Rede von
Bernd
Scheelen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Herr Kollege Laumann, ich habe gehört,
dass Sie hinsichtlich der Notwendigkeit des Erhalts des
Fliegerhorstes Rheine gesagt haben, dass es eine Lücke
im Luftraum Deutschlands gebe und man Passagierma-
schinen nur abschießen könne, wenn man den Flieger-
horst Rheine erhalte. Von gleicher Qualität wie diese Aus-
sage war auch Ihre soeben gehaltene Rede.
Die Finanzpolitik dieser Bundesrepublik zeichnet sich
durch zwei Qualitätsmerkmale aus
dass Sie sich aufregen, kann ich verstehen; es zeigt, dass
Sie getroffen sind : Konsolidierung und Steuersenkung.
Von diesem Pfad lassen wir uns nicht abbringen, auch
nicht von der Opposition.
Konsolidierung ist deswegen notwendig, weil Sie uns
1998 einen Schuldenstand das darf man ruhig immer
wieder in Erinnerung rufen in Höhe von 1,5 Billi-
onen DM hinterlassen haben. Diese Schulden führen zu
einer jährlichen Belastung des Haushaltes durch Zinszah-
lungen in Höhe von 82 Milliarden DM. Es ist wichtig,
dass man den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder ins
Gedächtnis ruft, welche Konsequenzen das hat.
82 Milliarden DM pro Jahr bedeuten 156 000 DM jede
Minute. Das ist also während dieser Aktuellen Stunde bei
jedem Redebeitrag von fünf Minuten gut eine dreiviertel
Million DM, die der Bund sofort von der Steuersumme,
die die Bürgerinnen und Bürger aufbringen, nehmen und
an die Banken weiterreichen muss, ohne dass wir in der
Lage sind, diesen Betrag für die Gestaltung einer aktiven
Politik zu verwenden.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 200. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. November 2001
Karl-Josef Laumann
19654
Dies aber machen wir nicht mit. Wir sagen: Raus aus den
Schulden!
Die Vorschläge, die ich hier zum Beispiel vom Kolle-
gen Brüderle gehört habe, bedeuten doch nur, dass Sie ei-
ner weiteren Verschuldung das Wort reden. Dieser Marsch
in den Verschuldungsstaat ist mit uns nicht zu machen.
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die Steuer-
reform gewirkt hat, dann wird dieser durch die Zahlen die-
ser Steuerschätzung geliefert.
Warten Sie ab, darauf komme ich gleich. Sie werden es
gleich nachvollziehen können.
Sie haben sich im Frühjahr, als die Steuereinnahmen
durchaus positiv waren, hier hingestellt und haben gesagt,
das sei der falsche Weg, die Regierung müsse handeln.
Jetzt sind die Steuereinnahmen nicht mehr so günstig und
da sagen Sie auch, das sei der falsche Weg, die Regierung
müsse handeln. Sie müssen sich irgendwann einmal ent-
scheiden, was Sie eigentlich wollen.
Wir haben in diesem Jahr eine Steuerreform mit einem
Entlastungsvolumen für dieses Jahr in Höhe von 45 Mil-
liarden DM durchgeführt. 45 Milliarden DM Minder-
einnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden müssen
sich natürlich irgendwo in Form von geringeren Steuer-
einnahmen bemerkbar machen. Sonst macht es keinen
Sinn. Das heißt also, die Summe, die wir an Steuern we-
niger einnehmen, haben die Bürger und Unternehmen
mehr. Sie können damit konsumieren und investieren. Es
wäre gut und richtig, wenn sie das auch intensiv täten.
Das Problem ist, dass sich dies vor dem Hintergrund
einer konjunkturellen Entwicklung abspielt, die nicht so
ist, wie wir sie alle gemeinsam noch im Frühjahr erwartet
haben. Ich darf daran erinnern, dass die Institute Ihre
Prognosen viermal in diesem Jahr nach unten korrigiert
haben: über 2,8 Prozent, 2,1 Prozent bis auf 0,7 Prozent.
Das heißt ganz konkret: Durch die Konjunktur ist es nicht
zu Mehreinnahmen in dem Maße gekommen, wie wir es
gerne hätten. Deshalb werden die guten Wirkungen der
Steuerreform nicht so deutlich sichtbar.
Die Steuerreform konnte Anfang und Mitte des Jahres
ihre volle Wirkung noch nicht entfalten, weil Sie und
alle anderen wissen das genauso gut wie ich beispiels-
weise die Entwicklung auf den Ölpreismärkten Ende
letzten Jahres so dramatisch war, dass ein Großteil der
Entlastungsfunktion der Steuerreform von den erhöhten
Ölpreisen, von den Kosten im Zusammenhang mit BSE
und Maul- und Klauenseuche aufgesogen wurde
und die Menschen über dieses zusätzliche Geld nicht in
der Weise verfügen konnten, wie wir uns das vorstellen.
Wenn Sie sich jetzt die Preise an den Tankstellen anse-
hen, werden Sie feststellen, dass Sie in Berlin, zumin-
dest am Flughafen Tegel, einen Liter Superbenzin für
1,719 DM bekommen. Vor einem halben Jahr kostete er
dort noch 2,20 DM.
Diese Absenkung der Energiepreise ist ein Konjunktur-
programm. Hier kann der Staat gar nicht mithalten. Da-
durch verbleiben den Bürgern zweistellige Milliarden-
beträge mehr in der Tasche. Dies wird Wirkung zeigen.
Ich möchte ganz kurz auf die Frage der Gemeinde-
finanzen eingehen. Diese sind hier angesprochen worden.
Die Gemeinden befinden sich in einer schwierigen Situa-
tion, weil die Gemeindesteuern, insbesondere die Gewer-
besteuer, tatsächlich stärker einbrechen, als wir das pro-
gnostiziert haben. Deswegen hat diese Bundesregierung
auch gehandelt.
Die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung haben
entsprechende Vorhaben auf den Weg gebracht. Die
Städte und Gemeinden sind uns sehr dankbar, dass wir die
Lösung ihrer Probleme aktiv angehen. Das sind sie näm-
lich aus Ihrer Regierungszeit überhaupt nicht gewohnt.
Wir haben insbesondere die Organschaftsfragen neu
geregelt. Das wird dazu führen, dass die Gemeinden im
nächsten Jahr bei der Gewerbesteuer über Mehreinnah-
men von etwa 1 Milliarde DM verfügen können. Ich finde
es sehr interessant, dass gerade die Kolleginnen und Kol-
legen von der CDU/CSU, die sich ja vermeintlich immer
für die Gemeinden einsetzen, im Finanzausschuss diesen
Regelungen nicht zugestimmt haben. Das zeigt, wie
doppelzüngig Sie agieren. Das werden wir auch bei den
Städten und Gemeinden deutlich machen. Sie haben das
auch schon erkannt.
Deswegen sind die Städte und Gemeinden sehr dankbar
dafür, dass es die kommunalfreundlichste Bundesregie-
rung seit 20 Jahren gibt. Dabei wird es auch bleiben.
Herzlichen Dank.