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    Tagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstüt- zung der gemeinsamen Reaktion auf ter- roristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolu- tionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 14/7296, 14/7447) . . . . . . . 19855 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Drucksache 14/7440) . . . . . . . . . . . . . . . 19855 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Dr. Guido Westerwelle, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Präventive außenpolitische Kon- zepte gegen den Terrorismus (Drucksache 14/7445) . . . . . . . . . . . . . . . 19855 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktion der PDS: Den inter- nationalen Terrorismus wirksam bekämpfen – den Krieg in Afghanistan beenden (Drucksache 14/7500) . . . . . . . . . . . . . . . 19855 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Ent- schließungsantrag der Fraktion der PDS zu der Regierungserklärung des Bundes- kanzlers zu der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämp- fung des internationalen Terrorismus (Drucksachen 14/7333, 14/7493) . . . . . . . 19855 D Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 19856 A Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19858 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19862 B Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 19865 C Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19866 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 19866 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19868 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19870 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19871 D Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19873 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 19877 B Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . 19879 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19881 D Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19883 C Plenarprotokoll 14/202 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 202. Sitzung Berlin, Freitag, den 16. November 2001 I n h a l t : Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19885 A Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19885 B Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19885 C Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19887 D Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . 19889 A Rüdiger Veit SPD (Erklärung nach § 31 GO) 19891 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . 19892 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 19890 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19893 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19895 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19896 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19897 A Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Den Tourismus im länd- lichen Raum nachhaltig stärken (201. Sitzung, Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . 19897 A Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19897 A Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Eckhardt Barthel (Berlin), Wolfgang Behrendt, Dr. Axel Berg, Friedhelm Julius Beucher, Rudolf Bindig, Christel Deichmann, Hans Forster, Arne Fuhrmann, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosen- heim), Klaus Hagemann, Anke Hartnagel, Walter Hoffmann (Darmstadt), Ingrid Holzhüter, Christel Humme, Gabriele Iwersen, Ilse Janz, Ulrich Kasparick, Karin Kortmann, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Detlev von Larcher, Waltraud Lehn, Christine Lehder, Heide Mattischeck, Michael Müller (Düsseldorf), Andrea Nahles, Günter Oesinghaus, Christel Riemann-Hanewinckel, Bernd Reuter, Thomas Sauer, Gudrun Schaich- Walch, Dr. Hermann Scheer, Dr. Frank Schmidt (Weilburg), Gisela Schröter, Ewald Schurer, Dr. Angelica Schwall-Düren, Erika Simm, Rita Streb-Hesse, Jella Teuchner, Adelheid Tröscher, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Konstanze Wegner, Lydia Westrich, Klaus Wiesehügel, Hanna Wolf (München) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bun- desregierung zum Einsatz bewaffneter deut- scher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsra- tes der Vereinten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . 19898 B Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Sterzing und Ulrike Höfken (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deut- scher Streitkräfte bei der Unterstützung der ge- meinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsra- tes der Vereinten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zu- satztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 19899 C Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Dr. Thea Dückert, Andrea Fischer (Berlin), Katrin Göring-Eckardt, Kristin Heyne, Dr. Angelika Köster-Loßack, Christine Scheel und Margareta Wolf (Frank- furt) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Ein- satz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Verein- ten Nationen und des Art. 5 des Nordatlan- tikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Ver- einten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundge- setzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatz- tagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19900 D Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische An- griffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Re- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001II solution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen verbun- den mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungs- punkt 3 und Zusatztagesordnungspunkt 4) . . . 19902 A Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19902 A Dr. Edelbert Richter SPD . . . . . . . . . . . . . . . 19902 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19903 A Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19903 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19904 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19905 A Georg Brunnhuber CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19906 C Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19906 D Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU 19907 A Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19907 C Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19909 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19909 D Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19910 A Dr. Uwe Jens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19910 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19911 A Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19911 B Christa Lörcher fraktionslos . . . . . . . . . . . . . 19911 C Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 19911 D Klaus Bühler (Bruchsal) CDU/CSU . . . . . . . 19912 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19912 C Anlage 7 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19915 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001
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    Dr. Gerd Müller Bernward Müller (Jena) Elmar Müller (Kirchheim) Bernd Neumann (Bremen) Claudia Nolte Günter Nooke Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto (Erfurt) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Peter Rauen Christa Reichard (Dresden) Katherina Reiche Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch (Wiesbaden) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Adolf Roth (Gießen) Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Volker Rühe Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Dr. Gerhard Scheu Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Christian Schmidt (Fürth) Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) Andreas Schmidt (Mülheim) Hans Peter Schmitz (Baesweiler) Michael von Schmude Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Wolfgang Schulhoff Gerhard Schulz Diethard Schütze (Berlin) Clemens Schwalbe Dr. Christian Schwarz- Schilling Wilhelm Josef Sebastian Horst Seehofer Heinz Seiffert Dr. h. c. Rudolf Seiters Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Carl-Dieter Spranger Wolfgang Steiger Erika Steinbach Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Stübgen Dr. Rita Süssmuth Dr. Susanne Tiemann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Dr. Theodor Waigel Peter Weiß (Emmendingen) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Hans-Otto Wilhelm (Mainz) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Willy Wimmer (Neuss) Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annelie Buntenbach Winfried Hermann Christian Simmert Hans-Christian Ströbele FDP Ina Albowitz Hildebrecht Braun (Augsburg) Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Jörg van Essen Ulrike Flach Gisela Frick Paul K. Friedhoff Horst Friedrich (Bayreuth) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Joachim Günther (Plauen) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Jürgen Koppelin Ina Lenke Sabine Leutheusser- Schnarrenberger Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Detlef Parr Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Dr. Irmgard Schwaetzer Marita Sehn Dr. Hermann Otto Solms Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Jürgen Türk Dr. Guido Westerwelle PDS Monika Balt Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Roland Claus Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Wolfgang Gehrcke Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Carsten Hübner Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Heidi Lippmann Ursula Lötzer Dr. Christa Luft Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Manfred Müller (Berlin) Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Christine Ostrowski Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Christina Schenk Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Fraktionslose Abgeordnete Christa Lörcher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119896 (C)(A) Berichtigung 200. Sitzung, Seite 19649 (D) ist wie folgt zu lesen: Sie haben im Bereich Arbeitsmarkt alles falsch gemacht. Das Ergebnis davon sind 4 Millionen Arbeitslose; 3,9 Millionen planen Sie selbst schon im Jahresdurchschnitt ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Betrachtet man die verheerende wirtschafts-, finanz- und steuerpolitische Bilanz von Rot- Grün, so kann es hierfür nur drei Ursachen geben: (Ludwig Eich [SPD]: Keine Ahnung!) Entweder können Sie es nicht besser machen oder Sie wollen es nicht besser machen oder es ist Ihnen schlicht egal. Alle drei Erklärungen sind gleichermaßen schlimm. Statt den Nutzen unse- res Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden, tun Sie das Gegenteil. (Widerspruch der Abg. Erika Lotz [SPD]) Nachdem sich inzwischen führende Vertreter der Grünen den Einsatz der Bundeswehr im Krieg gegen den Terrorismus als humanitäre Aktion schönreden, wie Frau Scheel, wird, wenn man die Voraussagen richtig deutet, dieses rot-grüne Gewurstel wohl auch über kommenden Freitag hinaus noch im Dezember weitergehen in unserem Land, zum Schaden unseres Landes. Sie verfehlen alle selbst gesetzten Ziele. Wir werden bei der Wahlauseinandersetzung im nächs- ten Jahr (Ludwig Eich [SPD]: Mit wem denn?) deutlich machen, dass es nicht widrige Zeitläufte waren, die Sie scheitern ließen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19897 (C) (D) (A) (B) Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 16.11.2001 Dr. Höll, Barbara PDS 16.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 16.11.2001 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 16.11.2001 Anlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Den Tourismus im ländlichen Raum nachhaltig zu stärken (201. Sit- zung, Tagesordnungspunkt 13) Thomas Dörflinger (CDU/CSU): Der Antrag, den uns SPD und Grüne heute vorlegen, erinnert mich etwas an eine Unterhaltung zwischen einem Autoverkäufer und einem Kunden. Der Verkäufer will dem Kunden beheiz- bare Sitze, elektrisch verstellbare Außenspiegel, Tempo- mat und viele andere Extras verkaufen, als der Kunde schlicht einwendet, er möchte doch bitte schön erst ein- mal Räder, damit das Auto überhaupt fährt. Genau so durchdacht ist das, was Sie uns hier vorgelegt haben. Wir können uns über vieles unterhalten, was Sie aufgelistet haben. Manches davon – ich werde noch da- rauf zurückkommen – findet auch unsere ausdrückliche Zustimmung. Aber: Sie müssen sich zunächst einmal dafür verwenden, Politik für den ländlichen Raum zu ma- chen, bevor sie daran gehen können, den Tourismus in diesen Regionen zu stärken. Und als Abgeordneter eines ländlich strukturierten Wahlkreises weiß ich da, wovon ich rede. Sie haben die deutsche Landwirtschaft mit einem Streichkonzert konfrontiert, das in den letzten 20 Jahren ohne Beispiel ist. Mag sein, dass ein Großbetrieb damit noch zurecht kommt. Die kleinen Familienbetriebe aber im Südschwarzwald beispielsweise sehen sich aber an die Wand gedrückt, wenn zu der durch BSE und MKS verur- sachten Marktsituation – für die die Bauern selbst gar nichts konnten – auch noch Kürzungen bei der Sozialver- sicherung oder bei der Gasölbetriebsbeihilfe kommen. Die Touristiker in dieser Region aber sind auf die Land- wirtschaft angewiesen, wenn wir weiterhin mit einer of- fen gehaltenen Landschaft Werbung betreiben wollen. Wer, wenn nicht die Landwirte, soll denn für die Offen- haltung der Landschaft sorgen? Politik gegen die Land- wirtschaft ist auch Politik gegen den ländlichen Raum und damit Politik gegen eine touristische Nutzung der Region. Korrigieren Sie Ihre Agrarpolitik, und Sie leisten einen ersten, wichtigen Beitrag zur Stärkung der Tourismus- wirtschaft im ländlichen Raum. entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Wenn Sie in Ihrem Antrag insbesondere den Bauern- hof- und Landtourismus als wichtiges Segment im Deutschlandtourismus loben – wir gehen da völlig d’ac- cord –, dann müssten Sie zunächst einmal dafür sorgen, dass es diese Bauernhöfe, auf denen man urlauben soll, auch in zehn Jahren überhaupt noch gibt. Es macht ja wohl keinen Sinn, dass Touristen auf einem Bauernhof Ferien machen, der deswegen besonders ruhig ist, weil seine Besitzer die Landwirtschaft vor Jahren eingestellt haben, und die urlaubende Familie dann ins Heimatmu- seum fährt, um sich anzusehen, wie die Landwirte früher gearbeitet haben. Lassen Sie mich auf einige Punkte aus Ihrem Antrag konkret eingehen: Erstens. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küsten- schutz ein wichtiges strukturpolitisches Element ist. Sorgen Sie also bitte dafür, dass die GAK nicht zu einer Sparbüchse der Frau Verbraucherschutzministerin ver- kommt, aus der unvorhergesehene Dinge wie Maßnah- men gegen BSE finanziert werden. Dies wird der GAK nicht gerecht, sondern reduziert dieses wichtige Instru- mentarium auf die Funktion eines finanzpolitischen Spielballs. Zweitens. Es ist richtig – auch hier sind wir uns einig –, dass Daten aus Übernachtungen auf Bauernhöfen er- fasst werden, damit uns und den Verantwortlichen vor Ort für die weiteren Planungen vernünftige Statistiken zur Verfügung stehen. Warum aber dann legen Sie dem Deutschen Bundestag an anderer Stelle einen Gesetzes- entwurf vor, der zum Ziel hat, die Übernachtungen in den Kurbeherbergungsbetrieben aus dieser Statistik herauszunehmen? Einmal abgesehen von den teilweise dramatischen Folgen für die Kommunalfinanzen schaffte dies ein schiefes Bild in der Statistik, das unse- rem gemeinsamen Ziel, nämlich den Tourismus im ländlichen Raum zu stärken, alles andere als förderlich wäre. Drittens. Wenn Sie sich Punkt 13 Ihres Antrags einmal, oder besser: zweimal durchlesen, müssten Ihnen eigent- lich die Ohren klingeln. Nehmen Sie nochmals die Aus- schussprotokolle aus dem früheren Ausschuss für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zur Hand und le- sen Sie nochmals die Debatten nach, als der § 35 BauGB durch die frühere Bundesregierung zugunsten beispiels- weise der Umnutzung von ehemals landwirtschaftlich ge- nutzten Gebäuden geregelt wurde. Die seinerzeitige Op- position sprach von der Gefahr der Zersiedelung und malte Horrorszenarien. Und jetzt findet sich genau die Re- form der Reform in Ihrem eigenen Antrag. Das darf doch nicht Ihr Ernst sein. Vorletzte Bemerkung: Tourismus im ländlichen Raum lebt nicht zuletzt auch von der Erreichbarkeit touristischer Destinationen für den Kunden. Da ist die Schiene genauso gefordert wie die Straße. Legen Sie endlich ein vernünfti- ges Konzept zur Umsetzung der Bahnreform vor und leis- ten Sie so – etwa durch die groß angekündigte und dann klammheimlich wieder kassierte Trennung von Netz und Betrieb – einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Eisen- bahnen in Deutschland, damit es eben nicht passieren kann, das ganze Touristikregionen durch die Bahn AG – Stichwort: Zukunft des Interregio – einfach abgehängt werden. Legen Sie dem Deutschen Bundestag endlich die Fort- schreibung des Bundesverkehrswegeplans vor! Das war einmal für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode an- gekündigt, dann hieß es, man komme erst im Verlauf des Jahres 2002 zu Potte. Und jetzt erfahren wir langsam, dass es in dieser Wahlperiode vermutlich überhaupt nichts mehr wird. Traurige Zeiten in der deutschen Verkehrspo- litik! Letzte Bemerkung: Traditionell ist die Eigenkapital- decke von Betrieben im ländlichen Raum dünner als die in Ballungszentren. Belasten Sie also gerade diese Be- triebe nicht auch noch durch zusätzliche Kosten wie sie aus einer verfehlten Steuerreform, der Ökosteuer oder der Neuregelung der 630-Mark-Jobs resultieren. Und: Sorgen Sie nicht nur in Sonntagsreden in Fernost, wie der Herr Bundeskanzler, sondern durch Taten in Europa dafür, dass Basel II nicht zu einem Waterloo für die deutsche Touris- muswirtschaft im ländlichen Raum wird. Schaffen Sie also Rahmenbedingungen, unter denen man nicht nur mehr schlecht als recht arbeiten kann, son- dern die der Tourismuswirtschaft im ländlichen Raum ein Auskommen ermöglichen. Es ist keine Zukunftsperspek- tive, wenn die Umsätze zwar steigen, die Umsatzrendite aber fortlaufend sinkt. Dann können wir uns gerne da- rüber unterhalten, was darüber hinaus zur Verbesserung der Situation noch zu tun ist. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Arndt-Brauer, Eckhardt Barthel (Berlin), Wolfgang Behrendt, Dr. Axel Berg, Friedhelm Julius Beucher, Rudolf Bindig, Christel Deichmann, Hans Forster, Arne Fuhrmann, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Klaus Hagemann, Anke Hartnagel, Walter Hoffmann (Darmstadt), Ingrid Holzhüter, Christel Humme, Gabriele Iwersen, Ilse Janz, Ulrich Kasparick, Karin Kortmann, Horst Kubatschka, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Detlev von Larcher, Waltraud Lehn, Christine Lehder, Heide Mattischeck, Michael Müller (Düsseldorf), Andrea Nahles, Günter Oesinghaus, Christel Riemann-Hanewinckel, Bernd Reuter, Thomas Sauer, Gudrun Schaich-Walch, Dr. Hermann Scheer, Dr. Frank Schmidt (Weilburg), Gisela Schröter, Ewald Schurer, Dr. Angelica Schwall-Düren, Erika Simm, Rita Streb-Hesse, Jella Teuchner, Adelheid Tröscher, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Konstanze Wegner, Lydia Westrich, Klaus Wiesehügel, Hanna Wolf (München) (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Ein- satz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikver- trags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bun- deskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatzpunkt 4) Gleichwohl machen wir uns die Entscheidung in der Sachfrage um den Einsatz der deutschen Bundeswehrsol- daten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nicht leicht. Nach mehr als 20 Jahren Krieg in Afghanis- tan wünscht sich der größte Teil der afghanischen Bevöl- kerung nichts mehr als Frieden und die Überwindung von Unterdrückung. Darum wird die Bundesregierung aufge- fordert, auf das schnellstmögliche Ende des Bombarde- ments und der Kampfhandlungen hinzuarbeiten und ver- stärkt humanitäre Hilfe zu leisten. Das amerikanische Volk hat nach dem 11. September 2001 ein Anrecht auf unsere volle Solidarität. Solidarität beruht auf Gegenseitigkeit. Eine uneingeschränkte Soli- darität setzt daher partnerschaftliche Mitbestimmung und umfassende Information voraus. Uneingeschränkte Soli- darität kann kein bedingungsloses Nachvollziehen der amerikanischen Militärstrategie bedeuten. Für uns ist das humanitäre Kriegsvölkerrecht, Haager- und Genfer Kon- ventionen, der entscheidende Maßstab. Der terroristische Angriff vom 11. September 2001 hat die gesamte Völker- gemeinschaft getroffen. Unsere Antwort muss den Prinzi- pien des Völkerrechts folgen. Art. 57 des Zusatzprotokolls der Genfer Konvention von 1949 besagt: Wer einen Angriff plant oder beschließt, hat alles praktisch Mögliche zu tun, um sicherzugehen, dass die Angriffsziele weder Zivilpersonen noch zivile Objekte sind. Er hat von jedem Angriff Abstand zu nehmen, bei dem damit zu rechnen ist, dass es auch Verluste unter der Zivilbevölkerung oder zur Be- schädigung ziviler Objekte kommt, die in keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten oder unmittel- baren militärischen Vorteil stehen. Wir haben Vertrauen darauf, dass die Bundesregierung ihren Einfluss geltend macht, den Einsatz von Streubom- ben zu verhindern. Wir erwarten von Bundeskanzler Schröder, dass er für die Dauer des militärischen Einsat- zes seinen Einfluss dahin gehend nutzt, die Amerikaner zum zielgenauen Einsatz der Bomben nur auf militärische Ziele und Einrichtungen terroristischer Netzwerke aus- schließlich in Afghanistan zu bewegen. Wir teilen die Besorgnis vieler Bürgerinnen und Bür- ger vor einer Ausweitung des Konfliktes durch Maßnah- men, die nicht mit der deutschen Seite abgestimmt sind. Ein Übergreifen des Konfliktes auf andere – arabische – Länder ist unbedingt zu verhindern, um eine weitere Es- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119898 (C) (D) (A) (B) kalation zu vermeiden. Wir begrüßen daher die im Regie- rungsantrag manifestierte Einschränkung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte in Afghanistan: Deutsche Kräfte werden sich an etwaigen Einsätzen gegen den internationalen Terrorismus in anderen Staaten als Afghanistan nur mit Zustimmung der je- weiligen Regierung beteiligen. Es wird festgestellt, dass diese Haltung in der Europä- ischen Gemeinschaft breite Unterstützung findet. Die eu- ropäische Staatengemeinschaft sollte ihren Einfluss in diesem Sinne innerhalb der Koalition gegen den interna- tionalen Terrorismus geschlossen vertreten und ihm auf diesem Wege zur Geltung verhelfen. Zu den mittel- und langfristigen Handlungsnotwendigkeiten zählen eine Stärkung der Vereinten Nationen, eine Weltordnungspoli- tik – Global Governance – und tiefgreifende Reformen der Weltwirtschaftspolitik. Institutionen wie Weltbank, IWF und UN-Sicherheitsrat müssen endlich für einen fairen Nord-Süd-Ausgleich sorgen. Angesichts der dramati- schen Armut in der Welt hat sich die internationale Ge- meinschaft auf folgende gemeinsame Ziele zu verpflich- ten: erstens Armutsbekämpfung, zweitens Politik für die Chancengleichheit aller Menschen und Völker in einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung, drittens weitere Er- höhung der Ausgaben für die Entwicklungszusammenar- beit. Wir begrüßen das Bemühen von Außenminister Joschka Fischer und der Bundesregierung, im Nahost- konflikt zu vermitteln und der Gewalt Einhalt zu gebie- ten und zu einer politischen Lösung zu kommen. Wir er- warten jedoch, dass die USA eine deutlich stärkere Rolle in diesem Konflikt einnehmen. Israel und Palästina ha- ben jeweils das Recht auf einen eigenständigen Staat und ein Leben in gesicherten Grenzen. Wir begrüßen die Zu- sicherung der Bundesregierung, dass die deutschen Streitkräfte einem deutschen Kommando unterstellt wer- den. Darüber hinaus verweisen wir auf das Bundesver- fassungsgerichtsurteil von 1994 zum Auslandseinsatz der deutschen Bundeswehr, wonach der Deutsche Bundestag zu jeder Zeit die im Einsatz befindlichen Streitkräfte zurückholen kann, wenn er dies für geboten hält. Wir be- halten uns eine derartige Initiative ausdrücklich vor. Wir unterstützen, dass der Bundeskanzler die Notwendigkeit von politischen, diplomatischen und humanitären An- strengungen öffentlich betont. Wir unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, im Verbund mit der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinten Nationen einen demokratisch legitimierten Post-Taliban-Prozess in Afghanistan voranzutreiben. Im Rahmen eines Mar- shallplanes muss der zivile und wirtschaftliche Wieder- aufbau in der Region politisch und ökonomisch gewähr- leistet werden. Ein Neuanfang muss alle ethnischen und politischen Gruppen in Afghanistan einbeziehen. Wir er- warten zusätzliche und konkrete Initiativen, um die Si- tuation der Flüchtlinge in den Wintermonaten zu verbes- sern, damit es zu keiner humanitären Katastrophe kommt. Die Flüchtlingshilfe muss dabei klar von mi- litärischen Aktionen getrennt werden. Wir begrüßen die Aufstockung der Hilfsprogramme der Bundesregierung auf 85 Millionen DM und die Bereitstellung von EU-Mit- teln in Höhe von 700 Millionen DM. Wir unterstützen die Bemühungen der Bundesregierung, im Rahmen des Post- Taliban-Prozesses die Rechte der afghanischen Frauen und von Minderheiten im Demokratisierungsprozess si- cherzustellen. Der 11. September 2001 war eine reale Kriegser- klärung an potenziell jedes zivilisierte und friedenslie- bende Land. Es ist notwendig, Osama Bin Laden und sei- nen Unterstützern das Handwerk zu legen und sie vor ein internationales Strafgericht zu stellen. Der UN-Sicher- heitsrat hat in zwei einstimmig beschlossenen Resolutio- nen die Terroranschläge vom 11. September als Bedro- hung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit eingestuft und dazu aufgerufen, die Terroristen und ihre Hintermänner, aber auch die Länder, die ihnen Schutz ge- währen, zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Resolutionen legitimieren auch militärische Maßnahmen. Auf dieser Basis hat die NATO zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall festgestellt. Wir sind nach intensiver Ab- wägung der angeführten Argumente bereit, einer Beteili- gung deutscher Streitkräfte zuzustimmen. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Christian Sterzing und Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz be- waffneter deutscher Streitkräfte bei der Unter- stützung der gemeinsamen Reaktion auf terroris- tische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen verbun- den mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatztagesordnungspunkt 4) Nach den fürchterlichen terroristischen Anschlägen in den Vereinigten Staaten haben wir unsere Solidarität mit den Opfern, ihren Angehörigen und der Bevölke- rung in den Vereinigten Staaten erklärt. Wir haben an- erkannt, dass der UN-Sicherheitsrat das individuelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht der Vereinigten Staaten anerkannt und damit dem Kampf gegen den Ter- rorismus eine völkerrechtliche Grundlage gegeben hat. Ferner haben wir – wie zum Beispiel der Bundestag so- wie die Partei Bündnis 90/Die Grünen in mehreren Be- schlüssen – zum Ausdruck gebracht, dass unsere Be- reitschaft zur praktischen Solidarität unter bestimmten Bedingungen auch die Bereitstellung militärischer Mit- tel umfasst. Unsere Solidarität haben wir immer als kritische, nicht als uneingeschränkte verstanden. Deshalb haben wir uns – zum Beispiel als Erstunterzeichner des Berliner Aufrufs – gegen den Krieg in Afghanistan gewandt und uns für eine Bekämpfung des Terrorismus mit zivilisierten Mitteln eingesetzt, weil auch im Kampf gegen den Terror die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19899 (C) (D) (A) (B) Wertauffassungen und Grundsätze unserer Gesellschaft nicht Schaden nehmen dürfen. Die Luftangriffe in Af- ghanistan haben angesichts der wachsenden Zahl ziviler Opfer, von Flächenbombardements und des Einsatzes von Streubomben den Kriterien und Bedingungen, unter denen wir den Einsatz militärpolizeilicher Mittel gegen den Terror und seine Unterstützer für noch vertretbar hal- ten, nicht entsprochen. Jede Planung und Durchführung militärischer Maßnahmen muss das Prinzip der Verhält- nismäßigkeit und der Vermeidung ziviler Opfer beach- ten. Wir haben uns deshalb für eine Aussetzung der Bom- bardierungen eingesetzt, um die humanitäre Hilfe für die hungernden und flüchtenden Menschen in Afghanistan mit zu verbessern. Zudem war für uns nicht erkennbar, dass die militärischen Maßnahmen in ein politisches Ge- samtkonzept eingebettet waren, da nach unserer Über- zeugung der Kampf gegen den Terrorismus nur dann dau- erhaft Erfolg haben kann, wenn politische, ökonomische, humanitäre, ordnungs- und strukturpolitische, polizeili- che und sicherheitsdienstliche Maßnahmen im Vorder- grund stehen. Aufgrund dieser kritischen Zwischenbilanz der Luft- angriffe in Afghanistan erschien uns eine Beteiligung deutscher Soldaten nicht vertretbar. Das von der Bundes- regierung beantragte Mandat sieht zudem nur eine Be- reitstellung von Streitkräften vor; im Rahmen dieses Mandats soll die konkrete Einsatzentscheidung für ein Jahr der Bundesregierung vorbehalten bleiben. Wir be- fürchten deshalb eine Entparlamentarisierung der gemäß dem Grundgesetz allein dem Parlament vorbehaltenen Entscheidung über Bundeswehreinsätze. Unklarheiten im Hinblick auf den Auftrag, das Einsatzgebiet und die Kommandostrukturen der deutschen Streikräfte sowie der parlamentarischen Beteiligung konnten erst durch eine Protokollerklärung der Bundesregierung präzisiert werden. Als Abgeordnete haben wir erreichen können, dass der Einsatz der Bundeswehr durch einen zusätzlichen Antrag und eine verbindliche Protokollerklärung der Bundesre- gierung substanziell begrenzt und in ein politisches und humanitäres Konzept eingebunden wurde. Wichtige Bestandteile sind eine entschiedene Bekämpfung der Ursachen des Terrors, zivile Konfliktlösungsstrategien, humanitäre Flüchtlingsversorgung, die zusätzliche Finan- zierung von Entwicklungsmaßnahmen und anderes. Die Entscheidung des Kanzlers, angesichts der wach- senden Ablehnung des Antrags der Bundesregierung in den Regierungsfraktionen die Entscheidung über den Bundeswehreinsatz mit der Vertrauensfrage zu verbinden, machte es uns unmöglich, die ohnehin sehr schwierige Entscheidung über die Entsendung deutscher Soldaten allein an dem zu orientieren, was uns unsere politische Überzeugung und unser Gewissen in Sachen Militär- einsätze gebietet. Mit der Gewissensfrage wurde die Ent- scheidung über das Schicksal der rot-grünen Koalition verbunden, eine Frage, die aufgrund ihrer weitreichenden Folgen an Bedeutung der Gewissensentscheidung gleich- kommt. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen, siehe Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Bundeskanzler hat das Recht, jederzeit die Vertrauensfrage zu stellen. Gemäß Art. 68 GG hat er auch das Recht, die Vertrauensfrage mit einer Sachfrage zu verbinden. Bei der heutigen Ent- scheiddung ist jedoch die Vertrauensfrage mit einer Ge- wissensfrage verbunden. Das verfassungsgemäße Recht des Bundeskanzlers zur Stellung der Vertrauensfrage kol- lidiert also mit dem verfassungsgemäßen Recht der Ab- geordneten auf eine freie Gewissenenstscheidung. Das berührt Grundfragen unseres Verständnisses einer parla- mentarischen Demokratie und erweist dieser sowie der Glaubwürdigkeit des Parlaments und der Abgeordneten keinen guten Dienst. In einer Mandatsaufgabe kann und darf nicht die Lösung dieses Dilemmas liegen. Dies ent- spricht nach unserer Überzeugung nicht dem Abgeordne- tenbild, das den Vätern und Müttern des Grundgesetzes vorschwebte. Die Verknüpfung führt auch in der Sache zu absurden Ergebnissen: Am Freitag werden die Abgeordneten der Union und FDP, obwohl sie vorbehaltlos den Krieg in Af- ghanistan und den Antrag der Bundesregierung unterstüt- zen, den Antrag der Bundesregierung ablehnen. Dagegen werden eine Reihe von Abgeordneten, die eine militäri- sche Reaktion auf den 11. September ablehnen oder Kri- tik an der Operation Enduring Freedom oder dem Antrag der Bundesregierung haben und deshalb den Antrag der Bundesregierung ablehnen, zustimmen. Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Dr. Thea Dückert, Andrea Fischer (Berlin), Katrin Göring- Eckardt, Kristin Heyne, Dr. Angelika Köster- Loßack, Christine Scheel und Margareta Wolf (Frankfurt) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unter- stützung der gemeinsamen Reaktion auf terrori- stische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Re- solution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicher- heitsrates der Vereinten Nationen verbunden mit dem Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatztagesordnungspunkt 4) Wir haben mit ja zum Einsatz deutscher Soldaten für die Terroristenbekämpfung gestimmt. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es ist wohl die schwerwiegendste Abstimmung, an der wir als Bundes- tagsabgeordnete bisher teilnehmen mussten. Wir sind un- serem Gewissen gefolgt und dem, was uns unser Herz und unser Verstand unter Abwägung möglichst vieler Aspekte gesagt haben. Der 11. September hat vielen auf erschreckende Weise vor Augen geführt, dass wir bisher in unserem Weltbild Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119900 (C) (D) (A) (B) eine große Gefahr für den Frieden in der Welt ausgeblen- det hatten: den internationalen Terrorismus, getrieben von religiösem oder anderem Fanatismus. Wer unter Aufgabe seines Lebens bereit ist, Flugzeuge zur Bombe zu ma- chen, um Tausende von unschuldigen Menschen zu töten, der ist zu jeder unmenschlichen Tat fähig: auch zum Ein- satz von biologischen, chemischen und atomaren Waffen genauso wie zum Angriff auf ein AKW oder eine Che- miefabrik. Wir haben die erschreckende Überzeugung, dass der Angriff auf New York und Washington erst der Anfang war – wenn wir nichts dagegen tun. Wir befürch- ten zudem, dass auch Angriffsziele in Europa gesucht werden. Die Gefährlichkeit dieser Terroristen zu unter- schätzen, kann viele weitere Menschenleben kosten. Wer hier nicht handelt, macht sich schuldig. Inzwischen müssen wohl auch Skeptiker – auch wir waren zwischendurch – skeptisch zugeben, dass der mi- litärische Einsatz in Afghanistan erfolgreich war. Es ist ein Beitrag zur Terroristenbekämpfung, wenn das Tali- banregime in Afghanistan abgelöst und durch eine andere Regierung unter Begleitung der UN ersetzt wird. Das Re- gime ist aufs Engste mit Bin Laden verknüpft. Die Tali- ban haben kein Zweifel daran gelassen, dass sie das Land immer als Basisstation für ihn zur Verfügung stellten. Zu- dem sind die Taliban grausam gegen die eigene Bevölke- rung. Das reicht von der Unterjochung der Frauen über eine Terrorjustiz bis dahin, dass unter ihrer Regierung nicht etwa erst durch den Krieg – Hundertausende zu Flüchtlingen geworden und des Hungers gestorben sind. Nun kann wahrscheinlich fast allen der circa 3 bis 5 Mil- lionen Flüchtlingen geholfen werden. Dies ist eine ent- scheidene Wende. Aber weder sind die Taliban endgültig besiegt noch erst Recht der Frieden gewonnen. Jetzt müs- sen alle Kräfte mobilisiert werden für einet stabile Nach- Talibanordnung. Dafür haben wir trotz schwieriger Haus- haltslage 160 Millionen DM neu eingestellt. Zusätzlich unterstützen wir die humanitäre Hilfe in Afghanistan mit 96 Millionen DM. Nicht alles fanden und finden wir dabei akzeptabel: Den Einsatz von Streubomben lehnen wir nach wie vor ab. Sie sind eine unnötige Grausamkeit. Wir erwarten zu- dem, dass alles Menschenmögliche getan wird, um Fehl- abwürfe auf zivile Ziele zu vermeiden. Für diese Art der Kriegsführung gibt es von uns keine „uneingeschränkte“ sondern nur eine „kritische“ Solidarität. Für unsere Zustimmung war nicht zuletzt entschei- dend, dass wir Grüne in wesentlichen Punkten das Man- dat zum Einsatz konkretisiert haben. Dazu gehört, dass das Operationsziel sich allein gegen die terroristischen Netzwerke Bin Ladens und al-Quaida und die Unterstüt- zer richtet, analog zur UN-Resolution; dass die 100 Spe- zialkräfte polizeilich-militärische Aufgaben wahrneh- men, zum Beispiel Geiselbefreiung sowie Verhaftungen und nicht am Bodenkrieg teilnehmen; dass weder ein Einsatz im Irak noch in Somalia geplant ist; dass es keine Unterordnung deutscher Streitkräfte unter amerikani- sches Kommando gibt, sondern dass die Bundesregie- rung die Entscheidungshoheit hat; dass es eine regel- mäßige Information und Diskussion im Parlament gibt, insbesondere wenn sich etwas Wesentliches am Mandat ändern sollte. Zudem werden wir in einem parallelen Bundestagsbe- schluss deutlich machen, dass die Entmilitarisierung des Konfliktes – unter Regie der Vereinten Nationen –, der Aufbau eines zivilen und freien Afghanistans und vor al- lem die humanitäre Versorgung der Menschen absoluten Vorrang haben müssen. Für die Zukunft ist klar: Eine langfristige Strategie der Konfliktprävention, fairer Welt- handel, Armutsbekämpfung, Entschuldung, Einsatz für Menschenrechte weltweit und der Dialog der Kulturen wird dazu beitragen, dass fanatische Terroristen sich nicht mehr auf bestehende Ungerechtigkeiten zur ver- meintlichen Rechtfertigung ihrer Untaten beziehen kön- nen. Wir stimmen auch aus großer Überzeugung mit Ja, dass wir dem Bundeskanzler Schröder unser Vertrauen aussprechen. Ganz entscheidend für unsere Zustimmung ist unser Vertrauen in Joschka Fischer. Noch nie hatten wir Grüne so einen großen Einfluss auf die internationale Po- litik. Dies ist vor allem dem Außenminister selbst zu ver- danken. Mit ihm ist deutsche Außenpolitik stärker als bis- lang erkennbar auf Integration, Konfliktvermeidung und Entwicklung ziviler Perspektiven gerichtet, in Asien wie in Amerika, in Europa und im Nahen Osten. Sie ist nicht nur zivile Außenpolitik, sie ist darüber hinaus zu guten Teilen auch grüne Außenpolitik. Der grüne Außenminis- ter betreibt diese Politik mit großer Glaubwürdigkeit und mit einem hohen persönlichen Einsatz. Man kann nicht gegen diese Politik stimmen und gleichzeitig Joschka Fischer unterstützen! Wer mit Nein stimmt, hat auch die gesamte Verantwortung für die Kon- sequenzen für die rot-grüne Koalition und die grüne Par- tei zu tragen. Als Erstes gilt die Konsequenz, dass die rot- grüne Koalition beendet sein kann. Eine andere Außen- und Weltinnenpolitik, die allen Völkern der Erde eine Perspektive gibt, ist eine langfristige Aufgabe. Das grüne Leitbild ist die nach- haltige Entwicklung. Wir haben in den drei Jahren Regierungsbeteiligung einiges erreicht. Aber es wäre ver- messen, zu glauben, dass man in drei Jahren in Deutsch- land einen völlig neuen Kurs durchsetzen könnte. Das braucht Zeit. Die möchten wir dieser Koalition geben, nicht nur bis zur Wahl im Herbst 2002, sondern auch in der nächsten Legislaturperiode. Dies gilt auch für andere Politikfelder. Viele unserer Pro- jekte sind noch auf der Zielgeraden: Atomausstiegsgesetz, KWK-Gesetz, Einwanderungsgesetz, Naturschutzgesetz – es muss noch durch den Bundesrat – und vieles mehr. Auch sind andere angestoßene Entwicklungen, zum Beispiel die Förderung der erneuerbaren Energien, die Ökosteuer, die Förderung der Bahn, die Renten- und Steuerreform, die aktive moderne Arbeitsmarktförderung noch lange nicht selbsttragend und können von einer an- deren Regierung jederzeit wieder rückgängig gemacht wer- den. Es wäre ein massives Roll-Back zu befürchten. Rot-Grün ist ein Projekt, auf das wir jahrzehntelang hingearbeitet haben. Es ist eine große Chance für dieses Land, den Reformstau zu überwinden. Wir werden aus dieser Abstimmung gestärkt hervorgehen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19901 (C) (D) (A) (B) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag der Bundesre- gierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsa- men Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nord- atlantikvertrags sowie der Resolution 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen verbunden mit dem An- trag des Bundeskanzlers gem. Art. 68 des Grund- gesetzes (Tagesordnungspunkt 3 und Zusatz- punkt 4) Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Aufgrund der Verknüp- fung der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers mit dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der USA im Rahmen der Terrorbekämpfung sehe ich mich außerstande, ein be- fürwortendes Votum abzugeben. Es ist beschämend, dass der Bundeskanzler das gemäß Art. 68 des Grundgesetzes vorgesehene Instrument der Vertrauensfrage durch die Koppelung mit einer Sachfrage von historischer Bedeutung missbraucht. Schließlich han- delt es sich bei dem Votum über den deutschen Streitkräf- teeinsatz zur Unterstützung der USA um eine Sachent- scheidung, die in ihrer Tragweite eine historische Zäsur der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik darstellt, die – wie wohl kaum eine andere in dieser Legislaturperiode – eine besonders kritische Würdigung in der Entschei- dungsfindung jedes einzelnen Abgeordneten erfährt und auch erfahren muss und die unabhängig sein soll von par- teipolitischen Solidaritätsbekundungen für angeschla- gene Regierungsmitglieder. Durch die Verknüpfung dieser Sachentscheidung mit der Vertrauensfrage muss bezweifelt werden, dass diese wichtige Gewissensentscheidung der frei gewählten Ab- geordneten des Deutschen Bundestages noch ohne Pres- sionen möglich ist. Ich sehe in dieser Art des Vorgehens, die allein dem Machterhalt und der künftigen Machtsicherung von Gerhard Schröder – in welcher Regierungskoalition auch immer – dienen soll, eine politische Vergewaltigung des gesamten Parlamentes in einer historisch bedeutsamen Frage. Gerhard Schröder hat seinem blanken Machtkalkül Vorrang eingeräumt vor der Option einer breiten parla- mentarischen Mehrheit für den Einsatz deutscher Streit- kräfte, die aufgrund der besonderen Risiken dieses histo- rischen Einsatzes eine starke Rückendeckung verdienen. Diese Unterstützung möchte ich unseren Soldatinnen und Soldaten, die zur Bekämpfung des internationalen Terro- rismus und damit letztlich zur Verteidigung unserer Frei- heit in einen risikobehafteten Einsatz geschickt werden und dabei gegebenenfalls ihr Leben einsetzen müssen, gern zuteil werden lassen. Da ich in dieser besonderen Situation durch die seitens des Bundeskanzlers gewählte Vorgehensweise genötigt werden soll, mit meiner Unterstützung für die Bundes- wehr gleichzeitig dem Bundeskanzler das Vertrauen aus- zusprechen, kann ich jedoch nur ein negatives Votum ab- geben. Ich kann nicht einem Bundeskanzler das Vertrauen aussprechen, der die Parteidisziplin vor das Wohl des Vaterlandes stellt und damit seine Charakterschwäche offenbart. Ich sehe in der Vorgehensweise des Bundeskanzlers – trotz seiner anders lautenden öffentlichen Bekundungen – den Versuch, bewusst einen Bruch der für ihn zunehmend schwierigen rot-grünen Regierungskoalition und in des- sen Folge vorgezogene Neuwahlen zum Deutschen Bun- destag herbeizuführen. Diese Vorgehensweise halte ich für inakzeptabel, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Sicherheitslage unseres Landes, in der alle poli- tischen Kräfte gebündelt werden sollten, um die schwie- rigen Herausforderungen der Gegenwart und der vor uns liegenden Zeit zu bewerkstelligen. Es ist beschämend und beschädigt das Ansehen des po- litischen Amtes des Bundeskanzlers, wenn diesen sach- politischen Erwägungen in einer Gewissensentscheidung der Abgeordneten durch die Verknüpfung mit der Ver- trauensfrage nicht hinreichend Rechnung getragen wer- den kann. Dr. Edelbert Richter (SPD): Ich erkläre, dass ich der rot-grünen Bundesregierung und Bundeskanzler Gerhard Schröder mein Vertrauen ausspreche. Da der Bundes- kanzler aber die Vertrauensfrage mit der Entscheidung über die Beteiligung deutscher Streitkräfte am Krieg in Afghanistan verknüpft hat, erkläre ich zugleich, dass ich der Politik der amerikanischen Regierung in dieser Re- gion nach wie vor kein Vertrauen entgegenbringen kann. Der anscheinende Widerspruch zwischen diesen bei- den Aussagen wird dadurch aufgelöst, dass ich die Bun- desregierung auffordere und es ihr zutraue, gemeinsam mit den anderen Regierungen der Europäischen Union alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Regierung der USA von willkürlicher Hegemonialpolitik abzubrin- gen und zur Einhaltung und Weiterentwicklung des Völ- kerrechts zu bewegen. Denn Solidarität mit den USA bedeutet nicht blinde Gefolgschaft, sondern schließt die Pflicht ein, den Partner auf verhängnisvolle Fehlentscheidungen hinzuweisen. Und wir Sozialdemokraten, Deutsche und Europäer soll- ten der Einsicht, die wir in der Zeit des Kalten Krieges ge- wonnen haben, treu bleiben: dass aufgrund der Verletz- lichkeit moderner Gesellschaften Sicherheit nicht mehr gegeneinander, sondern nur noch miteinander erreicht werden kann. Die Antiterrorkoalition sollte in diesem Sinne weitergeführt werden. Ich bin mir bewusst, dass die Militäraktionen der USA eine Reaktion auf den furchtbarsten Terroranschlag sind, den die Welt bisher erlebt hat, dass dieses Verbrechen internationale Verfolgung sowie Ergreifung und ange- messene Bestrafung der Täter verlangt, dass der UNO- Sicherheitsrat militärische Maßnahmen der USA als Selbstverteidigungsmaßnahmen für legitim erklärt hat und dass das Talibanregime in Afghanistan Terrorismus Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119902 (C) (D) (A) (B) unterstützt und sich schwerer Verletzungen der Men- schenrechte schuldig gemacht hat. Zugleich bin ich jedoch der Meinung, dass die zivilen Opfer in der Region schon jetzt jedes hinnehmbare Maß bei weitem übersteigen, dass der Einsatz heimtückischer Waffen wie Streubomben nicht nur jetzt unschuldiges Le- ben grausam tötet, sondern auch in der Zukunft für lange Zeit unverantwortliche Risiken für die Zivilbevölkerung mit sich bringt, dass in keiner Weise erkennbar ist, wie die völkerrechtlichen legitimen Ziele, die angestrebt werden, durch die gegenwärtigen Militärmaßnahmen erreicht wer- den können, dass mit dem Krieg wahrscheinlich nicht nur der Terror bekämpft werden soll, sondern zugleich geo- politische Interessen in der Region wahrgenommen wer- den, dass die Militärmaßnahmen immer mehr Menschen einem gewaltbereiten Islamismus zutreiben und die Entwicklung eines friedlichen Zusammenlebens der Religionen zunehmend erschweren, dass sie die Gefahr zukünftiger terroristischer Gewaltakte eher erhöhen als vermindern und dass sie nichts dazu beitragen, durch die Verminderung von Armut und Ungerechtigkeit den Nähr- boden für Fanatismus und Gewaltbereitschaft auszutrock- nen. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung zum Einsatz von Bundeswehrkräften im Kampf gegen den internatio- nalen Terrorismus zu. Noch vor einer Woche wäre für mich der Antrag nicht zustimmungsfähig gewesen. Die Schreckensbilder vom 11. September verblassen hierzulande. Die von Terror- netzwerken von und um al-Qaida ausgehende Bedrohung hält aber an und lässt vor allem wegen ihres Strebens nach Massenvernichtungswaffen noch Schlimmeres befürch- ten. Dies verpflichtet die Staaten über die Verfolgung der Hintermänner des 11. September hinaus zu umfassender Gefahrenabwehr, zur Bekämpfung von Urhebern und Ursachen des Terrorismus. Ihm ist auf Dauer nur mit dem ganzen Spektrum von Instrumenten beizukommen, ange- fangen bei den diplomatischen, geheimdienstlichen und finanzpolitischen. Dabei ist der Einsatz militärischer Mit- tel nicht nur durch den UN-Sicherheitsrat legitimiert. Er ist angesichts der militarisierten Infrastruktur des mit den Taliban eng verwobenenen al-Qaida-Netzes in Afghanis- tan und seiner Schlüsselrolle für den Gewalt- und Terror- export auch notwendig. Gegenüber dem Vorhaben der Bundesregierung, Bun- deswehrkräfte zur Unterstützung der US-Militäroperation Enduring Freedom zur Verfügung zu stellen, ergaben sich erhebliche Bedenken: Undurchsichtig war die US-Mili- tärstrategie, vor allem ihre weitergehenden Ziele. Unbe- kannt waren ihre tatsächlichen Wirkungen. Sichtbar wur- den aber ihre zivilen Opfer; der Einsatz von Streubomben, die Behinderungen von humanitärer Hilfe und die dro- hende Hungerkatastrophe. Die Bilder der Luftangriffe schürten in der islamischen Welt Solidarisierung mit Bin Laden und den Taliban und schienen diese eher zu stärken als zu schwächen. In diesen „Nebel“ sollten Bundeswehr- kräfte mit einer Art Blankoscheck des Parlaments ent- sandt werden. Das waren keine Voraussetzungen für eine Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen. Das ließ Befürchtungen wachsen, in ein unberechenbares Kriegsabenteuer hineingezogen zu werden. Seit einigen Tagen hat sich die Lage in Afghanistan ra- sant geändert: Binnen weniger Tage brach das Taliban- regime zusammen. Millionen Menschen und vor allem Frauen sind frei von seinem Terror. Die Zugänge für hu- manitäre Hilfe haben sich schlagartig verbessert. Jetzt rückt die direkte Verfolgung von al-Qaida-Terroristen, die Herstellung von Sicherheit, Wiederaufbau und der politi- sche Prozess in den Vordergrund. In diesem erheblich günstigeren Kontext sollen nun Bundeswehrkräfte für Transport, Sanitätsversorgung, ABC-Schutz, vor allem im Hinblick auf drohende Terroranschläge, Seeüberwachung und genauen Zugriff auf Terroristen zur Verfügung ste- hen. Auf Initiative der Grünen gelang es, den bisher sehr pauschal formulierten und damit Spekulationen fördern- den Auftrag mit einer Protokollnotiz einzugrenzen und einer deutlicheren parlamentarischen Kontrolle zu unter- ziehen. Der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktio- nen betont im Hinblick auf militärische Maßnahmen die Normen des Völkerrechts und bestimmt zentrale politi- sche Aufgaben, mit denen den Nähr- und Resonanzböden des Terrorismus entgegengewirkt werden muss. Wo in Afghanistan der Krieg zurückgeht, wo jetzt hu- manitäre Hilfe, Sicherheit, Entminung, Aufbau, politische Einigung und Terroristenverfolgung im Mittelpunkt ste- hen, bedeutet der unterstützende deutsche Militäreinsatz ersichtlich nicht die Teilnahme am Afghanistan-Krieg oder einen Kriegseinsatz. Damit ist eine Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung viel eher verantwortbar ge- worden. Zugleich bleiben erhebliche Unklarheiten und Zweifel vor allem gegenüber der weiteren Militär- und Gesamtstrategie der USA. Die Verknüpfung der Sachentscheidung mit der Ver- trauensfrage durch den Bundeskanzler trifft uns Abgeord- nete in unserer demokratischen und parlamentarischen Identität. Ein solches Durchboxen ist ein ungeeignetes Mittel, die breiten Bedenken und Widerstände in SPD, Grünen und Bevölkerung insgesamt gegenüber dem be- vorstehenden Militäreinsatz zu entkräften. Es behindert die gesellschaftliche Konsensbildung durch offene De- batte, die gerade in der Sicherheitspolitik unverzichtbar ist. Das Kanzler-Machtwort zwingt uns, in unsere Gewissens- entscheidung die Konsequenzen unseres Abstimmungs- verhaltens für die Koalition, für die deutsche Außenpolitik und das laufende internationale Krisenmanagement, für die grüne Partei einzubeziehen. Angesichts dessen und der veränderten Rahmenbedingungen für die Bundeswehrent- sendung ist meine Zustimmung zu dem Antrag der Bun- desregierung notwendig und verantwortbar. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei sehr grundsätzliche und weit reichende Fragen ste- hen heute im Deutschen Bundestag zur Entscheidung an. Beide sind sehr unterschiedlich und haben doch eines ge- meinsam. Die Antworten sind von historischer Tragweite. Es geht um den Fortbestand einer sozialökologischen, rot-grünen Reformkoalition unter Führung von Bundes- kanzler Gerhard Schröder und um die Entsendung der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19903 (C) (D) (A) (B) Bundeswehr „out of area“ zur Beteiligung am Krieg ge- gen Terrorismus. Zwei so unterschiedliche Fragen können zwar aus Macht- und Mehrheitskalkül zusammengespannt werden, inhaltlich ist das freilich höchst problematisch. Wer das eine will und das andere ablehnt, wird mit der damit er- zwungenen einfachen Ja-Nein-Antwort für beide Fragen der Komplexität nicht gerecht. Wir bedauern es sehr, dass der Bundeskanzler – aus un- serer Sicht ohne Not – die Vertrauensfrage gestellt hat, um damit die Mehrheit der Koalition für ein Auslandsmandat der Bundeswehr zu bekommen bzw. zu erzwingen. Diese Verquickung ist zwar machtpolitisch clever, aber nicht klug, weil sie nicht wirklich Vertrauen schafft, sondern Misstrauen säht, weil sie Zustimmung von Abgeordneten erzwingt, die in der Sache ernsthafte Bedenken haben, weiterhin für die rechtsstaatlich und völkerrechtliche an- gemessenere Form. Das zur Abstimmung stehende Bundeswehrmandat ist angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung von sei- ner ursprünglichen Funktion her vermutlich überholt. Es spräche manches dafür, es deutlich als ziviles, quasi poli- zeiliche und humanitäres zum Aufbau eines friedlichen Afghanistan umzuformulieren. Wir erwarten, dass es – zumal aus unserer Sicht illegitim erstritten – nicht militärisch, sondern zivil gedeutet wird. Das entspäche nicht nur dem Willen vieler Abgeordneter, sondern auch der großen Mehrheit der Bevölkerung. Diese lehnt mit uns eine Militarisierung der Außenpolitik ab. Trotz dieser gravierender Einwände in einer sehr grundsätzlichen und letztlich auch nicht gefahrlosen Ent- scheidung der Bundesregierung, die Bundeswehr einzu- setzen, müssen wir abwägen, ob wir die damit zwanghaft verbundene Vertrauensfrage bejahen oder die rot-grüne Regierung beenden. Wir haben als Gruppe von Kritike- rinnen und Kritikern gemeinsam entschieden, weil der Einzelne das Entscheidungsdilemma nicht sinnvoll auflö- sen kann. Wir entscheiden politisch wohl begründet und in großer Verantwortung. Wir stimmen in einer freien Ge- wissensentscheidung ab. Einige von uns sagen Nein und machen deutlich, dass wir dieses Bundeswehrmandat nicht legitimieren wollen. Wir sagen Nein zur Kriegsbe- teiligung. Einige sagen Ja zur Regierung Schröder und zum Fortbestand der Koalition. Wir wollen gemeinsam diese Reformkoalition und wir wollen eine vor allem zivile Außenpolitik. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Antrag der Bundesregierung zu, weil ich dem Bundeskanzler nach Art. 68 Abs. 1 mein Vertrauen aussprechen will. Ich stelle inhaltliche Bedenken gegen den Bereitstel- lungsbeschluss und Kritik an der Durchführung der Ope- ration Enduring Freedom vor dem Hintergrund der ge- stellten Vertrauensfrage zurück. Innenpolitisch sind dabei für mich besonders folgende Gründe von erheblicher Bedeutung: Erstens. Über die Fortsetzung oder Beendigung der Koalition muss ein Parteitag politisch entscheiden. Diese Entscheidung darf nicht stattdessen von einer kleinen Gruppe von Abgeordneten getroffen werden. Zweitens. Rot-Grün hat nicht nur in der Außenpolitik eine erfolgreiche Politik gemacht. Die Leistungsbilanz dieser Koalition ist nach nur drei Jahren beeindruckend. Wir haben innenpolitisch das Gesicht dieser Republik verändert. Gesellschaftspolitisch wurde mit Staatsbürger- schaftsreform, Lebenspartnerschaftsgesetz und Prostitu- iertengesetz Deutschland moderner und liberaler. Mit dem Zuwanderungsgesetz und der Durchsetzung der Bar- rierefreiheit für Behinderte will die Koalition diesen Weg fortsetzen. Mit der ökologischen Erneuerung – erneuer- bare Energien, Atomausstieg – und der sozialen Erneue- rung – Renten-, Steuerreform – hat die Koalition Ernst gemacht, aber es bleibt auch noch viel zu tun. Die Fort- setzung von Rot-Grün ist und bleibt das Beste für unser Land. Folgende außenpolitischen Gesichtspunkte habe ich bei meiner Entscheidung besonders abgewogen: Erstens. Die Anschläge vom 11. September sind jeder- zeit wiederholbar. Nur eine Zerschlagung der Strukturen, die sie hervorgebracht haben, kann hier wieder Sicherheit schaffen. Ein repressives Vorgehen gegen das Terrornetz Bin Ladens ist daher legitim und spezialpräventiv. Das Talibanregime war nicht nur ein Unglück für die eigene Bevölkerung, sondern auch eng mit dem Terrornetz ver- woben. Im Ausland ist ein repressives Vorgehen in diesem Sinne aber nicht durch Polizeikräfte möglich, sondern nur durch militärische Mittel. Zweitens. Der sehr unscharf gefasste Antrag der Bun- desregierung war zunächst schon vor dem Hintergrund seiner Bereitstellungsdauer von einem Jahr verfassungs- rechtlich problematisch. Mit der Protokollerklärung des Bundesaußenministers im Auswärtigen Ausschuss wur- den die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt. Die Klarstellung beim Auftrag bezüglich der Beschrän- kung auf die Bekämpfung von al-Qaida, bei der Aufglie- derung der eingesetzten Streitkräfte, der Beschränkung der KSK auf polizeilich-militärische Aufgaben, beim Ein- satzgebiet – Ausschluss Somalias –, die Informationsver- pflichtung und die Bilanz nach sechs Monaten haben Grüne in Parlament und Regierung durchgesetzt. Teil- nahme an der Bombardierung oder die Stellung von Bo- dentruppen waren von Anfang an ausgeschlossen. Drittens. Kritisch bleibt anzumerken, dass die Opera- tion Enduring Freedom ein unilateraler Einsatz mit deut- scher Unterstützung bleibt. Allerdings behält sich die Bundesregierung die Entscheidung über konkrete Einsätze weiterhin vor. Viertens. Die Kriegführung der USA im Rahmen der Operation Enduring Freedom war nicht immer verhält- nismäßig. Insbesondere der Streubombeneinsatz, der viele zivile Opfer gefordert hat, war auch nicht durch die Anschläge des 11. September gerechtfertigt, weil er nicht hinreichend zielgerichtet auf die Verfolgung der Terroris- ten ausgerichtet war. Der Antrag der Koalitionsfraktionen unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit der Bindung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119904 (C) (D) (A) (B) eines Militäreinsatzes an die Verhältnismäßigkeit und for- dert die Vermeidung ziviler Opfer. Er kritisiert damit in- direkt auch Aspekte der Kriegführung der USA. Fünftens. Der Einsatz in Afghanistan war immer mit humanitärer Unterstützung der Zivilbevölkerung durch Hilfsgüterabwurf verbunden. Mit dem Rückzug der Tali- ban erhalten die Hilfsorganisationen in den von der Nord- allianz kontrollierten Gebieten Zugang zu der hilfsbe- dürftigen Bevölkerung und können nun im großen Maßstab Hilfe ins Land bringen: Sechstens. Gerade in der jetzigen international ange- spannten Situation ist eine rot-grüne Bundesregierung ein wichtiger Beitrag für die langfristige Friedensperspek- tive. Gerade das internationale Ansehen von Außenminis- ter Joschka Fischer, seine Rolle in der Nah-Ost-Politik, ist für den Aufbau einer internationalen Friedensordnung notwendig. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stimme dem Beschlussvorschlag der Bundesregierung zur begrenzten Bereitstellung deutscher Streitkräfte im Rahmen der militärischen Operationen der weltweiten Antiterrorkoalition aus folgenden Gründen zu: Nach den Klarstellungen und Präzisierungen durch die verbindliche Protokollerklärung der Bundesregierung ha- ben für mich Art und Umfang des möglichen deutschen Beitrags deeskalierenden Charakter. Sie entsprechen weitgehend den auch von den Gremien meiner Partei be- schlossenen Kriterien der Zweckmäßigkeit, Verhältnis- mäßigkeit und Zielgenauigkeit. Im Einzelnen bewerte ich die angeforderten Kompo- nenten wie folgt: Erstens. Eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen oder an einem Bodenkrieg ist und bleibt klar ausge- schlossen. Zweitens. Der mögliche Einsatz von Spezialkräften wird durch die Protokollerklärung ausschließlich auf poli- zeilich-militärische Aufgaben gegen das terroristische Netzwerk Bin Ladens bzw. gegen deren unmittelbare Un- terstützer beschränkt, zum Beispiel auf Geiselbefreiung und Verhaftungen. Sie werden nicht in einem Bodenkrieg als Bestandteile von Truppen eingesetzt. Vergleichbare Kommandoaktionen auch mit deutscher Beteiligung ha- ben auf dem Balkan dafür gesorgt, dass Kriegsverbrecher gefasst und vor das Haager UN-Tribunal gebracht wurden. Drittens. Das mögliche Einsatzgebiet wird durch die Protokollerklärung weiter eingegrenzt: Außerhalb Afgha- nistans kann eine Stationierung oder gar ein Einsatz nicht ohne Zustimmung der jeweiligen Regierung erfolgen, in Ländern ohne Regierung nur mit erneuter Beschlussfas- sung des Bundestages. Im Nahen Osten ist nach Aussage des Bundeskanzlers in unserer Fraktionssitzung am 14. November 2001 ein Einsatz nicht vorgesehen. Damit ist eine unkontrollierte Ausweitung des Konfliktes mit deutscher Beteiligung zum Beispiel nach Somalia oder in den Irak ausgeschlossen. Viertens. Drohungen von al-Qaida sowie Hinweise auf den Besitz radioaktiven Materials zeigen: Die Bedrohung durch atomare, biologische oder chemische Kampfstoffe ist nicht abstrakt, sondern sehr konkret. Die Bundeswehr besitzt mit dem Fuchs-Panzer ein System zum Aufspüren solcher Waffen, das dem Schutz aller vor Ort betroffenen Menschen, ob Soldaten oder Zivilbevölkerung, dient. Fünftens. Sanitätseinheiten – „fliegendes Hospital“ und ähnliches – dienen der Evakuierung Verletzter, der medizinischen Versorgung von Soldaten und oft auch der Zivilbevölkerung. Sechstens. Durch die Bereitstellung von Transport- flugzeugen werden die Versorgungsmöglichkeiten mit humanitären Hilfsgütern verbessert. Siebtens. Die bereitgestellten Marineeinheiten sollen gefährliche Schiffstransporte wie zum Beispiel Öl- und Chemietanker vor Anschlägen schützen. Dies ist aufgrund entsprechender Bedrohungshinweise sinnvoll, um un- absehbare, auch ökologische Folgen terroristischer An- schläge auf solche Transporte zu verhindern. Achtens. Es gibt keine Unterordnung deutscher Streit- kräfte unter amerikanisches Kommando. Die Entschei- dungshoheit verbleibt bei der deutschen Bundesregierung mit ihren grünen Ministern. Neuntens. Das Mandat gilt für die Dauer eines Jahres. Die Gremien des Bundestags werden jedoch kontinuier- lich und zeitnah über Verlauf und Ergebnisse der Opera- tionen unterrichtet. Der Bundestag übt damit seine unver- zichtbaren parlamentarischen Kontrollrechte aus und kann jederzeit in eigener Beurteilung der aktuellen Ent- wicklung neue Entscheidungen treffen, gegebenenfalls auch die deutschen Streitkräfte zurückrufen. Für die wei- tere Bewertung ist für mich zum Beispiel maßgeblich, dass auf den Einsatz von Streubomben verzichtet wird. Zehntens. Mit dem parallel beschlossenen Entschlie- ßungsantrag des Bundestags wird das militärische Vorge- hen in ein politisches Gesamtkonzept zur Zukunft eines zivilen und friedlichen Afghanistans, zur dauerhaften friedlichen Konfliktlösung und zur sofortigen Verbesse- rung der humanitären Lage und Versorgung der Menschen vor Ort eingeordnet. Auch dies war eine wesentliche For- derung bündnisgrüner Beschlüsse. Damit entspricht das Anforderungsprofil eines mögli- chen deutschen Beitrags den für mich maßgeblichen Kri- terien. Es bleibt jedoch die Grundfrage zu entscheiden, ob militärische Mittel prinzipiell geeignet und moralisch legitim sind, um Terrorismus zu bekämpfen. Es ist die niederschmetternde und brutale Wirklichkeit, dass in Kriegsaktionen auch Unschuldige getroffen, ver- letzt und getötet werden. Ebenso wirklich ist aber, dass mit dem erkennbaren Ende des Talibanregimes, das ele- mentare Menschenrechte mit Füßen getreten hat, in den befreiten Städten ein Stück Freiheit und relativer Sicher- heit für die Menschen möglich geworden ist. Dort ist auch der von uns geforderte Bombenstopp Wirklichkeit ge- worden – noch vor dem Beginn des Ramadan. Zum ers- ten Mal seit Jahren besteht für die Stadtbewohner und für die Flüchtlinge, die jetzt in ihre Heimatorte zurückkehren, die begründete Hoffnung, den nächsten Winter nicht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19905 (C) (D) (A) (B) wieder mit Frieren und Hungern verbringen zu müssen. Die ersten Versorgungsschiffe sind unterwegs, die Kon- vois werden jetzt rollen. Es muss bezweifelt werden, ob dies alles ohne jedes militärische Eingreifen möglich ge- worden wäre. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass – gemäß dem heutigen Entschließungsantrag – verstärkte Anstren- gungen zu einer wirksamen Versorgung der Zivilbevölke- rung mit Nahrung, Kleidung und Wohnung Vorrang vor allem anderen haben. Meine Gewissensentscheidung wird nicht nur von den genannten Fragen bestimmt, sondern ebenso von dem Be- wusstsein, damit auch eine Entscheidung über das Ge- samtprojekt einer ökologisch-sozialen Reformregierung zu treffen ist. Wenn die Koalition bei einer derart wichti- gen Entscheidung der eigenen Regierung die parlamenta- rische Unterstützung entzöge, hätte dies – mit oder ohne Vertrauensfrage – über kurz oder lang das Ende dieser Regierung zur Folge. Die Konsequenz wäre ein ökologi- sches roll-back durch eine neue Regierung ohne grüne Beteiligung, ein Stopp bzw. die Rücknahme von Refor- men, die das Land verändert haben. Ich habe 20 Jahre für das Projekt einer ökologisch-so- zialen Reformkoalition geworben und geackert. Wir ha- ben von A wie Atomausstieg und Agrarwende über B wie Bahnsanierung bis Z wie Zuwanderungsgesetz eine Fülle von Reformen für ein weltoffenes und umweltfreundli- ches Land durchgesetzt und auf den Weg gebracht. Das neue Naturschutzgesetz wurde gestern verabschiedet. Die Ökosteuer zeigt klar ökologische Lenkungswirkung. Die Förderung Erneuerbarer Energien bringt den Klimaschutz voran. Es wäre unzulässig und sogar zynisch, das Erneu- erbare-Energien-Gesetz aufzuwiegen gegen die Beteili- gung an einem Militäreinsatz. Aber weil wir in drei Jah- ren Regierungsbeteiligung nicht nur das Profil dieses Landes im grünen Sinne umgestaltet haben, sondern mit Joschka Fischer auch einen international geachteten Außenminister stellen, der gerade jetzt bei der Neugestal- tung globaler Ordnungen eine herausragende Rolle spielt, bin ich nicht bereit, das Gesamtprojekt Rot-Grün und da- mit dann möglicherweise auch die Zukunftsperspektive der grünen Partei leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Viele, die eine deutsche Beteiligung in Afghanistan ab- lehnen, unterstützen – oft ebenso vehement – die Politik des Außenministers. Diese Politik ist von Anfang an auf Integration, Konfliktvermittlung und Entwicklung ziviler Perspektiven gerichtet – in Asien wie in Amerika, in Eu- ropa und im Nahen Osten. Der grüne Außenminister be- treibt diese Politik mit großer Glaubwürdigkeit und mit einem Einsatz bis an die Grenze der physischen Belast- barkeit. Er findet dafür im Inland wie im Ausland hohe Anerkennung. Er kann diese Politik aber nur so lange fort- setzen, wie seine eigene Fraktion und Partei dafür die Vor- aussetzungen schafft und erhält. In einer parlamentari- schen Demokratie geschieht dies auf dem Wege der Abstimmung durch eine klare Mehrheit. Hinzu kommt für mich, dass ein Ausscheiden der Bun- desrepublik Deutschland aus der NATO-Solidarität unü- bersehbare Konsequenzen für die atlantische Sicherheits- architektur und für Europa hätte: Rückkehr der USA zum Unilateralismus, Rückschlag bei der Entwicklung einer gemeinsamen Politik Europas. Es wäre nicht nur fahrläs- sig, sondern schlicht unpolitisch, diesen Zusammenhang bei der Entscheidungsfindung auszublenden. Nach kritischer Abwägung all dieser Zusammenhänge entscheide ich mich letztlich aber entlang der einfachen Frage: Was vermindert wahrscheinlich die akute terroris- tische Bedrohung, was hilft bei der kurzfristigen Bekämp- fung terroristischer Gewalt, was verschafft der afghani- schen Bevölkerung nach Jahren des Hungerns und Leidens am schnellsten eine Perspektive? Oder noch ein- facher: Was hilft den Menschen? Ich meine, dass Terrorismus, wie er sich am 11. Sep- tember manifestiert hat, nicht durch Krieg aus der Welt zu schaffen ist. Nur eine langfristige Strategie der Konflikt- prävention – fairer Welthandel, Armutsbekämpfung, Dia- log der Kulturen – kann terroristischer Gewaltbereitschaft dauerhaft den Nährboden entziehen. Dies beinhaltet auch das Eingeständnis und die Korrektur schwerer politischer Fehler der westlichen Welt. Ich fürchte aber, dass es kurz- fristig ohne repressive, auch militärische Mittel nicht geht, sofern diese zweckmäßig, zielgenau, verhältnis- mäßig und in ein politisches Gesamtkonzept eingebettet sind. In diesem Sinne ist für mich der deutsche Beitrag, wie er von der Bundesregierung als Handlungsrahmen vorge- schlagen wird, vertretbar und verantwortbar. Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Heute stimme ich diesem Antrag der Bundesregierung deswegen nicht zu, weil der Kanzler damit die Vertrauensfrage für seine ge- samte Politik verbunden hat. Mein Abstimmungsverhal- ten ist also in keiner Weise gegen die Solidarität mit den USA gerichtet. Die Politik der Union, die auf einer engen und freundschaftlichen Partnerschaft mit den USA ba- siert, ist dafür hinreichender Beleg. Ich stimme dagegen, weil der Kanzler, während dessen Amtszeit die Arbeitslosigkeit ständig steigt, die Wachs- tumsraten sinken, die Steuerpolitik die Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßlos belastet, die Situation im Gesund- heitswesen sich als geradezu chaotisch darstellt, die Zu- wanderung nach Deutschland auf Drängen des grünen Koalitionspartners unvernünftigerweise erleichtert wird, der Bundeswehr die notwendige finanzielle Basis vorent- halten wird, die Rente für die junge Generation keine aus- reichende Sicherheit für das Alter mehr bietet, mein Ver- trauen nicht hat. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNS 90/DIE GRÜNEN): Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht ge- bunden und nur ihrem Gewissen unterworfen; so Art. 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Der Bundeskanzler hat das Recht, jederzeit die Ver- trauensfrage zu stellen. Gemäß Art. 68 des Grundgesetzes hat er auch das Recht, die Vertrauensfrage mit einer Sach- frage zu verbinden. In der heutigen Abstimmung ist die Vertrauensfrage mit einer Gewissensfrage verbunden. Auch diese Verbindung ist von der Verfassung zugelas- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119906 (C) (D) (A) (B) sen, aber nicht unbedingt gewollt. Sie führt auch in der Sa- che zu absurden Ergebnissen: Abgeordnete der Union und der FDP, obwohl sie den Krieg in Afghanistan und den Antrag der Bundesregierung unterstützen, werden den Antrag der Bundesregierung ablehnen. Dagegen werden eine Reihe von Abgeordneten, die wie ich den Terroris- mus militärisch für nicht besiegbar halten oder Kritik an der Operation Enduring Freedom haben, heute zustim- men. In einer Mandatsaufgabe kann und darf nicht die Lö- sung dieses Dilemmas liegen. Dies entspricht nach mei- ner Überzeugung nicht dem Abgeordnetenbild, das den Vätern und Müttern des Grundgesetzes vorschwebte. Ich habe in der Abstimmung mit Ja gestimmt, weil ich mich mit einem Nein gegen den Fortbestand der rot-grü- nen Koalition ausgesprochen hätte. Für mich ist das rot-grüne Regierungsprojekt aber weder inhaltlich noch konzeptionell erschöpft. Es ist von der Bevölkerung ak- zeptiert, im praktischen Verlauf erfolgreich und im inne- ren Verhältnis der Beteiligten nicht zerrüttet. Die notwendige Debatte über die neue Rolle Deutsch- lands und darüber, wie sie auszufüllen ist, steht unthema- tisiert im Hintergrund der heutigen Entscheidungen. Diese Diskussion offen und im Dialog mit der Bevöl- kerung zu führen ist notwendiger denn je. Mit meiner heu- tigen Entscheidung möchte ich mich dafür einsetzen, dass diese Debatte möglich bleibt und inhaltlich und konzep- tionell eine rot-grüne Handschrift trägt. Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): Bundeskanzler Schröder hat die Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte vom 7. November 2001 mit der Ver- trauensfrage verbunden. Er verbindet damit die Abstimmung über eine politi- sche Sachfrage mit seinem persönlichen politischen Schicksal. Dem oben genannten Sachantrag hätte ich zu- gestimmt, weil diese Zustimmung den deutschen Beitrag zur Solidarität mit den von Terroristenangriffen getroffe- nen USA und dem amerikanischen Volk darstellt. Die Be- teiligung der Bundeswehr am Kampf gegen den weltwei- ten Terror ist auch aus meiner Sicht ein unverzichtbarer Beitrag zur der Reaktion der NATO auf diese Gewaltakte nach Verkündung des Bündnisfalls gemäß Art. 5 des Washingtoner Vertrags. Allerdings kann ich dem Bundeskanzler nicht gleich- zeitig auch das Vertrauen aussprechen für seine durch Ver- sagen geprägte Politik. Seit 1998 wurde entgegen seinen Wahlversprechen die Arbeitslosigkeit nicht drastisch ab- gebaut, sondern sie verharrt weiter auf hohem Niveau. Das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik sinkt in Richtung Minuswachstum ab. Der Mittelstand wird durch eine ungerechte Steuerpolitik gegenüber der Großindus- trie benachteiligt und unvertretbar belastet. Die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung ist weiterhin chao- tisch. Der Bundeswehr werden seit Jahren notwendige In- vestitionsmittel vorenthalten. In der Rentenpolitik ist keine zufrieden stellende Perspektive erkennbar. Dies alles ist eine Negativbilanz, die es nicht rechtfer- tigt, dem politisch verantwortlichen Bundeskanzler das Vertrauen auszusprechen. Ich stimme deshalb in der heu- tigen Abstimmung mit Nein. Angelika Beer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich erkläre, warum ich für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Terrorismusbekämpfung stimmen und dem Kanzler mein Vertrauen aussprechen werde. Die grausamen Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington haben uns alle erschüttert. Wir sind solidarisch mit der Bevölkerung der Vereinigten Staaten und fühlen uns alle von den Anschlägen getroffen. Wir unterstützen daher den Kampf gegen den internatio- nalen Terrorismus solidarisch, aber auch kritisch. Dass sich die sicherheitspolitische Lage dramatisch verändert hat, ist nicht mehr zu leugnen. Darüber müssen wir in Deutschland eine rationale Diskussion führen. Ich kritisiere das Junktim von Vertrauensfrage und ei- ner Sachentscheidung, für die gerade in der Frage des Ein- satzes militärischer Mittel die grundgesetzlich manifes- tierte Gewissensentscheidung als Voraussetzung für eine sachgerechte Entscheidung des einzelnen Abgeordneten von wesentlicher Bedeutung ist. Diese Kritik an der Ver- knüpfung innenpolitischen Machtkalküls mit einer Sach- abstimmung entbindet uns in der konkreten Situation aber nicht von der nun notwendig gewordenen Abwägung zwi- schen dem Range einer Gewissensentscheidung und der Bewertung der rot-grünen Koalition, aber auch des grü- nen Projektes durch Zustimmung oder Ablehnung. Ich entscheide mich heute für eine Fortführung von Rot-Grün und werde damit zugleich die Frage der Bewertung der Politik der bestehenden Koalition und der Zukunft von Rot-Grün dem Bundesparteitag in Rostock überlassen. Die Delegierten haben 1998 für Rot-Grün auf Bundes- ebene gestimmt und müssen folgerichtig auch über die Fortführung oder Beendigung entscheiden. Die rot-grüne Koalition hat bisher gute Arbeit geleis- tet. Wir haben präventive Elemente in der Außenpolitik gestärkt, fördern die zivile Konfliktbearbeitung und prak- tizieren einen Multilateralismus, der langfristig zur Ver- regelung der internationalen Beziehungen beiträgt. Damit setzen wir Schritt für Schritt Zielsetzungen grüner Außen- politik durch. Wir sind nicht so schnell, wie wir gerne wären, aber wir kommen damit voran. Daher kann nicht die Fraktion über den Fortbestand der Koalition entschei- den, sondern das kann nur die Partei tun. Wir werden auf der BdK in Rostock eine ausführliche Diskussion über Außenpolitik und damit den Fortbestand der Koalition führen. Die Diskussion auf dem Parteitag ist auch ein Bei- trag zur gesellschaftlichen Debatte über die deutsche Außenpolitik, die in den letzten Monaten zu kurz gekom- men ist und deren Beginn wir einfordern. Das Ergebnis ist offen, aber es ist die Partei, die darüber entscheiden muss. Grundlagen für die Entscheidung über einen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Bekämpfung des inter- nationalen Terrorismus sind erstens die internationalen politischen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland eingegangen ist, und eine aktuelle reale La- geanalyse. Aufgrund meiner Analyse der generellen Bedrohungssituation komme ich zu dem Ergebnis, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an dem breiten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19907 (C) (D) (A) (B) Spektrum von Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus mit polizeilichen, geheimdienstlichen, diplomatischen, humanitären und auch militärischen Maßnahmen beteiligen sollte. Daher werde ich dem An- trag der Bundesregierung zustimmen. Ich kann alle ver- stehen, die grundsätzlich Militäreinsätze ablehnen, bin aber der Ansicht, dass gezielte militärische Maßnahmen in der momentanen Situation erforderlich sind. Der Entschließungsantrag sowie die Protokollnotiz der Bundesregierung zeigen eindeutig, dass es sich um einen begrenzten Einsatz der Bundeswehr handelt und dass die Rechte des Parlamentes nicht angegriffen werden. Er greift damit die Präzisierungen, die vom Parteirat am 12. No- vember 2001 beschlossen wurden, auf. Diese sind für uns als Grüne zentrale Kriterien bei einer so zentralen Ent- scheidung in der Frage, ob und, wenn ja, wie wir uns auch mit militärischen Mitteln an der Bekämpfung des Terro- rismus beteiligen. Dennoch habe ich einige gewichtige Kritikpunkte an der Gesamtstrategie der Vereinigten Staaten. Erstens. Mein Eindruck ist, dass die USA allein und ohne Rück- versicherung mit den Partnern in der Antiterrorkoalition oder der NATO über Ziele und Taktik der militärischen Aktionen entscheiden. Es darf auf keinen Fall geschehen, dass durch rücksichtsloses und gedankenloses Vorgehen der Zusammenhalt der Antiterrorkoalition gefährdet wird und gefährliche Konsequenzen für den Weltfrieden haben könnte. Dies wäre ein Erfolg für die Terroristen. Zweitens. Die Informationslage ist unzureichend. Ein Großteil der Verunsicherung in der Öffentlichkeit ent- stand, weil zu optimistische Erwartungen geweckt wur- den und unsere Partner uns ungenügend informierten. Ich hoffe, dass sich die Informationslage für die Öffentlich- keit und die politischen Entscheidungsträger grundsätz- lich verbessern wird. Drittens. Nicht akzeptabel ist die Verwendung von Mu- nition, die unterschiedslos auch gegen Zivilisten wirkt, insbesondere Streubomben. Ebenso lehne ich den Be- schluss der EU ab, die Nordallianz mit Waffen zu belie- fern. Diese Vorgehensweisen sind für uns nicht akzepta- bel und wir werden vehement auf allen Ebenen deren Aufgabe einfordern. Viertens. Ich begrüße, dass die Vereinigten Staaten im multilateralen Rahmen agieren und damit signalisieren, dass der internationale Terrorismus nicht von einem Staat allein, egal, wie viel Macht er in sich vereinigt, besiegt werden kann, sondern dass wir eine breite Koalition benötigen. Dennoch habe ich zum Teil den Eindruck, dass die USA immer noch einen Multilateralismus à la carte betreiben. Fünftens. Ich warne vor zu viel Optimismus. Auch wenn die jetzigen Erfolge der Militäraktionen aus der öf- fentlichen Diskussion viel Druck herausgenommen ha- ben. So froh wir über die Freilassung der Mitarbeiter von Shelter Now sind, so darf man sich über den Charakter von militärischen Aktionen und der prekären Lage in Afghanistan keine Illusionen machen. Wir wissen doch, dass die Nordallianz keineswegs ein demokratischer Wunschpartner ist. Jetzt kommt es darauf an, verantwort- lich mit der Zukunft Afghanistans umzugehen und allen potenziellen Beteiligten eines zukünftigen Regimes klar zu machen, unter welchen Bedingungen wir den Aufbau des Landes unterstützen. Dazu gehört aus meiner Sicht die strikte Einhaltung von Menschenrechten, ein Demokra- tisierungsprozess, der im Einklang mit den vorgefun- denen gesellschaftlichen Verhältnissen steht und die Ein- beziehungen der umliegenden Länder im Rahmen eines Regionalkonzeptes. Darüber hinaus möchte ich folgende Punkte zu beden- ken geben: Erstens. Wir können nicht ausschließen, dass der inter- nationale Terrorismus auch Anschläge in Europa verübt. Das heißt, unser Sicherheitsverständnis muss sich, ge- messen an den veränderten Realitäten, ändern. Wir brau- chen ein tiefgreifende Debatte über eine neue Sicher- heitspolitik, in der neu und verstärkt über Prävention, aber auch über Abwehrmaßnahmen diskutiert wird. Dabei können und dürfen Abwehrmaßnahmen nicht nur vom Militär übernommen werden. Häufig handelt es sich um polizeiliche und geheimdienstliche Aufgaben. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Form des Konfliktes, mit dem wir seit dem 11. September konfrontiert sind, ein völlig anderer ist als zu Zeiten des Kalten Krieges, als jener innerstaatliche Konflikt auf dem Balkan oder dem regionalen Kurdenkonflikt. Es ist neu, dass auf der einen Seite ein staatlicher Gegner sitzt, auf der anderen Seite ein schwer zu fassender, nicht greifbarer „non-state-actor“, der mit klassischen militärischen Mit- teln nicht zu besiegen ist. Und neu ist auch, dass es nicht wie zum Beispiel im Kosovo um die Hilfe für andere Menschen und die Durchsetzung von Menschenrechten geht, sondern um Verteidigung. Der UN-Sicherheitsrat hat die Terrorangriffe verurteilt und das Recht auf Selbst- verteidigung anerkannt. Wir müssen auch sehen, dass es keine „sauberen“ militärischen Aktionen gibt. Daraus ist zu folgern, dass wir darauf achten, dass die Mittel nach dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit angewandt wer- den und einem politischen Ziel folgen. Zweitens. Wir als Grüne haben die Aufgaben, einer Formierung der Gesellschaft zu widerstehen. In Zeiten der Bedrohung und der Unsicherheit neigen Gesellschaf- ten zu übersteigerter Kontrolle und Überwachung, in der Illusion, dass diese die Sicherheit erhöht. Dies ist nicht der Fall. Die Erfahrung in den 70er-Jahren bis in die 80er- Jahre hat gezeigt, dass dies häufig nicht der Fall ist. Im Gegenteil: Wir laufen Gefahr, uns damit der Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft zu berauben. Drittens. Die Auseinandersetzung mit dem internatio- nalen Terrorismus wird sich über Jahre hinweg ziehen. So wichtig die Diskussion über humanitäre Hilfe aus unserer Sicht in den letzten Wochen war, haben wir es versäumt, die qualitative Veränderungen für die deutsche Außenpo- litik zu bewerten. Denn die Frage ist: Was heißt es für Außen- und Sicherheitspolitik, für Prävention und zivile Konfliktbearbeitung, wenn wir nicht mehr die traditio- nelle Konfliktstruktur gleichartiger Gegner haben? Wel- che Folgen haben die Anschläge vom 11. September 2001 für unsere multilaterale Politik und wie müssen wir sie weiterentwickeln? Diese Fragen sind noch nicht beant- wortet, sie können es noch gar nicht sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119908 (C) (D) (A) (B) Nach einer gründlichen Abwägung zwischen meiner Kritik an einzelnen Maßnahmen bei der Terrorismus- bekämpfung und der grundsätzlichen Notwendigkeit der kurz- und langfristigen Gefahrenabwehr bin ich zu der Ansicht gekommen, dass ich dem Antrag der Bundes- regierung zustimmen werde. Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der heutige Tag ist kein Glanzlicht in der Geschichte des deutschen Parlaments. Abgeordnete, vor allem in CDU und FDP, die deutsche Soldaten nach Afghanistan schicken wollen, stimmen hiergegen, weil sie dem Kanzler nicht das Vertrauen aussprechen wollen oder können. Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, die einen militärischen Einsatz dort als sachlich oder moralisch falsch ablehnen, sind gezwungen dafür zu stimmen, weil sie das rot-grüne Reformprojekt nicht auf- geben wollen. Die Verknüpfung der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz mit der Vertrauensfrage mag tak- tische Gründe haben; dem Vertrauen der Bürger in die Ehrlichkeit der Arbeit dieses Parlaments war sie nicht för- derlich. Nach unserem Grundgesetz sind Abgeordnete an Wei- sungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unter- worfen. Schwer nachvollziehbar war für mich der Ge- danke des Kanzlers, geäußert in der Fraktionssitzung der Grünen, diese Gewissensentscheidung könne man auch dadurch wahrnehmen, dass man von seinem Mandat zu- rücktrete. Aber auch durch die Verbindung zweier konträ- rer Übel, militärischer Einsatz und Ende des rot-grünen Reformprojekts, wird das freie Mandat behindert. Sol- chen Verknüpfungen muss entschieden widersprochen werden. So entscheide ich mich für die Fortsetzung der rot-grü- nen Koalition. Rot-Grün ist das einzige tragbare politisch Modell in dieser Republik, ist einzig auf eine zukunfts- fähige Politik gerichtet. Rot-Gelb, Schwarz-Gelb sind Po- litikmodelle des vorigen Jahrhunderts. Mancher mag meinen, es seien zu wenig grüne Ideen umgesetzt worden. Die Differenz aber zu denen, die über- haupt keine Antwort auf existenzielle Menschheitsfragen suchen oder wollen, ist riesig. Hingegen will und kann Rot-Grün noch viel bewirken. Ich will das rot-grüne Pro- jekt nicht aufgeben. Schon gar nicht will ich den urgrünen Gedanken der Basisdemokratie dadurch konterkarieren, dass einige wenige grüne Abgeordnete die Entscheidung für die Aufgabe oder die Fortsetzung der Regierungsko- alition treffen, die den Delegierten der Bundesversamm- lung, des höchsten Beschlussgremiums der Partei, zu- steht. Es ist mir ein Gewissensanliegen, mich für den Fortbestand der rot-grünen Koalition, für eine auch zukünftige Durchsetzungschance grüner Politikideen zu entscheiden. Ich bedauere, dass der Kanzler aus mir nicht nachvoll- ziehbaren Gründen Abgeordnete in Gewissenskonflikte gebracht hat. Die Verbindung einer eindeutigen Gewis- sensentscheidung, des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte, mit der Vertrauensfrage ist vom Grundgesetz zwar nicht untersagt, aber auch nicht unbedenklich. Den ursprünglichen Antrag der Bundesregierung auf Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte mit Aktionskreis von Afrika bis Zentralasien, zeitlich ausgedehnt auf ein ganzes Jahr und bei beliebiger Veränderbarkeit des Kräf- teverhältnisses der eingesetzten Truppenteile, ohne Bun- destagsentscheidung abzulehnen, war mir ebenfalls eine Gewissensentscheidung, obwohl ich den Kampf gegen den internationalen Terrorismus – aber mit geeigneten Mitteln – für nötig halte, mir Völkerrecht und Bündnis- verpflichtung klar sind, aber weil massive Bedenken ge- gen die militärische Strategie der USA bestanden und weil eine humanitäre Katastrophe in Afghanistan droht. Nunmehr bin ich gezwungen abzuwägen – und das fällt mir nicht leicht. Allerdings hat sich seit dem Bekanntwer- den der Anforderung zur Bereitstellung von Bundeswehr- einheiten vor einer Woche Entscheidendes geändert. Die Lage in Afghanistan hat sich dramatisch gewandelt. Das Talibanregime ist gestürzt, Bin Laden und das Terrornetz- werk der al-Qaida werden von diesem Regime nicht mehr gestützt. In dieser Situation treten die zentralen Anliegen von Bündnis90/Die Grünen in den Mittelpunkt: die rasche hu- manitäre Versorgung der Zivilbevölkerung und die Ent- wicklung und Umsetzung eines politischen Konzeptes für eine tragfähige und friedliche Perspektive reiner Post-Ta- liban-Regierung. Außenminister Joschka Fischer hat um- fassende und rasche humanitäre Hilfe angekündigt und 95 Millionen DM dafür bereitgestellt. Weitere 160 Milli- onen DM werden für Wiederaufbau in Afghanistan zur Verfügung gestellt. Meine Hauptkritikpunkte am Beschlussantrag der Bundesregierung waren gerade der von Nordafrika bis Zentralasien reichende, also völlig unbestimmte Einsatz- raum für die deutschen Truppenteile, die beliebige Ver- änderbarkeit der Truppenteile ohne weitere Entscheidung des Bundestags und das sich auf ein volles Jahr er- streckende Mandat ohne weitere parlamentarische Kon- trolle, ein auch im Interesse der eingesetzten Soldaten unerträglicher Zustand, der die Fürsorgepflicht des Parla- ments ihm gegenüber eklatant verletzt hätte. Gerade inso- weit aber ist es in intensiven Verhandlungen mit dem Ko- alitionspartner gelungen, unsere Bedingungen für einen möglichen Einsatz deutscher Soldaten durchzusetzen. Die Prämissen des Parteirats von Bündnis90/Die Grünen sind voll erfüllt. Dies ist ein klarer Beweis für den Erfolg grü- ner politischer Einflussnahme. Ohne unsere Regierungs- beteiligung wäre dies unmöglich gewesen. Ich kann und will diesen Erfolg in meiner Abwägung würdigen. Daher stimme ich mit Ja. Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Zur Abstimmung stehen heute zwei Fragenkom- plexe, die aufgrund des Junktims gemeinsam beantwortet werden sollen, obwohl sie sachlich und von ihren Aus- wirkungen her sehr unterschiedlich sind. Ich kann sie nur einzeln beantworten. Den Einsatz militärischer Mittel zur Bekämpfung des Terrorismus halte ich nach wie vor für nicht zielführend. Den Out-of-area-Einsatz der Bundeswehr lehne ich des- halb ab. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19909 (C) (D) (A) (B) Die Entscheidung über die Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist nicht von einzelnen Abgeordneten, sondern im Falle meiner Fraktion auch von der Bundesdelegier- tenversammlung zu treffen. Um einer solchen Entschei- dung nicht vorzugreifen, muss ich diesen Teil der Ab- stimmung mit Ja beantworten. Aus diesen Erwägungen heraus habe ich mit Ja ge- stimmt. Peter Dreßen (SPD): Mir fällt die heutige Entschei- dung wie vielen anderen sehr schwer. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass deutsche Soldaten auf fremden Boden – außerhalb der NATO-Mitgliedstaaten – nichts zu suchen haben. Militärische Auseinandersetzungen dürfen nicht Mittel der Politik sein. Wenn ich trotzdem dem Antrag der Bundesregierung zustimme, hat dies drei Gründe: Erstens. Ich sehe keinen anderen Weg, um den terroris- tischen Hintermännern des verbrecherischen Anschlags vom 11. September 2001 in New York und Washington habhaft zu werden. In Gesprächen mit Menschen aus der Friedensbewegung konnte mir niemand eine ernsthafte Alternative aufzeigen, wie wir ander als es die Bundes- regierung vorsieht, wirksam gegen Terror vorgehen kön- nen. Alle beteuern zwar, dass etwas getan werden muss, jedoch hat niemand dazu ein anderes schlüssiges Kon- zept. Zweitens. Solch ein Anschlag kann sich auch in unse- rem Land wiederholen. Es ist die Pflicht eines Abgeord- neten, den Menschen in unserem Land die größtmögliche Sicherheit zu geben. Erleichtert wird die Entscheidung dadurch, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hinter dieser militärischen Aktion steht. Drittens. Die rot-grüne Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren erfolgreich gearbeitet. Sie hat den Aus- stieg aus der Kernenergie in die Wege gleitet, die alterna- tiven Energien stark gefördert, im Sozialbereich notwen- dige Reformen durchgeführt – Kindergeld, Wohngeld, BAföG – Arbeitnehmerrechte gestärkt, die Rente sicher gemacht, eine gerechte Steuerreform verabschiedet, im Bildungs- und Forschungsbereich Milliarden für Zu- kunftsinvestitionen freigemacht und vieles mehr. Aus die- sen Gründen spreche ich dem Bundeskanzler und der Bundesregierung das volle Vertrauen aus. Dr. Uwe Jens (SPD): Es gibt in der Politik, Probleme, die darf und kann man nicht den so genannten Experten überlassen. Dazu gehört die schwierige Sach- und Gewis- sensfrage über den Einsatz deutscher Soldaten in Afgha- nistan. Die Bombardierung mit Streubomben, die damit einhergehenden so genannten Kollateralschäden, den Ein- satz zusätzlicher deutscher Soldaten in Afghanistan, ins- besondere von 100 Spezialkräften, die auf dem Boden agieren, lehne ich nach wie vor mit Nachdruck ab. Ich habe bereits in der Entschließung vom 20. Septem- ber 2001 gegen das Versprechen einer „uneingeschränk- ten Solidarität“ gestimmt, was es unter befreundeten, de- mokratischen Ländern nicht geben kann. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verbindet ein Bundeskanzler die Vertrauens- frage gemäß Art. 68 Grundgesetz mit dieser Sach- und Gewissensfrage. Ein ungewöhnlicher, bisher einmaliger Vorgang. Ob dies geschickt und notwendig war, werden wissenschaftliche Untersuchungen in Zukunft zeigen. Doch damit ist seit Mittwoch dieser Woche eine neue Lage entstanden: Die neueste politische Entwicklung scheint auch ohne deutsche direkte militärische Unterstützung einer mögli- chen Lösung näher zu kommen. Statt einer Eskalation geht es meines Erachtens in diesem geschundenen Land jetzt um Deeskalation des Militärischen, also mehr um po- litische, humanitäre und UNO-Unterstützung. Die anstehende außergewöhnliche Entscheidung im Bundestag über das Vertrauen zum Bundeskanzler und den ersten Militäreinsatz außerhalb des NATO-Bündnis- gebietes wird in dieser Form in absehbarer Zeit nicht wiederholt werden. Deshalb muss allen Beteiligten klar sein, dass zusätzliche Anforderungen von Soldaten über die jetzigen Kontingente hinaus von Deutschland nicht eingefordert werden können. Ich habe in meiner langen politischen Tätigkeit als Par- lamentarier viele schwere Entscheidungen treffen müs- sen. Ich habe dies immer nach sorgfältiger Prüfung, nach bestem Wissen und Gewissen getan. Sollte die Vertrau- ensfrage für Bundeskanzler Schröder scheitern, kann ich jedoch keine Verbesserung der politischen Gesamtlage er- kennen – auch nicht für meine Anliegen, die mir aufgrund meines Lebensweges, meiner Erfahrungen und Erkennt- nisse wichtig sind. Sehr wahrscheinliche Neuwahlen würden die Partei Bündnis 90/Die Grünen in schwere Existenznot bringen. Die mir wichtige nachhaltige Erneuerung unserer Volks- wirtschaft würde einen Rückschlag erleiden. Die PDS, die aus meiner Sicht wirklich nicht in der Lage ist, die zukünftigen Probleme unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu lösen, könnte erheblichen Zulauf erhalten. Sollte es dagegen – wider Erwarten – zu einem Poli- tikwechsel mit einem Kanzler oder einer Kanzlerin der konservativen Kräfte in unserem Lande kommen, würden eher noch mehr Soldaten für die Kriegführung außerhalb des NATO-Gebietes zur Verfügung gestellt. In meiner ersten Erklärung zur Abstimmung über die „uneingeschränkte Solidarität“ hatte ich erklärt, dass man von vornherein stets auch das Ende seiner Handlungen bedenken muss. Zusätzlich besteht die Pflicht, auch alle Alternativen zu prüfen. Unter den jetzigen Gegebenheiten und unter Abwä- gung aller zurzeit überschaubaren Unwägbarkeiten halte ich den Einsatz deutscher Soldaten nach wie vor für ver- fehlt. Bundeskanzler Schröder muss ich dennoch mein Vertrauen aussprechen. Das Schwierigste in der Politik ist es zweifellos, die Glaubwürdigkeit zu bewahren. Bei diesem ständigen Rin- gen um beste Lösungen oder kleinste Übel müssen wir stets alle Fakten und neueste Entwicklungen in unsere Überlegungen einbeziehen. Man bemüht sich. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119910 (C) (D) (A) (B) Die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP haben un- ter den Bedingungen der Vertrauensfrage für den jetzigen Bundeskanzler keine Bedenken, gegen den Einsatz deut- scher Soldaten in Afghanistan zu stimmen. Betrogene sind die Soldaten, die nun mit knappster Rückendeckung durch das deutsche Parlament zu Kampfeinsätzen nach Afghanistan geschickt werden. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich heute dem Antrag der Bundesregie- rung zustimme, so stimme ich damit für die Option der Weiterführung der rot-grünen Regierungskoalition. Ich spreche mich aber ausdrücklich gegen eine militärische Bereitstellung deutscher Soldaten – nun zum ersten Mal außerhalb von Europa – aus, weil für mich Krieg kein geeignetes Mittel im Kampf gegen den Terrorismus ist. Ich zweifle an dem Sinn der kriegerischen Maßnahmen, auch im Bewusstsein der Folgen, die für die Beteiligten und Unbeteiligten immer eine große Katastrophe bis zum Tode bedeuten. Ich habe dem Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Ver- trages zugestimmt, weil die Wahl der Mittel der Beistand- schaft in der jeweiligen nationalen Verantwortung eines Landes liegt. Weder Art. 5 des NATO-Vertrages noch die Sicherheitsratsresolutionen verpflichten zur militärischen Beistandschaft. Darum hätte ich von einer rot-grünen Bundesregierung erwartet, dass die Beistandschaft hauptsächlich in humanitären Leistungen und Strafverfol- gungsmaßnahmen erbracht wird. Durch die Verknüpfung der Vertrauensfrage mit der inhaltlichen Frage ist mir ein Konflikt zwischen der Regierungsfähigkeit der rot-grü- nen Koalition und meiner entschiedenen Ablehnung des Antrages auf Einsatz bewaffneter Streitkräfte aufgezwun- gen worden. Mein jetziges Ja ändert aber nichts an mei- nem grundsätzlichen Nein gegen den Einsatz der Bundes- wehr außerhalb des NATO-Vertragsgebietes. Ich bezweifle sehr, dass es weise war, die Vertrauens- frage mit der Abstimmung über den Einsatz in Afghani- stan zu verknüpfen. Das Vorgehen des Kanzlers ist zwar rechtlich legitim, führt aber zu der absurden Situation, dass heute Abgeordnete der Opposition, die für den Bun- deswehreinsatz sind, dagegen stimmen, weil sie dem Kanzler nicht das Vertrauen aussprechen wollen. Es führt weiterhin dazu, dass Abgeordnete der rot-grünen Koali- tion für den Antrag stimmen, obwohl sie gegen eine Mi- litärbeteiligung sind. Das hätte verhindert werden können und ist ein Schaden für die parlamentarische Demokratie. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Entscheidung zwischen Krieg und Frieden ist für mich eine Gewissens- und keine Koalitionsfrage. Ich lehne den Kabinettsbeschluss zur Bereitstellung eines deutschen Bundeswehrkontingents weiterhin strikt ab. Unter anderem, weil ich einem Konzept, das ich von der grundsätzlichen Herangehensweise für falsch halte, keinen Blankoscheck ausstellen möchte. Die Entscheidung über einen Bundeswehreinsatz kann und darf nur durch das Gewissen der einzelnen Abgeord- neten bestimmt werden. Die Koalitionsfrage – quasi das Ende des rot-grünen Projektes – ist hingegen eine politi- sche Grundsatzentscheidung, die nicht alleine durch das Abstimmungsverhalten einiger weniger Abgeordneten herbeigeführt werden darf, sondern muss mit Einver- ständnis durch das höchste Gremium der Partei, die Bun- desdelegiertenkonferenz, entschieden werden. Eine solche weit reichende Entscheidung, die das Le- ben vieler Menschen in diesem Land ändern wird, kann ausschließlich von der grünen Basis getroffen werden. Daher werde ich am Freitag bei der Vertrauensfrage, die Kanzler Schröder den Grünen unnötigerweise aufge- zwungen hat, gegen mein Gewissen und gegen meine Überzeugung mit Ja stimmen. Christa Lörcher (fraktionslos): Die Abstimmung um- fasst zwei schwerwiegende Entscheidungen, die mitei- nander verknüpft sind: die Entscheidung über die Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA sowie die Entscheidung über den Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen. Bei einer getrennten Abstimmung hätte ich bei der Ver- trauensfrage mit Ja gestimmt und dem Bundeskanzler und der Bundesregierung mein Vertrauen ausgesprochen, bei der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der gemeinsamen Militäroperation jedoch mit Nein ge- stimmt. Da die Abstimmungen miteinander verbunden sind, ist eine persönliche Abwägung beider Entscheidungen nötig: aus Gewissensgründen lehne ich den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei solchen Einsätzen grundsätzlich ab; diese Entscheidung lässt mir keine andere Wahl, als insgesamt mit Nein zu stimmen. Syliva Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist ein aufrechter Gang? Für mich: In Gewissensfragen so zu sprechen und zu handeln, wie es meinem tatsächlichen Fühlen, Denken und meiner Verantwortung entspricht. Ich sage weiterhin in der Gewissensfrage des „Kriegs- einsatzes“ Nein zur Ermächtigung der Bundesregierung, deutsche Soldaten – egal ob freiwillig oder nicht – in Aus- landseinsätze zu schicken. Das ist durch unser Grundge- setz nicht gedeckt. Völkerrecht bricht Bundesrecht. Mei- ner – und nicht nur meiner Ansicht nach – sind die Kriegshandlungen der USA trotz der UN-Resolutionen vom 12. und vom 28. September 2001, die sich speziell auf die Terrosismusbekämpfung beziehen, nicht von Art. 51 der UN-Charta gedeckt. Insofern kann das Völ- kerrecht in diesem Fall nicht zur Legitimation herangezo- gen werden. Auch der Zweck darf bestimmte Mittel nicht heiligen. Aber auch ich freue mich an den Bildern aus Af- ghanistan, die befreite, lachende, tanzende Menschen zei- gen, Frauen ohne Burka. Der Entschließungsantrag der Koalition zur Bekämp- fung der Ursachen von Terror und Fanatismus ist ein ers- ter Schritt in eine richtige Richtung und an diesem haben die Grünen einen wesentlichen Anteil. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19911 (C) (D) (A) (B) Seit Mittwoch gibt es eine zweite Gewissensfrage, die, ob das Projekt Rot-Grün weitergeführt werden kann und soll – eine Frage, die in nationaler, aber auch europäischer Verantwortung zu beantworten ist. Ich bezweifle sehr, dass es weise war, die Vertrauens- frage mit der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz zu verknüpfen. Das Vorgehen des Kanzlers ist jedoch rechtlich legitim und ich muss mich dieser zweiten, leider untrennbar mit der ersten verknüpften Gewissensfrage in aller Verantwortung stellen. Druck ist für mich kein Grund, eine Entscheidung zu revidieren. Das tue ich auch nicht. Aber es gibt sehr gewichtige Argumente, die ernsthaft zu bedenken sind. Sie sind von vielen Menschen an mich herangetragen worden, von unseren Wählern, von Verei- nen und Verbänden, von Freunden und von Kollegen und besonders natürlich von unserer grünen Basis selbst – ich habe sie bedacht und in meine Entscheidungsfindung ein- fließen lassen. Bis zur Vertrauensfrage des Kanzlers habe ich über- wältigenden Zuspruch zu meiner Entscheidung erhalten, den „Kriegseinsatz“ abzulehnen. Nach der Vertrauens- frage änderte sich das. Sehr viele Menschen haben die Grünen als Gestaltungsfaktor und als Korrektiv gegen eine reine SPD-Politik gewählt. Sie wollten eine neue ökologische, soziale und friedenspolitische Politik. Die- sen Erwartungen haben wir mit der Politik der letzten drei Jahre versucht gerecht zu werden: mit der Ökosteuer, dem Atomausstiegsgesetz, dem Erneuerbare-Energien- Gesetz, der eingeleiteten Agrarwende, der LKW-Maut, dem Bundesnaturschutzgesetz, dem hart erkämpften Zu- wanderungs- und Asylrecht usw. Diese Erfolge währen ohne die Grünen nicht nur gefährdet, sie würden kassiert. Politik in einer Koalition ist nicht komplikationslos. Sie kann nur erfolgreich sein, wenn Kompromisse gefun- den und Konflikte gelöst werden. Manche Schritte, zum Beispiel beim Atomkonsens, waren kleiner, als wir es uns gewünscht haben – aber sie waren Schritte in die richtige Richtung. Dieser Weg – das ist meine Überzeugung – muss weiter beschritten werden. Denn alles andere als Rot-Grün bedeutet viele Schritte zurück: in alte Poli- tikmuster von Lebesraumzerstörung, Stärkung des Mi- litärs und von Überwachungsinstitutionen, rigider Politik gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden, Förderung der großen Konzerne usw., es gäbe wieder mehr Reichtum für Reiche und größerer Armut der Armen. Das kann und will ich nicht verantworten. Ich weiß, egal welchen Weg wir Abgeordneten gehen, es wird ein schwerer Gang für die Grünen. Aber die Par- tei hat 1998 mit großer Mehrheit entschieden, in eine rot- grüne Regierung einzutreten. Wir entsprachen damit der Hoffnung der Wähler, dass mit Rot-Grün eine ander Poli- tik beginnt. Meine parlamentarische Arbeit, die gestern mit der Verabschiedung des neuen Budnesnaturschutzge- setzes einen großen Erfolg zu verbuchen hat, hat gezeigt, dass wir gemeinsam mit der SPD dieses Land voranbrin- gen können. Deshalb werde ich für eine Fortsetzung die- ser gemeinsamen Politik votieren. Ich bitte alle Mitglieder der Partei, insbesondere die meines Brandenburger Landesverbandes, sowie die vie- len Bürgerinnen und Bürger, die sich in den letzten Tagen mit der Bitte an mich gewandt haben, dem Kanzler das Vertrauen zu entziehen, um Verständnis und Respekt für meine Entscheidung, die ich schweren Herzens, aber nach verantwortungsbewusster Abwägung getroffen haben und die ich mit meinem Gewissen, dem ich letzlich verpflich- tet bin, vereinbaren kann. Klaus Bühler (Bruchsal) (CDU/CSU): Heute stimme ich diesem Antrag der Bundesregierung deswegen nicht zu, weil der Kanzler damit die Vertrauensfrage für seine gesamte Politik verbunden hat. Mein Abstimmungsver- halten ist also in keiner Weise gegen die Solidarität mit den USAgerichtet. Die Politik der Union, die auf einer en- gen und freundschaftlichen Partnerschaft mit den USA basiert, ist dafür hinreichender Beleg. Ich stimme dagegen, weil der Kanzler, während dessen Amtszeit die Arbeitslosigkeit ständig steigt, die Wachs- tumsraten sinken, die Steuerpolitik die Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßlos belastet, die Situation im Gesund- heitswesen sich als geradezu chaotisch darstellt, die Zu- wanderung nach Deutschland auf Drängen des grünen Koalitionspartners unvernünftigerweise erleichtert wird, der Bundeswehr die notwendige finanzielle Basis vorent- halten wird, die Rente für die junge Generation keine ausreichende Sicherheit für das Alter mehr bietet, mein Vertrauen nicht hat. Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Entscheidung über den Einsatz deutscher Soldaten in ei- nem Krieg mit einem diffusen Gegner und einer noch nicht gänzlich zu Ende gedachten Strategie ist für mich – und ich denke: für jeden Bundestagsabgeordneten – eine schwere. Jeder, der diese Entscheidung zu treffen hat, lädt damit eine immense Verantwortung auf sich. Er kann diese verdrängen, er kann sich hinter der Entscheidung der Regierung oder seiner Fraktionsvorsitzenden ver- schanzen, aber er entgeht ihr dabei nicht. Und er muss wissen: Er entscheidet nicht für sich. Er entscheidet für sein Land. Und er steht in der Verantwortung für die Men- schen, die er vertritt und an derer statt er diese Entschei- dung treffen muß. Wenn ich nun also mit meiner Entscheidung die Ver- antwortung für einen Kriegseinsatz mit ungewissem Aus- gang, ja möglicherweise für die Gefährdung oder den Ver- lust von Menschenleben übernehme, so handele ich dabei zugleich als Vertreter des ganzen Volkes. Dies kann ich nur, wenn ich dabei meinen verfassungsmäßigen Auftrag ganz ernst nehme, bei einer derartigen Entscheidung we- der an „Aufträge“ noch an „Weisungen“ gebunden zu sein, sondern nur meinem Gewissen zu folgen. Dem Ge- wissen unterworfen zu sein heißt, dem eigenen Abstim- mungsverhalten nicht den Willen einer Regierung, einer Partei oder einer Fraktion, auch nicht den Willen einer Pressure group, eines Verbandes oder Geldgebers zu- grunde zu legen, sondern nur die eigene innere Überzeu- gung. Dieser Grundsatz ist ein Kernelement der Demo- kratie. Ihn wirklich ernst zu nehmen bedeutet zugleich den wirksamsten Schutz gegen ihre verschiedensten Ge- fährdungen – vom individuellen Bestechungs- oder Er- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119912 (C) (D) (A) (B) pressungsversuch bis zur totalitären Machtanmaßung hierarchisch organisierter Gruppen. Ein Bundeskanzler, der Zweifel hat, ob er noch das Ver- trauen der Mehrheit des Parlamentes genießt, hat jederzeit das Recht, die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG zu stellen. Die Vertrauensfrage ist nach unserer Verfassung kein In- strument für den parlamentarischen Alltagseinsatz. Sie ist vielmehr für Krisensituationen vorgesehen und dient unter anderem als wohldosiertes und sinnvolles Mittel, zur Auf- lösung des Parlamentes und zu Neuwahlen zu kommen. Sie ist in der Geschichte der Bundesrepublik erst dreimal an- gewandt worden: 1972 von Willy Brandt und 1982 gleich zweimal: von Helmut Schmidt und Helmut Kohl. Die Ver- trauensfrage sollte im Parlament gestellt werden, wenn ein Kanzler über keine ausreichende Mehrheit mehr verfügt, zum Beispiel weil eine Koalition im Grunde gescheitert ist bzw. ein Koalitionspartner abspringen will. Beides ist im vorliegenden Falle nicht gegeben. Mehr noch: In beiden durch den Kanzler jetzt verknüpften Fra- gen, der Sach- wie der Vertrauensfrage, ist unstreitig eine stabile Parlamentsmehrheit des Kanzlers vorhanden. Und die rot-grüne Koalition steht nach anfänglichen Schwie- rigkeiten fester denn je. Sie hat auf vielen Gebieten eine hervorragende Politik gemacht. Gerade die Außenpolitik gehört hierzu. Wie kein anderer zuvor hat der von den Grünen gestellte deutsche Außenminister binnen kürzes- ter Zeit Gewicht und Statur gewonnen – nicht als Großmann oder anmaßender Vertreter einer wieder- erstarkten Großmacht, sondern als ehrlicher Makler und erfolgreicher Vermittler in den verschiedenen Krisen- regionen dieser Welt. Diese vor allem auf Deeskalation, Prävention und friedliche Konfliktlösung setzende Politik wird von der ganzen Koalition mitgetragen und ist immer mehr zu einem Markenzeichen der Deutschen auf dem in- ternationalen Parkett geworden. Die notwendige Abwägung bei Fragen von Krieg und Frieden: Der vorliegende Militäreinsatz aber wirft ernste Fragen auf. Zu unklar sind Dauer, Mandat, politische und militärische Ziele. Der „Kampf gegen den Terrorismus“ ist ein höchst dehnbarer Begriff. Uns, den Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, ist es gelungen, auf dem Wege einer mittlerweile von der Bundesregierung be- schlossenen Protokollnotiz substanzielle Eingrenzungen des im ursprünglichen Antrag fahrlässig weit gefassten Mandates zu erreichen. Dennoch bleiben Risiken. Aus allen bisherigen Erfah- rungen mit Terrorismus habe ich lernen müssen: Das ter- roristische Kalkül will immer weit mehr als die unmittel- bare Tat erreichen. Es verfolgt sein Ziel perfiderweise oft weniger durch die unmittelbaren Folgen der Tat als durch die dergestalt provozierte Reaktion des Angegriffenen. Dieser soll durch die brutalen und unvorhersehbaren An- schläge zu Reaktionen gezwungen werden, die ihn als das zeigen, was er für die Terroristen immer schon ist: das Böse, der Satan oder – im Falle Deutschlands – das bru- tale und faschistische System, das sich nur mit einer bie- deren Maske tarnt, bevor in der Reaktion auf den Terror die wahre Fratze zum Vorschein kommt. Deshalb spra- chen die fanatisierten RAF-Terroristen mitten im Frieden ständig vom „Krieg“, den das System gegen sie führe. Das war, was sie wollten. Ich sage nicht, dass ich dieser Argu- mentation folge. Ich finde sie menschenverachtend und zynisch. Aber man muss bei seiner Reaktion auf den Ter- rorismus auch dieses Kalkül berücksichtigen – und damit auch, welche Reaktionen ein zu weit gehender Gegen- schlag bei fanatisierten Anhängern bestimmter Überzeu- gungen auslösen kann. Der Terroranschlag vom 11. September 2001 ist an menschenverachtender Grausamkeit kaum zu überbieten. Die Täter und Hintermänner dieses Anschlags zu fassen und vergleichbare Anschläge für die Zukunft zu verhin- dern ist ein hohes, auch von mir unterstütztes Ziel. Nicht aber ein Jahre dauernder „Krieg gegen den Terrorismus“, wie er uns mehrfach angekündigt wurde – ohne dass je mit ausreichender Klarheit beschrieben wurde, was das ei- gentlich heißt. Krieg ist gefährlich. Im Krieg sterben Men- schen. Und: In den heutigen Kriegen sterben in aller Regel weitaus mehr unschuldige Zivilisten als Soldaten. Dies dürfen wir nicht verdrängen. Vor allem aber gilt es, bei der notwendigen klaren Reaktion auf die entsetzlichen Terror- anschläge die eigenen Maßstäbe von Freiheit, Rechtsstaat- lichkeit und Menschenrechten nicht außer Acht zu lassen. Und es gilt, in einer an sozialen Spannungen überreichen Welt alles zu vermeiden, was vorhandene Feindbilder und den verbreiteten Hass noch stärken könnte. Der Einsatz von Gewalt zur Verhinderung von Terrorismus und zur Be- strafung terroristischer Gewalttäter ist legitim, der Einsatz von Bomben gegen Unschuldige ist es nicht. Dies gilt es bei der Abwägung über den Militäreinsatz zu beachten. Ich kann nur hoffen, dass die militärischen Handlungen der Amerikaner möglichst bald zur Realisie- rung der angegebenen Kriegsziele – Afghanistan von der Gewaltherrschaft der Taliban zu befreien und Osama Bin Laden, die Mitglieder seines Terrornetzes und die Verant- wortlichen für die Anschläge auf New York dingfest zu machen – führen und dass eine weitere Eskalationsspirale vermieden wird. Die Meldungen von der Entwicklung in Afghanistan innerhalb der letzten Tage machen mich zum Glück, das will ich nicht verhehlen, etwas weniger besorgt – wenn auch noch keineswegs ganz sorgenfrei. In einer derartig fragilen, von sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Spannungen geprägten Welt ist ein lediglich militärisches Vorgehen in hohem Maße frag- würdig und gefährlich. Vielmehr scheint es mir notwen- dig, weit mehr als bisher diplomatisch vorzugehen und vor allem auch die Ursachen für die globalen Spannun- gen, den extremen Unterschied zwischen Arm und Reich, die Einseitigkeit und die unsozialen Aspekte des globalen Handels und die Spannungen zwischen Lebensweisen, Religionen und Kulturen anzugehen. Gerade unser Land könnte hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Die politische Rolle Deutschlands: Von wichtigen Ver- antwortlichen – auch aus den Reihen der Bundesregie- rung – ist in den letzten Tagen wiederholt gesagt worden, Deutschland sei in der Frage dieses Militäreinsatzes über- haupt nicht frei. Formal vielleicht – politisch aber seien die Deutschen festgelegt. Deutschland könne und dürfe in der Frage dieses Militäreinsatzes gar nicht anders ent- scheiden, als in dem vorliegenden Antrag zum Ausdruck gebracht wird, wenn es die Lehren der Geschichte ernst Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19913 (C) (D) (A) (B) nähme. Seit Konrad Adenauer sei Deutschland Teil des Westens, dies lasse für uns keine andere Option des Han- delns mehr offen. Wenn dieses 80-Millionen-Volk, so hieß es in den letzten Tagen aus einflussreichem Mund, je wie- der frei von diesen Bindungen agieren würde, drohten weit schlimmere Folgen als die jetzigen Toten in New York und Afghanistan. Diese Auffassung scheint mir fatal. Sie postuliert eine Ausweglosigkeit, die es nicht gibt. Sie treibt die deutsche Außenpolitik in eine Engführung, die jedes eigenständig politische Denken diskreditiert oder unmöglich macht. Sie postuliert und zementiert, was sie, wenn man ihren Worten trauen könnte, eigentlich ablehnt: einen deutschen Son- derweg. Damit werden Denkverbote errichtet, wo eine faire Debatte über die besten Konzepte gefordert wäre. Auch ich möchte, dass Deutschland seine tätige Soli- darität mit den USA beweist. Aber wir können dies auch anders als durch Militäreinsätze tun. Beitragen sollten wir – aber unseren Beitrag selbst bestimmen! Dass die Beiträge der Bündnispartner höchst verschieden sein kön- nen – ja oftmals sogar sollen! – zeigt zum Beispiel auch die Tatsache, dass Großbritannien sich von Anfang an auch militärisch beteiligt, während andere Bündnispart- ner dies weder tun noch tun wollen. Mehr noch: Auch das unkritische und undifferenzierte Gerede vom Westen ist ahistorisch, falsch und politisch fatal. Sehen wir im Westen die USA und im Osten Russ- land, so liegt unser Land in der Mitte. Diese Mittler- oder Brückenfunktion ohne eigenes Großmachtstreben hat es in seinen besten Phasen auch wahrgenommen. Der tiefe Abstieg in den deutschen Nationalismus und – noch mehr – den Nationalsozialismus war es, der schließlich zu einer Teilung Deutschlands wie zur Teilung Europas geführt hat. Damit war die Mitte für einige Zeit eliminiert. Sie war mitten durchgetrennt, zerteilt, und es gab nur noch West und Ost, Kapitalismus und Sozialismus, zwei einander hochgerüstet gegenüber stehende Blöcke. In diese bipo- lare Welt musste sich auch das damalige Deutschland ein- ordnen: der westliche Teil nach Westen, der östliche nach Osten. 1989 fielen in der Folge der demokratischen Re- volution die Mauer und der Stacheldraht. Deutschland und Europa wuchsen wieder zusammen. Damit sind wir auch (geo-)politisch wieder in eine andere Rolle ge- schlüpft, die unser Außenminister ohnehin schon mehr und mehr wahrnimmt. Deutschland gehört wie kaum ein anderes Land zu den glaubwürdigen Akteuren präventi- ven Krisenmanagements, ziviler Konfliktbearbeitung und friedlicher, demokratischer Veränderungen auf dem Pla- neten. Diese Kernkompetenz im „Kampf gegen den Ter- rorismus“ anzubieten – zum Beispiel in der Form eines festen, verbindlich organisierten Dialogs zwischen Chris- tentum und Islam –, wäre ein großartiger und unver- zichtbarer Beitrag gewesen, den die Deutschen in diese „Allianz gegen den Terror“ hätten einbringen können. Auch die USA werden zunehmend darauf angewiesen sein, dass es diesen ehrlichen, allseits großes Vertrauen genießenden Makler gibt. Nicht aus dem westlichen Bündnis ausscheren sollten wir, sondern uns mehr für un- sere eigenen künftigen Aufgaben in einer längst nicht mehr bipolaren Welt interessieren und zugleich nach Osten und Süden öffnen. Die Vermischung ist darauf angelegt, eine Gewissens- entscheidung zu korrumpieren: Derartige Fragen in Ruhe und unter Durchdenken aller denkbaren Konsequenzen abzuwägen, das ist die Aufgabe, vor der wir als Bundes- tagsabgeordnete in dieser Abstimmung stehen. Durch die Verknüpfung der Gewissensentscheidung mit der Vertrauensfrage wird diese allerdings überlagert und letzt- endlich praktisch unmöglich gemacht. Denn sie verhin- dert die freie, in der Sache wohl begründete Entschei- dungsfindung der Parlamentarier. So schwächt dieses Junktim den Beschluss in der Sa- che, statt ihn zu stärken. Denn allzuviel gänzlich anders geartete Überlegungen mischen sich hinein. Schließlich geht es nun nicht mehr alleine um die Frage des Mi- litäreinsatzes, sondern zugleich und vor allem um Fortbe- stand oder Ende der rot-grünen Koalition und damit um Fortbestand oder Ende einer erfolgreichen, aber noch kei- neswegs abgeschlossenen Politik. So entstehen denn auch gänzlich absurde Konstellatio- nen. Abgeordnete stimmen reihenweise gegen ihre Über- zeugung. Treffen die gestern gemachten Ankündigungen zu, so werden zum Beispiel dieselben Volksvertreter von CDU/CSU und FDP, die noch vor vier Tagen öffentlich erklärt haben, sie würden dem Antrag der Bundesregie- rung für einen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan rückhaltlos zustimmen, jetzt genau den gleichen Antrag mit eben solcher Entschlossenheit ablehnen. Sie tun dies nicht etwa, weil sie dagegen sind, sondern sie bleiben dafür und wünschen sich, dass der Antrag durchkommt. Trotzdem werden sie nicht für ihn stimmen. Umgekehrt gibt es in den Reihen der Koalition – und mitnichten nur in den Reihen des grünen Koalitionspartners – mehrere Abgeordnete, die deutlich erklärt haben, dass sie nicht für diesen Einsatz stimmen. Sie werden das auch in bzw. vor der Abstimmung tun, dann aber trotzdem anders ent- scheiden, als ihre Überzeugung und ihr Gewissen in die- ser Sache ihnen sagen. Die Verbindung dieser beiden völlig unterschiedlich gelagerten Abstimmungen zeugt von einem Fehlverständ- nis des Parlaments. Sie droht, die politische Kultur zu beeinträchtigen. Der offene und ehrliche Streit unter- schiedlicher Meinungen, die Akzeptanz abweichender Positionen ist eine Grundvoraussetzung jedweder Demo- kratie. Es wäre daher wichtig gewesen, gerade auch in der Frage eines Kriegseinsatzes eine offene und ehrliche De- batte und abweichende Auffassungen zuzulassen anstatt sie zu beschädigen. Dabei geschieht diese Verknüpfung ohne jede Not. Die rot-grüne Koalition ist nicht am Ende – im Gegenteil: Sie ist kraftvoller und frischer denn je. Niemand in dieser Koalition möchte das erfolgreiche Bündnis aufgeben. So gilt auch für diese Abstimmung, dass ein ehrliches, zutreffendes Ergebnis nicht zu erwarten ist. Denn, vor die Vertrauensfrage gestellt, werden 47 grüne Abgeordnete meiner Erkenntnis nach 47 mal mit Ja antworten. Dass trotzdem eine Reihe von Fraktionsmitgliedern bei der Ab- stimmung über die Vertrauensfrage mit Nein stimmen wird, liegt wiederum nicht an dieser, sondern an der völ- lig sachfremden Verknüpfung mit einem Militäreinsatz, den sie ablehnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119914 (C) (D) (A) (B) Das Grundgesetz hätte es, nebenbei, zugelassen, die Vertrauensfrage getrennt von der Sachfrage zu stellen. Damit wäre nicht nur die Freiheit der Abgeordneten in beiden Fällen gewahrt geblieben: Wir hätten auch ein klares Ergebnis, wie viele Abgeordnete in der einen wie der anderen Frage nun wirklich dafür bzw. dagegen sind. Mit dem jetzt gewählten Verfahren werden wir das nie herausfinden. Was sich allerdings mit Gewissheit sagen lässt, ist: Wären die Sach- und die Vertrauens- frage getrennt gestellt worden, hätte es zu beidem eine deutliche Mehrheit gegeben. So aber hat man sich ohne Not in eine Zitterpartie begeben, die über die Freiheit des Mandates und die Sachlichkeit der Abstimmung hi- naus auch diese von den Bürgern gewollte Koalition massiv gefährdet. Das Ergebnis meiner Abwägung: Ich möchte das rot- grüne Projekt nicht beenden. Ich will es fortführen! Der Ausstieg aus der Atomenergie und der Einstieg in alter- native Energieformen, die Agrarwende, eine ökologi- sche und soziale Steuerreform, die Konsolidierung des Bundeshaushaltes, eine moderne und generationenge- rechtere Reform des Rentensystems, die Stärkung der Demokratie und die Einführung unmittelbarer Bürger- beteiligung, eine weitsichtige und vermittelnde Außen-, Friedens- und Menschenrechtspolitik, dies alles ist mir zu wichtig, als dass ich es so fahrlässig, wie es mit die- ser Abstimmung geschähe, gefährden wollte. Die von der Bundesregierung auf Druck insbesondere einer Reihe grüner Abgeordneter ergänzend zum heute zu fas- senden Beschluss abgegebene Protokollerklärung und die Entwicklung in Afghanistan lassen mich hoffen, dass die dennoch bestehenden Risiken dieses – bis auf den möglichen Einsatz der 100 Sonderkräfte – deutlich de- fensiven und nicht kampforientierten Einsatzes be- herrschbar und damit hinnehmbar bleiben. Ich werde deshalb in der nachfolgenden Abstimmung, die mich zwingt, zwei Fragen miteinander zu vermischen, die nichts miteinander zu tun haben, mit „ja“ stimmen. Ich tue das auch deshalb, weil ich mich nicht berechtigt fühle, ein politisches Projekt zu beenden, das von den Wählern eindeutig und für die Dauer dieser Legislatur- periode gewollt ist. Ich hoffe, dass künftige Abstimmungen dieses Parla- mentes in der Freiheit und Sachbezogenheit stattfinden können, die einer Abstimmung von vergleichbarer in- haltlicher Bedeutung würdig sind. Das Parlament ist nicht ein bloßes Notariat der Regierung, sondern die freie Vertretung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die ein Anrecht darauf haben, dass ihre Ängste, Anliegen, Fragen und Gesichtspunkte in den Abstim- mungen mit dem größtmöglichen Ernst aufgenommen und gewürdigt werden. Die Vermischung zweier völlig unterschiedlicher Fragen in einer einzigen Abstimmung, der damit ausgeübte Druck, ja die Aufforderung an ein- zelne Abgeordnete, wenn sie mit ihrem Gewissen in Schwierigkeiten kämen, könnten sie doch ihr Mandat zurückgeben, hat mit den berechtigten Erwartungen der Bürger an ihr Parlament und mit dem Parlaments- und Abgeordnetenverständnis des Grundgesetzes nicht mehr viel zu tun. Anlage 7 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 769. Sitzung am 9. No- vember 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zum Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 – Gesetz zur Anpassung bilanzrechtlicher Bestimmun- gen an die Einführung des Euro, zur Erleichterung der Publizität für Zweigniederlassungen ausländischer Un- ternehmen sowie zur Einführung einer Qualitätskon- trolle für genossenschaftliche Prüfungsverbände (Euro-Bilanzgesetz – EuroBilG) – Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts – Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums – Gesetz zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbud- gets (Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz – ABAG) – Gesetz über den Beruf der Podologin und des Po- dologen und zur Änderung anderer Gesetze – Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes – Gesetz zur Neuordnung der Statistik im Handel und Gastgewerbe – Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Gleichstellungdurchsetzungs- gesetz – DGleiG) – Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitge- teilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge- schäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nach- stehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Interpar- lamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 105. Interparlamentarische Konferenz vom 1. April bis 7. April 2001 in Havanna/Kuba – Drucksachen 14/6847, 14/7119 – Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 12. No- vember 2001 mitgeteilt, dass sie den Antrag Forschungs- freiheit sichern – keine politische Steuerung der Helm- holtz-Zentren auf Drucksache 14/5249 zurückgezogen hat: Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Sportausschuss Drucksache 14/7000 Nr. 1.22 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 2001 19915 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/6508 Nr. 2.28 Drucksache 14/6508 Nr. 2.22 Drucksache 14/6508 Nr. 2.31 Drucksache 14/6508 Nr. 2.32 Drucksache 14/6508 Nr. 2.39 Drucksache 14/6615 Nr. 1.7 Drucksache 14/6615 Nr. 2.12 Drucksache 14/7000 Nr. 1.30 Drucksache 14/7000 Nr. 2.27 Drucksache 14/7000 Nr. 2.31 Drucksache 14/7000 Nr. 2.32 Drucksache 14/7000 Nr. 2.26 Drucksache 14/7197 Nr. 2.10 Drucksache 14/7197 Nr. 2.28 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/5610 Nr. 2.23 Drucksache 14/5610 Nr. 2.37 Drucksache 14/5610 Nr. 2.52 Drucksache 14/7000 Nr. 2.29 Drucksache 14/7000 Nr. 2.28 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/6615 Nr. 2.2 Drucksache 14/6615 Nr. 2.3 Drucksache 14/6615 Nr. 2.6 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/7129 Nr. 2.64 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 202. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. November 200119916 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Zu einer weiteren Er-
    klärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung erteile ich
    dem Kollegen Gerald Häfner das Wort.



Rede von Gerald Häfner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde –
zum einen – Ihrem freundlichen Rat, Herr Präsident, folgen
und frei sprechen. Zum Zweiten werde ich jetzt nur sehr
kurz vortragen. Denn ich habe eine ergänzende schriftliche
Erklärung zur Abstimmung gemacht. Nein ich tue das, um
es für Sie jetzt nicht zu lange zu machen, liebe Kolleginnen
und Kollegen. Das heißt, ich werde jetzt einige kurze Dinge
sagen und ansonsten mich schriftlich erklären.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das geht in die Geschichte ein!)


Die Entscheidung über einen Militäreinsatz ist für uns
alle eine sehr große Entscheidung. Es kann gut gehen, es
kann aber auch Leben kosten. Ich hoffe, das wird hier
nicht der Fall sein. Aber dies müssen wir immer beden-
ken, wenn wir hier über einen solchen Antrag abstim-
men.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sei können auch Nein sagen!)


Das müssen wir alle auf unser Gewissen nehmen.


(Hannelore Rönsch [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Wenn man eines hat!)


Jeder von uns muss damit leben, wie er hier abgestimmt
hat. Das heißt, wir müssen in dieser Abwägung alle Sei-
ten würdigen und am Ende besonnen entscheiden.

Wir entscheiden dabei nicht nur für uns, sondern – und
das macht es schwerer – wir sind gewählt, um für diejeni-
gen, die uns hierher entsandt haben, mitzuentscheiden.
Wir sind Volksvertreter und wir haben einen Auftrag. In
diesem Fall gilt sogar der Parlamentsvorbehalt, das
heißt: Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsge-
richt verlangen, dass aus guten Gründen über Mi-
litäreinsätze nur das Parlament entscheiden kann.

Um diese ernsthafte Debatte, das Ringen um den rich-
tigen Weg in dieser schweren Entscheidung und um ein
wirkliches Abbild dessen, wie das deutsche Parlament zu
dieser Frage steht, sind wir durch die Vermischung der
Frage des Militäreinsatzes mit der Vertrauensfrage ge-
bracht worden. Diese Vermischung zeitigt geradezu ab-
surde Konsequenzen, wie zum Beispiel – und das macht
es mir dann auch schwer, die Gewissensentscheidung
aller Abgeordneten im Hause ernst zu nehmen – dass eine
komplette Fraktion am Montag der Woche erklärt, sie
werde für den Militäreinsatz stimmen und am Dienstag
aus taktischen Gründen, sie werde dagegen stimmen.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Das heißt, hier ist nicht mehr deutlich geworden, wer ei-
gentlich wofür ist und wer wogegen ist, sondern – –


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Kollege Häfner, ich
    möchte Sie unterbrechen.

    Erstens. Der Sinn persönlicher Erklärungen ist nicht,
    die Debatte fortzusetzen,


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


    sondern eine Bemerkung zum eigenen Abstimmungsver-
    halten zu machen.

    Zweitens muss ich Sie fragen: Was gilt nun? Machen
    Sie eine ausführliche mündliche Erklärung oder haben Sie
    vor, eine schriftliche Erklärung abzugeben? Beides geht
    nicht.