuerlich aber nicht. Unabhängig von der Frage des Splittings vergleichen Sie Ehegatten und Alleinerziehende. Hier genau liegt der Bruch. Die Förderung von Kindern hat mit der Ehe zunächst nichts zu tun. So ist die jüngste Entscheidung aus Karlsruhe zu verstehen. Kinder sind gleich zu behan- deln, egal ob sie von einem Elternteil oder von beiden oder von den Großeltern oder von Verwandten betreut werden. Das sollten Sie akzeptieren. Die FDP hat die Schlechterstellungen für Alleinerzie- hende, hier teile ich Ihre Auffassung, die die rot-grüne Koalition beschlossen hat, heftig kritisiert. Gleichbehand- lung lässt sich auch erreichen, indem dem Schlechterge- stellten mehr gegeben wird. Die Koalition hat dem Bes- sergestellten – hier dem Kind des Alleinerziehenden – etwas genommen. Das müssen und werden wir korri- gieren. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 773. Sitzung am 1. März 2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) – Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsge- setzes – Gesetz zur Neuordnung der Statistik im Produzie- renden Gewerbe und zur Änderung des Gesetzes über Kostenstrukturstatistik – Gesetz zur Änderung des Melderechtsrahmen- gesetzes und anderer Gesetze – Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern – Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Be- wertung der Kapitalanlagen von Versicherungsunter- nehmen und zur Aufhebung des Diskontsatz- Überleitungs-Gesetzes (Versicherungskapitalanla- gen-Bewertungsgesetz – VersKapAG) – Gesetz zur weiteren Verbesserung von Kinderrechten (Kinderrechteverbesserungsgesetz – KindRVerbG) – Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme- Kopplungsgesetz) – Gesetz über den Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (Zugangs- kontrolldiensteschutz-Gesetz – ZKDSG) – Gesetz zur Umsetzung von Abkommen über Soziale Sicherheit und zur Änderung verschiedener Zu- stimmungsgesetze – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 18. Dezember 1997 über gegenseitige Amtshilfe und Zusammen- arbeit der Zollverwaltungen – Gesetz zu dem Abkommen vom 24. August 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppel- besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen – Gesetz zu der am 3. Dezember 1999 in Peking be- schlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, und zu weiteren Anpassungen des Protokolls – Gesetz zu dem Abkommen vom 15. Juni 2000 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Republik Singapur über die Seeschifffahrt – Gesetz zu dem Protokoll vom 17. November 1999 zur Ergänzung des Abkommens vom 9. September 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malta über den Luftverkehr und zu dem Pro- tokoll vom 27. Mai 1999 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und der Regierung des Staates Katar zum Abkommen vom 9. November 1996 über den Luftverkehr – Gesetz zu dem Abkommen vom 30. Juni 2000 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Volksrepublik China über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, Industrie und Technik Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22403 (C) (D) (A) (B) – Gesetz zu den Änderungen vom 20. Mai 1999 des Übereinkommens zur Gründung der Europä- ischen Fernmeldesatellitenorganisation „EUTELSAT“ (EUTELSAT-Übereinkommen) – Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fall- pauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauscha- lengesetz – FPG) – Viertes Gesetz zur Änderung des Bundeszentral- registergesetzes – 4. BZRGÄndG – – Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze Der Bundesrat bittet die Bundesregierung klarzustel- len, dass § 139 Absatz 3 Satz 1 Seemannsgesetz auch für das Deck- und Maschinenpersonal von Lotsenversetz- fahrzeugen gilt. Die in Artikel 1 des Gesetzes vorgesehene Änderung des Seemannsgesetzes hat erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb von Lotsenversetzfahrzeugen. Die Einführung einer Höchstarbeitszeit von 14 Stun- den täglich und 72 Stunden wöchentlich würde bedeuten, dass die Besatzung auf den Seestationen nicht mehr in zweiwöchigen Rhythmus abgelöst werden könnte, son- dern im 5-Tage-Rhythmus gewechselt werden müsste. Diese Umstrukturierung würde erhebliche Mehrkosten nach sich ziehen. Im Gesetz vorgesehene Ausnahme- regelungen von den Höchstarbeitszeiten für Bergungs- fahrzeuge, See- und Bergungsschlepper sollten daher aufgrund des gesonderen Arbeitseinsatzes auch für Lot- senversetzfahrzeuge gelten. Die ausdrückliche Einbeziehung des Deck- und Ma- schinenpersonals von Lotsenversetzfahrzeugen ist an- scheinend aufgrund eines Versehens unterblieben, da die Bundeslotsenkammer im Verfahren nicht gehört wor- den ist. Der Abgeordnete Gunter Weißgerber hat seine Unter- schrift zu dem Antrag Dokumentation der freigelegten russischen Graffiti-Inschriften im Reichstagsgebäude in historisch gerechtfertigtem Umfang auf Drucksache 14/6761 zurückgezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapital 14 03 Titelgrup- pe 08 – Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen – humanitären und sonstigen – Ein- sätzen – – Drucksachen 14/7926, 14/8086 Nr. 1.11 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 02 Titel 682 01 – Erstattung von Fahrgeldausfällen – – Drucksachen 14/7939, 14/8086 Nr. 1.12 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 636 55 – Zuschüsse an die Träger der Krankenversicherung der Landwirte – – Drucksachen 14/7940, 14/8086 Nr. 1.13 – – Unterrichtung durch die Präsidentin des Bundesrechnungs- hofes als Vorsitzende des Bundesschuldenausschusses Bericht des Bundesschuldenausschusses über seine Tätigkeit sowie die Verwaltung der Bundesschuld im Jahre 2000 – Drucksachen 14/7952, 14/8086 Nr. 1.9 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2002 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 682 09 – Außerordentliche Maßnahmen zur Stützung des Rind- fleischmarktes – Ankaufaktion 2002 – – Drucksachen 14/7989, 14/8086 Nr. 1.14 – Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Effizienz des neuen güterkraftverkehrsrechtlichen Ord- nungsrahmens – Drucksachen 14/6906, 14/7541 Nr. 1.1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/7708 Nr. 2.8 Drucksache 14/7708 Nr. 2.24 Sportausschuss Drucksache 14/7883 Nr. 2.16 Finanzausschuss Drucksache 14/7883 Nr. 2.13 Drucksache 14/7883 Nr. 2.18 Drucksache 14/7883 Nr. 2.19 Drucksache 14/7883 Nr. 2.23 Drucksache 14/8081 Nr. 2.8 Haushaltsausschuss Drucksache 14/8081 Nr. 2.2 Drucksache 14/8081 Nr. 2.4 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/8081 Nr. 2.7 Drucksache 14/8081 Nr. 2.10 Drucksache 14/8081 Nr. 2.11 Drucksache 14/8081 Nr. 2.12 Drucksache 14/8081 Nr. 2.17 Drucksache 14/8179 Nr. 2.19 Ausschuss für Verbraucherschutz Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/7129 Nr. 2.10 Drucksache 14/8081 Nr. 2.3 Drucksache 14/8179 Nr. 2.29 Drucksache 14/8179 Nr. 2.50 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 200222404 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/7197 Nr. 2.1 Drucksache 14/7197 Nr. 2.5 Drucksache 14/7129 Nr. 2.9 Drucksache 14/7129 Nr. 2.23 Drucksache 14/7409 Nr. 1.3 Drucksache 14/7522 Nr. 2.15 Drucksache 14/7833 Nr. 2.29 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 14/7000 Nr. 1.25 Drucksache 14/7000 Nr. 1.27 Drucksache 14/7000 Nr. 1.28 Drucksache 14/7000 Nr. 2.23 Drucksache 14/7708 Nr. 1.16 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/8081 Nr. 1.1 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/7708 Nr. 2.14 Drucksache 14/7833 Nr. 2.7 Drucksache 14/8179 Nr. 2.30 Ausschuss für Tourismus Drucksache 14/7883 Nr. 2.1 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/7129 Nr. 2.24 Drucksache 14/7409 Nr. 2.9 Drucksache 14/7409 Nr. 2.40 Drucksache 14/7708 Nr. 2.9 Drucksache 14/8179 Nr. 1.12 Drucksache 14/8179 Nr. 2.56 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. März 2002 22405 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Jürgen Hedrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der
    „Tagesspiegel“ vom gestrigen Tage zitiert eine Kollegin
    der SPD-Fraktion:

    Wir sind dabei, Formulierungen zu finden, mit denen
    wir uns nicht blamieren.

    Frau Ministerin, diese Politik haben Sie auch heute
    fortgesetzt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


    Der „Focus“ beschreibt dies mit den Ausdrücken „täu-
    schen, verschleiern, verfälschen“.


    (Detlev von Larcher [SPD]: Das ist Ihrer nicht würdig!)


    Das ist das Prinzip Ihrer Politik: von Riester über
    Scharping bis zur Entwicklungsministerin.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Der Vorschlag der EU, die nationale Mindestquote
    aller EU-Staaten bis zum Jahre 2006 auf 0,33 Prozent des
    Bruttosozialprodukts zu erhöhen, wurde durchaus mit der
    Entscheidung des EU-Ministerrats im November des letz-
    ten Jahres vorbereitet, wo Sie bekräftigt haben, diese
    Quote sei auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts zu er-
    höhen. Die Ministerin ist stolz darauf, dass sie diese Ent-
    scheidung mit initiiert hat. Der Punkt ist aber: Konkretes
    erfolgt nicht.

    Glauben Sie allen Ernstes, die Bürger in diesem Lande
    oder die internationale Gemeinschaft seien bereit, Ihnen
    abzunehmen, dass der Bundeskanzler in der letzten Nacht
    seinen Finanzminister angewiesen hat, doch der EU-Ent-
    scheidung für eine einheitliche Linie in Monterrey nicht
    mehr entgegenzustehen? Schröder hatte auf dem G-7-
    Gipfel in Köln Zusagen gemacht. Drei Tage später kürzte
    Eichel den Etat. Schröder hat auf dem Millenniumgipfel
    eine Zusage gemacht. Jetzt verpflichten Sie sich in dem
    Dokument für Monterrey ebenfalls auf das 0,7-Prozent-
    Ziel. Sie haben es hier auch angesprochen. Der Punkt ist
    nur, dass eine Implementierung nicht stattfindet.

    Auf unsere präzisen Fragen dazu, in welchen Schritten
    Sie sich die Erreichung dieses Ziel vorgenommen haben,
    bekommen wir im Ausschuss nie eine Antwort. Auch un-

    sere Haushälter im Haushaltsausschuss erfahren nichts.
    Wer so vorgeht, gefährdet seine eigene Glaubwürdigkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist schon ein skandalöser Taschenspielertrick, wenn

    Sie nun mit den Zahlen für die letzten Haushaltsjahre in
    Höhe von 0,27 Prozent und 0,28 Prozent des Bruttosozi-
    alprodukts arbeiten. In diesem Haushaltsjahr haben Sie
    den Entwicklungsetat um 8,5 Prozent gekürzt. Das ist die
    höchste Kürzung, die ein Entwicklungsetat in der Ge-
    schichte der Bundesrepublik Deutschland je erfahren hat.
    Das ist Ihre Bilanz und nicht unsere.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was haben Sie in dem Zusammenhang nicht alles ver-
    sprochen! Sie hätten durchaus Gelegenheit gehabt, deut-
    lich zu machen, wie Sie dies umsetzen wollen. Ich darf
    mich hier wiederholen.

    Es gibt aber auch andere Punkte, bei denen Sie mit
    großen Ankündigungen gearbeitet haben. Für diejenigen,
    die mit der Materie im Einzelnen nicht vertraut sind: Die
    Ministerin hat ein so genanntes Konzentrationskonzept
    vorgelegt. Danach sollte die Zahl der Länder, mit denen
    Deutschland zusammenarbeitet, ursprünglich auf 70 re-
    duziert werden. Inzwischen haben Sie eine neue Liste, auf
    der 102 Länder stehen, vorgelegt.

    Auf dieser Liste wurden übrigens interessante Ka-
    schierungen vorgenommen. Zum einen taucht dort die
    Neuschöpfung eines Entwicklungslandes namens Zen-
    tralasien auf, damit Sie nicht fünf Länder einzeln auf-
    führen müssen. Damit wollen Sie verhindern, dass Sie ge-
    gen die Grundsätze Ihrer eigenen Liste verstoßen. Zum
    anderen erwähnen Sie Länder überhaupt nicht und ma-
    chen dazu eine Fußnote. All das sind Tricks, mit denen Sie
    verschleiern wollen, dass Sie mit dem Konzept der Kon-
    zentrationspolitik gescheitert sind.

    Es ist auch in sich unstimmig und unschlüssig. So ha-
    ben Sie sich zum Beispiel jahrelang geweigert, Tadschi-
    kistan in die Liste aufzunehmen. Der Außenminister fährt
    dann aber dorthin und erklärt, dass Tadschikistan in die
    Liste aufgenommen werde. Das geschah übrigens mit
    dem Hinweis, das sei notwendig, weil Tadschikistan ein
    wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus und
    zur Befriedung in Zentralasien ist. Das haben wir Ihnen
    bereits vor zwei Jahren gesagt. Damals wurden wir mit ei-
    ner schnöden Handbewegung abgefertigt.

    All diese Beispiele zeigen, dass Ihr Konzept in sich
    nicht konsistent ist. Sie sind möglicherweise immer dort,
    wo „etwas los ist“ und wo man eventuell eine gewisse
    Show abziehen kann. Deutschland kündigt zum Beispiel
    eine große Zusammenarbeit mit Osttimor an – einem
    Land, welches von der internationalen Hilfe völlig über-
    füttert ist –, statt sich gegebenenfalls auf die Länder zu
    konzentrieren, die es notwendig haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Immer wieder spricht die Regierung davon, dass auch die
    EU eine größere Rolle übernehmen sollte. Der Euro-
    päischen Union sollten von ihren einzelnen Mitgliedstaa-




    Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
    22330


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    ten Zuständigkeiten bezüglich der europäischen Entwick-
    lungspolitik übertragen werden und Osttimor, ein Staat
    mit 800 000 Einwohnern, sei ein klassisches Beispiel
    dafür.

    Es gibt aber auch noch andere Ungereimtheiten. Sie
    haben das Land Simbabwe selbst genannt. Mit großen
    und beredten Worten beziehen Sie sich auf die innenpoli-
    tische Diskussion in Simbabwe. Frau Ministerin, Sie ha-
    ben nicht erwähnt, dass Simbabwe überhaupt nicht auf der
    Liste der Partner- und Schwerpunktländer des Ministe-
    riums steht. Die Begründung ist verhältnismäßig einfach:
    Sie sagen, dass man mit diesem Land zum gegenwärtigen
    Zeitpunkt staatlich nicht zusammenarbeiten könne. Das
    ist übrigens richtig. Aus unserer Sicht müsste aber gerade
    dieses Land eine besondere Aufmerksamkeit bezogen auf
    die bilaterale Zusammenarbeit erhalten. Sie hätten näm-
    lich die Möglichkeit, insbesondere die Kräfte in dem Land
    zu stärken, die für Demokratie einstehen, so zum Beispiel
    die Opposition, die Kirchen und die Nichtregierungs-
    organisationen.

    Mehrere Kollegen aus dem Ausschuss – ich weiß nicht,
    ob der Kollege Reinhold Hemker anwesend ist – fordern
    Sie seit Jahr und Tag auf, mehr zur Förderung der Zivil-
    gesellschaft in Simbabwe zu tun. Monatelang haben Sie
    sich schwer getan; nichts ist passiert. Heute beklagen wir,
    dass ein paranoider Diktator die Chance bekommen hat,
    sich wieder an die Macht zu fälschen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In der Tat hätten wir dort erheblich mehr tun müssen.

    Wir alle kennen diese Mechanismen: Es wird darauf
    verwiesen, dass man die Mittel, die für staatliche Zusam-
    menarbeit zur Verfügung gestellt wurden, nicht zur Stär-
    kung von Nichtregierungsorganisationen umschichten
    könne.


    (Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)

    – Das war das offizielle Argument der Regierung. – Hier
    hätten Sie sich in einer intensiven Diskussion mit dem
    Finanzminister darum kümmern können, dass nicht Mil-
    lionen und Abermillionen Deutsche Mark oder Euro auf
    der hohen Kante liegen bleiben, sondern dass diese Mittel
    für die Stärkung der demokratischen Kräfte in Simbabwe
    eingesetzt werden. Das gilt morgen vielleicht für ein an-
    deres Land. Das ist die Inkonsequenz Ihrer Politik.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Liste kann man beliebig fortsetzen. Sie haben

    mit großem Aufwand – ich gebe zu, dass ich Sie dafür
    manchmal bewundere – das „Aktionsprogramm 2015“
    zur Reduzierung derArmut auf den Weg gebracht. Es ist
    richtig: Man kann wirklich etwas von Ihnen lernen, wie
    Sie so etwas öffentlich darstellen.


    (Gernot Erler [SPD]: Herr Kollege, Sie können noch viel von uns lernen!)


    Der Punkt ist aber: Als Sie das vor einem Jahr vorstellten,
    haben Sie Ihr Aktionsprogramm erläutert, aber zur Um-
    setzung kaum ein Wort gesagt. Einen Satz haben Sie dazu
    gesagt: Sie würden jetzt einen Umsetzungsplan auf den
    Weg bringen. Ich habe eine höfliche Frage gestellt – Kol-

    legen in meiner Fraktion werfen mir vor, ich würde Sie zu
    gut behandeln und nicht scharf genug formulieren –: Frau
    Ministerin, wann wird der Umsetzungsplan vorliegen? –
    Ihre Antwort war: in drei Monaten. Jetzt ist ein Jahr ver-
    gangen und der Umsetzungsplan liegt immer noch nicht
    vor. Auch hier klaffen Ankündigung und Umsetzung Ihrer
    Politik wie immer auseinander.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gibt noch eine Reihe von anderen Ungereimtheiten.

    Bevor ich einige nenne, will ich durchaus darauf verwei-
    sen, dass wir in unseren Grundanstrengungen nicht
    auseinander liegen. Ich teile Ihre Einschätzung, dass es
    notwendig ist, alles zu unternehmen, um Entwicklungen
    zu begegnen und zu steuern, die neue Gewalt auf dieser
    Erde befördern könnten. Es ist in der Tat richtig, dass es
    keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Terro-
    rismus und Armut gibt. Aber junge Menschen, die keine
    Perspektive für ihre eigene Zukunft haben, sind für die
    Anwendung von Gewalt natürlich viel eher ansprechbar
    als junge Menschen, die eine Perspektive haben. Insofern
    liegen unsere Einschätzungen in diesem Punkt in diesem
    Hause nahe beieinander.

    Ich füge jedoch hinzu: Es bedarf dann aber auch der
    konkreten Umsetzung solcher Maßnahmen. Das treibt
    mich schon um; das will ich nicht verhehlen. Wir erleben
    die Gewalteskalation im Nahen Osten Tag für Tag, wenn
    zum Beispiel ein 14-jähriger Palästinenser in einem
    Selbstmordattentäter sein Idol sieht und glaubt, dass de-
    mokratische Strukturen nicht wirklich dazu geeignet sind,
    seine Lebensqualität zu verbessern. Deshalb ist es wich-
    tig, dass wir in all unseren Anstrengungen darauf achten,
    dass weltweit diejenigen Kräfte eine Chance bekommen,
    die darauf hinwirken, dass die Prinzipien der Beachtung
    von Menschenrechten, einer gewaltfreien Gesellschaft,
    einer rechtsstaatlichen Ordnung und der Marktwirtschaft
    Anwendung finden.

    In dem Dokument von Monterrey – das begrüße ich –
    steht insofern etwas sehr Vernünftiges, als darin die be-
    sondere Eigenverantwortung unserer Partnerländer be-
    tont wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir
    könnten auch die doppelte Summe an Entwicklungshilfe
    zur Verfügung stellen: Wenn die Voraussetzungen in un-
    seren Partnerländern nicht gegeben sind, wenn sich die
    Verantwortlichen vor Ort keine Mühe geben, ihren Men-
    schen die Mindestperspektiven von Entwicklung zu eröff-
    nen, dann nützt alle Hilfe von außen nichts.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir können die Probleme unserer Partnerländer nicht

    lösen. Diese Probleme müssen von den Verantwortlichen
    dort selbst angepackt werden, und zwar nicht nur von der
    politischen, sondern auch von der wirtschaftlichen, der
    kulturellen und der wissenschaftlichen Elite. Was wir tun
    können, ist, unsere Hilfe anzubieten und unsere Partner
    dort zu unterstützen, wo wir gegebenenfalls mit unseren
    Mechanismen eingreifen können. Hier kommt den politi-
    schen Stiftungen aller politischen Gruppierungen in
    Deutschland in ganz besonderem Maße eine wichtige
    Aufgabe zu.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)





    Klaus-Jürgen Hedrich

    22331


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Es ist in diesem Zusammenhang von besonderer Be-
    deutung, dass wir uns nicht nur über die klassische EZ Ge-
    danken machen. Ich teile die Auffassung, dass wir uns
    auch mit den Konzeptionen marktwirtschaftlicher Sys-
    teme beschäftigen müssen. Ich will deshalb betonen – das
    wird übrigens manchmal sogar in meiner eigenen Partei
    vergessen, von Sozialdemokraten sowieso –, dass die
    Christdemokraten keine Konservativen sind. Wir Christ-
    demokraten sind eine Partei der Mitte.


    (Rudolf Bindig [SPD]: Der rechten Mitte!)

    Wir Christdemokraten in Deutschland stehen nicht für
    Marktwirtschaft als solche, sondern für das Konzept der
    sozialen Marktwirtschaft.


    (Gernot Erler [SPD]: Das musst du mal deinen eigenen Leuten erzählen!)


    Es handelt sich um ein Konzept, das nicht allein ein Wirt-
    schaftskonzept ist. Das ist es am wenigsten. Es ist ein Ord-
    nungskonzept. Wir glauben, dass wir von den Erfahrun-
    gen Deutschlands durchaus das eine oder andere unseren
    Partnerländern in dieser Welt anbieten können, eben nicht
    in der Form von Belehrungen, sondern in einem Angebot.
    Wir sind der festen Überzeugung, dass der Maßstab der
    sozialen Gerechtigkeit die Voraussetzung für mehr Frie-
    den auf der Welt ist.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile dem Kolle-
gen Gernot Erler, SPD-Fraktion, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kollegin-
    nen und Kollegen! Es ist erst das zweite Mal, dass sich der
    Deutsche Bundestag auf der Grundlage einer Regierungs-
    erklärung über Entwicklungspolitik unterhält. Das sollte
    eigentlich ein Höhepunkt der entwicklungspolitischen
    Debatte sein. Ich muss leider feststellen, Herr Kollege
    Hedrich, dass Sie diesem Anspruch nicht gerecht gewor-
    den sind.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Nur kleinklein!)


    Die Art und Weise, wie Sie hier kleinkariert, buchhalte-
    risch, ja geradezu provinziell Ihre Rede gestaltet haben,


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    führt wirklich dazu, dass ich sagen muss: Ich kann nur
    hoffen, dass möglichst wenig Menschen, die Erwartungen
    an uns haben, das gehört haben, denn mit einer solchen
    personifizierten Lustlosigkeit und dem Missmut, den Sie
    hier ausstrahlen, werden Sie in der Politik niemanden und
    nichts erreichen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Schwachsinn!)


    Der Zeitpunkt für diese Debatte ist gut gewählt: drei
    Tage vor der UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzie-
    rung von Monterrey und sechs Monate nach dem 11. Sep-

    tember. Diese sechs Monate kennzeichnen einen Lern-
    prozess, den wir durchmachen mussten. Wir haben ge-
    lernt, dass der 11. September kein Einzelereignis ist, son-
    dern eine neue Dimension globaler Herausforderung, die
    natürlich eine direkte militärische Anwort erforderte,
    auch um eine Wiederholung unmöglich zu machen. In
    diesen sechs Monaten haben wir aber auch gelernt, dass
    diese Form der Antwort allein in der Zeitperspektive nicht
    ausreicht.


    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir brauchen eine zentrale Antwort in globaler Struk-

    turpolitik. Das heißt nicht weniger, als dass die Erkennt-
    nis nach diesen sechs Monaten ist: Entwicklungspolitik
    ist präventive Sicherheits- und Friedenspolitik und
    muss auch als solche angelegt werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Dazu brauchten wir aber nicht die letzten sechs Monate! Das sagen wir seit Jahren!)


    In den letzten sechs Monaten hat es eine Umwertung die-
    ses politischen Feldes gegeben. Bisher – das müssen wir
    doch zugeben – ist Entwicklungspolitik eine Art Nische
    gewesen, und zwar eine Nische, in der sich moralisch-
    ethisch orientierte Politiker ohne große öffentliche Be-
    achtung bewegt haben. Gelegentlich wurde das belächelt
    als Politik für Gutmenschen.

    Heute müssen wir feststellen: Entwicklungspolitik ist
    in den Kernbereich von Sicherheitspolitik gerückt und er-
    fordert deswegen eine völlig andere Beachtung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU]: Lesen Sie mal meine Reden von vor 10 Jahren! Da habe ich das schon gesagt!)


    Zum Glück fangen wir hier in Deutschland nicht bei Null
    an. Das zeigt schon die Kurzformel, mit der die Ministerin
    heute den Elften entwicklungspolitischen Bericht vorge-
    stellt hat. Sie lautet: Armut bekämpfen, Globalisierung
    gestalten, Frieden sichern. Das ist, auf die kürzeste For-
    mel gebracht, der Anspruch, Entwicklungspolitik als
    präventive Friedenspolitik zu gestalten. Das ist in den
    letzten dreieinhalb Jahren der rot-grünen Regierungs-
    arbeit nicht etwa nur Formel oder Anspruch geblieben.
    Die Brücke von der Entwicklungspolitik zur Friedens-
    politik ist zum Glück schon beschritten worden, und zwar
    mit dem Aufbau eines zivilen Friedensdienstes, mit der
    Kölner Entschuldungsinitiative, die insgesamt 70 Milliar-
    den Dollar bewegen wird, mit dem Programm der globa-
    len Armutsbekämpfung, das Sie, Herr Kollege, völlig un-
    zureichend angesprochen haben,


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    sowie mit der Beteiligung an globalen Gesundheitsfonds
    und dem Zentrum der Aidsbekämpfung, nachdem Aids ge-
    radezu eine Entvölkerungsseuche in Afrika geworden ist.

    Die besagte Brücke ist auch mit den regionalen An-
    sätzen beschritten worden, sei es für die AKP-Staaten mit




    Klaus-Jürgen Hedrich
    22332


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    dem Cotonou-Abkommen, in Afrika mit dem G-8-Pro-
    gramm NEPAD, auf dem Balkan mit dem Stabilitätspakt
    oder in Afghanistan, wo es nicht nur gelang, sehr kurz-
    fristig humanitäre Hilfe anzubieten und tatsächlich zu
    leisten, sondern wo sich die Bundesregierung auch für
    die nächsten vier Jahre auf ein Programm in Höhe von
    320 Millionen Euro verpflichtet und – das ist noch viel
    wichtiger – mit dem 100-Tage-Programm schon konkret
    Mittel zur Verfügung gestellt hat.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass
    dies alles auf den Weg gebracht wurde, und zwar größ-
    tenteils vor dem 11. September. An dieser Stelle erscheint
    mir die Feststellung angebracht, dass dahinter ein enor-
    mer Arbeitsaufwand der vielen Beschäftigen im Bundes-
    ministerium und der Ministerin selber steht. Dafür möchte
    ich an dieser Stelle herzlichen Dank sagen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Diese Debatte fällt auch mitten in eine Diskussion über
    die notwendige zweite Phase im Antiterrorkampf. Es
    gibt Lehren aus dem 11. September. Wir wissen jetzt, dass
    es Köpfe voller Hass, Verirrung, Verwirrung und auch
    voller zerstörerischer Fantasie gibt. Aber richtig gefähr-
    lich werden diese Köpfe erst, wenn die Beine dazukom-
    men, nämlich durch den Zulauf von Menschen, die eben-
    falls Aussichtslosigkeit, Demütigung und Hass zum
    Motor ihrer Bewegung machen.

    Wir können nicht alle Köpfe verlässlich erreichen.
    Deshalb besteht die wichtigste Aufgabe darin, den Zulauf
    zu verhindern. Das bedeutet nicht weniger als die He-
    rausforderung einer neuen Dimension von Prävention.
    Die Europäer und mit ihnen die Deutschen haben in letz-
    ter Zeit einen Lernprozess durchgemacht. Wir haben es
    nicht vermocht, vier blutige Kriege auf dem Balkan zu
    verhindern. Wir haben das auch als ein Versagen der
    Prävention angesehen.

    Im vergangenen Jahr ist es – so scheint es – am Beispiel
    Mazedonien zum ersten Mal gelungen, durch ein ge-
    meinsames, abgestimmtes Auftreten der Europäer eine
    weitere Katastrophe – in diesem Fall einen Bürgerkrieg in
    Mazedonien – zu verhindern. Das heißt, Europa und wir
    haben dazugelernt, was die regionale Prävention angeht.
    Das wird vielleicht als erster Fall einer erfolgreichen An-
    wendung regionaler Prävention in die Zeitgeschichte ein-
    gehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Aber dann kam der 11. September und wir haben ge-
    merkt, dass das, was wir an Lektionen für regionale
    Prävention gelernt haben, dafür nicht anwendbar war. Da-
    bei handelte es sich um eine neue Dimension der He-
    rausforderung, die auch eine neue Dimension der Antwort
    erforderte. Wir stehen vor nichts anderem als einem neuen
    Lernprozess hinsichtlich dessen, was strukturelle und
    globale Prävention bedeutet. Das fängt jetzt erst an und
    es ist völlig klar, dass im Zentrum dieser strukturellen und
    globalen Prävention eine globale Steuerungspolitik – das
    heißt: Entwicklungspolitik – stehen muss.

    Manche Leute meinen, Afghanistan sei ein Modell.
    Das stimmt auch. Militärisch war es erfolgreich; insofern
    kann man das bejahen. Aber gleichzeitig ist klar: Die se-
    rienmäßige Anwendung dieses Modells ist unmöglich
    und nicht machbar.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Angelika Köster-Loßack [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Kofi Annan hat uns vor wenigen Tagen in diesem
    Hause die Botschaft mitgegeben, dass Afghanistan ein
    langfristiges Engagement braucht. Er hat uns den Begriff
    „sustainable peace“ – nachhaltige Friedenssicherung –
    vorgestellt und wir können hier sicherlich alle feststellen,
    dass wir uns dazu bekennen. Wir wissen, wie lange wir
    uns dort engagieren müssen und wie viel wir in die Auf-
    gabe der Friedenssicherung in dieser Region investieren
    müssen.

    Das bedeutet aber auch, dass Afghanistan ein neues
    Versorgungsprotektorat darstellt, das uns lange beschäfti-
    gen wird. Wir Deutsche sind jedoch bereits in einigen an-
    deren Regionen langfristig engagiert, zum Beispiel in
    Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in gewisser Weise
    auch in Mazedonien. Es ist völlig klar, dass diese Art von
    Schaffung immer neuer Versorgungsprotektorate in der
    Weltpolitik keine dauerhafte Stabilisierung bringen kann.
    Das kann nicht der Weg sein, mit dem wir eine globale
    Umverteilung organisieren können. Es handelt sich näm-
    lich um eine Umverteilung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Es ist aber eine erzwungene, eine postinterventionisti-
    sche Umverteilung. Das geht nicht. Die Herausforderung
    ist, eine ganz andere Form der Umverteilung – das ist die
    Aufgabe der Entwicklungspolitik – zu finden, nämlich
    eine politisch gestaltete, präventive Umverteilung. Um
    das zu erreichen, müssen wir in der Tat die Instrumente
    anwenden, die im Elften Bericht zur Entwicklungspolitik
    der Bundesregierung aufgezählt sind und die von der Ent-
    schuldung über die Entwicklungspartnerschaft mit der In-
    dustrie, die faire Gestaltung der Terms of Trade und des
    Handels, das Bemühen, allen Produkten aus der Dritten
    Welt den Marktzugang zu ermöglichen, bis hin zur Er-
    höhung der offiziellen Entwicklungsfinanzierung reichen.
    Deswegen ist es wichtig – dazu liegt ja auch ein Antrag
    vor –, dass die in drei Tagen beginnende UN-Konferenz
    in Monterrey über die Entwicklungsfinanzierung ein Er-
    folg wird. Wir wünschen und fordern diesen Erfolg.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Erfolg kann doch nur heißen – hier muss man der Mi-
    nisterin zustimmen –, dass sich die Industrieländer auf
    dieser Konferenz tatsächlich verbindlich darauf ver-
    pflichten, einen höheren Anteil ihrer Bruttoinlandspro-
    dukte für Entwicklungsaufgaben zur Verfügung zu stel-
    len. Dieser Anteil darf nicht auf dem bisherigen Niveau
    stagnieren. Es muss wenigstens das vereinbarte
    Zwischenziel beschlossen werden, nämlich dass jedes
    Industrieland bis 2006 mindestens 0,33 Prozent seines
    Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungshilfe zur




    Gernot Erler

    22333


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Verfügung stellt. Das erwarten wir. Das ist sozusagen das
    Gepäck, mit dem unsere Delegation dorthin fährt.

    Wir brauchen deswegen auch den Erfolg des zweiten
    wichtigen entwicklungspolitischen Ereignisses in diesem
    Jahr, nämlich des Weltgipfels für nachhaltige Entwick-
    lung, der Ende August/Anfang September in Johannes-
    burg stattfinden wird. Wir als Abgeordnete verpflichten
    uns, diesen Gipfel sorgfältig und kreativ vorzubereiten.
    Wir gehen davon aus, dass auch die Bundesregierung
    dazu bereit ist.

    Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Ich
    habe vorhin gesagt, dass die europäischen Fähigkeiten im
    Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
    in der letzten Zeit tatsächlich ein Stück vorangekommen
    seien, dass es Fortschritte gegeben habe und dass sich
    Chancen entwickelten. Aber ein Defizit muss man leider
    feststellen: Es gibt bisher keine europäische Dimension
    der Entwicklungszusammenarbeit. Diese ist noch nicht
    sichtbar. Sie ist aber notwendig. Gerade in der jetzigen
    Phase, in der wir über eine zweite Stufe des Antiterror-
    kampfes diskutieren und auch streiten, ist es notwendig zu
    erklären – ich kündige das für meine Fraktion an –: Wir
    werden mit jedem, der das will, zusammenarbeiten und
    große Anstrengungen unternehmen, dass die neuen Er-
    kenntnisse im Hinblick auf die Bedeutung der Entwick-
    lungspolitik, die wir auf nationaler Ebene gewonnen ha-
    ben, zu einem europäischen Programm führen werden. Es
    reicht nicht, dass wir auf europäischer Ebene nur militäri-
    sche und politische Fähigkeiten aufbauen. Es muss auch
    eine neue Dimension der europäischen Entwicklungs-
    politik geben.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein solches Signal sollte von dieser Debatte ausgehen.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)