Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001
        Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
        20784
        (C)(A)
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20785
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        Gila DIE GRÜNEN
        Balt, Monika PDS 14.12.2001
        Baumeister, Brigitte CDU/CSU 14.12.2001
        Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        DIE GRÜNEN
        Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 14.12.2001**
        Dr. Blank, CDU/CSU 14.12.2001**
        Joseph-Theodor
        Bohl, Friedrich CDU/CSU 14.12.2001
        Böttcher, Maritta PDS 14.12.2001
        Bulling-Schröter, Eva PDS 14.12.2001
        Eich, Ludwig SPD 14.12.2001
        Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        Joseph DIE GRÜNEN
        Frankenhauser, CDU/CSU 14.12.2001
        Herbert
        Friedrich (Altenburg), SPD 14.12.2001
        Peter
        Fromme, CDU/CSU 14.12.2001
        Jochen-Konrad
        Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 14.12.2001
        Dr. Gerhardt, FDP 14.12.2001
        Wolfgang
        Glos, Michael CDU/CSU 14.12.2001
        Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 14.12.2001
        Hauer, Nina SPD 14.12.2001
        Hauser (Bonn), CDU/CSU 14.12.2001
        Norbert
        Hempelmann, Rolf SPD 14.12.2001
        Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        DIE GRÜNEN
        Dr. Hoyer, Werner FDP 14.12.2001
        Imhof, Barbara SPD 14.12.2001
        Dr. Jens, Uwe SPD 14.12.2001
        Dr. Kolb, Heinrich L. FDP 14.12.2001
        Kossendey, Thomas CDU/CSU 14.12.2001
        Kraus, Rudolf CDU/CSU 14.12.2001
        Dr. Küster, Uwe SPD 14.12.2001
        Dr. Lamers, (Heidel- CDU/CSU 14.12.2001
        berg), Karl A.
        Dr. Leonhard, Elke SPD 14.12.2001
        Lippmann, Heidi PDS 14.12.2001
        Lörcher, Christa fraktionslos 14.12.2001*
        Lotz, Erika SPD 14.12.2001*
        Maaß, (Wilhelms- CDU/CSU 14.12.2001
        haven), Erich
        Michels, Meinolf CDU/CSU 14.12.2001
        Mosdorf, Siegmar SPD 14.12.2001
        Nahles, Andrea SPD 14.12.2001
        Ost, Friedhelm CDU/CSU 14.12.2001
        Dr. Pfaff, Martin SPD 14.12.2001
        Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 14.12.2001
        Rübenkönig, Gerhard SPD 14.12.2001
        Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        DIE GRÜNEN
        Schenk, Christina PDS 14.12.2001
        Schlee, Dietmar CDU/CSU 14.12.2001
        Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 14.12.2001
        Dr. Schmidt (Weil- SPD 14.12.2001
        burg), Frank
        Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 14.12.2001
        Hans Peter
        Schösser, Fritz SPD 14.12.2001
        Schröder, Gerhard SPD 14.12.2001
        Schur, Gustav-Adolf PDS 14.12.2001
        Schüßler, Gerhard FDP 14.12.2001
        Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 14.12.2001
        Christian
        Siemann, Werner CDU/CSU 14.12.2001
        entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Anlagen zum Stenographischen Bericht
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120786
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Simmert, Christian BÜNDNIS 90/ 14.12.2001
        DIE GRÜNEN
        Stünker, Joachim SPD 14.12.2001
        Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 14.12.2001
        Türk, Jürgen FDP 14.12.2001
        Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 14.12.2001
        Wieczorek-Zeul, SPD 14.12.2001
        Heidemarie
        Wolf, Aribert CDU/CSU 14.12.2001
        * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung des Europarates
        ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
        sammlung der NATO
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        des Abgeordneten Dr. Norbert Lammert (CDU/
        CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines
        Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen
        Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz)
        (Tagesordnungspunkt 21 a)
        In der Schlussabstimmung zum Gesetz zur Bekämp-
        fung des internationalen Terrorismus – Terrorismus-
        bekämpfungsgesetz – enthalte ich mich der Stimme, ob-
        wohl ich die Intention dieses Gesetzespaketes teile, zur
        wirksamen Bekämpfung des Terrorismus vorhandene In-
        strumente zu stärken und neue Aufklärungs- und Sankti-
        onsmöglichkeiten zu schaffen.
        Die ebenso komplexe wie sensible Gesetzgebungs-
        materie ist allerdings in den zwei Tagen, die seit der Vor-
        lage des veränderten Textes in einem völlig unangemes-
        senen Eilverfahren zur Verfügung standen, nicht ernsthaft
        auf die beabsichtigten und die möglichen unbeabsichtig-
        ten Nebenwirkungen zu prüfen. So bleibt nur zu hoffen,
        dass die vorgesehenen Maßnahmen die erklärten Ziele
        und nur diese erreichen: Beurteilen kann ich es nicht.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Sabine Leutheusser-
        Schnarrenberger (FDP) zur Abstimmung über
        den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung
        des internationalen Terrorismus (Terrorismusbe-
        kämpfungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 21a)
        Ich lehne den Gesetzentwurf der Bundesregierung und
        der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur
        Bekämpfung des internationalen Terrorismus – Terroris-
        musbekämpfungsgesetz – ab. Der Gesetzentwurf ist we-
        der rechtspolitisch noch nach dem Verfassungsprinzip der
        Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen.
        Weder sind die meisten Maßnahmen zur Terrorismus-
        bekämpfung geeignet, noch sind sie erforderlich und erst
        recht nicht sind sie verhältnismäßig in Bezug auf die ein-
        schränkenden Auswirkungen auf die Grundrechte der
        Bürgerinnen und Bürger. Den Nachweis der Verhältnis-
        mäßigkeit bleibt das Innenministerium auch weiterhin
        schuldig. Nicht dargelegt wird, warum die bisherigen
        Kompetenzen von Geheimdiensten, BGS, BKA und Län-
        derpolizeien – die in den letzten Jahren schon massiv er-
        weitert wurden – nicht ausreichen sollen.
        Vielmehr ist festzustellen, dass eine Reihe der beab-
        sichtigten Gesetzesänderungen seit Jahren in den Schub-
        laden der Sicherheitsbehörden lagen und nunmehr unter
        dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und der Instru-
        mentalisierung der Ängste der Bevölkerung schnellst-
        möglich, ohne ausführliche, abwägende und das Grund-
        gesetz achtende Diskussion verabschiedet werden sollen.
        In hoch technisierten, demokratischen und offenen Ge-
        sellschaften kann es keine absolute Sicherheit geben,
        ohne dass die in ihr lebenden Bürger als potenzielle
        Verbrecher behandelt und polizeistaatlicher Willkür Tür
        und Tor geöffnet werden.
        Besonders bedenklich sind folgende Punkte:
        Die Vorschläge für das Ausländer- und Asylrecht
        führen zu einer Ausweitung der Ausgrenzung und infor-
        mationellen Sonderbehandlung von Ausländern und de-
        ren Überwachung. Die Daten aus Ausländerausweisen
        dürfen pauschal von öffentlichen Stellen erfasst und wei-
        terverarbeitet werden. Das gesamte Ausweisungsrecht
        wird durch den vorgesehenen Strafvollzug massiv ver-
        schärft. Durch äußerst fragwürdige Verdachtstatbestände
        werden die Einreise – einschließlich des Familiennachzu-
        ges zu Deutschen – erschwert, die Ausweisung erleichtert,
        das Asylrecht verschärft und das Vereinsrecht beschränkt.
        Um dies zu erreichen, müssen Ausländer umfassend
        durch Geheimdienste überwacht werden – ein deutliches
        Zeichen auf dem Weg in den Polizei- und Überwa-
        chungsstaat. Diese Regelungen werden dazu beitragen,
        dass sich das gesellschaftliche Klima gegenüber Nicht-
        deutschen massiv verschärft.
        Die Novellierung des Sicherheitsüberprüfungsgeset-
        zes führt dazu, dass ein unbestimmter, wesentlich größe-
        rer Personenkreis als bisher in das Visier des Ver-
        fassungsschutzes gelangen wird. Zu befürchten ist die
        Vernichtung zahlreicher beruflicher Existenzen durch für
        die Betroffenen faktisch nicht angreifbare arbeits-
        rechtliche Kündigungen. Zudem wirkt die Maßnahme als
        Einstellungs- und Beschäftigungshindernis.
        Die neuen Kompetenzen für die Bundespolizeien und
        die Geheimdienste des Bundes verwischen die grundge-
        setzlich festgeschriebene und historisch wohl begründete
        Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeien. Bank-,
        Post- und Fernmeldegeheimnis werden zur Makulatur.
        Die neuen Kompetenzen für Polizei und Geheimdiens-
        te haben weitreichende Auswirkungen auf das Strafrecht
        sowie das Strafprozessrecht. Ein faires Verfahren, mit
        Waffengleichheit zwischen Angeklagten und Staats-
        anwaltschaft ist nicht mehr gegeben, wenn – wie vorge-
        sehen – verstärkt geheim gesammelte Informationen in
        Strafverfahren als Beweise angenommen werden. Dies
        widerspricht der bundesrepublikanischen Rechtskultur
        zutiefst.
        Noch nie ist ein so umfassendes Gesetzespaket in sol-
        cher Hektik und unter solcher Missachtung der Befug-
        nisse des Parlaments verabschiedetet worden. Noch nie
        wurden die Ergebnisse einer Anhörung so offenkundig
        missachtet.
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Prä-
        implantationsdiagnostikgesetz – PräimpG)
        (Tagesordnungspunkt 24)
        Helga Kühn-Mengel (SPD): Liebe Kolleginnen und
        Kollegen von der FDP. Sie haben hier einen Gesetzesent-
        wurf vorgelegt, der es dem Einzelnen, der Einzelnen er-
        möglichen soll, Präimplantationsdiagnostik in Anspruch
        zu nehmen. Der Gesetzgeber soll sich nach Ihrem Entwurf
        dem, was der Wirtschaft dient, nicht in den Weg stellen,
        das heißt den Kräften des Marktes.
        Bemerkenswert ist, wie wenig Zweifel, wie wenig
        Nachdenklichkeit Sie im Umgang mit diesem Thema zei-
        gen.
        Der Wunsch nach einem eigenen und möglichst gesun-
        den Kind ist nachvollziehbar. Für circa 50 Paare jährlich
        in Deutschland wird der Kinderwunsch zum Problem,
        weil sie wegen genetischer Belastungen mit großer Wahr-
        scheinlichkeit ein erbkrankes Kind bekommen können.
        Ich verstehe die Hoffnung, die mit der Möglichkeit ver-
        bunden ist, in die Natur des Menschen eingreifen zu kön-
        nen. Aber wir müssen diese Hoffnungen gegen die Inte-
        ressen, Rechte und Pflichten aller anderen Menschen
        abwägen. Wir haben nicht nur die rechtliche Dimension
        zu bewerten, sondern auch ethische Fragen, die Auswir-
        kungen auf Frauen und Gesellschaft.
        Wenn Sie sich die Erfolgsrate der PID anschauen, kön-
        nen Sie vielleicht ermessen, welche Belastung dies für die
        betroffenen Frauen bedeutet. Die ESHRE-Studie weist für
        den Zeitraum von 1993 bis 2000 weltweit die Behandlun-
        gen von 886 Frauen aus; diese Behandlungen hatten
        123 Geburten mit 162 Kindern zur Folge. Durchschnitt-
        lich wurden pro Geburt 74 Eizellen befruchtet, 11 Em-
        bryonen übertragen. Bezogen auf die etwa 50 betroffenen
        Paare in Deutschland, von denen einige letztlich auch
        noch andere Alternativen wählen, kämen jährlich zwei bis
        drei Kinder nach PID in unserem Land zur Welt. Die nicht
        einfach abzuwägende Frage lautet: Sollen wir dafür den
        Embryonenschutz aufgeben?
        Zur PID gehört eben nicht nur der Wunsch nach einem
        eigenen Kind, sondern auch die so genannte Verwerfung
        genetisch belasteter Embryonen. Vielleicht ist das der von
        einigen Wissenschaftlern gewünschte Einstieg in die ver-
        brauchende Embryonenforschung.
        Es ist für mich kein Bewertungswiderspruch, dass ein
        Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik zuläs-
        sig ist, die Präimplantationsdiagnostik aber nicht. Zum
        Zeitpunkt der individuellen Entscheidung für die PID be-
        steht keine Schwangerschaft, der Konflikt spielt sich im
        Labor ab, nicht innerhalb der untrennbaren Einheit von
        Mutter und Kind.
        Wir alle wissen: Keine Schwangerschaft kann gegen den
        Willen einer Frau aufrechterhalten werden. Aus frauenpo-
        litischer Sicht ist die Entscheidung Kinder zu bekommen
        oder aber ein Leben ohne Kinder zu führen, eine Frage der
        Wahl. Aber weibliche Selbstbestimmung kann jedenfalls
        nicht auf die freie Wahl zwischen verschiedenen techni-
        schen Optionen reduziert werden. Auch wenn dem Kinder-
        wunsch von Paaren zweifellos eine sehr hohe Priorität bei-
        gemessen werden muss: Gibt es ein Recht auf Erfüllung des
        Kinderwunsches mit medizinisch-technischer Hilfe?
        Was wir angehen sollten, ist die verstärkte Förderung
        von Alternativen zur Präimplantationsdiagnostik für „Ri-
        sikopaare“ wie Pflegeschaft, Adoption. Das Mindeste ist
        eine qualifizierte umfassende Beratung zu Beginn dieser
        schwierigen Entscheidung.
        Neben dem frauenpolitischen Aspekt ist mein zweiter
        Punkt die gesellschaftliche Dynamik, die einer gesetzli-
        chen Öffnung der Präimplantationsdiagnostik folgen
        würde. Das Angebot der Präimplantationsdiagnostik birgt
        die Gefahr einer unrealistischen Erwartungshaltung auf
        ein gesundes Kind und dass der gesellschaftliche Druck
        weiter erhöht wird, die Geburt eines Kindes mit Behinde-
        rung zu verhindern. Für diese gesellschaftlich bedingten
        Probleme scheint Präimplantationsdiagnostik augen-
        scheinlich individuelle Lösungen bereitzustellen.
        Als Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfrak-
        tion ist es mir ein besonderes Anliegen zu hinterfragen:
        Was bedeutet dies alles für Menschen mit Behinderun-
        gen? Die Einzigartigkeit jedes Menschen ist Ausdruck
        seiner Würde. Die Zulassung der PID kann stigmatisie-
        rende, ausgrenzende und diskriminierende Tendenzen in
        der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderungen
        und chronisch Kranken verstärken. Behinderung wird
        dann womöglich nicht mehr als Schicksal betrachtet, son-
        dern als selbst verschuldet verurteilt werden. Dahinter
        steckt natürlich die grundsätzliche Frage, wie unsere Ge-
        sellschaft jetzt und in Zukunft mit Krankheiten und Be-
        hinderungen umgehen will.
        Ist es denn nicht viel wichtiger, dass die Gesellschaft
        lernt, mit Verschiedenheiten und Krankheiten umzuge-
        hen, dass wir das Diskriminierungsverbot unseres Grund-
        gesetzes – Art. 3 Abs. 2 – weiter umsetzen, anstatt Behin-
        derungen als menschenunwürdig einzustufen? Diese
        Überlegungen sollten sich zumindest in einem Gesetzent-
        wurf widerspiegeln.
        Margot von Renesse (SPD): Nachdem ich den Ge-
        setzentwurf der FDP zur Präimplantationsdiagnostik ge-
        lesen habe, habe ich für Vorträge und Podiumsdiskussio-
        nen dankenswerterweise neuen Stoff bekommen: Ich
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20787
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        kann jetzt ein Beispiel dafür zitieren, wie man einen Ge-
        setzentwurf zu diesem Thema auf keinen Fall machen
        darf. Schade nur, dass wir uns im Parlament mit einem
        solch „flachen“ Entwurf auseinander setzen müssen,
        während die Probleme, um die es bei der Präimplantati-
        onsdiagnostik geht, eine sehr viel gründlichere und durch-
        dachtere Auseinandersetzung verdienten.
        Es war der Justizminister von Rheinland-Pfalz, ein
        Mitglied der FDP, von dessen Sachverständigenkommis-
        sion als Erster die Botschaft ausging, dass an der Straf-
        barkeit der Präimplantationsdiagnostik nach geltendem
        Recht Zweifel angebracht sind. Inzwischen hat sich die
        Anzahl der Zweifler erheblich erhöht.
        Die juristische Fachdiskussion über diese Frage hat in-
        zwischen Formen angenommen. Ich selber, die ich noch
        vor einem Jahr fest davon überzeugt war, dass Präimplan-
        tationsdiagnostik strafbar ist, denke inzwischen das Ge-
        genteil. Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von
        der FDP, ignoriert das Problem schlicht und einfach. Wol-
        len Sie denn wirklich, dass die Antwort auf diese Frage
        von der juristischen Fachwelt gegeben wird statt vom
        deutschen Parlament? Hier gehört eine klare gesetzliche
        Regelung her; denn das Thema ist von erheblicher Rele-
        vanz für zentrale Grundrechte unserer Verfassung. – Dies
        ist das erste Defizit Ihres Entwurfs.
        Das zweite, nicht minder erhebliche Defizit liegt darin,
        dass Ihr Gesetzentwurf es tatsächlich fertig bringt, die
        Rechtswidrigkeit einer Handlung daran zu knüpfen, ob
        Vorgaben der Bundesärztekammer eingehalten werden.
        Ich halte es für ausgeschlossen, bei einer strafrechtlichen
        Regelung so vorzugehen. Sie wissen, dass die Bundesärz-
        tekammer als solche gar nicht existiert, sondern als
        privatrechtlicher Verein anzusehen ist. Gerade bei der
        Präimplantationsdiagnostik mit ihrer erheblichen Grund-
        rechtsberührung dürfte eine solche Verweisung auf an-
        dere, nicht demokratisch legitimierte Organisationen der
        Verantwortung des Gesetzgebers nicht entsprechen.
        Zum Dritten ist gerade diese Verweisung besonders
        problematisch. Wie Sie wissen, hat die Bundesärztekam-
        mer für den Bereich der Präimplantationsdiagnostik vor-
        geschlagen, die ausnahmsweise Zulassung dieser Me-
        thode an einen Katalog von schweren Behinderungen zu
        binden. Das kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss
        sein. Ein solcher Katalog, wie wir ihn aus der kaiserlichen
        Viehmängelverordnung zur Mängelrüge im Kaufrecht
        kennen, birgt erhebliche Gefahren, dass Menschen mit
        solchen Behinderungen stigmatisiert werden. Wenn es zu
        einer ausnahmsweisen Zulassung der Präimplantations-
        diagnostik kommt, dann wird man schon andere Wege
        finden müssen, um die Ausnahmen als solche inhaltlich
        und zahlenmäßig zu begrenzen und gleichzeitig alles zu
        vermeiden, was nach einem Unwerturteil über behinder-
        tes Leben aussieht. Das stellt erhebliche Anforderungen
        an den Gesetzgeber, seine Kreativität und seine Sensibi-
        lität. Solange eine solche Regelung noch nicht gefunden
        wurde, kann es nicht zu einer Öffnung des Verbots von
        Präimplantationsdiagnostik kommen.
        Es tut mir aufrichtig Leid, dass die FDPmit ihrem Ge-
        setzentwurf die parlamentarische Debatte eröffnet, der
        dem Thema so wenig gerecht wird. Deshalb fällt es mir
        auch schwer, etwas Inhaltliches zur Sache selbst zu sagen.
        Ich kann es nur andeuten, worum wir zu streiten haben:
        Häufig geäußerte Argumente gegen eine ausnahms-
        weise Zulassung der Präimplantationsdiagnostik beruhen
        zum großen Teil auf Vorurteilen oder Ressentiment. So
        wird behauptet, ein Wertungswiderspruch zwischen der
        Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und dem Verbot
        der PID sei deshalb nicht gegeben, weil der Konflikt der
        Schwangeren ein „gegebener“, der eines Paares vor PID
        ein „gemachter“ sei. Das ist unzutreffend, weil der Kon-
        fliktfall der schwangeren Frau nach PND ebenfalls als
        „gemachter“ angesehen werden muss; denn sie wäre nicht
        in diesem Konflikt, gäbe es nicht die von Ärzten herbei-
        geführten Untersuchungsergebnisse.
        Empirisch durch nichts belegt ist die Befürchtung, die
        Zulassung von PID im Ausnahmefall verschlechtere die
        gesellschaftliche Situation von Menschen mit Behinde-
        rungen. Zum einen ist in den Ländern, die PID erlauben,
        die Situation Behinderter nicht schlechter als andernorts;
        zum anderen hat auch in Deutschland die seit zehn Jahren
        praktisch flächendeckend durchgeführte pränatale Dia-
        gnostik eine solche Verschlechterung nicht bewirkt. Im
        Gegenteil: Die Lage von Menschen mit Behinderungen
        ist heute besser als vor 20 Jahren. Zwar gibt es nach wie
        vor – wie zu allen Zeiten – Nachbarn, Bekannte und Ver-
        wandte, die geschmacklose oder auch gehässige Bemer-
        kungen machen; aber es gibt auch viel Freundlichkeit,
        Warmherzigkeit und Solidarität, die von keinem Gesetz
        befohlen werden kann. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich
        bin selber Großmutter eines schwerbehinderten Kindes.
        Rechtlich ist vieles eher besser geworden.
        Schließlich möchte ich deutlich dem Gerede von den
        kaltherzigen Eltern, verstiegenen Ärzten und manischen
        Wissenschaftlern entgegentreten, die ganz wild darauf
        sind, das unheilbar gesunde Designerbaby zu klonen. PID
        ist aber kein Thema des kalten Kalküls, sondern der
        Angst, der Not und häufig auch der Liebe. Wir reden hier
        von einer Situation, die uns vor die Grenzen des Straf-
        rechts stellt.
        Die Vorstellung, die in einem Gutachten der Lebens-
        hilfe zu lesen ist, die ausnahmsweise Zulassung von
        Präimplantationsdiagnostik würde endgültig die elterli-
        che Liebe aus der Welt schaffen, kann man schon kaum
        mehr nur als übertrieben bezeichnen. Wenn die Menschen
        so wären, wie sie dort gezeichnet werden, dann hilft uns
        auch kein Verbotsgesetz, schon gar nicht das Embryonen-
        schutzgesetz, um das Chaos zu verhindern: dann sind alle
        Dämme schon längst gebrochen. Dann hält aber auch kein
        Gesetz. Dann können wir das Parlament auch zumachen
        und darauf warten, dass die Welt untergeht. Ich aber bin
        dafür, noch ein Apfelbäumchen zu pflanzen.
        Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU): In großer Gemein-
        samkeit haben wir die Enquete-Kommission „Recht und
        Ethik der modernen Medizin“ eingesetzt. Deren Stellung-
        nahme zu dem sensiblen Thema PID ist für Anfang nächs-
        ten Jahres zu erwarten. Die FDP ist an dem Votum der En-
        quete-Kommission anscheinend nicht interessiert. In
        Ihrer Begründung schreiben Sie: „Der Gesetzentwurf
        setzt die Auffassung der Enquete-Kommission um, dass
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120788
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        die PID durch den Gesetzgeber geregelt werden muss.“
        Auf die schriftlichen Ausführungen der Enquete dazu
        wollen Sie aber nicht warten. Auf diese Weise wird aus ei-
        nem schwer wiegenden Thema eine Profilierungsveran-
        staltung der FDP im Bundestag. Das ist diesem Thema in
        keiner Weise angemessen.
        Hinzu kommt, dass Sie mit dieser isolierten Behand-
        lung im Bundestag das Thema aus dem Gesamtzusam-
        menhang der Bio- und Gentechnologie sowie der Fort-
        pflanzungsmedizin reißen.
        Da wir heute über Ihren Gesetzentwurf in erster Le-
        sung debattieren, will ich mich mit Ihrem Vorschlag einer
        Zulassung der PID für genetisch schwer vorbelastete
        Paare mit Kinderwunsch auseinander setzen und auch das
        von Ihnen vorgesehene Verfahren, nämlich die Koppe-
        lung an die Entscheidung einer ärztlichen Ethikkommis-
        sion, in den Blick nehmen.
        Viele – auch in unserer Fraktion – ringen damit: Wie
        kann man Paaren mit Kinderwunsch helfen, die aufgrund
        einer genetischen Veranlagung für eine schwere Erb-
        krankheit oder eine Behinderung Angst haben müssen,
        dass ihr Kind davon betroffen sein könnte? Wer hat nicht
        Verständnis für diesen Wunsch? Kann Präimplantations-
        diagnostik eine Lösung für diese Paare sein?
        Aber dann tauchen sofort auch Zweifel auf: Ist die PID
        eine gesellschaftlich vertretbare, mit unserer Werteord-
        nung und unserem Menschenbild zu vereinbarende Lö-
        sung? Dürfen wir Behinderung selektieren? Ist eine Ein-
        grenzung auf schwere Fälle überhaupt möglich? Wer trifft
        die Entscheidung? Welche Folgen ergeben sich aus einer
        – wie auch immer begrenzten – Zulassung der PID?
        Damit stellt sich die Kernfrage, inwieweit wir in unse-
        rem Menschsein betroffen sind, wenn eine solche Technik
        zugelassen wird. Es geht nicht allein um die Würde des
        Embryos, sondern um unser aller Würde. Was geschieht
        mit uns? So lautet doch die eigentliche Frage.
        Nirgendwo ist die Gefahr eines Dammbruchs größer.
        Der FDP-Entwurf spricht sich scheinbar für eine Begren-
        zung der PID aus. Eine „ärztliche Ethikkommission“ soll
        den Einzelfall prüfen, „Ausmaß und Gegenstand der er-
        laubten Diagnostik beim Embryo“, heißt es, legen Richt-
        linien der Bundesärztekammer fest. In Wahrheit ist hier
        schon die Ausweitung enthalten. Eine Kommission
        – gleich welcher Art – kann nicht die Lösung des Pro-
        blems sein. Sie müsste viele Paare, die auf Hilfe hoffen,
        negativ bescheiden, wenn sie den Dammbruch vermeiden
        will. Das Ausmaß der Diagnostik sollen nicht einmal mi-
        nisterielle Richtlinien bestimmen. Der Gesetzgeber soll
        von dieser Lebensfrage ausgeschlossen werden. Das ist
        nicht vertretbar. Denn es geht um das höchste Gut: das Le-
        ben.
        Auch bei den Krankheiten, die immer wieder genannt
        werden, wenn es um die PID geht, kommen Zweifel.
        Chorea Huntington bricht bei Menschen mit der entspre-
        chenden Anlage im Alter von 30 bis 50 Jahren aus. Und
        das soll selektiert werden? Bei der Mukoviszidose lag die
        Lebenserwartung früher bei wenigen Jahren, inzwischen
        hat man so große Therapiefortschritte gemacht, dass sie
        auf annährend 40 Jahre gestiegen ist. Und das soll selek-
        tiert werden? Machen wir uns außerdem nichts vor: Wenn
        Mukoviszidose indiziert werden würde und eine Selek-
        tion stattfände, wäre es um die künftige Verbesserung der
        Therapie schlecht bestellt. Hinzu kommt, dass die meisten
        der in Rede stehenden schweren Erbkrankheiten auch mit
        der so genannten Polkörperdiagnostik erfasst werden
        können.
        Außerordentlich problematisch ist die Ausweitung der
        PID in Ländern, wo sie zugelassen ist, allen voran den
        USA. Dort wird mittlerweile die Anlage zum Brustkrebs
        diagnostiziert, von dem man nicht weiß, ob er ausbricht
        und wie der Krankheitsverlauf sein wird. Im November
        erreichte uns die Nachricht, dass in den USA und in Spa-
        nien das genetische Risiko für eine vermeintlich niedrige
        Intelligenz in vitro diagnostiziert wurde. Man muss über-
        haupt nicht das Zerrbild einer Selektion an die Wand ma-
        len, die lauter kleine Einsteins und Brigitte Bardots will.
        Außerdem droht die PID wie in den USA, zum Routine-
        Screening bei der IVF zu werden, um die Erfolgsraten der
        künstlichen Befruchtung zu erhöhen. Die Erfahrungen in
        Deutschland zeigen, dass sich die PND zum Routinever-
        fahren entwickelt hat. Heute sind wir mit der Tatsache
        konfrontiert, dass über 90 Prozent der Embryonen, bei de-
        nen das Down-Syndrom diagnostiziert wird, abgetrieben
        werden. Dies verstärkt die Skepsis gegenüber der Ein-
        grenzbarkeit.
        Die PID bedeutet, dass menschliches Leben selektiert
        und getötet wird. Bei der PlD findet durch eine Auswahl
        von Embryonen nach „tauglich“ und „untauglich“ unwei-
        gerlich eine Zuschreibung von Lebenswert statt. Damit
        etabliert die PID ein neues Prinzip.
        In ihrem Entwurf spricht die FDP von verfassungs-
        rechtlichen Bedenken gegenüber einem Verbot der PID.
        Sie bemüht dazu die Analogie zur medizinischen Indika-
        tion nach § 218 a Abs. 2 StGB und nennt das den „gebo-
        tenen Anknüpfungspunkt“. Damit sprechen Sie, wie-
        derum indirekt, ein Problem an, nämlich das der so
        genannten Spätabtreibungen. Dass hier eine zum Teil sehr
        fragwürdige Ausweitung stattgefunden hat, kann aber
        nicht als Begründung dafür dienen, die PID zuzulassen.
        Umgekehrt bedeutet es vielmehr, dass wir angesichts der
        Ausweitung der PND zu einem Screening-Verfahren und
        den damit im Zusammenhang stehenden Spätabtreibun-
        gen handeln müssen. Deshalb hat die CDU/CSU-Fraktion
        einen Antrag zur Vermeidung von Spätabtreibungen in
        den Deutschen Bundestag eingebracht. Wir haben damit
        erreicht, dass über die Fraktionsgrenzen hinweg die Dis-
        kussion um Wege zur Vermeidung von Spätabtreibungen
        neu eingesetzt hat. Wir wollen noch in dieser Legislatur-
        periode zu einer Lösung kommen.
        Auch unabhängig davon wende ich mich gegen die
        vermeintliche Zwangsläufigkeit, mit der hier eine Analo-
        gie hergestellt wird. Die Mutter befindet sich bei der In-
        dikation nach 218 a Abs. 2 StGB in einer unmittelbaren
        Konfliktsituation. Infrage steht eine „Gefahr für das Le-
        ben oder die Gefahr einer schwer wiegenden Beeinträch-
        tigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszu-
        standes der Schwangeren“, § 218 a II. Eine solche Gefahr
        besteht im Moment einer PID aber nicht. Man hört immer
        wieder, die Konfliktsituation könne antizipiert werden.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20789
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        Das widerspricht der Einsicht, dass die Situation der
        Schwangerschaft eine einzigartige physische und psychi-
        sche Einheit von Mutter und Kind darstellt. Das Argument
        eines antizipierten Konflikts steht außerdem im Wider-
        spruch zur vermeintlich geringeren Belastung der Frau.
        Ein „antizipierter Konflikt“ ist kein konkreter Konflikt.
        In ihrem Entwurf argumentiert die FDP, eine PID ver-
        hindere die „Schwangerschaft auf Probe“. Das wäre nicht
        einmal dann richtig, wenn bei PID auf PND verzichtet
        würde. Denn es gibt keine Schwangerschaft auf Probe.
        Eine Schwangerschaft ist heute mehr denn je in aller Re-
        gel eine bewusste Entscheidung der Eltern. Sie haben alle
        Möglichkeiten, diese herbeizuführen, aber auch alle, da-
        rauf zu verzichten. Der Wunsch nach einem Kind und da-
        rüber hinaus nach einem gesunden Kind ist überaus ver-
        ständlich. Aber wir müssen doch auch sehen, dass hinter
        dem Wunsch nach einem gesunden meistens die Angst
        vor einem behinderten Kind steckt. Hier bedarf es der Un-
        terstützung, der Aufklärung und der Hilfe, die im Übrigen
        sehr erfolgreich sein kann! Außerdem erfahren wir doch
        immer wieder, dass diese Angst vor der Geburt größer ist
        als danach, dass beispielsweise Kinder mit Down-Syn-
        drom ihren Eltern so viel geben können. Der Wunsch nach
        einem gesunden Kind kann kein Recht auf ein gesundes
        Kind bedeuten, wie der Bundespräsident treffend in sei-
        ner nachdenklich machenden Rede gesagt hat.
        Es wird immer wieder gesagt, die Zulassung der PID
        sei im Sinne der Selbstbestimmung der Frau. In ihrer Pro-
        blembegründung spricht die FDP nicht weniger als fünf-
        mal von der vermeintlich freien Entscheidung, und zwar
        der Frau, der potenziellen Eltern, der Beteiligten bzw. des
        Einzelnen. Aber stimmt das wirklich? Wer Ja sagt zur
        PID, hat doch die Entscheidung schon abgegeben! Wer
        sich beispielsweise in der Brüsseler Fortpflanzungsklinik
        umschaut, in der PID praktiziert wird, weiß doch, dass
        nicht die Mutter an der Petri-Schale steht – das könnte sie
        auch gar nicht – sondern medizinische Experten. Frauen
        fühlen sich massiv unter Druck gesetzt. Das wissen wir
        aus empirischen Untersuchungen zur PND. Es besteht
        doch die Gefahr, dass eine gesetzliche Zulassung die Se-
        lektion nicht nur legitimiert, sondern einen Druck entste-
        hen lässt, entsprechend zu handeln. Schon heute müssen
        sich Eltern behinderter Kinder zuweilen fragen lassen, ob
        sie das gewollt hätten und ob sie „es“ nicht hätten verhin-
        dern können.
        Im FDP-Entwurf heißt es „Mithilfe dieses ...Verfahrens
        konnten bis Ende 1999 circa 420 gesunde Kinder geboren
        werden.“ Aber dies ist nur die eine Seite der Medaille. Für
        die 162 nach PID geborenen Kinder, die die European So-
        ciety of Human Reproduction erfasst, wurden 10 220 Ei-
        zellen befruchtet und 7 991 Embryonen hergestellt, das
        sind fast 50 Embryonen pro geborenem Kind. Der
        Schwangerschaftserfolg über alle begonnenen Zyklen
        liegt bei 9,3 Prozent. Die Diagnose ist nicht fehlerfrei und
        führt dazu, dass Embryonen ohne genetische Disposition
        getötet werden. Und es führt dazu, dass Embryonen mit
        einer solchen Disposition implantiert werden.
        Wer nur auf die geborenen Kinder verweist, ver-
        schweigt die ungeheure Belastung, der alle Frauen, die
        sich einer PID unterziehen, in der Regel ausgesetzt sind.
        Für eine IVF muss die Frau hormonell stimuliert werden,
        was an sich schon eine Belastung darstellt. Drei bis fünf
        Prozent der Frauen leiden in der Folge unter einem Hy-
        perstimulationssyndrom. Damit die „baby-take-home“-
        Rate überhaupt gehalten werden kann, wird die Frau in
        der Regel mehrfach stimuliert. Unklar ist, ob die IVF
        nicht die Wahrscheinlichkeit einer Karzinombildung er-
        höht. Dieses Risiko ist für Frauen ohne Fertilitätspro-
        bleme noch weniger vertretbar als für diejenigen mit sol-
        chen Problemen.
        In ihren Begründungen schreibt die FDP; „Die PID
        hilft, späte Abbrüche nach PND ... zu ersparen“. Sie wis-
        sen genau, dass das nicht stimmt. Die PID führt in der Re-
        gel gerade nicht zu einem Verzicht auf die PND. Damit ist
        die körperliche und seelische Belastung für die Frau in der
        Regel noch größer.
        Nach Ansicht vieler Befürworter der PID geht es – wie
        gesagt – um etwa 150 Paare pro Jahr in Deutschland.
        Wenn das zutreffend wäre, dann könnte man mit guten
        Gründen fragen: Warum entdecken denn die Befürworter
        der PID ausgerechnet hier ihr Mitgefühl, ihr Engagement
        für eine neue Technik; ihre Kraft, andere überzeugen zu
        wollen? Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Auch
        300 Betroffene sind nicht zu vernachlässigen, sind in
        ihren Hoffnungen und Wünschen ernst zu nehmen. Aber
        wenn sich alle mit gleicher Verve dafür einsetzen würden,
        die Situation von Behinderten zu verbessern, Müttern im
        Konfliktfall zu helfen, die Schwangerschaft grundsätzlich
        zu erleichtern und die Beratungsmöglichkeiten zu verbes-
        sern und auszubauen, dann wäre wirklich viel gewonnen.
        Geht es denn in Wahrheit um 150 Paare pro Jahr? Oder
        geht es darum, einen Anfang zu machen und mit einer
        niedrigen Zahl, „den Kritikern die Argumentationsgrund-
        lage zu entziehen“, indem man „bereitwillig den eigenen
        Handlungsspielraum einschränkt“, wie Andreas Kuhlmann,
        einer der profiliertesten Autoren zur gesellschaftlichen
        Bewertung der Gentechnik geschrieben hat. Und geht es
        für einige nicht um ganz andere Interessen, darum, über-
        zählige Embryonen zu gewinnen und das vermeintliche
        moralische Dilemma so zu verschärfen, dass auch in
        Deutschland die verbrauchende Embryonenforschung un-
        ausweichlich erscheint, darum, eine neue Technik zum ei-
        genen Nutzen zu etablieren? Reden wir offen darüber und
        stellen wir uns diesen Fragen!
        Der Mensch darf nicht auf seine genetische Grundaus-
        stattung reduziert werden wie es hier geschieht. Die ge-
        netische Ausstattung sagt doch nichts über die Chancen
        eines gelingenden Lebens aus. Die PID macht den Men-
        schen zum Objekt: zum Wunschobjekt seiner Eltern, zum
        Objekt der Begierde von Wissenschaftlern und Medizi-
        nern, zum Objekt einer zukünftigen Gesellschaft. Hier
        wird Glück mit Gesundheit gleichgesetzt. Aber wie viele
        andere Wurzeln haben Glück und Zufriedenheit! Die Zu-
        lassung der PID ist ein Weg, der nicht beschritten werden
        darf, auch nicht in vermeintlich engen Grenzen.
        Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        NEN): Schon bislang ist die FDP nicht mit gehaltvollen
        Beiträgen zur Diskussion um die Biopolitik aufgefallen.
        Aber dass wir heute einen Gesetzentwurf von Ihnen in
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120790
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        erster Lesung zu beraten haben, mit dem Sie die Präim-
        plantationsdiagnostik zulassen wollen, ist ein Tiefpunkt
        der Debatte. Was eigentlich wollen Sie damit gewinnen,
        wen vor allem? Einige unmittelbar Betroffene können Sie
        damit vielleicht davon überzeugen, dass Sie an deren
        Seite stehen. Aber ich kann gar nicht glauben, dass Sie so
        wenig vom Debattenverlauf mitbekommen haben, dass
        Sie die Vorlage Ihres Gesetzentwurfes für ein angemesse-
        nes Vorgehen halten.
        lm Sommer 2000 hatte ich mich an die Fraktionen des
        Bundestages gewandt, hatte auf den zuvor vom Gesund-
        heitsministerium organisierten Kongress zur Fortpflan-
        zungsmedizin verwiesen und um Gespräche über ein an-
        gemessenes Verfahren gebeten, damit das Parlament das
        Embryonenschutzgesetz zu einem Fortpflanzungsmedi-
        zingesetz weiterentwickeln kann. Zu den dort zu ent-
        scheidenden Fragen gehört natürlich auch die nach der
        Zulässigkeit der PID. Vonseiten der FDP habe ich nie eine
        Antwort auf dieses Gesprächsangebot erhalten – so wich-
        tig also ist Ihnen diese Frage.
        Im Mai dieses Jahres nun hat der Bundestag sehr ernst-
        haft über die Biomedizin debattiert. Es war in dieser De-
        batte unverkennbar, dass das Parlament sich noch am An-
        fang der schwierigen ethischen Erörterungen sieht, die
        durch die neuen medizinischen Verfahren aufgeworfen
        sind. Die Enquete-Kommission hat in diesem Herbst die
        Frage des Imports von embryonalen Stammzellen bear-
        beitet, das Thema PID ist das nächste auf ihrer Agenda.
        Während also noch Parlamentsgremien dazu beraten,
        während viele Kolleginnen und Kollegen noch keine hin-
        reichende Gelegenheit zur Meinungsbildung hatten, da
        kommen Sie mal eben so daher und legen einen Gesetz-
        entwurf auf den Tisch.
        Jede, die sich mit diesem Thema schon einmal genauer
        beschäftigt hat, weiß, wie kompliziert die ethischen Ab-
        wägungen sind, weiß, wie diffizil die Regelung unter ju-
        ristischen Gesichtspunkten ist, weiß, wie sehr davon die
        Gefühle und moralischen Empfindungen vieler Menschen
        betroffen sind. Und Sie meinen, das könne man im Hand-
        streich erledigen, man müsse sich nicht einmal mit den an-
        deren Fraktionen über einen gemeinsamen Weg verstän-
        digen, auf dem das Parlament in einer so umstrittenen
        Frage zu einer tragfähigen Entscheidung findet! Ich weiß
        nicht, welchen billigen parteipolitischen Punkt Sie sich
        davon versprechen, auf jeden Fall ist das Thema zu kom-
        plex, als dass man sich ihm so unernsthaft zuwenden
        könnte, wie Sie das tun. Das verheißt nichts Gutes für die
        weiteren Entscheidungen im Parlament.
        Auch der Gesetzentwurf selber ist nicht von einer wirk-
        lich ernsthaften Auseinandersetzung in der Sache geprägt.
        Das Argument, dass man hiermit Schwangerschaften auf
        Probe vermeide, ist nicht überzeugend – denn die PID ver-
        meidet Schwangerschaften um den Preis des vorzeitigen
        Todes des Embryos. Das heißt, ein Verfahren des Schwan-
        gerschaftsabbruchs wird durch ein anderes Tötungsver-
        fahren ersetzt – von Vermeidung kann hier wohl nicht die
        Rede sein. Sie weichen der Frage aus, ob es wirklich ak-
        zeptiert werden sollte, dass Schwangerschaftsabbrüche
        aufgrund einer Behinderung des Kindes zu einer Selbst-
        verständlichkeit werden.
        Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf an der medizini-
        schen Indikation des § 218 anknüpfen und mit dem neuen
        § 3 a eine „genetische Indikation“ einführen. Waren Sie
        wirklich alle nicht dabei, als das Parlament vor sechs Jah-
        ren beschlossen hat, die eugenische Indikation abzuschaf-
        fen? Wollen Sie das rückgängig machen? So schwierig die
        Konsequenzen aus dieser damaligen Entscheidung zum
        § 218 teilweise auch sind – ich halte es immer noch für
        richtig und geboten, dass diese Gesellschaft sich darauf
        verständigt, dass die mögliche Behinderung des Kindes
        keine Abtreibung rechtfertigt. Ich stehe mit Schrecken vor
        Ihrem Konzept von Freiheit. Sie nehmen den Wunsch der
        Eltern ausschließlich als Maßstab – was ist mit dem Wol-
        len des Kindes? Was ist mit seinem Lebensrecht? Was ist
        mit den verletzten Gefühlen all der Menschen, die mit den
        Krankheiten leben, die nach Ihren Vorstellungen zur Ab-
        treibung berechtigen?
        Ich finde es gut, dass wir alle durch die Entwicklung
        der Biomedizin wieder mit moralischen Fragen konfron-
        tiert sind, es kann unserer Gesellschaft nur gut tun, wenn
        sie sich ihrer eigenen Werte neu vergewissern und sie he-
        rausarbeiten muss. Ich erlebe sehr spannende und kontro-
        verse Debatten mit Bürgerinnen und Bürgern. Sie von der
        FDP haben sich aber mit dem Versuch, eine Position im
        Parlament mal eben so durchzusetzen, als Partner für die-
        ses Ringen um eine gesellschaftliche Moral disqualifi-
        ziert!
        Detlef Parr (FDP): Wir alle sind vor wenigen Tagen
        aufgeschreckt worden – aufgeschreckt von der Ankündi-
        gung des US-Forschers Panos Zavos, den ersten geklon-
        ten Embryo herzustellen. Wir alle sind uns einig in der
        Ablehnung solcher Exzesse. Wir sind uns einig in der ethi-
        schen und moralischen Bewertung. Das reproduktive
        Klonen muss weltweit geächtet werden. Aber wir dürfen
        uns nicht verleiten lassen.
        Das Thema der heutigen Debatte hat nichts, aber auch
        gar nichts mit forschenden Untaten dieser Art zu tun. Wir
        beraten in erster Lesung über gesetzgeberische Möglich-
        keiten, ein international, vor allem aber bei den meisten
        unserer unmittelbaren europäischen Nachbarn anerkann-
        tes reproduktionsmedizinisches Verfahren, die Präim-
        plantationsdiagnostik, auch in Deutschland rechtssicher
        zu machen. Von 17 europäischen Ländern gehört
        Deutschland zu den vieren, die die PID nicht ausdrücklich
        zulassen.
        Vor einem halben Jahr hat der Deutsche Ärztetag in
        Ludwigshafen auf die Konfliktlage bei ärztlichen Ent-
        scheidungen am Beispiel der Präimplantationsdiagnostik
        hingewiesen. Einerseits verfügen unsere Ärztinnen und
        Ärzte mit der PID in Verbindung mit einer künstlichen
        Befruchtung über Methoden, die Paaren mit monogeneti-
        schen Erkrankungen – mit schwerwiegenden Erbkrank-
        heiten – zu einem davon nicht betroffenen Kind verhelfen
        könnten. Andererseits müssen sie nach heutigem Recht
        mit der in der Gesellschaft anerkannten Anwendung vor-
        geburtlicher Diagnostik der Frau eine „Schwangerschaft
        auf Probe“ und gegebenenfalls eine Abtreibung, den Ver-
        zicht auf Kinder, eine Befruchtung mit Spendersamen
        oder eine Adoption zumuten. Die FDP-Fraktion hat den
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20791
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        Ludwigshafener Appell der Ärzteschaft aufgegriffen, ich
        zitiere: „eine Klärung der Rechtslage herbeizuführen und
        für den Fall einer Zulassung der PID weitere Kriterien für
        eine maximale Eingrenzbarkeit mitzugestalten.“
        Niemand konnte vor zehn Jahren bei der Verabschie-
        dung des Embryonenschutzgesetzes die rasante Entwick-
        lung im Bereich der Fortpflanzungsmedizin vorhersehen.
        Wir sind davon überzeugt, dass wir an einer Ergänzung
        dieses Gesetzes nicht vorbeikommen, wollen wir den be-
        troffenen Paaren wirklich helfen und das Handeln der
        Ärzteschaft rechtlich absichern.
        Wir wollen enge Grenzen setzen, um Missbrauch zu
        verhindern. Wir wollen den Weg nicht ebnen zu Desi-
        gnerbabys. Eltern dürfen sich nie zu Schöpfern ihrer Kin-
        der aufschwingen. Kinder dürfen sich nie als Selektions-
        produkt ihrer Eltern fühlen müssen. Aber wir müssen den
        wenigen Paaren in ihrer Notlage einen letzten Ausweg
        bieten, doch noch zu einem gesunden Kind zu kommen.
        Und deswegen schlagen wir dem Bundestag heute eine
        Ausnahmeregelung des grundsätzlichen Embryonen-
        schutzes vor. Die Untersuchung eines Embryos auf die
        Gefahr einer schwerwiegenden Erbkrankheit soll unter
        folgenden sechs eng gezogenen Voraussetzungen nicht
        länger rechtswidrig sein: erstens, eine umfassende hu-
        mangenetische Beratung und psychosoziale Betreuung,
        zweitens, die Indikation einer hohen Wahrscheinlichkeit
        der Gefahr einer schwerwiegenden Erbkrankheit – wir de-
        finieren sie als monogen bedingte Erkrankung und Chro-
        mosomenstörung mit sehr geringer Lebenserwartung und
        schlechter oder überhaupt keiner Behandelbarkeit –, drit-
        tens die Festlegung von Ausmaß und Gegenstand der er-
        laubten Diagnostik beim Embryo, viertens die Beschrän-
        kung der PID auf wenige lizenzierte Zentren, fünftens
        Einzelfallentscheidungen – vorherige Billigung durch
        eine Ethik-Kommission und sechstens, Qualitätssiche-
        rung durch die Teilnahme an einem zentralen Melderegis-
        ter nach dem Beispiel der britischen Human Fertility and
        Embryology Authority.
        Der Gesetzentwurf ist als Rahmengesetz konzipiert.
        Die Ausfüllung liegt in der Autonomie der Ärzteschaft.
        Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer hat
        bereits im Februar 2000 einen Richtlinienentwurf vorge-
        legt, der nach rechtlicher Absicherung der PID unmittel-
        bar in ein Handlungskonzept überführt werden kann – so
        BÄK-Präsident Professor Hoppe in einem Interview.
        Unser Gesetzentwurf enthält eine Gewissensklausel,
        denn es dürfte selbstverständlich sein, dass es keine Ver-
        pflichtung von Ärzten zu PID geben und eine Nicht-Mit-
        wirkung keine Nachteile mit sich bringen darf. Und unser
        Gesetzentwurf dient einem Abbau von Regelungsunter-
        schieden im zusammenwachsenden Europa und einer im-
        mer mehr die Landesgrenzen übergreifenden Entwick-
        lung, von der sich Deutschland nicht abkoppeln sollte.
        Dieser Gesetzentwurf ist ein Angebot für alle, die – wie
        es in einem unveröffentlichten Papier der Bundesjustiz-
        ministerin heißt – den offenen Dialog wollen mit dem Ziel
        eines möglichst breiten Konsenses in der Gesellschaft.
        Nach einer Umfrage des „Kölner Stadtanzeigers“ be-
        fürworten heute bereits 42 Prozent aller Befragten die
        PID, 65 Prozent der Anhänger der FDP, 45 Prozent der po-
        tenziellen SPD-Wähler und immerhin 40 Prozent der Uni-
        onsklientel.
        Die FDP lädt Sie und die Öffentlichkeit zu dem not-
        wendigen Dialog ein. Wir hängen nicht sklavisch an je-
        dem Teil unseres Gesetzentwurfs. Wir sind zum gemein-
        samen Überarbeiten bereit. Kein Gesetzentwurf ist so
        perfekt, dass er durch Änderungen nicht noch besser wer-
        den könnte. Unser Ziel bleibt: den Menschen in seelischer
        Not zu helfen, wie es für viele europäische Nachbarn be-
        reits eine Selbstverständlichkeit ist.
        Wir wollen eine moderne Gesellschaft. Moderne Men-
        schen wenden sich vorurteilsfrei neuem Denken zu, ohne
        leichtfertig das Gute an der Tradition über Bord zu wer-
        fen. Die FDPwünscht sich vor einem solchen Hintergrund
        eine fruchtbare Diskussion mit einem tragfähigen Ergeb-
        nis.
        Wir wollen eine humane Gesellschaft. Eine humane
        Gesellschaft kümmert sich eben nicht nur um die Ent-
        wicklungspotenziale früher Embryonen, sondern auch um
        das aktuelle Leiden. Und sie nimmt die Sorgen künftiger
        Eltern ernst und erkennt deren Wunsch nach einem ge-
        sunden Kind als legitim an, ohne deshalb behindert gebo-
        renen Menschen auch nur im Geringsten die gebotene
        Hilfe und vor allem die selbstverständliche Achtung als
        ethisch wie rechtlich gleiche, grundrechtsgeschützte Per-
        sonen zu verkürzen, wie es der Hamburger Strafrechtler
        Professor Merkel ausdrückt.
        Gerade wir Liberale schließen uns gerne einem Slogan
        der Behindertenbewegung an: „Es ist normal, verschieden
        zu sein.“ Mich hat in der bisherigen Diskussion mit Be-
        hinderten die Aussage einer großen Selbsthilfevereini-
        gung von Eltern und Patienten am stärksten beeindruckt.
        Ich zitiere: „Die Selbsthilfevereinigung teilt die schweren
        Bedenken gegen eine Zulassung der PID. Aber: betrof-
        fene Eltern, die einen Schwangerschaftsabbruch ableh-
        nen, haben nur mit der PID die Chance auf ein weiteres
        Kind ohne diese Erkrankung. Der Verein will diese Eltern
        nicht durch ein Verbot der PID alleingelassen sehen!“
        Moral zeigt sich in verantwortungsvollem Handeln,
        nicht im einfallslosen Verbieten. Wir bitten Sie herzlich:
        Geben Sie sich einen Ruck! Nehmen Sie unser Angebot
        zu einem offenen fraktionsübergreifenden Dialog an!
        Denn nur dann setzen wir uns mit den Nöten und Sorgen
        unserer Mitmenschen ernsthaft auseinander. Und dafür
        sind wir gewählt und nicht, um blind Dogmen und Ideo-
        logien zu folgen.
        Dr. Ilja Seifert (PDS): Die FDP will polarisieren.
        Schon vor Abschluss einer umfassenden gesellschaftli-
        chen Debatte zur Fortpflanzungsmedizin hat sie ein klei-
        nes Gesetz vorgelegt, um ein großes Gesetz zu ändern –
        das Embryonenschutzgesetz. Käme die FDP damit durch,
        könnte man – nach der De-facto-Beseitigung seines In-
        halts – das alte Embryonenschutzgesetz gleich umtaufen
        in „PID-Gesetz“. Aber so weit geht die FDPwieder nicht.
        Es besteht ja kein Zweifel, dass die Entwicklung seit
        der Inkraftsetzung des Embryonenschutzgesetzes eine
        ganze Reihe neuer Probleme aufwirft. Dies war einer der
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120792
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        Gründe dafür, dass sich die PDS seit 1999 für die Einset-
        zung einer Enquete-Kommission zur modernen Medizin
        eingesetzt hat.
        Die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der mo-
        dernen Medizin“ wurde dann im vergangenen Jahr mit
        Zustimmung aller Fraktionen eingesetzt. Im November
        2000 führte sie eine öffentliche Anhörung zur Präimplan-
        tationsdiagnostik durch – ebenso wie kürzlich der Aus-
        schuss Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
        Über viele Monate hinweg arbeitete die Enquete-Kom-
        mission an einem speziellen Berichtsteil zur PID, der
        demnächst fertiggestellt und beschlossen werden soll.
        Auch der FDP ist gut bekannt, dass es in der Enquete-
        Kommission unterschiedliche Auffassungen zur PID gibt –
        wie in allen Fraktionen dieses Hauses, auch in der PDS-
        Fraktion. Dennoch hat die Ablehnung der PID sowohl in
        der Enquete-Kommission und in den Bundestags-Fraktio-
        nen, mit Ausnahme der FDP, ein erhebliches Gewicht. In-
        sofern finde ich es ziemlich unverfroren, wenn es im Be-
        gründungsteil des Gesetzentwurfs der FDPwörtlich heißt:
        „Der Gesetzentwurf setzt die Auffassung der Enquete-
        Kommission um, dass die PID durch den Gesetzgeber ge-
        regelt werden muss ...“
        Sicher: Wir brauchen ein Fortpflanzungsmedizinge-
        setz. Aber nicht, um das Embryonenschutzgesetz abzu-
        schaffen, sondern um seine hohen Schutzstandards zu
        stärken und weiter zu entwickeln. Angesichts der kompli-
        zierten medizinischen, rechtlichen und ethischen Fragen
        muss der Diskussions- und Abwägungsprozess im Parla-
        ment umfassenden Charakter haben. Davon kann beim
        Gesetzentwurf der FDP keine Rede sein.
        Der Gesetzentwurf bemüht zwar verfassungsrechtlich
        garantierte Grundrechte, aber Art. 1 des Grundgesetzes
        kommt in ihm nicht vor. Stattdessen arbeitet die FDP mit
        nahezu abenteuerlichen Zaubertricks, zum Beispiel wenn
        sie in der Begründung zu Absatz 1 ausführt:
        Die zentrale Frage der Verwerfung des Embryos hin-
        gegen wird in Satz 2 gesondert geregelt. Auf diese
        Weise
        – so wörtlich im Text!! –
        wird der ethische Schwerpunkt des Verfahrens, die
        Verwerfung – selbstverständlich ebenfalls nur unter
        bestimmten engen Voraussetzungen – als nicht
        rechtswidrig definiert.
        So einfach kann und darf man es sich nicht machen!
        Die Bedenken der Behinderten und ihrer Verbände sol-
        len zwar sehr ernst genommen werden, aber die eindeu-
        tige und klare Ablehnung der PID durch den Deutschen
        Behindertenrat (DBR) kommt bei der FDP nicht vor. Erst
        Ende November forderte der DBR erneut eindeutige ge-
        setzliche Regelungen, nach denen Methoden der Fort-
        pflanzungsmedizin nicht zur Selektion menschlichen Le-
        bens missbraucht werden können. Der FDP-Entwurf geht
        genau in die Gegenrichtung. Es soll Rechtssicherheit für
        genetisch schwer vorbelastete Paare mit Kinderwunsch
        und für Ärzte hergestellt werden, aber die medizinischen
        Risiken, rechtlichen Bedenken und ethischen Einwände,
        die von ärztlicher Seite, von Frauenverbänden und Ver-
        fassungsrechtlern vorgebracht werden, kommen bei der
        FDP nicht wirklich vor.
        Nur zur Auswahl empfehle ich der FDP-Fraktion daher
        das Studium des abschließenden Votums der Ende No-
        vember 2001 in Dresden durchgeführten „Bürgerkonfe-
        renz zur Gendiagnostik“, bei dem sich zum Beispiel alle
        beteiligten Frauen gegen die PID ausgesprochen haben,
        sowie das Positionspapier der Bundesvereinigung Le-
        benshilfe zur PID vom 4. Dezember 2001. Dort heißt es
        in der abschließenden Zusammenfassung unter anderem:
        Somit ist die PID aus Verfassungsgrundsätzen her
        nicht zu gestatten und eine weder medizinisch über-
        zeugende noch ethisch gerechtfertigte Methode. Ihre
        Anwendung wird zu gesellschaftlichen Veränderun-
        gen führen, die einer humanen Gesellschaft entge-
        genstehen ...
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Arbeit statt Sozial-
        hilfe – Hin zu einer Kultur von Geben und Neh-
        men (Tagesordnungspunkt 26)
        Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Arbeit statt
        Sozialhilfe, das ist ein Ziel, das wir gemeinsam haben. Zu
        viele Menschen sind heute von der Sozialhilfe abhängig,
        brauchen Hilfe in der Not, in die sie aus den unterschied-
        lichsten Gründen geraten sind. Wichtige Gründe sind Ar-
        beitslosigkeit, Krankheit und die Veränderung der Fami-
        lienstrukturen, weshalb heute mehr als 30 Prozent aller
        Sozialhilfeempfänger minderjährig sind.
        So unterschiedlich die Gründe für die Arbeitslosigkeit
        sind, so differenziert müssen die Hilfsangebote sein, die
        wir den Hilfesuchenden machen. Deshalb begrüße ich
        ausdrücklich, dass Sie in diesem Antrag befürworten, Hil-
        fesuchenden intensive Betreuung zukommen zu lassen
        und ihnen möglichst schon bei Antragstellung ein kon-
        kretes Angebot zu unterbreiten, wie die Hilfebedürftigkeit
        beendet oder verkürzt werden kann. Wie Sie wissen, er-
        proben wir dies schon im Rahmen von MoZArT-Modell-
        projekte zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen
        Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe –, wo mit den
        Betroffenen Hilfepläne ausgearbeitet werden, um die
        konkreten Gründe für die Sozialhilfebedürftigkeit zu be-
        seitigen. Wir investieren 30 Millionen DM jährlich für
        Modellprojekte, die die Zusammenarbeit zwischen Ar-
        beitsämtern und Trägern der Sozialhilfe verbessern sol-
        len.
        Dass Sie diese Hilfepläne unterstützen, wundert mich
        aber auch ein wenig. Haben Sie sich doch noch bei der
        Verabschiedung unseres Job-Aqtiv-Gesetzes gegen die
        Einführung einer Eingliederungsvereinbarung mit den
        Arbeitslosen ausgesprochen, die exakt die gleiche Ziel-
        richtung verfolgt und mit der wir erstmals das, was Sie in
        Ihrem Antrag hier fordern, umsetzen.
        Das Gleiche gilt für Ihre Forderung, dass Kommunen
        Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung wahrnehmen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20793
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        können. Genau dies haben wir mit der Ermöglichung Be-
        schäftigung schaffender Infrastrukturförderung mit unse-
        rem Job-Aqtiv-Gesetz umgesetzt. Auch hier haben Sie wi-
        dersprochen. Dies passt nicht zusammen.
        Leider bleibt es nur bei wenigen Lichtblicken in Ihrem
        Antrag, wie meine Kollegin Brigitte Lange schon genau-
        estens ausgeführt hat. Stattdessen fallen Sie wieder in das
        alte Stereotyp zurück: Die Arbeitslosen wollen gar nicht
        arbeiten; deshalb muss man ihr Geld kürzen, um sie zur
        Wiederaufnahme einer Beschäftigung zu zwingen. Wenn
        die Welt nur so einfach wäre!
        Vieles von dem, was Sie in Ihrem Antrag fordern, set-
        zen wir seit nunmehr drei Jahren um. Und unsere Bilanz
        kann sich wahrlich sehen lassen!
        Sie fordern Wachstum und Beschäftigung, neue Ideen
        und Reformen. Wir haben die Weichen auf Wachstum ge-
        stellt, indem wir Arbeitnehmer und Unternehmen in er-
        heblichem Maße steuerlich entlastet haben, und haben mit
        der Modernisierung des Steuerrechts die internationale
        Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gestärkt.
        Erst kürzlich haben wir die Reform des Meister-BAföG
        beschlossen, die mit einem besonderen Schwerpunkt die
        Existenzgründung fördert und erleichtert. Im Bündnis für
        Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit haben wir
        Wirtschaft und Gewerkschaft an einen Tisch gebracht und
        viele kleine und große Hürden für die wirtschaftliche Ent-
        wicklung Deutschlands verkleinert und beseitigt.
        Wir haben die Lohnnebenkosten gesenkt. Statt 42 Pro-
        zent im Jahre 1998 liegen sie heute bei 40,8 Prozent.
        Diese Leistung wird noch eindrucksvoller, wenn man sich
        vor Augen hält, dass die Lohnnebenkosten ohne unsere
        Reformen heute bei mehr als 42,5 Prozent liegen müssten.
        Auch das ist einer der Erfolge unserer Politik im Dienste
        von Wachstum und Beschäftigung.
        Sie fordern eine Entlastung der Familien. Wir haben
        die Familien entlastet, nicht nur mit der Steuerreform, die
        ich bereits erwähnt habe, sondern auch durch die Anhe-
        bung des Kindergeldes und die Reform des Familien-
        leistungsausgleichs mit einem Volumen von 62,2 Milliar-
        den DM, die zum 1. Januar 2002 in Kraft treten wird. Re-
        formen wie die des BAföG, des Meister-BAföG, der
        Erziehungszeit, des Wohngeldes usw. entlasten die Fami-
        lien.
        Eine weitere Entlastung für die Familien ist die starke
        Absenkung der Jugendarbeitslosigkeit nicht zuletzt durch
        das Sofortprogramm der Bundesregierung zum Abbau der
        Jugendarbeitslosigkeit. Es hat beispielsweise in meinem
        Wahlkreis Darmstadt dafür gesorgt, dass es praktisch kei-
        nen Jugendlichen mehr gibt, der keinen Ausbildungsplatz
        hat. Wenn das keine Politik für Familien und zur Vermei-
        dung von Hilfebedürftigkeit ist!
        Wir haben mit unserer Reform des Arbeitsförderungs-
        rechts die Möglichkeiten der Arbeitsämter stark erweitert,
        die unterschiedlichsten Gründe für Arbeitslosigkeit zu be-
        seitigen.
        Auf diesem Wege müssen wir weitergehen. Es gibt
        noch viel zu tun. Dazu dient neben MoZArT auch die Er-
        probung der Niedriglohnmodelle aus Mainz und von der
        Saar-Gemeinschaftsinitiative. Es ist klug, zunächst aus-
        zuprobieren und die Theorie sich an der Realität beweisen
        zu lassen und aus den Ergebnissen zu lernen, um letztlich
        fundierte, gute, sinnvolle und differenzierte Lösungen
        umzusetzen. Das ist schwieriger, als einen solchen Antrag
        mit lauter frommen Postulaten zu formulieren.
        Brigitte Lange (SPD): Mit ihrem Antrag, der heute
        zur ersten Lesung ansteht, wiederholt die CDU/CSU For-
        derungen zur „Vereinheitlichung von Sozialhilfe und Ar-
        beitslosenhilfe“, die sie uns bereits vor zwei Monaten in
        einem Antrag präsentierte. Leider erschöpft sich die Krea-
        tivität beider Anträge mehr in den Überschriften als in den
        Inhalten.
        Sie beschreiben Ziele, aber Sie verraten uns nur rudi-
        mentäre Lösungsansätze. Das Nebeneinander von Ar-
        beitslosen- und Sozialhilfe wird seit einiger Zeit von ver-
        schiedenen Seiten mehr oder minder heftig und
        kontrovers diskutiert. Problembeschreibungen gibt es
        viele. Vor allem werden Ineffizienz und Ineffektivität des
        Nebeneinanders zweier Systeme kritisiert, die ein ge-
        meinsames Ziel verfolgen: die Sicherung des Lebensun-
        terhalts und die Wiedereingliederung von arbeitslosen
        Hilfebeziehern in den Arbeitsmarkt. So unterschiedlich
        wie Intentionen und Zielsetzungen, so unterschiedlich
        sind die Lösungsansätze: Sie reichen von einer Verzah-
        nung, Harmonisierung, Vereinheitlichung oder Ver-
        schmelzung der Systeme, einer organisatorischen Tren-
        nung von passiven und aktiven Leistungen, einer
        Herauslösung passiver Leistungen bis zu einer Grundsi-
        cherung, einem Sozialgeld und einem Sozialeinkommen,
        das unter Sozialhilfeniveau liegen soll.
        Leider wird die Diskussion mehr von dem Nebenei-
        nander der passiven Transferleistungen beherrscht als von
        der Kernfrage, wie die Situation von Arbeitslosen verbes-
        sert und Arbeitslosigkeit überwunden werden kann. Es
        gibt mehr plakative Forderungen als zielführende, durch-
        dachte Konzepte. Die brauchen nämlich Zeit. Auch die
        CDU/CSU kann ein solches Konzept mit ihrem vorlie-
        genden Antrag nicht bieten.
        Liest man die verschiedenen Papiere, die Sie in diesem
        Jahr zu diesem Thema vorgelegt haben, wird deutlich,
        dass auch bei Ihnen die Diskussion noch lange nicht ab-
        geschlossen sein kann. Noch gehen die Zielsetzungen bei
        Ihnen munter durcheinander. Mal fordern Sie eine bessere
        Verzahnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wie in
        Ihrem arbeitsmarktpolitischen Antrag vom September,
        mal ein Sozialgeld wie im Papier zur „Neuen sozialen
        Marktwirtschaft“ und jetzt eine Vereinheitlichung wie im
        vorliegenden Antrag.
        In zwei Dingen scheinen wir uns einig zu sein: Erstens.
        Wir brauchen eine Reform; dazu haben wir unsere Eck-
        punkte vorgelegt. Zweitens. Diese Reform kann nicht
        Hals über Kopf konstruiert werden.
        Sie selbst sprechen von kurzfristigen Maßnahmen und
        mittel- und langfristigen Reformen. Weil Sie diese jedoch
        auf Ihren Forderungskatalog anwenden, bleibt leider Ihr
        Geheimnis. Dass die von Ihnen geforderte Harmonisie-
        rung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit erheblichen
        ungeklärten Problemen verbunden ist, haben Sie offen-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120794
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        sichtlich erkannt. Sie bemühen sich um Lösungen für ei-
        nige dieser Probleme, andere Fragen bleiben offen. Auch
        Ihr Vorschlag, bundesweit und flächendeckend finanzielle
        Anreize zur Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich ein-
        zuführen, bleibt unkonkret und berücksichtigt in keiner
        Weise die bisherigen – eher skeptisch stimmenden – Er-
        fahrungen mit diesem Instrument.
        Eine Strukturreform der Sozialhilfe lässt sich nicht von
        heute auf morgen bewerkstelligen. Sie braucht eine um-
        fassende und gründliche Vorbereitung. Wir unterstützen
        deshalb die Bundesregierung bei ihrer sorgfältigen und
        praxisorientierten Vorbereitung der Reform.
        Wir haben den Armuts- und Reichtumsbereicht vorge-
        legt. Dieser Bericht zeigt die Vielschichtigkeit der Notla-
        gen. Es ist eben in vielen Fällen nicht mit dem bloßen An-
        gebot eines Arbeitsplatzes getan, auch nicht mit einer
        Verschärfung der Sanktionen. Eine an der Lebenslage
        orientierte Beratung erfordert mehr: Hilfe bei Verschul-
        dung, bei Suchtproblemen, bei der Wohnungssuche und
        bei der Suche nach einem Kinderbetreuungsplatz. Mehr
        Druck und Repressionen sind nicht zielführend. Wir wol-
        len Hilfe auf gleicher Augenhöhe. Die Hilfeempfänger
        sollen als Partner am Hilfeprozess mitwirken.
        Ihren Vorschlag vom Sommer: „Wer nicht arbeitet, ob-
        wohl ihm ein Angebot unterbreitet wurde, ... erhält künf-
        tig nur noch das verfassungsrechtlich notwendige Exis-
        tenzminimum, das spürbar unter den heutigen
        Regelsätzen liegt und auch als Sachleistung gewährt wer-
        den kann“ ändern Sie nun um – womit er nicht besser
        wird – in eine „einheitliche Leistung für Arbeitsfähige“,
        die „dem Niveau der ... Sozialhilfe entspricht und nur für
        den gelten soll, der eine Arbeit annimmt“. Mir ist nicht
        klar, ob Sie damit Ihr totales Missverständnis von Sinn
        und Aufgabe der Sozialhilfe dokumentieren, die im Ge-
        setz bereits vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten leug-
        nen oder einfach populistisch argumentieren wollen. Das
        Sozialhilfegesetz lässt Hilfeempfängern keine Wahlmög-
        lichkeit zwischen Arbeit und Sozialhilfe. Die Sozialämter
        wenden die bestehenden Sanktionsinstrumente durchaus
        an – aber mit Augenmaß und differenziert nach dem Ein-
        zelfall.
        Ob der von der CDU/CSU geforderte generelle Aus-
        schluss von der Hilfeleistung, also von Geld- und Sach-
        leistungen, bei Ablehnung eines Arbeitsangebots verfas-
        sungsrechtlich überhaupt zulässig ist, bezweifle ich. Auch
        die CDU/CSU kann jedenfalls nicht wollen, dass die Kin-
        der eines Hilfeempfängers nicht das Lebensnotwendige
        haben, weil ihrem Vater die Hilfe zum Lebensunterhalt
        verweigert wird. Die in diesem Zusammenhang vorge-
        schlagene Umkehr der Beweislast, von Ihnen als „Kern-
        punkt des neuen Regelungswerkes“ bezeichnet, verrät
        mehr Misstrauen als Zutrauen zu der von Ihnen geforder-
        ten „intensiven Betreuung“ von Anfang an. Es geht übri-
        gens nicht um Betreuung – Arbeitslose sind erwachsen –,
        sondern um Beratung, die Bestandteil einer „Förderkette“
        ist, die Assessment, Hilfeplanung und Fallmanagement
        umfasst. Dazu sagen Sie nichts. Aber genau das ist der
        entscheidende Kernpunkt – und nicht die Umkehr der Be-
        weislast – für eine erfolgreiche Vermittlung in den Ar-
        beitsmarkt.
        In Ihrem Antrag findet sich auch kein Wort zur gesetz-
        lich verpflichteten Zusammenarbeit von Arbeits- und So-
        zialämtern. Ohne diese ersten Erfahrungen auch nur an-
        zusprechen oder die Ergebnisse aus den Modellversuchen
        abzuwarten, formulieren Sie entbehrliche Plattitüden.
        Aber gerade diese Erfahrungen und Ergebnisse einer Ko-
        operation bei der gegenseitigen Nutzung der Instrumente
        von Arbeitslosen und Sozialhilfe, bei der Leistungsaus-
        zahlung und beim Datenaustausch liefern wichtige Krite-
        rien für eine Reform.
        Sie fordern eine Vereinheitlichung von Arbeitslosen-
        und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau. Arbeitslosenhilfe-
        bezieher würden ihre Ansprüche auf Lohnersatzleistun-
        gen verlieren und müssten auf Sozialhilfe verwiesen wer-
        den. 80 Prozent der heutigen Arbeitslosenhilfebezieher
        würden deutlich geringere Leistungen erhalten.
        Auch Ihr Vorschlag, die Bedingungen für zumutbare
        Arbeit wie in der Sozialhilfe zu regeln, wäre nachteilig für
        sie: Gewährt das SGB III den Schutz, nicht zur Annahme
        sozialversicherungsfreier Beschäftigung zu verpflichten,
        so ist nach dem BSHG so gut wie jede Arbeit zumutbar.
        Die Zumutbarkeitsregelung des SGB III ist aber ein Qua-
        lifikationsschutz, der auch gesamtwirtschaftlich Sinn
        macht. Investitionen in die eigene Ausbildung und Quali-
        fikation lohnen sich weniger, wenn sie nicht gegen Ent-
        wertung geschützt sind.
        Immerhin sehen Sie bei der Anrechnung von Vermö-
        gen und bei der rentenversicherungsrechtlichen Absiche-
        rung Verbesserungen gegenüber den bestehenden
        BSHG-Regelungen vor. Auch Ihre Überlegung, für ar-
        beitslose und gemeinnützig beschäftigte Hilfebezieher
        diese Zeiten als rentensteigernd anzuerkennen, ist beden-
        kenswert.
        Keine Antwort geben Sie jedoch auf die Frage, wie und
        von wem die Aufgaben einer zusammengeführten Ar-
        beitslosen- und Sozialhilfe wahrgenommen werden sol-
        len. Dass die finanzielle Verantwortung für Arbeitslose
        beim Bund bleiben muss und diese gesamtstaatliche Auf-
        gabe nicht den Kommunen aufgebürdet werden darf, ist
        eine Überzeugung, die ich teile, aber noch kein Konzept.
        Das Know-how der Arbeitsämter bei der Vermittlung
        in den ersten Arbeitsmarkt und ihre Nähe zu den arbeits-
        marktpolitischen Akteuren ist unverzichtbar. Unser Ziel
        muss es deshalb sein, die Kompetenzen von Arbeits- und
        Sozialämtern zu bündeln und Beratung und Leistungen
        aus einer Hand anzubieten. In welcher Form – angesiedelt
        beim Sozialamt, beim Arbeitsamt oder bei einer dritten
        Stelle – dies am sinnvollsten geschehen kann, wird nach
        Vorliegen der Ergebnisse aus den Modellversuchen noch
        zu beantworten sein.
        Aber Modellversuche erscheinen Ihnen ja zur Erkennt-
        nisgewinnung als überflüssig. Deswegen fordern Sie auch
        forsch die Einstellung der unterschiedlichen, örtlich be-
        grenzten Modellprojekte, die Fördermöglichkeiten für ge-
        ring Qualifizierte erproben sollen, und verlangen stattdes-
        sen die flächendeckende Einführung von Kombilöhnen,
        Einstiegsgeldern oder degressiv gestaffelter Zuschüsse zu
        den Sozialversicherungsbeiträgen. Dabei stimmen erste
        Erfahrungen skeptisch, ob diese Instrumente tatsächlich
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20795
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        den erwünschten beschäftigungspolitischen Erfolg brin-
        gen. Die Inanspruchnahme der Zuschüsse zu den Sozial-
        versicherungsbeiträgen bleibt sowohl auf Arbeitgeber- als
        auch auf Arbeitnehmerseite weit hinter den Erwartungen
        zurück. Die gleiche Erfahrung machen wir mit dem In-
        strument der Lohnkostenzuschüsse. Dagegen zeigen bis-
        herige Erfahrungen, dass Lohnsubventionen die Beschäf-
        tigungschancen weniger erhöhen als die offensive
        Akquirierung von Arbeitsplätzen und die passgenaue Ver-
        mittlung von Arbeitskräften.
        Schnellschüsse bringen uns nicht weiter. Die flächen-
        deckende Subventionierung von Niedriglöhnen und die
        simple Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozial-
        hilfe sind nicht die beschäftigungspolitischen Wunder-
        mittel, für die Sie sie verkaufen. Wir lassen uns nicht da-
        von abbringen, sorgfältig zu prüfen, ob und wie diese
        Instrumente dem Ziel einer dauerhaften Integration von
        Arbeitslosen in eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit
        dienen. Das ist das Kriterium, an dem sich alle Reform-
        vorschläge messen lassen müssen – auch die der Oppo-
        sition.
        Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Nun tut sich also
        doch etwas, Herr Riester. Sie haben sich ja lange gewehrt
        und gesagt, eine Reform von Sozialhilfe und Arbeitslo-
        senhilfe werde es in dieser Legislaturperiode nicht mehr
        geben. Sie haben auf Ihre diversen Modellprojekte ver-
        wiesen und darauf, dass diese erst ausgewertet werden
        müssten. Aber nun hat Herr Müntefering ein Machtwort
        gesprochen und schon bewegt sich das Ministerium. Et-
        was Gescheites kommt aber wieder nicht heraus, weil Sie
        einfach die Modellprojekte ausweiten. Und wo tun Sie
        das? Ganz zufällig in dem Bundesland, in dem die nächs-
        ten Wahlen stattfinden – in Sachsen-Anhalt! Ein Schelm,
        wer Böses dabei denkt und einen Zusammenhang her-
        stellt. Sie wollen bestimmt nur den Menschen helfen und
        haben überhaupt nicht daran gedacht, dass Ihr guter Wille
        als kühl kalkuliertes Wahlgeschenk gedeutet werden
        könnte.
        Die Tatsache, dass Sie zu solchen Mitteln greifen, zeigt
        mir, dass Sie befürchten, die Menschen könnten genug ha-
        ben von ihrer rot-roten Politik, von ehemaligen Stasi-
        leuten in den Ministerien und Vetternwirtschaft bei der
        Vergabe von Steuergeldern. Soll ich raten, in welchem
        Bundesland Sie als nächstes flächendeckende Modellpro-
        jekte ausrufen werden? Vielleicht in Mecklenburg-Vor-
        pommern?
        Aber jetzt zu dem Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion
        heute einbringt. Hierin haben wir über den Tag hinaus ge-
        dacht und ein Konzept vorgelegt, mit dem wir zweierlei
        erreichen wollen: Wir wollen, dass der, der arbeitet, mehr
        Geld in der Tasche hat als der, der nicht arbeitet, sodass
        sich Arbeiten auch in dem so genannten Niedriglohnbe-
        reich wieder lohnt, und wir wollen mehr Menschen in Be-
        schäftigung bringen und überhaupt mehr Beschäftigung
        schaffen. Zu diesem Zweck muss aus meiner Sicht an
        zwei Stellen unser derzeitiges System reformiert werden:
        Arbeitslosen- und Sozialhilfe muss vereinheitlicht wer-
        den und der Niedriglohnsektor muss attraktiver gemacht
        werden.
        Im Augenblick werden die Arbeitslosen von dieser Re-
        gierung doch nur noch gezählt und verwaltet. Sie werden
        zwischen Bundesanstalt für Arbeit und Sozialämtern hin-
        und hergeschoben, von einer ABM in die nächste, da-
        zwischen gibt es Geld von der Bundesanstalt, aber einen
        richtigen Job im ersten Arbeitsmarkt, den gibt es für die
        meisten nicht. Das hat sich in der Vergangenheit als der
        falsche Weg erwiesen und das ist vor allem für die Zu-
        kunft der falsche Weg. Dem Konzept der Union liegt ein
        Sozialstaatsverständnis zugrunde, das von gegenseitiger
        Solidarität ausgeht, das unter Solidarität Geben und Neh-
        men, Leistung und Gegenleistung versteht und das das
        Ziel verfolgt, die Eigenverantwortung jedes Einzelnen im
        eigenen und im Interesse der Gemeinschaft zu fördern.
        Unser Konzept sieht daher vor, die beiden Systeme der
        Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe auf lokaler Ebene zu-
        sammenzuführen. Ziel muss es sein, Menschen mit den-
        selben Herausforderungen – keine Arbeit – gleiche Leis-
        tungen durch dasselbe Instrument bei durchgehender
        Betreuung anzubieten. Vor allem muss der Anreiz, eine
        Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt anzunehmen,
        deutlich erhöht werden.
        Vorneweg muss eines ganz deutlich gesagt werden:
        Die Vorschläge betreffen nur diejenigen, die nicht arbei-
        ten, obwohl sie arbeiten könnten und Arbeits- oder Aus-
        bildungsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Union will
        keiner alleinerziehenden Mutter, keinem Kranken und
        keinem Behinderten die Leistungen kürzen. Auch die
        Menschen, denen keine Arbeit oder keine Ausbildung an-
        geboten werden kann, sollen nicht von Kürzungen betrof-
        fen sein. Voraussetzung für das Gelingen der Reformvor-
        stellungen ist deshalb, dass mithilfe des von der Union
        vorgeschlagenen Familiengeldes Kinder aus der Sozial-
        hilfe herausgeholt werden und dass mit dem ebenfalls von
        der Union geforderten Leistungsgesetz für Behinderte be-
        hinderte Menschen gleichermaßen nicht mehr im Sozial-
        hilfebezug sind, sondern einen Anspruch aufgrund eines
        bundesfinanzierten Leistungsgesetzes erwerben. Mit die-
        sen beiden Vorhaben wird erreicht, dass die Maßnahmen
        des neu zu schaffenden Hilferechts gezielt auf arbeits-
        fähige Hilfebezieher zugeschnitten werden können.
        Für diejenigen, die jung genug und gesund sind, deren
        familiäre Situation es zulässt und für die eine Arbeit oder
        ein Ausbildungsplatz vorhanden ist, muss etwas geändert
        werden. Allein bei den 2,7 Millionen Sozialhilfeempfän-
        gern wird angenommen, dass rund 800 000 Menschen
        grundsätzlich arbeitsfähig sind. Die Union will nicht, dass
        bereits junge Menschen eine Art Sozialhilfekarriere be-
        ginnen, indem sie keinen Schulabschluss erwerben, keine
        Berufsausbildung machen und anschließend mit wenig
        befriedigenden Gelegenheitsjobs oder auch Schwarzar-
        beit ihr Leben fristen. Die Union will auch nicht, dass
        Menschen, die schwer arbeiten und damit nur ein gerin-
        ges Einkommen erzielen, mit ihren Steuern und Sozial-
        abgaben diejenigen finanzieren, die durchaus selber ar-
        beiten könnten, es aber nicht tun. Es gibt viele unbesetzte
        Stellen in Deutschland. Nach Angaben der Bundesanstalt
        für Arbeit gibt es in ganz Deutschland rund 1,6 Millionen
        offene Stellen. Hiervon ist jede zweite Stelle für Nicht-
        Facharbeiter oder einfache Angestellte geeignet. Ein wei-
        teres kommt hinzu: Im Jahr 2000 wurden fast 1,1 Milli-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120796
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        onen Arbeitserlaubnisse für ausländische Arbeitnehmer
        erteilt, von denen die Mehrzahl deshalb erteilt wurde, weil
        sich kein inländischer Arbeitnehmer für die jeweilige Be-
        schäftigung fand.
        Auch wenn die Arbeitsplätze nicht immer genau da
        sind, wo die Arbeitslosen sind und die Qualifikationen
        nicht immer zu den Anforderungen passen, so ist es
        gleichzeitig wahr, dass viele Arbeiten nur deshalb nicht
        angenommen werden, weil die staatliche Hilfe, oft zu-
        sammen mit Schwarzarbeit, dem Betroffenen ausreicht
        und es zudem der bequemere Weg für ihn ist. Wir müssen
        daher auch die weniger gut bezahlten Jobs für die Men-
        schen attraktiv machen. Hierzu kann man Kombilöhne
        oder das Einstiegsgeld nutzen oder, was mir persönlich
        am besten gefällt, man bezuschusst den Arbeitnehmeran-
        teil der Sozialversicherungsbeiträge und führt degressiv
        gestaffelte Beiträge ein, wie wir das aus dem Steuerrecht
        kennen. Ziel ist es jedenfalls, den Nettolohn desjenigen,
        der eine Arbeit annimmt, deutlich über das Sozialhilfeni-
        veau zu heben.
        Die Vorschläge der Union zur Vereinheitlichung von
        Sozial- und Arbeitslosenhilfe sehen im Einzelnen vor:
        Das Regel-/Ausnahmeverhältnis der derzeitigen So-
        zialhilfe wird umgekehrt. Das Sozialamt muss nicht mehr
        die Zahlungen kürzen, wenn eine zumutbare Arbeit oder
        Ausbildung verweigert wird, sondern der Hilfeempfänger
        hat von vornherein nur dann einen Anspruch auf die volle
        Leistung, wenn er nachweist, dass er entweder ein vor-
        handenes Arbeitsangebot annimmt, einer gemeinnützigen
        Tätigkeit nachgeht oder eine Ausbildung absolviert.
        Nimmt er das Angebot nicht an, bedarf er offensichtlich
        nicht der Hilfe.
        Hilfeempfänger ohne berufliche Qualifikation sind
        verpflichtet, eine Berufsausbildung zu absolvieren, um
        den ungeschmälerten Leistungsanspruch zu bewahren.
        Ausländische Sozialhilfeempfänger mit Sprachdefizi-
        ten müssen zum Deutschunterricht gehen, wenn sie einen
        Anspruch auf die ungeschmälerten Leistungen haben
        wollen.
        Es gelten einheitliche Zumutbarkeitskriterien für die
        Annahme einer Arbeit. Sozialhilfeempfänger und Emp-
        fänger von Arbeitslosenhilfe erhalten beide aus Steuer-
        mitteln Transferleistungen, weil sie keine Arbeit haben.
        Von beiden Personengruppen kann mit demselben Recht
        erwartet werden, dass sie eine Eigenleistung erbringen,
        um aus dem Hilfebezug herauszukommen.
        Das Leistungsniveau von Sozialhilfe und Arbeitslosen-
        hilfe wird schrittweise angeglichen.
        Ältere Arbeitnehmer, die wenigstens 15 Jahre erwerbs-
        tätig waren, können ihr Erspartes behalten.
        Die Hilfeempfänger werden von Anfang an und durch-
        gängig betreut und beraten.
        Lassen Sie mich noch etwas zu den Kosten und zu den
        Auswirkungen auf die Beschäftigung sagen: Es wird si-
        cherlich eine beträchtliche Anschubfinanzierung brau-
        chen, um die Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Aber
        die Gegenrechnung ist eigentlich ganz einfach: Es ist bil-
        liger, einen Arbeitnehmer mit 200 DM im Monat zu sub-
        ventionieren als denselben Menschen arbeitslos sein zu
        lassen und ihm 2000 DM an Sozialleistungen zu zahlen.
        Ganz abgesehen davon ist es unsere Verpflichtung als So-
        zialpolitiker, den Menschen eine Perspektive für ein
        selbstbestimmtes autonomes Leben zu geben und sie
        nicht mit viel Geld aus dem Erwerbsleben und der gesell-
        schaftlichen Teilhabe herauszukaufen.
        Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass dies der einzig
        richtige Weg ist. In den 1990er-Jahren kam es in Däne-
        mark zu einem erheblichen Rückgang der Arbeitslosig-
        keit. Innerhalb von nur 5 Jahren ging die Arbeitslosigkeit
        von fast 12 Prozent auf 5,5 Prozent zurück. Grund hierfür
        waren die Reformen auf dem Arbeitsmarkt: Verschärfung
        der Anforderungen an Arbeitslose – Rechte und Pflichten .–
        Die Arbeitslosenunterstützung ist zwar relativ hoch, dafür
        ist der Betroffene verpflichtet, ein angebotenes Arbeits-
        oder Ausbildungsverhältnis anzunehmen; strengere Ver-
        fügbarkeitsregeln; Verkürzung der Leistungsdauer für Ar-
        beitslosengeld.
        Wenn wir es in Deutschland schaffen sollten, die
        Arbeitslosenquote von derzeit über 9 Prozent auf etwa
        5 Prozent zu senken, dann können wir über 50 Milliarden
        DM jährlich einsparen.
        Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist
        schon überraschend, welches Bild der sozialen Sicherung
        die Union in ihrem Antrag zeichnet. Gehen wir von den
        Fakten aus, von der sozialen Wirklichkeit: Die Zahl der
        Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen hat sich in
        Deutschland unter der Regierung von CDU/CSU und
        FDP vervierfacht. Insbesondere Kinder wurden unter
        Schwarz-Gelb zu einem Armutsrisiko, nicht nur am Rand
        der Gesellschaft, sondern bis in die Mitte der Gesellschaft
        hinein – ein unglaublicher Skandal in einem der reichsten
        Länder der Welt.
        Rot-Grün hat die Armut in den letzten drei Jahren nicht
        beseitigt. Das konnte auch niemand ernsthaft erwarten.
        Aber wir haben den Trend umgekehrt. Die Zahl der So-
        zialhilfeempfänger und -empfängerinnen nimmt seit 1999
        ab. Familien mit Kindern werden unter Rot-Grün besser
        gestellt – gerade auch im unteren und mittleren Einkom-
        mensbereich. Verglichen mit 1998 wird eine Durch-
        schnittsfamilie im Jahr 2002 um 1 500 Euro entlastet, die
        Ökosteuer inbegriffen. Wir tun also sehr viel, um zu ver-
        hindern, dass Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind.
        Dennoch will ich einräumen – und das verschweigen
        wir ja auch an keiner Stelle: Wir haben mit dem System
        der Sozialhilfe, wie es sich heute darstellt, eine Reihe von
        gravierenden Problemen. Darauf weist zum Teil zu Recht
        auch die Liste hin, welche die Union in ihrem Antrag prä-
        sentiert hat. Nur: So richtig originell ist das alles nicht und
        vieles, was Sie in Ihrem Antrag vom 13. November 2001
        fordern, ist bereits seit Jahren auf den Weg gebracht wor-
        den.
        Zum Teil scheint Ihnen das selbst sogar peinlich zu
        sein. So verstehe ich zumindest den Zusatz „wie dies zum
        Teil schon praktiziert wird“ im Zusammenhang mit Ihrer
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20797
        (C)
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        (A)
        (B)
        Forderung nach konkreten Eingliederungsangeboten für
        Hilfesuchende.
        Ein weiteres Problem ist die mangelnde Durchlässig-
        keit der Sozialhilfe – der Fallbeileffekt, wie er in der
        Fachöffentlichkeit genannt wird. Hierzu gibt es in vielen
        Bundesländern Modellversuche, die Arbeit und Sozial-
        hilfe so kombinieren, dass für die Empfänger und
        -empfängerinnen ein positiver Anreiz entsteht. Deshalb
        haben wir auch eine Reihe von Modellprojekten zur Ko-
        operation von Sozial- und Arbeitsämtern gestartet, um die
        Abschottung beider Systeme zu überwinden und auch So-
        zialhilfeempfänger und -empfängerinnen in Arbeitsför-
        dermaßnahmen einzubeziehen. An diesem Punkt be-
        schränkt sich die Union auf Allgemeinplätze.
        Wir haben auch das Problem der Überbürokratisie-
        rung, der – nennen wir es ruhig so – bürokratischen Be-
        vormundung von Sozialhilfeempfängern und -empfänge-
        rinnen, die sie in einem Status der Unmündigkeit belässt,
        statt sie positiv zu motivieren und zu beraten. Wir haben
        deshalb – im Rahmen einer Experimentierklausel – eine
        Reihe von Modellversuchen gestartet, um Leistungen zu
        pauschalieren und die Verwaltung zu vereinfachen.
        Dabei sollten wir auch nicht die Probleme verschwei-
        gen, die sich jetzt bereits andeuten: Manche Kommunen
        verwechseln Pauschalierung mit einer massiven Leis-
        tungskürzung und es stellt sich auch die Frage, ob langle-
        bige Gebrauchsgüter wirklich bei jeder Personengruppe
        Teil der Pauschale werden sollen.
        Der rechte Teil des Hauses hält in Sachen Sozialhilfe
        nicht das von uns angestrebte Gleichgewicht des „För-
        derns und Forderns“.
        Vergessen Sie bitte auch eines nicht: Die mangelnde
        Vermittelbarkeit von Sozialhilfeempfängern und -emp-
        fängerinnen hat nur in wenigen Fällen mit mangelnden fi-
        nanziellen Anreizen zu tun. Wir ignorieren diese wenigen
        Fälle nicht, wir unterstützen sie. Aber wir verallgemei-
        nern auch nicht, nur weil dies der Lufthoheit über den
        Stammtischen dienen könnte.
        Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe beziehende Men-
        schen haben oft ein Qualifizierungsproblem. Sie haben
        auch ein Imageproblem, weil ihnen viele Arbeitgeber
        nicht zutrauen, sich aus der Sozialhilfe wieder in ein re-
        guläres Arbeitsverhältnis einzugliedern. Sie haben ferner
        oft ein Problem mit der mangelnden Infrastruktur an Be-
        ratung und an Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
        An all diesen Stellen wird Rot-Grün aktiv. Wir wissen:
        Nur eine Kombination vieler abgestimmter Maßnahmen
        verspricht Erfolg. Die Zusammenlegung von Arbeitslo-
        sen- und Sozialhilfe zu einem einheitlichen Hilfesystem
        macht im Prinzip Sinn.
        Wir Grüne treten schon lange für eine bedarfsorien-
        tierte Grundsicherung ein, die dies leistet. Allerdings darf
        eine Vereinheitlichung nicht zulasten von Qualität gehen,
        nicht zulasten von individuell passgenauen Hilfen und sie
        darf nicht dazu führen, dass mehr Menschen dauerhaft in
        Armut verbleiben. Im Gegenteil: Es muss darum gehen,
        Armut durch Hilfe zur Selbsthilfe zu überwinden, durch
        einen sinnvollen Mix aus Fördern und Fordern.
        Die Einseitigkeit der Union führt hier in die Irre. Ich
        vermute, das wissen Sie selbst; sonst könnten Sie in Ihrem
        Antrag wenigstens ein bisschen konkreter werden.
        Es macht auf kurze und mittlere Sicht durchaus Sinn,
        ohne einen großen und sehr komplexen Systemwechsel
        einzelne Personengruppen aus der Sozialhilfe herauszu-
        nehmen – zumal dann, wenn sie dem Arbeitsmarkt nicht
        zur Verfügung stehen. Bei älteren Menschen haben wir
        das im Rahmen der Rentenreform gemacht. Wir wollen
        diesen Ansatz auf weitere Personengruppen ausdehnen
        und wir wollen insbesondere die eigenständige Existenz-
        sicherung von Kindern und Jugendlichen so verbessern,
        dass sie und ihre Familien von Sozialhilfe unabhängig
        sind.
        Das ist natürlich auch ein Hinweis auf die grüne Kin-
        dergrundsicherung, nicht zuletzt weil die Kindergrundsi-
        cherung die offene und verdeckte Armut effektiv
        bekämpft, weil sie auch Menschen in prekären Einkom-
        mensverhältnissen oberhalb der Armutsschwelle unter-
        stützt und weil sie problemlos finanzierbar ist. Die Kin-
        dergrundsicherung ist inzwischen offiziell Gegenstand
        der Beratungen in der Koalition. Vor allem ist sie kein un-
        gedeckter Scheck wie das Familiengeld der Union, das
        zudem mit teilweise nicht genau eingegrenzten Ver-
        schlechterungen bei sozial Benachteiligten kombiniert
        werden soll.
        Dies alles zeigt: Die Union hat keine diskutablen Al-
        ternativen vorzuweisen. Die rot-grüne Koalition hingegen
        arbeitet konzentriert und lösungsorientiert.
        Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Es ist schön, dass nun
        die Union als letzte der im Bundestag vertretenen Parteien
        einen Antrag zu diesem wichtigen arbeitsmarkt- und sozi-
        alpolitischen Thema vorlegt. Während die rot-grünen
        Bundestagsfraktionen hierzu lediglich einen Entschlie-
        ßungsantrag mit Wirkung für das Jahr 2003 vorgelegt ha-
        ben, obwohl sie jetzt, 2001, handeln könnten, enthält der
        Antrag der Union Vorstellungen, die wir im Grundsatz mit
        unterstützen.
        Verhehlen will ich freilich nicht den sich bei Lektüre
        der CDU-Vorlage aufdrängenden Eindruck, die insgesamt
        drei FDP-Anträge vom 9. Mai sowie 25. September 2001
        für eine beschäftigungsorientierte und aktivierende So-
        zialhilfe-Reform seien Vorbild der CDU-Anträge gewe-
        sen.
        Für die FDP gilt: Sozialhilfe muss so ausgestaltet wer-
        den, dass sie einerseits den tatsächlich Bedürftigen ein Le-
        ben in Würde ermöglicht, andererseits aber zugleich die
        Selbstständigkeit aller Hilfeempfänger stärkt und Leis-
        tungsmissbrauch vermeiden hilft. Wir wollen nicht, dass
        die subsidiäre Hilfegewährung eine „Kultur der Unselbst-
        ständigkeit“ hervorbringt.
        Von rund 2,7 Millionen Sozialhilfeempfängern sind
        etwa 800 000 Menschen grundsätzlich arbeitsfähig.
        Warum lohnt es sich für viele dieser rund 800 000 arbeits-
        fähigen Sozialhilfeempfänger nicht, eine Arbeit anzuneh-
        men? Es liegt am Lohnabstand. Gerade bei niedrigem Ein-
        kommen ist der Lohnabstand zu gering. So liegt das
        Transfer-Einkommen einer Sozialhilfefamilie mit 2 940
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120798
        (C)
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        DM lediglich 260 Mark unter dem durchschnittlich ver-
        fügbaren Monatseinkommen eines Alleinverdieners mit
        zwei Kindern einschließlich Kindergeld von 3 200 DM.
        Für untere Lohn- und Gehaltsgruppen stellt sich das noch
        ungünstiger dar.
        Hinzu kommt: Ein arbeitswilliger Sozialhilfeempfän-
        ger kann derzeit, wenn er arbeiten will, höchstens 275 DM
        hinzuverdienen. Jeder Zuverdienst darüber hinaus wird
        ihm zu 100 Prozent, also voll, auf die Sozialhilfe ange-
        rechnet. Ein echter Anreiz, nichts zu tun!
        Im Unterschied zur Union hat die FDP hierfür einen
        präzisen Lösungsvorschlag unterbreitet. Die Anreize in
        der Sozialhilfe, wieder in das Erwerbsleben zurückzukeh-
        ren, müssen gestärkt werden: Die Freibeträge in der So-
        zialhilfe sind zu erhöhen, finanziert über eine Reform des
        Finanzausgleichs, und die Anrechnungssätze müssen
        langsamer ansteigen. Diese Maßnahmen sind temporär
        einzuräumen, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer dis-
        kriminiert werden, die auch ohne Sozialhilfe bereit sind
        zu arbeiten. Schließlich muss der Eingangssteuersatz be-
        reits 2002 auf 15 Prozent gesenkt werden. Hierfür haben
        wir im Mai dieses Jahres einen ausführlichen Antrag vor-
        gelegt. Darüber hinaus brauchen wir die rechtlichen Vor-
        aussetzungen, um neu zu schaffende und zu fördernde
        Arbeitsplätze auch außerhalb des derzeit gültigen Tarif-
        systems zu ermöglichen.
        Ein weiteres Problem der derzeitigen Ausgestaltung
        unseres Sozialsystems muss angesprochen werden. Es
        gibt keine überzeugende Begründung dafür, warum es in
        Deutschland mehrere steuerfinanzierte Fürsorgeleistun-
        gen für einen Tatbestand, nämlich den der Arbeitslosig-
        keit, gibt. Während die Sozialämter Sozialhilfe in Höhe
        von rund 40 Milliarden DM leisten, zahlt der Bund Ar-
        beitslosenhilfe in Höhe von rund 25 Milliarden DM. Al-
        leine die Verwaltung beider Sozialleistungen verbraucht
        jährlich rund 7 Milliarden DM.
        Die FDP fordert daher, die Arbeitslosenhilfe vollstän-
        dig mit der Sozialhilfe zu einem System mit einer Leis-
        tung, mit klaren Zuständigkeiten, eingleisigen Verfahren
        und schlankerer Verwaltung zusammenzufassen. Wir be-
        grüßen, dass dies von der Union nun auch so gesehen
        wird.
        Gleichzeitig muss mit dieser Reform ein dauerhafter
        föderaler Finanzausgleich erfolgen: Für die durch den
        Wegfall der Arbeitslosenhilfe sowie weiterer Personalkos-
        ten ersparten Leistungen muss der Bund den Kommunen
        einen – je nach deren Aufwendungen – jährlich im Voraus
        festgelegten Betrag geben, sodass ein Budgetsystem mit
        dem Anreiz – diesen Gedanken vermisse ich im Unions-
        antrag – zum sparsamen Haushalten geschaffen wird.
        Auch hierfür haben wir im Mai einen ausführlichen An-
        trag vorgelegt.
        Zu guter Letzt muss das Gerechtigkeitsprinzip „Keine
        Leistung ohne grundsätzliche Bereitschaft zur Gegenleis-
        tung“ deutlicher zur Geltung gebracht werden. Bereits
        nach geltendem Recht kann dem Sozialhilfeempfänger
        der Leistungsanspruch um 25 Prozent gekürzt werden,
        wenn er eine zumutbare Arbeit nicht annimmt, bzw. sein
        Anspruch kann bei weiteren Verstößen auch ganz entfal-
        len. In der Praxis erwiesen sich diese Sanktionsmechanis-
        men allerdings bislang als wenig effektiv, und es war sehr
        aufwendig, diese auch „gerichtsfest“ zu gestalten. Zur
        Feststellung der Sachlage bedarf es im Einzelfall erhebli-
        chen Prüfungsaufwandes. Die Ämter machen daher bei
        der Durchführung von den vorhandenen Sanktionsmög-
        lichkeiten nur zurückhaltend Gebrauch.
        Eine Sozialhilfe-Reform muss also darauf hinwirken,
        die Eigenverantwortung und das Solidaritätsprinzip, wel-
        ches im Kern ein Gegenseitigkeitsprinzip ist, zu stärken.
        Die vorhandenen Sanktionsmechanismen müssen daher in
        Zukunft straffer und stärker angewandt werden. Während
        bisher die Beweislast, dass ein Sozialhilfeempfänger ent-
        gegen seiner Behauptung arbeitsfähig ist, nach der Recht-
        sprechung beim Sozialamt liegt, wollen wir – und die
        Union hat sich klugerweise angeschlossen – eine Umkehr
        der Beweislast: Der Sozialhilfeempfänger muss darlegen,
        dass er nicht selber seinen Lebensunterhalt bestreiten
        kann, wenn er staatliche Unterstützung will. Nur beim
        Nachweis eigener Bemühungen zur Aufnahme von Arbeit
        besteht dann der Anspruch auf das so genannte sozio-kul-
        turelle Existenzminimum, also diejenigen Leistungen, die
        über das materielle Existenzminimum hinaus für die Ein-
        gliederung des Bedürftigen in die Gesellschaft erforderlich
        sind.
        Die Opposition in diesem Haus, FDP und Union, ha-
        ben deutlich gemacht, wie ihre Vorstellungen zur Reform
        der Sozialhilfe aussehen. Die derzeitige Bundesregierung
        hingegen will erst nach der Bundestagswahl konkrete Re-
        formvorschläge machen. Die ruhige Hand aber ist gerade
        bei dieser Frage besonders fehl am Platze. Es geht um
        wertvolle Zeit, die jetzt genutzt werden muss.
        Pia Maier (PDS): Es geht auf Weihnachten zu. Der
        Titel des Antrages der CDU „Hin zu einer Kultur von
        Geben und Nehmen“ klingt in dieser Zeit ja sehr ange-
        messen. Ich dachte immer, im Sinne der christlichen
        Weihnacht hieße es: Geben ist seliger denn Nehmen.
        Was die CDU hier anbietet, ist den Leuten die Arbeits-
        losenhilfe weg zu nehmen und ihnen nur gegebenenfalls
        Sozialhilfe zu geben. Damit schicken sie fast 1,5 Milli-
        onen Menschen in die Armut. Die CDU will, dass alle
        Arbeitsfähigen erst beweisen, dass sie Arbeit annehmen
        würden. Dann sollen sie erst vollen Anspruch auf staatli-
        che Unterstützung haben. – Christlich ist das ganz gewiss
        nicht, vereinbar mit dem Grundgesetz und der Menschen-
        würde aber auch nicht.
        Sie gängeln mit diesem Antrag alle Arbeitslosen, die
        nach einem Jahr keinen neuen Arbeitsplatz haben.
        Es soll ja vorkommen bei 4 Millionen Arbeitslosen.
        Vermutlich fehlen 7 Millionen Arbeitsplätze. Da sind
        1,5 Millionen offene Stellen nur ein schwacher Trost. Ar-
        beitslosigkeit ist ein strukturelles Problem, nicht nur eines
        fehlender oder falscher Qualifikation. Es kommt heute oft
        genug vor, dass gut ausgebildete Menschen ihren Arbeits-
        platz verlieren und ein Jahr lang keine Arbeit finden. Die
        sollen ihrem Willen nach dann keinen Anspruch auf
        Arbeitslosenhilfe mehr haben, wenn überhaupt bekämen
        sie Sozialhilfe.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20799
        (C)
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        Darf ich Ihnen mal vorrechnen, was einer normalen
        Familie dann passieren würde? Ein Fallbeispiel, nach Ma-
        terial von Prof. Gerhard Bäcker/Hochschule Niederrhein,
        ein Beispiel aus dem Jahr 2000, das in anderen Bundes-
        ländern so ähnlich wäre: Der Ehemann, 42, 14 Monate ar-
        beitslos, vorher 6 000 Mark brutto, Ehefrau, erwerbstätig,
        2 900 Brutto, beide Steuerklasse IV, ein Kind: 5 Jahre alt,
        Warmmiete 828 Mark. Im Anschluss an das Arbeitslosen-
        geld hat der Ehemann rechnerisch Anspruch auf Arbeits-
        losenhilfe in Höhe von 1 950 Mark und auf 270 Mark
        Kindergeld. Dann die Bedürftigkeitsprüfung: Das Ein-
        kommen der Ehefrau wird angerechnet, Unterhalt für das
        Kind und andere Sachen wieder abgezogen. Ausgezahlt
        werden 1 721,15 Mark Arbeitslosenhilfe. Das Haushalts-
        einkommen der Familie läge nach derzeitigem Recht bei
        4 027 Mark. Ihrem Antrag folgend, gäbe es nach dem Ar-
        beitslosengeld keinen lohnbezogenen Anspruch mehr, nur
        gegebenenfalls Sozialhilfe.
        Was würde der Beispielfamilie passieren? Sozialhilfe
        rechnet für die Familie mit einem Kind, alte Bundeslän-
        der einen Gesamtbedarf von 1 260 Mark, plus Warmmiete
        macht hier 2 088 Mark. Das Einkommen der Ehefrau wird
        voll angerechnet, ebenso das Kindergeld. Es bleibt ein
        Anspruch auf 150,50 ergänzende Sozialhilfe. Das Haus-
        haltseinkommen läge bei 2 456,50 DM. Das sind gut
        1 500 DM weniger.
        Schöne Bescherung, die Sie den Familien hier bieten.
        Das ist nicht nur ein Computer weniger für die Kleine auf
        dem Gabentisch. Das heißt auch keine Rentenbeiträge,
        kein Berufsschutz, quasi Arbeitszwang. Denken Sie bitte
        nochmal darüber nach, wenn Sie mit Ihrer Familie unterm
        Weihnachtsbaum sitzen! Malen Sie sich aus, wie es Ihren
        Angehörigen ginge, die jetzt normal verdienen! Nach ei-
        nem Jahr Arbeitslosigkeit endet das Arbeitslosengeld.
        Dann bleibt nur der Anspruch auf Sozialhilfe.
        Das ist wirklich ein gigantisches Verarmungspro-
        gramm. Und nebenbei: Gerade hat das DIW festgestellt,
        dass mehr Geld in den Taschen von Normalverdienern das
        Wachstum antreibt, Arbeitsplätze schafft – wie in Frank-
        reich geschehen. Die Lohnzurückhaltung hierzulande war
        ein Fehler und weitere Verarmung derer, die auf Sozial-
        leistungen angewiesen sind, wäre es auch.
        Dabei gibt es heute schon genug Arbeitslose, die in Ar-
        mut leben. Wenn das Einkommen nur unterdurchschnitt-
        lich war, das Berechnungsgrundlage der Arbeitslosenhilfe
        ist, ist der Punkt schnell erreicht, an dem ergänzende So-
        zialhilfe beantragt werden könnte.
        Im Gegensatz zu den guten Gaben der CDU, schlägt
        die PDS etwas vor, was das Einkommen bei Arbeitslosig-
        keit sichert: Eine Grundsicherung in der Arbeitslosenver-
        sicherung. Wie bei der Rente sollen Arbeitslosen Leistun-
        gen in Höhe der Sozialhilfe garantiert werden. Die sollen
        ihnen nicht nur zustehen, wie jetzt auch schon, sie sollen
        diese Leistungen ohne weiteren Ärger mit den Ämtern
        auch erhalten. Wir wollen, dass sich ein Amt um alle Ar-
        beitslosen kümmert – auch um die, die heute noch in der
        Sozialhilfe sind, weil sie noch gar keinen Anspruch in der
        Arbeitslosenversicherung aufgebaut haben.
        Wir wollen, dass die Leistungen gebündelt werden. Es
        sind immerhin beides steuerfinanzierte Leistungen. Die
        Kommunen haben die Arbeitslosigkeit lange genug mit-
        finanziert und könnten eine Entlastung vertragen. Wir
        wollen, dass sowohl die Betreuung und Unterstützung des
        Sozialamtes in Anspruch genommen werden kann, wenn
        nötig, wie auch die Möglichkeiten zur Qualifizierung,
        Weiterbildung, Arbeitsförderung, die das Arbeitsamt bie-
        tet. Das liegt im Interesse aller, die arbeiten wollen.
        Meine Damen und Herren, das wäre eine Zusammen-
        führung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die der
        Vorweihnachtszeit angemessen ist. Das wäre kein Ver-
        armungsprogramm, weder jetzt noch im Alter. Damit
        könnten sich die Familien keine Edeltanne leisten, aber
        wenigstens einen Weihnachtsbaum.
        Anlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Übergangslösung für Umsatzbesteuerung von
        Sportanlagen
        – Umsatzbesteuerung von Sportanlagen wirt-
        schaftsfreundlich gestaltet
        (Tagungsordnungspunkt 28 und Zusatztages-
        ordnungspunkt 25)
        Horst Schild (SPD): Der BFH hat mit seinem Urteil
        vom 31. Mai 2001 seine bisherige Rechtsprechung zur
        Umsatzsteuerpflicht der Vermietung von Sportanlagen
        aufgegeben. Die Vermietung ist nicht mehr in eine um-
        satzsteuerfreie Grundstücksvermietung und eine umsatz-
        steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen
        aufzuteilen. Vielmehr wird unter Hinweis auf die neueste
        Rechtsprechung des EuGH eine einheitliche umsatzsteu-
        erpflichtige Leistung angenommen.
        Das Urteil wurde von einem Angehörigen der Branche
        erstritten. Es schafft zunächst einmal Rechtssicherheit, da
        bisher häufig Streitfälle der Anlagenbetreiber mit der Fi-
        nanzverwaltung über die Abgrenzung der Einnahmen auf-
        traten, welche auch eine sehr differenzierende Rechtspre-
        chung bewirkt hatten.
        Nach Veröffentlichung im Bundessteuerblatt II ist das
        Urteil allgemein zu beachten. Für neue Investitionen in
        Sportanlagen ist nunmehr der volle Vorsteuerabzug zuläs-
        sig. Gleiches gilt für die Erweiterung und Modernisierung
        von Altanlagen. Dies kann zu einem spürbaren Investiti-
        onsschub führen.
        Für Altanlagenbetreiber können gleichwohl Schwie-
        rigkeiten auftreten. Diesen stand in der Vergangenheit
        nicht die Vorsteuerabzugsmöglichkeit ihrer Investitionen
        zu. In Zukunft unterliegen sie dagegen einer vollen Um-
        satzsteuerpflicht.
        Steuerliche Milderungen ergeben sich für Altanlagen-
        betreiber aus dem Umsatzsteuergesetz und der Abgaben-
        ordnung. Für Altanlagen, die weniger als zehn Jahre be-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120800
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        trieben wurden, besteht nach § 15 a UStG die Möglichkeit,
        zugunsten des Unternehmers noch eine teilweise Berichti-
        gung des Abzuges der auf die Anschaffungs- und Herstel-
        lungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen.
        Dieses nachträgliche teilweise Vorsteuerabzugsrecht be-
        steht nicht für Betreiber, deren Anlagen älter als zehn Jahre
        sind.
        Sollte die neue Rechtsprechung dazu führen, dass die
        Erhebung der Umsatzsteuer im Einzelfall unzumutbar
        oder mit erheblichen Härten verbunden ist, kommen per-
        sönliche Billigkeitsmaßnahmen nach den §§ 163, 227 AO
        durch das zuständige Finanzamt in Betracht. Da nicht aus-
        geschlossen werden kann, dass diese Milderungsoptionen
        ausreichend sind, und die Existenzfähigkeit von Altan-
        lagenbetreibern berührt sein kann, prüfen wir derzeit die
        konkreten Auswirkungen der neuen Rechtsprechung und
        wägen ab, ob eine Übergangsregelung notwendig ist.
        Norbert Barthle (CDU/CSU): Die heutige Debatte
        hat den Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Über-
        gangslösung für Umsatzbesteuerung von Sportanlagen“
        zum Gegenstand. Ziel dieses Antrags ist es, unsere Sport-
        vereine, deren Hunderttausende Mitglieder und auch die
        in die Millionen gehenden, nicht organisierten Sporttrei-
        benden vor neuen finanziellen Belastungen zu schützen.
        Dieses Ziel ist, denke ich, bei allen Fraktionen dieses Ho-
        hen Hauses unumstritten. Ich würde mich sehr freuen,
        wenn wir uns im Laufe der Debatte auch über den Weg da-
        hin einigen könnten; unsere Vereine und ihre Mitglieder
        sollten es uns wert sein.
        Der Anlass für diese Debatte ist eigentlich ein sehr er-
        freulicher: Mit Urteil vom 31. Mai 2001 hat der Bundes-
        finanzhof die kommerzielle Nutzungsüberlassung von
        Sportanlagen in vollem Umfang der Umsatzsteuer unter-
        worfen. Er beurteilte die Vermietung von Sportanlagen als
        einheitliche Leistung und verabschiedete sich damit von
        seiner früheren Rechtsprechung und auch der Verwal-
        tungspraxis, die eine Aufteilung in 80 Prozent steuerfreie
        und 20 Prozent steuerpflichtige Einnahmen vorsah. Damit
        werden zum Beispiel die Einnahmen, die ein Tennisclub
        durch die Vermietung seiner Plätze an Nichtmitglieder er-
        zielt, vollständig umsatzsteuerpflichtig.
        Diese Änderung wird im Grundsatz von der
        CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt. Zum einen ist es
        im Hinblick auf Vereinfachung und Vereinheitlichung
        sinnvoll, dass nicht mehr zwischen steuerfreier Grund-
        stücksvermietung und steuerpflichtiger Vermietung von
        Betriebsvorrichtungen unterschieden wird. Wie das Bun-
        desfinanzministerium in seiner Bewertung des Urteils
        vom 27. August 2001 zutreffend ausführt, hilft es, die bis-
        weilen undurchsichtige Kasuistik und die differenzie-
        rende Rechtsprechung zu diesem Thema zu beseitigen, es
        schafft Klarheit und Rechtssicherheit.
        Zum anderen ist mit dieser einheitlichen Unterwerfung
        aller Einnahmen unter die Umsatzbesteuerung auch ver-
        bunden, dass den Vereinen zukünftig bei der Anschaffung
        oder Herstellung neuer Sportanlagen für die gesamten
        Kosten in vollem Umfang der Vorsteuerabzug zusteht und
        nicht – wie bisher – ebenfalls nur anteilig für die Be-
        triebsvorrichtungen. Dieser Vorsteuerabzug wird zukünf-
        tig bei der Finanzierung neuer Sportstätten als Finanzie-
        rungsinstrument eine wichtige Rolle spielen. Die volle
        Umsatzsteuerbelastung wird dabei sicher gerne in Kauf
        genommen werden; die kann direkt bei der Kalkulation
        mit einbezogen werden. Dabei ist die belastende Wirkung
        wesentlich geringer, als die entlastende Wirkung, die
        durch den Vorsteuerabzug entsteht.
        In jedem Fall wird den Sportvereinen geholfen, sich
        auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen.
        Denn wie sieht die Realität in unseren Sportvereinen aus?
        Es bedarf angesichts der zahlreichen neuen Trendsport-
        arten, der vielfältigen sonstigen Möglichkeiten der
        Freizeitgestaltung enormer Anstrengungen, um für die
        Mitglieder und Gäste attraktiv zu bleiben. Neubau, Umbau,
        Ausbau, das Schaffen zusätzlicher Sport- und Freizeitan-
        gebote stellt viele unserer Vereine vor nur schwer lösbare
        Probleme. Der zukünftig mögliche Vorsteuerabzug wird sie
        besser in die Lage versetzen, auf die neuen Herausforde-
        rungen zu reagieren und sich dem geänderten Freizeitver-
        halten der Menschen in Deutschland anzupassen.
        Ein kleines „ceterum censeo“ sei mir als Philologen
        hier gestattet: Angesichts der vielen Knüppel, die die rot-
        grüne Bundesregierung gerade den Ehrenamtlichen und
        den Vereinen in diesem Land in den letzten drei Jahren
        zwischen die Beine geworfen hat – erinnert sei zum Bei-
        spiel an das 630-Mark-Gesetz sowie die Regelungen zur
        Scheinselbstständigkeit –, ist jede Verbesserung der Si-
        tuation auch dringend notwendig.
        Doch zurück zum Thema: Warum unser Antrag, wenn
        sich die Situation der Vereine doch so verbessert hat?
        Ganz einfach, die neue Rechtsprechung und auch die
        Schlussfolgerungen, die vom Bundesfinanzministerium
        und der Finanzverwaltung daraus gezogen werden, haben
        einen großen Pferdefuß: Sie gelten uneingeschränkt auch
        für die Betreiber von bereits bestehenden Sportanlagen,
        und die damit verbundenen Belastungen sind für diese
        Betreiber, für die Vereine nicht akzeptabel. Für die Be-
        treiber dieser so genannten Altanlagen gilt zwar einerseits
        die unbeschränkte Umsatzsteuerpflicht, andererseits aber
        partizipieren sie nur sehr eingeschränkt von der Möglich-
        keit des Vorsteuerabzugs. Diese Schieflage ist zu korri-
        gieren. Dazu fordern wir Sie mit unserem Antrag auf, und
        ich hoffe, Sie werden sich diesem Ansinnen nicht ver-
        schließen.
        Wie ist die aktuelle Sachlage? Für einen Verein, der bis
        zum Jahr 2000 eine Sportanlage angeschafft oder herge-
        stellt hat, wird zwar ab sofort die volle Umsatzsteuer auf
        alle Einnahmen fällig; er kann die zum Teil sehr hohen
        Anschaffungs- und Herstellungskosten aber nur gemäß
        §§ 15 a Umsatzsteuergesetz im Rahmen des nachträgli-
        chen teilweisen Vorsteuerabzugs geltend machen und
        dann auch nur für die letzten zehn Jahre. Da jedoch rund
        80 Prozent der Altanlagen älter als zehn Jahre sind, wird
        dies für nahezu alle der 7 000 Altanlagenbetreiber zu er-
        heblichen finanziellen Mehrbelastungen führen, da sind
        sich die Fachleute in den Sportverbänden vom Freiburger
        Kreis bis zum Deutschen Sportbund einig. Dies wird
        – nach meinen Informationen – selbst vom finanzpoliti-
        schen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, unserem
        Kollegen Jörg-Otto Spiller, auch so gesehen. Ich würde es
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20801
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        im Interesse des Sports und der Sporttreibenden wirklich
        begrüßen, wenn wir alle hier zu einer Verständigung kä-
        men und diese unvorhersehbaren Zusatzbelastungen ab-
        mildern könnten.
        Dass ich hier nicht von „peanuts“ rede, mag folgendes
        Beispiel verdeutlichen: Ein gemeinnütziger Verein, der
        1993 eine 2-Feld-Tennisanlage errichtet und damals rund
        2 030 000 DM dafür aufgewendet hat, erfährt eine finan-
        zielle Mehrbelastung in Höhe von rund 99 500 DM. Ob
        dies auf die Mitglieder umgelegt werden oder durch
        höhere Nutzungsgebühren ausgeglichen werden kann,
        bezweifle ich entschieden. Hier ist eine Lücke, wenn Sie
        so wollen, eine Gerechtigkeitslücke entstanden, die wir
        als Parlamentarier zu schließen haben.
        Wie könnte nun eine Lösung aussehen? In unserem
        Antrag fordern wir lediglich, dass eine Übergangsrege-
        lung für Altanlagen zu finden ist. Über die Art und Weise
        können und sollten wir gemeinsam nachdenken. Meines
        Erachtens sind verschiede Möglichkeiten denkbar: Die
        FDP fordert in einem Antrag, durch einen Nichtanwen-
        dungserlass seitens der Bundesregierung sicherzustellen,
        dass die geänderte Rechtsprechung nur für neue Anlagen
        Anwendung findet. Dies könnte ein Ansatz sein. Viel-
        leicht wäre den Vereinen auch schon gedient, wenn in
        einer zehnjährigen Übergangszeit für Altanlagen die bis-
        herige anteilige Einnahmeversteuerung weiter gelten
        würde, um sich auf die veränderte Situation einzustellen.
        Denkbar ist weiterhin, die Belastungen dadurch zu ver-
        ringern, dass eine weitergehende, wenn möglich volle
        rückwirkende Geltendmachung von Vorsteuern auch für
        Altanlagen zugelassen wird.
        Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass viele
        Wege zum Ziel führen können. Ich bin auch sicher, dass
        die finanzielle Belastung für den Bundeshaushalt durch
        geringfügige Steuermindereinnahmen in diesem Fall pro-
        blemlos zu verkraften ist, zumal die Ausgangssituation ja
        so ist, dass die geänderte Rechtsprechung zu unerwarte-
        ten Steuermehreinnahmen führen würde. Diesen, wenn
        man so will, „Mitnahmeeffekt“ sollte sich die Bundesre-
        gierung verkneifen. Dies gilt umso mehr, wenn man sich
        vor Augen hält, welchen gewaltigen, auch volkswirt-
        schaftlichen Nutzen die Vereine insgesamt für unser
        Gemeinwohl erbringen. Sie haben es verdient, wenn wir
        uns zusammen bemühen, für dieses Detailproblem eine
        schnelle, unbürokratische und gerechte Lösung zu finden.
        Dazu lade ich uns alle ein.
        Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 31. Mai dieses
        Jahres seine Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen
        Behandlung der Nutzungsüberlassung von Sportstätten
        verändert. Nunmehr unterliegt die Überlassung von
        Sportanlagen der Umsatzsteuerpflicht. Es besteht jetzt
        Rechtssicherheit, dass die Vermietung von Grundstücken
        und Betriebsvorrichtungen eine einheitliche umsatzsteu-
        erpflichtige Leistung darstellt. Die Streitverfahren, die
        Anlagenbetreiber und Finanzverwaltung in einem nicht
        unerheblichen Maße belastet haben, gehören der Vergan-
        genheit an.
        Wir haben vor kurzem im Sportausschuss Einverneh-
        men darüber erzielt, den DSB zu bitten, uns die notwen-
        digen Informationen zu dieser Thematik aus der Sicht des
        Sports zur Verfügung zu stellen. Der Bericht steht noch
        aus. Daher wäre es auch für die Opposition angemessen
        gewesen, nicht durch vorschnelle Anträge den Bericht des
        DSB vorab zu entwerten. Solche interessengeleiteten
        Schnellschüsse in ausgewählten Einzelfragen werden je-
        doch die Regierungskoalition von ihrer verantwortungs-
        vollen Steuer- und Finanzpolitik nicht abbringen lassen.
        Unser Vorschlag ist stattdessen: Lassen Sie uns die Stel-
        lungnahmen abwarten, um einen Überblick über die Aus-
        wirkungen des Urteils zu bekommen. Lassen Sie uns die
        dann vorliegenden Zahlen in den Ausschüssen bewerten.
        Lassen Sie uns abschließend prüfen, ob Veränderungen
        wie Übergangsregelungen wirklich sinnvoll und notwen-
        dig sind und in das steuerliche Gesamtkonzept passen. Ich
        bin daher eher skeptisch, dass eine kurzfristige Über-
        gangsregelung zur notwendigen Verlässlichkeit und
        Gleichbehandlung in der Steuerpolitik beitragen kann.
        Ich sehe bisher auch nicht, weshalb im Sport durch eine
        von der Opposition geforderte Übergangsregelung ein
        Tennisboom entstehen soll. Wenn ein kommerzieller Ten-
        nisplatzanbieter seine geringe Platzauslastung beklagt,
        kann dies nicht immer auf die veränderte Rechtsprechung
        des Bundesfinanzhofs zurückgeführt werden. Es gehört
        zur sportpolitischen Ehrlichkeit dazu, dass das vermeint-
        liche Leistungstief des Tennissports in Deutschland auf
        andere Faktoren zurückzuführen ist, wie auf den Rücktritt
        von erfolgreichen Sportlerinnen und Sportlern oder auf
        ein seit langem erkennbares verändertes Freizeitverhalten
        in der Gesellschaft.
        Ein Blick auf die Interessenlage der Länder verdeut-
        licht, dass dort mehrheitlich kein Handlungsbedarf gese-
        hen wird. Zeigen Sie mir die Länder und die Kommunen,
        die ohne Prüfung der Sachlage auf ihren Anteil an der
        Umsatzsteuer verzichten würden! Im Übrigen bringt das
        Urteil des Bundesfinanzhofs auch Vorteile. Positiv ist
        doch, dass eine Modernisierung der Sportanlagen erwar-
        tet werden kann, denn die Investoren haben jetzt bei
        zukünftigen Investitionen die Möglichkeit, den Vorsteu-
        erabzug voll in Anspruch zu nehmen. Dieser Investitions-
        schub führt dazu, dass Sportanlagenbetreiber und Nutzer
        gleichermaßen von einem modernen Sportangebot in
        Deutschland profitieren.
        Zum Schluss noch etwas Grundsätzliches. Der Sport
        hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant professiona-
        lisiert und kommerzialisiert. Sport ist längst nicht mehr
        nur die ehrenamtlich betriebene Freizeitkultur zum Wohle
        der Jugend und der Allgemeinheit. Sport ist – nicht über-
        all, aber doch weit mehr, als wir uns oft eingestehen
        möchten – Geschäft, Arbeitsplatz und Wirtschaftsfaktor
        geworden. Die schlichte Konsequenz ist dann aber auch,
        dass wirtschaftliche Tätigkeit im Sport wie Geschäfte und
        Investitionen in anderen Wirtschaftszweigen steuerrecht-
        lich gleichbehandelt wird. Sollte die Nachwuchsarbeit im
        Sport wirklich durch diese Gleichbehandlung leiden,
        müssten wir vermutlich Lösungen anstreben, die nicht das
        Steuerrecht betreffen.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120802
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        Dr. Klaus Kinkel (FDP):Vordergründig geht es heute
        um ein nicht ganz einfaches steuerrechtliches Thema. Der
        Bundesfinanzhof hat Ende Mai entschieden, dass kom-
        merzielle Sporthallen künftig voll umsatzsteuerpflichtig
        sein sollen – auch Altanlagen, die nicht von Vorsteuerab-
        zugsmöglichkeiten profitieren können. Er weicht damit
        von der bisherigen Rechtsprechung ab – und auch von der
        bisherigen Verwaltungspraxis.
        Das Bundesfinanzministerium will dieses Urteil an-
        wenden. Den Betreibern der Hallen werden zusätzliche
        Kosten aufgebürdet, die sie auf die Tennis-, Badminton-
        oder Squashspieler umlegen werden, die ihre Hallen be-
        nutzen. Wenn ich in meiner Freizeit in einer Halle künftig
        Tennis spielen will, wird die Stunde einige Euro teurer
        werden. Das ist nicht schön, aber damit muss, ja damit
        kann ich leben.
        Aber darum geht es hier nicht wirklich. Es geht darum,
        dass circa 7 000 Betreiber von Altanlagen mit Wettbe-
        werbsnachteilen gegenüber den Betreibern von Neuanla-
        gen rechnen müssen. Es geht darum, dass dabei bis zu
        160 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.
        Die Anlagenbetreiber laufen Sturm – sie fühlen sich
        benachteiligt, in ihrer Existenz bedroht, und es ist berech-
        tigt, dass sie unsere Hilfe erbitten. Sporthallen sind mit-
        telständische Betriebe – und der Mittelstand hat unter der
        rot-grünen Bundesregierung weiß Gott genug zu leiden.
        Das zeigen die Zahlen, und das zeigt vor allem ein Blick
        auf die Arbeitslosenstatistik; ich brauche das nicht extra
        zu betonen.
        Aber bei der Anwendung dieses neuen Urteils durch
        das BMF geht es vor allem darum, dass mit dieser Ent-
        scheidung dem Breitensport in unserem Land ein schwe-
        rer Schlag versetzt wird. 4 Millionen Menschen betreiben
        in solchen Hallen regelmäßig ihren Sport, Menschen, die
        sich Preiserhöhungen zum Teil sicher leisten können, aber
        eben in großer Zahl auch Kinder, Jugendliche, Vereine,
        die auf die preiswerte Nutzung von Sporthallen angewie-
        sen sind, Vereine, die schon signalisiert haben, dass sie
        sich die anstehenden Preiserhöhungen nicht leisten kön-
        nen, dass sie möglicherweise Jugendabteilungen dicht-
        machen müssen, dass die Nachwuchsarbeit leiden wird.
        Nicht nur die Anlagenbetreiber, sondern auch die Ver-
        eine laufen Sturm gegen die Entscheidung – und wenigs-
        tens das sollte uns aufhorchen lassen. Der Breitensport ist
        nicht nur eine zentral wichtige Voraussetzung für die Zu-
        kunft unseres Landes als große Sportnation. Denn Brei-
        tensport ist die Basis des Spitzensports – und die
        Boris Beckers von morgen wachsen nicht auf Hinterhöfen
        heran; sie müssen in Vereinen trainieren und gefördert
        werden, auf Tennisplätzen und in Tennishallen.
        Aber beim Breitensport geht es auch darum, unsere
        Kinder und Jugendlichen von der Straße zu holen, ihre
        Gesundheit, ihre Sozialkompetenz, ihren Leistungswillen
        usw. zu fördern. Den Breitensport darf man nicht einfach
        mit Kategorien des „Kommerzes“ behandeln – schlimm
        genug, was die Kommerzialisierung des Sports in Teilen
        aus unserem Spitzensport gemacht hat. Tennishallen sind
        keine Kaufhäuser. Sie werden von unterschiedlichen
        Gruppen benutzt – und sozial schlechter gestellte Nutzer
        können bei Preiserhöhungen eben nicht einfach vom
        KaDeWe auf Woolworth ausweichen; so darf man den
        Sport nicht angehen.
        Der Breitensport ist eine wichtige Säule unseres Ge-
        sellschaftssystems, die nicht mit finanzpolitischer Krä-
        merseele kaputtbesteuert werden darf. Das muss die
        Bundesregierung einsehen – und auch der Bundesfi-
        nanzminister.
        Deshalb fordert die FDP-Bundestagsfraktion die Bun-
        desregierung auf, durch einen Nichtanwendungserlass si-
        cherzustellen, dass die geänderte Rechtsprechung des
        Bundesfinanzhofes nur für neue Anlagen gilt – zum
        Wohle des Mittelstandes und vor allem zum Wohle der
        unzähligen Breitensportler in Deutschland.
        Heidemarie Ehlert (PDS): Bei der Reaktion auf das
        Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31. Mai 2001 durch
        die Kollegen und Kolleginnen der CDU/CSU und der
        FDP sage ich mit Oswald Spengler: „Der Geist denkt, das
        Geld lenkt.“ Denn um Letzteres geht es, es geht nicht um
        die Umsatzbesteuerung von Sportanlagen schlechthin;
        sondern es geht darum, die kommerzielle Nutzungsüber-
        lassung von Sportanlagen in vollem Umfang der Umsatz-
        steuer zu unterwerfen und damit möglicherweise Ge-
        winne zu schmälern oder auch nicht, denn die Vorsteuer
        kann ja geltend gemacht werden. Somit ist auch ein An-
        stieg der Nutzungsentgelte nicht automatisch gegeben.
        Die bisherige partielle Steuerbefreiung, wonach die
        Grundstücke steuerfrei vermietet werden und die darauf
        stehenden Sportanlagen einschließlich Duschen, Toiletten
        und Umkleideräumen mit Umsatzsteuer belegt werden,
        entsprach höchstrichterlicher Rechtsprechung, auch wenn
        es mitunter in der Praxis schwierige Abgrenzungspro-
        bleme gab. Die jähe Wendung des Bundesfinanzhofes hat
        europäische Ursachen und wir mussten schon in gewich-
        tigeren Fragen von Ihnen, meine Damen und Herren der
        CDU/CSU und der FDP, hören: Wer A sagt, muss auch B
        sagen.
        Nun sind wir allerdings auch der Meinung, dass es
        zwingendere sofort zu lösende Probleme gibt und wir uns
        im Fall der Durchsetzung der Umsatzbesteuerung bei
        kommerzieller Nutzung von Sportanlagen ein genaues
        Bild über mögliche Auswirkungen der geplanten Ände-
        rungen machen sollten. Eine Anhörung von Betreibern
        von Sportanlagen und betroffenen Vereinen, Verbänden
        und kommunalen Spitzenverbänden über die Vor- und
        Nachteile der bisherigen Regelungen sowie über zu er-
        wartende Auswirkungen der Umsetzung des Urteils des
        Bundesfinanzhofes sollte die Grundvoraussetzung für
        eine weitere Diskussion in den Ausschüssen und im Par-
        lament sein.
        Außerdem sollte geprüft werden, wie viele Unterneh-
        men denn von der Umsetzung des Urteils des Bundesfi-
        nanzhofes betroffen sind. Im Antrag der CDU/CSU wird
        von rund 7 000 Unternehmen gesprochen. In einer Ant-
        wort des niedersächsischen Finanzministeriums auf eine
        Kleine Anfrage genau zu dieser Thematik konnten keine
        Zahlen genannt werden, da keine entsprechenden statisti-
        schen Angaben vorhanden sind. Auch über mögliche
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        Übergangsregelungen kann konkreter verhandelt werden,
        wenn sowohl die Zahl der Betroffenen wie auch die fi-
        nanziellen Auswirkungen für die Altanlagenbetreiber klar
        sind, wobei ich deren Ruin nicht unbedingt voraussehe, da
        die Nutzerinnen und Nutzer der kommerziellen Anlagen
        schon jetzt für Fitness, Schönheit und Wellness ganz
        schön zur Kasse gebeten werden.
        Aber ich sehe schon die Gefahr, dass diese Neurege-
        lung zur Preiserhöhung genutzt werden kann. Wir sollten
        uns aber auch in den Ausschüssen des Bundestages dafür
        einsetzen, dass auch künftig die Nutzung von Sportanla-
        gen für jede Bürgerin und jeden Bürger unabhängig vom
        „Geldbeutel“ möglich sein muss. Freizeitsport darf kein
        Luxusgut werden.
        Anlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
        Berichts zu den Anträgen:
        – Mehr Eigentum, mehr private Anbieter und ziel-
        genaue Hilfen zum Strukturwandel am Woh-
        nungsmarkt in den neuen Bundesländern
        – Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe
        Wohnungsleerstand Ost sachgerecht modifizie-
        ren und umsetzen
        – Altschuldenbefreiung für abzureißende bzw.
        rückzubauende Wohnungen
        (Tagesordnungspunkt 29)
        Dr. Peter Danckert (SPD): Die Ursachen für die Pro-
        bleme der ostdeutschen Städte sind Arbeitsplatzabbau und
        eine damit verbundene Wanderung vor allen in die alten
        Länder, eine Vernachlässigung der Innenstädte, langwie-
        rige Restitutionsverfahren, die Investitionen verhindert
        haben, und Abwanderung ins Umland. Trotz einer rück-
        läufigen Wohnbevölkerung wurde die Siedlungstätigkeit
        an den Stadträndern und Umlandgemeinden durch die
        Beibehaltung der steuerlichen Förderung über Bedarf
        ausgeweitet. Viele Neubauwohnungen sind entstanden,
        die heute zum großen Teil nicht genutzt werden. In den al-
        ten Industrieregionen finden wir viele Industriebrachen
        und vor allem leer stehende Hochhauskomplexe, die ab-
        gerissen und punktuell zurückgebaut werden müssen.
        Kurz gesagt: Eine schwierige Situation!
        Ziel des neuen „Stadtumbauprogramms Ost“ der Bun-
        desregierung ist es, die Städte gesundschrumpfen zu las-
        sen und den Bürgern eine höhere Lebensqualität als vor-
        her zu bieten. Die Maßnahmen bestehen im Wesentlichen
        aus einer Integration von Abrissmaßnahmen und Aufwer-
        tungsstrategien, wie die Förderung der Eigentumsbil-
        dung, eine Investitionszulage für Modernisierung und In-
        standsetzung in Innenstädten und der Ausschreibung
        eines Wettbewerbs von integrierten Stadtentwicklungs-
        konzepten durch den Bund. Alle Maßnahmen sind auf re-
        gionale Probleme der Städte in den neuen Ländern zuge-
        schnitten Die Fachtagung der SPD-Bundestagsfraktion
        „Perspektiven für die Stadt“ am 15. Oktober 2001 hat al-
        lerdings bezüglich des Anwendungsbereiches ergeben,
        dass es auch in den alten Bundesländern Regionen gibt,
        die über ein solches Programm gefördert werden müssten.
        Ich persönlich sehe deshalb das „Stadtumbauprogramm
        Ost“ der Bundesregierung als Werkstatt und Laborato-
        rium für den bundesweiten Stadtumbau! In Zukunft wer-
        den wir noch bedarfsorientierter vorgehen und auf regio-
        nale Bedürfnisse reagieren! Das „Stadtumbauprogramm
        Ost“ ist ein wichtiger Schritt dazu und ich freue mich,
        dass diese Leistungen auch fraktionsübergreifend aner-
        kannt werden.
        Wichtige Kernaussagen des Programms für die ge-
        samtdeutsche wohnungs- und städtebauliche Diskussion
        in der Zukunft sind die Rückbesinnung auf die Kern-
        städte, der Übergang zu einer kooperativen Planung und
        eine koordinierte Wohnungs- und Städtebaupolitik. Mit
        dem Stadtumbauprogramm wurden die Förderinstru-
        mente flexibilisiert und ihre Zielgenauigkeit erhöht.
        Natürlich bin ich mir bewusst, dass an der einen oder an-
        deren Stelle noch kleine Korrekturen durchgeführt wer-
        den müssen, weshalb ich die Anregungen der Kolleginnen
        und Kollegen der PDS und der FDP mit größter Auf-
        merksamkeit studiert habe.
        Aber einen wichtigen Punkt möchte ich in diesem Zu-
        sammenhang noch erwähnen: Die Bürgerbeteiligung. Die
        Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Lösungskonzepte
        nicht auf eine rein finanzielle Förderung beschränken dür-
        fen, sondern als Bewusstseinsprogramme verstanden
        werden müssen. Ziel kann nicht nur Marktbereinigung
        durch Rückbau sein, sondern muss auch die Rückbesin-
        nung auf die Innenstädte als attraktive Standorte sein: In-
        nenstädte müssen revitalisiert und erhaltenswerte Stadt-
        quartiere gestärkt werden. Das „Stadtumbauprogramm
        Ost“ verstehe ich deswegen als Bewusstseinsprogramm,
        als große Chance. Die gewünschte neue Planungskultur
        erfordert die Beteiligung aller Entscheidungsträger. Ne-
        ben einer größeren Bürgerbeteiligung, mit der auch Ver-
        antwortung des Einzelnen für seinen persönlichen Le-
        bensbereich einhergehen soll, müssen Investoren und
        Banken einbezogen werden. Nur mit ihnen können die In-
        nenstädte neu belebt werden.
        Bereits die Vor-Ort-Veranstaltung der SPD-Fraktion
        am 10. September 2001 in Luckenwalde hat gezeigt, dass
        unsere Zielvorgaben stimmen und die Instrumente wir-
        kungsvoll greifen. Es versteht sich von selbst, dass sich
        die Leerstände in Innenstädten bezüglich Lage und Größe
        in verschiedenen Mischungsverhältnissen darstellen und
        von Stadt zu Stadt variieren. Deshalb ging es uns auch um
        flexible Instrumente.
        Doch jetzt zu den einzelnen Maßnahmen und im An-
        schluss daran zu den Anregungen der Opposition: Das
        Programm setzt sich mit einem Gesamtvolumen an Bun-
        desmitteln in Höhe von 2,2 Milliarden DM und einer Ko-
        finanzierung durch die neuen Länder in der gleichen Höhe
        aus fünf Elementen zusammen.
        Erstens. Mit dem Zuschussprogramm für Rückbau-
        und Aufwertungsmaßnahmen werden Zuschüsse zum
        Rückbau dauerhaft nicht mehr benötigter Wohnungen so-
        wie Zuschüsse für Aufwertungsmaßnahmen finanziert.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120804
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        Dazu zählen der Erhalt von wertvollen Gebäuden in den
        Innenstädten, die Wiedernutzung freigelegter Flächen
        und die Anpassung der Infrastruktur. Neben den gerade
        genannten Mitteln von Bund und Ländern werden sich
        auch die Kommunen mit einer weiteren Milliarde DM an
        diesem Zuschussprogramm beteiligen.
        Ich denke, dass dieses Zuschussprogramm auch die
        Zustimmung der PDS findet, die ja Ähnliches fordert. Ich
        bitte aber um Verständnis, dass wir auf den kommunalen
        Eigenanteil nicht verzichten wollen. Von dem Programm
        profitieren die Gemeinden und ihre Einwohner. Das ist
        das Ziel! Auf eine Beteiligung der Kommunen, die über
        eine rein ideelle hinausgeht, verzichten zu wollen wäre an
        dieser Stelle ein falsches Signal. Es geht letztlich um eine
        gemeinsame Kraftanstrengung. Also müssen auch alle mit
        anpacken.
        Zweitens. Das zweite Element sieht eine Darlehens-
        förderung von Rückbaumaßnahmen im Rahmen des
        KfW-Wohnraummodernisierungsprogramms II vor. Kurz
        zum Hintergrund: Bereits im März 2001 waren in das ge-
        meinsam vom Bund und den neuen Ländern finanzierte
        Programm Modernisierungsarbeiten an Gebäuden der in-
        dustriellen Bauweise aufgenommen worden. Dabei muss
        es sich um solche Gebäude handeln, die nach den Ent-
        wicklungskonzepten der Kommunen dauerhaft für die
        Wohnraumversorgung zur Verfügung stehen sollen. Nach
        dem Bericht der Expertenkommission „Wohnungswirt-
        schaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ haben
        sich die Bauminister der Länder und des Bundes verstän-
        digt, das Wohnraummodernisierungsprogramm II auch
        für Stadtumbaumaßnahmen zu öffnen. So werden Maß-
        nahmen – auch die des Rückbaus – förderfähig, die zur
        Verbesserung der Rentabilität der Wohnungsbestände und
        zur städtebaulichen Erneuerung in den neuen Ländern un-
        erlässlich sind. Künftig soll der Rückbau von dauerhaft
        nicht mehr benötigten Wohnungen neben einem pauscha-
        len Zuschuss durch zinsverbilligte Darlehen der KfW
        gefördert werden. Der Forderung der FDP, strukturver-
        bessernde Maßnahmen im Wohnumfeld in das Moderni-
        sierungsprogramm II der KfW einzubeziehen, wurde
        durch das Programm der Bundesregierung längst entspro-
        chen.
        Drittens. Der dritte Punkt sieht eine höhere Investiti-
        onszulage für Mietwohnungen des innerstädtischen Alt-
        baus und eine Abschaffung der Investitionszulage für
        Selbstnutzer vor. Ziel ist es, städtebaulich wertvolle Quar-
        tiere zu revitalisieren und denkmalgeschützte Bestände
        weiterhin verstärkt zu aktivieren. Deswegen wird der För-
        dersatz von bisher 15 Prozent auf 22 Prozent erhöht und
        die förderfähigen Kosten von 1 200 DM pro Quadratme-
        ter auf 2 400 DM pro Quadratmeter verdoppelt. Außer-
        dem wird der nicht förderfähige Selbstbehalt auf 100 DM
        pro Quadratmeter erhöht, um Wohnungswirtschaftliche
        Bagatellinvestitionen zu vermeiden.
        Viertens. Das vierte Element sind Zuschüsse für die
        Wohnungseigentumsbildung zur Selbstnutzung in inner-
        städtischen Altbauquartieren; dabei stehen 50 Millio-
        nen DM jährlich zwischen 2002 und 2004 zur Verfü-
        gung. Mit diesen Beträgen werden neben der
        Eigenheimzulage über acht Jahre bei Wohnungen Mo-
        dernisierung und Instandsetzung gefördert. Dabei ist der
        Zuschuss an die Investitionen des Erwerbers bzw. des
        Bauträgers gebunden und die Förderung muss auf der
        Grundlage städtebaulicher Konzepte zum Stadtumbau
        erfolgen.
        Fünftens. Der fünfte Punkt dieses neuen Programms
        bildet der Wettbewerb zur Vorbereitung von Stadtent-
        wicklungskonzepten und wird mit 31 Millionen DM al-
        lein durch den Bund finanziert. Nach der Auftaktveran-
        staltung am 15. November 2001 hatten die Kommunen bis
        zum 1. Dezember 2001 Zeit, ihre Bewerbungsunterlagen
        zur Teilnahme am Wettbewerb bei den Ländern einzurei-
        chen. Die Resonanz auf diesen Wettbewerb war überwäl-
        tigend: Bisher liegen allein dem Bund 219, den Ländern
        weitere 50 Bewerbungen vor. Die neue Bundesregierung
        hat allein mit diesem Wettbewerb bewiesen, dass sie ziel-
        gerichtet und bedarfsgerecht auf die Probleme in den
        neuen Ländern reagiert!
        Ich möchte abschließend noch zu zwei Änderungsvor-
        schlägen der PDS und der FDPStellung nehmen: Der Vor-
        schlag zur Grunderwerbsteuerbefreiung bei Fusionen ost-
        deutscher Wohnungsunternehmen zur Unterstützung des
        Stadtumbaus gefällt mir auf den ersten Blick ganz gut. Die
        Idee, Zusammenschlüsse von Wohnungsunternehmen,
        die zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
        möglicherweise notwendig sind, über eine Befreiung von
        der Gewerbesteuer zu fördern, ist interessant. Auch der
        Einwand der Länder, dass mit einem solchen Schritt fi-
        nanzielle Einbußen einhergehen, kann ich nicht nachvoll-
        ziehen. Da nach meinem Kenntnisstand bis dato kaum
        Zusammenschlüsse in der Wohnungswirtschaft stattfin-
        den und somit auch keine Steuereinnahmen entstehen,
        werden aufgrund einer Befreiung der Wohnungsunterneh-
        men von der 3,5-prozentigen Grunderwerbsteuer keine
        Steuermindereinnahmen anfallen.
        Aber genau in dieser Feststellung, die insoweit ja auch
        logisch und nachvollziehbar ist, liegt die Krux. Denn man
        muss sich die Frage stellen, warum bis heute kaum nen-
        nenswerte Fusionen auf dem Wohnungssektor stattgefun-
        den haben. Ich denke, die Argumentation über eine ver-
        hindernde Gewerbesteuer von 3,5 Prozent allein zieht
        nicht. Denn nach meinem Kenntnisstand fällt diese Steuer
        nur an, wenn 100 Prozent des Bestandes und der Anteile
        veräußert werden. Also gibt es schon heute genügend
        Möglichkeiten, diese Steuer zu vermeiden. Meines Er-
        achtens sind die Gründe für die wenigen Zusammen-
        schlüsse eher im persönlichen Bereich zu finden. Denn
        Wohnungsgenossenschaften sind keine Kapitalgesell-
        schaften, wo es allein um Geld und Anteile geht. Woh-
        nungsgenossenschaften setzen sich aus den Personen zu-
        sammen, die Anteile an den Genossenschaften besitzen
        und in den Wohnungen vor Ort wohnen. Die persönliche
        Bindung zu so einem Wohnungsunternehmen ist deshalb
        viel größer und der Widerstand und die Vorbehalte gegen
        mögliche Fusionen naturgemäß viel höher.
        Ich denke, dass wir vor einer möglichen Änderung des
        Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes eine genaue
        Ursachenanalyse und Bedarfsprüfung vornehmen müs-
        sen! So sind mir persönlich aus Brandenburg bis jetzt nur
        zwei, drei Fälle bekannt, bei denen Wohnungsunterneh-
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        men bereits an eine mögliche Fusion gedacht haben. Ob
        man hier von einer Breitenwirkung und Entlastung spre-
        chen kann, wird sich zeigen.
        Der andere Vorschlag der beiden Fraktionen betrifft
        das Altschuldenhilfe-Gesetz. Die Kollegen von der PDS
        und der FDP sollten mir einmal erklären wie die zusätzli-
        chen Kosten von 2 Milliarden DM finanziert werden sol-
        len. Die Bundesregierung hat mit der Novellierung der
        Altschuldenhilfeverordnung, § 6 a AHG, einen weiteren
        Schritt zur Entlastung der Wohnungsunternehmen geleis-
        tet. Hier haben insbesondere die Fachpolitiker aus den
        neuen Ländern einen wesentlichen Anteil an den gesetzli-
        chen Neuregelungen. Der Bund hat für die nächsten Jahre
        700 Millionen DM zusätzliche Mittel bereitgestellt. Die
        Finanzmittel, die von den betroffenen Bundesländern in
        gleicher Höhe kofinanziert werden müssen, sollen für die
        am härtesten betroffenen Wohnungsunternehmen einge-
        setzt werden. Das von der PDS und der FDP gewünschte
        Gießkannenprinzip „Erlass für alle“ ist, wie gesagt, nicht
        machbar.
        Derzeit liegen 14 Anträge nach § 6 a AHG vor. Positiv
        beschieden wurden bisher vier Anträge, zwei Zusagen ste-
        hen unmittelbar bevor. Bei den übrigen Anträgen fehlen
        noch einige Unterlagen bis zur Vollständigkeit. Die vor-
        liegenden 14 Anträge enthalten über die Zeitschiene der
        nächsten Jahre hin gesehen insgesamt 50 000 Wohnungs-
        abrisse. Das zeigt, dass der § 6 a AHG umgesetzt wird und
        wir die von uns vorausgesagten 85 000 Abrisse über diese
        Verordnung realisieren können.
        Zwei Aspekte möchte ich in diesem Zusammenhang
        hervorheben:
        Erstens. Zu einem positiv zu bescheidenden Antrag
        gehört ein Beitrag der Banken, wie zum Beispiel der Ver-
        zicht auf Vorfälligkeitsentschädigung. Hier kann man bei
        einer ersten vorsichtigen Bewertung sagen: Die Banken
        bewegen sich. Das ist auch gut so, weil es in ihrem urei-
        gensten Interesse ist!
        Zweitens. Die Aufstellung eines Sanierungskonzeptes
        zwingt die Wohnungsunternehmen zu einer ehrlichen Bi-
        lanz. Auch dieser Punkt ist wichtig, weil eine genaue und
        fachlich begleitete betriebswirtschaftliche Analyse die
        Schwachstellen aufdeckt und den Weg in eine bessere Zu-
        kunft ebnet.
        Ich hoffe, dass mittlerweile auch der PDS und der FDP
        einleuchtet, weshalb ihre Anträge auf den Drucksachen
        14/6055; 14/6848; 14/6849 abzulehnen sind.
        Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU): Zum wiederhol-
        ten Male beschäftigen wir uns heute im Plenum mit dem
        Komplex des Wohnungsleerstandes und des Stadtumbaus
        in Ostdeutschland. Die Bundesregierung hat mit ihrem
        Programm zum Stadtumbau erste Schritte in die richtige
        Richtung getan. Es ist in jedem Fall begrüßenswert, wenn
        die Bundesregierung bereit ist, erhebliche Mittel für den
        durchaus nötigen Stadtumbau in Ostdeutschland zur Ver-
        fügung zu stellen. 40 Jahre komplexer Plattenbau auf der
        grünen Wiese und die systematische Verwahrlosung der
        Stadtkerne sind nicht spurlos an den kleinen und großen
        ostdeutschen Städten vorübergegangen. Und so ist es auch
        nur konsequent, wenn die Bundesregierung Mittel in er-
        heblichen Größenordnungen für den Stadtumbau zur Ver-
        fügung stellt. Und die Konzepte hören sich auch nicht
        schlecht an.
        Doch betrachtet man die Situation aus der Nähe, so
        kommt eine große Mogelpackung zum Vorschein: Denn
        nur ein ganz geringer Anteil der zur Verfügung gestellten
        Mittel ist tatsächlich „frisches“ Geld. Wir müssen fest-
        stellen, dass die größten Teile der Finanzierung aus den
        Bereichen Städtebauförderung und sozialer Wohnungs-
        bau umgeschichtet wurden. Es kann sich hier nur um eine
        klassische Form der Schönfärberei handeln, die wir ja von
        Rot-Grün schon sehr gut kennen. Wirkliche Effekte auf
        die Bauwirtschaft sind nicht zu erwarten. Vielmehr müs-
        sen wir sogar mit einem Absinken der Bauinvestitionen
        im nächsten Jahr rechnen, denn: Rechnen wir die Pro-
        gramme gegeneinander auf, wird insgesamt weniger Geld
        für die Modernisierung der ostdeutschen Städte zur Ver-
        fügung stehen.
        Ein weiterer wichtiger Knackpunkt ist die Gegenfinan-
        zierung durch die Länder. Die Verwaltungsvereinbarung
        zwischen Bund und Ländern scheint nun – nach monate-
        langem Gezerre – unter Dach und Fach zu sein. Jedoch
        scheiden sich immer noch am Punkt der Gegenfinanzie-
        rung die Geister. Es liegt auf der Hand, dass die ostdeut-
        schen Länder nur schwer in der Lage sind, diese Summen
        aufzubringen. Die Bundesregierung schmückt sich hier
        also mit Federn, die zum Teil von den Ländern bezahlt
        werden müssen und dort erhebliche Schwierigkeiten ver-
        ursachen. Wenn es das Ziel der Bundesregierung sein
        sollte, das Stadtumbauprogramm zum 1. Januar 2002 um-
        setzen zu wollen, so müssen wir darauf verweisen, dass
        die ohne eine geltende Verwaltungsvereinbarung schwie-
        rig ist und kaum klappen kann. Die Wettbewerbe für den
        Stadtumbau sind ausgelobt, doch die Basis – nämlich die
        Verwaltungsvereinbarung – steht noch nicht. Außerdem
        hört man Klagen aus der Wohnungswirtschaft, die den
        Selbstbehalt bei der Investitionszulage betreffen. Es ist
        fragwürdig, ob der Bauindustrie in Ostdeutschland auf
        diese Art und Weise geholfen werden kann.
        So sind Teilmodernisierungen, auf die sich die Inves-
        titionszulage bzw. der Selbstbehalt von 100 DM pro Qua-
        dratmeter beziehen, heute eher die Regel als die Aus-
        nahme. Angesichts von über einer Million leer stehender
        Wohnungen, der hohen Kreditbelastung aufgrund der
        früheren Altschulden sowie zwischenzeitlich aufge-
        nommener Modernisierungsdarlehen sind Teilmoderni-
        sierungen heute an der Tagesordnung. Gerade kleinere
        und mittlere Betriebe aus Ostdeutschland könnten hier-
        von erheblich profitieren. Dies scheint allerdings nicht im
        Sinne des vorliegenden Entwurfes der Bundesregierung
        zu sein.
        Kurzum: Das Programm Stadtumbau Ost hat viele
        Ecken und Kanten, die von der Bundesregierung gerne
        wegdiskutiert oder unter den Teppich gekehrt werden.
        Angesichts der Wohnungssituation in Ostdeutschland
        werden wir langfristig nicht um nachhaltigere Projekte
        zum Stadtumbau mit „frischem“ Geld herumkommen.
        Alle Beteiligten wissen, dass die zur Verfügung gestellten
        Mittel nicht ausreichen, um eine nachhaltige Verbesse-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120806
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        rung auf dem ostdeutschen Wohnungssektor zu bewirken.
        Damit keine Missverständnisse entstehen: Selbstver-
        ständlich begrüßen wir im Prinzip eine Unterstützung des
        Stadtumbaus, allerdings doch bitte ehrlich!
        Ein Wort zur Altschuldenhilfe: Wie Sie alle wissen, hat
        die Bundesregierung sich entschlossen, die Novellierung
        der Altschuldenhilfe in Form einer Verordnung zu betrei-
        ben. Allerdings zeigen uns die Informationen aus den
        Bundesländern, dass dies äußerst wenig bis gar keine Re-
        sonanz findet. Die Bedingungen zum Erhalt der Förde-
        rung sind derart kompliziert, dass es nach unseren
        Informationen so gut wie überhaupt nicht gelungen ist, die
        Altschuldenhilfeverordnung umzusetzen, sprich: die ost-
        deutschen Wohnungsunternehmen im Sinne dieser Ver-
        ordnung zu unterstützen. Die Bundesregierung muss sich
        ernsthaft fragen lassen, wie sie die Altschuldenhilfe in den
        nächsten Jahren entwickeln möchte bzw. ob sie bereit ist,
        eine antragstellerfreundliche Veränderung der Verord-
        nung durchzuführen.
        Nur noch einige Gedanken zum Thema Eigentum:
        Selbstverständlich sind wir der Auffassung, dass das
        Wohneigentum an sich einen großen Wert auch für die
        Stadterneuerung in Ostdeutschland darstellt. Ob das im
        Programm vorgesehene Konzept der Zuschüsse für die
        Wohneigentumsbildungen in innerstädtischen Altbau-
        quartieren allerdings der richtige Weg dahin ist, bleibt die
        Frage. Das Abrücken der Bundesregierung von dem ur-
        sprünglichen Vorschlag einer Änderung der Eigenheim-
        zulage mit befristeter Gleichstellung des Bestandserwerbs
        mit dem Neubau erfolgt offensichtlich nur deshalb, weil
        Rot-Grün in der Frage der Eigenheimförderung konsens-
        unfähig ist. In diesem Zusammenhang verweise ich auf
        die Forderung der Kollegen in Sachsen, zusätzlich die In-
        vestitionszulage für Modernisierungsaufwendungen an
        eigengenutztem Wohnraum verbessert weiterzuführen.
        Meiner Meinung nach sind wir von den Vorschlägen der
        Kollegen von der FDPnicht weit entfernt; über die Details
        wäre noch zu sprechen.
        Bei dem Antrag der FDP werden wir uns, wie im Aus-
        schuss, enthalten. Die Anträge der PDS lehnen wir ab.
        Mit großer Spannung sehe ich den Entwicklungen im
        Bereich des Stadtumbaus im kommenden Jahr entgegen
        und hoffe – und ich denke, dort sind wir uns einig – auf eine
        in jedem Fall positive Entwicklung für die Menschen in
        Ostdeutschland. Jeder von uns weiß, dass ein gutes Wohn-
        umfeld entscheidend zum Bleiben anregen kann, und un-
        sere schönen ostdeutschen Städte geben genug attraktiven
        Raum dafür. Diese Diamanten müssen nur geschliffen wer-
        den. Und dafür werden wir uns – so hoffe ich – alle in die-
        sem Haus weiter einsetzen.
        Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN): Im Kern fordern die Anträge der FDP und der
        PDS das, was das Kabinett im Sommer bereits mit dem
        Stadtumbauprogramm Ost beschlossen hat und was wir
        mit den im November abgeschlossenen Haushaltsbera-
        tungen finanziell abgesichert haben. Fünf wichtige Bau-
        steine hat die Koalition für den Stadtumbau Ost gesetzt
        und gibt damit die entscheidenden Impulse für den Abbau
        des Wohnungsleerstands und für die Stabilisierung der
        ostdeutschen Wohnungswirtschaft.
        Erstens: Wir geben mit der Reform des Altschulden-
        hilfe-Gesetzes und mit. der Härtefallregelung in § 6 a
        AHG finanzielle Entlastung von Altschulden für Woh-
        nungsunternehmen mit mehr als 15 Prozent Leerstand.
        Wir haben die Wohnungsunternehmen auch von einem
        Großteil der Altschulden bei Negativrestitution entlastet,
        was die PDS offenbar noch nicht bemerkt hat.
        Zweitens: Wir stellen mit 2 Milliarden DM an Bundes-
        mitteln bis 2009 ein langfristiges Programm für den Stadt-
        umbau bereit, das von den Ländern kofinanziert wird. Die
        Gelder werden zur Hälfte für Abriss- und zur anderen
        Hälfte für Aufwertungsmaßnahmen und Wohnumfeldver-
        besserungen eingesetzt. Die Förderobergrenze wird für
        Abriss- und Ordnungsmaßnahmen auf 120 DM/m2
        Wohnfläche festgelegt, damit keine Mitnahmeeffekte der
        Bauwirtschaft subventioniert werden.
        Drittens: Wir haben die Investitionszulage für Miet-
        wohnungen in Kerngebieten und für Sanierungsgebiete
        für den Altbau entscheidend angehoben auf 22 Prozent bei
        einer Kostenobergrenze von 2 400 DM/m2. Ein Selbstbe-
        halt von 100 DM/m2 scheint mir da angemessen.
        Viertens: Wir führen eine neue Investitionsförderung
        für Erwerber selbstgenutzten Wohneigentums im Altbau
        von Kerngebieten und Sanierungs- und Erhaltungsgebie-
        ten ein. Damit wird die Eigentumsbildung in den Innen-
        städten attraktiver gemacht und die Zersiedlung zurück-
        gedrängt.
        Fünftens: Aktuell fördert der Bund in 2001 für 31 Mil-
        lionen DM die Erarbeitung von Stadtentwicklungskon-
        zepten in 200 Städten in Ostdeutschland. Dies ist von ganz
        besonderer Bedeutung, weil damit endlich die Planung
        der Kommunen auf realistische Entwicklungsziele ausge-
        richtet wird, während die alte Planung in vielen Fällen
        noch auf den völlig überzogenen Wachstumserwartungen
        der Ära Kohl basiert.
        Sie sehen, das Programm Stadtumbau Ost ist wirklich
        eine konstruktive Herausforderung für die ostdeutschen
        Länder und Kommunen, ebenso wie für die Wohnungs-
        wirtschaft und die beteiligten Banken. Alle sind aufgefor-
        dert, nun auch ihren Beitrag zum Stadtumbau zu leisten.
        Mit ihrem Antrag macht die PDS das, was sie immer
        macht – sie fordert mehr Geld. Dass der Bund bereits
        80 Milliarden DM an Zinslasten jährlich schultern muss,
        mindert die Last der PDS an der Erhöhung der Staats-
        schulden nicht im geringsten!
        Die FDP hat die Ursachen des Wohnungsleerstands im
        Osten und die Regeln von Angebot und Nachfrage noch
        gar nicht begriffen. Sie möchte der fehlenden Wohnungs-
        nachfrage durch ein liberales Mietrecht und mehr Investi-
        tionsanreize begegnen. Gleichzeitig sollen die sinkenden
        Mieten durch erhöhtes Wohngeld kompensiert werden.
        Mit KfW-Krediten soll Wohnumfeldverbesserung künftig
        auf Darlehensbasis finanziert werden. Kurzum, ein recht
        konfuses Konzept! Die FDP stolpert immer mehr über
        ihre eigene Ideologie.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20807
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        Wichtig ist noch ein Punkt: Beide, FDP wie PDS, for-
        dern eine sehr weitgehende Befreiung der Wohnungsun-
        ternehmen von Altschulden. Das klingt gut, ist aber de
        facto schlicht eine Entlastung der Banken von ihrer Mit-
        verantwortung für die Sanierung der ostdeutschen Woh-
        nungswirtschaft. Denn das Geld muss schlicht an die Ban-
        ken durchgereicht werden. Der Wohnungswirtschaft hilft
        es nur scheinbar. Ich meine, vor jeder weiteren Hilfe des
        Bundes muss aber gerade auch über die Mitwirkung der
        Banken verhandelt werden.
        Bei allen Unterschieden über die einzelnen Maßnah-
        men sind wir uns aber fraktionsübergreifend einig in dem
        Ziel, den ostdeutschen Kommunen und Ländern und der
        Wohnungswirtschaft bei der schwierigen Aufgabe des
        Stadtumbaus zu helfen. Die Koalition hat mit ihrem Pro-
        gramm tatkräftig die Weichen in die richtige Richtung ge-
        stellt. Ich bin zuversichtlich, dass wir das nächste Mal be-
        reits über sichtbare Ergebnisse diskutieren können.
        Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP): Der wirtschaftli-
        che Strukturwandel ist in den neuen Bundesländern noch
        nicht abgeschlossen. Die Neuausrichtung auf dem Ar-
        beitsmarkt bzw. Ausbildungsmarkt führte bisher zu einem
        Bevölkerungsrückgang um 1,5 Millionen Menschen in
        den neuen Bundesländern. In den neuen Ländern ergibt
        sich ein dramatischer Wohnungsmarkt mit 1 Million leer
        stehenden Wohnungen, aber auch ein Markt mit zu wenig
        kleinen und privaten Vermietern und zu wenig selbst
        genutztem Wohneigentum.
        Die Leerstandsquote der ostdeutschen Wohnungsun-
        ternehmen beläuft sich heute auf fast 15 Prozent. Aus die-
        sem Grund hatte die FDP einen eigenen Gesetzentwurf
        zur Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes einge-
        bracht, der vorsah, dass die Wohnungsunternehmen für
        dauerhaft leer stehende Wohnungen oberhalb von 5 Pro-
        zent des Bestandes entschuldet werden. Diese Altschul-
        den sollen bei Vorlage eines schlüssigen wohnungswirt-
        schaftlichen Konzeptes in Abstimmung mit der
        Kommune zulasten des Erblastentilgungsfonds gestri-
        chen werden, wenn das Unternehmen den Leerstand nicht
        zu vertreten hat. Zu den herausragenden wohnungspoliti-
        schen Aufgaben gehört, Voraussetzungen zu schaffen, die
        die Attraktivität der Städte und Gemeinden der neuen
        Länder als Wohn- und Wirtschaftstandort erhalten und
        verbessern. So ist es dringend notwendig, die Städte-
        baufördermittel des Bundes und der Länder sowie das
        Programm „Die soziale Stadt“ mit dem Schwerpunkt zur
        Wohnumfeldverbesserung und -gestaltung aufzustocken.
        Erfreulich ist, dass die Bundesregierung das Stadtumbau-
        programm Ost auf den Weg gebracht hat. Doch die jähr-
        lich seitens des Bundes zur Verfügung gestellten Mittel
        sind lediglich Umschichtungsmittel aus dem bestehenden
        Städtebauprogramm und der Gemeinschaftsaufgabe – sie
        sind eben keine zusätzlichen Investitionsmittel. Die von
        Bund und Ländern im novellierten Altschuldenhilfe-Ge-
        setz für Härtefälle in den nächsten zehn Jahren mobili-
        sierten 1,4 Milliarden DM können nicht mit dem Stadt-
        umbauprogramm verrechnet werden.
        Der nach § 6 a des Altschuldenhilfe-Gesetzes geför-
        derte Abriss von circa 85 000 Wohnungen und der ge-
        plante Rückbau weiterer 350 000 Wohnungen im Stadt-
        umbauprogramm Ost sind dringend notwendig, um zu ei-
        nem funktionierenden Wohnungsmarkt Ost zu gelangen.
        Im Stadtumbauprogramm müssen zwischen Bund und
        Ländern verbindliche Festlegungen zur zweckgebunde-
        nen Verwendung der Mittel für Rückbau und für die
        damit im Zusammenhang stehenden städtebaulichen Auf-
        wertungsmaßnahmen erfolgen. Ebenso erscheint es
        unumgänglich zu sein, die Wohnungsunternehmen von
        Kreditverbindlichkeiten für den abzureißenden Woh-
        nungsbestand zu entlasten. So muss das von der Bund-
        Länder-Arbeitsgruppe „Leerstand-Ost“ vorgesehene Dar-
        lehensprogramm zur Förderung des Stadtumbaus auch
        zur Ablösung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden.
        Für die Reaktivierung eines funktionierenden Wohnungs-
        marktes in den neuen Bundesländern wird die Neuauflage
        der Bundesregierung zum sozialen Wohnungsbau für
        kontraproduktiv gehalten. Deshalb sollten nach Auffas-
        sung der FDP die Mittel für den sozialen Wohnungsbau
        von Bund und Ländern in Höhe von 900 Millionen DM in
        das Wohngeld umgelenkt werden. So kann über dieses
        Förderinstrument statt einer Objektförderung mit der
        Subjektförderung die Nachfrage am Wohnungsmarkt
        deutlich verbessert werden.
        Um den Strukturwandel auf den Weg zu bringen, müs-
        sen in der Fiskalpolitik Sonderregelungen befristet er-
        laubt sein, wie die Befreiung von Grunderwerbsteuern bei
        Verkäufen, die der Strukturbereinigung dienen. Die unter-
        nehmerische Wohnungswirtschaft und die privaten Haus-
        und Grundeigentümer müssen in die Lage versetzt wer-
        den, differenzierte und auf den jeweiligen lokalen Markt
        abgestellte Entscheidungen zur Bewältigung des Struk-
        turwandels und zur Beseitigung der Leerstände zu treffen.
        Christine Ostrowski (PDS): Es mag scheinen, als
        seien unsere Anträge überflüssig geworden. Das Stadt-
        umbauprogramm, so die Bundesregierung, wird die Stadt-
        quartiere aufwerten, die Wohn- und Lebensqualität ver-
        bessern, die Wohnungsunternehmen retten, den Rückbau
        von auf Dauer nicht mehr benötigten Wohnungen ge-
        währleisten. Sein Umfang von 5 Milliarden DM garan-
        tiere dies alles und rette nebenbei auch noch die krisenge-
        schüttelte Bauwirtschaft Ost.
        Die großen, politisch wichtigen Verbände – Mieter-
        bund und Bundesverband der Wohnungswirtschaft –
        scheinen – Seit an Seit mit der Bundesregierung – glück-
        lich und bedanken sich bei der Bundesregierung. Ihre Kri-
        tik an einzelnen Säulen des Stadtumbauprogramms wird
        kaum noch wahrgenommen. Unser Antrag zur Bund-Län-
        der-Arbeitsgruppe ist vor dem Stadtumbauprogramm ent-
        standen, aber noch immer aktuell.
        Erstens. Wir fordern, von 2002 bis 2005 jährlich
        300 Millionen DM aus allgemeinen Haushaltmitteln zur
        Verfügung zu stellen. Wie richtig diese Forderung ist,
        zeigt sich daran, dass die Bundesregierung ihr Programm
        für 2002, das zwar den Umfang von 300 Millionen DM
        hat, keineswegs aus allgemeinen Haushaltmitteln finan-
        ziert. Im Gegenteil: 100 Millionen DM kommen aus der
        Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsstruktur“,
        100 Millionen DM aus der klassischen Städtebauförde-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120808
        (C)
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        rung. Nur ein Drittel der Mittel sind zusätzlich erschlos-
        sen, nur dazu hat sich die Bundesregierung durchringen
        können. Um es gleich vorweg zu schicken: Dieses Drittel
        ist auch das Einzige an Zusatzgeld, das sie überhaupt in
        das gesamte Stadtumbauprogramm mit seinen verschie-
        denen Säulen steckt. Alles weitere – aber auch wirklich al-
        les weitere – holt die Bundesregierung von anderen Ost-
        Programmen weg.
        Das Stadtumbauprogramm ist, so gesehen, nichts an-
        deres als ein gewaltiges Umverteilungsprogramm. Das ist
        deshalb so kritikwürdig, weil es völlig schizophren ist: die
        Gemeinschaftsaufgabe zu kürzen, die das Ziel hat, Wirt-
        schaft zu entwickeln, Arbeitsplätze zu erhalten und zu
        schaffen, das Ziel also, Menschen im Osten und in ihren
        Wohnungen zu halten. Mittel, um Menschen in ihren
        Wohnungen zu halten, werden also benutzt, um jene Woh-
        nungen abzureißen, die deshalb leer stehen, weil die Men-
        schen gegangen sind.
        Dasselbe Phänomen bei der klassischen Städtebauför-
        derung: Bekanntlich stößt eine D-Mark Fördermittel rund
        8, 9 DM Investitionen an. Sie ist ein sehr effizientes Mit-
        tel der Arbeitsplatzerhaltung, der Arbeitsplatzschaffung.
        Jede Mark Fördermittel weniger reduziert also mögliche
        Investitionen in Höhe von 8, 9 DM, vernichtet also
        Arbeitsplätze, und infolge dieser Vernichtung wandern
        Menschen weg. Daraufhin stehen Wohnungen leer, die
        unter anderem mit dem Geld der Städtebauförderung ab-
        gerissen werden. Ich appelliere eindringlich an Sie, diese
        Verfahrensweise schnellstens ad acta zu legen. Sie kon-
        terkariert Ihre Bemühungen um den Stadtumbau.
        Zweitens. Zur Finanzierung Kommunen: Im Gegen-
        satz zu Ihnen, die den Gemeinden, ungeachtet der kon-
        kreten Einzelsituation – queerbeet – eine finanzielle Be-
        teiligung bei den Aufwertungsmaßnahmen von
        mindestens einem Sechstel zumuten, schlagen wir ein dif-
        ferenziertes Vorgehen vor. Die Kommunen sollen sich fi-
        nanziell beteiligen, aber in begründeten Einzelfällen kann
        der kommunale Anteil gänzlich unterbleiben. Nur so wird
        beispielsweise gewährleistet, dass eine Gemeinde wie
        Dranske mit 50 Prozent Leerstand und 12 000 DM Pro-
        Kopf-Verschuldung überhaupt an die Mittel herankom-
        men kann. Bei Ihren Regeln kann sie das nicht.
        Drittens. Wir fordern die Öffnung und Bündelung aller
        „Ost-Förderprogramme“ für den Stadtumbau Ost. Auch
        das haben sie nicht durchgängig geleistet. Sie sind bei der
        Städtebauförderung und dem KfW-Modernisierungs-
        programm II stehen geblieben. Das, was Sie geleistet ha-
        ben, musste Ihnen abgerungen werden.
        Viertens. Was das Zuschussprogramm anbelangt, so
        verlangen wir, dass den Wohnungsunternehmen der An-
        spruch auf Zuschussmittel garantiert wird – auch dies ist
        bei Ihnen so nicht geregelt. Was noch wichtiger ist: Sie ha-
        ben das Zuschussprogramm in zwei Hälften geteilt: eine
        für den Abriss, die andere für die Aufwertung. Wir sagen:
        Diese formale Teilung ist falsch. Nun werden Sie mir zu-
        rufen, dass diese formale Teilung nur auf Landesebene
        einzuhalten ist, in den Gemeinden kann davon abgewi-
        chen werden. Nur: Mathematiker oder Ingenieure haben
        an Ihrem Programm nicht mitformuliert – nehmen wir den
        extremsten Fall: Alle Gemeinden weichen so ab, dass sie
        die Mittel zu hundert Prozent für den Abriss einsetzen.
        Dann können Sie die formale Teilung auf Landesebene
        nicht gewährleisten. Ihre Programmformulierungen sind
        also letztlich nichts anderes als „Petersilie“.
        Nein, unser Vorschlag ist der praktikable: Der Anteil
        der Abrissmittel innerhalb des Zuschussprogramms muss
        sich in jedem Fall nach der für die jeweilige Gemeinde er-
        forderlichen Wohnungsbestandsanpassung richten! In ei-
        ner Gemeinde kann der Abrissanteil niedriger als die
        Hälfte sein, in der anderen höher.
        Und das Allerwichtigste: Die Höhe der Abrisspau-
        schale ist so zu bemessen, dass damit die Finanzierung
        des Rückbaus gewährleistet werden kann und keine zu-
        sätzliche Kreditaufnahme erfolgen muss. Sie haben den
        Abrisszuschuss im Grundsatz – undifferenziert und wie-
        der queerbeet – auf insgesamt 120 DM/qm bemessen. Die
        Kosten sind aber auch hier zwischen den Gemeinden und
        innerhalb der Gemeinden und Gebäude unterschiedlich,
        weshalb sich eine formal festgelegte gleiche hohe Pau-
        schale verbietet. Außerdem geben Sie im Kabinettsbe-
        schluss selbst zu, dass die Zuschüsse für die erforderli-
        chen Rückbaumaßnahmen nicht ausreichen und daher die
        Wohnungsunternehmen in aller Regel auf Kredite ange-
        wiesen sind. Es ist aber völlig inakzeptabel, den bis zur
        Dachrinne verschuldeten Wohnungsunternehmen zuzu-
        muten, sich erneut zu verschulden.
        Fünftens. Wir wollen die Investitionszulage für den
        Neubau von Mietwohnungen gestrichen wissen, sie las-
        sen diese „auslaufen“. Hätten Sie die Streichung dieser In-
        vestitionszulage rechtzeitig in Angriff genommen, hätten
        Sie weniger ausgeben müssen und mehr Mittel zur Verfü-
        gung, die fürs Stadtumbauprogramm einzusetzen gewe-
        sen wären.
        Sechstens. Wir begrüßen die Erhöhung der Investiti-
        onszulage in innerstädtisch definierten Gebieten und bei
        definierten Gebäuden. Außerhalb dieser Gebiete und
        außerhalb dieser Gebäude aber, schlagen wir vor, dass die
        Investitionszulage wie bisher – mit dem alten Selbstbehalt –
        fortgeführt werden soll.
        Sie haben mittlerweile den Selbstbehalt flächen-
        deckend erhöht. Das Problem ist doch, dass sich durch die
        exorbitante Anhebung des Selbstbehaltes „normale“ In-
        vestitionen in Mietwohnungen außerhalb der definierten
        Gebiete und Gebäude zulagenmäßig nicht mehr rechnen
        und dadurch ein hoher Investitionsverlust zu befürchten
        ist. Zwischenzeitlich hatten wir Ihnen mit einem Ände-
        rungsantrag zum Steueränderungsgesetz einen Kompro-
        miss angeboten: Die bisherige Investitionszulage soll
        überall dort fortgelten, wo Quartiere einem Stadtentwick-
        lungskonzept nicht entgegenstehen. Wir waren Ihnen also
        entgegengekommen; Sie haben auch diesen Vorschlag
        nicht gewollt. Die erhöhte innerstädtische Investitionszu-
        lage finanzieren Sie mit dem flächendeckenden erhöhtem
        Selbstbehalt. Es finanzieren also jene Wohnungsunter-
        nehmen, die von dieser Zulage das Wenigste haben und
        denen Ihr Programm eigentlich helfen sollte.
        Siebtens. Nicht zuletzt fordern wir – wie die Experten-
        kommission, auf deren Vorschläge Sie doch eigentlich
        hören wollten, deshalb hatten Sie diese ja eingesetzt – die
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20809
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        (A)
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        Umkehr der Eigenheimzulage von Neubau und Bestand.
        Es ist besonders traurig, dass Sie nicht die politische
        Traute hatten, diese Umkehr – quasi passend für die ost-
        deutsche Situation – einzuführen. Stattdessen erfinden Sie
        ein Wohneigentumsprogramm, bei dem im günstigsten
        Fall ein Erwerber eines heruntergekommenen Althauses
        10 000 mehr erhält als beim Neubau eines Eigenheims.
        Wäre ich in der Entscheidungslage, ich würde mich bei
        diesem geringen Unterschied für den Neuwagen und nicht
        für den Gebrauchtwagen entscheiden. Sie selbst rechnen
        folgerichtig nur mit 3 000 bis 4 000 Förderfällen pro Jahr
        für alle neuen Länder – eine Größenordnung, wie sie al-
        lein eine Großstadt wie Leipzig gebrauchen könnte. Das
        Wohneigentumsprogramm finanzieren Sie aus der Ab-
        schaffung der Investitionszulage für Selbstnutzer; also
        auch hier kein „neues“ Geld.
        Zusammenfasst: Ihr so gepriesenes Stadtumbaupro-
        gramm Ost entpuppt sich bei näherer Betrachtung als
        mehr Schein als Sein. Als deutlich weniger attraktiv wie
        es auf den ersten Blick erscheint: Es wird zum allergröß-
        ten Teil finanziert aus auch weiter dringend benötigten
        Ost-Programmen bzw. von den Wohnungsunternehmen
        selbst – erhöhter, flächendeckender Selbstbehalt, – und
        den Selbstnutzern, (Abschaffung I-Zulage Selbstnutzer!).
        Die Katze beißt sich in den Schwanz.
        Sein Umfang von 5 Milliarden ist zumindest in der Po-
        sition der 1 Milliarde ostdeutsche Kommunen lediglich
        virtuelles Geld. Gerade ostdeutsche Gemeinden, und un-
        ter ihnen wiederum gerade jene mit hohem Leerstand,
        sind derart finanzschwach, dass Sie diese eine Milliarde
        in den Wind schreiben können.
        Die Barmittel, die ab 2002 für Abriss und Aufwertung
        bereitstehen, sind viel zu gering. Ihre gewählte Art der
        Ausreichung der Barmittel beginnt bei niedrigen Beträ-
        gen, die erst über Jahre allmählich ansteigen. Es kommt
        aber darauf an, so schnell als möglich so viel als möglich
        nicht mehr benötigte Wohnungen abzureißen. Erstens,
        weil wegen der natürlichen Entwicklung die Bevölkerung
        zügig weiter sinkt und dies auch durch den Anstieg der
        Haushalte nicht aufgefangen wird. Zweitens, weil wegen
        der historisch niedrigen Geburtenzahl Anfang der Neun-
        ziger ab 2010 bereits mit der zweiten Leerstandswelle in
        Höhe einer weiteren Million Wohnungen zu rechnen ist.
        Es müsste also gerade umgekehrt vorgegangen werden:
        Jetzt ausreichend Barmittel, die im Laufe der Jahre all-
        mählich sinken. Sie aber handeln so nicht. Sie schieben
        den Abriss vor sich her und laufen damit Gefahr, mit der
        ersten, noch nicht abgetragenen Leerstandswelle in die
        zweite zu geraten.
        Unser zweiter Antrag beabsichtigt die Entlastung der
        Wohnungsunternehmen von den Altschulden auf abgeris-
        sene bzw. abzureißende Wohnungen. Wir sind damit recht
        bescheiden. Denn Schritt für Schritt sind wir in unseren
        Forderungen zurückgegangen. Von der Entlastung aller
        Altschulden über die Entlastung der Altschulden auf dau-
        erhaft leer stehendem Wohnraum bis hin zur heutigen For-
        derung auf Übernahme der Altschulden auf abgerissene
        bzw. anzureißende Wohnungen. Übrigens nunmehr auch
        Forderung der ostdeutschen Ministerpräsidenten.
        Es ist ja auch total absurd, dass die Unternehmen auf
        eine Wohnung, die gar nicht mehr da ist, den Kapitaldienst
        für die Altschulden leisten müssen. Alle Bemühungen ih-
        res unzulänglichen Stadtumbauprogramms laufen damit
        regelrecht ins Leere. Einerseits wollen Sie die Unterneh-
        men entlasten, andererseits wird diese Entlastung durch
        den Altschuldendienst wieder aufgefressen.
        Und das Problematischste: Mit den verbleibenden Ge-
        bäuden (die noch dazu in ihrem Wert deutlich verloren ha-
        ben) sind die Altschuldenkredite gar nicht mehr gesichert;
        die Banken verlangen anderweitige Sicherheiten, die die
        Wohnungsunternehmen aber gar nicht geben können,
        weil sie diese nicht haben. Nebenbei gesagt, sehe ich dort
        einen der Gründe, weshalb die Schwierigkeiten der Woh-
        nungsunternehmen mit den Banken so angewachsen sind,
        weshalb die Kreditinstitute sich nicht oder nur sehr, sehr
        zögerlich mit eigenem Anteil am Stadtumbau Ost beteili-
        gen.
        Alles in allem stehen Sie beim Stadtumbau Ost erst am
        Anfang. Es ist aber bereits fünf nach zwölf.
        Anlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
        richts: Verordnung über die Entsorgung von ge-
        werblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten
        Bau- und Abbruchabfällen
        (Tagesordnungspunkt 30)
        Rainer Brinkmann (Detmold) (SPD): Über die Ab-
        fallwirtschaft wird in Deutschland wieder geredet und das
        ist auch gut so. Es wird nicht deswegen über die gegen-
        wärtige und zukünftige Abfallpolitik gesprochen, weil es
        neue Erkenntnisse über toxische Emissionen oder ma-
        fiöse Skandale gäbe – nein, es wird über Umweltanfor-
        derungen und ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen
        gesprochen.
        Die Abfallwirtschaft in Deutschland hat in den letzten
        Jahren im internationalen Vergleich viele Fortschritte er-
        zielt. Es sind eine Vielzahl neuer und anspruchsvoller
        Technologien entstanden. So können selbst komplexeste
        Abfälle auf höchstem Niveau verwertet werden. Jedoch
        sind solche Prozesse mit teilweise hohen Kosten verbun-
        den. Daraus ist erheblicher Diskussions- und Regelungs-
        bedarf entstanden, weil Ökodumping, Scheinverwertung
        und Mülltourismus immer stärker um sich greifen und zu-
        gleich die Planungs- und Rechtssicherheit der entsor-
        gungspflichtigen Körperschaften ebenso gefährdet sind
        wie die berechenbare Stabilität der Abfallgebühren für die
        Bürgerinnen und Bürger. Das sind die eigentlichen Pro-
        bleme, die von Flensburg bis Passau und von Aachen bis
        Cottbus die Bürgerinnen und Bürger und die Verantwort-
        lichen beschäftigen.
        Die Dualität in der Abfallwirtschaft hat sich bewährt,
        doch soll diese – wenn es nach den Vorstellungen einiger
        weniger randgruppenständiger Wirtschaftsvertreter geht –
        zugunsten einer vollständigen Liberalisierung der Abfall-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120810
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        wirtschaft aufgegeben werden. Um es einmal klar zu be-
        schreiben, wie die Situation heute häufig aussieht: Da
        werden Gewerbeabfälle auf dem freien Markt akquiriert,
        um sie anschließend nach dem Aussortieren einer Cola-
        Dose und eines Holzbalkens einer Beseitigungsanlage
        zuzuführen. Gegenüber den privaten Haushalten ergibt
        sich ein kleiner aber feiner Unterschied: Die Kosten wer-
        den etwa die Hälfte oder auch nur ein Drittel der sat-
        zungsmäßig anzuliefernden Müllmengen betragen.
        Um die Beschreibung komplett zu machen, wird dieser
        Abfall dann auch noch einige hundert Kilometer in die
        billigsten Deponien transportiert, die nicht gerade den
        höchsten Umweltanforderungen genügen. Und ein Sah-
        nehäubchen erlauben sich einige besonders kreative Un-
        ternehmen auch noch, indem sie sich Wege und Möglich-
        keiten verschafft haben, um ihr wertvolles Wirtschaftsgut
        – was wir gemeinhin und völlig respektlos Abfall nennen –
        in das benachbarte Ausland exportieren zu können. Öko-
        dumping, Mülltourismus und Scheinverwertung sind also
        keine Schlagwörter, sondern bitterste Realität auf Grund-
        lage eines Gesetzes, das die alte Kohl-Regierung als
        großartigen Erfolg ihrer Umweltpolitik gefeiert hat und
        auch heute noch einige Vertreter der konservativ-liberalen
        Opposition loben. Ich rate Ihnen, meine Damen und Her-
        ren: Fahren sie einmal durchs Land und sprechen sie mit
        den zuständigen Verantwortlichen in den entsorgungs-
        pflichtigen Gebietskörperschaften! Ich habe dies in den
        letzten Wochen und Monaten mehrmals gemacht und
        habe dort immer wieder volle Unterstützung für unser
        Vorhaben erfahren.
        Darum ist diese Gewerbeabfallverordnung längst über-
        fällig. Es ist ein ökologisch ehrgeiziges Vorhaben und ord-
        nungspolitisch dringend geboten.
        Wir werden drei Veränderungen erzielen, die wichtig
        sind. Erstens. Die längst überfällige Definition des Haus-
        mülls erfolgt so, dass endgültig sichergestellt wird, dass
        Hausmüll auch dann Hausmüll ist, wenn er in einer ge-
        werblichen Wohnanlage anfällt. Zweitens. Sortieranla-
        gen, die als Vorbehandlungsanlagen eingestuft sind, müs-
        sen eine Verwertungsquote von mindestens 85 Prozent
        erreichen. Drittens. Jeder Betrieb in Deutschland muss in
        Zukunft eine Restmülltonne vorhalten, weil auch in Be-
        trieben hausmüllähnlicher Abfall anfällt – und sei es nur
        der Kehricht und die Sozialraumabfälle.
        Das ist die Antwort auf das gegenwärtige Chaos und
        die teilweise anarchischen und mafiösen Zustände in der
        Abfallwirtschaft. Aber es gibt ja Herrschaften in dieser
        Republik, die wollen eine ganz andere Lösung. Diese
        heißt dann Privatisierung respektive vollständige Libera-
        lisierung. Hierzu liegt dem Parlament ja auch ein entspre-
        chender Antrag einer kleinen Oppositionspartei vor.
        Einen entlarvenderen Antrag habe ich in meinem Leben
        selten gesehen. Das, was in diesem Antrag gefordert wird,
        ist nicht nur die Ermöglichung von Rosinenpickerei –
        nein, es ist geradezu eine Aufforderung zur Rosinen-
        pickerei durch die private Entsorgungswirtschaft, wäh-
        rend die Kommunen weiterhin das Risiko tragen sollen.
        An die Autoren gewandt, zeige ich Ihnen hier noch
        einmal die Konsequenzen Ihres Antrages auf: Die Bürge-
        rinnen und Bürger sollen die Zeche zahlen. Denn nur für
        den Fall, dass Sie sich nicht richtig auskennen im Ge-
        bührenrecht: Gebührenhaushalte müssen kostendeckend
        sein. Und die Kosten für die Nachsorge von Deponien ist
        eine Angelegenheit der Abfallwirtschaft. Wollen Sie denn
        diese Kosten von denen für die Abfallbeseitigung tren-
        nen?
        Es ist doch heute schon ein Skandal, dass die privaten
        Haushalte über ihre Gebühren den Gewerbeabfall sub-
        ventionieren. Ich warte im Übrigen auf die erste Klage ei-
        nes Haushaltes gegen den Gebührenbescheid seiner Kom-
        mune. Den Ausgang dieses Gerichtsverfahrens werde ich
        dann allerdings voraussagen.
        Nicht voraussagen können wir derzeit allerdings ein
        Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof im
        so genannten Luxemburg-Streit. Sollte die Kommission
        in diesem Streit gewinnen, dann sehe ich allerdings
        schwarz für die kommunale Abfallwirtschaft und für die
        Umweltstandards, die wir in jahrelangen Bemühungen
        endlich erreicht haben.
        Damit muss dann auch für unser Land die Frage der
        kommunalen Daseinsvorsorge noch einmal geklärt wer-
        den. Wer die Abfallbeseitigung aus der kommunalen Da-
        seinsvorsorge herausnehmen will, der hat nun wirklich
        keine Ahnung von Kommunalpolitik, der redet wie der
        Blinde von der Farbe. Aber was sollen wir auch von einer
        Partei erwarten, die außer neoliberalen Ideologien nichts
        zu bieten hat und die sich für die Belastungen der Bürger
        nicht kümmert, solange der Profit auf Kosten der Allge-
        meinheit erwirtschaftet wird?
        Was wir in der Abfallwirtschaft brauchen, sind Verläss-
        lichkeit, Planungs- und Rechtssicherheit und kreative und
        phantasievolle Lösungen für die Zukunft. Dass diese eu-
        roparechtlich abgesichert sein müssen, versteht sich von
        selbst. Aber wir verfolgen auch mit großem Interesse die
        gegenwärtigen Diskussionen innerhalb der Kommission,
        die unseren Auffassungen sehr entgegen kommen.
        Ein Blick über die Grenzen erleichtert auch die Lösung
        in anderen Fragen der Abfallpolitik. So werden wir uns
        Gedanken machen müssen, ob die österreichische Lösung
        einer Deponieabgabe zur Finanzierung der Altlasten-
        sanierung nicht auch eine Möglichkeit für uns darstellen
        könnte. Dieses ist auch im Hinblick auf die beabsichtigten
        Schließungen der meisten Deponien im Jahre 2005 von
        größtem Interesse.
        Ich halte noch einmal fest: Die Gewerbeabfallverord-
        nung bringt eine Verbesserung bei der Verwertung von ge-
        werblichen Siedlungsabfällen durch höhere umweltpoli-
        tische Vorgaben, eine bessere Regelung zur Trennung und
        Vorbehandlung von gemischten Abfällen, eine hochwer-
        tige Verwertung von gewerblichen Siedlungsabfällen.
        Darum ist diese Verordnung ein richtiger Schritt, auch
        wenn sie noch verbesserungsfähig ist. Wir werden den
        derzeit diskutierten Veränderungsvorschlägen des Bun-
        desrates positiv gegenüberstehen.
        Georg Girisch (CDU/CSU): Wir sprechen hier und
        heute über die Verordnung über die Entsorgung von ge-
        werblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau-
        und Abbruchabfällen der Bundesregierung, der vor dem
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20811
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        In-Kraft-Treten der Bundestag zustimmen muss. Das Ziel
        der vorliegenden Verordnung ist, aufgetretene oder ver-
        mutete Missbräuche des Kreislaufwirtschafts- und Ab-
        fallgesetzes zur billigen Abfallbeseitigung unter Umge-
        hung des Gesetzes in der Zukunft zu verhindern.
        Selbstverständlich ist auch die CDU/CSU der Auffas-
        sung, dass der Vollzug dieses aus dem Jahr 1994 stam-
        menden Gesetzes wichtig ist: Das Gesetz ist damals er-
        lassen worden, um die ordnungsgemäße Verwertung oder
        Beseitigung von Abfällen zu regeln. Ziel war es nicht,
        dass diese Regelungen umgangen werden – durch die so-
        genannte „Scheinverwertung“.
        Leider sind in der hier vorgelegten Entwurfsfassung
        der Gewerbeabfallverordnung einige schwerwiegende
        Mängel enthalten, die ich kritisieren muss:
        Erstens. Die Begriffsbestimmungen sind in der Ver-
        ordnung nicht eindeutig und nicht vollständig beschrie-
        ben. Zum Beispiel entspricht die Definition der „ge-
        mischten Siedlungsabfälle aus dem Gewerbe“ nicht der
        Begriffsbestimmung des EU-Abfallsrechts und des Kreis-
        laufwirtschafts- und Abfallgesetz.
        Zweitens. Der Stoffstromansatz ist nicht hinreichend
        konsequent umgesetzt und beinhaltet eine Vielzahl von
        Umgehungsmöglichkeiten. Es fehlt zum Beispiel eine
        wirklich einheitliche Linie hinsichtlich der abfallerzeu-
        ger- und anlagenbetreiberbezogenen Vorschriften.
        Drittens. Die seuchenhygienischen Vorschriften sind
        nicht ausreichend berücksichtigt.
        Viertens. Das Kriterium der „wirtschaftlichen Unzu-
        mutbarkeit“ wird in der Praxis für große Unsicherheiten
        sorgen. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird die Ge-
        richte beschäftigen, wenn damit nicht eine Andienungs-
        pflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger
        verbunden wird.
        Fünftens. Das Kriterium des Entwurfs, was „geringe
        Mengen“ für eine Befreiung von der Getrennthaltung
        sind, ist ebenfalls für die Praxis untauglich.
        Sechstens. Die in der Verordnung vorgesehene gene-
        relle Ausgrenzung von Gemischen mit organischem An-
        teil schießt über das Ziel weit hinaus – Stichwort Stabilat-
        Verfahren.
        Siebtens. Die Schlüssigkeit der vorgegebenen „Sorten-
        reinheit“ der Verordnung hält einer näheren Betrachtung
        nicht wirklich stand.
        Achtens. Die Überwachung der Getrennthaltungs-
        pflicht durch die Behörden der Länder und Kommunen ist
        nicht ausreichend klar formuliert. Dies verleitet deshalb
        regelrecht zum Missbrauch. Wichtig wäre zum Beispiel,
        dass es auch weiterhin den Überwachungsbehörden er-
        laubt bleibt, jederzeit zusätzliche überraschende Kontrol-
        len durchzuführen oder anzuordnen.
        Neuntens. Die vorgesehenen Erleichterungen zuguns-
        ten der Entsorgungsfachbetriebe sehe ich vor dem Hinter-
        grund steigender Umweltdelikte als problematisch an.
        Auch diese Betriebe müssen vorsorglich ein Mindestmaß
        an Kontrolldichte spüren, damit sie nicht in Versuchung
        kommen, von dem bisherigen richtigen Weg abzuwei-
        chen.
        Zehntens. Die Verwertung von Abfall als Sekundär-
        rohstoff durch die Entsorgungswirtschaft statt wie bisher
        als Hausmüll wird faktisch zu mehr Schadstoffausstoß
        führen. Damit droht bei dem harten Wettbewerb, der be-
        reits auf diesem Markt herrscht, eine Form von Ökodum-
        ping, die nicht gewollt sein kann.
        Elftens. Die Verpflichtung für die Abfallerzeuger, im
        angemessenen Umfang Restabfallbehälter des öffentlich-
        rechtlichen Entsorgungsträgers vorzuhalten, ist in der
        Verordnung nicht ausreichend rechtssicher formuliert.
        Abschließend ist festzuhalten: Der Schwerpunkt in der
        Abfallpolitik muss sein und ist die Abfallvermeidung.
        Dazu trägt diese Verordnung nicht nur wenig bei, sondern
        sie enthält auch Anreize, die in der Praxis dazu führen
        werden: „Lieber mehr verwerten und mehr verursachen,
        als Abfall vermeiden!“
        Das wichtige Ziel der Schadstoffentfrachtung ist nicht
        in der Verordnung enthalten.
        Der Entwurf ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit,
        wie das Kriterium der 85-prozentigen Sortierquote be-
        weist, Stichwort: Stabilat-Verfahren – Beispiel: Schwarze
        Pumpe. Wer glaubt außerhalb des BMU denn heute noch
        daran, dass allein die Sortierungsquote den ökologischen
        Wert wirklich bestimmen kann, wenn man weiß, dass zum
        Beispiel der Wasseraustrag unberücksichtigt bleibt? Da-
        durch werden moderne und ökologisch vorteilige Verfah-
        ren unnötig verhindert. Dennoch sucht man in der Ver-
        ordnung nach Qualitätskriterien über die Sortierquote
        hinaus vergeblich.
        Diese vorgelegte Verordnung ist derart praxisfremd,
        dass sie vollzugsuntauglich ist. Wie soll mit Fehleinwür-
        fen umgegangen werden? Wer kann ausschließen, dass
        trotz Sorgfaltspflicht in der Praxis Fehlwürfe vorkom-
        men? Wie soll die Verunreinigung in der Praxis erkannt
        werden – Kontrollverfahren? Kann dies zeitnah gesche-
        hen? An wen kann dann der Abfall zurückgewiesen wer-
        den und wer trägt die Kosten?
        Diese Verordnung erzeugt entweder höhere Verwal-
        tungskosten bei den kommunalen Umweltämtern oder
        – falls die Kostenneutralitätsvermutung des Entwurfs zu-
        trifft – handelt es sich dabei um einen Papiertiger, der
        nicht effektiv kontrolliert wird. Denn: Wer die Einhaltung
        aller Vorgaben dieses Entwurfes tatsächlich effektiv und
        flächendeckend kontrollieren will, braucht dafür mehr
        Personal und Geld.
        Durch die vielen handwerklichen Fehler und Unge-
        nauigkeiten im Entwurf wird es keinen ländereinheitli-
        chen Vollzug geben können.
        Es wird eine Zweiklassengesellschaft beim Gewerbe-
        müll geschaffen werden. Höhere Standards im Inland –
        keinerlei neue Standards bei Exporten durch diese Vor-
        lage. Soll so eine grenzüberschreitende, nachhaltige Um-
        weltpolitik aussehen? Oder wird dies nicht zu einem Öko-
        dumping durch bereits bestehende Anlagen im Ausland
        führen?
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120812
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        Umweltverschmutzung macht nicht an der Grenze
        Halt. Deshalb sollten wir rasch ein Exportverbot für
        Abfallexporte schaffen, wenn im Zielland nicht ver-
        gleichbare Ökostandards wie bei uns gelten. Art. 29 in
        Verbindung mit Art. 86 des EG-Vertrags bietet hierzu aus-
        reichende Handhabe.
        Obwohl wir, die Union, die generelle Notwendigkeit
        einer Gewerbeabfallverordnung – gerade zur Vermeidung
        der Scheinverwertung – bejahen, empfehle ich, der Ver-
        ordnung der Bundesregierung aufgrund der aufgezeigten
        und weiterer Schwächen in der vorgelegten Form die Zu-
        stimmung zu verweigern.
        Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Sie alle haben vom Mülltourismus quer durch Europa
        gehört: 1 000 Tonnen kommen täglich aus Italien nach
        Deutschland. Weitere Mengen sind beantragt. Dies zeigt
        eines deutlich: Hätten die Damen und Herren von der Op-
        position den Kommunen und privaten Abfallentsorgern
        mehr Planungssicherheit geschaffen, gäbe es diesen öko-
        logischen Unsinn heute nicht.
        Mit der heute vorgelegten Gewerbeabfallverordnung
        schafft die rot-grüne Bundesregierung eben diese Pla-
        nungssicherheit. Denn die privaten und öffentlichen Ab-
        fallentsorger müssen die Kapazität ihrer Anlagen richtig
        planen können. Es geht um einige Millionen Tonnen Ge-
        werbeabfall, der sortiert, zerkleinert, verdichtet und pelle-
        tiert werden muss, damit er verwertet werden kann. Die
        Anlagen müssen laufen – und dürfen nicht leer stehen.
        Denn falsch konzeptionierte, nicht ausgelastet Anlagen
        locken sehr leicht durch Dumpingpreise Müll an. Dem
        Mülltourismus wird Tür und Tor geöffnet.
        Die neue Verordnung verlangt die Verwertung von ge-
        werblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau-
        und Abbruchabfällen. Reste von Kunststoffen und Me-
        tallrohren, von Holz, Glas und Papier, die beispielsweise
        beim Bau oder bei der Renovierung eines Hauses anfal-
        len, müssen direkt getrennt werden. Bei über 300 000 ge-
        bauten oder renovierten Häusern pro Jahr ergibt allein die-
        ser Bereich eine gewaltige Menge Abfall.
        Die vorliegende Verordnung macht Schluss mit dem
        großen Container, in dem sich alles findet: vom Baumate-
        rial über Büroabfall bis zum Essensrest. Wir streben eine
        möglichst sortenreine Abfalltrennung an. Vorbehand-
        lungsanlagen für gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle
        müssen künftig eine Verwertungsquote von 85 Prozent er-
        reichen. Zusätzlich sind auch Anforderungen entspre-
        chende Kontrollen enthalten. Dadurch wird sichergestellt,
        dass eine umweltgerechte Verwertung nicht schon auf-
        grund von Fehlwürfen, Schadstoffbelastungen oder un-
        zulässigen Vermischungen mit anderen Abfällen schei-
        tert.
        Damit schieben wir der Scheinverwertung von Abfäl-
        len einen Riegel vor. Bisher können Gewerbe und Indus-
        trie, private und öffentliche Einrichtungen allen Abfall
        zusammenwerfen – Papier aus Büros, Küchenabfälle und
        Abfälle aus der Werkstatt. Sie deklarieren ihn als Verwer-
        tungsabfall – obwohl nur ein minimaler Anteil tatsächlich
        verwertet wird. Das meiste landet auf der kostengünstigs-
        ten Deponie. Das hat mit dem zugrunde liegenden Stoff-
        kreislaufgedanken wirklich nichts mehr zu tun, besonders
        da nicht nur Deponiealtlasten für nachfolgende Genera-
        tionen geschaffen werden, sondern auch Wertstoffe verlo-
        ren gehen.
        Mit der neuen Gewerbeabfallverordnung werden alle
        Gewerbebetriebe verpflichtet, für ihren Restmüll die öf-
        fentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu nutzen. Damit
        wird auch die Verunreinigung der Wertstoffe durch man-
        gelnde Mülltrennung verhindert.
        Diese Verordnung ist auch bürgerfreundlich. Das bis-
        herige Verfahren benachteiligte Familien. Denn anders als
        die Großkunden sind die privaten Haushalte auf den ört-
        lichen Entsorger angewiesen. Beim Bürger kann kassiert
        werden, um das kommunale Entsorgungsunternehmen
        trotz der Dumpingpreise für Großkunden rentabel zu hal-
        ten. Das bedeutet, dass die privaten Haushalte in steigen-
        dem Maße die Kosten einer Entsorgungsstruktur tragen,
        die für alle Abfallentsorger geschaffen wurde. Das kann
        nicht der richtige Weg sein.
        Die Verordnung schafft die Voraussetzung für nachhal-
        tigen Wettbewerb. Jahrelang hat die jetzige Opposition
        ausgerechnet die vorbildlichen Versorger benachteiligt,
        die in moderne Trenn- und Verwertungsanlagen investiert
        haben. Wir dagegen arbeiten mit ökologisch fortschrittli-
        chen Kräften zusammen und schaffen ihnen faire Wettbe-
        werbsbedingungen.
        Die Verordnung entspricht dem europäischen Recht.
        Sie wurde von der Europäischen Kommission im Juli
        2001 notifiziert. Wir haben innerhalb der EU zwar Wa-
        renverkehrsfreiheit, dennoch ist die Anwendung der Ge-
        werbeabfallverordnung möglich, weil sie der EG-Abfall-
        verbringungsverordnung nicht zuwiderläuft. Zusätzlich
        wird mit der Gewerbeabfallverordnung ein Anstoß für
        eine EU-weite Regelung gegeben. Dies wird zum Beispiel
        vom Naturschutzbund Deutschland als wichtiger Impuls
        begrüßt.
        Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann die
        Verordnung zügig in Kraft treten. Sie ist ein wichtiger
        Baustein einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, die wir
        noch durch eine Reihe weiterer Verordnungen ergänzen
        werden.
        Birgit Homburger (FDP): Hintergrund der heutigen
        Debatte ist die grundsätzliche Erfolgsgeschichte des
        Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG).
        Es hat dazu geführt, dass heute nicht mehr vom Entsor-
        gungsnotstand, sondern vom Kampf um den Müll die
        Rede ist. Dieser Erfolgsgeschichte wird mit der
        GewAbfV kein neues Kapitel hinzugefügt.
        Vorgebliches Ziel der Verordnung ist es, die „umwelt-
        verträgliche Verwertung und die Beseitigung von Sied-
        lungsabfällen aus dem Gewerbe sicherzustellen“. Zu die-
        sem Zweck verschärft der Verordnungsentwurf die
        Anforderungen bei der betrieblichen Abfallentsorgung,
        indem er neben umfangreichen und komplizierten Ge-
        trennthaltungspflichten für Abfälle Verwertungsquoten
        für Betreiber von Behandlungs- und Verwertungsanlagen
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20813
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        und Dokumentationspflichten regelt. Das führt im Ergeb-
        nis zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten.
        Angesichts der mangelnden Praktikabilität der strikten
        Vorgaben zur Getrennthaltung, beschränkt sich der Ver-
        ordnungsentwurf auf die Fälle, in denen eine Getrennt-
        haltung technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar
        ist. Dies zeigt, dass die Bundesregierung von vornherein
        damit rechnet, dass die Vorgaben der GewAbfV nicht ein-
        gehalten werden können und die Abfälle gerade nicht ord-
        nungsgemäß und schadlos verwertet, sondern beseitigt
        werden. Zwei Konsequenzen der Verordnung sind abzu-
        sehen: Die Menge an Gewerbeabfall wird wachsen, die
        unbehandelt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträ-
        gern angedient und dann deponiert oder verbrannt wird.
        Abfälle zur Verwertung, die bekanntlich unter die Waren-
        verkehrsfreiheit des EG-Vertrags fallen, werden vermehrt
        in das europäische Ausland exportiert und damit niedri-
        geren Umweltstandards unterstellt. Im Ergebnis bedeutet
        das nicht mehr, sondern weniger Umweltschutz.
        Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass mit dem
        vorgelegten Verordnungsentwurf diejenigen kommunalen
        Deponiebetreiber entlastet werden sollen, die ihre Depo-
        nien nicht oder nicht rechtzeitig an die Vorgaben der
        Abfallablagerungsverordnung anpassen werden. Un-
        berücksichtigt bleibt zudem, dass die deutsche Entsor-
        gungswirtschaft massiv in Verwertungsanlagen investiert
        hat, die eine ordnungsgemäße und schadlose hochwertige
        Verwertung der Abfälle ermöglichen. Diese Anlagen müs-
        sen ausgelastet sein, damit sie rentabel betrieben werden
        können.
        Entscheidend ist aber nicht, wer die Abfälle entsorgt,
        sondern dass diese umweltverträglich entsorgt werden.
        Das KrW-/AbfG nimmt bezüglich der Abfallverwertung
        den Abfallerzeuger in die Pflicht. Er soll die Verwertung
        grundsätzlich eigenverantwortlich durchführen und dabei
        – auch europaweit – alle technisch machbaren und wirt-
        schaftlich zumutbaren Verwertungsmöglichkeiten aus-
        schöpfen. Die deutsche Wirtschaft ist dieser Aufgabe
        überwiegend nachgekommen.
        Eine Problematik des Abfallrechts besteht nach wie vor
        darin, dass es bislang nicht gelungen ist, im Gesetz bzw.
        untergesetzlichen Regelwerk zum KrW-/AbfG eine prak-
        tikable Abgrenzung der Abfälle zur Verwertung von den-
        jenigen zur Beseitigung vorzunehmen. Dieses Problem
        löst die Bundesregierung aber auch mit dem vorliegenden
        Verordnungsentwurf nicht. Deshalb besteht weiter Hand-
        lungsbedarf, der in einer Überarbeitung des KrW-/AbfG
        unter Berücksichtigung aller Entwicklungen der letzten
        Jahre münden muss.
        Da die GewAbfV absehbar ökologische Verschlechte-
        rungen in der deutschen Abfallwirtschaft bewirken wird,
        lehnt die FDP den vorgelegten Entwurf ab.
        Rolf Kutzmutz (PDS): Mit der vorliegenden Verord-
        nung sollen die schadlose und möglichst hochwertige Ver-
        wertung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von be-
        stimmten Bau- und Siedlungsabfällen und von bestimmten
        Bau- und Abbruchabfällen sichergestellt werden. Dabei
        soll insbesondere die so genannte Scheinverwertung durch
        Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Verwer-
        tung verhindert werden.
        Der Verordnungsentwurf der Bundesregierung sichert
        tatsächlich eine qualitativ höhere Verwertung von ge-
        werblichen Siedlungsabfällen. Dies ist allgemein unstrit-
        tig. Hier herrschte lange eine grauer Markt, der vielfach
        an schnellem Profit statt an qualitativer Abfallentsorgung
        ausgerichtet war.
        Hauptstreitpunkt zwischen dem BMU auf der einen
        Seite und den Ländern und Kommunen auf der anderen
        Seite ist die Überlassungspflicht für hausmüllähnliche
        Gewerbeabfälle. Wer bekommt dieses Stück vom „Müll-
        Kuchen“? Die privaten Entsorger oder die öffentlich-
        rechtliche Abfallentsorgung? Beide Seiten haben um-
        fangreiche Kapazitäten aufgebaut. Hier geht es also
        richtig um Geld, vor allem um das der Bürgerinnen und
        Bürger, die zwangsläufig über dann entstandene kommu-
        nale Überkapazitäten mittels Müllgebühren kräftig zur
        Kasse gebeten werden.
        Bisher war es so: Betriebe, die ihren Abfall nicht selbst
        in eigenen Anlagen beseitigen können, sowie andere,
        nicht private Institutionen wie Altenheime, Schulen etc.
        mussten die Abfälle öffentlich-rechtlichen Entsorgungs-
        trägern überlassen. Dieser Teil des Mülls wurde gemein-
        hin als „hausmüllähnlicher Gewerbeabfall“ bezeichnet.
        Im Verordnungsentwurf wird nun der EU-Begriff „ge-
        werbliche Siedlungsabfälle“ eingeführt. In § 2 wird dieser
        definiert als „Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen als
        privaten Haushaltungen“. Damit gehen diese Abfälle
        durch die Logik des Verordnungsentwurfes künftig weit-
        gehend an die private Entsorgungswirtschaft.
        Dies sehen die Kommunen mit Recht als weiteren An-
        griff auf die Überlassungspflicht an. Schließlich wurden in
        der Vergangenheit immer mehr Abfallfraktionen den öf-
        fentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern entzogen. Übrig
        blieben nur der Hausmüll und der hausmüllähnliche Ge-
        werbeabfall. Letzterer würde nun nach der neuen Verord-
        nung gänzlich für die kommunale Abfallentsorgung weg-
        brechen. Die Folge: umfangreiche Investitionen, die in der
        Vergangenheit von den Kommunen im Vertrauen auf die
        künftig anfallenden Abfallströme – zu deren Beseitigung
        sie ja verpflichtet waren – getätigt wurden, wären in den
        Sand gesetzt. Damit müssten sich zwangsläufig die Ab-
        fallgebühren erhöhen, weil sich die Fixkosten der kom-
        munalen Anlagen auf weniger Abfälle verteilten.
        Diesen Zusammenhang sehen auch die Länder, die
        wahrscheinlich im Bundesrat geschlossen gegen den Ver-
        ordnungsentwurf stimmen werden. Umfangreiche Ände-
        rungsanträge einzelner Länder wurden schon angekün-
        digt.
        Fazit: Die vorgelegte Verordnung hat einen janusköp-
        figen Charakter. Die Kriterien für eine hochwertige Ver-
        wertung erschweren zumindest die profitable und wenig
        umweltgerechte Scheinverwertung der Vergangenheit.
        Das ist zu begrüßen. Andererseits wird der kommunalen
        Abfallentsorgung mit der einseitigen Bevorzugung der
        privaten Entsorger schwer zugesetzt, wenn nicht der Ga-
        raus gemacht. Damit ist die Verordnung insgesamt nicht
        zustimmungsfähig.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120814
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        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung
        – des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung
        der für die Kostengesetze nach dem Eini-
        gungsvertrag geltenden Ermäßigungssätze
        für den Teil des Landes Berlin, in dem das
        Grundgesetz vor dem 3. Oktober 1990 nicht
        galt (Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetz Ber-
        lin – KostGErmAufhGBln)
        – der Beschlussempfehlung und des Berichts:
        Ende der doppelten Benachteiligung für die
        Rechtsanwälte in den neuen Ländern
        (Tagesordnungspunkt 31 a und b)
        Christine Lambrecht (SPD): Ziel der Deutschen
        Wiedervereinigung und Aufgabe nach dem Einigungsver-
        trag ist für uns alle die Anpassung der Lebensverhältnisse
        in den alten und neuen Bundesländern. Dass dies noch
        nicht für alle in allen Bereichen erreicht worden ist, muss
        ich hier wohl nicht ausdrücklich betonen.
        Dies ist auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen,
        unter anderem natürlich auch mit der wirtschaftlichen Si-
        tuation der DDR zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung.
        Dieser unterschiedlichen Situation wird in vielen Berei-
        chen durch unterschiedliche Vergütung von Arbeitskräften
        Rechnung getragen. Es wird ihr aber auch Rechnung getra-
        gen durch unterschiedliche Gebührenordnungen, die in den
        neuen Ländern niedriger liegen als in den alten.
        Ein Beispiel – aber eben auch nur eines von vielen –
        ist die unterschiedliche Regelung in der Gebührenord-
        nung für Rechtsanwälte. Hier liegt der Gebührensatz bei
        90 Prozent des Satzes in den alten Bundesländern.
        Wir haben heute einen Antrag der FDP zu beraten, der
        vorsieht, sowohl die Rechtsanwaltsgebühren als auch die
        Gerichtskosten in den alten und neuen Bundesländern an-
        zupassen und den bisherigen Gebührenabschlag in den
        neuen Ländern von 10 Prozent aufzuheben.
        Es ist bezeichnend, dass die FDP ausgerechnet hier ihr
        Gerechtigkeitsgefühl entdeckt. Sie interessiert sich nicht
        für den Krankenpfleger oder die Polizistin, die lediglich
        80 Prozent der West-Bezüge bekommen.
        Nein, es sind die Rechtsanwälte – und das sage ich als
        Kollegin –, deren Ungleichbehandlung der FDP auf der
        Seele brennt. Da ist es nicht von Interesse, dass der Man-
        dant in Dresden, der nach dem Willen der FDP 100 Pro-
        zent der Gebühren zahlen soll, lediglich 80 Prozent Ge-
        halt bekommt.
        Ich will es mal deutlicher ausdrücken: Wer weniger
        verdient, kann auch nicht die vollen Rechtsanwaltsge-
        bühren bezahlen.
        Selbstverständlich müssen mittelfristig Ungleichbe-
        handlungen in den neuen Bundesländern abgebaut wer-
        den. Es interessiert die FDP im Übrigen auch nicht, dass
        der Anwalt bei Gericht auch nur lediglich 90 Prozent der
        Gebühren bezahlt.
        Darüber hinaus würde eine solche sofortige Angleichung
        auch den Interessen der Länder widersprechen. Die Länder-
        vertreter haben dies in vorangegangenen Beratungen auch
        deutlich gemacht. Eine sofortige Anhebung hätte nämlich
        unwillkürlich zur Folge, dass die Länderhaushalte durch
        steigende Prozeßkostenhilfe belastet werden würden.
        Wir halten es nicht für sinnvoll, hier auf der Bundes-
        ebene eine politische Entscheidung gegen den Willen der
        neuen Länder zu treffen. Deshalb lehnen wir den FDP-
        Antrag ab. Nichtsdestotrotz wird die Bundesregierung
        von uns gebeten zu überprüfen, inwieweit im Zuge der
        Strukturreform der Rechtsanwaltsgebühren bestehende
        Ungleichheiten stufenweise aufgehoben werden können.
        Und ich bin sicher, dass die Bundesregierung dieser Prüf-
        bitte auch nachkommen wird.
        Ich freue mich, dass alle Kolleginnen und Kollegen im
        Rechtsausschuss sich einem entsprechenden Ent-
        schließungsantrag angeschlossen haben.
        Völlig anders sieht die Situation in Berlin aus. Hier ist
        es einfach nicht erträglich und nicht zu vermitteln, warum
        der Anwalt am einen Ende der Sonnenallee für die gleiche
        Leistung weniger Gebühren erhalten soll als der am an-
        deren Ende der Sonnenallee.
        Auch haben sich die Lebensverhältnisse in Berlin we-
        sentlich anders angeglichen als im Rest der neuen Bun-
        desländer. Hier ist die Forderung „gleicher Lohn für glei-
        che Arbeit“, zum Beispiel im öffentlichen Dienst,
        wesentlich weiter umgesetzt.
        Marzahn und Hellersdorf zum Beispiel gehören zu den
        einkommensstarken Bezirken in Berlin, während
        Neukölln oder Friedrichshain-Kreuzberg hier längst am
        unteren Ende liegen. Außerdem gibt es mit Mitte und
        Friedrichshain-Kreuzberg längst Bezirke, die nicht mehr
        nach „Ost“ und „West“ zu trennen sind.
        Hier die Kostengrenze aus dem Einigungsvertrag auf-
        zuheben ist Ziel einer Bundesratsinitiative, die von den
        Ländern breit getragen wird.
        Die Bundesratsinitiative auf Angleichung der Ge-
        bührensätze für das Land Berlin werden wir aus den
        gegebenen Gründen unterstützen. Ich fordere die Kolle-
        ginnen und Kollegen aus der CDU/CSU und der FDP-
        Fraktion auf, ihre Verweigerungshaltung hier noch einmal
        zu überdenken.
        Es kann keine Rede davon sein, das hier der Gleichbe-
        handlungsgrundsatz verletzt werden würde. Die Situation
        in Berlin stellt sich eben wie bereits dargestellt anders als
        in den Flächenländern dar.
        Aber diese Aufhebung muss bis auf weiteres auf Ber-
        lin begrenzt bleiben.
        Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Die Angleichung
        der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern an
        den Standard in den alten Bundesländern war, ist und
        bleibt eine der herausragenden politischen Aufgaben in
        Deutschland. „Bleibt“ deswegen, weil dieses Ziel leider
        auch zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht
        erreicht ist.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20815
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        Gerade weil dies so ist, müssen wir darauf achten, nicht
        aus Ungeduld oder Übereiltheit von der Gerechtigkeits-
        vorstellung des Einigungsvertrages abzurücken. Weder
        einzelne Berufsgruppen noch einzelne Bundesländer dür-
        fen bevorzugt behandelt werden. Dies gilt jedenfalls
        dann, wenn die Entwicklung in diesen Bundesländern
        eine Andersbehandlung nicht rechtfertigt oder diese An-
        dersbehandlung zu Benachteiligungen der betroffenen
        Bevölkerung führen würde.
        Aus diesem Grunde wird die CDU/CSU-Bundestags-
        fraktion heute weder dem Ermäßigungssatz-Aufhebungs-
        gesetz Berlin noch dem Antrag der FDP „Ende der dop-
        pelten Benachteiligung für die Rechtsanwälte in den
        neuen Ländern“ zustimmen.
        In der Begründung des Bundesratsentwurfes heißt es
        auf Seite 6: „Im Ergebnis wurde immer wieder, zuletzt im
        Verlaufe des Jahres 2000, übereinstimmend festgestellt,
        dass eine weitere Reduzierung oder gar Aufhebung im
        Verordnungswege“ – gemeint sind die Ermäßigungssätze
        auf Anwalts- und Justizgebühren – „gegenwärtig und auf
        Sicht nicht möglich wäre, da sich die wirtschaftlichen
        Verhältnisse nicht entsprechend entwickelt hätten bzw. in
        absehbarer Zeit entwickeln würden. Vor allem sei nach
        wie vor ein deutliches Einkommensgefälle zwischen Ost
        und West festzustellen.“
        Die wirtschaftlichen Verhältnisse lassen eine Aufhe-
        bung nicht zu; eine bessere Begründung für die Ableh-
        nung des Gesetzentwurfes und des Antrages gibt es nicht.
        Der Gebührenabschlag soll den abweichenden Verhält-
        nissen, insbesondere den Vermögens- und Einkommens-
        verhältnissen in den neuen Ländern, Rechnung tragen.
        Lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse eine Aufhebung
        nicht zu, müssen wir die Finger von einer solchen Aufhe-
        bung lassen. Wir dürfen nicht – wie beabsichtigt – den
        Kunstgriff eines formellen Bundesgesetzes wählen, um
        die eigentliche Ermächtigungsgrundlage für die Bundes-
        justizministerin, deren Voraussetzungen eindeutig nicht
        vorliegen, zu umgehen.
        Es sprechen aber noch weitere Gründe insbesondere
        gegen eine isolierte Aufhebung der Ermäßigungssätze
        für das Land Berlin, gegen eine Insellösung. Was wäre
        diese Insellösung für ein Signal für die anderen neuen
        Bundesländer? Die Voraussetzungen für eine Aufhebung
        des Gebührenabschlages liegen zwar nicht vor, aber für
        Berlin machen wir das trotzdem. Das würde einerseits
        signalisieren: Berlin wird entgegen der Gerechtigkeits-
        vorstellung des Einigungsvertrages ohne zwingende
        Gründe bevorzugt. Andererseits hieße das, den zweiten
        Schritt – die Aufhebung – vor dem ersten Schritt – einer
        entsprechenden wirtschaftlichen Entwicklung –, der Vo-
        raussetzung für diesen zweiten Schritt ist und im Inte-
        resse unserer ostdeutschen Mitbürger auch bleiben
        sollte, zu tun.
        Mit der Aufhebung würde ein einzelner Berufsstand,
        die Rechtsanwaltschaft, – und die Justizverwaltung des
        Landes Berlin – vor allen anderen Berufsgruppen bevor-
        zugt. Als Beispiel möchte ich nur die Angestellten im Öf-
        fentlichen Dienst nennen, die im Ostteil der Stadt weiter-
        hin mit BAT-Ost bezahlt werden, aber mit der Erhöhung
        der Anwaltsgebühren und der Justizgebühren gleich in
        zweifacher Hinsicht zur Kasse gebeten würden.
        Damit will ich die Probleme, die sich aus der Sonder-
        stellung Berlins unter den neuen Bundesländern ergeben,
        gar nicht hinwegreden: Die schnell voranschreitende
        Vermischung der Bevölkerung aus beiden Teilen der
        Stadt, die mit den unterschiedlichen Gebühren verbunde-
        nen Mandatenwanderungen zwischen Ost und West,
        Notariatstourismus, eine faktische Beschränkung der
        Niederlassungsfreiheit etc. Auch die Probleme der An-
        waltschaft in den anderen neuen Bundesländern lassen
        sich nicht hinwegdiskutieren. Eine Ungerechtigkeit kann
        jedoch keine andere Ungerechtigkeit rechtfertigen oder
        gar begründen. Wenn diese Probleme gelöst werden sol-
        len, muss eine Gesamtlösung gefunden werden. Hierzu
        hat die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion konkrete Vor-
        schläge unterbreitet.
        Wir haben am vergangenen Mittwoch im Rechtsaus-
        schuss einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu
        bitten, gemeinsam mit den betroffenen Ländern zu prüfen,
        ob im Zuge der Strukturreform der Rechtsanwaltsge-
        bühren eine (stufenweise) Aufhebung der im Einigungs-
        vertrag für die Justizkosten und Rechtsanwaltsgebühren
        vorgesehenen Ermäßigungssätze erfolgen kann. Mehr
        lässt der Anpassungsstand der Lebensverhältnisse in den
        neuen Bundesländern derzeit nicht zu.
        Lassen Sie uns an der Gerechtigkeitsvorstellung des
        Einigungsvertrages festhalten und weiter gemeinsam da-
        ran arbeiten, die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in
        den alten und neuen Bundesländern zügig anzugleichen.
        Einzelkorrekturen, die mehr Ungerechtigkeiten schaffen
        als sie beseitigen, führen hier nicht weiter.
        Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN): Der zehnprozentige Abschlag auf Anwalts-
        und andere Justizgebühren war in Ostdeutschland durch
        das dort insgesamt meist niedrigere Einkommens- und Kos-
        tenniveau gerechtfertigt. Das galt auch für den Teil des
        Beitrittsgebietes. Aber die Verhältnisse in Ostdeutschland
        haben sich in den zehn Jahren seit der Vereinigung erheb-
        lich verändert. Noch erheblicher haben sich die Verhält-
        nisse in Ostberlin verändert. Innerhalb der Stadt Berlin
        macht es überhaupt keinen Sinn mehr, Ost- und Westber-
        lin zu unterscheiden. Sogar die meisten Berliner haben in-
        zwischen Probleme, jeweils zu sagen, ob sie sich noch im
        früheren Ost- oder Westteil befinden. Die Grenzen sind
        verwischt; die Lebensverhältnisse haben sich weitgehend
        angeglichen. Da ist es nicht mehr zu rechtfertigen, in ei-
        nem Bezirk andere Anwaltsgebühren oder Gerichtskosten
        anzusetzen als im anderen Bezirk. Deshalb schaffen wir
        jetzt eine einheitliche Regelung für ganz Berlin. Wir neh-
        men damit die Angleichung zur Kenntnis.
        Anders verhält es sich aber noch mit den anderen Ost-
        bundesländern, hier gibt es durchaus noch Unterschiede im
        Einkommens- und Preisniveau zu Westbundesländern. Des-
        halb ist der Unterschied der gesetzlichen Gebühren gerade
        noch zu rechtfertigen. Aber wir hinterfragen dies und der
        Rechtsausschuss hat beschlossen, jetzt zeitnah zu prüfen, ob
        eine stufenweise Angleichung richtig und zu vertreten ist.
        Deshalb wird die Bundesregierung gemeinsam mit den be-
        troffenen Bundesländern prüfen, ob zum Ausgleich zwi-
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        schenzeitlicher Kostenerhöhungen sowie zur Angleichung
        des Gebührenniveaus in Ost- und Westdeutschland im Zuge
        der Strukturreform der Rechtsanwaltsgebühren eine stufen-
        weise Anhebung der im Einigungsvertrag für die Justizkos-
        ten vorgesehenen Ermäßigungssätze erfolgt. Dabei wird
        auch das kürzlich vorgelegte Votum der vom BMJ einge-
        setzten Expertenkommission zu den Anwaltsgebühren
        handlungsleitend sein.
        Ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Prüfung
        und Neuregelung zügig erfolgt, auch weil ich als Anwalt
        persönlich großes Verständnis für das Anliegen habe.
        Rainer Funke (FDP): Lassen Sie mich eingangs sa-
        gen, dass wir es durchaus für richtig halten, dass auch die
        Ostberliner Anwaltskollegen nicht mehr den Gebührenab-
        schlag von 10 Prozent hinnehmen sollen. Wenn wir den-
        noch gegen die Aufhebung des Gebührenabschlags für
        Ostberliner Anwälte stimmen, dann nicht, um diesen Kol-
        legen zu schaden, sondern weil wir zwölf Jahre nach der
        deutschen Wiedervereinigung der Auffassung sind, dass
        generell Abschläge für Anwaltsgebühren und Justizkosten
        in den neuen Bundesländern aufgehoben werden sollen.
        Aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage hätte
        die Bundesjustizministerin – wie von ihr im Frühjahr
        2000 vor der Anwaltschaft angekündigt – schon längst
        durch eine Rechtsverordnung, die sie allein in eigener
        Verantwortung erlassen könnte, diesen Gebührenab-
        schlag aufheben können. Davor hat sie sich gedrückt und
        will diese Verantwortung auf Bundestag und Bundesrat
        abwälzen. Ein Gebührenabschlag lässt sich auch heute
        nicht mehr rechtfertigen, schließlich sind die Bürokosten
        – also die festen Kosten der Anwaltschaft für Büro-, Per-
        sonal- und Sachausstattung – in den neuen Bundesländern
        genauso hoch wie zum Beispiel in den Flächenstaaten der
        alten Bundesrepublik. Hinzu kommt, dass die Streitwerte
        in den neuen Bundesländern regelmäßig niedriger sind als
        in den alten Bundesländern. Die Anwälte in den neuen
        Bundesländern werden also zweimal benachteiligt: ein-
        mal durch den Abschlag und ein zweites Mal durch nied-
        rigere Streitwerte.
        Auf einen Umstand möchte ich noch besonders auf-
        merksam machen. Überörtliche Sozietäten, die sowohl in
        den alten als auch in den neuen Bundesländern tätig sind,
        können sich dem Abschlag hinsichtlich ihrer Anwaltsge-
        bühren ohne Schwierigkeit entziehen, während aus-
        schließlich in den neuen Bundesländern zugelassene Kol-
        legen den Abschlag hinnehmen müssen. Dies ist nicht nur
        ungerecht, sondern begegnet auch verfassungsrechtlichen
        Bedenken. Der Gleichheitsgrundsatz ist in einer anderen
        Weise nicht gewahrt und demgemäß das Gesetz nicht ver-
        fassungsmäßig, weil ein sachlicher Grund für die Insellö-
        sung, also der Herausnahme Ostberlins aus dem Gebüh-
        renabschlag, nicht gerechtfertigt ist. Es ist überhaupt nicht
        einsichtig, warum Gebührenabschläge in Ostberlin aufge-
        hoben werden, während in Potsdam oder in Zeuthen, also
        teilweise auf der anderen Straßenseite im Großraum Ber-
        lin, diese Gebührenabschläge weiter vorgenommen wer-
        den müssen.
        Alles in allem ist dies ein verkorkstes und sogar
        verfassungswidriges Gesetz. Die Bundesjustizministerin
        sollte stattdessen den Mut haben, durch Ministerverord-
        nung diesem unberechtigten Gebührenabschlag ein Ende
        zu bereiten.
        Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Bei den beiden heute zur
        Debatte stehenden Gesetzentwürfen weiß ich nicht so
        recht, welcher Lebensweisheit ich folgen soll: Alles oder
        Nichts oder der Spatz in der Hand ist besser als die Taube
        auf dem Dach? Als PDS-Abgeordnete halte ich es welt-
        anschaulich gesehen allerdings mehr mit den Interessen.
        Und danach wäre die Antwort eigentlich ganz einfach. Als
        Rechtsanwältin aus Ostberlin begrüße ich natürlich den
        Gesetzentwurf des Bundesrates, der die Aufhebung der
        Benachteiligung für meine Berufsgruppe in meiner Stadt
        fordert. Aber im Ernst: Für mich ist der Antrag der FDP
        der einzig richtige, da er eine Aufhebung der „doppelten“
        Benachteiligung bei Rechtsanwälten in allen neuen Bun-
        desländern fordert. Und das Beste wäre, wenn es nach
        über zehn Jahren Einheit überhaupt keine „Ostabschläge“
        mehr geben würde, wie sie noch im öffentlichen Dienst
        oder aber auch bei bestimmten Berufsgruppen wie den
        Notaren, den Ärzten und Zahnärzten – bei Privatversi-
        cherten, um nur einige zu nennen – weiterhin bestehen.
        Diese Ungleichbehandlung ist sachlich nicht mehr zu
        vermitteln. Weniger Geld bei gleichen Sach- und Personal-
        kosten für dieselbe Arbeit zu erhalten ist schlichtweg unge-
        recht und frustrierend. Die Lebensverhältnisse und insbe-
        sondere die Kostenstruktur bei Freiberuflern haben sich
        mittlerweile so weit angeglichen, dass die Gebührener-
        mäßigung aus keinem sachlichen Grund mehr gerechtfer-
        tigt ist.
        Ich finde es schon erstaunlich, wenn die Justizministe-
        rinnen und Justizminister der neuen Bundesländer diesen
        Sonderweg Berlins mittragen, die Anwälte in ihren eige-
        nen Ländern jedoch mit Hinweis auf noch bestehende Ein-
        kommensunterschiede leer ausgehen lassen. Und auch die
        Stellungnahme der Regierung zu dem Gesetzentwurf des
        Bundesrates, die sich auf den Satz beschränkt, „Die Bun-
        desregierung erhebt gegen den Entwurf keine Bedenken“,
        lässt nicht einmal das Bestreben erkennen, in absehbarer
        Zeit bundeseinheitlich gleiche Gebühren einzuführen.
        Dass insbesondere die Regierungen Brandenburgs,
        Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens sowie Sachsen-
        Anhalts eine Gebührenangleichung ablehnen, ist beschä-
        mend und nicht durch finanzielle Erwägungen zu recht-
        fertigen, zumal ja auch Abschläge für weitere Kosten –
        wie Gerichtskosten – zeitgleich fallen. Dadurch werden
        erhebliche Mehreinnahmen in die Justizkasse gespült, die
        zusätzliche Kosten für Prozesskostenhilfe zumindest
        kompensieren.
        Die kleine Berliner Lösung ist sicher besser als gar
        keine Lösung. Doch froh macht sie mich nicht. Ob da-
        durch eine schnellere Angleichung in den übrigen neuen
        Bundesländern zustande kommt, ist zu hoffen, jedoch kei-
        nesfalls sicher. Von den Anwälten in den neuen Bundes-
        ländern ist jedenfalls gehöriger Druck zu erwarten. Um
        den leidigen Gebührenabschlag elf Jahre nach der deut-
        schen Einheit in einem ersten Schritt wenigstens territo-
        rial begrenzt zu Fall zu bringen, werden wir dem Gesetz-
        entwurf der Regierungskoalition zustimmen. Zufrieden
        sind wir mit dieser halben Lösung – oder besser: 1/6-Lö-
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20817
        (C)
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        sung – jedoch nicht und werden das über unsere Zustim-
        mung zu dem Antrag der FDP zum Ausdruck bringen.
        Anlage 10
        Amtliche Mitteilungen
        Der Bundesrat hat in seiner 770. Sitzung am 30. No-
        vember 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
        zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
        satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen:
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Saatgutverkehrs-
        gesetzes
        – Gesetz zu Einführung und Verwendung eines Kenn-
        zeichens für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus
        (Öko-Kennzeichengesetz – ÖkoKennzG –)
        – Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen In-
        strumente (Job-AQTIV-Gesetz)
        – Gesetz zur Änderung des Gesetzes zu dem Überein-
        kommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung
        jeder Form von Diskriminierung der Frau
        – Gesetz zur der Entschließung vom 22. Mai 1995 zur
        Änderung des Übereinkommens vom 18. Dezember
        1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminie-
        rung der Frau
        – Gesetz zu dem Fakultativprotokoll vom 6. Oktober
        1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979
        zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung
        der Frau
        – Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steuer-
        änderungsgesetz 2001 – StÄndG 2001)
        – Gesetz zur Finanzierung der Terrorbekämpfung
        – Erstes Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes
        – Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten
        zum Erwerb von Wertpapieren und von Unterneh-
        mensübernahmen
        – Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des
        Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschul-
        denverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungs-
        gesetz – BWpVerwG)
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Medizinproduk-
        tegesetzes (2. MPG-ÄndG)
        – Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in
        der gesetzlichen Krankenversicherung
        – Gesetz zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher
        Pflege von Pflegebdürftigen mit erheblichem allge-
        meinem Betreuungsbedarf (Pflegeleistungs-Ergän-
        zungsgesetz – PflEG)
        – Sechstes Gesetz zur Änderung besoldungsrechtlicher
        Vorschriften (Sechstes Besoldungsänderungsgesetz
        – 6. BesÄndG)
        – Erstes Gesetz zurÄnderung des Wahlstatistikgeset-
        zes
        – Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen
        Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie
        zur Erleichterung der Überlassung der Ehewoh-
        nung bei Trennung
        – Siebtes Gesetz zur Änderung der Pfändungsfrei-
        grenzen
        – Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegege-
        setzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungs-
        widrigkeitsrechts, zur Änderung der Mahnvor-
        druckverordnungen sowie zur Änderung weiterer
        Gesetze
        – Gesetz über elektronische Register und Justizkos-
        ten für Telekommunikation – ERJuKoG –
        – Gesetz zur Umstellung von Vorschriften aus den
        Bereichen des Verkehrs-, Bau- und Wohnungswe-
        sen sowie der Familie, Senioren, Frauen und Ju-
        gend auf den Euro (Zehntes Euro-Einführungs-
        gesetz – 10. EuroEG)
        – Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den
        elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Ge-
        schäftsverkehr-Gesetz – EGG)
        – Gesetz zu dem Abkommen vom 12. Juli 2001 zwi-
        schen der Bundesrepublik Deutschland und der
        Volksrepublik China über Sozialversicherung
        – Gesetz zu dem Abkommen vom 19. April 2001
        zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
        Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf
        dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und be-
        stimmter anderer Steuern, zur Verhinderung der
        Steuerverkürzung und zurAmtshilfe in Steuersachen
        – Gesetz zu dem Abkommen vom 8. März 2001 zwi-
        schen der Bundesrepublik Deutschland und Malta
        zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem
        Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver-
        mögen
        – Gesetz zur Änderung des Übereinkommens vom
        14. Juli 1967 zur Errichtung der Weltoranisation
        für geistiges Eigentum
        – Gesetz zur Änderung des Gaststättengesetzes und
        der Gewerbeordnung
        – Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei
        der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuer-
        gesetze (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz –
        StVBG)
        Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
        ßung gefasst:
        Der Bundesrat hat dem Steuerverkürzungsbekämpfungs-
        gesetz im Hinblick auf die damit verbundene Zielsetzung
        der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs zugestimmt. Der
        Bundesrat erwartet aber, dass die erst am Ende der Beratun-
        gen in das Gesetz aufgenommenen organschaftlichen Son-
        derregelungen für die Versicherungswirtschaft, die mit der
        Zielsetzung dieses Gesetzes nichts zu tun haben, im Rah-
        men des Gesetzgebungsverfahrens zur Fortentwicklung des
        Unternehmenssteuerrechts überprüft werden.
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 200120818
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
        Der Bundesrat hat in seiner 770. Sitzung am 30. No-
        vember 2001 beschlossen, der Bundesregierung wegen
        der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des
        Bundes für das Haushaltjahr 2000 (Jahresrechnung
        2000) aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungs-
        hofes Entlastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes
        und § 114 der Bundeshaushaltsordnung zu erteilen.
        Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 14. Sitzung
        am 6. Dezember 2001 folgenden Einigungsvorschlag be-
        schlossen:
        Das vom Deutschen Bundestag in seiner 199. Sitzung
        am 9. November 2001 beschlossene Gesetz zur
        Neuausrichtung der Bundeswehr (Bundeswehr-
        neuausrichtungsgesetz)
        – Drucksachen 14/6881, 14/7089, 14/7235,
        14/7372, 14/7746 –
        wird bestätigt.
        Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitge-
        teilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge-
        schäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nach-
        stehenden Vorlage absieht:
        Haushaltsausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2001
        Unterrichtung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 HG2001 über eine
        überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 02 Titel 540 01
        (Münzausgaben)
        – Drucksachen 14/7263, 14/7413 Nr. 8 –
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
        geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
        gen beziehungsweise Unterrichtungen durch das europä-
        ische Parlament zur Kenntniss genommen oder von einer
        Beratung abgesehen hat.
        Haushaltsausschuss
        Drucksache 14/6908 Nr. 2.2
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.9
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.3
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.14
        Ausschuss fürWirtschaft
        und Technologie
        Drucksache 14/4441 Nr. 1.32
        Drucksache 14/4441 Nr. 1.33
        Drucksache 14/4441 Nr. 1.34
        Drucksache 14/4570 Nr. 2.2
        Drucksache 14/4570 Nr. 2.3
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.21
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.33
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.35
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.36
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.50
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.51
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.52
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.55
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.26
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.30
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.38
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.41
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.45
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.46
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.51
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.54
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.57
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.59
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.61
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.68
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.69
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.7
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.11
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.22
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.26
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.27
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.31
        Ausschuss für Verbraucherschutz,
        Ernährung und Landwirtschaft
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.32
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.33
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.34
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.35
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.36
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.37
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.39
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.42
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.49
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.52
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.53
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.55
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.56
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.60
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.62
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.63
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.18
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.19
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.20
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.21
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.23
        Drucksache 14/7197 Nr. 2.24
        Ausschuss für Familie, Senioren,
        Frauen und Jugend
        Drucksache 14/5610 Nr. 1.11
        Drucksache 14/6026 Nr. 2.33
        Drucksache 14/7000 Nr. 2.1
        Ausschuss für Gesundheit
        Drucksache 14/6908 Nr. 2.13
        Drucksache 14/6908 Nr. 2.14
        Drucksache 14/7129 Nr. 2.66
        Ausschuss für Verkehr,
        Bau- und Wohnungswesen
        Drucksache 14/6026 Nr. 2.9
        Drucksache 14/6116 Nr. 1.2
        Drucksache 14/6214 Nr. 2.3
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
        und Reaktorsicherheit
        Drucksache 14/5503 Nr. 2.14
        Drucksache 14/5610 Nr. 2.36
        Drucksache 14/6615 Nr. 2.5
        Drucksache 14/6908 Nr. 2.9
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.1
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.2
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.3
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.4
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.5
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.6
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.7
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.8
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.9
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.10
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.11
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.12
        Drucksache 14/7000 Nr. 1.13
        Ausschuss für Menschenrechte
        und Humanitäre Hilfe
        Drucksache 14/6615 Nr. 2.14
        Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 209. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Dezember 2001 20819
        (C)
        (D)
        (A)
        (B)
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