Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002
        Manfred Opel
        21792
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Berichtigung
        218. Sitzung, Seite 21578 (D), 4. Absatz, der 2. Satz ist wie folgt zu
        lesen: „Sie müssen berücksichtigen, dass der weit überwiegende Teil
        der Kapitalgesellschaften in vielen kleinen GmbHs organisiert ist.“
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21793
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Adam, Ulrich CDU/CSU 22.02.2002
        Altmaier, Peter CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 22.02.2002
        Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 22.02.2002*
        Bierwirth, Petra SPD 22.02.2002
        Bodewig, Kurt SPD 22.02.2002
        Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.02.2002
        Braun (Augsburg), FDP 22.02.2002
        Hildebrecht
        Brudlewsky, Monika CDU/CSU 22.02.2002
        Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 22.02.2002*
        Francke, Klaus CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Friedrich (Erlangen), CDU/CSU 22.02.2002
        Gerhard
        Friedrich (Bayreuth), FDP 22.02.2002
        Horst
        Friedrich (Altenburg), SPD 22.02.2002
        Peter
        Glos, Michael CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Göhner, Reinhard CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 22.02.2002
        Goldmann, FDP 22.02.2002
        Hans-Michael
        Grießhaber, Rita BÜNDNIS 90/ 22.02.2002
        DIE GRÜNEN
        Gröhe, Hermann CDU/CSU 22.02.2002
        Günther (Duisburg), CDU/CSU 22.02.2002
        Horst
        Hartnagel, Anke SPD 22.02.2002
        Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 22.02.2002
        DIE GRÜNEN
        Höfer, Gerd SPD 22.02.2002*
        Holetschek, Klaus CDU/CSU 22.02.2002
        Imhof, Barbara SPD 22.02.2002
        Irmer, Ulrich FDP 22.02.2002
        Jäger, Renate SPD 22.02.2002
        Jünger, Sabine PDS 22.02.2002
        Jung (Düsseldorf), SPD 22.02.2002
        Volker
        Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 22.02.2002
        Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 22.02.2002
        DIE GRÜNEN
        Kolbow, Walter SPD 22.02.2002
        Kors, Eva-Maria CDU/CSU 22.02.2002
        Kossendey, Thomas CDU/CSU 22.02.2002*
        Kraus, Rudolf CDU/CSU 22.02.2002
        Küchler, Ernst SPD 22.02.2002
        Kühn-Mengel, Helga SPD 22.02.2002
        Dr. Lamers, (Heidelberg) CDU/CSU 22.02.2002
        Karl A.
        Leidinger, Robert SPD 22.02.2002
        Link (Diepholz), CDU/CSU 22.02.2002
        Walter
        Matschie, Christoph SPD 22.02.2002
        Metzger, Oswald BÜNDNIS 90/ 22.02.2002
        DIE GRÜNEN
        Michels, Meinolf CDU/CSU 22.02.2002
        Müller (Düsseldorf), SPD 22.02.2002
        Michael
        Nolte, Claudia CDU/CSU 22.02.2002
        Ostrowski, Christine PDS 22.02.2002
        Philipp, Beatrix CDU/CSU 22.02.2002
        Raidel, Hans CDU/CSU 22.02.2002*
        Rauber, Helmut CDU/CSU 22.02.2002*
        Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 22.02.2002
        Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 22.02.2002
        Hannelore
        Roos, Gudrun SPD 22.02.2002
        Roth (Speyer), Birgit SPD 22.02.2002
        Rühe, Volker CDU/CSU 22.02.2002
        Scharping, Rudolf SPD 22.02.2002
        Schemken, Heinz CDU/CSU 22.02.2002
        Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/ 22.02.2002
        DIE GRÜNEN
        entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Anlagen zum Stenographischen Bericht
        Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.02.2002
        Schloten, Dieter SPD 22.02.2002*
        Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 22.02.2002
        Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.02.2002
        Hans Peter
        Schösser, Fritz SPD 22.02.2002
        Dr. Schubert, Mathias SPD 22.02.2002
        Schütze (Berlin), CDU/CSU 22.02.2002
        Diethard
        Schultz (Köln), SPD 22.02.2002
        Volkmar
        Seehofer, Horst CDU/CSU 22.02.2002
        Singhammer, Johannes CDU/CSU 22.02.2002
        Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 22.02.2002
        Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.02.2002
        Strebl, Matthäus CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 22.02.2002*
        Tappe, Joachim SPD 22.02.2002
        Dr. Thomae, Dieter FDP 22.02.2002
        Vogt (Pforzheim), Ute SPD 22.02.2002
        Volquartz, Angelika CDU/CSU 22.02.2002
        Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 22.02.2002
        Weisskirchen SPD 22.02.2002*
        (Wiesloch), Gert
        Wimmer (Neuss), CDU/CSU 22.02.2002*
        Willy
        Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.02.2002
        Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 22.02.2002
        Wolf, Aribert CDU/CSU 22.02.2002
        Zapf, Uta SPD 22.02.2002*
        * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung der OSZE
        Anlage 2
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Mehr Frauen an die
        Spitze von Wissenschaft und Forschung – durch
        Gender Mainstreaming Frauen in Wissenschaft
        und Forschung stärken (Tagesordnungspunkt 17)
        Brigitte Wimmer (Karlsruhe) (SPD): Lassen Sie mich
        zu Beginn die Nobelpreisträgerin Christine Nüsslein-
        Volhard zitieren: „Nichts ist so entscheidend für den An-
        stieg des Frauenanteils wie dieser selbst“, sagt sie und legt
        damit den Finger in die Wunde des Mangels an Frauen in
        Führungspositionen: Es fehlt an weiblichen Vorbildern
        auf dem oftmals dornenreichen Weg nach oben. Es gibt
        sie zwar, die erfolgreichen Frauen an der Spitze, auch in
        für Frauen eher untypischen Bereichen, aber eben viel zu
        wenige.
        Das heißt: Wir haben eine breite Basis hoch quali-
        fizierter Frauen, aber an der Spitze sind Wissenschaft und
        Forschung nach wie vor fest in männlicher Hand. Erst im
        Jahr 2000 wurde in Deutschland die erste Frau auf eine
        C-4-Professur für Gynäkologie berufen, im Jahr 2001 er-
        hielt die erste Frau einen C-4-Lehrstuhl, für Chirurgie.
        Wir stellen uns immer wieder die Frage: Warum kön-
        nen Frauen ihre Qualifikation nicht in entsprechende
        Karrieren umsetzen? Eine Antwort darauf ist sicher: So-
        lange Frauen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen nur
        eine kleine Minderheit sind, bleiben auch die Auswahl-
        und Entscheidungsgremien fest in männlicher Hand – und
        Männer fördern bevorzugt Männer. Das gilt übrigens
        nicht nur für die genannten medizinischen und die natur-
        wissenschaftlich-technischen Fachbereiche, sondern auch
        für die Sprach- und Kulturwissenschaften, wo Frauen mit
        über 70 Prozent der Studierenden die Mehrheit, an der
        Spitze aber eine verschwindende Minderheit sind.
        Frauen sind in Entscheidungs- und Führungsposi-
        tionen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und
        in wichtigen Zukunftsfeldern, wie technikorientierten Be-
        rufen und Studiengängen, dramatisch unterrepräsentiert.
        Das bestehende hohe Qualifikationspotenzial von Frauen
        auf den verschiedenen Ebenen des beruflichen und des
        wissenschaftlichen Qualifizierungsprozesses wird nicht
        ausgeschöpft.
        Zukunftsorientierte Politik muss die Voraussetzungen
        dafür schaffen, dass Frauen in Wissenschaft und For-
        schung in allen Bereichen und auf allen Ebenen, vor allem
        in Führungspositionen, gleichberechtigt vertreten sind.
        Es kann politisch nicht länger verantwortet werden, dass
        Leistungen von hervorragend und teuer ausgebildeten
        Frauen in den Hochschulen und in der Forschung nicht
        durch entsprechende Führungspositionen sichtbar werden.
        Um solche nachhaltigen Veränderungen zu bewirken,
        haben die Bundesregierung und unsere Ministerin
        Bulmahn einen neuen Aufbruch in der Gleichstellungs-
        politik eingeleitet und die Gleichstellung von Frauen und
        Männern wieder zu einem großen gesellschaftlichen Re-
        formprojekt gemacht. Die in Artikel 3 Abs. 2 GG veran-
        kerte formale Gleichberechtigung von Frauen und die seit
        Jahren geführte Debatte um Inhalt und Methoden ihrer
        Durchsetzung hat mit dem 1997 im Amsterdamer Vertrag,
        1999 in den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU
        und dem von der Bundesregierung im Juni 1999 be-
        schlossenen neuen Ansatz des Gender Mainstreaming
        eine neue Qualität erreicht (Programm „Frau und Beruf“,
        Juni 1999). Entsprechend gilt es auch in der Bildungs-
        und Forschungspolitik, Chancengleichheit als durchgän-
        giges Leitprinzip in allen Programmen und Maßnahmen
        in Bildung und Forschung zu etablieren und als einen
        Beitrag zur Qualitäts- und Leistungssteigerung zu begrei-
        fen. Hier ist ein Umdenken bei allen Verantwortlichen in
        Politik und Wirtschaft, in Wissenschaft und Forschung
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221794
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        erforderlich, da sonst die Chancen der heute jungen
        Frauen lebenslang hinter den Berufs- und Zukunftschan-
        cen der männlichen Kollegen zurückbleiben werden.
        Seit vielen Jahren erreichen Frauen in der Bundes-
        republik Deutschland höhere Bildungsabschlüsse als
        Männer. Mehr erwerbstätige Frauen als Männer verfügen
        über den Abschluss einer Berufsausbildung oder Berufs-
        fachschule. Es liegt im Interesse der Wirtschaft und der
        Gesellschaft, die vorhandenen Kompetenzen von Frauen
        stärker zu nutzen und ausbildungsadäquat einzusetzen.
        Die Verbesserung der Chancen von Frauen ist in diesem
        Zusammenhang als eine sofort einsatzbereite Ressource
        für Forschung und Lehre anzusehen. Dies ist ein Beitrag
        zur Qualitätssicherung, Leistungssteigerung und Stär-
        kung der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen und
        außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
        Wir begrüßen ausdrücklich Initiativen und Maß-
        nahmen die eingeleitet wurden, vor allem unterstützen
        wir unter anderem, dass die Bundesregierung die Gleich-
        stellung von Frauen und Männern wieder zu einem
        großen gesellschaftlichen Reformprojekt und einem
        Schwerpunkt ihrer Politik gemacht hat, dass mit dem
        Kabinettsbeschluss vom 20. Juni 1999 durch das Pro-
        gramm „Frau und Beruf“ Gender Mainstreaming als
        durchgängiges Leitprinzip für alle Maßnahmen und Pro-
        gramme der Bundesregierung verbindlich festgelegt
        wurde, dass die Bundesregierung mit dem Kabinetts-
        beschluss vom 26. Juli 2000 der Gleichstellung von
        Frauen und Männern (Gender Mainstreaming) in der Ge-
        meinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien
        zentrale Bedeutung zuerkennt, die Verabschiedung des
        Gleichstellungsdurchsetzungsgesetzes, das die außeruni-
        versitären Forschungseinrichtungen einbezieht, die die
        Grundzüge dieses Gesetzes für den öffentlichen Dienst
        des Bundes gemäß den vertraglichen Vereinbarungen an-
        zuwenden haben, und dass in den außeruniversitären
        Forschungseinrichtungen für Kinderbetreuungsangebote
        Haushaltsmittel eingesetzt werden können, dass im Bun-
        deshaushalt im Einzelplan 30 des BMBF seit 1999 Chan-
        cengleichheit als durchgängiges Leitprinzip (Gender
        Mainstreaming) verankert ist und ein eigener Haushalts-
        titel „Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit
        für Frauen in Bildung und Forschung“ neu eingerichtet
        worden ist und dass das BMBF ein eigenes Referat
        „Frauen in Bildung und Forschung“, angesiedelt in der
        Strategieabteilung des Hauses, etabliert hat, dass Bund
        und Länder eine 40-prozentige Beteiligung von Frauen
        bei den personenbezogenen Maßnahmen des gesamten
        Hochschul-Wissenschafts-Programms vereinbart haben,
        den Bericht der BLK „Frauen in der Wissenschaft – Ent-
        wicklung und Perspektiven auf dem Weg zur Chancen-
        gleichheit“ vom 30. Oktober 2000 als richtungweisendes
        Positionspapier mit konkreten Zielmarken für die Durch-
        setzung der Chancengleichheit von Frauen in Wissen-
        schaft und Forschung.
        Die Chancen für Frauen, an die Spitze zu gelangen,
        sind günstig, da der Generationswechsel an unseren
        Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrich-
        tungen ansteht. Diesen Generationswechsel müssen wir
        nutzen, um den Anteil von Frauen in wissenschaftlichen
        Spitzenpositionen deutlich zu erhöhen.
        Mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes
        wurde bereits ein Durchbruch erzielt: Die Verwirklichung
        der Gleichstellung von Männern und Frauen gehört heute
        explizit zu den Aufgaben der Hochschulen. Fortschritte
        bei der Gleichstellung sind ein wichtiges Kriterium bei
        der Qualitäts- und Leistungsbewertung der Hochschulen
        und damit bei der Mittelzuweisung.
        Was die außeruniversitären Forschungseinrichtungen
        betrifft, so erwarte ich von dem im Dezember letzten Jah-
        res verabschiedeten Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz,
        das auch für die Forschungseinrichtungen gilt, große Fort-
        schritte bei der Gleichstellung von Wissenschaftlerinnen,
        Das Programm „Anstoß zum Aufstieg“ ergänzt das
        neue Hochschul-Wissenschaftsprogramm (HWP) „Chan-
        cengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre“, das am
        1. Januar 2001 angelaufen ist und in dem Bund und Län-
        der jährlich 30,7 Millionen Euro vor allem für die Förde-
        rung von Frauen auf dem Weg zu einer Professur zur
        Verfügung stellen. Auch hier erwarte ich sichtbare Fort-
        schritte, was die Steigerung des Anteils von Frauen an den
        Professuren betrifft.
        Wir haben uns das Ziel gesetzt, den Anteil von Profes-
        sorinnen bis zum Jahr 2005 auf 20 Prozent zu erhöhen,
        was fast eine Verdoppelung gegenüber dem Jahre 2000
        bedeutet. Wir wissen, dass dies ein sehr anspruchsvolles
        Ziel ist, und werden alles zu dessen Umsetzung unterneh-
        men, damit wir hier auch international den dringend er-
        forderlichen Anschluss erreichen.
        Wir wollen mehr Frauen an die Spitze von Wissen-
        schaft und Forschung. Damit uns das gelingt, brauchen
        wir gemeinsame Anstrengungen von allen, die zum Errei-
        chen dieses Zieles beitragen können.
        Kerstin Griese (SPD): Mehr Frauen an die Spitze von
        Wissenschaft und Forschung – das ist ein vordringliches
        Ziel dieser Bundesregierung und das begrüßen wir sehr.
        Lassen Sie mich mit einer persönlichen Erfahrung be-
        ginnen, die ganz offensichtlich zeigt, wie wichtig die Stär-
        kung von Frauen in Wissenschaft und Forschung ist: In
        meinem Studium der Geschichte und Politikwissenschaft
        ist mir nicht eine einzige Professorin an meiner Hoch-
        schule begegnet. Glücklicherweise gab es auch mal den
        einen oder anderen Gastvortrag einer Professorin, aber
        das löst das Problem nicht. Gerade für Studentinnen, für
        angehende und junge Wissenschaftlerinnen ist es wichtig,
        Professorinnen zu erleben, als ein Beispiel für Frauen an
        der Spitze in Wissenschaft und Forschung. Wir wissen,
        wie wichtig solche Vorbilder sind, um junge Frauen zu
        motivieren, selber eine wissenschaftliche Karriere einzu-
        schlagen. Ganz abgesehen davon haben Frauen in der
        Wissenschaft in den letzten Jahren besonders eines be-
        wirkt: den eigenen Blick, den spezifischen Blick und die
        Erfahrungen von Frauen, sei es auf Geschichte, Medizin
        oder Sprachwissenschaften. Dieser eigene Blick hat
        Neues, Spannendes und Innovatives in die Forschung ge-
        bracht, die Wissenschaft ist eindeutig bereichert worden.
        Es ist immer noch ein Skandal, dass in Deutschland mit
        Marion Kiechle an der TU München nur ein einziger
        Lehrstuhl für Gynäkologie mit einer Frau besetzt ist.
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        (D)
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        Hieran sehen wir nur allzu deutlich unseren Nachholbe-
        darf. Die Realität an den deutschen Hochschulen ist noch
        immer erschreckend: Zwar sind über die Hälfte derjeni-
        gen, die ein Studium beginnen, Frauen. Davon erreichen
        auch noch knapp die Hälfte ihren Hochschulabschluss.
        Danach gibt es dann einen starken Bruch: Nur ein Drittel
        davon promovieren, deutlich weniger als ein Viertel, ak-
        tuell 18,4 Prozent, habilitieren, und den Anteil der Pro-
        fessuren mag ich in Brüchen gar nicht mehr benennen: Es
        sind bei den C4-Professuren knapp 7 Prozent. Der Wis-
        senschafts- und Forschungsbereich ist ein Beispiel, dass
        das „old-boys-network“ noch immer gut funktioniert. Da-
        gegen müssen wir auf die Netzwerke der jungen forschen
        Wissenschaftlerinnen setzen: In der außeruniversitären
        Forschung sieht es übrigens nicht besser aus: Bei den
        Spitzenpositionen stehen fünf Frauen 95 Männern gegen-
        über. Und bei Zukunftsberufen in der IT-Branche und bei
        Meisterausbildungen kommen auf eine Frau neun Män-
        ner. Das Problem beginnt schon in der Ausbildung, wo
        Frauen nur 14 Prozent der Ausbildungsplätze im IT-Be-
        reich belegen. Das wollen und das müssen wir ändern und
        damit haben wir auch schon begonnen:
        Die Unterrepräsentanz von Frauen im wichtigen Zu-
        kunftsbereich der Bildung und Forschung ist nicht länger
        hinzunehmen. Wir fordern die Gleichberechtigung von
        Frauen in allen Bereichen der Wissenschaft und For-
        schung. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Bundes-
        regierung im Rahmen ihres Gender Mainstreaming-An-
        satzes begonnen hat, dieses Leitprinzip auch im Bildungs-
        und Forschungsbereich durchzusetzen. Dazu gibt es viel-
        fältige Programme und Projekte. Mit dem Programm „In-
        novation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft
        im 21. Jahrhundert“ wollen wir den Frauenanteil bis 2005
        in den Informatikstudiengängen und den IT-Berufen auf
        40 Prozent steigern. Das Bund-Länder-Programm „Chan-
        cengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre“ ist mit
        einem Volumen von jährlich 30 Millionen Euro gestartet
        worden und hat zum Ziel, Frauen auf dem Weg zu einer
        Professur zu unterstützen.
        Der CDU/CSU und der FDP ist der Vorwurf zu ma-
        chen, dass Sie in Ihrer Regierungszeit das Thema Gleich-
        stellung, gerade hier im Wissenschafts- und Forschungs-
        bereich, ignoriert und sträflich vernachlässigt haben. Ich
        glaube fast, dass die Aussage des Altkanzlers Kohl, die
        hohe Arbeitslosigkeit in Ihrer Regierungszeit sei durch
        die „verstärkte Erwerbsneigung der Frauen“ verursacht,
        Ihre Mentalität geprägt hat. Wenn man ein solch konser-
        vatives Familienbild von der Frau für Haus und Herd hat,
        dann passt anscheinend dazu keine Nobelpreisträgerin
        und keine Professorin.
        Entscheidend ist die Frage, wo die Barrieren für Frauen
        auf dem wissenschaftlichen Weg an die Spitze sind. Noch
        immer ist es so, dass es auch im Studium und in der wis-
        senschaftlichen Karriere eher die Frauen sind, die zurück-
        stecken, wenn Kinder unterwegs sind. Für sie stellt sich
        die Frage „Kinder oder Karriere?“ schärfer als für ihre
        männlichen Kommilitonen. Die Väter der Kinder werden
        weitaus häufiger Professoren als die Mütter. Die Kinder-
        betreuung führt natürlich dazu, dass sich das Studium
        oder die Promotion verlängert oder unterbrochen wird
        und dass die Chancen auf wissenschaftliches Fortkom-
        men sinken. Deshalb ist es besonders wichtig, die Situa-
        tion der Kinderbetreuung zu verbessern. An unseren
        Hochschulen studieren insgesamt circa 115 000 Väter und
        Mütter, das sind 7 Prozent der Studierenden in den alten
        und 8 Prozent in den neuen Bundesländern. Viele Studen-
        tenwerke haben in den letzten Jahren Tagesstätten für die
        Kinder studierender Eltern aufgebaut. Hier müssen Bund
        und Land gemeinsam daran arbeiten, dass die Möglich-
        keiten der Kinderbetreuung verbessert werden. Wir von
        der SPD haben dieses Ziel zu einem Schwerpunkt unserer
        Politik gemacht. Unser Ziel ist es, dass Männer und
        Frauen Kinder und Karriere vereinbaren können. Gerade
        die skandinavischen Länder zeigen uns, dass gute Kin-
        derbetreuungsmöglichkeiten dazu beitragen, ein gesell-
        schaftliches Klima zu schaffen, in denen berufstätige
        Mütter eine Selbstverständlichkeit sind.
        Deshalb fordern wir heute die Bundesregierung auf,
        gemeinsam mit den Ländern dafür zu sorgen, dass die
        Kinderbetreuungsangebote an den Hochschulen ausge-
        baut werden, dass mehr ganztägige Betreuung angeboten
        wird und dass die Länder einen Schwerpunkt auf Ganz-
        tagsschulen setzen. Da sind die Unterschiede zwischen
        den Bundesländern gravierend, in CDU/CSU regierten
        süddeutschen Ländern gibt es noch immer wenig Betreu-
        ungsangebote, besonders für unter Dreijährige und im
        Ganztagsbereich. Hier muss sich etwas ändern. Wir un-
        terstützen die Bundesregierung darin, ihren Weg der Stär-
        kung von Frauen in Wissenschaft und Forschung weiter
        zu gehen, damit die Frauen, die wissenschaftlich Spitze
        sind auch an die Spitze kommen.
        Bärbel Sothmann (CDU/CSU): „Die Zukunft der
        Menschheit hängt ab von der Zukunft der Frauen“ – so
        lautete das Fazit der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Pe-
        king. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für Entwicklungs-
        länder, sondern auch für Industrienationen. Diese Fest-
        stellung orientiert sich nicht nur an dem berechtigten
        Verlangen von Frauen nach Gleichberechtigung, sondern
        auch an den Grundbedürfnissen der Gesellschaft an sich.
        Globalisierung, Demographischer Wandel, Sicherung
        von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen, Bewah-
        rung einer gesunden Umwelt – um diese Herausforderun-
        gen zu meistern, müssen wir alle Kräfte mobilisieren. Wir
        müssen dazu auch und gerade das Potenzial von Frauen
        nutzen. Wir können es uns nicht länger leisten, die Kom-
        petenzen hochkarätiger Wissenschaftlerinnen zu ignorie-
        ren – erst recht nicht im Hinblick auf den zunehmenden
        Fachkräftemangel. Doch genau das tun wir zurzeit.
        Frauen in Wissenschaft und Forschung haben zahllose
        Stolpersteine und Barrieren zu überwinden.
        Zwar stellen Frauen die Hälfte der Studierenden, ma-
        chen oft bessere Abschlüsse als Männer, schreiben ein
        Drittel aller Promotionen und treten auch in den Medien
        zunehmend als Expertinnen in Erscheinung, wie zum
        Beispiel die Medizin-Nobelpreisträgerin und Direktorin
        des Max-Planck-Instituts in Tübingen, Dr. Christiane
        Nüsslein-Volhard. Doch wir wissen auch: Frauen er-
        greifen nur selten Zukunftsberufe, zum Beispiel in
        der Multimediabranche, und sind in naturwissen-
        schaftlich technischen Fächern an unseren Hochschulen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221796
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        unterrepräsentiert. In anderen Ländern, zum Beispiel in
        Portugal und Frankreich, ist der Frauenanteil erheblich
        höher.
        Fatal ist außerdem der Karriereknick von Frauen kurz
        nach dem Studium. Sie haben mit Ihrem Antrag völlig
        Recht: je höher die Positionen, desto niedriger der Frau-
        enanteil. Bei Habilitationen liegt er unter 20 Prozent, bei
        Professuren insgesamt bei knapp 10 Prozent und bei
        C4-Professuren nur bei rund 6 Prozent. Damit sind wir
        auch hier – wie in vielen anderen Bereichen – Schlusslicht
        in Europa. Auch in außeruniversitären Forschungsein-
        richtungen sind nur rund 5 Prozent der Spitzenpositionen
        mit Frauen besetzt. In den Beratungsgremien der Minis-
        terien ist weiblicher Sachverstand ebenfalls Mangelware.
        Und im Bundesforschungsministerium selbst gibt es auch
        nur eine Frau in der Abteilungsleiterposition.
        Der Handlungsbedarf ist also groß, zumal wir vor ei-
        nem Generationswechsel an deutschen Hochschulen ste-
        hen, bei dem Frauen auf keinen Fall außen vor bleiben
        dürfen.
        Wir, das heißt die Union, haben uns seit Jahren für
        mehr Chancengleichheit von Frauen in allen gesellschaft-
        lichen Bereichen, auch in Wissenschaft und Forschung,
        eingesetzt.
        Ich nenne nur einige Beispiele: Der Bundesfor-
        schungsbericht 1996 enthielt erstmals ein separates Kapi-
        tel zum Thema „Frauen in der Forschung“. Auch wir hat-
        ten uns das Ziel gesetzt, den Anteil der Professorinnen bis
        zum Jahr 2005 auf 20 Prozent zu steigern.
        Das BMBF hat noch unter der unionsgeführten Regie-
        rung die Förderung von Frauen in alle seine Schwer-
        punktprogramme integriert. Das entsprach schon damals
        dem Ziel des heute viel strapazierten Begriffs „Gender
        Mainstreaming“. Es gab im BMBF auch früher schon das
        Referat „Frauen in Bildung und Forschung“.
        Wir haben die Initiative „Frauen geben Technik neue
        Impulse“ gestartet, den Aufbau einer Expertinnen-
        datenbank unterstützt, das Meister-BAföG und das Total
        E-Quality-Prädikat eingeführt und über das Bundesgre-
        mienbesetzungsgesetz versucht, eine höhere Beteiligung
        von Frauen in wissenschaftlichen Beratungs- und Ent-
        scheidungsgremien zu erreichen.
        In unseren Hochschulsonderprogrammen nahm die
        Frauenförderung einen großen Umfang ein, zum Beispiel
        im HSP III mit 720 Millionen DM für die personenbezo-
        gene Förderung von Wissenschaftlerinnen und zusätzlich
        200 Millionen DM für spezielle Maßnahmen wie Kon-
        takt- und Wiedereinstiegsstipendien.
        Bei der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes
        haben wir 1998 einen wichtigen Durchbruch für Frauen in
        Wissenschaft und Lehre erreicht und die staatliche Hoch-
        schulförderung von der Durchsetzung der Chancengleich-
        heit abhängig gemacht. Gerade die Gruppe der Frauen der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deren Vorsitzende ich zu
        dieser Zeit war, hatte sich dafür stark gemacht.
        Neben der Verpflichtung der Hochschulen, Frauenbe-
        auftragte zu bestellen, haben wir auch spezielle Förder-
        programme für Frauen in den Ländern durchgesetzt.
        Mit anderen Worten: Der Aufbruch in der Gleichstel-
        lungspolitik hat schon zu unseren Zeiten stattgefunden.
        Die meisten Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils
        in Wissenschaft und Forschung, die Sie in Ihrem Antrag
        nennen, sind also die Fortsetzung oder die Ausweitung der
        Maßnahmen, die wir in unserer Regierungszeit initiiert
        haben. Sie rennen deshalb mit Ihren Forderungen im We-
        sentlichen offene Türen bei uns ein.
        Wenn man die Ursachen für den niedrigen Frauenan-
        teil in Wissenschaft und Technik betrachtet – die traditio-
        nellen Rollenerwartungen unserer Gesellschaft, die Ten-
        denz von Frauen, typisch weibliche Berufe zu ergreifen,
        und fehlende weibliche Rollenvorbilder – dann sieht man,
        dass man sich nicht nur auf Fördermaßnahmen an Hoch-
        schulen und in Forschungseinrichtungen selbst beschrän-
        ken darf. Wir müssen schon früh beginnen, die Weichen
        für Frauen richtig zu stellen. Das hat auch die internatio-
        nale Bildungskonferenz des BMBF in München Anfang
        Februar bestätigt, in der es um die Zukunftschancen von
        jungen Frauen in Informatik, Technik und Naturwissen-
        schaften ging.
        Bereits in der Schule müssen wir Vorurteile gegen
        Frauen in naturwissenschaftlich-technischen Berufen ab-
        bauen und alte Rollenklischees endgültig aus den Schul-
        büchern verbannen. Wir müssen beruflich erfolgreiche
        Frauen als Vorbilder sichtbar machen. Getrennter Unter-
        richt in naturwissenschaftlichen Fächern kann dazu bei-
        tragen, dass Mädchen ihren eigenen Zugang zur Technik
        besser finden. Die Kampagne „Schulen ans Netz“ – die
        noch von uns initiiert wurde – bietet für Mädchen viele
        Chancen, ebenso wie die Informationskampagne von
        Frau Bulmahn „Be.Ing“.
        In der Ausbildung sind besonders die Betriebe gefor-
        dert, jungen Frauen eine Chance in technischen Berufen
        zu geben. Dazu gehören auch mehr Berufspraktika für
        Mädchen noch während der Schulzeit. Der Wettbewerb
        „Frauenfreundlicher Betrieb“ ist hier eine große Hilfe.
        Auch Aktionen wie das „Abenteuer-Technik-Camp für
        Mädchen“ der Firma Siemens sollten mehr Nachahmer
        finden.
        An Hochschulen benötigen wir eine spezielle Beratung
        für Studentinnen in naturwissenschaftlich-technischen
        Studiengängen. Wir brauchen Anreizsysteme für die Ein-
        stellung von qualifizierten Wissenschaftlerinnen. Wir
        brauchen mehr Professorinnen in den Berufungskommis-
        sionen. Nachwuchswissenschaftlerinnen müssen frühzei-
        tig in die Verwaltungs- und Gremienarbeit eingebunden
        werden, um sie besser in den Wissenschaftsbetrieb zu in-
        tegrieren. Wir unterstützen das Bund-Länder-Programm
        „Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre“
        als notwendige Fortsetzung des ausgelaufenen HSP III,
        weil wir Frauenförderung als Dauermaßnahme brauchen.
        Dabei ist darauf zu achten, dass die Mittel effizient einge-
        setzt werden.
        Spezielle Förder- und Mentorenprogramme für ange-
        hende Professorinnen sollten längerfristig aufgelegt wer-
        den. So besteht zum Beispiel weiterhin großes Interesse
        von Wissenschaftlerinnen an Karriereberatung. Doch lei-
        der gibt es nach meinen Informationen keine Fortführung
        des entsprechenden Programms „Anstoß zum Aufstieg“.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21797
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        Wir fordern Sie auf, bei der Einführung der Juniorpro-
        fessuren darauf zu dringen, dass Frauen gleichberechtigt
        zum Zuge kommen. Dieses neue Instrument hat sich
        nämlich bisher sehr nachteilig auf den Frauenanteil aus-
        gewirkt. Darauf haben insbesondere Vertreterinnen der
        BuKoF – Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstel-
        lungsbeauftragten an Hochschulen – hingewiesen.
        Wir sollten auch an den Hochschulen an ein Aufbre-
        chen der Koedukation denken. Positive Erfahrungen gibt
        es nicht nur in den USA– wo die Absolventinnen von Wo-
        mens Colleges im Beruf nachweislich erfolgreicher sind
        als Absolventinnen gemischter Hochschulen –, sondern
        auch bei uns: zum Beispiel an der Hochschule Bremen mit
        ihrem internationalen Studiengang nur für Frauen im Be-
        reich Informatik; zum Beispiel bei dem Modellprojekt
        „Internationale Frauenuniversität“ – IFU – im Rahmen
        der Expo 2000. Man sollte auf jeden Fall die Fortsetzung
        des IFU-Studienangebots in Form von internationalen
        Master-Studiengängen für Frauen ermöglichen.
        In den außeruniversitären Forschungseinrichtungen
        gilt das Bundesgleichstellungsgesetz nicht. Hier müssen
        in der Tat so schnell wie möglich umfassende vertragliche
        Regelungen zur Durchsetzung der Chancengleichheit ge-
        troffen werden. Gender mainstreaming muss auch bei der
        Umstellung auf die Programmorientierte Förderung in der
        HGF – Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher
        Forschungszentren – beachtet werden.
        Familienfreundliche Bedingungen sind bei allen För-
        dermaßnahmen das A und O. Jede Art von Frauenförde-
        rung bleibt Makulatur, solange hochkarätige Wissen-
        schaftlerinnen weiter vor die Entscheidung Familie oder
        Beruf gestellt werden. Wir brauchen daher kürzere Studi-
        enzeiten, die Möglichkeit des Teilzeitstudiums, flexiblere
        Arbeitsformen und vor allem bedarfsgerechte Kinderbe-
        treuungsangebote.
        Frauen-Netzwerke, wie sie zum Beispiel bei der IFU
        jetzt wieder entstanden sind, können Frauen und Mädchen
        ebenfalls ermutigen, technische und naturwissenschaftli-
        che Fächer zu studieren, in diesen Berufen Karriere zu
        machen und ihre Kompetenzen der Allgemeinheit zur
        Verfügung zu stellen. Ihre Arbeit sollte deshalb auch von
        der Politik stärker unterstützt werden.
        Viele Maßnahmen für mehr Chancengleichheit von
        Frauen in Wissenschaft und Forschung zeigen bereits Er-
        folge. Ich bin deshalb sehr gespannt auf den Fortschritts-
        bericht, der Mitte 2002 vorgelegt werden soll. Doch wir
        müssen noch viel mehr in dieser Richtung tun. Wir brau-
        chen die Kompetenzen und die Innovationskraft von
        Frauen, wir brauchen die weibliche Sicht der Dinge, um
        den Dialog von Wissenschaft und Öffentlichkeit zu för-
        dern und international konkurrenzfähig zu bleiben.
        Geben wir unseren Wissenschaftlerinnen deshalb end-
        lich die Chancen, die sie verdienen!
        Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN): „Hunde und Damen nicht erwünscht!“ – ein
        Schild mit dieser Aufschrift ließ ein Professor Anfang
        des letzten Jahrhunderts an der Hörsaaltür anbringen.
        Diese Zeiten sind dank der bürgerlichen Frauenbewegung
        vorbei.
        Seit vielen Jahren erreichen Frauen höhere Bildungs-
        abschlüsse als Männer. Betrachtet man die Pisa-Studie
        unter diesem geschlechtsspezifischen Aspekt, so steht
        fest: Ohne die qualifizierten Mädchen und jungen Frauen
        wäre das Desaster noch viel größer.
        Allen ist klar, dass wir eine neue Bildungsreform brau-
        chen. Dabei muss die Chancengleichheit groß geschrie-
        ben werden. Es ist doch ein Armutszeugnis für unsere Ge-
        sellschaft, wenn wieder die soziale Herkunft entscheidend
        für den Bildungserfolg ist. Ich hatte geglaubt, diese Zei-
        ten seien vorbei. Auch dass bei uns nur 16 Prozent eines
        Altersjahrgangs ein Studium erfolgreich abschließen,
        während es in Großbritannien fast doppelt so viel sind,
        zeigt dringenden Handlungsbedarf.
        Doch zurück zu den Frauen: Ihr Anteil unter den Erst-
        semestern liegt bei 53 Prozent. Wenn wir also Bildung als
        Voraussetzung für eine berufliche Karriere ansehen,
        müssten demnach goldene Zeiten für die Erwerbstätigkeit
        von Frauen angebrochen sein.
        Ein Blick in die Statistik verdunkelt dieses Bild. Von
        dieser guten Ausgangsbasis aus sinkt der Frauenanteil von
        Qualifikationsstufe zu Qualifikationsstufe stetig ab. Bei
        den Professorinnen bleiben gerade mal 10 Prozent Frauen
        übrig. Von den gut bezahlten C4-Professuren sind nur
        sechs von 100 mit Professorinnen besetzt. Deutschland
        bildet damit das Schlusslicht in Europa.
        In den außenuniversitären Forschungseinrichtungen
        sind es gar nur 5 Prozent Frauen in Spitzenpositionen.
        Frauen sind also in den Entscheidungs- und Führungspo-
        sitionen an den Hochschulen wie auch in den For-
        schungseinrichtungen dramatisch unterrepräsentiert.
        Hinzu kommt, dass Frauen und Männer bei der Studi-
        enwahl nach wie vor erhebliche geschlechtsspezifische
        Unterschiede aufweisen. Folge davon ist: Frauen sind in
        zukunftsorientierten Berufen wie im IT-Bereich kaum an-
        zutreffen.
        Wir brauchen also eine moderne Gleichstellungspolitik
        und deutliche Strukturveränderungen in der Wissenschaft.
        Neben einer gerechten Chancenverteilung zwischen den
        Geschlechtern müssen aber auch die Rahmenbedingun-
        gen für die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienar-
        beit verbessert werden. Ganztagskinderbetreuung und
        Ganztagsschulen sind das Gebot der Stunde.
        Aber auch Frauen, die keine Kinder haben – und das
        sind immerhin 40 Prozent der Wissenschaftlerinnen –
        werden im Wissenschaftsbetrieb benachteiligt. Darum
        muss die Gleichstellung von Männern und Frauen zu ei-
        nem durchgängigen Qualitätskriterium der Hochschulen
        und Forschungseinrichtungen werden. Alle Initiativen
        und Maßnahmen müssen sich an der Verwirklichung der
        Gleichstellung messen lassen. Das Konzept hierfür heißt
        Gender Mainstreaming und ich bin froh, dass die rot-
        grüne Bundesregierung diesen neuen Ansatz kurz nach
        Regierungsantritt zum Leitprinzip für alle Ministerien er-
        hoben hat. Darum wurde im neuen Gleichstellungsgesetz
        für den öffentlichen Dienst des Bundes auch die Vergabe
        staatlicher Leistungen an die Gleichstellung gekoppelt.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221798
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        In den Jahren 2000 bis 2010 wird über die Hälfte der
        Professoren das Ruhestandsalter erreichen. Dies bietet
        eine Chance nicht nur für einen Generationenwechsel,
        sondern auch für einen Geschlechterwechsel. Dies müs-
        sen wir nutzen. Darum brauchen wir ein gezieltes Stel-
        lenprogramm für Wissenschaftlerinnen für C3- und
        C4-Stellen.
        Die rot-grüne Koalition hat es sich.zum Ziel gesetzt,
        den Anteil von Professorinnen bis zum Jahr 2005 auf 20
        Prozent zu steigern. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Von al-
        lein lässt es sich jedoch nicht verwirklichen. In Ergänzung
        zu dem Programm „Anstoß zum Anstieg“ muss daher bei
        der finanziellen Ausstattung für die Juniorprofessuren da-
        rauf geachtet werden, dass die bundeseigenen Mittel in
        Abhängigkeit einer Quote vergeben werden. Wir fordern
        das Ministerium dazu auf, die versprochene quotierte Mit-
        telzuweisung aus dem Bundesprogramm für die Junior-
        professuren rigoros einzuhalten. Nur wenn jetzt viele
        Frauen auf Juniorprofessuren berufen werden, können wir
        die angestrebte Zielmarke von 20 Prozent Professorinnen
        bis 2005 auch erreichen.
        Neben diesen hilfreichen Ansätzen und Programmen
        sind weitere Veränderungen nötig. Die Old-Boys-net-
        works gerade in den technischen und naturwissenschaft-
        lichen Studiengängen halten noch immer Frauen davon
        ab, ihre berufliche Zukunft zu verwirklichen.
        In der Wirtschaft ist es schon angekommen: Wer Erfolg
        haben will, braucht die Frauen. Teams von Männern und
        Frauen sind erfolgreicher als reine Männerteams. Das
        müsste doch auch die Wissenschaft schon im eigenen In-
        teresse für sich nutzen.
        Ulrike Flach (FDP): Deutschland ist mal wieder
        Schlusslicht in Europa, und ich finde, dass unser letzter
        Platz mit 6,3 Prozent beim Anteil der Frauen unter den
        C4-Professuren an Universitäten ein ebensolches Armuts-
        zeugnis ist wie unser letzter Platz bei der Konjunkturent-
        wicklung.
        Ihr Antrag zeigt eindrucksvoll auf, dass in Deutschland
        die Zahl der Frauen abnimmt, je höher das Qualifika-
        tionsniveau steigt. Sind es bei den Erstsemestern noch
        52,9 Prozent – die Zahl stammt aus dem Jahr 1999 –, so
        sinkt der Anteil auf 5,1 Prozent bei den Spitzenpositionen
        in außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dass hier
        mehr getan werden muss, ist unstreitig. Der wenig ein-
        gängige Begriff Gender Mainstreaming verschleiert eher,
        worum es geht: Frauen müssen in Wissenschaft und For-
        schung gefördert und gefordert werden.
        Der Antrag zeigt aber leider auch, dass der Bundes-
        tagswahlkampf naht. Ein Lob für die Bundesregierung
        reiht sich an das nächste. Hier wäre im Sinne der Sache
        etwas Differenzierung nötig gewesen. Denn ich frage
        mich: Dient es dem Ziel, den Anteil der Professorinnen
        bis 2005 auf 20 Prozent zu erhöhen, wenn durch die HRG-
        Reform eine ganze Generation junger Wissenschaftlerin-
        nen und Wissenschaftler aufs Abstellgleis geschickt wird?
        Die Auswirkungen sind doch fatal, Frau Ministerin. Nicht
        umsonst hat die „taz“, sicher kein Sprachrohr der FDP-
        Fraktion, das Beispiel einer promovierten Geochemikerin
        dokumentiert, die nach 12 Jahren befristeter Forschungs-
        arbeit vor dem Aus steht.
        Ebenso ist die faktische Abschaffung der Habilitation
        auch im Hinblick auf die Frauenförderung kontraproduk-
        tiv. Eine Habilitation neben der Erziehung eines Kindes
        durchzuziehen ist schon schwer genug, die vielfältigen
        Aufgaben einer Juniorprofessur zu bewältigen ist fast un-
        möglich. Sie hätten die Habilitation als zusätzlichen Qua-
        lifikationsweg erhalten müssen.
        Ich nehme auch sehr sorgfältig die Signale auf, die jetzt
        von den Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen
        kommen. Mir schreibt die Bundeskonferenz der Frauen-
        beauftragten, dass zum Beispiel bei den ersten 12 Beru-
        fungsvorschlägen für Juniorprofessuren an der Hum-
        boldt-Universität – nichtmedizinischer Bereich – nur eine
        Frau war. Ich kann deshalb bisher nicht sehen, warum der
        Antrag Ihre Juniorprofessuren im Hinblick auf die Frau-
        enförderung lobt.
        Ihr Antrag listet eine Reihe von Maßnahmen auf, die
        das BMBF angeschoben hat oder die im Rahmen der BLK
        beschlossen worden sind. Was mir fehlt, sind Ergebnisse,
        zumindest bei den Maßnahmen und Beschlüssen, die
        schon seit mehreren Jahren laufen. Was ist denn dabei he-
        rausgekommen, dass das Kabinett am 20. Juni 1999 Gen-
        der Mainstreaming, wie Sie schreiben, „zentrale Bedeu-
        tung zuerkannt“ hat? Hier findet sich viel heiße Luft in
        Ihrem Antrag. Andere, sinnvolle Maßnahmen wie das
        Emmy-Noether-Programm zur Förderung von Wissen-
        schaftlerinnen werden überhaupt nicht erwähnt.
        Deshalb, meine Damen und Herren, lehnen wir diesen
        Antrag ab. Das Ziel ist richtig, auch manche Ihrer Vor-
        schläge, aber eine Lobhudelei auf die zum Teil kontrapro-
        duktiven Maßnahmen der Bundesregierung werden wir
        nicht mitmachen.
        Maritta Böttcher (PDS): Vor über 80 Jahren – im Jahr
        1920 – wurde für Frauen der Zugang zum Hochschul-
        lehrerberuf erstmals formal geöffnet. Doch der Weg von
        der formalen zur tatsächlichen Gleichberechtigung, wie
        sie das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 2 fordert, liegt noch
        weitestgehend vor uns.
        Auch im 21. Jahrhundert werden Frauen strukturell
        von Lehrstühlen und anderen Leitungsfunktionen an
        Hochschulen und Forschungseinrichtungen ferngehalten.
        Nur sechs von 100 Professuren der höchsten Besoldungs-
        stufe C4 sind von Frauen besetzt. Insgesamt liegt der
        Anteil der Professorinnen bei rund 10 Prozent. Dieser
        Wert ist für Deutschland auch im internationalen Ver-
        gleich blamabel. In Ländern wie der Türkei, Finnland
        oder Portugal ist fast jede fünfte ordentliche und sogar je-
        de dritte außerordentliche Professur mit einer Frau besetzt.
        Unser Land kann es sich nicht länger leisten, die Hälfte
        der Bevölkerung vom Zugang zu verantwortlichen Funk-
        tionen in Forschung und Lehre auszugrenzen, nicht nur,
        weil wertvolle Begabungsressourcen ungenutzt bleiben;
        wir blenden auch die spezifischen Erfahrungen von
        Frauen und damit ihre spezifischen Sichtweisen auf
        Wissenschaft aus.
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        Die PDS begrüßt daher, dass sich die Bundesregierung
        das Ziel gesetzt hat, den Anteil der Professorinnen bis
        zum Jahr 2005 auf 20 Prozent zu erhöhen. Bis zum Jahr
        2005 wird der derzeitige Generationenwechsel in der
        Hochschullehrerschaft weitgehend abgeschlossen sein.
        Gleichstellungsmaßnahmen, die erst in fünf Jahren grei-
        fen, kommen definitiv zu spät.
        Es ist eine einfache Rechung: Wenn wir den Anteil der
        Professorinnen von heute 10 Prozent innerhalb von drei
        Jahren auf 20 Prozent verdoppeln wollen, müssen wir
        dafür Sorge tragen, dass bei der Besetzung frei werdender
        Lehrstühle sehr viel mehr Frauen als 20 Prozent zum Zuge
        kommen müssen. Jüngste Berechnungen gehen von min-
        destens 50 Prozent aus. Tatsächlich aber liegt der Anteil
        von Frauen bei der Besetzung von Professuren zurzeit bei
        nur rund 12 Prozent und ist sogar – wie die Daten der
        Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und For-
        schungsförderung belegen – rückläufig.
        Es liegt also auf der Hand: Die Politik muss zu viel
        wirksameren Maßnahmen greifen als bisher. Wenn ich
        mir nun aber Ihren Antrag ansehe, meine Damen und
        Herren von den Koalitionsfraktionen, so stelle ich fest,
        dass Sie sich vor allem auf eines konzentrieren: die Regie-
        rung lang und breit für ihre bisherige Politik zu loben – für
        eine Politik, die bisher eben noch keinen Durchbruch ge-
        schafft hat.
        Richtig ist: Wir brauchen eine mehrdimensionale Stra-
        tegie zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Auch
        im Wissenschaftssystem muss die Politik auf verschie-
        denen Ebenen gleichzeitig ansetzen. Es geht zum Beispiel
        um die Berücksichtigung von gleichstellungspolitischen
        Erfolgen in der leistungsorientierten Mittelverteilung, um
        die institutionelle Stärkung von Frauen- und Gleichstel-
        lungsbeauftragten, um die Vereinbarkeit von wissen-
        schaftlicher Arbeit und Familie für Frauen und Männer,
        um Sonderprogramme mit Fördermaßnahmen speziell für
        Frauen, um die Neuordnung der Hochschullehrer-
        laufbahn. Es geht um die gezielte Förderung von Studen-
        tinnen und Schülerinnen, um die Verankerung von Frau-
        enforschung und Gender Studies und um die strategische
        Verankerung gleichstellungspolitischer Ziele nach dem
        Prinzip des Gender Mainstreaming.
        Zu dieser mehrdimensionalen Strategie gehören aber
        eben auch verbindliche Vorgaben der Politik für die Hoch-
        schulen und Forschungseinrichtungen. Dies zeigen in
        alarmierender Weise auch die ersten Rückmeldungen zur
        Umsetzung des BMBF-Förderprogramms Juniorpro-
        fessuren. So wird aus der Humboldt-Universität Berlin ge-
        meldet, dass unter den ersten zwölf Berufungsvorschlägen
        für Juniorprofessuren nur eine einzige Frau ist. Die Bun-
        desbildungsministerin muss sich daher schon die Frage
        gefallen lassen: Warum haben Sie die Vergabe der För-
        dermittel nicht mit der verbindlichen Auflage versehen,
        dass die Hochschulen die Hälfte ihrer Juniorprofessuren
        mit Frauen besetzen müssen? Es kann Sie doch nicht
        ernstlich überraschen, dass ein freundliches Rundschrei-
        ben an die Hochschulleitungen nicht ausreicht.
        Ich frage Sie weiter: Warum gibt es in den Perso-
        nalbestimmungen des Hochschulrahmengesetzes immer
        noch keine Vorrangregelung zugunsten des unterreprä-
        sentierten Geschlechts? Das vom BMBF geförderte Bon-
        ner Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und For-
        schung hat einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet.
        Dennoch haben SPD und Grüne im November 2001 un-
        seren Änderungsantrag zur 5. HRG-Novelle abgelehnt.
        Meine Damen und Herren, Ihr Antrag ist gut gemeint,
        zweifellos. Sie können sogar mit einer Unterstützung mei-
        ner Fraktion für die einzelnen Vorschläge rechnen. Insge-
        samt wird Ihre Strategie aber der tatsächlichen Heraus-
        forderung nicht gerecht. Gleichstellungspolitik darf sich
        zwar nicht in Quoten und Zielvorgaben erschöpfen, aber
        ohne solche verbindlichen Instrumente bleibt sie eine
        zahnlose Tigerin.
        Anlage 3
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zurBeratung des Antrags: Für eine Verlängerung
        der Rückwirkungsfrist für die Berufskrankheit
        Nummer 4111 (Tagesordnungspunkt 18)
        Wolfgang Grotthaus (SPD):Was verbirgt sich hinter
        der Berufskrankheit 4111? Es handelt sich um die so ge-
        nannte Staublunge, wie sie bei Bergleuten des Stein-
        kohlebergbaus leider viel zu häufig aufgetreten ist. Als
        Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet, selbst im Bergbau ge-
        lernt, kenne ich die Tragik dieser Erkrankung aus nächs-
        ter Nähe. Lebendig ist mir eine Erinnerung eines Bürgers
        aus meiner Heimatstadt Oberhausen, dem ich im persön-
        lichen Gespräch auseinander legen musste, dass seine
        Krankheit nicht weniger schlimm und damit auch nicht
        weniger „wert“ sei als andere; dennoch musste ich ihm
        auch mitteilen, dass die gesetzliche Regelung für ihn
        keine Entschädigung vorsehe, da seine Erkrankung vor
        dem 1. Januar 1993 eingetreten ist. Das ist bitter.
        Hier sind wir bei der eigentlichen Frage, die die Be-
        troffenen nicht verstehen, nämlich, wie gerecht bzw. un-
        gerecht eine Stichtagsregelung ist. Das Bundes-
        sozialgericht hat dazu eine klare Rechtssprechung
        vorgelegt und die Regelung 1999 bestätigt. Die Rück-
        wirkungsklausel sei rechtswirksam und mit dem Gleich-
        behandlungsgrundsatz vereinbar. Allerdings obliege dem
        Verordnungsgeber, also der Bundesregierung, eine Be-
        obachtungspflicht. Der kommt sie auch nach. Ich gehe
        später noch darauf ein.
        Liege ausreichendes Zahlenmaterial über die poten-
        ziellen Versicherungsfälle vor, sei zu prüfen, ob aufgrund
        der Rückwirkungsklausel „nur einem verhältnismäßig
        kleinen Kreis der Erkrankten eine Entschädigung zustehe
        und der weitaus größere Teil von einer Entschädigung
        ausgeschlossen bleibe“. Dann sei die Regelung aus ver-
        fassungsrechtlichen Gründen zu ändern. Das hat das
        BMA im 2001 geprüft.
        Weder der Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
        nung noch wir von der SPD-Fraktion nehmen das Schick-
        sal der Kumpel auf die leichte Schulter. Nach der Prüfung
        im Herbst 2001 ist die Rückwirkungsklausel weiterhin
        sachgerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich.
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        Seien wir doch einmal ehrlich: Eine Stichtagsregelung
        ist aus sozialpolitischen Gründen einfach erforderlich.
        Das System erfordert dies. Den Rückwirkungszeitraum
        zu verlängern ist – einmal ganz unabhängig von der Kos-
        tenfrage betrachtet – aus Gründen der Risikozurechnung
        nicht gerechtfertigt; es würden Feststellungsprobleme
        aufgeworfen und es zöge eine Präjudizwirkung für andere
        Berufskrankheiten nach sich.
        Zum anderen machen wir uns auch deshalb die Ent-
        scheidung darüber nicht leicht, weil wir den Antrag hier
        nicht einfach ablehnend beraten, obwohl es genügend Ar-
        gumente dafür gibt. Wir schlagen vielmehr eine Beratung
        im Fachausschuss durch die Überweisung vor, um dort er-
        neut die Argumente zu prüfen.
        Nach der im Herbst 2001 vorgenommenen Überprü-
        fung stehen insgesamt 3 686 Anerkennungen 3 966 Ab-
        lehnungen wegen des Stichtags gegenüber. Der Maßstab
        des BSG, dass nicht der „weitaus größte Teil der Betroffe-
        nen“ aufgrund der Rückwirkungsregelung entschädi-
        gungslos bleibt, ist damit eingehalten. Nennenswerte Ver-
        änderungen durch noch nicht abgeschlossene Verfahren
        sind nicht zu erwarten. Die von der FDPaufgeführten Zah-
        len sind so nicht verwendbar, denn es liegt in der Logik der
        Anerkennungsverfahren, dass nach erfolgter Anerkennung
        von Erkrankten bis zum Stichtag die Zahl der Anerken-
        nungen rückläufig, die der Ablehnungen steigend ist. Dies
        werden wir aber in aller gebotenen Gewissenhaftigkeit
        und Ausführlichkeit im Ausschuss beraten können.
        Deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
        der Opposition, unterstellen Sie uns nicht in diesem sen-
        siblen, mit Emotionen behafteten Bereich der Entschädi-
        gungsregelung für erkrankte Kumpel des Bergbaus, wir
        würden mit der Stichtagsregelung eine „unbillige Härte
        gegenüber den Bergleuten“ vertreten und damit ihre Auf-
        bauleistungen der 40er- und 60er-Jahre nicht in angemes-
        sener Form würdigen. In dem Fall ließe sich nämlich fra-
        gen, warum Sie im Jahre 1997 die Stichtagsregelung
        eingeführt und nicht bei der überschaubaren Zahl von Be-
        troffenen darauf verzichtet haben. Es könnte weiter ge-
        fragt werden, warum Sie drei Jahre nach dem Regie-
        rungswechsel das von Ihnen eingeführte Gesetz
        korrigieren wollen, und man könnte zu dem Schluss kom-
        men, dass hier wahltaktische Gründe eine Rolle spielen.
        Diese Debatte wollen wir aber nicht. Sie führt in der
        Sache nicht weiter. Deshalb lassen Sie uns im Ausschuss
        in der geboten Ruhe und Sachlichkeit die Dinge bespre-
        chen und nicht Emotionen, die durchaus berechtigt sind,
        für vermeintliche wahlstrategische Zwecke benutzen.
        Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Die FDP-
        Bundestagsfraktion überrascht mit ihrem Antrag „Für
        eine Verlängerung der Rückwirkungsfrist für die Berufs-
        krankheit Nummer 4111“. Die Forderung der FDP hat die
        durch Arbeitseinsatz geschädigten Menschen im Auge
        und gibt deren Anliegen Vorrang gegenüber den auf die
        Berufsgenossenschaften zukommenden Kosten. Die FDP
        aufrichtig sozialpolitisch engagiert: Schon dieser Sach-
        verhalt empfiehlt die vorgelegte Initiative wohlwollender
        Aufmerksamkeit.
        Zustimmung gibt es von uns aber auch in der Sache.
        Der deutsche Bergbau gehört zu den modernsten seines
        Faches in der Welt. In unserem Bergbau besteht ein hoch
        entwickeltes System der Klimatisierung, das man verein-
        facht wohl als Entlüftung bezeichnen würde. Dies redu-
        ziert die Explosionsgefahr und beseitigt zum größten Teil
        die Gefährdung der Atemwege. Die Ursachen für die
        chronisch obstruktive Emphysembronchitis bei Bergleu-
        ten liegt in der Vergangenheit. Sie ist nicht auf aktuelle
        Gesundheitsgefährdungen zurückzuführen. In der Auf-
        bauphase der Bundesrepublik; in den 40er- bis 60er-Jah-
        ren waren wir noch nicht so weit. Damals wurde die Ge-
        sundheit geschädigt, sodass die Bergleute heute unter
        chronisch obstruktiver Emphysembronchitis leiden.
        Dass diese Gefährdungen heute praktisch beseitigt
        sind, ist auch eine der Erfolgsgeschichten der Berufsge-
        nossenschaften. Sie sorgen nicht nur für die Regulierung
        von Schäden, sondern investieren in Prävention. Dieses
        Modell hat sich ausgesprochen bewährt. Für ihre Erfolge
        bin ich den Berufsgenossenschaften dankbar.
        Der heutige Standard musste hart erarbeitet werden
        und dies dauerte seine Zeit. Die chronisch obstruktive
        Emphysembronchitis ist ein Erbe früherer Zeiten, für das
        heute die Schadensregulierung der Berufsgenossenschaft
        eintreten muss.
        Dem steht der gültige § 6 Abs. 1 der Berufskrank-
        heiten-Verordnung entgegen. Er regelt die Anerkennung
        der Berufskrankheit Nr. 4111, die chronisch obstruktive
        Emphysembronchitis bei Steinkohlebergbau unter Tage.
        Die am 1. Dezember 1997 in Kraft getretene Berufs-
        krankheiten-Verordnung sieht eine auf den 1. Januar 1993
        begrenzte Rückwirkung vor. Dies hat zur Folge, dass seit
        dem 1. Dezember 1997 Erkrankungen, die vor dem Januar
        1993 entstanden sind, nicht als Berufskrankheiten aner-
        kannt werden und die Betroffenen damit nicht als Versi-
        cherungsfall anerkannt werden.
        Besonders betroffen sind Bergleute, die in den 40er-
        bis 60er-Jahren untertage gearbeitet haben. Viele Berg-
        leute, die an chronisch obstruktiver Emphysembronchitis
        erkrankt waren, sind inzwischen verstorben.
        Die Angaben der Bergbau-Berufsgenossenschaft erge-
        ben folgendes Bild: 3 663 Bergleuten konnte die Berufs-
        krankheit 4111 nicht anerkannt werden, weil sie vor dem
        Januar 1993 erkrankt sind und ihr Fall erst nach dem
        Juli 1997 bearbeitet wurde. 1 102 Bergleute hatten Glück.
        Auch sie sind bereits vor dem Januar 1993 erkrankt, wur-
        den aber in der Zeit zwischen Mitte 1996 und Mitte 1997
        anerkannt. Damals bestand die Rückwirkungsklausel des
        aktuellen § 6 Abs. 1 noch nicht. 877 Renten wurden aner-
        kannt, weil die Erkrankungen erst nach dem Stichtag,
        1. Januar 1993, auftraten. Das ist natürlich ungerecht und
        muss geändert werden. Die gültige Verordnung verhin-
        dert, dass die Berufsgenossenschaft ihrer Aufgabe der
        Schadensregulierung nachkommen kann. Deshalb muss
        der Verordnungsgeber handeln.
        Was ist das für eine Ungerechtigkeit, wenn der eine
        Kollege anerkannt wird, weil er das Glück hatte, als einer
        der ersten Fälle bearbeitet zu werden. Sein Kollege wird
        nicht anerkannt, weil der das Pech hatte, dass seine Akte
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21801
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        erst Monate später bearbeitet wurde. Das kann man doch
        niemandem erklären.
        Der Verordnungsgeber hat diese Konsequenz wohl
        1997 nicht erkennen können. Doch Walter Riester regiert
        bereits seit Ende 1998 im BMA. Er hätte lange genug Zeit
        gehabt, dies zu ändern. Es ist doch eine Schande für einen
        SPD-Arbeitsminister, wenn er zur Beseitigung dieses
        Missstandes erst durch einen Antrag der FDPaufgefordert
        werden muss.
        Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN):Der heute zur Debatte stehende Antrag der FDPbe-
        trifft eine Bevölkerungsgruppe, die beim Aufbau unseres
        Landes viel geleistet hat. Hierfür möchte ich den Berg-
        leuten an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank aus-
        sprechen.
        Die untertage herrschenden Arbeitsbedingungen im
        Steinkohlebergbau waren bis in die 60er-Jahre des ver-
        gangenen Jahrhunderts derart schlecht, dass sie zum Teil
        zu schweren chronischen Erkrankungen führten. Gesi-
        cherte wissenschaftliche Erkenntnisse über den Zusam-
        menhang zwischen den damaligen Arbeitsbedingungen
        und der Berufskrankheit 4111, der chronisch obstruktiven
        Emphysembronchitis, liegen erst seit Mitte der 90er-Jahre
        vor. Aus diesem Grund hat der Verordnungsgeber im
        Jahre 1997 diese Berufskrankheit in die Berufskrankhei-
        tenverordnung aufgenommen, übrigens unter Beteiligung
        der FDP.
        Dass die FDP im Wahljahr 2002 die Bundesregierung
        auffordert, die mit der Anerkennung der Berufskrankheit
        verbundene Rückwirkungsklausel zu überprüfen und zu
        ändern, ist ihr legitimes Recht. Warum sie in ihrem Antrag
        nicht alle vorhandenen Erkenntnisse einbezieht und auch
        zur Kostenfrage keinerlei Stellung nimmt, muss sie sich
        aber fragen lassen.
        Das Bundessozialgericht hat zwar festgestellt, dass
        dem Verordnungsgeber eine Beobachtungspflicht obliegt.
        Es hat aber auch die Rückwirkungsklausel als rechtswirk-
        sam und für mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ver-
        einbar befunden.
        Der Beobachtungspflicht ist die Bundesregierung im
        Jahr 2001 nachgekommen. So standen zum 31. Juli 2001
        3 686 Anerkennungen der Berufskrankheit 3 966 Ableh-
        nungen gegenüber. Eine gravierende Änderung des Ver-
        hältnisses ist nicht mehr zu erwarten, da bis zum Sommer
        vergangenen Jahres nur noch 15 Prozent der eingegange-
        nen Anträge nicht beschieden waren.
        Eine von der FDP geforderte uneingeschränkte Rück-
        wirkung wäre aus vielfältigen Gründen nicht vertretbar.
        Allein die Sachverhaltsaufklärung und die Ursachenfest-
        stellung würde die Antragsteller und Versicherungsträger
        vor kaum lösbare Probleme stellen. Der entstehende Ver-
        waltungsaufwand würde in keinem Verhältnis zu dem zu
        erwartenden Erfolg stehen. Abgesehen davon stehen der
        entsprechenden Berufsgenossenschaft die erforderlichen
        Kapazitäten nicht zur Verfügung.
        Auch eine Sonderbehandlung der Berufskrankheit
        4111 würde durch ihre präjustizierende Wirkung erhebli-
        che negative Auswirkungen auf die Solidargemeinschaft
        der Arbeitgeber haben. Außerdem entspricht die getrof-
        fene Rückwirkungsklausel den üblichen Regelungen bei
        der Aufnahme neuer Erkrankungen in die Berufskrank-
        heitenverordnung, die als Stichtag das Datum der letzten
        Anpassung der Verordnung vorsieht. Von Willkürlichkeit,
        wie im FDP-Antrag behauptet, kann also keine Rede sein.
        Ich möchte nicht unterstellen, dass die CDU/CSU- FDP-
        Koalition in diesem Fall 1997 willkürlich gehandelt hat.
        Selbstverständlich liegt uns weiterhin die Situation der
        an der Berufskrankheit 4111 Erkrankten am Herzen. Wir
        werden zu gegebener Zeit unserer Beobachtungspflicht
        erneut nachkommen. Die Bergleute sind bei uns gut auf-
        gehoben.
        Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird diesen of-
        fensichtlich aus wahltaktischen Gründen eingebrachten
        Antrag ablehnen.
        Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die FDP-Bundestags-
        fraktion möchte mit diesem Antrag zur Lösung eines wich-
        tigen sozialpolitischen Problems beitragen, das besonders
        in Nordrhein-Westfalen eine große Rolle spielt: Seit dem
        1. Dezember 1997 ist zwar die chronische obstruktive Bron-
        chitis und/oder ein Lungenemphysem bei Bergleuten als
        Folge langjähriger Untertagearbeit unter Einwirkung von
        Feinstäuben als Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-
        verordnung aufgenommen. Aber durch eine auf den 1. Ja-
        nuar 1993 bezogene Rückwirkungsregelung – § 6 Abs. 1
        der Berufskrankheitenverordnung – werden vor dem 1. Ja-
        nuar bereits nachgewiesene Erkrankungen nicht als Be-
        rufskrankheit anerkannt. Sie sind somit auch kein Versi-
        cherungsfall. Das betrifft die Mehrzahl der Bergleute, deren
        Untertagearbeit mit den Zechenschließungen seit den 60er-
        Jahren beendet wurde.
        Langsam über viele Jahre stetig fortschreitende Ge-
        webszerstörungen der Lungen mit Verminderung der At-
        mungsfunktion haben zunehmend die Lebensqualität von
        Erkrankten eingeschränkt und nicht selten zum Tode ge-
        führt. Im Ergebnis sind also Bergleute, die vor dem Stich-
        tag 1. Januar 1993 nachweislich an der Berufskrankheit
        litten, durch diese Rückwirkung von einer Entschädigung
        ausgeschlossen, im Todesfall auch die Hinterbliebenen.
        Für die FDP stelle ich fest: Das ist eine unbillige Härte
        gegenüber den Bergleuten, die in den 40er- bis 60er-Jah-
        ren maßgeblich am Wiederaufbau unseres Landes mitge-
        wirkt haben. Besonders bedenklich erscheint auch, die
        Versorgungsansprüche der Witwen dieser Bergleute nicht
        anzuerkennen. Schließlich hat auch das Bundessozialge-
        richt am 30. September 1999 dem Bundesministerium für
        Arbeit und Sozialordnung aufgegeben, seine einschrän-
        kende Rückwirkungsklausel zu überprüfen. Das Gericht
        sieht darin eine Ungleichbehandlung von bei ihrer Be-
        rufsausübung durch Feinstäube Erkrankten.
        Die gesundheitliche Gefährdung durch Feinstäube im
        Untertage-Steinkohlenbergbau liegt, vom heutigen Zeit-
        punkt aus betrachtet, nicht in der Zukunft, sondern in der
        Vergangenheit. Die Rückwirkungsregelung widerspricht
        daher dem Ziel, das mit der Aufnahme der Berufskrankheit
        Nr. 4111 in die Berufskrankheitenverordnung bezweckt
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221802
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        wurde. Wir wollen diese Rückwirkungsklausel des § 6
        Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung aufheben oder
        die Rückwirkungszeit – um etwa 25 bis 30 Jahre! – deut-
        lich verlängern. Damit würden nicht nur die für die be-
        troffenen Feinstaub-Opfer unverständlichen Ungleichbe-
        handlungen beseitigt, sondern auch die Bedenken des
        Bundessozialgerichts im Hinblick auf den Gleichheits-
        grundsatz des Grundgesetzes gegenstandslos.
        Erlauben Sie mir an dieser Stelle, dem Arzt Dr. Karl
        Heinz Bonmann aus Oberhausen für sein Engagement in
        dieser Sache zu danken.
        Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
        Pia Maier (PDS): Manche Dinge erstaunen mich hier
        wirklich noch: Da wird die Staublunge als Berufskrank-
        heit Nr. 4111 anerkannt. Aber nur für die, die erst nach
        dem 1. Januar 1993 erkrankten. Warum nur? Die Staub-
        lunge gehört vor allem in die Zeiten des Steinkohleberg-
        baus. Bergleute atmeten in den Bergwerken viel mehr
        Staub ein als übertage üblich. Dieser Staub führt zu bron-
        chialen Erkrankungen, die schließlich chronisch werden
        und die Lungenfunktion beeinträchtigen. Der Zusammen-
        hang zwischen Staubbelastung der Luft am Arbeitsplatz
        und Schäden der Lunge ist nachgewiesen und die Berufs-
        krankheit entsprechend definiert.
        Der Steinkohlebergbau ist in den letzten Jahrzehnten
        zurückgegangen. Das Ruhrgebiet hat einen enormen
        Strukturwandel hinter sich, an die streikenden Bergleute,
        die nicht auf die Straße gesetzt werden wollten, können
        sich viele noch erinnern. Und alle wissen auch, dass die
        Zahl der Beschäftigten im Bergbau in den letzten Jahren
        zurückgegangen ist. Berufskrankheiten, die mit dem
        Steinkohleabbau zusammenhängen, müssen also notwen-
        digerweise auch seltener vorkommen. Die Gesundheits-
        vorsorge hat vermutlich weiter dazu beigetragen, dass Be-
        rufskrankheiten wie die Staublunge eher seltener werden.
        Aber was sieht die Berufskrankheiten-Verordnung
        vor? Nur wer schon vor dem Stichtag 1. Januar 1993 nach-
        weisbar an einer chronischen obstruktiven Emphysem-
        bronchitis – kurz eben Staublunge – erkrankt war, be-
        kommt auch eine Entschädigung. Die anderen Fälle
        gehen leer aus. Im Antrag der FDP ist von 3 663 Fällen
        die Rede, die wegen der begrenzten Rückwirkung abge-
        lehnt wurden.
        Ja, da kann ich doch nicht anders, als der FDP zustim-
        men. Diese Regelung ist unlogisch, unnötig und den Be-
        troffenen nicht zu erklären. Die Lösung kann nur darin be-
        stehen, die Frist deutlich zu verlängern. So weit zu
        verlängern, dass alle ehemaligen Bergleute, die an Staub-
        lunge erkranken auch eine Entschädigung erhalten. Ge-
        rade bei Atemwegserkrankungen zeigen sich die Auswir-
        kungen ja erst spät. Zunächst ist da nur die Bronchitis, die
        sich dann mit der Zeit auf die Lunge auswirkt. Und diese
        Beeinträchtigung der Lungenfunktion ist ausschlagge-
        bend für die geringere Lebensqualität und die gesunkene
        Lebenserwartung der Betroffenen.
        Eine Entschädigung ist dabei das mindeste, denn ihre
        Gesundheit bekommen die Betroffenen damit auch nicht
        zurück. Die schwere Arbeit untertage hat eine Krankheit
        bewirkt, und es ist beschämend, dass ein willkürlich fest-
        gelegter Stichtag die erkrankten Bergleute um die Zahlung
        von Entschädigung bringt. Einen vernünftigen Grund
        dafür kann ich jedenfalls nicht erkennen. Deswegen, auch
        wenn es selten vorkommt: Die PDS-Fraktion unterstützt
        den FDP-Antrag für eine Verlängerung der Rückwir-
        kungsfrist für die Berufskrankheit Nummer 4111.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
        richts: Soziale Arbeit stärken – Alternativen zum
        Zivildienst entwickeln (Tagesordnungspunkt 19)
        Dieter Dzewas (SPD): „Soziale Arbeit stärken – Al-
        ternativen zum Zivildienst entwickeln!“, das klingt gut
        und beides haben wir bereits getan. Es wundert doch sehr,
        dass die PDS-Fraktion trotz eingehender Beratungen im
        Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend noch
        nicht zur Kenntnis genommen hat, dass ihre Forderungen
        zu einem großen Teil erfüllt sind. Der Antrag ist also
        schlicht überflüssig.
        Die Bundesregierung stärkt soziale Arbeit nachhaltig.
        Sie stärkt sie durch Qualifizierungsmaßnahmen über das
        Job-Aqtiv-Gesetz, das wir kürzlich hier im Hause verab-
        schiedet haben, und im Rahmen von JUMP findet auch
        eine Grundqualifizierung in vielen sozialen Bereichen
        statt.
        Ombudsstellen im Zivildienstbereich werden nicht
        benötigt und sind auch von allen Seiten unerwünscht. Das
        würde zum einen die Selbstverantwortung und Selbst-
        steuerung der Verbände untergraben und diesen zum an-
        deren zusätzliche Institutionen und erhöhten Verwal-
        tungsaufwand aufbürden.
        Die PDS fordert in ihrem Antrag, den Zivildienst als
        Alternative zum Wehrdienst zu erhalten. Natürlich ma-
        chen wir das. Das Bundeskabinett hat zur Reform der
        Bundeswehr bereits vor einiger Zeit klargestellt, dass der
        Zivildienst erhalten bleibt, ebenso wie die Wehrpflicht
        auch weiter läuft.
        SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben im November
        vergangenen Jahres eines Gesetzentwurf im Deutschen
        Bundestag eingebracht, mit dem wir Alternativen zum Zi-
        vildienst stärken. Unser Entwurf zur Änderung des FSJ-
        Förderungsgesetzes beinhaltet im neu geschaffenen § 14 c
        des Zivildienstgesetzes gerade die Möglichkeit für aner-
        kannte Kriegsdienstverweigerer, im Rahmen eines frei-
        willigen sozialen oder freiwilligen ökologischen Jahres
        eine völlig andere Art Dienst als den Zivildienst abzuleis-
        ten. Anschließend können sich die Dienstpflichtigen ihre
        für die Allgemeinheit geleistete Zeit als Pflichtdienst an-
        rechnen lassen.
        Wir machen das freiwillige soziale Jahr noch attrakti-
        ver. Durch die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten kön-
        nen Freiwillige nun noch mehr als bisher ihren Neigungen
        folgen. Engagement ist nun möglich in den klassischen
        Bereichen wie sozialen Diensten, dem Gesundheits- und
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21803
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        Pflegebereich, aber auch in neuen Feldern wie Kultur,
        Sport, Denkmalpflege und Jugendhilfe. Gerade hier sehen
        viele junge Männer und Frauen eine Alternative zum klas-
        sischen FSJ.
        Konkret heißt das: Ein junger Mann kann seinen Zivil-
        dienst künftig auch im Sportbereich im Rahmen eines
        freiwilligen sozialen Jahres, oder im Umweltbereich, im
        Rahmen eines freiwilligen ökologischen Jahres, absolvie-
        ren. Das sind Schritte für eine moderne und zukunfts-
        orientierte Konversion des Zivildienstes. Voraussetzung
        bei Kriegsdienstverweigerern ist allerdings, dass sie sich
        mindestens zwei Monate länger verpflichten, als sie das
        im Zivildienst hätten machen müssen. Das heißt, mindes-
        tens zwölf Monate Dienst in den freiwilligen Jahren,
        höchstens aber 18 Monate. Attraktivität gewinnen die
        Freiwilligendienste zudem durch eine zeitliche Flexibili-
        sierung.
        Wir haben erkannt, dass mehr als 90 Prozent der Teil-
        nehmerinnen und Teilnehmer an einem freiwilligen so-
        zialen oder freiwilligen ökologischen Jahr mit dieser Zeit
        sehr zufrieden waren. Diese Zufriedenheit gilt es auch auf
        den Zivildienstbereich zu übertragen.
        Mit unserem Gesetzentwurf bewirken wir einen weite-
        ren Ausbau der Freiwilligendienste im In- und Ausland.
        Im Auslandsbereich weiten wir sie auf das außereuropä-
        ische Ausland aus. Die Zahl der Teilnehmerinnen und
        Teilnehmer hat sich seit 1993 um etwa 70 Prozent erhöht
        und die Nachfrage nach Plätzen übersteigt zur Zeit deut-
        lich das Angebot. Die hohe Nachfrage zeigt eindeutig,
        dass sich junge Menschen engagieren wollen und für ihre
        Gesellschaft einen freiwilligen Dienst leisten möchten.
        Dieses Engagement sollten wir unterstützen.
        Es wird allerdings keine Engpässe bei der Besetzung
        freier Plätze für anerkannte Kriegsdienstverweigerer im
        FSJ oder FÖJ geben. Im Gegenteil: Für „Zivis“ in den
        Freiwilligendiensten sollen zusätzliche Stellen geschaf-
        fen werden. Wir wollen die Dienste dort klar und eindeu-
        tig unterstützen, wo die Nachfrage am größten ist. Denn
        eines ist vollkommen klar: Wo junge Menschen mit Spaß
        und Engagement bei der Sache sind – sei es im sozialen
        Bereich, der Denkmalpflege, im Sport oder beim Um-
        weltschutz –, ist jeder Euro gut angelegt. Hier erzielen alle
        Beteiligten die besten Ergebnisse.
        Mit einem hat die PDS-Fraktion allerdings Recht – und
        dies möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen –: Die
        Leistungen der Zivildienstleistenden verdienen hohe An-
        erkennung. Vor allem diejenigen, die in der individuellen
        Schwerstbehindertenbetreuung, ISB, tätig sind, sind viel-
        fältigen Anforderungen ausgesetzt. Große psychische und
        physische Belastungen sind mit dieser Arbeit verbunden.
        Einige junge Menschen sind diesen Herausforderun-
        gen allerdings gewachsen – andere nicht. Wir wollen ver-
        hindern, dass junge Männern im Rahmen ihres Zivildiens-
        tes Erfahrungen machen müssen, die sie an den Rand ihrer
        physischen und psychischen Fähigkeiten bringen. Sie sol-
        len selbst einschätzen, wozu sie in der Lage sind. Unser
        Konzept der wahlweisen Absolvierung von Zivildienst,
        FSJ oder FÖJ setzt genau hier an.
        Neben der bestehenden Ableistung des Zivildienstes
        im Ausland eröffnen wir Kriegsdienstverweigerern zu-
        künftig, ihr FSJ oder FÖJ im europäischen und außer-
        europäischen Ausland zu absolvieren. Die Beteiligung
        von Jugendlichen vor allem an grenzüberschreitenden
        Freiwilligendiensten trägt in enormem Maße zur künfti-
        gen persönlichen wie beruflichen Entwicklung bei. Sie
        fördert die Herausbildung sozialer Fähigkeiten und eine
        ausgewogene Integration in die Gesellschaft. Kurz:
        Grenzüberschreitende Freiwillige sind engagiert im öf-
        fentlichen Leben.
        Noch ein Wort zum FSJ-Förderungsänderungsgesetz:
        Wir prüfen auch, wie wir die Rahmenbedingungen für
        länger andauernde Freiwilligendienste vor allem im euro-
        päischen und nichteuropäischen Ausland und für auslän-
        dische Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Deutschland
        verbessern können. Das bedeutet auch, dass wir vor der
        Einbringung eines eigenständigen Freiwilligengesetzes
        die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Zukunft
        des Bürgerschaftlichen Engagements“ genau analysieren
        und berücksichtigen werden.
        Sie sehen, unser Gesetzentwurf zur Änderung des FSJ-
        Förderungsgesetzes geht bedeutend weiter als der Antrag
        der PDS-Fraktion. Er verbessert die Attraktivität der Frei-
        willigendienste und erweitert zudem die Möglichkeiten
        für den Zivildienst. Dagegen war der Antrag der PDS be-
        reits zur Bundestagsdebatte im Juli 2000 überholt, heute
        ist er es allemal.
        Marlene Rupprecht (SPD): Es ist schon erstaunlich,
        wie ein positiv klingender Antrag, ich spreche hier von
        dem Vorschlag der PDS-Kollegen „Soziale Arbeit stärken
        – Alternativen zum Zivildienst entwickeln“ bei genaue-
        rem Hinsehen sich als Antrag für die Neugestaltung des
        Staates herausstellt. Er ignoriert, dass die Bundesrepublik
        Deutschland ein föderativer Staat ist, mit gewachsenen
        sozialen Strukturen und Zuständigkeiten. Man könnte
        jetzt spekulieren, ob es mangelnde Kenntnis der Gege-
        benheiten oder das Verhaftetsein in vergangenen Struktu-
        ren eines zentralistisch geführten Staates ist.
        Nun zu den einzelnen Forderungen des Antrages: Sie
        fordern die Einrichtung einer Ombudsstelle Zivildienst,
        die damit Aufgaben der Pflegeversicherung, des Zivil-
        dienstes und des Rehabilitationsrechtes wahrnehmen
        müsste. Sie würden erstens damit in das Selbstverwal-
        tungsrecht der Träger und Verbände eingreifen, zweitens
        dem Zivildienst Aufgaben zuordnen, für die er laut
        Grundgesetz nicht zuständig ist, und nebenbei gesagt, un-
        terstellen Sie uns, dass wir den Zivildienst abschaffen
        wollen. Drittens ignorieren Sie, dass der Bundestag 2001
        das Sozialgesetzbuch IX verabschiedet hat, dessen Kern-
        stück die Einrichtung von Servicestellen für die Beratung
        von Betroffenen und Angehörigen ist. Die PDS-Fraktion
        hat als einzige Fraktion diesem Antrag nicht zugestimmt.
        Obwohl wir mit diesem Gesetz auch das Recht auf ein
        persönliches Budget und die Assistenz beschlossen
        – übrigens sind dies Punkte, die sie in ihrem Antrag for-
        dern – haben sie sich der Stimme enthalten.
        Sie wollen eine Kommission der sozialen Arbeit ein-
        richten. Auch das hört sich erst einmal gut an. In Wirk-
        lichkeit wollen Sie, dass der Staat alle sozialen Aufgaben
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221804
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        von der Kinderbetreuung über die Jugendhilfe, die Alten-
        hilfe und den Behinderten- und Schwerbehindertenbe-
        reich aus öffentlichen Geldern bezahlt. Sie legen aber
        nicht dar, woher das dafür benötigte Geld kommen soll.
        Und Sie ignorieren völlig, dass Jugendhilfe und Kinder-
        betreuung kommunale Aufgaben sind und die Kommunen
        sich bestimmt nicht von einer Zentralstelle, die für alles
        zuständig ist – in Bayern würde man sagen: einer „eierle-
        genden Wollmilchsau“ –, in ihre Kompetenzen pfuschen
        lassen. In anderen Bereichen sind Kranken-, Pflege- oder
        Rentenversicherer oder auch Sozialhilfeträger zuständig,
        die alle unterschiedlich finanziert werden und die Sie alle
        über einen Kamm scheren.
        Ich stimme Ihnen zu, dass für viele Betroffene die Viel-
        falt der Hilfeangebote verwirrend ist. Dem ist aber nicht
        mit einer über allem schwebenden zentralistischen Mam-
        mutbehörde beizukommen. Vielmehr muss die Beratung
        vor Ort, direkt bei den Betroffenen sein. Dies erreichen
        wir mit der Einrichtung der Servicestellen in jedem Land-
        kreis und in jeder kreisfreien Stadt.
        Die Qualifizierung junger Menschen für soziale Berufe
        wird durch die Umsetzung unseres Job-Aqtiv-Gesetzes
        erreicht. Hier wird gezielt auch im sozialen Bereich ge-
        schult.
        Kolleginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion, Sie
        fordern mit einem Satz auch noch gleich den Ausbau der
        Freiwilligendienste. Wir stellen ihrem recht lässig dahin-
        gestellten Antrag einen fundierten Reformvorschlag für
        die Freiwilligendienste entgegen – fundiert deshalb, weil
        er die gewachsenen Strukturen im Bereich der Freiwilli-
        gendienste berücksichtigt und gleichzeitig modernen Er-
        fordernissen entspricht. Wir erweitern die Einsatzfelder
        für die jungen Menschen, und die ausländischen Einsatz-
        gebiete werden auf das außereuropäische Ausland ausge-
        dehnt. Die bisherige Altersregelung entfällt. Es können
        nun auch Jugendliche nach Vollendung der Vollzeitschul-
        pflicht ihren Freiwilligendienst absolvieren. Sie werden
        auf ihre Aufgaben gut vorbereitet und während des Diens-
        tes pädagogisch begleitet und sozialversicherungsrecht-
        lich abgesichert. Für anerkannte Kriegsdienstverweigerer
        besteht die Möglichkeit, ihren Zivildienst als Freiwilli-
        gendienst abzuleisten. Dabei wird durch eine Verordnung
        dafür Sorge getragen, dass bisherige Freiwilligenplätze
        für Mädchen nicht etwa durch Zivildienstplätze ersetzt
        werden.
        Wenn Ihre Forderungen nach Ausweitung der Freiwil-
        ligendienste und einer Reform des Zivildienstes ernst ge-
        meint sind, können Sie unserem Antrag zur Reform des
        FSJ/FÖJ, der in Bälde in diesem Hause in zweiter und
        dritter Lesung beraten wird, zustimmen.
        Es ist schwierig und oft mühselig, realistische, um-
        setzbare Anträge ins Parlament einzubringen, aber es ist
        sehr viel ehrlicher, als populistische Lösungen anzubie-
        ten, so wie Sie das in Ihrem Antrag tun.
        Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Sagen wir zum Be-
        ginn und ausnahmsweise einmal etwas Positives über ei-
        nen Antrag der PDS. Die Feststellung, der Zivildienst
        habe sich über die Jahrzehnte zu einer wichtigen Säule
        im Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland ent-
        wickelt, ist richtig und diese Debatte heute ist der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch Anlass, den Zivil-
        dienstleistenden in Deutschland ein Wort des Dankes und
        der Anerkennung für ihre Arbeit zu sagen. Richtig ist da-
        neben auch die Feststellung im PDS-Antrag, dass die
        durch Rot-Grün beispielweise im so genannten Haus-
        haltssanierungsgesetz vorgenommenen Kürzungen nega-
        tive Folgen im Zivildienst nach sich gezogen haben.
        Das war's dann aber auch schon mit den Gemeinsam-
        keiten, denn die Folgerungen, die die PDS aus den eben
        beschriebenen Umständen zieht, sind für die Union in
        keinster Weise akzeptabel.
        Erstens. Die PDS geht, wie im Übrigen auch Bünd-
        nis 90/Die Grünen (auf diesen kleinen interkoalitionären
        Unterschied sei an dieser Stelle auch nochmals hinge-
        wiesen) davon aus, dass die allgemeine Wehrpflicht ab-
        geschafft werden sollte. Diese Auffassung teilt die CDU/
        CSU nicht.
        Zweitens. Seit Monaten diskutieren wir in diesem Ho-
        hen Hause darüber (wenn auch je nach Fraktions-
        zugehörigkeit mit unterschiedlicher Intensität), wie die
        Kräfte des Arbeitsmarkts entfesselt werden können und
        wie die Staatsquote gesenkt werden könnte. Mitten hinein
        in diese Diskussion präsentiert uns die PDS einen Antrag,
        der einen breiten öffentlich geförderten Beschäftigungs-
        sektor zum Ziel hat. Da fragt man sich schon, ob die PDS
        tatsächlich aus ihrer reichen Vergangenheit etwas gelernt
        hat. Wir brauchen nicht mehr Staat, sondern weniger
        Staat. Von den Kosten dieses öffentlich geförderten Be-
        schäftigungssektors wollen wir in diesem Zusammenhang
        einmal gar nicht reden!
        Lassen Sie mich diese Debatte aber auch dazu nutzen,
        die Bundesregierung einmal mehr daran zu erinnern, dass
        sie nach wie vor in der Pflicht steht, ihre Zukunftsplanun-
        gen bei Wehrpflicht und Zivildienst aufeinander abzu-
        stimmen. Von Planungssicherheit bei den Einsatzstellen
        kann längst keine Rede mehr sein, und nicht wenige Be-
        schäftigungsstellen diskutieren längst die Frage, ob die
        Bereitstellung von Zivildienststellen denn überhaupt noch
        einen Sinn macht – und dies sowohl in finanzieller als
        auch in organisatorischer Hinsicht.
        Nehmen Sie nur einmal exemplarisch den einzigarti-
        gen Geniestreich, den Dienst in Abschnitten ableisten zu
        können. Wir haben diese Regelung bei der Wehrpflicht
        kritisiert; die Bundesregierung blieb beratungsresistent.
        Wir haben diese Regelung beim Zivildienst kritisiert; die
        Bundesregierung blieb beratungsresistent. Nun findet
        sich diese seltsame Regelung auch im Entwurf des Frei-
        willigengesetzes, über das wir am Mittwoch eine öffent-
        liche Anhörung hatten. Dieses Mal findet sich unsere Kri-
        tik ausnahmslos im Tenor mit der Auffassung der
        Sachverständigen. Vielleicht markiert dies ja doch noch
        den Punkt, an dem Sie lernfähig werden. Dass eine Re-
        gierung ihrer Opposition nicht glaubt, dafür mag man ja
        noch Verständnis haben. Aber dass man sich gegen den
        versammelten Sachverstand aus Wissenschaft und Praxis
        stellt, das ist dann doch eine etwas seltsame Form von in-
        tellektueller Kontinuität.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21805
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Lassen Sie mich zum Schluss mit einer Bemerkung auf
        die Ausschussberatungen zurückkommen; insbesondere
        auf das, was von sozialdemokratischer Seite dort vorge-
        tragen wurde. Da wurde doch allen Ernstes das so ge-
        nannte Job-Aqtiv-Gesetz als Instrument genannt, mit dem
        Umschulungen und andere Maßnahmen der Arbeitsver-
        waltung ermöglicht würden. Nach all dem, was wir in den
        letzten Tagen aus der Bundesanstalt für Arbeit gehört
        haben oder besser: hören mussten, klingt diese Bemer-
        kung aus der Ausschussberatung ja fast schon grotesk. Ich
        denke, die Vertreterinnen und Vertreter von Rot-Grün se-
        hen das inzwischen auch so!
        Ich fasse zusammen: Die Bundesregierung hat durch
        ihre unkoordinierte Vorgehensweise bei den Reformen
        von Wehrpflicht und Zivildienst einen Beitrag dazu ge-
        leistet, dass das die Regierungsarbeit prägende Chaos-
        prinzip nun auch noch an dieser Stelle deutlich wird. Die
        PDS will dem abhelfen, indem sie eine Lösung aus der so-
        zialistischen Mottenkiste präsentiert. Wir wollen weder
        das eine noch das andere; deshalb lehnen wir den Antrag
        der PDS ab!
        Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Die Zivildienstkonversion ist für meine Fraktion nach wie
        vor ein wichtiges Thema. Solange die Entscheidung be-
        züglich der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht
        noch nicht getroffen ist, können sich Veränderungen bei
        der Kriegsdienstverweigerung jedoch nur abbilden, wenn
        sie angelehnt sind an die Strukturen der Wehrpflicht. Den-
        noch ist für uns absehbar, dass die Wehrpflicht fällt. Das
        bedeutet für den Zivildienst schon jetzt einen stetigen
        Aufwuchs an Konversion.
        Ein Beitrag dazu ist die Verkürzung der Dienstzeit,
        aber auch die Novellierung des FSJ und FÖJ-Gesetzes.
        Um darüber hinaus die „arbeitsmarktpolitische Neutra-
        lität“ des Zivildienstes sicherzustellen, ist aus unserer
        Sicht die Verkürzung der Zivildienstzeit in dieser Legis-
        latur von 13 auf elf und jetzt auf zehn Monate ebenfalls
        notwendig. Aus Sicht meiner Fraktion merke ich an die-
        ser Stelle jedoch nicht nur obligatorisch an, dass wir wei-
        terhin eine Angleichung der Dienstzeiten wollen. Nicht
        nur aus Gerechtigkeitsgründen den Zivildienstleistenden
        gegenüber waren und sind diese Maßnahmen notwendig.
        Natürlich bedeutet dies für die Einsatzbereiche eine
        schrittweise Umstellung. Schrittweise deshalb, weil es bei
        den wichtigen Leistungen, die die Zivildienstleistenden
        erbringen, keine Brüche geben darf. Expertenberechnun-
        gen belegen längst, dass drei Zivildienstleistende die
        Arbeit von zwei hauptamtlichen Kräften verrichten könn-
        ten. Die Einstellung von Pflegekräften ist volkswirt-
        schaftlich gesehen demnach sogar günstiger als die Be-
        schäftigung von Zivildienstleistenden. Dennoch braucht
        die Konversion des Zivildienstes Zeit. Sie alle wissen, wie
        politische Prozesse funktionieren.
        Abgesehen vom Ausbildungsprogramm der Bundes-
        länder zum Beruf der „Sozialassistenten“, die die Arbeit
        von Zivildienstleistenden übernehmen können, bietet so-
        wohl das Job-Aqtiv-Gesetz als auch die Novelle zum
        Meister-BAföG Ansatzpunkte, die in die Diskussion ein-
        bezogen werden müssen. Diese Perspektiven kommen in
        Ihrem Antrag eindeutig zu kurz.
        Auch andere Passagen gehen streckenweise am Thema
        vorbei. Natürlich muss die Pflege im Gesundheitswesen
        sichergestellt werden. Aber dazu bedarf es sicherlich we-
        sentlich mehr als einer vorausschauenden Entwicklung
        von Alternativen zum Zivildienst. Unserer Meinung nach
        besteht in diesem Bereich Reformbedarf, der beispiels-
        weise nicht durch eine Beschwerdestelle, wie die PDS sie
        vorschlägt, befriedigt wird.
        Insgesamt setzten Bündnis 90/Die Grünen auf die För-
        derung von Engagement statt Verpflichtung zum Zwangs-
        dienst. Und diesen Weg verfolgen wir auch in der Koalition.
        Am Ende bleibt mir aus den genannten Gründen nur Ih-
        nen zu empfehlen, der Haltung des Ausschusses zu folgen
        und bei der Ablehnung des PDS-Antrages zu bleiben.
        Ina Lenke (FDP): Der Zivildienst leistet einen wich-
        tigen Beitrag für die sozialen Dienste in unserer Gesell-
        schaft. Wie der Antrag der PDS aus den Jahr 2000 be-
        schreibt, leisten Zivildienstleistende in vielen sozialen
        Einrichtungen wertvolle Arbeit. Beschlüsse der Bundes-
        regierung zur Wehrpflicht und die Kürzungen beim Zivil-
        dienst in den Haushalten des Familienministeriums der
        letzten Jahre zeigen deutlich auf, dass Einsparungen fast
        ausschließlich zulasten des Zivildienstes gegangen sind,
        zum Beispiel durch geringere Beitragszahlungen an die
        Rentenversicherung.
        Jetzt geht die Legislaturperiode zu Ende und die Re-
        gierung hat es bis heute versäumt, ein umfassendes Kon-
        zept als Ersatz für den zeitlich immer mehr eingeschränk-
        ten Zivildienst und auch für „die Zeit danach“, wenn die
        Wehrpflicht fällt und die Bundeswehr in eine Berufsar-
        mee umgewandelt wird, vorzulegen. Dies ist ein eklatan-
        tes Versäumnis dieser Regierung. Hier wird politisches
        Nichtstun für unsere Gesellschaft, gerade für Ältere,
        Kranke und Behinderte, schlimme Folgen haben.
        Ich habe immer wieder die Regierung durch Anfragen
        und Diskussionen in unserem Ausschuss zum Handeln
        aufgefordert. Passiert ist nichts. Auf den letzten Metern
        haben Sie von Rot-Grün einen „Mini-Antrag“ zum FSJ
        und FÖJ vorgelegt, der konzeptionell misslungen ist. Das
        hat die Anhörung am Dienstag im Bundestag gezeigt. Sie
        haben kein umfassendes Konzept für die vielen jungen
        Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten wollen.
        Der niedersächsische Innenminister Bartling, der Ihrer
        Partei, der SPD, angehört, holt jedes Jahr wieder den
        Pflichtdienst für junge Männer und Frauen aus der Mot-
        tenkiste. Sie sind sich noch nicht einmal über Ihre eigene
        parteipolitische Richtung einig.
        Die FDP hat im Dezember letzten Jahres einen eige-
        nen Antrag „Deutschland braucht gesetzliche Rahmen-
        bedingungen für einen allgemeinen Freiwilligendienst“
        dem Parlament vorgelegt, der in dieser Woche bereits Ge-
        genstand der Anhörung des Ausschusses für Familie,
        Frauen, Senioren und Jugend war. Die FDPwill, dass un-
        ter anderem rechtliche Grundlagen für einen allgemeinen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221806
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Freiwilligendienst für Menschen in Deutschland geschaf-
        fen werden, der Aufbau der Kooperation gemeinnütziger
        Dienste zwischen der Europäischen Union, der EFTAund
        den Beitrittsländern sowie ausgewählte Drittländer unter-
        stützt und rechtliche sowie institutionelle Hindernisse ab-
        gebaut werden.
        Der Antrag der PDS fordert den Ausbau des öffentlich
        geförderten Beschäftigungssektors. Das lehnt die FDP ab,
        zumal unsere Forderungen zu Freiwilligendiensten dem
        Parlament vorliegen.
        Anlage 5
        Amtliche Mitteilungen
        Der Bundesrat hat in seiner 772. Sitzung am 1. Februar
        2002 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
        stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
        Grundgesetz nicht zu stellen:
        – GesetzzurNeuregelungdesRechtsdesNaturschutzes
        und derLandschaftspflege und zurAnpassung ande-
        rerRechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG)
        – Gesetz zur Änderung des Fleischhygienegesetzes,
        des Geflügelfleischhygienegesetzes und des Tierseu-
        chengesetzes
        – Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernener-
        gienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elek-
        trizität
        – Gesetz zur Aufhebung der für die Kostengesetze nach
        dem Einigungsvertrag geltenden Ermäßigungssätze für
        den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz vor
        dem 3. Oktober 1990 nicht galt (Ermäßigungssatz-
        Aufhebungsgesetz Berlin – KostGErmaufhGBln)
        – Gesetz zur Änderung des Bundesarchivgesetzes
        – Gesetz zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben der
        Gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelaus-
        gaben-Begrenzungsgesetz – AABG)
        Der Bundesrat hat in seiner 772. Sitzung am 1. Februar
        2002 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz gemäß Ar-
        tikel 84 Abs. 1 nicht zuzustimmen:
        – Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fall-
        pauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauscha-
        lengesetz – FPG)
        Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom
        14. Februar 2002 mitgeteilt, dass sie den Antrag Sachge-
        rechter Schutz der Rechte für Software auf Drucksache
        14/4384 zurückgezogen hat.
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
        der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
        nachstehenden Vorlage absieht:
        Auswärtiger Ausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen
        um Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung so-
        wie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jah-
        resabrüstungsbericht 2000)
        – Drucksache 14/5986 –
        – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
        mentarischen Versammlung der NATO
        über die Frühjahrstagung der Parlamentarischen Ver-
        sammlung der NATO vom 26. bis 30. Mai 2000 in Buda-
        pest, Ungarn
        – Drucksachen 14/6933, 14/7413 Nr. 1 –
        Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht des Bundeskartellamts über seine Tätigkeit in den
        Jahren 1999/2000 sowie über die Lage und Entwicklung auf
        seinem Aufgabengebiet und Stellungnahme der Bundesre-
        gierung
        – Drucksache 14/6300 –
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2000
        – Drucksachen 14/6905, 14/7195 Nr. 1.1 –
        Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
        abschätzung
        – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech-
        nikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56 a der Ge-
        schäftsordnung
        Technikfolgenabschätzung
        hier: Monitoring „Stand und Perspektiven der geneti-
        schen Diagnostik“
        – Drucksache 14/4656 –
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-
        Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
        Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
        tung abgesehen hat.
        Finanzausschuss
        Drucksache 14/7700 Nr. 2.3
        Drucksache 14/7700 Nr. 2.54
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.31
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.47
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.65
        Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
        Drucksache 14/6508 Nr. 2.4
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.25
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.28
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.32
        Drucksache 14/7883 Nr. 1.3
        Drucksache 14/7883 Nr. 1.4
        Drucksache 14/7883 Nr. 1.5
        Drucksache 14/7883 Nr. 1.6
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.3
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.4
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.20
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.27
        Ausschuss für Verbraucherschutz,
        Ernährung und Landwirtschaft
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.13
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.58
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 2002 21807
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.15
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.30
        Drucksache 14/7409 Nr. 2.16
        Drucksache 14/7409 Nr. 2.18
        Drucksache 14/7409 Nr. 2.28
        Drucksache 14/7522 Nr. 2.2
        Drucksache 14/7522 Nr. 2.4
        Drucksache 14/7522 Nr. 2.8
        Drucksache 14/7522 Nr. 2.10
        Drucksache 14/7522 Nr. 2.17
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.3
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.17
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.18
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.19
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.29
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.33
        Drucksache 14/7708 Nr. 2.35
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.10
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.30
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
        und Reaktorsicherheit
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.2
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.15
        Drucksache 14/7883 Nr. 1.1
        Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung
        Drucksache 14/7883 Nr. 2.21
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 219. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Februar 200221808
        (C)(A)
        Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin