Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002
Bundesminister Otto Schily
21171
(C)(A)
Berichtigung
212. Sitzung, Seite 21057 (B), 1. Absatz, der letzte Satz ist wie folgt zu lesen:
„Sie beabsichtigen, einen Parlamentsvorbehalt auf der Grundlage des Antrages,
der heute Abend von SPD und Grünen vorgelegt worden ist, in Höhe eines Ge-
samtvolumens von 8,6 Milliarden Euro aufzuheben.“
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21173
(C)
(D)
(A)
(B)
Balt, Monika PDS 25.01.2002
Behrendt, Wolfgang SPD 25.01.2002*
Bierwirth, Petra SPD 25.01.2002
Bindig, Rudolf SPD 25.01.2002*
Binding (Heidelberg), SPD 25.01.2002
Lothar
Bohl, Friedrich CDU/CSU 25.01.2002
Brandt-Elsweier, SPD 25.01.2002
Anni
Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 25.01.2002*
Klaus
Bury, Hans Martin SPD 25.01.2002
Büttner (Ingolstadt), SPD 25.01.2002
Hans
Carstensen CDU/CSU 25.01.2002
(Nordstrand), Peter H.
Eich, Ludwig SPD 25.01.2002
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
DIE GRÜNEN
Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
Joseph DIE GRÜNEN
Fischer (Karlsruhe- CDU/CSU 25.01.2002
Land), Axel E.
Friedrich (Altenburg), SPD 25.01.2002
Peter
Dr. Friedrich CDU/CSU 25.01.2002
(Erlangen), Gerhard
Friedrich (Mettmann), SPD 25.01.2002
Lilo
Gradistanac, Renate SPD 25.01.2002
Griese, Kerstin SPD 25.01.2002
Gröhe, Hermann CDU/CSU 25.01.2002
Günther (Duisburg), CDU/CSU 25.01.2002
Horst
Dr. Gysi, Gregor PDS 25.01.2002
Hauser (Rednitzhem- CDU/CSU 25.01.2002
bach), Hansgeorg
Dr. Haussmann, Helmut FDP 25.01.2002
Heinrich, Ulrich FDP 25.01.2002
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
DIE GRÜNEN
Holetschek, Klaus CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Hornhues, CDU/CSU 25.01.2002
Karl-Heinz
Hornung, Siegfried CDU/CSU 25.01.2002*
Imhof, Barbara SPD 25.01.2002
Jäger, Renate SPD 25.01.2002*
Klappert, Marianne SPD 25.01.2002
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 25.01.2002
Kramme, Anette SPD 25.01.2002
Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Küster, Uwe SPD 25.01.2002
Lamers, Karl CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Lamers CDU/CSU 25.01.2002
(Heidelberg),Karl A.
Lehder, Christine SPD 25.01.2002
Leidinger, Robert SPD 25.01.2002
Lintner, Eduard CDU/CSU 25.01.2002*
Dr. Lippelt, Helmut BÜNDNIS 90/ 25.01.2002*
DIE GRÜNEN
Lörcher, Christa fraktionslos 25.01.2002*
Louven, Julius CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Lucyga, Christine SPD 25.01.2002*
Meckel, Markus SPD 25.01.2002
Merten, Ulrike SPD 25.01.2002
Michels, Meinolf CDU/CSU 25.01.2002*
Müller (Berlin), PDS 25.01.2002*
Manfred
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
DIE GRÜNEN
Neumann (Gotha), CDU/CSU 25.01.2002*
Gerhard
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
DIE GRÜNEN
Nietan, Dietmar SPD 25.01.2002
Ohl, Eckhard SPD 25.01.2002
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Onur, Leyla SPD 25.01.2002*
Palis, Kurt SPD 25.01.2002*
Polenz, Ruprecht CDU/CSU 25.01.2002
Roos, Gudrun SPD 25.01.2002
Schlee, Dietmar CDU/CSU 25.01.2002
Schloten, Dieter SPD 25.01.2002*
Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 25.01.2002
Schmidt-Zadel, Regina SPD 25.01.2002
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 25.01.2002
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 25.01.2002
Andreas
Dr. Schubert, Mathias SPD 25.01.2002
Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 25.01.2002
Schuhmann (Delitzsch), SPD 25.01.2002
Richard
Dr. Schwall-Düren, SPD 25.01.2002
Angelica
Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 25.01.2002
Christian
Seehofer, Horst CDU/CSU 25.01.2002
Simm, Erika SPD 25.01.2002
Simmert, Christian BÜNDNIS 90/ 25.01.2002
DIE GRÜNEN
Dr. Freiherr von CDU/CSU 25.01.2002
Stetten, Wolfgang
Strebl, Matthäus CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 25.01.2002
Titze-Stecher, Uta SPD 25.01.2002
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 25.01.2002
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 25.01.2002
Zierer, Benno CDU/CSU 25.01.2002*
* für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates
Anlage 2
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Bahnpreissystem für
Fahrgäste attraktiv gestalten (212. Sitzung,
Tagesordnungspunkt 14)
Dr. Winfried Wolf (PDS): Die FDP hat vor wenigen
Wochen eine kokette Anfrage an die Bundesregierung ge-
stellt. Gefragt wird, ob der Termin „Dezember 2002“, an
dem das neue Bahnpreissystem in Kraft treten soll, auf
Veranlassung der Bundesregierung so gelegt worden sei.
Die FDPweist darauf hin, dass die Bahn ursprünglich ge-
plant habe, dieses neue System bereits „im Sommer“ 2002
in Kraft treten zu lassen. Immerhin wurde es bereits mehr-
mals in den Jahren 2000 und 2001 angekündigt.
Die Fragen der FDP sind mehr als berechtigt. Wir pro-
phezeien: Das ohnehin bei plus minus Null pendelnde
Image der Bahn wird im Dezember 2002 einen neuen
schweren Schlag erhalten. Dieses zur Debatte stehende
neue Bahnpreissystem wird nicht nur – wie bahnüblich –
Chaos produzieren. Es wird vor allem massenhafte Pro-
teste und Anlass zur Abwanderung von Hunderttausenden
treuen Bahnkundinnen und -kunden geben.
In diesem Sinne haben wir rechtzeitig – gut zehn Mo-
nate vor In-Kraft-Treten dieses Bahnpreissystems – unse-
ren Antrag in den Bundestag eingebracht. Wir leisten in
diesem Antrag eine detaillierte Kritik an dem neuen Sys-
tem und wir nennen in konzentrierter Form Aspekte, die
unserer Ansicht nach die Bausteine eines neuen Bahn-
preissystems sein könnten – wenn dieses tatsächlich das
Ziel verfolgt, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.
Nun dürfte hier von der einen und der anderen Seite im
Parlament strittig gestellt werden, dass dieses Thema in die
Zuständigkeit des Bundestags fällt. Es dürfte argumentiert
werden, die Bahn in Gestalt einer privatrechtlichen Akti-
engesellschaft – und auf Privatisierungskurs befindlich –
könne nicht auf dem Gebiet der Bahntarife im Fernverkehr
vom Bund bzw. vom Bundestag kontrolliert werden.
Das mag für Detailfragen und Detailreformen zutreffen.
Im Fall der vorgesehenen umfassenden Bahnpreisreform
sehen wir das jedoch anders. Wir verweisen hier auf § 12
Abs. 3 des Allgemeinen Eisenbahn-Gesetzes (AEG), in
dem es heißt: „Die Tarifhoheit liegt beim Bund, soweit es
sich um Beförderungsbedingungen einer Eisenbahn des
Bundes für ihren Schienenpersonenfernverkehr handelt...“
Wenn der für Verkehr verantwortliche Bundesminister
eine derart weitreichende und – wir zeigen: Bahnverkehr
zerstörende – Preisreform „durchgehen“ lässt, dann sollten
wir als Parlament nicht dieselbe Verantwortungslosigkeit
begehen. Daher geben wir Ihnen allen die Chance, diese
Tarifreform im Bundestag kritisch zu begleiten und nach
Möglichkeit zu korrigieren, wobei dies übrigens durchaus
wahlkampfwirksam sein könnte. Immerhin sind Dutzende
Millionen Fahrgäste und damit Millionen Wählerinnen
und Wähler von diesem Vorhaben direkt betroffen.
Wir haben in unserem Antrag detailliert unsere Kritik
an diesem Bahnpreissystem vorgetragen. Ich möchte hier
nur drei Aspekte anführen:
Erstens. Faktisch läuft das System darauf hinaus, dass
im Fernverkehr nur diejenigen preiswert – und teilweise
durchaus auch preiswerter als heute – Bahn fahren kön-
nen, die sieben Tage im Voraus ihre Hin- und Rückfahrt
„zug-genau“ buchen. Zu erwarten, ein Massenverkehr
könne so funktionieren, ist wirklichkeitsfremd. Es ist kein
Zufall, dass die neuen Bahnplaner, die das ersonnen ha-
ben, „Lufthansa-Implantate“ sind.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221174
(C)
(D)
(A)
(B)
Zweitens. Die beabsichtigte Senkung des Bahncard-
rabatts von 50 auf 25 Prozent entwertet diese Karte völlig
und verprellt mehr als zwei Millionen Stammkunden der
Bahn. Statt einer Mobilitäts-Zugangskarte, was die Bahn-
card heute noch ist, wird daraus eine Schnäppchenjäger-
Karte. Der entscheidende Effekt, mit dieser Karte eine
Stammkundschaft zu binden, wird zerstört.
Drittens. Insgesamt gesehen wird das neue Preissystem
Bahnfahren teurer machen. Vor allem werden mehr Men-
schen von den Teuerungen betroffen sein, als Fahrgäste
von den Vergünstigungen profitieren. Die Rechnung ist
einfach: Mehr als 50 Prozent der Verkehrsleistungen der
Bahn werden im Nahverkehr erbracht. Rund 90 Prozent
der Bahnkundinnen und -kunden sind Nahverkehrskun-
den. Im Nahverkehr aber sollen die Preise erhöht werden.
Nach den Steigerungen, die es bereits Anfang dieses Jah-
res zusammen mit der Euroumstellung gab, dürften damit
Tarif-Höhen erreicht werden, die die große Preissensibi-
lität der Bahnkundschaft gerade in diesem Segment einem
„Härtetest“ aussetzen.
Das deckt sich mit den internen Daten des Bahnma-
nagements. Erwartet wird ein Anstieg der Erlöse,
während das Zugangebot und das Platzangebot gerade in
den Jahren 2002/2003 nochmals erheblich „zurückgefah-
ren“ werden. Nach Adam Riese läuft das auf ein insge-
samt gesehen höheres Preisniveau hinaus, zumal eine
Steigerung des Personenverkehrs auf Schienen nicht statt-
findet; siehe den von uns immer wieder prognostizierten
und nun eingetretenen Rückgang des Schienenpersonen-
fernverkehrs im letzten Jahr.
Die Bahnpreisreform zeigt aus meiner Sicht durchaus
eine gewisse Konsequenz. Ich sehe diese in einer „Logik“
– mit der zunehmenden Konzentration der Bahn auf den
Hochgeschwindigkeitsverkehr bei gleichzeitigem Abhän-
gen ganzer Regionen – siehe ICE-Durchfahrten Hanno-
ver/Braunschweig/Wolfsburg bis Berlin-Spandau –, mit
der wachsenden Konzentration der DB AG auf den Ge-
schäftsreiseverkehr – siehe die geplante Abschaffung der
Speisewagen bzw. der „Bordrestaurants“ bei gleichzeiti-
gem Angebot des „Caterings“ in der 1. Klasse –, mit der
Abschaffung des Interregios und damit dem fortgesetzten
Abhängen großer Regionen, touristisch wichtiger Gebiete
und großer Städte vom Schienenfernverkehr.
Damit aber wird die Bahn umgemodelt von einem
Massenverkehrsmittel und einer potenziellen Alternative
zu Autoverkehr und Binnenflug in eine elitäre Veranstal-
tung für wenige. Sie wird Marktlücken füllen dürfen – un-
ter anderem im Interesse der Airlines, die ihre Slots zwi-
schen Stuttgart und Frankfurt oder Düsseldorf und Köln
besser auslasten können.
Einmal abgesehen davon, dass die PDS eine solche Po-
litik aus sozialen Gründen ablehnt, spricht gegen diese
Politik die schlichte Betriebswirtschaftslehre im Allge-
meinen und die betriebswirtschaftliche Kenntnis des
Schienenverkehrs im Besonderen. Ich erinnere an die Zei-
ten, in denen die Bundesbahn den Intercity-Verkehr als
Taktverkehr einführte – als reinen 1.-Klasse-Verkehr. Das
war betriebswirtschaftlich ein Desaster. Erst die Verallge-
meinerung dieses Modells für beide Klassen brachte ei-
nen durchschlagenden Erfolg, unter anderem mit dem
Slogan: „Jede Stunde, jede Klasse“.
Jetzt soll das Rad der Bahngeschichte zurückgedreht
werden. Faktisch orientieren sich mit der Konzentration
auf ICE, mit dem Abbau der Bahn in der Fläche und mit
dem neuen Bahnpreissystem die Angebote auf eine kleine
Klientel. Das heißt aber auch: Im Ergebnis werden wir
rote, werden wir tiefrote Zahlen in der DB Bilanz sehen.
Wir haben in unserem Antrag konkrete Vorschläge ge-
macht, wie eine alternative Bahnpreisreform aussehen
könnte. Dass eine Reform erforderlich ist, das sehen wir
auch. Doch unsere Vorschläge weisen in die entgegenge-
setzte Richtung des mit der Bahnpreisreform des DB-Ma-
nagements Vorgesehenen. Unsere Vorschläge sind geeig-
net, wirklich massenhaft mehr Verkehr auf die Schiene zu
bringen – unter anderem mit dem Erhalt des bestehenden
Bahncardrabatts, mit dem Ausbau dieser Mobilitätskarte
und mit der Einführung einer neuen Mobilitätskarte, einer
preislich für Millionen Kunden interessanten Netzkarte,
analog dem Generalabonnement der Schweizer Bundes-
bahnen (SBB).
Wir haben uns diese Vorschläge nicht im Wolken-
kuckucksheim erdacht. Wir orientieren uns dabei an kon-
kreten Erfahrungen – im eigenen Land, zum Beispiel mit
der Bahncard, die trotz des ständigen Unterlaufens dieses
Rabattsystems dennoch eine ansehnliche Erfolgsstory ist.
Und wir orientieren uns an den Erfahrungen, die diesbe-
züglich in der Schweiz gemacht wurden, also dort, wo eine
staatliche Bahn existiert, wo die Menschen zweieinhalb
Mal mehr Kilometer mit der Bahn zurücklegen als hierzu-
lande – trotz des erheblich kleineren Landes – und wo das
Image der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) an der
Spitze der entsprechenden Unternehmensskala liegt.
Ich bitte Sie, ich bitte den für Verkehr verantwortlichen
Bundesminister und ich bitte das Management der Deut-
schen Bahn AG, unsere Kritik ernst zu nehmen und unsere
Vorschläge zu prüfen.
Anlage 3
Nachträglich zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Ausgleich für die nu-
klearen Entsorgungsstandorte Gorleben und
Salzgitter (Schacht Konrad) in Niedersachsen
und Morsleben in Sachsen-Anhalt (212. Sitzung,
Tagesordnungspunkt 11)
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Unser An-
trag beinhaltet ein allgemeines Problem. Die Entsorgung
von Nuklearabfällen aus Energieerzeugung, medizini-
scher Anwendung, Industrie und Forschung steht – wie
jede Abfallbeseitigung – auch am Ende einer Wertschöp-
fungskette. Ihr Betrieb stellt die gleichen oder sogar noch
höhere Anforderungen an die Infrastruktur wie jede an-
dere Produktionsstätte. Entsorgungsanlagen unterschei-
den sich jedoch dadurch von den auf regelmäßige Ge-
winnerzielung abgestellten Produktionsstätten, dass hier
nach Beendigung der wirtschaftlichen Nutzung kein Inte-
resse an einer Wertschöpfung mehr besteht.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21175
(C)
(D)
(A)
(B)
Häufig geschieht die Entsorgung in öffentlich-rechtli-
chen Einrichtungen, die ohnehin keine Gewinne machen
dürfen. Aber auch wenn es sich hier um privatwirtschaft-
liche Aufgabenerledigung handelt, werden hier regel-
mäßig keine Gewinne erzielt, oft sogar noch Verluste ge-
macht. Nach Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer
werden von solchen Einrichtungen faktisch keine Steuern
mehr bezahlt.
Die Standortgemeinden haben aber für diese für die
Gesellschaft notwendigen Einrichtungen erhebliche In-
frastrukturaufwendungen zu tragen und nicht selten einen
Imageverlust zu erleiden. Der damit üblicherweise ver-
bundene Ausgleich an Steuern fehlt, weil durch die Ab-
läufe und die Stellung am Ende der Wertschöpfungskette
diese nicht anfallen. Die eigentliche Wertschöpfung hat
nämlich in der Produktionsstufe davor stattgefunden und
dort werden auch Gewinne gemacht.
Da die Erzeugung von Energie und ihr Verbrauch
ebenso wie die Durchführung von Forschung und die Er-
bringung von medizinischen Leistungen eine gesamtge-
sellschaftliche Aufgabe ist, sind die Folgen auch auf alle
umzulegen. Deshalb ist ein besonderer Ausgleichsfaktor
für die Entsorgungseinrichtungen und hier namentlich für
Entsorgungsstandorte wie Gorleben, Konrad und Morsle-
ben erforderlich.
In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern,
dass die Standortwahl für Konrad und Gorleben auf ein-
stimmigen Beschlüssen des Bundes und der Länder aus den
Jahren 1979, 1981 und 1990 beruht. Damit stehen sowohl
SPD als auch CDU, als auch FDP in der Verantwortung.
Ursprünglich sind auch entsprechende Entschädi-
gungszahlungen geleistet worden.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal
deutlich machen: Wer – wie die Koalition – aus der Kern-
energie aussteigen will, der braucht Entsorgungsstandorte
für die Reste der Anlagen. Deshalb ist es völlig unver-
ständlich, warum darauf verzichtet wird. Wer, wie die Ko-
alition, den Sofortvollzug für Gorleben aufgegeben hat
und es auf einen langjährigen Rechtsstreit durch alle ver-
waltungsgerichtlichen Instanzen ankommen lässt, ver-
größert den Imageschaden. Daher muss der Ausgleich
größer ausfallen. Wenn es beim Sofortvollzug geblieben
wäre, hätte eine umfangreiche rechtliche Überprüfung im
einstweiligen Verfahren mit einem kurzen Lauf stattge-
funden und die Stadt Salzgitter wäre nicht so lange in der
negativen öffentlichen Diskussion. Insofern hat die Ko-
alition den Schaden mutwillig vergrößert.
Es geht durch Entschädigungszahlungen nicht darum,
die Akzeptanz für die Anlagen zu erhöhen, sondern es
geht darum, einen Nachteilsausgleich zu schaffen. Mit
dieser Forderung sind wir nicht allein. So hat der SPD-
Landtagsabgeordnete Dehde im niedersächsischen Land-
tag diese Forderung am 26. Oktober 2001 im Namen sei-
ner Fraktion unterstützt. Umweltminister Trittin hat
gegenüber dem Landtagsabgeordneten Wojahn im Okto-
ber in Gorleben auf einer Veranstaltung erklärt: „Ja, aber
die Finanzpolitiker wollen nicht daran“. Auch der nieder-
sächsische Finanzminister Heiner Aller (bekanntlich
SPD) hat in der Landtagsdebatte vom 26. Oktober 2001 in
Hannover deutlich gemacht, dass aus der Region Gorle-
ben mit guten Argumenten eine Kompensation für die
Sonderlast eingefordert werde. Er ist der Auffassung, dass
dieses pauschal oder wie auch immer organisiert abge-
golten werden müsse. Dafür streitet die Landesregierung:
„Der Umweltminister auf seinen Kanälen, der Finanzmi-
nister auf seinen Kanälen und der Innenminister auf sei-
nen Kanälen“, so Aller wörtlich in der Debatte. Er betonte
noch einmal: „Wir wollen durchsetzen, dass die erkenn-
baren Sonderlasten, die aus dem Atomendlager abzuleiten
sind, letztlich durch eine Sonderdotierung – dann aber im
Bundeshaushalt – abgegolten werden“. Was für Gorleben
gilt, muss auch für Konrad gelten.
Das kann man auch nicht wie der Kollege Schmidt da-
mit aushebeln, dass man vor Ort den Eindruck erweckt, in
Konrad werde es keine Einlagerung geben. Der Verweis
auf die Ein-Endlager-Strategie zieht nicht. Der von der
Koalition selbst eingesetzte Arbeitskreis Auswahlverfah-
ren-Endlagerstandorte hat in seinem aktuellen zweiten
Zwischenbericht ganz deutlich gemacht, dass die ge-
trennte Endlagerung unterschiedlicher Stoffe sinnvoller
ist. Wörtlich heißt es im Bericht auf Seite 31: „Die Auf-
teilung der radioaktiven Abfälle auf mehrere Endlager
könnte vor allem dann Sinn machen, wenn sich gegenüber
dem Ein-Endlager-Konzept sicherheitstechnische Vor-
teile ergäben, wenn der Nachweis der Langzeitsicherheit
der Endlagerung leichter zu führen wäre oder wenn diese
Aufteilung die Auswahl eines Standortes mit günstigeren
Voraussetzungen für die Endlagerung Wärme entwickeln-
der Abfälle durch die zusätzliche Einlagerung der übrigen
Abfälle erschwert bzw. einschränkt“. Auf Seite 36 heißt es
dann: „... ist die Komplexität des geochemisch geführten
Langzeitsicherheitsnachweises signifikant höher als bei
strikter Trennung der verschiedenen Abfallarten“.
Es wird also deutlich, dass das Ein-Endlager-Konzept
aufgegeben wird. Damit wird es zu einer Einlagerung
kommen und jegliche andere Äußerung dient der Ablen-
kung und will den Bürgern Sand in die Augen streuen. Im
so genannten Energiekonsens ist Konrad festgeschrieben.
Dort heißt es: „Die zuständigen Behörden schließen das
Planfeststellungsverfahren für den Schacht Konrad nach
den gesetzlichen Bestimmungen ab. Der Antragsteller
nimmt den Antrag auf sofortige Vollziehbarkeit des Plan-
feststellungsbeschlusses zurück, um eine gerichtliche
Überprüfung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen.“
Das bedeutet nichts anderes, als dass Konrad festge-
schrieben ist. Wer etwas anderes behauptet, streut den
Leuten Sand in die Augen oder er hat von vornherein die
Energiewirtschaft hinter das Licht geführt. Beide Wahr-
heiten vertragen sich nicht.
Noch schlimmer wird es dann, wenn man wie der Erste
Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion,
Wilhelm Schmidt, im Wahlkreis so tut, als sei man der Vor-
kämpfer gegen Konrad, und dann bei der politischen Wil-
lensbildung, auf die man ja angeblich als Erster PG einen
sehr hohen Einfluss hat, nichts gegen die Festschreibung
von Konrad tut. Um seinem Kampf mehr moralisches Ge-
wicht zu verleihen, hat er sich dazu verstiegen, vor einer
Gewerkschaftsversammlung zu erklären, dass er alle poli-
tischen Ämter niederlegen würde, wenn die erste Tonne im
Schacht eingelagert wird. Sein Parteigenosse Bosse kom-
mentierte wie folgt: „Seinen Parteigenossen Wilhelm
Schmidt finde er in dieser Beziehung einfach nur lächer-
lich“. Recht hat er. Wenn ein Politiker sein eigenes persön-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221176
(C)
(D)
(A)
(B)
liches Schicksal mit einer Frage verbindet, dann kann dies
nur an einer politischen Entscheidung anknüpfen und dort
festgemacht werden, nicht aber an einem faktischen Vor-
gang, der außerhalb der Einflusssphäre der Politiker liegt.
Es gibt zwei politische Anknüpfungspunkte, die hätten
gewählt werden können und müssen, wenn die Forderung
hätte glaubwürdig sein sollen: Zum einen die Frage des
Energiekonsenses; diese Frage hat Wilhelm Schmidt ohne
Widerstand ziehen lassen. Es gibt jetzt noch eine andere
Möglichkeit der politischen Entscheidung: Der Bund als
wirtschaftlicher Quasi-Eigentümer der DBE, der Antrag-
stellerin auf das Planfeststellungsverfahren, könnte seine
eigene Firma veranlassen, den Planfeststellungsbeschluss
zurückzunehmen. Das wäre eine politische Entscheidung,
die auf rechtstaatliche Art und Weise die Einlagerung ver-
hindern würde. Aber hierzu habe ich noch keine einzige
Forderung von Wilhelm Schmidt gehört. Stattdessen
wählt er den Zeitpunkt der ersten Einlagerung, weil er sich
sicher sein kann, dass durch sechs- bis achtjährige Pro-
zesse die erste Tonne eingelagert wird, wenn er schon
längst im politischen Ruhestand ist. Erste Absetzbewe-
gungen hat er ja schon gemacht, indem er sich an die
Spitze des Sportbundes bewerben wollte. Wer eine solche
völlig unverbindliche und risikolose Versprechung macht,
macht sich als Politiker lächerlich.
Aber auch wenn es um die Forderung geht, wenigstens
die materiellen Nachteile auszugleichen, stellt er sich
nicht hinter die Interessen seines Wahlkreises. Er stimmt
dagegen, dass Salzgitter für Konrad wenigstens dann ei-
nen Ausgleich erhält, wenn sich die Einlagerung schon
nicht vermeiden lässt.
Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Die Debatte über den
Antrag der CDU/CSU sollte unbeschadet der politischen
Unterschiede in der Beurteilung der Kernenergie geführt
werden. In der Verantwortung für die nuklearen Entsor-
gungsstandorte in Deutschland stehen alle Fraktionen des
Bundestages. Insbesondere die Standorte in Niedersach-
sen sind unter der Verantwortung von SPD, FDP und
CDU/CSU geplant und bestimmt worden.
Wenn wir heute gerade über den Standort Gorleben spre-
chen, dann vor allem, weil sich hier nach wie vor die kon-
troverse Diskussion über die Kernenergie öffentlich doku-
mentiert. Es wird deutlich, welche Lasten, nicht etwa nur
im materiellen Sinne, eine Standortregion zu tragen hat.
Die Debatte hat insofern meines Erachtens zwei
Aspekte:
Erstens. Nachdem die Bundesregierung mit den Be-
treibern der Kraftwerke einen Vertrag über den so ge-
nannten Ausstieg geschlossen hat, steht sie in der Pflicht,
sich auch für eine Befriedung vor Ort einzusetzen. Ich
wiederhole hier meine Forderung nach einem Mediati-
onsverfahren zur Beilegung der Konflikte. Die Begleit-
umstände der Castortransporte sind eine besondere
Belastung vor Ort. Sprüche wie die der SPD-Landesvor-
sitzenden von Baden-Württemberg, Ute Vogt, „Der Dreck
muss ja irgendwohin“, sind da wenig hilfreich. Diejeni-
gen, die gestern noch von unverantwortlichen Gefahren
geredet haben, weil es der Union schaden sollte, behaup-
ten heute, es sei alles sicher. Sie, insbesondere der Bun-
deskanzler und der Bundesumweltminister sind deswegen
in einer besonderen Pflicht.
Zweitens. Die Wiederaufnahme der materiellen Unter-
stützung sollte deutlich machen, dass der Bund seiner be-
sonderen Verantwortung gerecht wird. Historisch gesehen
war es von Anfang an so, dass Bund, Land und Gemein-
den bis 1996 unterschiedliche Vereinbarungen hatten, die
auch auf dem Hintergrund des Art. 106 GG einen finanzi-
ellen Ausgleich für das Land Niedersachsen und die kom-
munalen Gebietskörperschaften geschaffen haben. Dies
hatte viele Vorteile für die Menschen vor Ort. Noch der
letzte Vertrag für die Zeit von 1990 bis 1996 hat jährlich
15 Millionen DM als Ausgleich festgelegt. Nur eine Ver-
änderung im Kreistag von Lüchow-Dannenberg hin zu
Rot-Grün, die die Zahlungen abgelehnt hat, verhinderte
eine Fortführung nach 1996. Selbst der heutige Bundes-
kanzler hat dies für einen Fehler gehalten und ausdrück-
lich Ausgleichsansprüche anerkannt. Dies ist auch das Er-
gebnis eines Gutachtens, was die SPD-Landesregierung
hat anfertigen lassen.
In der Zwischenzeit hat sich die Position des Kreista-
ges geändert. Mit großer Mehrheit wird ein Entwick-
lungsfonds gefordert. Die Bundesregierung hat alle An-
fragen und Wünsche abschlägig beschieden. Es ist an der
Zeit, diese Position zu ändern. Der Bundesumweltminis-
ter scheint dazu bereit zu sein. Bei seinem Besuch vor Ort
am 18. Oktober erklärte er: „Es gilt nun, die wirtschaftli-
che Prosperität des Landkreises nachhaltig zu sichern. Alle
Bemühungen dazu werde ich unterstützen.“ Herr Trittin
und die Grünen können also unseren Antrag unterstützen.
Das gilt, denke ich, für die SPD. Als Ministerpräsident hat
Gerhard Schröder die Forderung für richtig gehalten. Was
sollte ihn jetzt daran hindern, den Worten Taten folgen zu
lassen? Der niedersächsische Finanzminister Aller (SPD)
hat am 26. Oktober 2001 im Landtag erklärt – ich zitiere –:
„Sie (die Debatte) hat deutlich gemacht, dass aus der Re-
gion Gorleben mit guten Argumenten eine Kompensation
der Sonderlasten eingefordert wird“, und an anderer Stelle:
„Wir wollen durchsetzen, dass die Sonderlasten ... letztlich
durch eine Sonderdotierung – dann aber im Bundeshaus-
halt – abgegolten werden“.
Ich kann dem nur zustimmen und bitte Sie um Ihre Un-
terstützung zu unserem Antrag.
Anlage 4
Erklärung nach § 31
des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frank-
furt) (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf
eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen
Stellung von Urhebern und ausübenden Künst-
lern
Trotz mancher Verbesserungen im Laufe der Aus-
schussberatungen sehe ich mich außerstande, diesem Ge-
setzentwurf meine Zustimmung zu erteilen. Insbesondere
aus folgenden Gründen habe ich in Abweichung von mei-
ner Fraktion mit Nein gestimmt:
Erstens. Der gesetzliche Anspruch auf eine „angemes-
sene“ Vergütung in § 32 Abs. 1 Satz 3 des Entwurfs ist ein
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21177
(C)
(D)
(A)
(B)
ordnungspolitischer Sündenfall. Er durchlöchert das ver-
fassungsrechtlich gebotene Prinzip der Vertragsautono-
mie und wird voraussichtlich zahlreiche Rechtsstreite
provozieren. Er gefährdet daher die Rechts- und Investi-
tionssicherheit und belastet den Wirtschaftsstandort
Deutschland.
Zweitens. Angesichts der hohen wirtschaftlichen und
ordnungspolitischen Bedeutung dieses Reformvorhabens
halte ich das von den Koalitionsfraktionen durchgesetzte
Verfahren in den beteiligten Ausschüssen für völlig inak-
zeptabel. Der mitbeteiligte Ausschuss für Kultur und Me-
dien beispielsweise hat sich mit dem Gesetzentwurf in der
nunmehr dem Plenum vorliegenden Fassung nie beschäf-
tigen können. Der federführende Rechtsausschuss hat die
letzten Änderungen erst als Tischvorlage unmittelbar vor
der abschließenden Sitzung am 23. Januar 2002 erhalten,
sodass eine Rückkopplung mit den Fraktionen praktisch
ausgeschlossen war.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Nachhaltige Was-
serwirtschaft in Deutschland (Tagesordnungs-
punkt 22)
Ursula Burchardt (SPD): Ein hartnäckiges Gerücht
besagt, dass nach Strom, Gas, Telekommunikation bald
auch die Marktöffnung bei der Wasserversorgung anstehe.
Um es gleich zu Beginn klar und deutlich zu sagen: Die-
ses Gerücht entbehrt jeder Grundlage! Eine Liberalisie-
rung der deutschen Wasserwirtschaft wird es mit dieser
Koalition nicht geben!
Wasser ist für uns kein Wirtschaftsgut wie jedes andere,
sondern ein Erbe, das einen nachhaltigen, das heißt: spar-
samen, pfleglichen und vorsorgenden Umgang verlangt,
gerade auch im Hinblick auf kommende Generationen.
Eine Wasserwirtschaft, die das Attribut „nachhaltig“
verdient, muss hohe Trinkwasserqualität gewährleisten,
flächendeckende Versorgung sicherstellen und sie muss
wirtschaftlich effizient und international wettbewerbs-
fähig sein.
Natürlich geht es bei der Wasserversorgung auch ums
Geschäft. Die Weltbank schätzt den Investitionsbedarf bis
Ende des Jahrzehnts auf mehrere 100 Milliarden Euro
weltweit. Bislang teilen sich dieses Geschäft einige we-
nige Großversorger aus Frankreich und England, RWE
und Eon schließen auf.
Aber das ist beileibe nicht d i e deutsche Wasserwirt-
schaft. Die besteht vielmehr aus einer enormen Fülle von
Unternehmen: Ver- und Entsorgern, Anlagenbauern, Zu-
lieferern, Ingenieurbüros und anderen Dienstleistern und
natürlich einer Vielzahl von kommunalen Betrieben. De-
ren Spitzen-Know-how und spezifische Erfahrungen im
Management dezentraler, föderal organisierter Versor-
gungsstrukturen sind ein Wettbewerbsvorteil, der bislang
noch viel zu wenig zur Geltung kommt.
Die Unternehmen der deutschen Wasserwirtschaft ga-
rantieren seit Jahrzehnten eine konkurrenzlos gute Was-
serqualität und sichere Versorgung zu angemessenen Prei-
sen. Das muss hier ausdrücklich festgestellt werden.
Gleichwohl sehen wir auch in der heimischen Versorgung
noch Spielräume für mehr Wirtschaftlichkeit und Effizi-
enz. Das alles aber bedeutet nicht, dass man das Kind mit
dem Bade ausschütten sollte. Modernisierung braucht
keine Liberalisierung!
Mit unserem Antrag liefern wir das Handlungskonzept,
wie die deutsche Wasserwirtschaft national und internatio-
nal besser aufzustellen ist, ohne bewährte Strukturen zu
zerstören. Dieser Antrag ist das Ergebnis eines fast zwei-
jährigen Beratungsprozesses. Die SPD-Bundestagsfraktion
hat einen intensiven und kontinuierlichen Dialog mit den
unterschiedlichen Akteuren geführt. Wir haben eine Kon-
ferenz mit über 250 Fachleuten organisiert. Wir haben mit
Ländern und Kommunalvertretern, Verbänden, Umwelt-
gruppen und Unternehmen diskutiert. Und wir haben – in
enger Abstimmung mit unseren Kollegen im Europäischen
Parlament – direkte Gespräche mit den EU-Generaldirek-
tionen Wettbewerb, Binnenmarkt und Umwelt geführt.
Unsere Schlussfolgerung: Die deutsche Wasserwirt-
schaft braucht Modernisierung; ein Opfer blindwütiger
Deregulierungsideologie darf sie aber unter keinen Um-
ständen werden!
Wir zeigen in unserem Antrag auf, in wessen Verant-
wortung welche Maßnahmen auf den Weg gebracht wer-
den müssen, um eine nachhaltige Wasserwirtschaft in
Deutschland zu garantieren. Mehr betriebswirtschaftliche
Effizienz zu erreichen ist in erster Linie Sache der Unter-
nehmen selbst. Leistungsvergleiche zwischen den Anbie-
tern – neudeutsch Benchmarking – können dazu beitra-
gen, dass Unternehmen voneinander lernen und dass sich
die effektivsten Verfahren durchsetzen.
Kooperationen zwischen benachbarten Versorgungs-
gebieten können zu erheblichen Synergieeffekten führen.
Das Gleiche gilt für die engere Verzahnung von Ver- und
Entsorgung. Wir regen an, sorgfältig zu prüfen, inwieweit
diese Verzahnung durch einen gemeinsamen ermäßigten
Umsatzsteuersatz für Ver- und Entsorgung vorangebracht
werden kann.
Deutsche Unternehmen müssen mehr Präsenz auf aus-
ländischen Märkten zeigen. Hier kann der Bund helfen.
Exportförderung ist weniger eine Frage des Geldes. Un-
sere Auslandsvertretungen dürfen hier durchaus offensi-
ver werden und auch als Exportagenturen agieren.
Besonders wichtig sind auch in diesem Wirtschafts-
zweig Ausbildung und Qualifikation. Die Ausbildung
muss internationaler werden. Der Technologietransfer
über Köpfe – zum Beispiel durch studentische Aus-
tauschprogramme für Ingenieure – ist ausbaufähig. Mehr
noch als dies ohnehin schon geschieht, sind die Entwick-
lung und der Transfer von Technologien und Lösungs-
strategien zu fördern, die auf die schwierigen Bedin-
gungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zuge-
schnitten sind. Dort liegen die Hauptchancen für die deut-
sche Wasserwirtschaft.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221178
(C)
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(B)
Das sind – in wenigen Stichworten – die entscheiden-
den Fragen, auf die sich die Akteure konzentrieren sollten,
anstatt im Trüben zu fischen und sich über Reißbrett-Ent-
würfe den Kopf zu zerbrechen. Es gibt keinen rationalen
Grund, die Strukturen der deutschen Wasserwirtschaft
– etwa durch eine Änderung des Kartellrechts – in ihren
Grundlagen zu zerschlagen. Der Bundeswirtschaftsminis-
ter hat hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben, um Klar-
heit zu bekommen, was eine Liberalisierung bringen
würde und ob und wie sie zu gestalten wäre.
Es ist sehr zu begrüßen, dass das Ministerium dabei von
Anfang an die offene Diskussion mit der Fachwelt gesucht
und zu einem Dialog mit den Gutachtern eingeladen hat.
Dabei ist sehr deutlich geworden: Die reine akademische
Lehre ordoliberaler Professoren wird der Wirklichkeit
nicht gerecht und hinterlässt mehr Fragen als Antworten.
Unser Fazit aus dem Gutachten: Eine Liberalisierung
der Wasserwirtschaft wäre ein ordnungspolitisches Groß-
experiment mit zweifelhaftem wirtschaftlichen Nutzen
auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Wir setzen auf
Modernisierung, nicht auf Liberalisierung. Nicht Deregu-
lierung ist gefragt, sondern Reregulierung. Und weil die
Wasserver- und -entsorgung ein so sensibler und komple-
xer Bereich ist, der sowohl ökologische wie auch gesund-
heitliche, soziale und wirtschaftliche Fragen berührt, ra-
ten wir dringend, dies zu einem Schwerpunkt der
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu machen.
Marlene Rupprecht (SPD):Wer in den letzten Tagen
die Nachrichten über den Vulkanausbruch in der Republik
Kongo verfolgt hat, dem wurde klar, dass für die betrof-
fenen Menschen die Versorgung mit Trinkwasser das zen-
trale Problem ist. Nun können Sie sagen: Was geht mich
die Wasserversorgung in Afrika an und was hat das mit
dem vorliegenden Antrag zu tun? Lassen Sie mich einfach
einige Zahlen und Fakten in Erinnerung rufen.
97 Prozent der Wasservorräte sind Salzwasser auf die-
sem Planeten. 2 Prozent des Süßwassers ist in Gletschern
und Polarkappen gebunden. Nur 1 Prozent ist verfügbares
Süßwasser. 65 Prozent des globalen Süßwassers werden
für die Landwirtschaft verbraucht. Das Volumen dieses im
hydrologischen Kreislauf verfügbaren Wassers beträgt
rund 500 000 Kubikkilometer. Normalerweise wäre diese
Menge für die gesamte Menschheit ausreichend. Jedoch
ist diese Ressource höchst ungleichmäßig verteilt. 2 Mil-
liarden Menschen, vor allem in Afrika und Nahost, haben
keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Nur rund 5 Pro-
zent der Abwässer werden gereinigt. Etwa 250 Millionen
Menschen erkranken durch verunreinigtes Trinkwasser
und rund 5 Millionen sterben an den Folgen.
Ein Drittel der Weltbevölkerung wird in den nächsten
25 Jahren von ernsthafter Wasserknappheit bedroht sein.
17 Staaten müssen mit absolutem Wassermangel rechnen.
Die nächsten Kriege werden nicht um Gold und Erdöl,
sondern um Trinkwasser geführt werden. Es geht also den
Gruppierungen, die in Deutschland und Europa der Libe-
ralisierung das Wort reden, darum, rechtzeitig Schlüssel-
positionen im globalen und nationalen Wassermarkt zu
besetzen. Hier ist viel Geld zu verdienen.
Ich will an dieser Stelle nicht weiter auf die Wasser-
versorgung aus globaler Sicht eingehen. Dazu haben wir
einen gesonderten Antrag in den Bundestag eingebracht.
Wer sind die großen Befürworter der Liberalisierung
der Trinkwasserversorgung? Es sind häufig Unterneh-
men, die bereits in liberalisierten Bereichen der Daseins-
vorsorge wie Strom, Gas etc. tätig sind. – Sie stellen fest,
dass die treuesten Kunden die Wasserverbraucher sind.
Ihre Überlegung, nun die Wasserversorgung in ihr Ange-
bot aufzunehmen, das sichere ihnen feste Kunden auch für
den Strommarkt, ist betriebswirtschaftlich nachzuvollzie-
hen. Aber ist die Trinkwasserversorgung wirklich nur
unter einem rein betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-
Denken zu beurteilen oder muss vielmehr ein Bewer-
tungsverfahren mit vielen Kriterien angewandt werden?
Wir haben meiner Ansicht nach ökologische und ge-
sundheitliche Aspekte mit der Verpflichtung zum Arten-
schutz und zur Minimierung der Schadstoffe in den Ge-
wässern zu berücksichtigen. Im Übrigen sind wir durch die
EU-Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet, dies bis 2015
umzusetzen. Und wir müssen den sozialen Aspekt, das
heißt Zugang zu Wasser für alle und gerechte Gestaltung
des Wasserpreises bei der Bewertung einfließen lassen.
Wasser- und Abwasserfachleute der Weltbank stellten
nach einer Bereisung im Oktober 1998 fest, dass wir welt-
weit die besten Trinkwassernormen und Qualitäten vor-
zuweisen hätten. Sie bemängelten aber unsere Preise. Lo-
gisch ist es also, Bereiche mit Reformbedarf neu zu
strukturieren und nicht die Bereiche abzubauen, in denen
wir weltweit im Wettbewerb führend sind. Kollegin
Burchardt zeigte Ihnen bereits die Handlungsfelder auf, in
denen wir Politiker und die deutsche Wasserwirtschaft
tätig werden müssen. Ich brauche dies deshalb nicht zu
wiederholen.
Es ist Wachsamkeit auf nationaler und europäischer
Ebene angesagt. Der Erfindungsreichtum, das Herzstück
kommunaler Daseinsvorsorge, die Trinkwasserversor-
gung zu liberalisieren, ist nicht zu unterschätzen. Zurzeit
wird ein Konzessionsmodell wie in Frankreich favori-
siert. Vordergründig bleibt hier die Versorgungshoheit bei
der Kommune, in Wirklichkeit haben etwa drei große Un-
ternehmen, die auch weltweit agieren, den Markt fest in
der Hand. So stellen sich Bürgerinnen und Bürger demo-
kratische Teilhabe nicht vor.
Da der Mensch ohne sauberes Trinkwasser nicht leben
kann, darf Wasser nicht zum handelbaren Gut werden.
Max Straubinger (CDU/CSU): Wasser ist und bleibt
Lebensmittel Nummer 1 und bedarf daher besonderer
Vorsorgemaßnahmen hinsichtlich der Trinkwasserqualität
sowie des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung.
Die deutsche Wasserversorgung nimmt bekannter-
maßen weltweit eine Spitzenstellung ein, was an der bis-
lang hohen Versorgungssicherheit, an der Zahl von Was-
serschutzgebieten, der hervorragenden Qualität sowie der
ökologischen Wasserversorgung abzulesen ist.
Das Ziel einer verantwortungsvollen Politik ist es, dass
eine bestmögliche Wasserqualität zu kostendeckenden,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21179
(C)
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(B)
aber sozial verträglichen Preisen erreicht wird – und das
nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch im ländli-
chen Raum. Bayern nimmt dabei mit rund zwei Drittel des
gewonnenen Wassers, das ohne jede Aufbereitung und
Desinfektion an den Verbraucher abgegeben werden
kann, und einem bundesweit unschlagbaren Wasserpreis
eine herausragende Rolle ein.
Nun gibt es seit einiger Zeit seitens der EU Bestrebun-
gen, den Wassermarkt zu liberalisieren. Die Diskussion
darüber hat jedoch sowohl Bürger als auch Gemeinden
verunsichert. Darüber hinaus lähmt sie notwendige Inves-
titions- und Organisationsentscheidungen der Wasserver-
sorgungsunternehmen.
Auf Drängen der CDU/CSU-Europagruppe, der CSU-
Landesgruppe und der Bayerischen Staatsregierung konn-
ten die zunächst sehr weit reichenden Liberalisierungs-
forderungen entschärft werden. Denn in seinem
Entschließungsantrag vom 13. November 2001 hat das
Europäische Parlament die Mitgliedstaaten der EU nun
lediglich aufgefordert, einerseits „... zu prüfen, ob die Öff-
nung der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung
für private Unternehmen zu einer Verbesserung der Ar-
beitsweise dieser Einrichtungen beitragen würde“, ande-
rerseits wirtschaftliche Gesichtspunkte zu fördern und zu
prüfen, ob die schon bestehenden Privatisierungen bereits
zu einer Verbesserung der Arbeitsweise der betreffenden
Einrichtungen der Wasserwirtschaft beigetragen haben.
Die Bundesregierung hatte die Anregungen zur Libe-
ralisierung durch Bundeswirtschaftsminister Müller auf-
gegriffen und ein Gutachten in Auftrag gegeben, das prü-
fen sollte, wie der deutsche Wassermarkt liberalisiert
werden könnte. Darin wurden die Streichung des Ge-
bietsmonopols, die Abschaffung der Konzessionsabgaben
sowie flankierende Maßnahmen zur Herstellung eines
freien Marktes, zum Beispiel durch einen Zwang zur öf-
fentlichen Ausschreibung von Wasserversorgungsdienst-
leistern, als mögliche Maßnahmen genannt.
Angesichts des erreichten hohen Standards der Was-
serwirtschaft in Deutschland und des angestrebten euro-
päischen Gleichschritts gibt es allerdings nach Meinung
der Union keine Notwendigkeit, hierzulande besonders
übereifrig zu agieren. Das von der Bundesregierung in
Auftrag gegebene Gutachten berücksichtigt überdies
nicht hinreichend die Sorgen um unser Trinkwasser, ins-
besondere hinsichtlich seiner Qualität, was aus den zahl-
reichen Stellungnahmen der Länderarbeitsgemeinschaft
Wasser, der Umwelt- und Fachverbände und vieler Bür-
ger hervorgeht.
Zudem ist noch unklar, ob und wie weit das
Bundeswirtschaftsministerium künftig die Liberalisie-
rungsideen im Wassermarkt weiter verfolgt. Es scheint
– das zeigt auch der vorliegende Antrag von SPD- und
Bündnis 90/Die Grünen-Abgeordneten „Nachhaltige Was-
serwirtschaft in Deutschland“ –, dass sich auch im Regie-
rungslager ein deutlicher Widerstand gegen allzu weit rei-
chende Liberalisierungstendenzen auf diesem Gebiet
regt. Zumindest für die laufende Legislaturperiode sind
vorerst keine weiteren Schritte zu erwarten.
Eine verstärkte Konkurrenz durch die im Gutachten
geforderte Öffnung der bislang geschlossenen Versor-
gungsgebiete über Durchleitungsrechte, Stichleitungen
und Fremdeinspeisungen in Leitungsnetze sowie die
Pflicht zur Ausschreibung der Versorgungsaufgabe in ab-
gegrenzten Gebieten ist mit Blick auf die berechtigten
Sorgen um die Trinkwasserqualität abzulehnen. Ich for-
dere die Bundesregierung zu einem klaren Bekenntnis für
die kommunale Trägerschaft der Wasserversorgung unter
Beibehaltung des bestehenden Kartellrechts sowie zur
entschiedenen und sofortigen Aufgabe ihrer zögerlichen
Haltung auf, um die Verunsicherung in der Bevölkerung
schnell zu beenden.
Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang eine Aus-
höhlung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der
Gemeinden zu befürchten. Ein vollständiger und endgül-
tiger Rückzug der Gemeinde aus der kommunalen
Pflichtaufgabe „Wasserversorgung“ ist mit uns nicht er-
reichbar. Das heißt, eine völlige Öffnung des Marktes
kann angesichts der Bedeutung, gerade in gesundheitli-
cher Hinsicht, nicht das Ziel einer vernünftigen Politik
sein. Hingegen unterstützt die Union sinnvolle Privatisie-
rungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet, wie sie unter an-
derem in Bayern, Hessen und Westfalen im Hinblick auf
die Ausnutzung von Synergieeffekten genutzt werden.
In Bayern nehmen in diesem Zusammenhang zahlrei-
che Wasserversorger an einem bayernweiten Unterneh-
mensvergleich mit Kennzahlensystem und Benchmarking
teil und zeigen damit, dass sie keinen Vergleich zu
scheuen brauchen und alle Möglichkeiten zur Effizienz-
steigerung nutzen.
Unter den eben genannten sinnvollen Kooperations-
möglichkeiten verstehe ich die Zusammenarbeit mit pri-
vaten Partnern nur dann, wenn diese fachkundig, leis-
tungsfähig und vertrauenswürdig sind. Eine sorgfältige
Vertragsgestaltung ist dabei unabdingbar. Die Entschei-
dung darüber – das möchte ich an dieser Stelle noch ein-
mal ausdrücklich betonen – soll allein bei den Kommunen
bzw. den betroffenen Bürgern bleiben.
Die Gefahren bei einer grundlegenden Änderung der
bestehenden Situation in Richtung Liberalisierung liegen
auf der Hand. Ich will an dieser Stelle schlagwortartig die
wesentlichen Gefahren und Risiken nennen: die bereits
angesprochene Schwächung der kommunalen Selbstver-
waltung, die Verringerung des Einflusses der Bürger und
der Gemeinden auf „ihre“ Wasserversorgung, die Er-
höhung des staatlichen Regulierungsbedarfes und damit
des Verwaltungsaufwandes, der Rückgang ortsnaher
Versorgungen und Schwächung des Regionalitätsprinzips
und schließlich technische und rechtliche Probleme in den
Leitungsnetzen bei Mitbenutzung und Durchleitung
durch Dritte.
Darüber hinaus haben die Erfahrungen im europä-
ischen Ausland, gerade in Frankreich und Großbritannien,
gezeigt, dass der Zwang zur Ausschreibung aus Versor-
gungsmonopolen Konzernmonopole und daher keinerlei
Preisstabilität mit sich brachte sowie zu Qualitätsminde-
rung und Verlust des ökologischen Standards geführt hat.
Es ist auch keine wesentliche Kostensenkung durch pri-
vate Anbieter zu erwarten, da der Wasserpreis einen ho-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221180
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hen Fixkostenanteil enthält. Von daher ist zu befürchten,
dass nach kurzer Zeit die Preise sogar steigen werden.
Insgesamt wäre mit der Liberalisierung die Zerschla-
gung einer grundsätzlich bewährten Struktur – wenn es
nach dem von Bundeswirtschaftsminister Müller in Auf-
trag gegebenen Gutachten geht – zwangsläufig über kurz
oder lang zu befürchten gewesen. Die freie Wahl der Un-
ternehmensform durch die demokratisch gewählten Ver-
treter der Kommunen ist der richtige Weg. Deshalb wen-
den wir uns gegen jegliche Liberalisierungsbestrebungen
auf dem Wassermarkt. Wir begrüßen und unterstützen
aber die Modernisierungsschritte der Kommunen, damit
eine hochwertige Trinkwasserversorgung mit günstigen
Wasserpreisen dauerhaft zur Verfügung steht.
Der vorliegende Antrag von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen weist in die richtige Richtung. Es bleibt zu hoffen,
dass die darin enthaltenen Forderungen und die Hinweise
auf die genannten Gefahren einer Liberalisierung auch im
Bundeswirtschaftsministerium nachhaltig ernst genom-
men werden.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
„Panta rhei“ sprach Heraklit und meinte damit mehr die
Änderlichkeit der Zeitläufte als die deutsche Wasserwirt-
schaft. Aber auch dort ist – nicht nur buchstäblich – alles
im Fließen. Selbst die gewachsenen, bewährten Struktu-
ren kommunaler Verantwortung werden immer stärker in-
frage gestellt: kein bedeutender Wasserkongress in den
letzten Jahren ohne eine breite Diskussion über Privati-
sierung und Liberalisierung.
Ursächlich dafür ist die Globalisierung der Wasseröko-
nomien dieser Welt. Kapital sucht Beschäftigung und
möchte rentabel wirtschaften. So fiel der Blick der Unter-
nehmensstrategen – vor allem der Energiekonzerne – vor
Jahren auf die Trinkwasserversorger. Einige wie der
RWE-Vorstandsvorsitzende Dietmar Kuhnt sprechen ge-
radezu vom „Öl des 21. Jahrhunderts mit zuverlässig sta-
bilen und hohen Erträgen“. Zeitgleich sorgte die Globali-
sierung dafür, dass sich die deutsche Wasserwirtschaft
mittlerweile einem internationalen Wettbewerb stellen
muss: konkret in Europa bereits mit Unternehmen aus
Frankreich oder England, deren Märkte entweder voll li-
beralisiert oder privatisiert sind.
Aber nebenbei: Was ist das für eine Liberalisierung, die
den Markteintritt deutscher Unternehmen in den französi-
schen Markt verhindert? Und was bleibt vom Entmonopo-
lisierungsargument der Liberalisierer, wenn aus öffentlich-
rechtlichen Monopolen private werden? Aber: Wasser ist
anders. Es ist nicht nur Handelsgut, es ist vor allem ein es-
senzielles Grundnahrungsmittel und als Grund- und Ober-
flächenwasser gar die Lebensgrundlage schlechthin. Was-
ser ist nicht gleich Strom oder Telekommunikation. Es ist
nicht unbegrenzt misch- und haltbar. Wir wollen nicht die
chemisch aufbereitete Einheitsbrühe, sondern frisches, le-
bendiges Trinkwasser, möglichst regional gefördert und
vermarktet. Wir wollen nicht in die Hochzeit der Wasser-
chlorierung der 60er- und 70er-Jahre zurück.
Wettbewerb um das Wasser und seine Kunden wird im-
mer zulasten der Verbraucher, der Umwelt und langfristig
auch der Trinkwasserqualität gehen. Gewachsene und be-
währte Strukturen unserer Versorgung wären gefährdet.
Wir schließen uns daher den Beschlüssen der Umwelt-
und Innenministerkonferenzen der Bundesländer an, De-
regulierung und Liberalisierung der Wasserwirtschaft zu
unterbinden und den kartellrechtlichen Ausnahmetatbe-
stand für Wasser auch weiterhin zu erhalten.
Es geht uns also darum, die von Habermas als „Groß-
metapher“ bezeichnete Globalisierung für alle deutlich
sichtbar in seine alltäglichen Folgen für Verbraucher und
Umwelt zu zerlegen: steigende Preise, sinkende Qualität
und geringerer Schutz von Umwelt und Natur. Wir haben
nicht vor, rauhen Putz in der Idylle zu machen. Vielmehr
gilt: Die Idylle der deutschen Wasserwirtschaft besteht
doch schon längst nicht mehr. Andauernd wird sie durch
die Androhung der Liberalisierung des letzten, natürli-
chen Monopols unserer Volkswirtschaft bedroht. Dies
lähmt Politik und Unternehmen gleichermaßen. Dabei hat
selbst das vom Wirtschaftsminister in Auftrag gegebene,
so genannte „Ewers-Gutachten“ mehr Argumente gegen
als für den hemmungslosen Wettbewerb um das Trink-
wasser geliefert.
Auch beim so genannten „Langen-Bericht“ des Euro-
päischen Parlaments wurde nach dem ersten – liberalisie-
rungsfreundlichen – Entwurf kräftig zurückgerudert. Hier
zog Vernunft ein: Das Europäische Parlament stellt heute
fest, dass eine vollständige Liberalisierung keine ange-
messene Perspektive für die Daseinsvorsorge ist. Es er-
kennt an, dass die Liberalisierung auch gravierende, ne-
gative Auswirkungen für Verbraucher und Umwelt haben
kann.
Wir brauchen deshalb – das ist das Ziel unseres An-
trags – ein starkes Signal in Richtung einer nachhaltigen
Wasserwirtschaft. Dieses zukunftsfähige Leitbild umfasst
erstens eine vorsorgende Gewässerschutzpolitik. Zu
Recht hat gerade Ihr ehemaliger Umweltminister Klaus
Töpfer die Einführung des Vorsorgeprinzips als „Königs-
weg der Umweltpolitik“ gefeiert. Doch wer sollte bei ei-
nem grenzenlosen Wettbewerb noch auf Gemeinnutz und
Umweltschutz achten?
Zweitens brauchen wir auch weiterhin sozialverträgli-
che Gebühren und Tarife und drittens wollen wir eine sta-
bile und leistungsfähige Wasserwirtschaft: Wir wollen
den Zusammenschluss von Wasser- und Abwasserbetrie-
ben sowie die Schaffung größerer, auch international
handlungsfähiger Betriebseinheiten fördern. Wir wollen
eine Modernisierung der Wasserwirtschaft durch mehr re-
gionale Kooperation.
Doch wäre das alles nichts – würden wir nicht den Ge-
bietsschutz für die Wasserversorgung beibehalten. Das
unverantwortliche Gerede von der Liberalisierung muss
ein Ende haben.
Walter Hirche (FDP): Versorgungsmonopole bedür-
fen einer besonderen Rechtfertigung. Wettbewerbliche
Strukturen sind in aller Regel geeigneter und verbrau-
cherfreundlicher. Diese beiden Feststellungen finden so
allgemein breite Zustimmung. Auch der vorliegende An-
trag der Regierungsfraktionen benennt diesen Gedanken
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21181
(C)
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als Ausgangspunkt, allerdings nur, um für den Bereich der
Wasserversorgung seine Geltung zu verneinen.
Unbestritten ist: Wasser ist ein besonderes Lebensmit-
tel. Wir sind uns deshalb auch in der Aufgabe einig: Die
Versorgung mit Wasser bestmöglicher Qualität, verbun-
den mit der Beachtung aller Umweltschutz-Notwendig-
keiten, ist ein Bereich der Daseinsvorsorge und damit ein
Bereich, auf den der Staat besonderes Augenmerk richten
muss. Das ist aber noch lange kein Argument für die Auf-
rechterhaltung kommunaler Monopole. Genau darauf
aber setzt der Antrag der Regierungsfraktionen. Diese
durchsichtige Absicht ist zugleich seine fundamentale
Schwäche. Denn mit einem solchen Ansatzpunkt könnte
man auch die Versorgung mit Brot zum kommunalen Mo-
nopol machen!
Monopole dieser Art sind der Traum kommunaler
Kämmerer, denn sie eröffnen die Möglichkeit für Quer-
subventionen. Auf diese Weise die Kommunalfinanzen zu
stützen ist aber der falsche Weg. Der richtige Weg ist eine
bessere Wirtschafts- und Finanzpolitik, die zu weniger
Arbeitslosigkeit führt und damit die kommunale Finanz-
lage bessert.
Es geht um eine sichere Wasserversorgung, verbunden
mit der Sicherung der Qualität des Lebensmittels Wasser
und der Aufrechterhaltung von Zielen des Umwelt- und
Gewässerschutzes. Gleichzeitig geht es aber auch darum,
die Möglichkeiten zu nutzen, auch in diesem Bereich den
Wettbewerb zu stärken und damit zu Kostensenkungen
für den Verbraucher ohne Qualitätsverlust zu kommen.
Es kommt nicht darauf an, dass der Staat diese Aufgabe
selbst durchführt, es kommt darauf an, dass er klare Re-
geln setzt und für deren Einhaltung sorgt. Die Qualitäts-
kontrolle ist Aufgabe des Staates. Die Bereitstellung und
Organisation dagegen ist bei Qualitätssicherung ebenso
gut privat organisierbar – das beweisen unsere Nachbar-
staaten. Allerdings ist dazu eines dringend notwendig:
Wir brauchen die steuerliche Gleichbehandlung von
Kommunalen und Privaten – im Bereich der Wasserver-
sorgung ebenso wie bei der Abwasserentsorgung.
Wir stimmen der in dem Antrag vertretenen Auffas-
sung zu, dass es erheblichen Modernisierungsbedarf in
der Wasserwirtschaft gibt und dass die Potenziale, um zu
mehr Effizienz im Sinne einer optimalen betriebswirt-
schaftlichen Bereitstellung bester Wasserqualität zu kom-
men, genutzt werden müssen.
Wir stellen aber fest, dass die Maßnahmen, die die Re-
gierungskoalition hierzu vorschlägt, allzu sehr von dem
Gedanken dominiert sind, den Kommunen dieses Aufga-
benfeld als Monopol zu sichern. Das ist sachwidrig. Dem
können wir nicht zustimmen.
Eva Bulling-Schröter (PDS): Es wurde Zeit, dass die
Zukunft der deutschen Wasserwirtschaft endlich in die-
sem Hause debattiert wird. Schließlich gibt es nun schon
seit mehreren Jahren eine heftige Diskussion über diese
Kernaufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge.
Angestoßen wurde sie von den radikal marktwirt-
schaftlichen Vertretern des SPD-geführten Bundeswirt-
schaftsministeriums. Was diese auf zahlreichen Konfe-
renzen – sekundiert von einigen Verbandsvertretern und
Wissenschaftlern – zu verkünden hatten, ließ Umweltver-
bänden, Gewerkschaftern und Wasserwerkern die Haare
zu Berge stehen.
Der Affront war so groß, dass sich schon früh ein Netz-
werk „Unser Wasser“ bildete, um unermüdlich Lobby-
arbeit für den Erhalt einer bewährten Wasserversorgung
zu betreiben. Wie auch der Koalitionsantrag feststellt,
zeichnet sie seit Jahren flächendeckend eine hohe Versor-
gungssicherheit und eine hohe Trinkwasserqualität aus,
die jedem internationalen Vergleich standhält. Und dies
auch im Hinblick auf das Preisniveau.
Dieser Standard drohte nun auf dem Altar der neoli-
beralen Marktradikalen geopfert zu werden. Der § 103
GWB (alt) sollte fallen. Die Ausnahmen im Wettbe-
werbsrecht zugunsten geschlossener Versorgungsgebiete
wären damit hinfällig.
Da sich die PDS in diesem Netzwerk engagiert hat, bin
ich vor diesem Hintergrund in weiten Teilen über den Ko-
alitionsantrag erfreut. Scheinbar haben sich hier aus-
nahmsweise Umwelt- und Kommunalpolitiker sowie Ge-
werkschafter durchgesetzt.
Der Antrag erkennt an, dass ein Wettbewerb im Markt
keinesfalls günstigere Preise für die Bürgerinnen und Bür-
ger bringen würde. Schließlich ging es den Befürwortern
ja nur um das Herausbrechen von Großabnehmern durch
Großkonzerne zulasten der Allgemeinheit und er stellt
sich hinter das Gutachten des Umweltbundesamtes, wel-
ches die großen Risiken einer Liberalisierung des Was-
sermarktes für Verbraucher und Umwelt nachweist.
Eine Konzession an das BMWi ist sicher die Neuauflage
der alten Forderung nach umsatzsteuerlicher Gleichstel-
lung der Wasser- mit der Abwasserversorgung. Mir leuch-
tet in diesem Zusammenhang nicht ein, warum Bürgerin-
nen und Bürger für eine hoheitliche Aufgabe Umsatzsteuer
zahlen sollen. Schließlich gelten Kommunen und nicht die
Bürgerinnen und Bürger in diesem Fall als letzte Kunden –
eine nachvollziehbare Logik, die kommunale Selbstver-
waltung und Daseinsvorsorge auch steuerlich reflektiert
und nicht als Wirtschaftsunternehmen betrachtet.
Bei 7 Prozent würden sich Bund und Länder übrigens
langfristig selber ins Knie schießen, jedenfalls für alle
Neuinvestitionen. Das Stichwort 16 Prozent Vorsteuer-
abzug soll hier genügen.
Die Forderungen zur Förderung der Wettbewerbsfähig-
keit im internationalen Bereich sehen wir ähnlich skep-
tisch. Profitieren werden hier Eon, RWE und Co, nicht der
kleine bayerische Wasserverband. Die großen Player sollen
ihre Expansionen aber gefälligst selber bezahlen. Sie strei-
chen ja nachher auch die Kohle ein. Schon jetzt verdienen
sie im Wasserbereich unverschämt viel. Nach RWE-Schät-
zungen wird das Wassergeschäft im Geschäftsjahr
2001/2002 nur einen Umsatzanteil von 3 Prozent haben,
aber mit 20 Prozent zum Betriebsergebnis beitragen.
Ich finde, angesichts solcher Zahlen sollte sich auch je-
des Kommunalparlament dreimal überlegen, ob es seine
Wassersparte wirklich in private Hände legt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221182
(C)
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Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Übergangsregelung für das neue Füh-
rerscheinrecht (Tagesordnungspunkt 23)
Rita Streb-Hesse (SPD): Als der Euro in diesen Ta-
gen in die Geldbörsen der Bürger kam, steckte dort schon
der europäische Führerschein.
Bereits im April 1991 wurde eine gemeinsame Führer-
scheinrichtlinie für die Europäische Union beschlossen
und ihre Umsetzung in nationales Recht bis 1996 verein-
bart. Die Einführung der international üblichen Führer-
scheinklassen hatte für die Bundesrepublik zur Folge,
dass die PKW-Fahrerlaubnis nun nicht mehr zum Führen
eines Fahrzeugs bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von
7,5 Tonnen, sondern nur noch bis 3,5 Tonnen berechtigt.
Die möglichen Folgen für gemeinnützige Organisation
wie Feuerwehr und Rettungsdienste, aber auch für kleinere
Unternehmen wurden mit der Veröffentlichung bekannt
und bei der Erarbeitung der neuen Verordnung bedacht. Im
August 1998 wurde die neue Fahrerlaubnisverordnung ver-
öffentlicht; sie trat am 1. Januar 1999 in Kraft.
Schon der lange Übergangszeitraum von sieben Jahren
ermöglichte allen Beteiligten, sich auf die neuen Regelun-
gen einzustellen. Ein Blick in den Verordnungstext zeigt
außerdem, dass sich die fachlich Verantwortlichen um eine
weitestgehende Besitzstandswahrung und eine Begren-
zung zukünftig entstehender Kosten bemüht haben. So ist
es weiterhin möglich, mit einem bis zum 31. Dezember
1998 erworbenen Führerschein der Klasse 3 Fahrzeuge bis
zu 7,5 Tonnen zu führen. Mit Blick auf den „Nachwuchs“
wurde diese Erlaubnis auch den Führerscheinbewerbern
erteilt, die nach In-Kraft-Treten der Verordnung bis zum
1. Juli 1999 ihre Prüfung ablegten. Um auch zukünftig das
Fahren von Fahrzeugen zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Ton-
nen unter zumutbaren Bedingungen zu sichern, wurde eine
spezielle C1-Klasse als „Auffangklasse“ neu eingeführt.
Wir alle wissen, dass notwendige Umstellungen auf-
grund gesetzlicher Veränderungen und Verordnungen
„vor Ort“ nicht immer gleich Akzeptanz finden. Und so
erstaunt es nicht, dass diese Thematik im Spätsommer
1999 von Abgeordneten aufgegriffen wurde: vom Kolle-
gen Meister, CDU, in der Fragestunde am 2. September
1999, mit einer Kleinen Anfrage der FDP und mit Schrei-
ben weiterer Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktio-
nen. Die Antworten des Ministeriums haben uns allen den
Sachverhalt nochmals nachvollziehbar und überzeugend
dargestellt.
Weder ist das von Kolleginnen und Kollegen präferierte
österreichische Modell des „Feuerwehrführerscheins“ kos-
tengünstiger noch sind weiter reichende Erleichterungen
bei Ausbildung und Prüfung aus Gründen der Verkehrs-
sicherheit vertretbar.
Diesen Sachverhalt negierend forderte die FDP-Frak-
tion im Dezember 1999 mit einem Antrag zusätzliche
Ausnahmeregelungen. Ein Jahr nach In-Kraft-Treten der
Verordnung wurden damit in unverantwortbarer Weise
bei den Betroffenen Hoffnungen und Illusionen geweckt
bzw. unterstützt. Der Hinweis auf angeblich nicht tragbare
Kosten für Gemeinden und mittelständische Wirtschaft
erstaunt umso mehr, da die FDP damit ein Ergebnis ihrer
eigenen Regierungsarbeit als unzulänglich und kosten-
steigernd bewertet.
Ein erneuter Vorstoß der Bundesregierung in Brüssel,
weiter gehende nationale Ausnahmeregelungen für Feuer-
wehr, technische Hilfsdienste und Rettungsdienste zu er-
reichen, wurde als „nicht mit dem Gemeinschaftsrecht
vereinbar“ im September 2000 abschlägig beschieden.
Damit war klar, dass die Forderungen nicht umsetzbar
sind. Trotzdem bestand die FDP in den zuständigen Aus-
schüssen auf einer Abstimmung. Aber auch die anderen
Oppositionsfraktionen votierten verwirrend und keines-
falls sachbezogen.
Für eine nochmalige Veränderung besteht weder die
sachliche Notwendigkeit noch die rechtliche Möglichkeit.
Die seit dem 1. Januar 1999 geltende neue Fahrerlaubnis-
verordnung berücksichtigt die besonderen Interessen der
Kommunen und betroffenen Organisationen sowie der
Wirtschaft. Nicht nur die hohe Nachfrage nach dem EU-
Führerschein beweist die mittlerweile breite Akzeptanz.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Mehr
als 20 000 Feuerwehr-, Rettungs- und Krankenwagen sind
bei den Organisationen der Rettungsdienste, technischen
Hilfsdienste und Feuerwehren zugelassen, deren ehren-
amtliche Fahrer zukünftig einen teuren LKW-Führer-
schein machen müssen, um die Einsatzfahrzeuge über-
haupt bewegen zu dürfen. Diese zusätzliche Ausgabe
kostet Geld, das die betroffenen Gebietskörperschaften
oder Organisationen nicht haben.
Wir halten es in diesen Fällen für vertretbar, das Füh-
rerscheinrecht mit einer Ausnahmeregelung auszustatten,
nach der auch Inhaber des Führerscheins der Klasse B für
die Dauer der ehrenamtlichen Tätigkeit die Erlaubnis er-
halten, die betroffenen Einsatzfahrzeuge bis zu 7,5 Ton-
nen zu führen. Die Sicherheit dieser Maßnahmen wird da-
durch gewährleistet, dass die Fahrer ohnehin eine
Einweisung in das Fahrzeug erhalten, sodass Bedenken in
diesen Fällen nicht begründet sein müssen.
Seit dem 1. Januar 1999 wird auch in der Bundesrepu-
blik Deutschland die international übliche Einteilung der
Fahrerlaubnisklassen nach der EU-Führerscheinrichtlinie
praktiziert. Die Grenze zwischen PKW und LKW liegt
damit jetzt bei 3,5 Tonnen Gesamtgewicht und nicht mehr
– wie bisher – bei 7,5 Tonnen. Dafür gibt es nun die neue
Führerscheinklasse C 1. Wer also ein Fahrzeug mit einem
Gesamtgewicht zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen fahren will,
muss seit 1. Januar 1999 auch eine Fahrerlaubnis C 1 er-
werben. Das schafft Probleme in jenen Bereichen, in de-
nen vor allem junge Menschen in für die gesamte
Gemeinschaft wichtigen Hilfsdiensten, Katastrophen-
schutzeinrichtungen und Wohltätigkeitsorganisationen,
zum Beispiel den Feuerwehren, ehrenamtlich Dienst tun.
Dort sollen sie mit vorhandenen LKWs bis zu 7,5 Tonnen
fahren, was seit 1999 eben einen eigenen Führerschein er-
fordert. Einen solchen brauchen sie in aller Regel nicht im
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21183
(C)
(D)
(A)
(B)
privaten Bereich, sodass sie meistens nicht bereit sind, die
Kosten für diese zusätzliche Prüfung zu tragen.
Aber auch die Hilfsorganisationen haben keine gefüll-
ten Kassen, aus denen sie die Kosten für eine solche Prü-
fung ersetzen könnten. Da aber das Engagement vor allem
auch jüngerer Menschen für diese Art Gemeinwohl
höchst wünschenswert, ja unverzichtbar ist, ist es not-
wendig, einen gangbaren Ausweg aus dieser Misere zu
schaffen. Förderung des Ehrenamtes, ja, Aufgabe der Si-
cherheit, nein.
Da die Richtlinie keine Ausnahmen vorsieht, benötigen
die Fahrerinnen und Fahrer in solchen Organisationen eine
besondere Erlaubnis, das EU-Recht macht nationales
Recht möglich. Da die rot-grüne Bundesregierung nein
dazu sagt, obwohl in Österreich mit dem so genannten
„Feuerwehrführerschein“ Sonderregelungen möglich sind,
bleibt uns eigentlich nur noch der Weg, in den betroffenen
Diensten selbst eine Möglichkeit zum Erwerb der Führer-
scheinklasse C 1 zu schaffen. Die Tatsache, dass die Füh-
rerscheinrichtlinie selbst keine Ausnahmen vorsieht, sollte
aber die Bundesregierung nicht davon abhalten, neue
Wege zur Führerscheinerwerbung bei gemeinnützigen
Organisationen zu prüfen und zu beschreiten.
Bedenkenswert sind die Herausforderungen, die durch
die Neuregelung bei kleineren und mittleren Firmen ent-
stehen. Auch dort kann es durch die jetzt zusätzlich anfal-
lenden Kosten für die Ablegung einer Prüfung der Füh-
rerscheinkategorie C 1 zu ernst zu nehmenden, neuen
Belastungen kommen, zumal es viele Betriebe gibt, die
speziell LKWs zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen einsetzen,
besonders im Handwerk.
Auch der Bereich der Landwirtschaft ist betroffen.
Dort sind allein 675 000 Traktoren vorhanden, die künf-
tig mit neuen Führerscheinen der Klassen T und L gefah-
ren werden müssen. Damit kommt es zu Kostenmehrun-
gen, die von den Betrieben nicht einfach weggesteckt
werden können.
Für uns als Union hat die Verkehrssicherheit einen
hohen Stellenwert. Doch wo Sonderregelungen ohne Si-
cherheitsverluste möglich sind, sollte man sie praktizieren.
Kleinlastwagenfahrer sind keine besondere Risikogruppe,
laut Unfallstatistik. Deshalb gilt es, wie in Österreich, Aus-
nahmen zu genehmigen. Diese Empfehlung geht auch an
die Bundesländer. Wenn es um den Führerscheinerwerb
mit 16,5 oder 17 geht, sind sie auch nicht so pingelig. Sie-
ben Länder wollen einen Modellversuch, obwohl es bei
jungen Fahrern überdurchschnittlich häufig kracht. Impo-
niergehabe, Alkohol oder die falsche Einschätzung der Ge-
schwindigkeit lassen die Unfallraten von Führerschein-
neulingen nach oben schnellen – mit schweren, zu häufig
tödlichen Folgen. Daher ist grundsätzlich jede Überlegung
begrüßenswert, die zu höherer Verkehrssicherheit in dieser
Altersgruppe führen könnte.
Ich frage Sie aber: Hilft es, wenn 17-Jährige – zwar un-
ter Bedingungen und nur mit Begleitung, schon ans Lenk-
rad dürfen? Zwar wirken gestandene Beifahrer mäßigend
auf stürmische Neulinge, die ihren Praxistest nicht nur in
der Theorie oder klammheimlich machen. Auch gute Er-
fahrungen in vielen Ländern Europas und den USA spre-
chen dafür. Doch es gibt berechtigte Einwände. Etwa den,
dass sich kaum kontrollieren lässt, ob ein Jugendlicher
tatsächlich die mit der Fahrerlaubnis verbundenen Aufla-
gen einhält. Und: Ein noch so erfahrener Begleiter kann
nun einmal kein Fahrlehrer sein. Weder ist er so gründlich
geschult wie ein Fachmann, noch besitzt er dessen tech-
nische Möglichkeiten. Dem Beifahrer fehlt die Bremse,
wenn ein Autounfall droht – das Risiko auf der Straße
würde somit noch steigen. Außerdem wird der Kampf ge-
gen den Alkohol am Steuer nicht dadurch zu gewinnen
sein, dass der Führerscheinerwerb vorgezogen wird. Jede
Art von Selbstversuch auf einem Platz der Verkehrswacht
ist daher für alle Beteiligten gefahrloser als auf den viel
befahrenen Bundesstraßen und Autobahnen.
Auch wenn in Schweden Unfälle junger Fahrer deut-
lich durch das Beifahrer-System gesenkt wurden: Hier in
Deutschland, im verkehrsreichsten Land Europas, sind
die Bedingungen für Jungfahrer völlig anders. Bei dieser
Risikogruppe gelten andere Gesetze. Die von uns einge-
brachte und über drei Jahre praktizierte Schutzengelkam-
pagne war ein richtiger Weg. Bedauerlich, dass Bodewig
ihn ausbremste. Trotzdem werden wir uns nicht entmuti-
gen lassen, weiter für mehr Sicherheit im Straßenverkehr
zu sorgen.
Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Mit der zweiten Führerscheinrichtlinie der EG
vom 29. Juli 1991 wird die Grenze zwischen PKW- und
LKW-Klasse europaweit bei 3,5 Tonnen festgesetzt. Seit
1. Januar 1999 ist sie in nationales Recht umgesetzt. Die
FDP will mit ihrem Antrag eine Ausnahmeregelung für
bestimmte Personengruppen erreichen, die dann auch mit
dem PKW-Führerschein B Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen fah-
ren dürften. Gedacht ist an die Personen der Rettungs- und
Hilfsdienste und kleiner mittelständischer Unternehmen.
Die Realisierung des FDP-Antrags wäre ein klarer Ver-
stoß gegen EU-Recht und damit rechtswidrig.
Aber auch inhaltlich ist der Antrag nicht überzeugend.
Denn die neue Regelung ist ein großes Stück mehr Ver-
kehrssicherheit. Das Führen von größeren Fahrzeugen
– gerade im Einsatz zur Rettung von Leben, zum Löschen
von Bränden, in Katastrophensituationen – erfordert
enorme Fähigkeiten der helfenden Fahrzeugführer. Sie
sind einer besonderen Stresssituation ausgesetzt und dür-
fen bei aller Hektik nie die Übersicht und die Kontrolle
über das Fahrzeug verlieren. Das hat auch die EU-Führer-
scheinrichtlinie vom 29. Juli 1991 im Sinn, wenn sie die
Grenze zwischen der PKW-Klasse und der LKW-Klasse
bei 3,5 Tonnen festsetzt. Denn mit der Größe des Fahrzeu-
ges steigen die Anforderungen der Fahrzeuglenker an Um-
sichtigkeit, Reaktionsvermögen und fahrerischem Kön-
nen. Das kann nicht ernsthaft bestritten werden.
Bei der Richtlinie von 1991 geht es um ein Stück Ver-
kehrssicherheit bei einem immer höher werdenden Ver-
kehrsaufkommen. Wer große Kraftfahrzeuge von über
3,5 Tonnen fahren will, muss besondere Fähigkeiten
nachweisen. Dies ist sinnvoll und wird von Ihnen, ver-
ehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ja auch
nicht bestritten.
Warum denn aber Ihre Forderung nach Ausnahmen
von dieser Regelung? „Das Rettungswesen und die Hilfs-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221184
(C)
(D)
(A)
(B)
dienste in Deutschland werden durch die neue Führer-
scheinregelung behindert, belastet oder gar in ihrem Be-
stand gefährdet“, behaupten Sie in dem letzten Satz Ihres
Antrags.
Sie fordern eine Ausnahmeregelung, damit „... neu dort
tätiges Personal für die Dauer der Tätigkeit die Erlaubnis
erhält, die betroffenen Fahrzeuge auch mit einem Führer-
schein der Klasse B führen zu dürfen“. Für neu dort täti-
ges Personal eben deshalb, weil für Inhaber von älteren
deutschen Fahrerlaubnissen der Klasse 3 auch unter eu-
ropäischem Recht gilt, dass sie, die in der Vergangenheit
ja schon Erfahrungen mit dem Führen größerer Fahrzeuge
bis 7,5 Tonnen erworben haben, dies auch weiterhin tun
dürfen. Sonderrechte also nur für unerfahrene Fahr-
zeuglenker? Doch wohl lieber nicht.
„Für die Dauer der Tätigkeit“ bedeutet auch: Sie ver-
langen allen Ernstes, dass Personen während ihrer zeiti-
gen Tätigkeit unter den oben erwähnten Stressanforde-
rungen, die ein Einsatz im Ernstfall mit sich bringt,
größere Fahrzeuge lenken dürfen als außerhalb ihres
Dienstes, und dies dann auch noch unter Inan-
spruchnahme der Sonderrechte nach der StVO, nach dem
Motto: Morgens mit Blaulicht und Vollgas auf dem
7,5-Tonner durch die Innenstadt, abends muss der Umzug
mit dem Kleinbus unternommen werden.
Außerdem ist nicht zu vermitteln, wieso an einen Ret-
tungsfahrer, der Sonderrechte in Anspruch nehmen darf,
geringere Anforderungen zu stellen sind als an einen
Brummifahrer, der mit langer Erfahrung Güter transpor-
tiert. Sie sehen, Ihr Antrag ist in sich widersprüchlich. Der
Hinweis auf das in seinem Bestand angeblich gefährdete
Rettungswesen vermag diesen Widerspruch nicht auf-
zulösen.
Die EU-Richtlinie datiert vom 24. September 1991.
Alle Beteiligten, auch die kleinste freiwillige Feuerwehr,
konnten sich lange Zeit auf die Veränderung einstellen.
Auch mutet Ihre persönliche Besorgnis etwas merkwür-
dig an, weil die Umsetzung der Richtlinie durch die Fahr-
erlaubnisverordnung vom 18. August 1998 bekanntlich in
Ihre Regierungszeit fällt. Offenbar haben Sie damals die
Problemlage noch etwas realer gesehen.
Den Rettungsdiensten hohen Dank für ihren selbstlo-
sen Einsatz beim „löschen – retten – bergen“ – aber mit
Sicherheit!
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das neue EU-
Führerscheinrecht ist insgesamt ein gelungener Wurf, ein
Schritt auf dem Weg zu verbessertem praktischen Zusam-
menleben in der ganzen Europäischen Union. Wir haben
es vor dem Regierungswechsel noch selbst beschlossen
und stehen auch dazu. Aber wenn sich im Laufe der Zeit
zeigt, dass im Detail die eine oder andere Bestimmung
verbesserungswürdig ist, verstecken wir uns nicht, son-
dern sagen, dann ändern wir eben jenes Detail. Das ist ein
ganz normaler Vorgang, über den wir eigentlich gar nicht
zu streiten bräuchten. Ich wundere mich schon, dass wir
hier keinen Konsens erzielen. Wenn Sie sich die Mühe ge-
macht hätten, die – sicher auch in Ihren Wahlkreisen –
aufkeimenden Besorgnisse anzuhören, würden Sie viel-
leicht nicht so rigoros auftreten.
Worum geht es denn? Früher konnten mit dem PKW-
Führerschein Klasse 3 Fahrzeuge bis zu 7,5 Tonnen gefah-
ren werden, sodass beispielsweise ein junger Zivildienst-
leistender mit seinem Führerschein die Krankenwagen
oder Feuerwehrfahrzeuge fahren durfte. Nach neuem
Recht haben Hilfsdienste, Feuerwehren, kleinste Firmen
und Landwirtschaft das Problem, von ihren jungen Fah-
rern nicht nur den PKW-Führerschein Klasse B (neu),
sondern auch den LKW-Führerschein Klasse C (neu) ver-
langen zu müssen. Sonst bleiben die Krankenwagen näm-
lich in der Garage.
Welcher junge Mensch macht schon automatisch den
LKW-Führerschein gleich mit dem für PKW zusammen?
Kaum jemand, sodass auf die genannten Organisationen
deutliche Mehrkosten und organisatorische Probleme zu-
kommen. Soll der Zivildienstleistende die Hälfte seiner
Dienstzeit erst einmal mit Fahrschulung zubringen, oder
soll er das – auf Kosten der Organisationen und von ihnen
organisiert – vorher erledigen? Den Zusagen für eine Zi-
vildienststelle folgt dann gleich die Einteilung in eine
Fahrschule – oder wie hat man sich das vorzustellen?
Wird das dann auf die spätere Dienstzeit angerechnet?
Das Ganze ist ein fantastisches Feld für neue Verwal-
tungsvorschriften und neue Stellen. Und die Kosten? Eine
Sanitätsstation in einer mittleren Stadt soll pro Jahr zwei
bis drei LKW-Führerscheine bezahlen? Das ist doch alles
völliger Unsinn und wäre durch eine kleine Änderung so-
fort aus der Welt zu schaffen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern: Hilfsdienste,
Feuerwehren, kleinste Firmen und Landwirtschaft sind in
diesem Lande ja nicht gerade privilegiert, obwohl in
Sonntagsreden deren wichtige Rolle für das Funktionie-
ren unseres Gemeinwesens ständig über den grünen Klee
gelobt wird. Hier hätten wir die Chance, wirklich etwas zu
tun, was den Betroffenen sehr unter den Nägeln brennt,
wie unsere Gespräche mit ihnen gezeigt haben.
Die aufgezeigten Probleme haben auch nichts mit Par-
teizugehörigkeit zu tun. Es geht uns auf fachpolitischer
Ebene einfach alle an.
Für uns ist eine solche Änderung keine große Sache,
hat aber für die Betroffenen eine enorme Bedeutung. Ich
bitte Sie daher, unserem Antrag im Interesse der konkret
Betroffenen zuzustimmen.
Dr. Winfried Wolf (PDS): Bei diesem Tagesordnungs-
punkt und dem zur Debatte stehenden FDP-Antrag wurde
offensichtlich das Gewissen der Abgeordneten einem
ernsthaften Test unterworfen. Von einer Fraktionsdiszi-
plin ist hier jedenfalls bei CDU/CSU und bei meiner Par-
tei, der PDS, wenig zu erkennen.
Im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union stimmten am 5. Juli 2000 nur CDU/CSU und FDP
gemeinsam für den FDP-Antrag, während die PDS sich im
Lager der neinsagenden Regierungsparteien vereinte.
Im Innenausschuss ergab sich am 7. Februar 2001 dann
eine wieder andere Konstellation: SPD und Bündnis 90/
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21185
(C)
(D)
(A)
(B)
Die Grünen gelang es, die CDU/CSU zum Neinsagen zu
gewinnen, während PDS und FDPeine gemeinsame Front
bildeten.
Die Odyssee des FDP-Antrags, der am 15. Dezember
1999 erstmals als Drucksache des Bundestages höhere
Weihen erfuhr, nähert sich nach 25 Monaten offensicht-
lich dem sicheren Hafen der Entscheidung. Bleibt die
spannende Frage: Wie wird die Abstimmung in dieser
zweiten und dritten Lesung ausfallen? Gibt es weitere
Möglichkeiten der parlamentarischen Frontbildung und
Bündnispolitik?
Nach erneuter eingehender Prüfung erklärt sich jeden-
falls die PDS nun endgültig für den FDP-Antrag – und da-
mit für die Beseitigung unbilliger Härten für Feuerwehr
und andere Hilfsdienste, primär von Organisationen ohne
Erwerbscharakter.
Wir gehen im Übrigen davon aus, dass sich Menschen
mit und ohne Führerschein für den demokratischen So-
zialismus entscheiden können und sollten – bei den Feu-
erwehren, die ohnehin mit der Farbe rot identifiziert wer-
den, und anderswo.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Aufhebung der Sanktionen gegen den
Irak (Tagesordnungspunkt 24)
Christoph Moosbauer (SPD): Wir haben den uns
heute vorliegenden Antrag zur Aufhebung der Sanktionen
gegen den Irak im vergangenen Jahr hier im Plenum
behandelt – wenn ich mich recht erinnere, sogar auf den
Tag genau vor einem Jahr. Seitdem hat sich die interna-
tionale Situation, vor allem auch in Bezug auf den Irak,
fundamental geändert. Dazu werde ich noch einiges sa-
gen. Einige Argumente sind aber die gleichen geblieben.
Damit werde ich beginnen.
Ich habe große Sympathie für die Grundanliegen des
Antrages. Es ist unbestreitbar, dass die humanitäre Situa-
tion im Irak heute dramatisch schlechter ist als vor zehn
Jahren. Und es ist unbestreitbar, dass die Sanktionen der
internationalen Gemeinschaft nicht das erreicht haben,
was sie wollten: nämlich die Erzwingung der irakischen
Kooperation bei der Identifizierung und Unschädlichma-
chung des irakischen Massenvernichtungspotenzials. Wie
im Antrag richtig steht, haben die wirtschaftlichen Sank-
tionen Saddam Husseins innenpolitische Stellung eher
noch gefestigt, indem seine Propaganda für die katastro-
phalen Auswirkungen seiner brutalen Politik den Feind
von außen verantwortlich machen kann. Von Saddam
Hussein erwartet man das ja nicht anders; von der PDS
hätte ich mir das aber schon differenzierter gewünscht.
Da liegt nämlich der Haken in Ihrem Antrag: Er ver-
wechselt Ursache und Wirkung. Wir müssen zunächst ein-
mal feststellen, dass Lebensmittel und Medikamente vom
Sanktionsregime ausdrücklich ausgenommen worden
sind. Saddam Hussein verweigert sie seinem Volk aber.
Die finanziellen Mittel, die aus dem „Food for Oil“-Pro-
gramm kommen, liegen auf einem Bankkonto und werden
von der irakischen Regierung nicht für die Versorgung der
Bevölkerung genutzt. Im Irak müsste niemand hungern,
wenn Saddam Hussein das nicht wollte.
Es hat ja im letzten Jahr im Sicherheitsrat die Debatte
über die so genannten „smart sanctions“ gegeben. Und es
wird sie wieder geben, wenn die Verlängerung des Sank-
tionsregimes wieder auf der Tagesordnung des Sicher-
heitsrates steht. Saddam Hussein hat schon im letzten Jahr
klar gemacht, dass er auch im Falle einer Lockerung der
wirtschaftlichen Sanktionen keinesfalls bereit sei, den
Vereinten Nationen entgegenzukommen. Das müssen wir
in der heutigen Debatte schon auch berücksichtigen.
Sie müssen in so einen Antrag schon auch klar hinein-
schreiben, wie es denn zu den Sanktionen kam. Das war
ja kein spontaner Einfall der westlichen Staatengemein-
schaft, sondern des Sicherheitsrates der Vereinten Natio-
nen, nach dem Sie ja sonst auch bei jeder Gelegenheit
schreien, und zwar als Reaktion auf den Überfall und die
Zerstörung Kuwaits: nachdem der Irak israelische Städte
mit Raketen beschossen hat; nachdem der Irak sämtliche
kuwaitischen Ölfelder in Brand gesteckt und damit eine
der größten Umweltkatastrophen zu verantworten hat. Es
gab also durchaus Gründe für die Sanktionen, so ist es ja
nicht. Und im Übrigen wären die Sanktionen schon längst
weg, wenn Saddam Hussein mit den Vereinten Nationen
kooperiert hätte, wie es der Beschluss des UN-Sicher-
heitsrates vorsieht. Da liegt meines Erachtens der ent-
scheidende Fehler des Antrags und das hätten Sie berück-
sichtigen sollen:
Das Problem des irakischen Volkes sind nicht die Ver-
einten Nationen, das Problem des irakischen Volkes heißt
Saddam Hussein. Ich finde es schon bezeichnend, dass
dieser Name kein einziges Mal in Ihrem Antrag vor-
kommt. Wenn wir über eine Lösung der Krise in und um
den Irak sprechen, dann müssen wir das mit dem Appell
an Saddam Hussein verbinden, endlich mit den Vereinten
Nationen zu kooperieren: Nur so kann dauerhaft eine Ent-
wicklungsperspektive für das irakische Volk erreicht wer-
den! Wir wissen natürlich, dass ein solcher Appell nur
eine recht bescheidene Wirkung in Bagdad zeitigen wird.
Aber ich erwarte schon, dass wir hier im Deutschen Bun-
destag Ross und Reiter nennen!
Aber auch mir ist natürlich klar, dass das Sanktionsre-
gime modifiziert werden muss, da mit einer Kooperation
seitens des Iraks im vollen Umfang nicht zu rechnen ist.
Sie wissen, dass auch ich dafür bin, die wirtschaftlichen
Sanktionen von den militärischen Sanktionen abzukop-
peln. Das kann in einem schrittweisen Prozess erfolgen,
vergleichbar mit dem, was Sie unter Punkt 5 bei der Re-
duzierung der Reparationszahlungen fordern. Jeder
Schritt zu mehr Kooperation wird belohnt mit einem Ent-
gegenkommen der internationalen Gemeinschaft. Nur,
auch hier gilt: Saddam Hussein muss sich zunächst einmal
grundsätzlich kooperationsbereit zeigen, dann kann der
erste Schritt seitens der internationalen Gemeinschaft ge-
macht werden. Ein solcher erster Schritt des Iraks könnte
etwa die Freilassung der im Golfkrieg verschleppten ku-
waitischen Staatsbürger sein. Hunderte davon werden im-
mer noch vermisst, ihre Familien haben keine Nachricht
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221186
(C)
(D)
(A)
(B)
über ihren Verbleib oder ihren Gesundheitszustand. Der
Irak zeigt sich hier nicht einmal in Ansätzen kooperativ
bei der Aufklärung dieser Schicksale – von der Weigerung
der irakischen Staatsführung, mit UNMOVIC zusammen-
zuarbeiten, ganz zu schweigen.
Wenn wir also über eine Modifizierung des Sanktions-
regimes sprechen, müssen wir von einem Prozess spre-
chen, an dessen Ende die Aufhebung der wirtschaftlichen
Sanktionen steht, nicht an dessen Anfang. Ich bin sehr
dafür, das abgestimmt mit unseren europäischen Partnern
zu machen.
Noch ein Wort zum Zeitpunkt. Ich weiß ja, dass der An-
trag schon lange in den Gremien hängt und es außerdem
fast nie einen günstigen Zeitpunkt gibt, einen solchen An-
trag zu behandeln. Aber wir alle wissen um die Diskus-
sion, dass der Irak relativ hoch oben auf der Liste mögli-
cher Ziele im Antiterrorkampf der USA steht. Bitte
verstehen sie mich nicht falsch: Ich bin absolut dagegen,
gegen den Irak militärisch vorzugehen. Aber jede Ent-
scheidung, die irgendwie missverstanden werden kann
und entweder den Irak ermutigt, ein wenig frecher zu
werden oder in den USA den Hang zu einer unilateralen
Haltung in der Irakfrage verstärkt, kann am Ende kontra-
produktiv sein, vor allem auch für die Grundanliegen des
Antrages, die ich, wie schon gesagt, teile.
Aus diesen Gründen – falsche Ursachenanalyse,
falsches Vorgehen und falsche Zeit –: Die SPD bleibt
beim Votum des Auswärtigen Ausschusses und lehnt den
Antrag ab.
Joachim Hörster (CDU/CSU): Schon bei der ersten
Erörterung des PDS-Antrages heute vor genau einem Jahr
habe ich darauf hingewiesen, dass die PDS nach der
Grundstruktur ihres Antrages nicht dem das irakische
Volk gegenwärtig beherrschenden Unrechtsregime, son-
dern vielmehr den Alliierten des Golfkrieges die Schuld
am Elend der irakischen Bevölkerung geben will. Dabei
hat sich seit Stellung des PDS-Antrages nichts daran
geändert, dass das irakische Regime mit brutaler Gewalt,
mit fortdauernden gravierenden Menschenrechtsverlet-
zungen und ohne Rücksichtnahme auf das irakische Volk
seine Macht aufrechterhält. Niemand kann und will be-
streiten, dass das irakische Volk unter dem auch durch das
Embargo verursachten Mangel an Lebensmitteln, Medi-
kamenten und erheblichen Schäden an der Sozialinfra-
struktur leidet. Niemand in diesem Hause will dem iraki-
schen Volk schaden, sondern wir wünschen ganz im
Gegenteil dem irakischen Volk eine Regierung, die sich
für die lebenswichtigen nationalen und internationalen In-
teressen des Irak einsetzt und nicht den eigenen Machter-
halt – mit welchen Mitteln auch immer – zum alleinigen
Maßstab ihres Handelns macht. Wenn es um die Aufhe-
bung der Sanktionen geht, so ist festzuhalten, dass die ge-
genwärtigen Machthaber im Irak eine Bringschuld haben.
Dazu kann ich nur wiederholen, was ich schon vor einem
Jahr ausgeführt habe:
Da ist zunächst einmal die Frage der Rüstungskon-
trolle. Gerade wir Deutschen können aus eigener ge-
schichtlicher Erfahrung bestätigen, wie wichtig und
notwendig es ist, infolge eines Angriffskrieges die
Rüstungsproduktion internationaler Kontrolle zu un-
terwerfen, dabei verlässlich und vertrauenswürdig zu
agieren und so verlorenes Vertrauen in der Nachbar-
schaft wiederherzustellen. Daran hapert es nach wie
vor im Irak. Als Vorsitzender der Parlamentarier-
gruppe für die Beziehungen zu den Arabisch spre-
chenden Ländern des Nahen Ostens kann ich aus zahl-
reichen Gesprächen und Kontakten berichten, dass es
dem Irak noch nicht gelungen ist, Vertrauen bei seinen
Nachbarn wiederzugewinnen. Es sind nicht nur die
Zweifel hinsichtlich ausreichender Kooperation im
Zusammenhang mit Fragen der Rüstungskontrolle
und der Vernichtung von Waffen- und Massenver-
nichtungsarsenalen. Es geht auch um die Vermeidung
des verbalen Radikalismus und des Aufbaus von Be-
drohungsszenarien. Und nicht zuletzt geht es auch um
die Frage, ob der Irak sich glaubhaft darum bemüht,
das Schicksal und den Verbleib von vermissten ku-
waitischen Soldaten und Staatsbürgern – es ist die
Rede von bis zu zweitausend Menschen – aufzu-
klären. Wenn wir darangehen, etwas für die Abschaf-
fung der Sanktionen zu tun, so kann dies nur funktio-
nieren in Übereinstimmung mit dem arabischen
Umfeld. Das Regime in Bagdad wäre zuallererst gut
beraten, vertrauensbildende Maßnahmen im Hinblick
auf seine direkten Nachbarn zu unternehmen.
Durch viele Kontakte zu Repräsentanten der arabi-
schen Welt weiß ich, dass man mit großer Sorge beobach-
tet, dass im Irak die gesamte Versorgung am Boden liegt
und nicht funktioniert, dass neben der flächendeckenden
Verarmung das vollständige Verschwinden des Mittel-
standes ins Auge fällt und dass die Jugend des Landes we-
gen fehlender Bildungsmöglichkeit und der fortdauern-
den Propaganda sich als Sanktionsopfer Nummer eins
begreift und gegenüber der westlichen Welt feindselig
eingestellt ist. Man befürchtet Langzeitwirkungen, die
man möglichst verhindern sollte.
Dennoch ist es schwierig, von den arabischen Ge-
sprächspartnern Ratschläge oder Empfehlungen zu erhal-
ten, wie das Sanktionsregime geändert werden könnte,
um einerseits die Leiden des irakischen Volkes zu min-
dern ohne andererseits das gegenwärtige Regime zu stär-
ken. Dabei spielt eine nicht unerhebliche Rolle, dass der
Irak selbst innerhalb der arabischen Liga nicht bereit war,
die Unverletzlichkeit der kuwaitischen Grenzen anzuer-
kennen und der Sohn Sadam Husseins, der nicht irgend-
wer ist, noch vor weniger als einem halben Jahr eine
Landkarte präsentierte, auf der Kuwait als Teil des Irak
dargestellt wurde.
Auch die arabischen Länder erkennen, dass es äußerst
schwierig ist, mit einem Regime, das zu keinerlei ver-
trauensbildender Kooperation bereit ist, Regelungen zu
finden, die die irakische Bevölkerung in ihren alltäglichen
Grundbedürfnissen nicht tangieren. Zunehmend wird
man aber auch von arabischen Gesprächspartnern nach-
drücklich darauf hingewiesen, dass es in der arabischen
Bevölkerung eine stark wachsende Tendenz gibt, die die
Sanktionen gegen den Irak als ungerecht empfindet.
Bei dieser Bewertung spielen vor allem die Vorgänge
in Palästina und das Verhalten Israels eine zentrale Rolle.
Während man es Israel durchgehen lasse, dass es Resolu-
tionen der Vereinten Nationen schlicht ignoriere und bei
dem Vorgehen gegen Palästina ständig das Völkerrecht
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21187
(C)
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(A)
(B)
verletze, werde die Verletzung von Entscheidungen der
Vereinten Nationen durch den Irak sofort und unnach-
giebig geahndet. Die internationale Gemeinschaft wende
zweierlei Maßstäbe an und billige Arabern weniger
Rechte zu als den Israelis.
Ich brauche nicht zu betonen, dass sich dieses Mei-
nungsbild gerade wegen der Vorgänge der letzten Wochen
in Palästina dramatisch verstärkt hat. Aber selbst wenn,
was wir alle hoffen, der Konflikt zwischen Israel und
Palästina befriedet werden kann, ändert dies unseren deut-
schen Handlungsspielraum gegenüber dem Irak nicht.
Ich wiederhole: Keiner von uns will das irakische Volk
leiden sehen, zumal es kaum eine Chance hat, sich dem
Würgegriff seiner diktatorischen und menschenverach-
tenden Regierung zu entziehen. Solange diese Regierung
aber selbst ihre aus den Petrodollars erwirtschaftete Fi-
nanzkraft nicht ausschließlich für die Bevölkerung ein-
setzt, ist es sehr schwierig, ein anderes Sanktionssystem,
das die Angriffsfähigkeit des Irak gegen andere Staaten in
der Region verhindert, zu finden. Deswegen bedarf es
diplomatischer Bemühungen vieler Seiten, um dem im
Irak herrschenden Regime klar zu machen, dass ihre Pro-
pagandapolitik mit den Leiden des irakischen Volkes
nicht der Weg ist, um das Sanktionsregime zu beenden. Es
muss dieser Regierung klar gemacht werden, dass der ein-
zige Weg darin besteht, die Aggressionsbereitschaft ge-
genüber anderen Staaten in der Region aufzugeben, mi-
litärisch abzurüsten, sich dabei internationaler Kontrolle
zu unterwerfen und auch dem eigenen Volk wieder die
Mindeststandards an Menschenrechten einzuräumen.
Der PDS-Antrag war vor einem Jahr und ist auch heute
in diesem Sinne alles andere als hilfreich und der Aus-
wärtige Ausschuss und die mitberatenden Ausschüsse
empfehlen zu Recht, diesen Antrag abzulehnen. Daher
stimmt meine Fraktion der Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu.
Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
humanitäre Situation im Irak ist katastrophal, die Kinder-
sterblichkeit gestiegen und die Gesundheitsversorgung
schlecht. Mangelhaft ist die Versorgung mit Medikamen-
ten, Elektrizität und Wasser. Weil das Bildungssystem zu-
sammengebrochen ist, steigt das Analphabetentum. Auch
das humanitäre Programm „Nahrungsmittel gegen Öl“
hat die Situation der Bevölkerung nicht verbessert. Sad-
dam Hussein ist innenpolitisch gefestigt aus der Sank-
tionszeit herausgegangen. Die Sanktionen werden schon
seit längerer Zeit von Dritten unterlaufen, hauptsächlich
durch den Ölschmuggel.
Schauen wir uns diese Realität an, so müssen wir ganz
klar sagen: Diese Sanktionen sind gescheitert! Aber,
meine Damen und Herren von der PDS, es ist schlicht ir-
reführend zu behaupten, dass ein Ende des Wirt-
schaftsembargos auch dem Leiden der irakischen Bevöl-
kerung ein Ende machen würde! Die politische Botschaft
auf diese Weise zu vereinfachen ist unredlich!
Warum leidet die Bevölkerung? Die Verantwortung hier-
für ist vor allem Saddam Hussein zur Last zu legen: Er hat
die Mittel, die dem Irak aus dem Programm „Nahrungsmit-
tel gegen Öl“ zur Verfügung stehen, absichtlich nicht aus-
geschöpft. Er hat mögliche Leistungen der irakischen Zivil-
bevölkerung absichtlich nicht zur Verfügung gestellt und
sein eigenes Land bewußt in Geiselhaft genommen.
Das Elend im Irak hat viele Ursachen. Die erste ist der
lange Krieg des Irak gegen den Iran, die zweite der Über-
fall des Irak auf Kuwait und der folgende Golfkrieg und
nicht zuletzt der Mißbrauch und die Folge der Sanktionen.
Lassen Sie uns also nicht vergessen, mit wem wir es
hier zu tun haben: Saddam Hussein ist bestrebt, Massen-
vernichtungswaffen herzustellen, und verweigert die Ko-
operation mit Inspekteuren der Vereinten Nationen. Im
Kampf gegen den Iran und irakische Kurden hat Saddam
Hussein Giftgas eingesetzt und die Meldungen aus der
jüngsten Zeit, dass der Irak in der Lage sei, biologische
und chemische Waffen, wenn nicht sogar Atomraketen zu
produzieren, bestärken mich in der Haltung, dass es drin-
gend nötig ist, den Irak zur Zusammenarbeit mit den Waf-
feninspekteuren zu bewegen.
Deshalb begrüße ich den Vorschlag, der schon seit län-
gerem auch unter Franzosen, Briten und den USA Zu-
stimmung findet, die Sanktionen nicht aufzuheben, son-
dern das Sanktionsregime zu verändern. Was wir
brauchen ist eine Politik des „Alles ist erlaubt bis auf Waf-
fen!“ anstelle des bisherigen „Alles ist verboten bis auf
Nahrungsmittel!“. Leider wird dies frühestens nächsten
Juni möglich werden. Aber immerhin haben es die Mit-
glieder des Sicherheitsrates jetzt geschafft, sich auf dieses
Vorgehen zu einigen.
Der Sicherheitsrat stellt dem Irak die Aufhebung der
Sanktionen in Aussicht, wenn er es endlich zulässt, dass
internationale Inspekteure ungehindert nach Massenver-
nichtungswaffen und Anlagen zu deren Herstellung su-
chen können. Das ist das richtige Signal an den irakischen
Diktator: Wir sind kompromissbereit, aber das Ziel der
Non-Proliferation werden wir nicht aufgeben!
Eine Debatte zum Irak ist derzeit aus doppeltem Grund
wichtig: Einerseits geht es nach wie vor um die Folgen der
Golfkriege, andererseits aber gleichzeitig um den Terro-
rismus und die internationale Allianz zu dessen Bekämp-
fung. Eine erste Frucht der Antiterrorallianz war es, dass
sich die Sicherheitsratsmitglieder nach drei vergeblichen
Anläufen endlich auf einen Fahrplan zur Veränderung des
Sanktionsregimes einigen konnten. Jetzt gilt es, diese
Antiterrorallianz am Leben zu erhalten! Sie durch einen
erneuten Angriff zu gefährden wäre politisch falsch. Des-
halb unterstützen wir die Bundesregierung und unsere eu-
ropäischen Partner bei ihren Bemühungen, die USA da-
von zu überzeugen, dass sie ihre Drohungen gegen den
Irak nicht militärisch umsetzen.
Die Meldungen, die uns in den letzten Wochen und Ta-
gen aus dem oder zum Irak erreicht haben, sind mehr als
beunruhigend. Der Ton wird aggressiver. In den USAmel-
den sich immer mehr Falken zu Wort, die den Irak als
nächstes Ziel der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den
Terrorismus sehen. Erst am Mittwoch hat US-Präsident
Bush eine amerikanische Militäraktion im Irak als Option
bezeichnet. Unterdessen hat Saddam Hussein eine Gene-
ralmobilmachung angeordnet. Und der ägyptische Präsi-
dent Mubarak warnt, dass ein Angriff auf ein arabisches
Land „schreckliche Folgen für die Region“ haben werde.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221188
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Diese Gefahr ist uns allen bewusst. Bereits jetzt ist die
Situation im Nahen Osten angespannt genug und die Bun-
desregierung bemüht sich darum, den israelisch-paläs-
tinensischen Konflikt einzudämmen. Die Auswirkungen
einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Irak
wären unkalkulierbar.
Deswegen kann ich auch nicht dem früheren US-
Außenminister Kissinger zustimmen, der sich am 20. Ja-
nuar in der „Welt am Sonntag“ für ein rasches militäri-
sches Vorgehen gegen den Irak ausgesprochen hat.
Kissingers geopolitischen Gründen werden wir nicht nur
menschenrechtliche und humanitäre Argumente entge-
genhalten, sondern auch politische Argumente, die nicht
nur den Zusammenhalt der Allianz gegen den Terror in
den Vordergrund stellen, sondern auch vor dem Zerfall
Iraks und den Folgen warnen.
Deutsche ABC-Soldaten sind auf dem Weg nach Ku-
wait bzw. bereits vor Ort. Dort werden sie an einer inter-
nationalen Katastrophenschutzübung mehrerer Staaten
teilnehmen. Bei unserer Entscheidung zur Bereitstellung
von deutschen Truppen Ende letzten Jahres war uns klar,
dass im Kampf gegen den Terror die defensiven Fuchs-
Spürpanzer zum Schutz von amerikanischen Einrichtun-
gen von Nutzen sein könnten. Nach Angaben der Bun-
desregierung handelt es sich nur um eine Übung; der
größte Teil der Truppe wird danach wieder nach Deutsch-
land zurückgeholt.
Zurück zu den Sanktionen. Was soll mit Sanktionen er-
reicht werden? Die Sanktionen sind keine Strafe für die
notleidende Bevölkerung. Sie sind die einzige Möglich-
keit, Missbilligung gegen das irakische Verhalten auszu-
drücken und Druck auf das Regime auszuüben. Wo diplo-
matische Vermittlungsbemühungen nicht weiterkommen
und noch keine militärische Gewalt eingesetzt werden
soll, sind Sanktionen das einzige politische Mittel, das die
internationale Staatengemeinschaft in Händen hat. Sie
sendet folgende, faire Botschaft an das irakische Regime:
Lasst internationale Waffeninspekteure in euer Land, und
die Sanktionen werden beendet! Denn die internationale
Gemeinschaft darf eines nicht: das Ziel der Non-Prolife-
ration aufgeben.
Ulrich Irmer (FDP): Mit der Verhängung von Sanktio-
nen soll – wie auch im Falle des Irak – in der Regel zwei-
erlei erreicht werden: Zum einen soll das betroffene Re-
gime oder Land durch wirtschaftlichen und politischen
Druck zu einer Handlung oder Unterlassung veranlasst
werden, zum anderen sind Sanktionen per se aber auch ein
besonders deutliches Symbol der Missbilligung von politi-
schem Fehlverhalten. Mit der Aufhebung von Sanktionen
würde mithin auch anerkannt, dass die Gründe für ihre Ver-
hängung nicht mehr vorliegen. Uns ist noch allen der Eier-
tanz in Erinnerung, den die Europäische Union auch nach
der Vorlage des Gutachtens der drei Weisen bis zur Ausset-
zung der Sanktionen gegen Österreich aufgeführt hat.
Doch wie sieht die Situation im Irak aus? Zehn Jahre
nach der Operation Wüstensturm sitzt Saddam Hussein
fester im Sattel als je zuvor. Und sein Regime meldet sich
auf internationalem Parkett zurück. Auf dem Saddam In-
ternational Aerport landen wieder Linienflugzeuge, Bot-
schaften werden in Bagdad wieder eröffnet und der Irak
ist wieder zum zweitgrößten Erdölexporteur der Welt
avanciert. Statt Medikamente und Nahrungsmittel für sein
darbendes Volk zu besorgen, lässt er lieber 11 Milliarden
Öldollar ungenutzt auf Depotkonten liegen. Nach UNO-
Beobachtungen werden die dank gestiegener Weltmarkt-
preise enormen Einnahmen aus Ölschmuggel für den
Wiederaufbau seiner konventionellen Streitkräfte einge-
setzt. Seine Rüstungsindustrie läuft wieder auf Hochtou-
ren, nachdem er es geschafft hat, die UNO-Inspektoren zu
vergraulen. Die Mittel hierfür besorgt er sich unter Um-
gehung des UN-Ölembargos aus illegalen Ölexporten zu
Dumpingpreisen. Und während seine Ingenieure die Ziel-
genauigkeit seiner Mittelstreckenraketen verbessern, ruft
er die „arabischen Brüder“ zum „Vernichtungsschlag ge-
gen Israel“ auf. Der ehemalige UNSCOM-Chef, Richard
Butler, schätzt, dass Bagdad nunmehr imstande ist, inner-
halb eines Jahres eine Atombombe zu entwickeln. Gleich-
zeitig weigert sich Saddam Hussein weiterhin, die UNO-
Waffeninspektoren ins Land zu lassen.
In jüngster Zeit nutzt Saddam die Krise im Nahost-
Friedensprozess, um sich wieder als panarabischer Führer
zu präsentieren. Während sein Volk hungert und Kranken-
häuser geschlossen werden müssen, ließ Saddam Hussein
über 50 Lastwagen mit 1 600 Tonnen Medikamenten und
Lebensmitteln auf dem Landweg über Jordanien nach
Palästina schaffen. Zehntausende Iraker warten angeblich
darauf, in einem israelisch-palästinensischen Krieg an der
Seite ihrer arabischen Brüder kämpfen zu dürfen. Überdies
kündete er die Bildung einer Kommission an, mit der
100 Millionen Euro an arbeitslose amerikanische Staats-
angehörige verteilt werden sollen. Gleichzeitig führt er
sein Regime nach innen mit einer derart unerbittlichen
Härte, dass sich die UNO-Vollversammlung zur Verab-
schiedung einer Resolution veranlasst sah, die der Regie-
rung von Saddam Hussein „systematische, weitverbreitete
und besonders schwere Verstöße gegen die Menschen-
rechte und internationales humanitäres Recht“ vorwirft.
Wenn es je Anlässe zur Verhängung von Sanktionen
gegeben hat, dann sind sie durch dieses Verhalten des Dik-
tators von Bagdad noch eher verstärkt worden.
Es ist unbestritten, dass die Versorgungslage im Lande
ausgesprochen prekär ist und die Mehrheit der Bevölke-
rung vom Lande katastrophale Lebensverhältnisse erdul-
den muss. Umgekehrt gilt aber auch, dass das „Öl für
Nahrungsmittel“-Abkommen in den letzten Jahren zu
einer deutlich spürbaren Verbesserung der Situation bei-
getragen hat.
Es fragt sich also, was mit der Aufhebung der Sanktio-
nen erreicht werden könnte. Eine erste Maßnahme wäre
doch sicherlich, das Programm „Öl für Nahrungsmittel“
abzustellen mit der Folge, dass Saddam nunmehr freie
Hand hätte, seinem Volk noch weitere Leiden aufzubür-
den. Er könnte dabei überdies noch auf eine Art Quasile-
gitimierung durch die Aufhebung der Sanktionen verwei-
sen. Dass es bereits heute – Sanktionen hin, Sanktionen
her – nur eines Fingerzeiges des Diktators bedürfte, um
die Lebenssituation der Iraker nachhaltig zu entspannen,
ist ebenso klar.
Eine nüchterne Analyse der Lage im Irak kommt daher
zu dem Ergebnis, dass mit der Aufhebung der Sanktionen
die Position des Diktators weiter gestärkt, seinem Volk
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21189
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aber nicht geholfen würde. Im Gegenteil. Es kommt jetzt
darauf an, die Sanktionen zu verschärfen, sie zielgerichte-
ter dort einzusetzen, wo sie unmittelbar die Interessen
Saddam Husseins beeinträchtigen, und ihre Umsetzung
besser zu kontrollieren. Es ist geradezu grotesk, dass die
gleiche PDS-Fraktion, die Saddam Hussein noch vor
kurzem mit einem Antrag des Völkermordes bezichtigt,
nunmehr die Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak
fordert. Aber derartige politische Akrobatik sind wir ja in-
zwischen von den „demokratischen Sozialisten“ gewöhnt.
Anlage 8
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 771. Sitzung am 20. No-
vember 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen:
– Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Pros-
tituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG)
– Gesetz zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher
Vorschriften
– Gesetz zur Neuausrichtung der Bundeswehr (Bundes-
wehrneuausrichtungsgesetz – BwNeuAusrG)
– Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002)
– Gesetz zur Bestimmung der Schwankungsreserve
in der Rentenversicherung der Arbeiter und Ange-
stellten
– Erstes Gesetz zur Änderung des Postumwand-
lungsgesetzes
– Zweites Gesetz zur Änderung des Postgesetzes
– Versorgungsänderungsgesetz 2001
– Gesetz zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsför-
derungsgesetzes (AFBG-ÄndG)
– Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung
– ... Gesetz zur Änderung des Vermögenszuordungs-
gesetzes
– Gesetz zur Änderung des Gesetzes überArbeitneh-
mererfindungen
– Gesetz zur Änderung des Anerkennungs- und Voll-
streckungsausführungsgesetzes
– Gesetz zur Bereinigung des als Bundesrecht fort-
geltenden Rechts der Deutschen Demokratischen
Republik
– Gesetz zu dem Markenrechtsvertrag vom 27. Okto-
ber 1994
– Gesetz zur Umsetzung von Rechtsakten der Europä-
ischen Gemeinschaften auf dem Gebiet der Energie-
einsparung bei Geräten und Kraftfahrzeugen (Ener-
gieverbrauchskennzeichnungsgesetz – EnVKG)
– Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2002 (ERP-Wirt-
schaftsplangesetz 2002)
– Gesetz über die Aufhebung des Gesetzes zur Förde-
rung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau
– Gesetz zu dem Vertrag vom 19. September 2000
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Tschechischen Republik über die Zusammenarbeit
der Polizeibehörden und der Grenzschutzbehörden
in den Grenzgebieten
– Gesetz zu dem Partnerschaftsabkommen vom 23. Juni
2000 zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten
in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen
Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft
und ihren Mitgliedstaaten andererseits (AKP-EG-
Partnerschaftsabkommen)
– Gesetz zu dem Abkommen vom 11. März 1996 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und derDe-
mokratischen Volksrepublik Algerien über die ge-
genseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz
von Kapitalanlagen
– Gesetz zu dem Vertrag vom 7. Februar 2000 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und derDe-
mokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka
über die Förderung und den gegenseitigen Schutz
von Kapitalanlagen
– Gesetz zu dem Vertrag vom 23. Mai 2000 zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Botsuana über die Förderung und den gegenseiti-
gen Schutz von Kapitalanlagen
– ... Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung
– Gesetz zur Reform der Professorenbesoldung (Profes-
sorenbesoldungsreformgesetz – ProfBesReformG)
– Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im
Verwaltungsprozess (RmBereinVpG)
– Gesetz zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuord-
nung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur
Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ (Solidar-
paktfortführungsgesetz – SFG)
Mit der Neufassung des § 1 FAG gemäß Art. 106 Ab-
satz 3 und 4 GG in Verbindung mit § 4 Maßstäbegesetz
wird die Höhe der Umsatzsteueranteile von Bund und
Ländern festgelegt.
Der Bundesrat stellt fest, dass die jeweiligen Rechts-
positionen von Bund und Ländern zur Interpretation
der Bestimmungen zum Familienleistungsausgleich in
Art. 106 Abs. 3 und 4 GG in Verbindung mit § 4 Maß-
stäbegesetz druch § 1 FAG gewahrt bleiben. Auf die
entsprechenden Begründungen im Gesetzentwurf der
Bundesregierung zu einem Maßstäbegesetz (Bundes-
ratsdrucksache 161/01) sowie in der Stellungnahme
des Bundesrates zum Entwurf des Maßstäbegesetzes
(Bundesratsdrucksache 161/01 [Beschluss]) wird Be-
zug genommen. Im Übrigen wird auf Ziffer IV. 3 der
Entschließung des Bundesrates vom 13. Juli 2001
(Bundesratsdrucksache 485/01 [Beschluss]) verwiesen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221190
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Der Bundesrat erwartet, dass der nach § 6 Absatz 3
Sätze 4 und 5 des Gemeindefinanzreformgesetzes bis
einschließlich dem Jahr 2019 um 29 v. H.-Punkte er-
höhte Landesvervielfältiger zur Ermittlung der Gewer-
besteuerumlage bereits im Jahr 2010 von Bund und
Ländern auf seine Angemessenheit überprüft wird. Er
gibt seiner Erwartung Ausdruck, dass das Ergebnis der
Überprüfung zu einer gegebenenfalls erforderlichen
Anpassung des Landesvervielfältigers führt.
– Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terroris-
mus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
Der Bundesrat begrüßt die mit dem Gesetzesbeschluss
zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vor-
gesehenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Sicher-
heitslage in Deutschland.
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von
Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische
Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht.
Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren ge-
kennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität,
Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den An-
schlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logi-
scher und operativer Strukturen.
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss
es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaß-
nahmen entgegenzutreten.
Die nunmehr beschlossenen Gesetzesänderungen stel-
len eine notwendige Reaktion auf die internationalen
Terrorangriffe vom 11. September und die damit ver-
bundenen Angriffe auf die nationale Sicherheitslage in
Deutschland dar.
Die jüngsten terroristischen Anschläge haben gezeigt,
dass eine wirksamere Bekämpfung des Terrorismus ne-
ben geeigneten nationalen Maßnahmen auch eine ver-
stärkte internationale Zusammenarbeit erfordert. Des-
halb ist eine enge Kooperation aller zivilisierten
Staaten und ihrer Sicherheitsbehörden notwendiger
denn je. Dies gilt insbesondere für die Staaten der Eu-
ropäischen Union.
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20.
September 2001 in einer von Deutschland initiierten
Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen um-
fangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismus-
bekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter
anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenz-
kontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in
weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket
decken.
Der Bundesrat begrüßt daher die dort verabschiedeten
Maßnahmen als Ausgangspunkt für eine entschlossene
und wirkungsvolle Bekämpfung des internationalen
Terrorismus.
Ohne die Gesamtheit dieser Maßnahmen aus dem
Auge zu verlieren, sind die nachstehend genannten
Punkte besonders hervorzuheben:
– Billigung der konkreten Modalitäten des europä-
ischen Haftbefehls, der die nationalen Ausliefe-
rungsverfahren ersetzen soll;
– Gemeinsamer Rechtsrahmen für die Terrorismus-
bekämpfung (Definition der terroristischen Straftat-
bestände sowie Strafen);
– Einfrieren von Vermögensgegenständen;
– Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den
operativen Dienststellen, die für die Terrorismus-
bekämpfung zuständig sind: EUROPOL, EURO-
JUST, Nachrichtendienste, Polizeidienste und die
Justizbehörden. Diese Zusammenarbeit soll es ins-
besondere ermöglichen, bis Jahresende eine Liste
der terroristischen Organisationen zu erstellen;
– Stärkung der Sicherheitsmerkmale des gemeinsa-
men Visums;
– Überlegungen, wie das bisherige EU-Recht (bei-
spielsweise zur Asylfrage oder für die Finanzmärkte)
„terrorismus“-sicher gemacht werden kann;
– Wirksamere Bekämpfung der Finanzierung des
Terrorismus durch die förmliche Annahme der
Richtlinie über die Geldwäsche und die beschleu-
nigte Ratifizierung des Übereinkommens der Ver-
einten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung
des Terrorismus durch alle Mitgliedstaaten.
Nur durch eine enge Zusammenarbeit der EU mit den
Mitgliedstaaten kann ein wirksamer Schutz erreicht wer-
den. Nationale Maßnahmen reichen hierfür nicht aus.
– Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuer-
rechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsge-
setz – UntStFG)
1. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,
die mit der Enschließung des Bundesrates vom
30. November 2001 (Drucksache 892/01 [Be-
schluss]) geforderte Überprüfung zügig mit dem
Ziel durchzuführen, umgehend eine neue Rege-
lung außerhalb des Steuerrechts vorzulegen, mit
der die organschaftlichen Regelungen für Versi-
cherungsunternehmen (§ 14 Abs. 3 KStG i.d.F.
des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes) im
Ergebnis entbehrlich werden.
2. Der Bundesrat erwartet, dass dann § 14 Abs. 3
KStG rückwirkend aufgehoben wird.
Die Vorsitzenden des folgenden Ausschusses haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der
nachstehenden Vorlage absieht:
Auswärtiger Ausschuss
– Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver-
sammlung der Westeuropäischen Union/interimistische Eu-
ropäische Versammlung für Sicherheit und Verteidigung
(WEU/iEVSV)
über die Tagungen der Versammlung vom 5. bis 8. Juni
und vom 4. bis 7. Dezember 2000 in Paris – 46. Sitzungs-
periode
– Drucksachen 14/76705, 14/6995 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
mentarischen Versammlung der NATO
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2002 21191
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über die 46. Jahrestagung der Parlamentarischen Ver-
sammlung der NATO vom 17. bis 21. November 2000 in
Berlin
– Drucksachen 14/6932, 14/7119 Nr. 3 –
Innenausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundes-
tag gemäß § 5 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz (BStatG) für
die Jahre 1999 und 2000
– Drucksachen 14/5912, 14/6213 Nr. 1 –
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 17 02 Titel 632 01 –
Aufwendungen für Gräber der Opfer von Krieg und Ge-
waltherrschaft –
– Drucksachen 14/7262, 14/7413 Nr. 7 –
Ausschuss für Tourismus
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über den Verlauf derWeltausstellung EXPO 2000
in Hannover (1. Juni bis 31. Oktober 2000)
– Drucksache 14/5883 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratungabgesehen hat.
Innenausschuss
Drucksache 14/6615 Nr. 2.9
Drucksache 14/6908 Nr. 1.3
Drucksache 14/7000 Nr. 2.16
Drucksache 14/7000 Nr. 2.17
Drucksache 14/7000 Nr. 2.25
Finanzausschuss
Drucksache 14/7000 Nr. 1.15
Drucksache 14/7000 Nr. 1.24
Drucksache 14/7000 Nr. 2.4
Drucksache 14/7000 Nr. 2.13
Drucksache 14/7000 Nr. 2.37
Drucksache 14/7000 Nr. 2.39
Drucksache 14/7000 Nr. 2.41
Drucksache 14/7000 Nr. 2.48
Drucksache 14/7000 Nr. 2.57
Drucksache 14/7197 Nr. 2.12
Drucksache 14/7197 Nr. 2.13
Haushaltsausschuss
Drucksache 14/7409 Nr. 2.25
Ausschuss fürWirtschaft und
Technologie
Drucksache 14/4309 Nr. 1.37
Drucksache 14/7000 Nr. 2.20
Drucksache 14/7409 Nr. 2.6
Drucksache 14/7409 Nr. 2.15
Drucksache 14/7522 Nr. 1.19
Drucksache 14/7522 Nr. 2.5
Drucksache 14/7522 Nr. 2.7
Drucksache 14/7522 Nr. 2.9
Drucksache 14/7522 Nr. 2.11
Drucksache 14/7522 Nr. 2.12
Drucksache 14/7522 Nr. 2.14
Drucksache 14/7522 Nr. 2.16
Drucksache 14/7708 Nr. 2.30
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 14/7129 Nr. 2.19
Drucksache 14/7129 Nr. 2.20
Drucksache 14/7197 Nr. 2.29
Drucksache 14/7409 Nr. 2.26
Drucksache 14/7409 Nr. 2.27
Drucksache 14/7409 Nr. 2.39
Drucksache 14/7522 Nr. 2.3
Drucksache 14/7522 Nr. 2.13
Drucksache 14/7708 Nr. 2.1
Drucksache 14/7708 Nr. 2.36
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Drucksache 14/342 Nr. 2.38
Drucksache 14/1276 Nr. 2.2
Drucksache 14/4170 Nr. 2.27
Drucksache 14/5281 Nr. 1.3
Drucksache 14/5281 Nr. 2.20
Drucksache 14/5730 Nr. 2.14
Drucksache 14/6026 Nr. 1.2
Drucksache 14/6026 Nr. 1.3
Drucksache 14/6026 Nr. 2.4
Drucksache 14/6395 Nr. 2.12
Drucksache 14/6508 Nr. 2.9
Drucksache 14/6908 Nr. 2.3
Drucksache 14/7000 Nr. 1.16
Drucksache 14/7000 Nr. 2.18
Drucksache 14/7522 Nr. 1.2
Drucksache 14/7522 Nr. 2.1
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 14/7129 Nr. 2.6
Drucksache 14/7129 Nr. 2.7
Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Drucksache 14/7129 Nr. 1.2
Drucksache 14/7129 Nr. 2.18
Drucksache 14/7197 Nr. 1.1
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/7197 Nr. 2.6
Drucksache 14/7197 Nr. 2.25
Drucksache 14/7409 Nr. 2.11
Drucksache 14/7409 Nr. 2.12
Drucksache 14/7409 Nr. 2.13
Drucksache 14/7409 Nr. 2.23
Drucksache 14/7409 Nr. 2.29
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/6026 Nr. 2.22
Drucksache 14/6026 Nr. 2.23
Drucksache 14/6508 Nr. 1.1
Drucksache 14/6508 Nr. 2.25
Drucksache 14/7000 Nr. 1.19
Drucksache 14/7000 Nr. 1.26
Drucksache 14/7000 Nr. 2.42
Drucksache 14/7000 Nr. 2.45
Drucksache 14/7000 Nr. 2.46
Drucksache 14/7000 Nr. 2.47
Drucksache 14/7000 Nr. 2.49
Drucksache 14/7000 Nr. 2.53
Drucksache 14/7129 Nr. 2.11
Drucksache 14/7197 Nr. 2.17
Drucksache 14/7129 Nr. 2.44
Drucksache 14/7129 Nr. 2.48
Drucksache 14/7409 Nr. 2.7
Drucksache 14/7409 Nr. 2.14
Drucksache 14/7409 Nr. 2.17
Drucksache 14/7522 Nr. 1.3
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 200221192
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Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin