Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001
Gerhard Jüttemann
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Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19581
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Aigner, Ilse CDU/CSU 9.11.2001
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 9.11.2001
Behrendt, Wolfgang SPD 9.11.2001*
Bierwirth, Petra SPD 9.11.2001
Bodewig, Kurt SPD 9.11.2001
Bohl, Friedrich CDU/CSU 9.11.2001
Brinkmann (Detmold), SPD 9.11.2001
Rainer
Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 9.11.2001
DIE GRÜNEN
Catenhusen, SPD 9.11.2001
Wolf-Michael
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 9.11.2001
Frick, Gisela FDP 9.11.2001
Friedhoff, Paul K. FDP 9.11.2001
Friedrich (Altenburg), SPD 9.11.2001
Peter
Fritz, Erich G. CDU/CSU 9.11.2001
Girisch, Georg CDU/CSU 9.11.2001
Griefahn, Monika SPD 9.11.2001
Großmann, Achim SPD 9.11.2001
Dr. Haussmann, Helmut FDP 9.11.2001
Heinrich, Ulrich FDP 9.11.2001
Hempelmann, Rolf SPD 9.11.2001
Homburger, Birgit FDP 9.11.2001
Hornung, Siegfried CDU/CSU 9.11.2001
Imhof, Barbara SPD 9.11.2001
Kauder, Volker CDU/CSU 9.11.2001
Kopp, Gudrun FDP 9.11.2001
Lippmann, Heidi PDS 9.11.2001
Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 9.11.2001
Klaus W.
Meckel, Markus SPD 9.11.2001
Michelbach, Hans CDU/CSU 9.11.2001
Moosbauer, Christoph SPD 9.11.2001
Opel, Manfred SPD 9.11.2001
Ost, Friedhelm CDU/CSU 9.11.2001
Ostrowski, Christine PDS 9.11.2001
Otto (Frankfurt), FDP 9.11.2001
Hans-Joachim
Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 9.11.2001
Reichard (Dresden), CDU/CSU 9.11.2001
Christa
Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 9.11.2001
Schauerte, Hartmut CDU/CSU 9.11.2001
Schemken, Heinz CDU/CSU 9.11.2001
Schenk, Christina PDS 9.11.2001
Schlee, Dietmar CDU/CSU 9.11.2001
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 9.11.2001
Hans Peter
Simm, Erika SPD 9.11.2001
Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 9.11.2001
Sigrid
Dr. Spielmann, Margrit SPD 9.11.2001
Straubinger, Max CDU/CSU 9.11.2001
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 9.11.2001
Dr. Thomae, Dieter FDP 9.11.2001
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 9.11.2001
DIE GRÜNEN
Dr. von Weizsäcker, SPD 9.11.2001
Ernst Ulrich
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 9.11.2001
Wieczorek (Duisburg), SPD 9.11.2001
Helmut
Zapf, Uta SPD 9.11.2001
Zierer, Benno CDU/CSU 9.11.2001*
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Heinrich
Fink, Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser,
Gustav-Adolf Schur, Dr. Ilja Seifert, Rolf
Kutzmutz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Winfried
Wolf, Heidemarie Ehlert, Monika Balt (alle PDS)
zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten
Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Zu-
satztagesordnungspunkt 12)
Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen. Herbei leiten
uns folgende Motive: Heute, am 9. November, sollten wir
uns erinnern: Die .Shoah, die unbarmherzige Verfolgung
der Juden in Deutschland, war Grund für die Väter und
Mütter des Grundgesetzes, Religions- und Weltanschau-
ungsgemeinschaften als etwas Besonderes zu behandeln.
Das Religionsprivileg entzieht dementsprechend weltan-
schauliche Gemeinschaften dem leichten Zugriff des Staa-
tes. Sie sollen eben nicht wie jede andere Vereinigung
durch die Behörden verboten werden können. In dieser
Hinsicht werden Religions- und Weltanschauungsgemein-
schaften zu Recht den politischen Parteien gleichgestellt.
Die Streichung des Religionsprivilegs wird in der Öf-
fentlichkeit im Zusammenhang mit der Terrorismus-
bekämpfung gesehen. Es ist wieder vom Kampf der Kul-
turen die Rede.
Der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel fordert eine
Internierung von Ausländern auf deutschem Boden
ARD, Report Mainz am 5. November 2001. Der innen-
politische Sprecher der Unionsfraktion, Marschewski,
sagt in derselben Sendung: Man könnte sie in gefäng-
nisähnlichen Einrichtungen unterbringen.
Vor diesem Hintergrund ist gerade heute die Streichung
des Religionsprivilegs gleich in doppelter Hinsicht ein
völlig falsches Signal an die Öffentlichkeit: Zum einen
werden alle Glaubens- und Weltanschauungsgemein-
schaften in den pauschalen Generalverdacht gestellt, et-
was mit Terroristen zu tun zu haben. Da die Aufhebung in
eine Zeit fällt, in der das Misstrauen gegenüber moslemi-
schen Gläubigen besonders groß ist, erweckt die Strei-
chung den Eindruck, das Misstrauen sei berechtigt und
der Islam stelle ein geradezu mörderisches Glaubensbe-
kenntnis dar. Notwendig ist unseres Erachtens genau das
gegenteilige Signal: Menschen aller Glaubensbekennt-
nisse oder auch ohne Religionszugehörigkeit eint der
Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit.
Das Gesetz ist in Windeseile durch das Parlament ge-
bracht worden. Ein ausführlicher Dialog mit den Bürger-
rechtsorganisationen hat nicht stattgefunden. 16 Organisa-
tionen haben in einer Erklärung die Streichung des
Religionsprivilegs kritisch erwähnt. Mit ihnen und anderen
Verbänden hat die Politik die Debatte nicht geführt. Im Ge-
genteil: Hals über Kopf wurde noch schnell eine Sondersit-
zung des Innenausschusses anberaumt, um das Gesetz heute
abschließend im Plenum behandeln zu können. Ein solches
EilverfahrenwirddemkompliziertenProblemnichtgerecht.
Uns ist auch die Notwendigkeit des ganzen Vorhabens
nicht deutlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon
1971 entschieden, dass auch eine Religionsgemeinschaft
unter Umständen dem Verbot und der Auflösung nach Art. 9
Abs. 2 GG unterliegt BVerwGE 37, 344! Das OLG Düs-
seldorf hat im Verfahren gegen den Kalifen von Köln
Metin Kaplan, keinen Anlass gesehen, die Schutzgarantie
des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG zu kritisieren, sondern hat viel-
mehr die allgemeine Untätigkeit der Behörden angepran-
gert. Auch in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS
kann die Bundesregierung keinen einzigen Fall aufführen,
in dem bisher das Verbot einer Religionsgemeinschaft am
Religionsprivileg gescheitert wäre. Es wird immer pauschal
behauptet, nach der gegenwärtigen Rechtslage könnte man
eine verfassungsfeindliche Organisation nicht verbieten,
wenn diese sich als Religionsgemeinschaft tarne. Nur: Ei-
nen konkreten Fall, in der tatsächlich das Verbot versucht
worden, aber wegen des Religionsprivilegs gescheitert
wäre, kann die Bundesregierung nicht benennen.
Problematisch wird die Frage auch dann, wenn man die
Streichung des Religionsprivilegs in Verbindung mit den
schon jetzt scharfen und durch den gerade eingebrachten
Entwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes noch
verschärften Bestimmungen über die Ausländervereine in
§ 14 Abs. 1 des Vereinsgesetzes sieht. Wenn also zum Bei-
spiel eine Religionsgemeinschaft als Ausländerverein
gilt, kann sie künftig verboten werden, weil ihre Tätigkeit
sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik
Deutschland beeinträchtige. Das stellt zumindest eine
Beeinträchtigung des grundgesetzlich garantierten An-
spruchs auf Freiheit der Religionsausübung und des Zu-
sammenschlusses zu Religionsgemeinschaften dar. Dies
hat auch die Bundesregierung zugegeben. In ihrer Ant-
wort auf unsere Kleine Anfrage heißt es: Das Verbot ei-
ner als Ausländerverein geltenden Religions- oder Welt-
anschauungsgemeinschaft berührt prinzipiell die in Art. 4
des Grundgesetzes gewährleisteten Grundrechte.
Vor diesem Hintergrund haben wir abgewogen: Das of-
fiziell verkündete Ziel der Gesetzesänderung ist es, gegen
Vereinigungen vorgehen zu können, deren Zwecke oder
Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich
gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedan-
ken der Völkerverständigung richten. Ist die Streichung
des Religionsprivilegs zur Erreichung dieses Zieles erfor-
derlich, geeignet und verhältnismäßig? Aus den oben ge-
nannten Gründen müssen wir diese Frage verneinen. Des-
halb lehnen wir die Änderung des Vereinsgesetzes ab.
Anlage 3
Zu Protokoll gegeben Rede
zur Beratung:
Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung der
Schwankungsreserve in der Rentenversiche-
rung der Arbeiter und Angestellten
Beratung des Antrags: Keine systemwidrigen
Eingriffe bei der Schwankungsreserve
(Zusatztagesordnungspunkte 13 und 14)
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Was die Regierungskoalition Ihnen heute vor-
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schlägt, ist nichts, was wir uns je gewünscht hätten. Der
Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist die Entscheidung in
einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Deshalb ist
für uns die Frage der Lohnnebenkosten, die uns seit Be-
ginn der Legislaturperiode beschäftigt, noch einmal mehr
in den Vordergrund gerückt. Deswegen greifen wir zu ei-
nem Mittel, das auch wir für problematisch halten.
Wir haben deshalb die Veränderung der Schwankungs-
reserve nicht einfach vornehmen wollen, sondern wollen
sie gesetzlich so regeln, dass die Zahlungsfähigkeit der
Rentenversicherer auf jeden Fall gewährleistet wird.
Jetzt bleibt die Frage: Wie weit ist diese Absenkung
nun zu vertreten? In der Vorlage steht die Zahl 0,8. Das
hieße ein Beitragssatz von mehr als 19 Prozent. Ich sage
hier für meine Fraktion: Wir möchten die Anhörungen
nutzen, um zu klären, inwieweit eine Absenkung auch auf
0,75 Monatsausgaben möglich ist. Bert Rürup, ein Sach-
verständiger, hat vorgerechnet, dass dies möglich sei. Ge-
rade wirtschaftspolitisch halten wir das Signal, das mit
den daraus resultierenden 19 Prozent, also der Absenkung
verbunden ist, für zentral wichtig. Eines bleibt ab-
schließend festzustellen: Wir tun hier etwas, bei dem wir
davon ausgehen, dass es verantwortungsvoll ist. Wir tun
das hier offen, im Parlament und vor der Öffentlichkeit.
Das ist wichtig, weil wir es uns mit dieser Entscheidung
nicht leicht machen, aber weil wir auf der anderen Seite
nicht zulassen wollen, die Lohnnebenkosten ansteigen zu
lassen, wenn es eine andere vertretbare Möglichkeit gibt.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Errichtung eines Ein-
heits- und Freiheitsdenkmals auf der Berliner
Schlossfreiheit (Tagesordnungspunkt 21)
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Der vorliegende Antrag fordert den Bundestag auf, ein
Denkmal zur Erinnerung an die friedliche Revolution in
der DDR und den Mauerfall zu errichten. Keine Frage,
diese einzigartigen historischen Ereignisse verdienen es,
verewigt zu werden. Grundsätzlich halte ich viel davon,
Geschichte in Form von Kunst verstehbar und zum An-
fassen festzuhalten. Ganz besonders schätze ich so etwas
im öffentlichen Raum. Allerdings halte ich diesen Antrag
vor allem auch hinsichtlich des vorgeschlagenen Ortes für
äußerst ungünstig und dazu auch für verfrüht.
Zum einen geht es um den Standort des Denkmals. Wie
die meisten von Ihnen sicher wissen, liegt mir eine gelun-
gene Gestaltung des Berliner Schlossplatzes sehr am Her-
zen. Wie die Ausstellungen in Berlin Mitte zu diesem
Thema belegen, gibt es schon jetzt eine große Anzahl von
kreativen Vorschlägen, wenn man sich auch über ästheti-
sche Aspekte und Durchführbarkeit der einzelnen Pro-
jekte streiten kann. Die Berliner Schlossfreiheit sollte je-
denfalls jetzt noch nicht verplant werden, weil das
Konzept des ganzen Platzes noch gar nicht entschieden
ist. Die Diskussion um den Wiederaufbau des Schlosses
ist schon kontrovers genug, wir sollten sie nicht noch
durch zusätzliche Planungen im Vorhinein beeinträchti-
gen. Es ist höchstens denkbar, dass ein solches Denkmal,
wenn es denn eines geben sollte, in die Pläne zu einer
Neugestaltung des Platzes mit einbezogen werden könnte.
Dazu wäre aber eine Neuformulierung des Antrages not-
wendig.
Ganz abgesehen davon ist es auch nicht Sache des Bun-
des allein, diese Frage zu entscheiden. Denn der geplante
Standort des Denkmals gehört der Stadt Berlin anders
als das Gelände des Palasts der Republik.
In der Diskussion um diesen Antrag sind Stimmen laut
geworden, die der Meinung sind, dass es zu früh ist, der
deutschen Einheit ein Denkmal zu setzen. Auch ich
denke, es gibt ganz offensichtlich Anzeichen dafür, dass
die innere Einheit noch lange nicht vollzogen ist. Nicht
zuletzt die Berliner Wahl vor einigen Wochen, bei der die
Zugehörigkeit zu Ost oder West stark instrumentalisiert
wurde, hat gezeigt, wie weit wir noch entfernt sind von ei-
nem innerlich vereinigten Deutschland. Wir sollten dieses
Vorhaben späteren Generationen überlassen, die hoffent-
lich über unsere gegenwärtigen oft schweren Gedanken
zum Thema Einheit und auch zum Thema Freiheit nur
noch ein Lächeln übrig haben werden.
Wir schließen uns aus diesen Gründen dem Votum des
Kulturausschusses an und lehnen den Gruppenantrag ab.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Finanzierungssicher-
heit für den Bundesfernstraßenbau über das
Jahr 2002 hinaus (Tagesordnungspunkt 24)
Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Das ist ja wirklich
ein toller Antrag, über den wir jetzt eine halbe Stunde lang
beraten sollen. Für die Formulierung dieses Satzes hat ei-
ner wirklich viel Gehirnschmalz aufgewendet: Für die
Länder ... soll über das Jahresende 2002 hinaus eine pla-
nerische Sicherheit ... sichergestellt werden. Dies ist
nicht der Kern des Antrages, dies ist der Antrag.
Da ist man ja wirklich sehr beeindruckt. Beeindruckend
daran ist insbesondere, wie wenig die CDU/CSU-Fraktion
zur Kenntnis nehmen will, was diese Bundesregierung seit
1998 zur Herstellung von Planungssicherheit und zur Fi-
nanzierung von Verkehrsinfrastrukturen des Bundes be-
reits geleistet hat und weiter leisten wird.
In Sachen Verkehrsinfrastruktur braucht sich die rot-
grüne-Koalitionsregierung nun wirklich keine Vorwürfe
machen zu lassen. Wir haben die Verkehrsinvestitionen
auf Rekordhöhe gebracht und haben die Absicht, sie dort
zu halten. Allein für die Investitionen in die Bundesfern-
straßen sind im Jahr 2002 10,8 Milliarden DM geplant.
Wir haben uns damit definitiv von der Politik der Vorgän-
gerregierung verabschiedet, die die Verkehrsinvestitionen
im Wesentlichen als Sparkasse der Nation betrachtet
hatte. Jedenfalls hatte sie die Verkehrsinvestitionen konti-
nuierlich heruntergefahren bis zum Jahre 1998. Wir haben
das geändert.
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Mit unserem Infrastrukturprogramm Investitionspro-
gramm 1999 bis 2002, mit dem Anti-Stau-Programm
2003 bis 2007 und dem Zukunftsinvestitionsprogramm
2001 bis 2003 hat die rotgrüne Bundesregierung Sicher-
heit über ein Investitionsvolumen von mehr als 83 Milli-
arden DM geschaffen. Wir haben damit die notwendige
Kontinuität des Planungs- und Investitionsgeschehens in
den kommenden Jahren sichergestellt. Das gilt auch für
die Jahre nach 2002; denn die in unseren Programmen
enthaltenen Projekte werden die so genannten Investi-
tionsschleppen nach sich ziehen, sodass niemand einen
plötzlichen Abbruch der Mittel befürchten muss.
Aber um diese Befürchtung geht es der CDU/CSU ja
gar nicht. Vielmehr soll irgendwie der Eindruck erweckt
werden, wir täten nichts für den Straßenbau. Der Schie-
nenwegeausbau ist ihr ja sowieso ganz egal.
Dazu möchte ich feststellen: Uns geht es um den Auf-
bau einer gesamten und integrierten Verkehrsinfrastruk-
tur. Wir wollen den Güterschienenverkehr bis zum Jahre
2015 verdoppeln und sind deshalb bereit, zusätzlich
6 Milliarden DM in die Schieneninfrastruktur zu investie-
ren, um das Netz in die Lage zu versetzen, dieses Ver-
kehrswachstum auch aufnehmen zu können.
Ich darf versichern: Diese Kraftanstrengung machen
wir nicht, weil wir ein romantisches Verhältnis zur DB AG
haben. Das Ziel des Schienenausbaus ist rein rational. Vor
dem Hintergrund der EU-Osterweiterung und der Tatsa-
che, dass Deutschland das am stärksten belastete Transit-
land in ganz Europa ist, haben wir überhaupt keine andere
Wahl, als möglichst hohe Anteile des Güterverkehrs auf
die Schiene zu verlagern. Wir müssen also die Bahn in die
Lage versetzen, ihre verkehrspolitisch notwendige Rolle
auch wirklich wahrzunehmen.
Ich verrate nichts Neues, wenn ich hier feststelle, dass
meine Fraktion auch an ganz neuen Lösungen arbeitet,
wie zusätzliches privates Kapital für Verkehrsinvestitio-
nen mobilisiert werden kann. Dabei überlegen wir, den
Anwendungsbereich des Fernstraßenbauprivatfinanzie-
rungsgesetzes zu erweitern. Wir wissen auch, dass hier
noch sehr sorgfältig überlegt werden muss, welche Rah-
menbedingungen notwendig sind, um dieses Gesetz hand-
habbarer zu machen. A und O ist schließlich die Risiko-
abgrenzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten
Bereich. Hier darf man nichts übers Knie brechen.
Wir werden noch in dieser Legislaturperiode den Ge-
setzentwurf zur Errichtung einer Verkehrsinfrastruktur-
finanzierungsgesellschaft verabschieden und werden
auch sehr sorgfältig prüfen, in welchem Umfang privat-
wirtschaftliche Betreibermodelle für den sechsstreifigen
Autobahnausbau möglich sind. Zu diesem Punkt wird die
Parlamentarische Staatssekretärin Mertens gleich weitere
Erläuterungen geben.
Es gibt für die Endzeitstimmung, wie sie in diesem An-
trag niedergelegt worden ist, keinerlei Anlass. Hinter dem
Jahr 2002 sollte Sie auch die Sächsische Landesregie-
rung kein großes schwarzes Loch erwarten, sondern die
Fortsetzung unserer Infrastrukturpolitik auf hohem finan-
ziellen Niveau.
Die Arbeiten am Bundesverkehrswegeplan gehen zü-
gig voran. Mit der Einführung der Lkw-Maut gewinnen
wir neue Investitionsspielräume. Und schließlich betreten
wir im Bereich der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung mit
mutigen Schritten Neuland. Dies geschieht mit dem Ziel,
in den nächsten Jahren weiterhin zügig an einer Verbesse-
rung der Verkehrsinfrastruktur zu arbeiten. Die Kon-
tinuität der Verkehrsinvestition hat aber nicht nur diese
verkehrswirtschaftliche Seite. Darüber hinaus ist sie un-
schätzbar wichtig für die Sicherheit aller hier betroffenen
Arbeitsplätze.
Renate Blank (CDU/CSU): Finanzierungssicherheit
und Planungssicherheit sind wichtige Bestandteile für den
Bundesfernstraßenbau in Deutschland. Nachdem die
Bundesregierung weder bereit noch dazu in der Lage ist,
noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament einen
neuen Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfern-
straßen zur Kenntnis zu bringen und die Fortschreibung
des Bundesverkehrswegeplans vorzunehmen, mahnen
wir ein Gesamtkonzept an, ja fordern dieses Gesamtkon-
zept, damit die Bundesländer, die im Rahmen der Bun-
desauftragsverwaltung für den Aus- und Neubau der Bun-
desfernstraßen tätig werden, Planungssicherheit erhalten.
Es müsste doch mittlerweile auch der Bundesregierung
bekannt sein, dass es absolut nichts nützt, ständig neue
Programme oder Maßnahmenpakete vorzulegen, die erst
wenn überhaupt nach 2003 eventuell in Angriff ge-
nommen werden sollen. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit,
das heißt, die Bundesregierung mit der Regierungs-
koalition muss endlich mehr Geld für den Straßenbau zur
Verfügung stellen und konkret darlegen, wie sie sich die
künftige Finanzierung des dringend erforderlichen Stra-
ßenbaus vorstellt.
Bisher glänzt die Regierung nur mit Verwirrspielen, ei-
gentlich ist das Ganze ein Trauerspiel! Oder halten Sie uns
für so dumm, dass wir ihre taktischen Mätzchen der vie-
len Programme nicht durchschauen? Sinnlose Mitarbei-
terbeschäftigung könnte man das auch nennen. Sie wollen
doch nur davon ablenken, dass für den Straßenbau zu we-
nig Geld zur Verfügung steht, und sich mit all den Ver-
wirrspielen nur über die Bundestagswahl 2002 hinweg-
retten.
Das Investitionsprogramm, das Ende 2002 ausläuft,
wurde vom ersten Verkehrsminister der Regierung
Schröder vorgestellt er hieß Müntefering. Dieses Pro-
gramm sollte laut Minister Planungssicherheit bringen.
Bei der seinerzeitigen Vorlage war aber schon klar, dass
mit diesem Programm nur die zu unserer Regierungszeit
bereits begonnenen Maßnahmen fortgeführt werden bzw.
Maßnahmen anfinanziert und dann weit über die Zeit
nach 2002 geschoben werden. Alle Maßnahmen abzuar-
beiten, die im Investitionsprogramm enthalten sind, dau-
ert bis weit in das Jahr 2010.
Das Anti-Stau-Programm, das frühestens 2003 begin-
nen kann, wurde uns vom zweiten Verkehrsminister der
Regierung Schröder vorgestellt er hieß Klimmt. Dieses
Programm war bei der Verkündung eine reine Wahl-
kampfhilfe für Nordrhein-Westfalen. Die Mittel für dieses
Programm hängen natürlich von der Höhe der strecken-
bezogenen LKW-Maut ab und der Finanzminister hat
auch schon seinen Anspruch auf einen Teil der künftigen
Einnahmen angemeldet. Was dann für den Straßenbau, die
Schiene und die Wasserstraße noch übrig bleibt, steht in
den Sternen.
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Das Zukunftsinvestitionsprogramm, das Ende 2003
ausläuft, wurde uns vom dritten Verkehrsminister der Re-
gierung Schröder vorgestellt er heißt Bodewig. Jeder
Minister ein Programm! Zur Erinnerung: Die Mittel für
dieses Programm kamen aus den Erlösen der UMTS-Li-
zenzen. Die Vorleistungen für diese Möglichkeit der Ein-
nahme wurden daran muss man immer erinnern von
der CDU/CSU erbracht. Damals haben die Ministerpräsi-
denten Eichel und Schröder der Liberalisierung des Tele-
kommunikationsmarktes nicht zugestimmt; heute nimmt
man die Einnahmen sehr gerne und selbstverständlich an.
Das Zukunftsinvestitionsprogramm bringt 2,7 Milliarden
DM zusätzlich für den Straßenbau. Das gleicht natürlich
die Kürzungen von 4,9 Milliarden DM, die sie gegenüber
unserer mittelfristigen Finanzplanung bis 2002 vorge-
nommen haben, nicht aus.
Jetzt überrascht uns der Verkehrsminister mit einem
weiteren Programm, das jetzt allerdings als Maßnahmen-
paket Bauen jetzt Investitionen beschleunigen be-
zeichnet wird. Ein weiteres Verwirrspiel! Ein Teil der
Mittel für dieses Maßnahmenpaket kommt aus der Um-
schichtung von rund 800 Millionen DM von Schienen-
mitteln zum Straßenbau. Die Grünen müssten eigentlich
aufheulen, dass Gelder von der Schiene, aus welchen
Gründen auch immer, zum Straßenbau wandern. Was ist
aus der ehemaligen Protestpartei geworden? Ein zahmes
Schoßhündchen. Die Mittel fließen ja nur deshalb dem
Straßenbau zu, da bei der Bahn Planungskapazitäten, die
abgebaut wurden, fehlen. Man versucht jetzt, Ingenieure
zu finden. Vielleicht sollte man einmal überlegen, ob nicht
private Planungsbüros, die noch Kapazitäten frei haben,
Aufgaben übernehmen können. Nachdem die Bahn die
jetzt von der Schiene zur Straße gewanderten Millionen in
den Jahren 2003/2004 wieder zurück haben möchte dies
wurde auch versprochen , werden die Mittel zu diesem
Zeitpunkt dann dem notwendigen Straßenbau fehlen.
Übrigens hat der Minister noch vor drei Wochen im
Ausschuss darauf bestanden, dass es keine weiteren pri-
vaten Konzessionsmodelle geben wird. Mit seinem neuen
Maßnahmenpaket zauberte er kurz danach zehn Betrei-
bermodelle aus dem Hut. Finanziert werden sollen die
Maßnahmen teilweise aus den Nettoeinnahmen der
LKW-Maut ab dem Jahre 2003.
Hier wird das fragwürdige Anti-Stau-Programm noch
einmal neu verkauft, obwohl nicht einmal klar ist, was
unter den weiterzuleitenden Maut-Nettoeinnahmen ver-
standen wird. Eine Beschleunigung dringend benötigter
Ausbaumaßnahmen ist selbstverständlich zu begrüßen.
Hierfür brauchen wir aber eine solide Finanzierungs-
grundlage und keine Investitionsakrobatik á la Bodewig.
Im neuen Maßnahmenpaket fehlt wieder die hochbelas-
tete A 3, auf der sich vor allem zwischen Aschaffenburg
und Nürnberg täglich der Verkehr staut. Dass die A 3 im
Katalog des Bundesverkehrsministers fehlt, ist nicht wei-
ter verwunderlich, denn wieder einmal hat Bodewig
selbstherrlich entschieden, wo gebaut werden soll. Die
Länder wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.
Alle drei Programme und das Maßnahmenpaket dienen
der Verwirrung. Mehr Geld für den Straßenbau steht nicht
zur Verfügung. Im Gegenteil: Projekte werden verzögert
und neue baureife Maßnahmen können nicht begonnen
werden. Noch vor vier Jahren hat die Länderverkehrsmi-
nisterkonferenz beklagt, dass jährlich 4 Milliarden DM
zusätzliche Mittel für den Straßenbau nötig wären; mitt-
lerweile hat die Länderverkehrsministerkonferenz ein-
stimmig festgestellt, dass nun jährlich 7 Milliarden DM
mehr zur Verfügung stehen müssten, um den Aus- und
Neubau von Bundesfernstraßen zu realisieren und not-
wendige Erhaltungsmaßnahmen auszuführen.
Wenn der Bundesverkehrsminister fehlende Planungs-
kapazitäten beklagt, so trifft dies keinesfalls auf den Frei-
staat Bayern zu. Hier fehlt es nicht an Planungskapazitä-
ten, aber an den Mitteln, die der Bund nur unzureichend
zur Verfügung stellt. Schließlich gibt es in Bayern bau-
reife Projekte mit einem Gesamtvolumen in Höhe von
1 Milliarde DM. Auch im Freistaat Sachsen und in
Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl von Projekten,
die mangels Bundesmitteln nicht in Angriff genommen
werden können.
Wann kommt die Bundesregierung endlich zu den
Grundsätzen Wahrheit und Klarheit im Verkehrs-
bereich? Wann wird endlich begriffen, dass leistungs-
fähige Verkehrswege die Grundvoraussetzung für ein Ver-
kehrssystem sind, das in der Lage sein muss, auch
künftige Verkehrszuwächse reibungslos, sicher und um-
weltschonend zu bewältigen. Für den Standort Deutsch-
land mit seiner Lage in der Mitte Europas ist eine
leistungsfähige Infrastruktur unabdingbar. Investitionen
im Umfang von 1 Milliarde DM schaffen bzw. erhalten
10 000 bis 12 000 Arbeitsplätze.
Verkehrspolitik ist auch Standortpolitik, auch wenn
dies viele nicht wahrhaben wollen, insbesondere die Grü-
nen. Durch Staus entsteht volkswirtschaftlicher Schaden,
seriöse Angaben beziffern diesen Schaden auf rund 2 Pro-
zent unseres Bruttosozialprodukts, vom Schaden für die
Umwelt durch Staus ganz zu schweigen.
Herr Minister, hören Sie endlich mit den Verwirrspie-
len auf, legen Sie keine weiteren Programme bzw. Maß-
nahmenpakete, sondern ein Gesamtkonzept mit der not-
wendigen Finanzierungs- und Planungssicherheit für den
Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus vor.
Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Antrag setzt die
CDU/CSU den Versuch fort, von ihren eigenen alten Feh-
lern abzulenken. Sie unternimmt einen erneuten Versuch,
den Eindruck zu erwecken, dass die Bundesregierung es
an Aktivitäten für ein modernes und leistungsfähiges Ver-
kehrssystem fehlen lasse. Sie wissen, dass das Gegenteil
richtig ist.
Ich möchte nur wenige Eckdaten in Erinnerung rufen:
Der Bundesverkehrswegeplan war bei Regierungsüber-
nahme allein im vordringlichen Bedarf mit über 100 Mil-
liarden DM unterfinanziert. Die Schienenbauinvestitionen
sind rutschbahnartig nach unten gefahren worden. Das
vorhandene Infrastrukturnetz ist auf Verschleiß betrieben
worden, heute haben wir es mit maroden Brücken, Straßen,
Wasserwegen und Schienen zu tun. Mit verantwortungs-
voller Politik hat dies nichts zu tun. Das Motiv Ihres An-
trags ist leicht erkennbar, der Inhalt ohne Substanz.
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Es ist die rot-grüne Bundesregierung, die eine Zielde-
finition und Systematik in die deutsche Verkehrspolitik
gebracht hat, wie wir sie zuvor nicht gehabt haben. Dazu
gehört an erster Stelle eine neue Ehrlichkeit in der Fi-
nanzplanung. Die Zeiten überteuerter und verkehrspoli-
tisch unsinniger Prestigeprojekte sind vorbei. So wird
zum Beispiel statt Transrapid die ICE-Strecke zwischen
Berlin und Hamburg beschleunigt ausgebaut. Die jahr-
zehntelange einseitige Bevorzugung des Verkehrsträgers
Straße ist vorbei. Ein modernes Verkehrssystem kann
sich, unter anderem auch aus umweltpolitischen Gründen,
nicht auf dem Neubau von Autobahnen gründen. Wir ha-
ben diese Einsicht auch in die Realität umgesetzt. Die
Schiene wird mit Milliardenaufwand runderneuert, die
Schienenbaumittel haben wir um 50 Prozent erhöht, trotz
Haushaltssanierung und Steuersenkung. Ein klares, wenn
auch hart erkämpftes Bekenntnis zur Schiene.
Mit dem Investitionsprogramm 1999 bis 2002 haben
wir Planungssicherheit hergestellt, mit dem Verkehrs-
bericht 2000 eine Bestandsaufnahme und Diskus-
sionsgrundlage vorgelegt und mit der Einsetzung der
Pällmann-Kommission das Thema Infrastrukturfinanzie-
rung auf die Tagesordnung gesetzt und Konsequenzen da-
raus gezogen.
Kurzum: Was die Opposition mit ihrem Antrag bewir-
ken möchte, ist längst auf den Weg gebracht worden und
zwar mit Resultaten.
Die von Ihnen im Antrag geforderte Nutzerfinanzie-
rung, für die wir Grüne schon lange eingetreten sind,
kommt. Ab 2003 werden schwere Lkws auf den Autobah-
nen für die von ihnen verursachten Straßenschäden zur
Kasse gebeten: Das Mautgesetz sieht vor, dass je nach
Gewicht und Schadstoffklasse durchschnittlich bis zu
37 Pfennige pro gefahrenem Kilometer zu bezahlen sind,
bis zu 20-mal mehr als bisher durch die Jahresgebühr. Das
wird Güterverkehr von der Straße auf die Schiene ver-
lagern.
Die viel diskutierte Ökosteuer zeigt ökologische Len-
kungswirkung: Nach Jahrzehnten des Anstiegs liegt der
Benzinverbrauch und damit der CO2-Ausstoß auf
Deutschlands Straßen heute, im 1. Halbjahr 2001, erst-
mals niedriger als vor zwei Jahren um 12 Prozent! Der
Straßenverkehr entwickelt sich im Klimaschutz vom Pro-
blemkind beinahe zum Musterknaben. Grund: Es wird
weniger und sparsamer Auto gefahren. Die Schiene profi-
tiert davon: Der Bahnverkehr wächst jährlich um rund
3 Prozent. Im Güterverkehr wurde im Jahr 2000 sogar
13 Prozent mehr Fracht auf der Schiene transportiert als
im Vorjahr.
Insgesamt kann meine Fraktion damit nur zu dem
Schluss kommen, den Antrag von CDU/CSU abzuleh-
nen. Sie fordern ein Konzept für eine zukunftsorientierte
Gestaltung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen. Wir
sind mittendrin. Wir modernisieren die vorhandenen
Netze aller Verkehrsträger, fördern die Verknüpfung und
folgen gerade als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dabei
einer Systematik aus Umweltverträglichkeit, Chancen-
gleichheit und Kostenwahrheit. Der Einstieg in die er-
wähnte LKW-Maut und die Einnahmenverwendung zu
gleichen Teilen für Schiene und Wasserstraße sowie für
Straße ist ein Meilenstein in der Gestaltung der Ver-
kehrswegefinanzierung. Die unabhängigen Fachleute
und Umweltverbände haben ihre Unterstützung in der
Ausschussanhörung am vergangenen Mittwoch deutlich
gemacht.
Zusammen mit den genannten Punkten werden wir im
Transitland Deutschland für ein umweltfreundliches und
leistungsfähiges Verkehrssystem sorgen. Bis 2015 wollen
wir den Güterverkehr auf der Schiene mindestens ver-
doppeln. Mit dem gewählten System der elektronischen
Erhebung stellt sich Deutschland an die europäische
Spitze. Niemand wird mehr von Grenze zu Grenze rau-
schen und dabei nur Abgase und kaputte Straßen hinter-
lassen können.
Diese Bundesregierung legt nicht nur Konzepte vor,
sondern handelt. Für einen umweltfreundlichen Kurs
werden wir Grüne weiterhin engagiert eintreten.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): In einem hat der
Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU aus
Sachsen Recht: Wir brauchen baldmöglichst Finanzie-
rungssicherheit für den Bundesfernstraßenbau über das
Jahr 2002 hinaus. Dazu ist allerdings mehr notwendig als
die Betrachtung der Dinge ausschließlich aus der Sicht
des Bundeslandes Sachsen.
Unabhängig davon, dass im bestehenden Investitions-
programm ab dem Jahre 2003 für Investitionen in Sach-
sen knapp 613 Millionen DM zur Verfügung stehen,
aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm bis zu diesem
Zeitpunkt nochmals insgesamt 150 Millionen DM und
auch das Anti-Stau-Programm so es denn rechtzeitig
kommt für die A 38 224 Millionen DM vorsieht, ist das
eigentliche Problem der Finanzierungssicherheit aus un-
serer Sicht nur zu lösen, wenn tatsächlich die Umstellung
der Finanzierung von der jetzigen Staatsfinanzierung auf
eine echte Nutzerfinanzierung möglich ist. Einen ersten
Probelauf werden wir dabei bei der Beratung des Geset-
zes für eine Maut für LKW im Verkehrsausschuss wahr-
scheinlich am 12. Dezember haben.
Den Kollegen sei angeraten, in diesem Sinne kon-
struktiv eine gesamtstaatliche Lösung anzustreben; denn
die Betroffenheit, die jetzt von Sachsen vorgelegt wird,
gilt für alle neuen Bundesländer und für alle alten Bun-
desländer genauso. In diesem Zusammenhang appelliere
ich deshalb an die gesamtstaatliche Verantwortung und
nicht an Einzelinteressen von Bundesländern.
Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass über das Ende
des Jahres 2002 hinaus selbstverständlich in der mittel-
fristigen Finanzplanung, die von jedem Finanzminister
vorzulegen ist, auch die vorsorglichen Planungen für die
Verkehrsdotierung für das Land Sachsen vorgenommen
worden sind.
Es wäre besser gewesen, diesen Antrag vor der Ein-
bringung in den Deutschen Bundestag mit den Fachkolle-
gen der Union im Verkehrsausschuss inhaltlich bespro-
chen zu haben. Dann wäre vielleicht im Ergebnis ein
besserer Antrag herausgekommen. So, wie er jetzt vor-
liegt, müssen wir als Liberale den Antrag ablehnen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119586
(C)
(D)
(A)
(B)
Dr. Winfried Wolf (PDS): Die Antragsteller fordern
Finanzsicherheit für eine Reihe geplanter Straßenbauvor-
haben in Sachsen über das Jahr 2003 hinaus. Sie wün-
schen sich für die örtlichen Planungsbehörden Planungs-
sicherheit für eine Reihe von Verkehrsbauten. Grund für
ihr in dieser spezifischen Form als Bundestagsantrag un-
gewöhnliches Anliegen ist der Bundesverkehrswegeplan,
der sich noch in der Überarbeitung befindet.
Wir können dem Antrag nicht zustimmen. Der ent-
scheidende Grund dafür lautet: Die hier genanten Projekte
sind ökologisch höchst fragwürdig, verkehrlich unsinnig
und für die regionale Wirtschaft eher schädlich. Schauen
wir uns die einzelnen Projekte, um die es den Antragstel-
lern im Einzelnen geht, genauer an: Bei der Bundesauto-
bahn A 38 handelt es sich offenbar um eine überdimen-
sionierte südliche Umgehung von Leipzig, die den
Autobahnring um die Messestadt schließen würde. Der
Anbindung und Entlastung der südlichen Stadt nützlicher
wäre eine Gemeinde- oder Bundesstraße mit Kreuzungen
und Kreisverkehren. Die wiederkehrende Behauptung,
Autobahnringe um Großstädte brächten eine Entlastung
vom innerstädtischen Verkehr, wurde vielerorts widerlegt.
Überflüssig ist die Bundesautobahn A 72 Chemnitz
Leipzig. Die Sanierung der vorhandenen parallelen Bun-
desstraße B 95 genügt völlig und ist für die heimische
Wirtschaft von größerem Nutzen als eine Bundesauto-
bahn.
Auch die gewünschten Bauvorhaben im Zittauer Raum
B 96 und B 178 sollten bezüglich der Größenordnung der
Planungen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden.
Es sei den Antragstellern ins Stammbuch geschrieben:
Nicht jedes Straßenbauprojekt bringt den versprochenen
Nutzen. Nicht jedes Straßenbauvorhaben hält das Ver-
sprechen, diejenige Goldene Gans zu werden, die in die
Projektbegründungen hineingeschrieben worden ist.
Es sei nur an die erneuerte Bundesautobahn A 4 Dres-
denGörlitz erinnert. Um einige Orte vom Durchgangs-
verkehr zu entlasten, hätten es ein paar Ortsumgehungen
getan. Ein Jahr nach der Eröffnung zur belebenden Wir-
kung für die Wirtschaft befragt, musste die Landesregie-
rung ernüchternd antworten, größeres Gewerbe habe sich
wegen der Autobahn nicht angesiedelt. Belebt wurden die
Aktivitäten osteuropäischer Fuhrunternehmer: Für sie
bieten sich jetzt schnellere Verbindungen in den mittel-
deutschen Markt. Sie bieten den heimischen Fuhrunter-
nehmern heutzutage die oft beklagte schärfere Konkur-
renz.
Die genannten Vorhaben benötigen nicht mehr Pla-
nungssicherheit, sondern bedürfen dringend einer sorg-
fältigen Überprüfung der Planungsgrundlagen, wie im
Übrigen diverse andere Straßenprojekte, die für den Bun-
desverkehrswegeplan vorgesehen sind. Finanzielle Ver-
bindlichkeitserklärungen, wie sie die Antragsteller an-
mahnen, sind da eher kontraproduktiv. Die PDS muss das
Ansinnen der Antragsteller ablehnen.
Mehr Verkehr auf der Schiene ist eine Forderung der
offiziellen Verkehrspolitik des Bundes. Hierfür müssen
Schienenwege für den regionalen Personen- und Güter-
verkehr erhalten und ausgebaut werden. Das Land Sach-
sen unterstützt dieses Anliegen, indem es regionale Bahn-
strecken im Umfang von 800 km, die die DB Netz AG zur
Stilllegung vorsieht, übernehmen, sanieren und weiterbe-
treiben will. Gerade hier aber wären mehr Planungssi-
cherheit und eine langfristige Bindung erforderlich. Hier
sollten die Antragsteller den Bund fordern. Dass sie es
nicht tun, ist ein weiteres Beispiel für die Einseitigkeit
dieses Antrags.
Angelika Mertens, Parlamentarische Staatssekretä-
rin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen: Wer sich die Mühe macht, den Antrag der
CDU/CSU im vorderen Teil zu lesen, der wird feststellen:
Kein Verkehrspolitiker und keine Verkehrspolitikerin der
CDU/CSU hat seinen bzw. ihren Namen dafür hergege-
ben. Das macht eines vorweg schon deutlich: Bei aller
politischen Auseinandersetzung werden im Ausschuss für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen fachpolitisch fun-
dierte Positionen ausgetauscht: Und deshalb wissen Sie
natürlich auch, dass dieser Antrag ins Leere läuft.
Die Bundesregierung weiß, dass die Finanzierung der
Verkehrsinfrastruktur zu den Schlüsselfragen der künfti-
gen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung
gehört. Das hat die Vorgängerregierung offensichtlich
nicht erkannt: Wir haben bei unserem Amtsantritt im
Herbst 1998 einen Verkehrswegeplan vorgefunden, der in
erheblichem Maße unterfinanziert war. Daraus haben wir
Konsequenzen gezogen:
Zum einen haben wir uns umgehend an die Überprü-
fung des Bundesverkehrswegeplans auf der Grundlage
aktualisierter Prognosen und Bewertungskriterien ge-
macht. Leitgedanke der Überarbeitung ist dabei eine rea-
listische das heißt auch finanzierbare Bedarfsplanung.
Sie soll den wachsenden Mobilitätsansprüchen der Ge-
sellschaft durch den Ausbau moderner Infrastrukturen
gerecht werden und gleichzeitig die notwendige Instand-
haltung der Verkehrswege sichern.
In diesem Zusammenhang ist im Herbst 2000 dem
Deutschen Bundestag der Verkehrsbericht 2000 vorgelegt
worden, der einen Überblick über die Ziele und Inhalte ei-
ner integrierten Verkehrspolitik sowie eine Reflexion über
künftige Möglichkeiten zur Finanzierung der Verkehrsin-
frastruktur bietet.
Zum anderen setzen wir einen Schwerpunkt auf die
Identifizierung und Konkretisierung neuer Wege der Ver-
kehrsinfrastrukturfinanzierung angesichts der Leistungs-
grenzen der klassischen Finanzierungsformen. So werden
wir zusätzliche Einnahmen aus der Lkw-Maut in die Ver-
kehrsinfrastruktur reinvestieren.
Um Planungssicherheit zu schaffen und um den Ein-
stieg in den Systemwechsel von der reinen Steuerfinan-
zierung hin zu einer ergänzenden Finanzierung über Nut-
zergebühren beim Lkw festzuschreiben, sollen die
Einnahmen aus der Maut, aber auch die der deutschen
Verfügung unterliegenden Abgaben der Bundeswasser-
straßen in eine Finanzierungsgesellschaft für die Ver-
kehrsinfrastruktur fließen. Damit schaffen wir nicht nur
Fairness im Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern;
das Geld fließt zudem zurück in die Infrastruktur bei
Straße, Schiene und Wasserstraße. Genau das entspricht
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19587
(C)
(D)
(A)
(B)
unserem Konzept einer integrierten Verkehrspolitik. Fi-
nanzieren soll die Gesellschaft zunächst und vorrangig
die Maßnahmen des Anti-Stau-Programms im Zeitraum
von 2003 bis 2007 in einem Gesamtvolumen von rund
7,4 Milliarden DM. Wir liegen voll im Zeitplan und wer-
den das Vorhaben noch in diesem Jahr beschließen und
auf den Weg zur parlamentarischen Beratung bringen.
Im Sinne eines dauerhaften Erhalts und Ausbaus einer
modernen Verkehrsinfrastruktur hat die Bundesregierung
zudem das Maßnahmenkonzept Bauen jetzt Investitio-
nen beschleunigen vorgelegt, das die verstärkte Anwen-
dung privater Betreibermodelle beim Ausbau von Auto-
bahnen vorsieht. Realisierbar werden damit durch die
Erschließung privaten Kapitals Investitionen in einer
Höhe von etwa 7 Milliarden DM. Für zehn Betreibermo-
dellprojekte mit einem Investitionsvolumen von 5,8 Mil-
liarden DM ist die Machbarkeit geprüft worden bzw. wird
die Prüfung derzeit noch durchgeführt.
Die Arbeiten am BVWP sind mit Nachdruck im Gange.
Die Finanzierungs- und Planungssicherheit der Infra-
struktur ist gewährleistet: Eine stabile Überbrückung des
Zeitraumes bis zum Vorliegen eines neuen BVWP und
neuer Bedarfspläne im Jahr 2003 und damit die Sicher-
stellung der geforderten Kontinuität von Planung, Bau
und Finanzierung ist mit dem Investitionsprogramm, dem
Anti-Stau-Programm und dem Zukunftsinvestitionspro-
gramm gewährleistet. Allein im Bereich der Bundesfern-
straßen werden zur Realisierung der genannten Pro-
gramme ab dem kommenden Jahr noch weitere rund
32 Milliarden DM investiert. Damit ist das Investitions-
geschehen auch für die neuen Bundesländer in den
kommenden Jahren weitgehend festgelegt.
Im Übrigen wird durch den neuen BVWP für weitere
Maßnahmen die im Antrag geforderte Planungssicherheit
geschaffen. Für Projekte, die bei absehbaren Finanzie-
rungsmöglichkeiten ab 2007/08 in Bau gehen könnten,
können die Planungen auf der Basis einer entsprechenden
Einstufung im neuen BVWP und im neuen Bedarfsplan
eine positive Entscheidung des Bundestags vorausge-
setzt noch rechtzeitig aufgenommen bzw. intensiviert
werden.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Gesetzentwürfe: Einführung
und Verwendung eines Kennzeichens für Er-
zeugnisse des ökologischen Landbaus (Öko-
Kennzeichengesetz ÖkoKennzG ) (Tagesord-
nungspunkt 25)
Gustav Herzog (SPD): Bereits am 26. September die-
sen Jahres habe ich an dieser Stelle in der ersten Lesung
zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für
Erzeugnisse des ökologischen Sandbaus die wesentli-
chen Argumente für die Notwendigkeit dieses Gesetzes
dargelegt. Frau Bundesministerin Künast hat zu Beginn
der Debatte ebenfalls noch einmal eingehend die guten
Gründe hierfür erläutert.
Dennoch geben mir die Beiträge der Opposition Grund
zur Annahme, dass nach wie vor ein gerüttelt Maß an Un-
kenntnis, Vorurteilen und ideologisch begründeter Ableh-
nung die inhaltliche Diskussion um den Gesetzentwurf
bestimmt. Schlimmer noch: es scheint, dass die Ableh-
nung des Biosiegels herhalten muss für einen Generalan-
griff auf den Ökolandbau und seine Produkte.
Doch wirklich unsäglich, meine Damen und Herren
von der Opposition, wird Ihr Vorgehen aufgrund der schi-
zophrenen Haltung, die sich hier abzeichnet. Da wird auf
der einen Seite vordergründig eine Lanze für die armen
deutschen Ökobauern gebrochen, die sich nun unzumut-
baren Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas aus-
gesetzt sehen müssen. Auf der anderen Seite sollte der
ökologische Landbau besser gar nicht erst unterstützt
werden, da es sich bei den Erzeugnissen, im Vergleich zu
denen des konventionellen Anbaus, um gesundheits-
schädliche, ja geradezu gefährliche Produkte handeln soll.
Spätestens hier wird das Engagement für den ökologi-
schen Landbau dann doch unglaubwürdig.
Mit dieser Haltung treten Sie die Interessen einer im-
mer größer werdenden Gruppe deutscher Landwirte mit
Füßen. Das sind Betriebe, die erkannt haben, dass den
Zeiten des Wachsens oder Weichens Grenzen gesetzt
sind und die Zukunft der landwirtschaftlichen Erzeugung
in der Qualitäts- statt Massenproduktion liegt. Die BSE-
Krise hat nicht nur den Verbrauchern die Augen geöffnet.
Ich werde deshalb im Folgendem, wohl wissend, dass
die ideologisch motivierten Ablehnungsmechanismen nur
schwer aufzubrechen sind, doch noch mal auf Fragen ein-
gehen, die im Zusammenhang mit dem Gesetz aufgetre-
ten sind. Um nicht weiterhin dem Ochsen ins Horn pet-
zen zu müssen, wende ich mich heute mit meinen
Ausführungen weniger an die Opposition als an diejeni-
gen, die wirklich mit ernsthaftem Interesse zuhören.
Zunächst einmal die vielleicht am häufigsten aufge-
worfene Frage: Gefährdet die Einführung des gesetzli-
chen Kennzeichens auf vergleichsweise niedrigem Ni-
veau der EG-Ökoverordnung das hohe ökologische
Niveau des deutschen Ökolandbaus?
Warum die Entscheidung zugunsten des EG-Ökostan-
dards gefällt wurde, hat unsere Frau Bundesministerin be-
reits eindringlich erläutert. Dennoch möchte ich hierzu
noch etwas ausführen.
Meines Erachtens besteht die Gefahr des Niveau-Dum-
pings für den deutschen Ökostandard nicht. Das neue Bio-
siegel wird keines der bisher bekannten deutschen Öko-
kennzeichen vom Etikett verdrängen. Produziert nach den
Kriterien der AGÖL aber auch nach Bioland, Demeter
oder einem anderen Anbauverband mit diesen Merkma-
len können die Produkte nach wie vor zusätzlich indivi-
duell ausgezeichnet werden. Der Verbraucher soll ent-
scheiden, welchen Produkten er den Vorzug geben will.
Im Übrigen finden sich auch heute schon viele Waren
im Naturkostfachhandel, die nur nach den Kriterien der
EG-Ökoverordnung produziert wurden. Weil die Branche
weiß, dass nur so eine ausreichende Sortimentsbreite ge-
währleistet werden kann, die den Handel mit Ökoproduk-
ten erst wettbewerbsfähig macht. Bisher hat sich noch
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119588
(C)
(D)
(A)
(B)
keiner daran gestört. Den Enthusiasten unter den Öko-
konsumenten bleibt es nach wie vor überlassen, ihre Ware
nach den gewünschten Kriterien auszuwählen.
Es zeigt sich übrigens, dass gerade die Anbauverbände,
die sich im Vergleich zu Konkurrenzverbänden seit jeher
durch eigene höher gesetzte Qualitätsstandards absetzen,
die Befürchtung des Wettbewerbsnachteils nicht teilen.
So ist sich zum Beispiel der Demeter-Verband seines
Kundenstamms auch in Zukunft sicher. Der Demeter-
Kunde weiß, warum er dieser Marke den Vorzug gibt.
Hier wird mit der Kennzeichnung durch das Biosiegel
eher mit einem zusätzlichen Kundenpotenzial gerechnet.
In zahlreichen Gesprächen, die ich in der letzten Zeit
mit unterschiedlichen Vertretern der Naturkostbranche
geführt habe, wurde deutlich, dass der Schritt zur Ein-
führung des staatlichen Biosiegels insgesamt positiv be-
gleitet wird. Viele sehen hierin die richtige Maßnahme,
um dem Ökolandbau und seinen Produkten raus aus der
Nische zu helfen. Diese Äußerungen bestätigen mich
darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die derzeit fest-
gesetzten Kriterien der EG-Ökoverordnung auch noch
nicht der Weisheit letzter Schluss sein sollen. Vielmehr
muss es jetzt unser gemeinsames Bestreben sein, die EG-
Verordnung kontinuierlich um strengere Kriterien zu er-
weitern. Bezüglich dieses Punktes wird ja auch erfreuli-
cherweise ein parteiübergreifendes Interesse deutlich.
Eine weitere Frage, die hier in den letzten Wochen häu-
fig diskutiert wurde, befasst sich mit der Qualität von
Ökolebensmitteln. Die Opposition erwies sich im Ausfin-
digmachen verschiedener Studien zum Thema als sehr
emsig und führt in den Auseinandersetzungen auch immer
wieder die eine oder andere Studie an. Hiernach sollen
Ökoprodukte qualitativ schlechter bewertet, wenn nicht
sogar als gesundheitsschädigend eingestuft worden sein.
Dieser Eifer in allen Ehren, aber meines Wissens
kommt keine der zitierten Studien zu einem solchen ver-
allgemeinernden und konkreten Schluss. Es erschließt
sich mir im Übrigen auch nicht, welches Ziel mit dieser
Kampagne eigentlich verfolgt wird. Soll hier das Fazit
etwa heißen: Öko verbieten statt fördern? Das kann es ja
wohl nicht sein.
Eine höherwertige Qualität von Ökoprodukten lässt
sich nicht ausschließlich an den stofflichen Eigenschaften
des Endprodukts messen. Prozessqualitäten spielen im
Ökolandbau eine große Rolle, stellen wir den Qualitäts-
vergleich mit konventionellen Erzeugnissen an. Dass un-
sere konventionell erzeugten Endprodukte einwandfrei
und für den menschlichen Verzehr ohne Zweifel geeignet
sind, steht außer Frage. Dennoch, wird deutlich, dass ins-
besondere bezogen auf die Produktion von Lebensmitteln
tierischer Herkunft, gerade die Verbraucher, Qualität hier
ganz neu definieren. Ich möchte, dass das Tier, dessen
Fleisch ich verzehre, nicht mehr als nötig leiden muss,
dass es artgerechtes Futter erhält und nicht aufgrund in-
tensiver Haltungsformen auf die unterschiedlichsten Me-
dikamente angewiesen ist. Das macht in den Augen vie-
ler Verbraucher heute die Qualität eines Schnitzels aus
und ich sage Ihnen, diese Gruppe wächst. Meines Erach-
tens ist das die Form von Qualität, die Ökoprodukte zu be-
sonders hochwertigen Lebensmitteln macht.
Heute diskutieren wir über das Öko-Kennzeichenge-
setz. Dennoch möchte ich nicht versäumen noch einmal
darauf hinzuweisen, dass das Biosiegel ein Teil einer Ge-
samtstrategie ist und nur so macht es auch Sinn. Gemäß
des ökologischen Gedankens ist die Einführung des staat-
lichen Ökosiegels eingebettet in einen Rahmen mit ganz-
heitlichem Ansatz. Förderung des Ökolandbaus muss hier
heißen, die Hebel an allen relevanten Stellen anzusetzen,
die zum einen die Erzeugung selbst fördern, andererseits
brauchen wir eine breite Palette flankierender Maßnah-
men, die den Konsum von Ökoprodukten steigern.
Deutlich sichtbar wird dies im Entwurf des BMVEL
zum Bundesprogramm Ökologischer Landbau. Für dieses
Programm werden in den Jahren 2002 und 2003 Mittel in
einer Größenordnung von jeweils knapp 35 Millionen
Euro zur Verfügung gestellt. Die von der Projektgruppe
erarbeiteten notwendigen Maßnahmen widmen sich dem
gesamten Spektrum der Ernährungskette. Angefangen bei
den Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion, über
die Erfassungs- und Verarbeitungseinrichtungen bis hin
zum Handel, der Vermarktung sowie dem wichtigen Feld
der Verbraucherinformation greift das Programm alle re-
levanten Stationen auf.
Noch deutlicher wird der ganzheitliche Ansatz, be-
trachten wir den vom Bundesministerium ausgerufenen
Wettbewerb Regionen aktiv. Im Mittelpunkt der Pla-
nung liegen die Anliegen der Verbraucher. Hiervon aus-
gehend sind alle Aktivposten, auch aus dem konventio-
nellen Bereich sowie umstellungswillige Betriebe einer
Region aufgefordert, gemeinsam für ihr Gebiet ein Kon-
zept zu entwickeln und umzusetzen. Die Ergebnisse aus
den Modellprojekten werden in die Neugestaltung der
Agrarförderung einfließen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, es tut sich was
auf ganzer Linie. Das Konzept des Biosiegels ist in sich
stimmig und in ein stimmiges Gesamtkonzept integriert.
Nicht zuletzt bestätigt werden wir hier auch durch
den Ansatz, den das neue konventionelle Qualitätssiegel
QS der Privatwirtschaft aufweist. So werden bei-
spielsweise auch in dieses Konzept Dokumentations- und
Kontrollpflichten, vergleichbar denen des Biosiegels, im-
plementiert sein. Daraus schlussfolgere ich: Kopiert heißt
akzeptiert!
Das Biosiegel ist eine Chance für die leistungsfähigen
Ökobetriebe in Deutschland und für Umstellungswillige.
Nutzen wir sie.
Matthias Weisheit (SPD): Wo ist wirklich Bio drin
und wie halte ich die verschiedenen Gütezeichen ausei-
nander? Das haben sich bisher die Verbraucher im Laden
fragen müssen. Denn in Deutschland sind mehr als hun-
dert verschiedene Ökosiegel im Umlauf. Hinzu kommt,
dass nur wenige Produkte in Supermärkten erhältlich
sind. Und der Gang zum Bioladen ist für die einen zu weit,
für die anderen mag es sogar ein Ausflug in die kleine,
eingeschworene Gemeinde der Ökos sein, solche Aus-
sprüche habe ich jedenfalls gehört. Unbequem und un-
übersichtlich so ist die Situation, der wir jetzt mit dem
Öko-Kennzeichengesetz abhelfen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19589
(C)
(D)
(A)
(B)
Bio nach EG-Ökoverordnung steht auf dem sechs-
eckigen, grün umrandeten Label, und mit diesem Siegel
kann man beim Einkauf nun sicher sein, dass das Produkt
nach den EU-Standards für Ökolandbau produziert wor-
den ist. Dieses Siegel, über das jetzt einige meckern, es
lege den zu niedrigen EU-Standard zugrunde, verhindert
keine höheren Standards, nein, es fördert das Angebot, es
erweitert die Produktpalette und es wird für den Einzug
von Bioprodukten in die Supermarktregale in großem
Maßstab sorgen. Damit wird ein Konsumentenkreis er-
reicht, der bisher eben nicht in den Bioladen ging, aus
welchen Grünen auch immer. Damit wird der Absatz der
Produkte steigen.
Und nur, wenn der Absatz der Produkte steigt, werden
wir die notwendige Steigerung des Anteils der ökologi-
schen Landwirtschaft auf 20 Prozent bis 2010 erreichen
können. Das Öko-Kennzeichengesetz ist damit ein Teil ei-
nes Gesamtkonzeptes innerhalb der bitter nötigen Neu-
orientierung der Agrarpolitik.
Über die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte und
die Lebensmittelskandale, die Resultat solcher Entwick-
lungen waren, haben wir an dieser Stelle oft genug debat-
tiert. Bei den Verbrauchern hat sich nicht nur Misstrauen
in die bisherige Nahrungsmittelproduktion breit gemacht,
nein, nach meiner Beobachtung ist auch ein neues Ver-
hältnis zum Wert eines Lebensmittels gewachsen, der die
Umstände seiner Produktion mit umfasst. Die Verbrau-
cher sorgen sich nicht nur um ihre Gesundheit. Es wird für
sie immer mehr an Wert gewinnen, ob bei der Erzeugung
eines Produktes auch die Umwelt geschont und für unsere
Kinder und Kindeskinder erhalten wird, und ob ein Tier,
dessen Fleisch wir essen, artgerecht gehalten wurde und
nicht unnötig gelitten hat. Dieser Entwicklung müssen wir
Rechnung tragen und sie fördern. Das Öko-Kennzeichen-
gesetz ist ein großer Schritt, aber eben nur einer von vie-
len, in diese Richtung.
Für alle Beteiligten, die Bauern, die Weiterverarbeiter,
die Politik, die Wissenschaft und natürlich die Verbrau-
cher, gibt es noch viel zu tun: Die Bauern müssen bei der
Umstellung auf Ökolandbau finanziell und mit Beratung
unterstützt werden, die Produkte müssen beworben wer-
den, die Verbraucher über ihre Vorteile informiert werden,
und am Ende der Kette müssen natürlich die Verbraucher
bereit sein, für höhere Qualität auch mehr zu zahlen.
Mit Aufklärung muss gegen das gerade in Deutschland
bei vielen zwiespältige Verhältnis zum Essen und Trinken
angekämpft werden, für das die meisten in der Vergan-
genheit eben nicht bereit waren, mehr Geld als unbedingt
nötig auszugeben. In anderen Konsumzweigen ist das
ganz anders, zum Beispiel bei Bekleidung und Autos
das sind Statussymbole, dafür zahlt man viel Geld.
In einer Zeitung habe ich gelesen, dass das Sensorium
Riechen und Schmecken bei uns unterentwickelt sei, weil
wir dank der Erfindung der Plastikfolie gewöhnt seien, die
Lebensmittel beim Einkauf höchstens anschauen zu dür-
fen. Deshalb sei das Ökosiegel ein Siegel für die unsicht-
baren inneren Werte, für Geschmack, Geruch und für
die Umstände der agrarischen Produktion. Damit sind wir
nun dem wirklichen Wert des Lebensmittels als Mittel
zum Leben und für das Leben so nah wie nie.
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Frau Mi-
nisterin, in einem Punkt begrüße ich ebenso wie Sie die
Einführung eines einheitlichen Bio-Kennzeichens. Es ist
sicher sowohl für dieAnbieter und Vermarkter als auch für
die Käufer von Produkten der alternativen Landwirtschaft
sehr verwirrend, wenn man feststellt, dass es bisher in
Deutschland über 100 verschiedene Biozeichen gibt. Der
Wille zur Vereinheitlichung ist ja nicht neu: Wir erinnern
uns, dass sich dieArbeitsgemeinschaft ökologischer Land-
bau, AGÖL, und die zentrale Marketinggesellschaft der
Deutschen Agrarwirtschaft, CMA, zu Beginn des Jahres
1999 auf die Einführung eines bundeseinheitlichen Prüf-
zeichens für ökologisch erzeugte Produkte geeinigt haben.
Nachdem aber Bioland und Demeter dem Dachverband
den Rücken gekehrt hatten, gab es keine Zukunft für die-
ses Prüfzeichen. Im Nachgang zu BSE war bei den Betei-
ligten dann doch die Bereitschaft da, ein Bio-Kennzeichen
unter staatlicher Obhut einzuführen. So weit, so gut.
Was haben wir aber mit dem Biosiegel wirklich auf
dem Tisch liegen? Ich will es Ihnen sagen: Ein Windei!
Was Sie hier bejubeln, ist nämlich die Demontage der ho-
hen deutschen Ökostandards, weil das Bio-Kennzeichen
bekanntlich auf den niedrigeren EU-Standards beruht. Er-
laubt sind dort die Düngung mit Gülle, Jauche und Geflü-
gelmist; der gleiche Betrieb darf herkömmlich und ökolo-
gisch wirtschaften, der Zukauf von Futter ist unbegrenzt.
Dies ist zwar alles keine Katastrophe, wenn es um die
Nahrungsmittelqualität und -sicherheit an sich geht. Be-
zogen aber auf die hohen Standards, mit denen letztlich
der deutsche Ökolandbau wirbt, ist dies ein Unding. Wie
wollen Sie garantieren, dass nicht die Produkte aus beiden
Anbauformen zusammengemischt werden, wie wollen
Sie die Qualität des Futters im Sinne der Ökovorschriften
garantieren?
Das Schlimmste, was Sie mit Ihrem Bio-Kennzeichen
bewirken, kommt aber jetzt: Ich sage ihnen voraus, dass
der Ökomarkt in Deutschland über kurz oder lang von
Produkten aus dem Ausland, und nicht nur aus der EU, in
starkem Ausmaß beliefert wird. Ich weise hier auf einen
Artikel im Handelsblatt vom 6. November 2001 hin:
Chinas Ökobauern wollen Europas Märkte erobern.
Das wird nicht morgen sein, aber bald. Diese Nationen
werden ihre Ökoprodukte erheblich billiger auf dem deut-
schen Markt anbieten können als unsere Biolandwirte.
Auf diese Weise wird auch der Wunsch der Ministerin in
Erfüllung gehen, dass sich auch die Supermärkte mit Öko-
ware füllen. Die Handelsketten werden sehr genau ge-
wusst haben, warum sie der Aktion Biosiegel beitreten.
Die Ministerin preist das Biosiegel als wichtiges Signal
der Agrarwende und meint, auch in diesem Zusammen-
hang ihre nichts sagende Floskel Klasse statt Masse
verkünden zu müssen. Wen wollen Sie eigentlich mit sol-
chen Sprüchen verdummen? Sie sind auch von Verbänden
des ökologischen Landbaus gewarnt worden; nicht ohne
Grund behalten die bekannten Organisationen ihr bishe-
riges Öko-Kennzeichen bei, um nicht Gefahr zu laufen,
mit diesem Ramsch-Öko-Kennzeichen verwechselt zu
werden.
Mit der vorliegenden Bio-Kennzeichnung wird also
der heimische Ökomarkt mit ausländischer Ware über-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119590
(C)
(D)
(A)
(B)
schwemmt, das Geschäft machen die großen Handelsket-
ten, der Verbraucher wird getäuscht und unsere Ökoland-
wirte als schwächstes Glied in dieser Kette haben das
Nachsehen.
Weil Sie bisher so gut wie nichts an Agrarwende vor-
zuweisen haben, wollen Sie mit dem Biosiegel unbedingt
einen Öffentlichkeitserfolg erzielen. Dafür haben Sie alle
Warnungen in den Wind geschlagen. Wenn Sie allerdings
auf diese Art und Weise Ihr illusionäres Ziel des 20-pro-
zentigen alternativen Landbaus in Deutschland erreichen
wollen, ist dies eine billige Statistikmasche. Was reden
Sie da immer von der regionalen Erzeugung und Ver-
marktung, von den kurzen Wegen, von der Nachverfolg-
barkeit vom Stall bis zur Theke? Diese Ziele bleiben bei
der vorliegenden Form des Bio-Kennzeichens links lie-
gen. Sie hätten besser daran getan, auf europäischer
Ebene auf ein einheitliches Ökozeichen auf hohem Ni-
veau zu dringen und nicht wie jetzt ein ungenügendes
Biosiegel zu präsentieren und dabei gleichzeitig an-
zukündigen, dass hierbei noch Reparaturmaßnahmen not-
wendig sind.
Ich bin einmal gespannt, wie die Durchführungsver-
ordnung aussehen wird. Vergabebestimmungen, Kon-
trolle usw. dies muss alles noch geklärt werden. Wie
können Sie es verantworten, für dieses schlechte Biosie-
gel mit zu niedrigeren Standards in der Öffentlichkeit ei-
nen Werbefeldzug mit Kosten von jährlich fast 15 Milli-
onen DM zu führen? Hier wird doch mit staatlichen
Kosten der Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild vermit-
telt. Ich hoffe nur, dass Sie 2003 damit nicht mehr auf
Tour gehen müssen.
Wie man ein Gütesiegel richtig am Markt platziert, ha-
ben ihnen vor kurzem die Verbände der Futtermittelwirt-
schaft, der Landwirtschaft, des Schlachtgewerbes, der
Verarbeitungsindustrie, des Einzelhandels und die zen-
trale Marketingorganisation der Agrarwirtschaft, CMA,
vorgemacht. Mit deren QS-Qualität- und Sicherheits-
Siegel wird über alle Stufen der Produktionskette durch
Dokumentation und Kontrolle eine transparente Qua-
litätssicherung aufgebaut. Dabei ist durch Weiterentwick-
lung des Prüfkriterienkatalogs als Grundlage des QS-Sys-
tems sichergestellt, dass das Gütesiegel kontinuierlich
neuen Erfordernissen angepasst werden kann. Nur mit
solcher klaren Vorgehensweise kann man das Vertrauen
der Verbraucher gewinnen nicht mit einem undurch-
sichtigen Kennzeichen wie dem Biosiegel, bei dem man-
ches im Dunkeln bleibt. Die Initiative des QS-Siegels
zeigt wieder einmal mehr, dass eine privatwirtschaftliche
Lösung besser ist als eine staatliche Regelung. Mit dem
Gütesiegel hat man auch das sofortige Verbot der antibio-
tischen Futtermittelzusatzstoffe erreicht; bei diesem
Punkt haben Sie, Frau Ministerin, ja bekanntlich in Brüs-
sel versagt, denn auf EU-Ebene sind diese Futtermittelzu-
satzstoffe noch bis 2005 erlaubt.
Ich finde es schon eigenartig und unverfroren, dass Sie
das Gütesiegel der Wirtschaft in der Öffentlichkeit als Ihre
Leistung verkaufen. Ich bitte Sie doch, bei der Wahrheit
zu bleiben.
Die muss ich bei Ihnen auch auf einem anderen Gebiet
anmahnen: Sie haben erst kürzlich wieder bei einer Ver-
anstaltung in Weilheim wie auch an anderer Stelle ge-
sagt, Sie seien Ministerin für 100 Prozent der Landwirte,
und haben auch öfter betont, Sie wollten die Landwirte
nicht spalten. In Ihren Äußerungen in den Medien hört
sich das aber ganz anders an. In Ihrem Interview in der
Zeit behaupten Sie, die Preise für konventionelle Pro-
dukte seien schon deshalb nicht ehrlich, weil sich in ihnen
die Kosten der Wasserverseuchung durch Gülle nicht nie-
derschlagen. In Ihrem Interview mit Greenpeace dro-
hen Sie, die Bauern, die weitermachen wie bisher, mit
Karacho an die Wand laufen zu lassen. Solche Aussagen
sind eine bodenlose Unverschämtheit. Natürlich treiben
Sie, wo Sie nur können, einen Keil in die Landwirtschaft,
indem Sie immer wieder die Nahrungsmittelprodukte aus
der modernen Landwirtschaft schlechtreden und beim
Verbraucher Unsicherheit erzeugen wollen. Das ist einer
Ministerin, die für die gesamte Landwirtschaft Verant-
wortung trägt, unwürdig.
Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Endlich
ist es da: Ein einheitliches Biosiegel für alle Produkte aus
ökologischem Anbau. Für die Verbraucherinnen und Ver-
braucher ist dies ein großer Schritt. Denn das Siegel be-
deutet Sicherheit und Transparenz. Alle Bioprodukte, egal
ob im Supermarkt oder im Naturkosthandel, werden in
Zukunft an dem einheitlichen Biosiegel zu erkennen sein.
Die Einhaltung der Kriterien für das Biosiegel wird von
den zugelassenen Kontrollstellen in den Bundesländern
kontrolliert. Die Verbraucher werden so vor Missbrauch
geschützt: Wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin. Das
Siegel garantiert unter anderem dafür, dass auf den Ein-
satz von Pestiziden und chemisch-synthetischen Dünger
verzichtet wird, keine Gentechnik verwendet wird, keine
Antibiotika oder Leistungsförderer im Tierfutter sind, die
Tiere artgerecht gehalten werden, die Tierhaltung flächen-
gebunden ist.
Renate Künast hat sich mit allen beteiligten Gruppen
des Lebensmittelhandels, der Ernährungsindustrie, der
Ökoanbauverbände und des Bauernverbands auf das neue
Biosiegel geeinigt. Das heißt: Alle machen mit, sowohl
die Ökolandbauverbände, die ihre Produkte bisher
hauptsächlich in Naturkostläden angeboten haben, als
auch Supermarktketten. Das Biosiegel kann von allen An-
bietern, die nach dem Standard der EU-Ökoverordnung
Lebensmittel herstellen, kostenlos genutzt werden. So
wird durch einen einheitlichen, EU-weiten Standard ei-
nerseits dafür gesorgt, dass das Angebot an Ökoprodukten
größer wird. Andererseits hilft ein einheitliches Biosiegel,
das den Verbrauchern bekannt und in jedem Laden zu fin-
den ist, die Nachfrage zu erhöhen und den Ökolandbau zu
stärken. Damit sind wir unserem Ziel, in 10 Jahren eine
Ausweitung des Ökolandbaus auf 20 Prozent der land-
wirtschaftlichen Fläche zu erreichen, einen großen Schritt
näher gekommen.
Seit November letzten Jahres ist die Nachfrage um circa
30 Prozent, bei einzelnen Produkten sogar um 50 Prozent
gestiegen. Durch die Einführung des Biosiegels wird
dieser Trend verstärkt werden. Denn Erfahrungen in
anderen Ländern zeigen, dass ein einheitliches Kennzei-
chen für Ökoprodukte zu einer höheren Nachfrage und
dadurch auch zu Zuwachsraten im Ökolandbau führt. Die
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19591
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Vorreiterländer in Sachen Ökolandbau, beispielsweise
Dänemark und Schweden, verfügen über gut bekannte
Ökosiegel. Voraussetzung für den Erfolg eines einheitli-
chen Kennzeichens ist, dass das Zeichen den Verbrauche-
rinnen bekannt ist. Dafür wird eine breit angelegte Infor-
mationskampagne des Verbraucherministeriums sorgen.
Wir wollen, dass sich die EU-Ökoverordnung in Zu-
kunft stärker an den weiter gehenden Standards der Öko-
anbauverbände orientiert. Daher werden wir weiterhin da-
ran arbeiten, die Richtlinien für den Ökolandbau auf
europäischer Ebene zu verbessern.
Marita Sehn (FDP): Das Biosiegel soll Einheitlich-
keit, Klarheit und Orientierung schaffen: Wo Öko
draufsteht, soll auch Öko drin sein! Aber hält das Bio-
siegel wirklich, was Frau Künast uns verspricht?
Einer Umfrage der Universität Kiel zufolge verstehen
die Verbraucher unter Bio vor allem: gesund, unge-
spritzt, kein Kunstdüngereinsatz und kontrollierter An-
bau. Nur wenn diese Erwartungen erfüllt werden, werden
die Verbraucher auch bereit sein, für Bioprodukte mehr
Geld auszugeben. Aber werden diese Erwartungen denn
auch erfüllt?
Lesen Sie sich einmal die Anhänge zur EG-Ökover-
ordnung durch. Sie werden schnell sehen, wie weit das
Verständnis der Verbraucher und das der EG über das, was
Öko ist, auseinander gehen.
Glauben Sie denn, dass die Verbraucher es in Ordnung
finden, dass im ökologischen Landbau eine ganze Reihe
von Insektiziden und Fungiziden eingesetzt werden dür-
fen? Glauben Sie denn, dass die Verbraucher es in Ord-
nung finden, dass auf ökologisch bewirtschafteten
Flächen Gülle aus anderen Betrieben ausgebracht werden
darf? Bis zum März 2002 dürfen Flächen für den ökolo-
gischen Landbau sogar noch zur Entsorgung der Bioton-
nenabfälle genutzt werden.
Sie treiben ein sehr riskantes Spiel mit dem Verbrau-
cher. Für die Profilierungsgelüste einer Ministerin setzen
Sie bereitwillig die Glaubwürdigkeit der ökologischen
Landwirtschaft aufs Spiel. Sie zerstören damit nicht nur
das Vertrauen der Verbraucher in den ökologischen Land-
bau, sondern auch in die Politik. Denn es ist Frau Künast,
die dem Ganzen ihren Öko-Segen gegeben hat.
Die Bundesregierung kennt selber die Schwächen der
EG-Ökoverordnung. Sie will deshalb auch auf EU-Ebene
auf eine Überarbeitung der Richtlinie drängen. Das ist
wichtig und richtig und findet die uneingeschränkte Un-
terstützung der FDP.
Ein auf europäischer Ebene abgestimmtes Vorgehen
anstelle von wirtschaftsfeindlichen, nationalen Alleingän-
gen hat die FDP schon immer gefordert. Wir wollen dies,
aber nicht nur bei der EG-Ökoverordnung, sondern auch
in anderen Bereichen, zum Beispiel im Umwelt- und im
Pflanzenschutz.
Wenn man alte Hüte aus dem Schrank holt, dann sollte
man sie abstauben, bevor man sie aufsetzt . Die EG-Öko-
verordnung für den Pflanzenbau gibt es bereits seit 1991.
Damit hätte die Bundesregierung Zeit gehabt, auf sub-
stanzielle Änderungen hinzuwirken, bevor sie sich mit ei-
nem Biosiegel aus dem Fenster lehnt.
Frau Künast strickt ihre Gesetze und Verordnungen mit
so heißer Nadel, dass sie sich noch die Finger daran ver-
brennen wird.
Das Biosiegel krankt aus Sicht der FDP auch noch an
einem ganz anderen Punkt. Während das von dem Bau-
ernverband vorgestellte Gütesiegel QS gemeinsam mit
dem Lebensmittelhandel und der lndustrie konzipiert und
realisiert wurde, ist das Biosiegel ein vom Staat verord-
netes.
Das QS-Gütesiegel ist von unten nach oben konzipiert
und umgesetzt worden, während das Biosiegel von oben
nach unten verordnet wird. Und das Schönste dabei ist:
Die Bundesregierung wird nicht einmal das Logo malen
müssen. Das QS-Gütesiegel gewährleistet eine gläserne
Produktion vom Acker bis zur Ladentheke. Es garantiert
eine lückenlose Dokumentation über die gesamte Pro-
duktionskette. Es garantiert das, was das Biosiegel nicht
kann. Es schafft Einheitlichkeit, Klarheit und Orientie-
rung: Wo Qualität draufsteht,ist auch Qualität drin ge-
nau das, was mit dem Biosiegel erreicht werden sollte und
nicht erreicht wird.
Der ökologische Landbau in Deutschland hat zu Recht
ein gutes Image und genießt ein hohes Ansehen. Dies ist
für die Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung ein ganz
wesentlicher Aspekt. Genau diese Glaubwürdigkeit ge-
fährdet das Biosiegel. Denn wo Bio draufsteht, da kann
alles mögliche drin sein.
Eines wird dabei sehr schnell klar: Das Biosiegel ist
kontraproduktiv. Es ist kontraproduktiv für die ökolo-
gisch wirtschaftenden Betriebe in Deutschland, weil es
ausländische Importe fördert und den hohen deutschen
Standard unterhöhlt. Es ist kontraproduktiv für den Na-
turkosthandel, weil es in erster Linie darauf abzielt, Bio-
lebensmittel zu einem Massenartikel zu machen. Die
Konzentrationswelle, die den traditionellen Lebensmit-
teleinzelhandel erfasst hat, wird nun auch noch den Na-
turkosthandel überrollen. Es ist kontraproduktiv für die
Verbraucher: denn die Bestimmungen in der EG-Ökover-
ordnung öffnen Missbrauch Tür und Tor.
Vielleicht ist es nicht nur Zufall, wenn die ersten Pro-
dukte, die mit dem Biosiegel ausgezeichnet sind, aus dem
Ausland stammen und im Supermarkt verkauft werden.
Vielleicht ist das der Beginn der Agrarwende im Öko-
landbau. Masse statt Klasse und regional ist zweite Wahl!
Hoffentlich stoßen Ihnen diese biobesiegelten Karot-
ten, für 1,79 DM das Kilo und aus österreichischen Lan-
den frisch auf den deutschen Tisch, nicht noch unange-
nehm auf, Frau Künast.
Kersten Naumann (PDS): Die Politik hat oft das Pro-
blem, dass das Leben sie einholt. Ich denke, mit dem Öko-
siegel ist dies schon passiert, denn man kann jetzt schon
biologische Nahrungsmittel mit diesem Siegel kaufen.
Die PDS-Fraktion unterstützt die Einführung und Ver-
wendung des Ökosiegels. Und dafür haben wir gute
Gründe. In der jüngsten Vergangenheit mussten wir erle-
ben, wie schnell das Vertrauen unserer Bevölkerung ge-
rade in die landwirtschaftlichen Produkte schwinden
kann. Die Verbraucher sind verunsichert und viele Be-
triebe der Agrarwirtschaft wurden an den Rand ihrer öko-
nomischen Existenz gedrückt.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119592
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Die größere Transparenz in Form des neuen Biosiegels
ist ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen der Verbrau-
cher wieder zu gewinnen. Mit der klaren und eindeutigen
Kennzeichnung der Produkte kann der mündige Verbrau-
cher entscheiden, ob er Erzeugnisse aus der ökologischen
oder aus der konventionellen Landwirtschaft kaufen
möchte. Er kann damit nachvollziehen, welche Nah-
rungsmittel aus einer nachhaltigen Produktionsweise
kommen, bei denen eine natürliche Ernährung, schonen-
der Umgang mit den Ressourcen, der Erhalt der biologi-
schen Vielfalt, artgerechte Tierhaltung und regionale
Kreisläufe stärker beachtet werden und die frei sind von
gentechnischen Manipulationen.
Die Verwendung der EU-Standards für das Ökoprüf-
siegel als Einstieg ist richtig. Und doch kann es nur ein
erster Schritt sein.
Das neue Biosiegel ist für die Verbraucher eine Hilfe-
stellung, denn die bisherige Vielzahl der Bezeichnungen
und Kennzeichen ist nicht zu überschauen und kaum ge-
eignet, Vertrauen zu erzeugen.
Die neue Kennzeichnung schafft Klarheit und ermög-
licht die weitere Verwendung der strengeren Verordnun-
gen der einzelnen Verbände des ökologischen Landbaus.
Die Individualität und Regionalität bleibt dadurch erhal-
ten und stärkt die Mitglieder der AGÖL.
Nun können die Verbraucher mit dem gezielten Kauf
von Bio-Produkten ihren direkten Beitrag zur Neuorien-
tierung der Landwirtschaft leisten. Die steigende Nach-
frage nach Ökoprodukten in den letzten Monaten ist der
Beweis dafür, dass die Verbraucher diesen Weg bewusst
unterstützen. Das einheitliche Ökosiegel schafft bei den
Verbrauchern europaweit Klarheit und Sicherheit. Die
Kennzeichnung der Produkte durch ein übergreifendes
Siegel ermöglicht auch eine Marketingstrategie, die den
Bekanntheitsgrad aller ökologischen Erzeugnisse erhöht
und die durch die Kunden besser wahrgenommen werden
kann.
Die Bundesregierung sollte sich aber auf keinen Fall
den Bedenken des Bundesrates verschließen, der sie auf-
fordert, bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken,
die Schwachstellen der EG-Ökoverordnung hinsichtlich
möglicher Wettbewerbsnachteile rasch zu beseitigen.
Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Agrarwende
steht unter dem Motto Klasse statt Masse. Was künftig
mit dem Biosiegel gekennzeichnet wird, ist Klasse. Und
der Verbraucher kann es dank des Biosiegels auch sofort
sehen.
Produkte mit diesem Zeichen stammen aus einer Land-
wirtschaft, die weitgehend auf Chemie beim Pflanzen-
schutz und mineralische Stickstoffdünger verzichtet und
die Tiere artgerecht hält. Sie stammen aus einer Land-
wirtschaft, die unsere natürlichen Ressourcen schützt und
schont, die auf Kreislaufwirtschaft mit möglichst
geschlossenen Nährstoffzyklen ausgerichtet ist und die
last not least auf Gentechnik verzichtet.
Das Biosiegel hilft, Biolebensmittel schnell und ein-
deutig von anderen zu unterscheiden. Und es unterstützt
den Weg für ein Umdenken der Verbraucher: ein Umden-
ken, das nicht nur auf den Preis setzt, sondern auf Qua-
lität.
Auch frühere Bundesregierungen wollten die Kenn-
zeichnung von Ökolebensmitteln und haben entspre-
chende Initiativen unterstützt. Das Ergebnis ist bekannt.
Das Ökoprüfsiegel war ein Misserfolg. Ein wichtiger
Grund: Es wurde versäumt, den Handel ins Boot zu holen.
Genau dafür haben wir vorgesorgt. Auch der Handel baut
auf das Biosiegel, weil er sich davon neue Marktchancen
verspricht. Damit ist der Weg frei, dass ökologische Pro-
dukte den Weg finden raus aus der Nische und rein in die
Regale der Supermärkte, wo 80 Prozent aller Lebensmit-
tel gekauft werden.
Im Handel gibt es derzeit über 100 verschiedene
Ökozeichen. Ihre Aussagekraft ist für Verbraucherinnen
und Verbraucher oft nur schwer zu durchschauen.
Welches Zeichen steht wofür? Sind die Produkte ihren
höheren Preis wert? Ist wirklich immer Öko drin, wo
Öko draufsteht? Was bedeutet ,,kontrollierter Anbau
oder Vertragsanbau? Dieses verbraucherunfreundliche
Dickicht wird mit dem Biosiegel ein Ende haben.
Eine eindeutige und vertrauenswürdige Kennzeich-
nung von Ökoprodukten schafft dreierlei: mehr Transpa-
renz für die Verbraucher, eine entscheidende Verbesse-
rung der Absatzchancen ökologischer Produkte und
zugleich Anreize für Landwirte, Ökolandbau zu betrei-
ben. Damit ist das Biosiegel neben der verbesserten
Strukturförderung und neben dem Bundesprogramm
Ökolandbau, das zurzeit in Vorbereitung ist ein ent-
scheidender Schritt auf dem Weg zum Ziel, den Flä-
chenanteil des Ökolandbaus in 10 Jahren auf 20 Prozent
zu steigern.
Seit dem 5. September haben wir bereits 200 Zusagen
von Unternehmen, die das Biosiegel schnellstmöglich für
ihre Produkte verwenden wollen. Und täglich kommen
neue hinzu. Dies ist ein eindeutiger Vertrauensbeweis.
Wir sind auf dem richtigen Weg.
Die Opposition kritisiert, dass dem Biosiegel der Stan-
dard der EG-Ökoverordnung zugrunde liegt. Dazu Fol-
gendes: Erstens. Beim Biosiegel muss auch das Gemein-
schaftsrecht beachtet werden. Und dies lässt ein
staatliches Zeichen, das über den Standard der EG-Öko-
verordnung hinausgeht, nicht zu. Denn dies würde fak-
tisch eine Beschränkung des freien innengemeinschaftli-
chen Warenverkehrs bedeuten.
Zweitens. Es gibt keinen Grund, den Standard der EG-
Ökoverordnung schlecht zu reden. Er bindet Erzeugung,
Aufbereitung und Kennzeichnung von ökologischen Pro-
dukten an strenge Voraussetzungen. Ungeachtet dessen
werden wir in Brüssel ein Memorandum mit Forderungen
für Verbesserungen der EG-Ökoverordnung vorlegen.
Wir wollen unter anderem, dass eine Anerkennung als
Ökobetrieb nur noch dann möglich ist, wenn der gesamte
Betrieb auf Öko umgestellt hat.
Drittens. Die Nutzung des Biosiegels ist freiwillig. Wer
wie bisher auf das Erreichen darüber hinausgehender
Standards oder auf eine besondere regionale Herkunft ei-
nes Produkts hinweisen will, kann das unabhängig von
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19593
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der Verwendung des neuen Biosiegels auch künftig tun.
Das Biosiegel ermöglicht also weiterhin Qualitätswett-
bewerb.
Richtig ist, dass Produkte aus Drittländern das Biosie-
gel ebenfalls führen dürfen. Sie dürfen es aber nur, wenn
sie entsprechend dem Standard der EG-Ökoverordnung
erzeugt, aufbereitet, gekennzeichnet und kontrolliert wur-
den. Das Biosiegel liefert Verbraucherinnen und Verbrau-
chern also auch bei Drittlandsprodukten eine ebenso
wichtige wie verlässliche Orientierungshilfe.
Herr Heinrich hat nun beim Biosiegel eine eklatante
Lücke ausgemacht: Im Gegensatz zum neuen konven-
tionellen Prüfzeichen fehle beim Biosiegel die lücken-
lose Dokumentation und Informationskette über den ge-
samten Produktionsprozess bis zum Endverbraucher; so
in einer Pressemitteilung vom 2. November 2001. Schon
eine etwas intensivere Beschäftigung mit diesem Thema
hätte ihn eines Besseren belehrt. Ich will es aber gern er-
klären: In der EU-Ökoverordnung sind nämlich in dieser
Hinsicht schon lange Dinge geregelt, die bei unserem
konventionellen Prüfsiegel erst jetzt angegangen wer-
den. Dazu gehören mindestens jährlich ein garantierter
Check auf Herz und Nieren auf allen Stufen durch unab-
hängige Kontrolleure, und zwar auch bei Importen, und
strenge Sanktionen bei Verstößen. Das Ergebnis ist ein
hohes Maß an Transparenz und Qualität bei der Erzeu-
gung und Herstellung von Lebensmitteln.
Mit dem Biosiegel wird der Biomarkt weiter wachsen,
zum Nutzen der Verbraucher und der Biobauern. Aber ich
betone: Klasse für die Verbraucher und neue Chancen für
die Landwirte wollen wir auch im konventionellen Be-
reich. Deshalb freue ich mich, dass die Wirtschaft meine
Initiative für ein Qualitätszeichen für konventionelle Pro-
dukte aufgegriffen hat, Das Prüfzeichen QS steht, auch
wenn über die Frage der Kriterien noch weitere Ge-
spräche notwendig sind.
Bemerkenswert ist, dass inzwischen auch Herr
Heinrich das Prüfzeichen als überzeugendes und bei-
spielhaftes Konzept für ganz Europa für mehr Sicherheit
und Transparenz lobt. Noch am 22. Mai hat er in einer
Pressemitteilung verlauten lassen, dass er ein Prüfzeichen
für konventionell erzeugte Produkte für überflüssig
hält, unter anderem, weil es die Verbraucher verwirre statt
aufklären. Herzlichen Glückwunsch, Herr Heinrich! Ein-
sicht ist der erste Schritt zur Besserung.
Kennzeichnung und verbrauchergerechte Information
gehören untrennbar zur Agrarwende. Auch für die Land-
wirte ist dieser Weg alternativlos in einer Zeit, in der der
Wettbewerb um Absatzmärkte durch die Osterweiterung
der EU zunimmt, in der die weitere Liberalisierung des
Welthandels auf der Tagesordnung steht und in der staat-
liche Beihilfen nicht mehr als Selbstverständlichkeit an-
gesehen werden.
In dieser Situation kann die Richtung nur lauten, eine
für die Verbraucher erkennbare Qualität Made in Ger-
many zu einem wichtigen Standortvorteil für unsere
Landwirtschaft auszubauen. Das tun wir mit dem Biosie-
gel. Deshalb: Unterstützen Sie unseren Kurs! Stimmen
Sie unserem Gesetzentwurf zu!
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu Än-
derung des Gesetzes zur Sicherheit der Energie-
versorgung bei Gefährdung oder Störung der
Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder
Erdgas (Tagesordnungspunkt 26)
Volker Jung (Düsseldorf) (SPD): Die Bekämpfung
des Terrorismus und die Gefahrenabwehr im Innern sind
ein zu ernstes Anliegen für vordergründige Effekthasche-
rei. Dies gilt ganz besonders für das Thema Sicherstellung
der Energieversorgung in Zeiten der Liberalisierung an-
gesichts terroristischer Bedrohung im eigenen Land.
Denn hier sind Halbheiten und Oberflächlichkeiten fehl
am Platz.
Genau darum aber handelt es sich bei der zur Debatte
stehenden FDP-Vorlage: Ein halb gehörtes Vorzimmer-
gerücht, vor dem Weiterdenken zu Papier gebracht und
mit dem liberalen Schlachtruf ick bünn all hier auf die
Tagesordnung gesetzt. Schade ums Papier, schade um die
Zeit. Denn die Vorlage beschränkt sich darauf, durch ein-
fache Titeländerung das Energiesicherungsgesetz auf
Störungen im Inland anwendbar zu machen, und verzich-
tet auf das notwendige Instrumentarium, das den Staat erst
in die Lage versetzt, seiner nunmehr größer gewordenen
Verantwortung auch nachzukommen.
Doch die Folge daraus zumal in einem liberalisierten
Energiemarkt ist weit weniger trivial. Denn der Staat
müsste den Eintritt des Notfalls feststellen, ohne die not-
wendigen Konsequenzen ziehen und die Anordnungen
treffen zu können. Am Ende müsste er die Rechnung für
die notwendige Reservestromversorgung bezahlen, die
ihm die Energieversorger präsentieren im Klartext fi-
nanzielle Staatshaftung! Und dies ist mit Sicherheit das
Allerletzte, was wir in einer solchen Situation gebrauchen
können.
Was lehrt uns das ? Weder die ernst zu nehmende Neu-
bewertung von terroristischen Angriffen auf Einrichtun-
gen der Strom- und Gaswirtschaft noch die Aufgabe, sol-
chen Ereignissen durch öffentliche Vorsorge die
verheerende Wirkung zu nehmen, sind für die FDP-Op-
position Anreiz genug für ernsthafte politische Arbeit.
Die Aufgabe heißt Sicherung der Energieversorgung
bei Gefährdungslagen im Innern. Sie wird uns in ernst-
hafter Weise und aufgrund einer seriösen Vorlage in der
kommenden Woche im Rahmen des Zweiten Antiterror-
gesetzes beschäftigen. Dem will ich nicht vorgreifen.
Deshalb beschränke ich mich heute auf wenige Grundge-
danken, die uns bei dieser Aufgabe leiten müssen.
Die Versorgungssicherheit gehört zu den Kernzielen
der Energiepolitik und ist nach wie vor eine staatliche
Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge. Auch wenn ihr
Leitbild im Zeichen der Liberalisierung der Märkte und
der europäischen Integration nicht mehr das Autarkieden-
ken festgelegter Versorgungsterritorien, sondern das Op-
portunitätsdenken dynamischer Märkte ist, bleibt die fun-
damentale Bedeutung der Energieversorgung für das
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119594
(C)
(D)
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(B)
öffentliche Leben und die Wirtschaftstätigkeit bestehen.
Dieser Bedeutung ist der bloße Verweis der Nachfrager an
die über Netzbereiche hinweg konkurrierenden Anbieter
der Energie nicht ausreichend angemessen. Denn der
Markt ist eine Veranstaltung auf Gegenseitigkeit, es gibt
dort keine verordnete Zuständigkeit. Bereits im Normal-
fall kann ein Lieferantenausfall die physische Versorgung
des Kunden gefährden. Im Notfall gilt dies erst recht. Es
verbleibt deshalb eine staatliche Sicherstellungs- und Ge-
währleistungspflicht, die im Notfall auf einer territorial
zugeordneten Verantwortung beruht. Dies werden wir in
unserem Gesetz umsetzen.
Die Zuverlässigkeit der Energieversorgungsunterneh-
men ist nach wie vor ein tragendes Prinzip des Energie-
wirtschaftsgesetzes. Vom Kraftwerksbetrieb ich erin-
nere hier an das unverantwortliche Handeln im AKW
Philippsburg II über den Netzbetrieb bis hin zum Kun-
denanschluss müssen die Energieversorgungsunterneh-
men sich ihrer Verantwortung für das hohe Gefährdungs-
potenzial ihrer Anlagen, für die Funktionsfähigkeit ihrer
Netze und Leitungen sowie für die Gewährleistung der
Kundenversorgung, bewusst sein. Dies setzt auch be-
triebswirtschaftlichen Kostenoptimierungen die wir be-
sonders im Netzbereich aufmerksam verfolgen Gren-
zen. Im Übrigen verlangt sie eine wesentlich striktere
unternehmensinterne Kontrolle, als wir sie zurzeit leider
in manchem Atomkraftwerk antreffen.
Es gilt festzuhalten: Die Aufgabenverteilung zwischen
privatwirtschaftlichem Normalfall und vom Staat sicher-
zustellendem Notfall kann nur gelingen, wenn das Zuver-
lässigkeitskriterium hinreichend erfüllt ist. Dessen müs-
sen sich alle Beteiligten bewusst sein. Denn dies ist
letztlich die Grundlage für das im Energiesicherungsge-
setz niedergelegte Subsidiaritätsprinzip, nach dem sich
der Staat bei seinem Notfalleingriff auf das unerlässliche
Mindestmaß beschränkt.
Die Marktverträglichkeit ist im Zeichen der Liberali-
sierung eine schwerwiegende Anforderung an unser Han-
deln auch bei der Gefahrenabwehr. Das erwähnte Subsi-
diaritätsprinzip verlangt vom Staat den Rückzug auf seine
ureigenen Aufgaben und die Beschränkung auf die dafür
unerlässlichen Mittel und Wege. Dies setzt nicht nur die
eben erwähnte Zuverlässigkeit der Unternehmen, sondern
auch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf allen
Ebenen voraus. Eine marktverträglich sichere Energie-
versorgung bedeutet deshalb, dass die energiewirtschaft-
liche Versorgungskette möglichst dezentral und ver-
brauchsnah organisiert ist, sodass sich ihre Anfälligkeit
für Störungen aller Art auf ein Mindestmaß beschränkt.
Stand beim Energiesicherungsgesetz 1975 noch die natio-
nal begrenzte Reduzierung von Lieferabhängigkeiten
Pate, so muss uns heute die Begrenzung von Opportu-
nitätskosten leiten. Daraus folgt einmal mehr, dass wir un-
sere Energieversorgung verstärkt dezentral und ver-
brauchsnah organisieren müssen. Auf diese Weise lässt
sich die Notfallvorsorge wirklich auf ein Mindestmaß be-
schränken und ihre Eingriffsschwelle wirksam erhöhen.
Genau dies ist Ziel unserer Politik.
Die Prämisse eines funktionierenden Wettbewerbs auf
dem Energiemarkt ist ein reichhaltiges und preiswürdiges
Angebot, aus dem sich die Nachfrager in freier Wahl be-
dienen können. Die Prämisse einer sicheren Energiever-
sorgung ist, dass die Nachfrager ihrer Belieferung gewiss
sind. Beides unter marktwirtschaftlichem und europä-
ischem Leitbild zur Deckung zu bringen ist die Aufgabe
unserer an Freiheit, Verantwortung und Vorsorge orien-
tierten Energiepolitik. Sie soll mit ihrer langfristigen Aus-
richtung auf erneuerbare Energiequellen, ressourcenscho-
nende und hoch effiziente Erzeugung und Verteilung
sowie auf sparsamen Verbrauch Notfälle und Engpässe
bereits im Normalbetrieb beherrschbar machen.
Werner Labsch (SPD): Die FDP fordert eine Ände-
rung des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung
bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl,
Erdölerzeugnissen oder Erdgas. Sie begründet diese For-
derung mit den Terroranschlägen von New York und Was-
hington. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren,
dass die Geschehnisse vom 11. September, die wir alle als
Katastrophe begreifen, nunmehr für viele Initiativen her-
halten müssen. Panikmache war schon immer ein schlech-
ter Ratgeber und bringt Deutschland keinen Schritt voran.
Richtig ist, dass das Bewusstsein dafür geschärft wird,
dass eine auf die Zukunft gerichtete Energiepolitik die
Versorgung zu jeder Zeit sichern muss. Ich bezweifle
aber, dass wir diesem Ziel einer zukunftsorientierten En-
ergievorsorge mit Ihrer staatlichen Vorratshaltungsver-
ordnung näher kommen werden. Gleichwohl halte ich es
für erforderlich, die Diskussion über eine deutsche bzw.
europäische Energievorsorge zu eröffnen. Die deutsche
Energiewirtschaft war, ist und muss weiterhin ein zuver-
lässiger und stabiler Partner von Industrie, Gewerbe und
Haushalt bleiben. Die bisherige, konsensgefasste Versor-
gungsstrategie bestand aus einem drittelteiligen Energie-
mix, nämlich Kernenergie, Kohle (Stein- und Braun-
kohle) sowie Gas und Öl. Die Energieerzeugung aus
Kernenergie wird durch eine planmäßige Außerbe-
triebsetzung der AKWs schrittweise bis 2020 zurückge-
fahren. Vernünftigerweise haben wir in der Phase des En-
ergieüberangebotes und unter dem Zwang der Senkung
von Schadstoffemissionen, zielgerichtet Forschung und
Markteinführung der regenerativen Energieerzeugung be-
trieben. Wir haben damit ein weltweit führendes Know-
how und marktfähige Produkte geschaffen. Als Substitu-
tionsmenge für die stillzulegenden Atomkraftwerke ist
das natürlich zu wenig, da sie nur zu einem Drittel ver-
fügbar sind. Auf die umweltpolitischen Aspekte werde ich
an dieser Stelle nicht eingehen. Obwohl Kapazitätsreser-
ven vorhanden sind, und Energiesparmaßnahmen den in-
dividuellen Bedarf reduzieren, steigt der allgemeine
Energiebedarf weiter. Der Trend, ersatzweise die Primär-
energieträger Öl und Gas zu importieren und gemäß Ihres
Antrages, werte Kollegen von der FDP, zu bevorraten,
führt weiter in die Abhängigkeit bis hin zur politischen Er-
pressbarkeit. Es bedarf dazu nicht erst terroristischer An-
griffe auf Tanker und Pipelines. Gas und ÖI wird immer
teurer, weil sie am Weltmarkt knapper werden sie sind
schwerer zu haben und werden zu einer wirtschaftspoliti-
schen Waffe werden. Deutschland und Europa verfügen
über ausreichende abbauwürdige Kohlevorkommen.
Deutschland sowohl Politik als auch Wirtschaft muss
Schritte einleiten, wonach durch Forschung und Entwick-
lung beim Umwandlungsprozess von Primärenergie in
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19595
(C)
(D)
(A)
(B)
Strom und Wärme verbesserte Wirkungsgrade erreicht
werden und dann beginnen, Altkraftwerke durch moderne
Neuanlagen zu ersetzen. Weiterhin sind die Entwicklun-
gen zur Marktfähigkeit effizienter erneuerbarer Energie-
quellen, wie Brennstoffzelle und andere, fortzuführen.
Darin besteht die alternative deutsch-europäische Ener-
gieversorgungspolitik für die Zukunft. Wir lehnen Ihren
Gesetzentwurf ab.
Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Die ständige und si-
chere Verfügbarkeit von Energie ist ein zentrales Element
einer funktionierenden Volkswirtschaft. In sensiblen Be-
reichen geht es zum Beispiel darum, Strom rund um die
Uhr zur Verfügung zu haben. Das Energiesicherungsge-
setz ist die Reaktion der Bundesrepublik Deutschland auf
die krisenhafte Situation der 70er-Jahre, die die zentrale
Aufgabe des Staates im Bereich einer umfassenden Si-
cherheitsvorsorge verdeutlicht hat.
Gerade vor dem Hintergrund des großen Beitrages der
fossilen Energieträger, wie Erdöl und Erdgas, zu unserer
Energieversorgung lassen sich jedoch Engpässe im Zu-
gang, die sich zumindest über einen Anstieg im Preis-
niveau manifestieren, nicht völlig ausschließen. Das
Energiesicherungsgesetz trug und trägt also den Erfah-
rungen mit einem solchen Engpass Rechnung.
Die terroristischen Anschläge vorn 11. September
2001 in New York und Washington D.C. haben uns eine
neue Facette der Gefährdung der Versorgung deutlich vor
Augen geführt. Die freiheitlichen Industriegesellschaften
sind vor der Gefahr der Störung der Energieversorgung
leider nicht völlig gefeit. Die Wochen nach den schreck-
lichen Ereignissen in den USA haben nichtsdestotrotz
gezeigt, dass eine Beeinträchtigung der Einfuhr von
Energieträgern bzw. Erdölerzeugnissen bisher nicht statt-
gefunden hat.
Angesichts der menschenverachtenden Dimension der
Anschläge in den USA sind jedoch auch Einschränkungen
der Energieversorgung im Inneren, etwa im Bereich der
Infrastruktur oder des Kraftwerkparkes, wenn auch nicht
wahrscheinlich, so doch wenigstens nicht mehr undenk-
bar. Der heute zu beratende Gesetzesentwurf der FDP-
Fraktion zielt insofern folgerichtig auf eine Erweiterung
des Energiesicherungsgesetzes im Sinne einer Anwend-
barkeit auch bei Störungen, deren Ursachen im Inneren
liegen. In diesem Fall müsste der Staat seiner Verantwor-
tung ebenso unzweifelhaft nachkommen wie bei äußerer
Bedrohung.
Wie in der Begründung zu Recht angeführt wird, muss
auch weiterhin die Bedingung für das Einschreiten des
Staates bestehen bleiben, dass die Anwendbarkeit des Ge-
setzes durch Rechtsverordnung erst möglich ist, wenn die
Gefährdung oder die Störung der Energieversorgung
durch marktgerechte Maßnahmen gar nicht, nicht recht-
zeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu behe-
ben ist.
Dem Gesetzentwurf liegt ein klarer Anlass zugrunde.
Er kommt zu der richtigen Analyse einer bisherigen
Lücke im geltenden Recht und zieht die logischen Kon-
sequenzen daraus. Der Gesetzesentwurf findet die Unter-
stützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Michaele Hustedt (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN):
Der Antrag der FDP zeigt wieder einmal eines: wie leicht
man es sich in der Opposition machen kann. Anstatt ein
vernünftiges Konzept vorzulegen, wird hier nur eine sim-
ple Änderung des Energiesicherungsgesetzes vorgeschla-
gen. Das ist zu wenig.
Seit dem 11. September hat die Bedrohung durch den
Terrorismus eine neue Qualität. Terroristen sind bereit,
unter Einsatz ihres Lebens Angriffe gegen die Zivilbevöl-
kerung durchzuführen. Einen absoluten Schutz gegen Ter-
roranschläge kann es nicht geben, aber es muss alles ge-
tan werden, um die Bevölkerung so gut wie möglich vor
denkbaren Risiken zu bewahren.
Die neue Dimension der Bedrohung wirft Fragen hin-
sichtlich der Anfälligkeit unserer gesamten Energie-
versorgung auf. Das gilt für die gesamte Infrastruktur
unseres Energieversorgungssystems. Die Strom- und
Gasversorgung kann leicht unterbrochen werden, mit al-
len wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Dies gilt
aber auch für die Nutzung der Atomenergie: Wenn Terro-
risten bereit sind, Flugzeuge zu Bomben umzufunktionie-
ren, um damit Tausende von Menschen zu töten, dann ist
es ebenso vorstellbar, dass sie Anschläge auf Atomkraft-
werke verüben.
Aber da muss sich die FDP die Frage gefallen lassen:
Wenn Sie die Energieversorgung in Deutschland gefähr-
det sehen, warum setzen Sie immer noch auf die größte
Gefahr unter den Stromerzeugern, die Atomenergie? Der
Ausstieg aus der Atomenergie wird die Sicherheit in
Deutschland erhöhen. Diese Erkenntnis haben wir nicht
erst seit dem 11. September. Es ist aber erstaunlich, dass
Sie sich selbst heute dieser Erkenntnis verschließen.
Das Bundesumweltministerium hat bereits am 11. Sep-
tember Sofortmaßnahmen ergriffen. Unter anderem
wurde die Reaktor-Sicherheitskommission beauftragt, zu
prüfen, inwieweit deutsche AKWs gegen gezielten Ab-
sturz von Großflugzeugen ausgelegt sind und welche
kurzfristigen Möglichkeiten zur Verringerung des Scha-
densausmaßes bestehen. Die ersten Ergebnisse liegen nun
vor: Die deutschen Atomkraftwerke sind in unterschied-
lichem Maß gegen Flugzeugabstürze geschützt. Eine
nicht unerhebliche Zahl vor allem älterer Atomkraftwerke
ist nicht bzw. unzureichend gegen Flugzeugabstürze gesi-
chert. Auch die AKWs neuerer Bauart könnten einem An-
griff der Größenordnung von New York und Washington
sehr wahrscheinlich nicht standhalten.
Die Untersuchungsergebnisse machen zudem deutlich,
dass es erheblichen Nachholbedarf für weitere Analysen
gibt. Das gilt sowohl für die Frage des derzeitigen Schutz-
niveaus von Atomanlagen gegenüber terroristischen An-
schlägen als auch für die Möglichkeit der Erhöhung der
Sicherheit der Anlagen durch bauliche und technische
Maßnahmen. Deshalb hat das BMU weitere Untersu-
chungsaufträge vergeben. Diese Untersuchungen gilt es
abzuwarten.
Der Ausstieg aus der Atomenergie ist der einzig rich-
tige Weg zu mehr Sicherheit. Deshalb wäre es grund-
falsch, den Atomkonsens jetzt einseitig aufzukündigen.
Deutschland ist das Land der Welt, welches am schnells-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119596
(C)
(D)
(A)
(B)
ten aus der Atomkraft aussteigt. Wenn wir jetzt nicht zü-
gig die Novellierung des Atomgesetzes vorantreiben,
werden wir am Ende der Legislaturperiode mit leeren
Händen dastehen. Dennoch drängen wir darauf, dass äl-
tere und weniger sichere Atommeiler vorzeitig abge-
schaltet werden. Dies ist mit dem neuen Ausstiegsgesetz
möglich und macht Sinn: Jedes abgeschaltete AKW führt
zu mehr Sicherheit.
Auch unsere Gas- und Stromversorgung macht uns an-
greifbar. Es reichen schon einige gezielte Terrorakte an
den Knotenpunkten, um ganz Deutschland oder zumin-
dest große Teile Deutschlands von Gas- und Stromliefe-
rungen zeitweise abzuschneiden. Die zunehmende Im-
portabhängigkeit von Gaslieferungen stellt sich ebenfalls
als Problem dar Gas kann bislang hauptsächlich nur aus
Norwegen und Russland bezogen werden.
Eine ähnliche Situation besteht seit langem bei der Öl-
versorgung. Der Ölpreis hängt vor allem von den Ent-
wicklungen der Krisenregion im Nahen Osten ab. Wir
hängen am Tropf. Unsere Wirtschaft und unsere Mobilität
ist abhängig vom Frieden im Nahen Osten.
Für alle diese Probleme gibt es keine schnelle Lösung,
keine absolute Sicherheit. Aber es ist möglich, Risiken
deutlich zu mindern. Die Bedrohungsszenarien offenba-
ren, dass die Zukunft einer sicheren Energieversorgung in
kleinen, dezentralen Strukturen liegt. Das macht sie we-
niger anfällig für Terroranschläge und Katastrophen und
steigert obendrein Innovation, Effizienz und Umweltver-
träglichkeit. Auf Sonne und Wind lassen sich keine An-
schläge verüben. Energie sparen und solare Energien sind
damit auch der Schlüssel zu mehr Versorgungssicherheit.
An die Stelle zentraler und starrer Infrastruktur müssen
zunehmend dezentrale, flexible, fehler- und eingriffstole-
rante Strukturen treten.
Wir befinden uns mit unserer Energiewende hier auf
dem richtigen Pfad, aber: Die Entwicklung von einer zen-
tralistischen zu einer dezentralen und solaren Energie-
wirtschaft muss jetzt noch mehr beschleunigt werden. Die
bündnisgrüne Regierungspolitik ist deshalb gleicher-
maßen auf die Förderung der Energieeinsparung, auf
Energieeffizienz und auf den Ausbau der erneuerbaren
Energien ausgerichtet. Unser Ziel ist es, den Anteil der er-
neuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis zum
Jahre 2010 mindestens zu verdoppeln und die Brennstoff-
zelle im KWK-Gesetz besonders zu fördern.
Es bleibt dabei: Auf den Klimawandel, auf die Frage
der Sicherheit und auf die Endlichkeit der fossilen Res-
sourcen gibt es nur drei richtige Antworten: Dezentrale
Versorgungsstruktur, Energieeinsparung und die Umstel-
lung auf erneuerbare Energien. Denn solare Energie ist
weltweit unbegrenzt vorhanden. Das 21. Jahrhundert wird
das Jahrhundert der erneuerbaren Energien sein.
Walter Hirche (FDP): Energie ist der Lebenssaft
einer dynamischen Wirtschaft. Deshalb ist als Teil der
Terrorismusbekämpfung auch dringlich Vorsorge zur Si-
cherung der Energieversorgung geboten. Mit dem Geset-
zesvorschlag der FDP soll die Beschränkung der Geltung
des Energiesicherungsgesetzes auf Einfuhrstörungen auf-
gehoben werden.
Die Regelung, die das Kabinett vor zwei Tagen im Rah-
men des Antiterrorpakets verabschiedet hat, formuliert in-
haltlich das Gleiche auf sehr viel mehr Seiten Papier.
Sankt Bürokratius feiert wieder einmal Triumphe in die-
ser Regierungsvorlage. Das ist überflüssig. Der Entwurf
der FDP zielt auf Änderung dessen, was nötig ist. Auf
Brimborium können wir verzichten. Wir müssen wieder
lernen, schnell und gezielt zu handeln statt ausschweifend
zu formulieren. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Ver-
abschiedung des ersten Energiesicherungsgesetzes.
Das Gesetz vom 20. Dezember 1974, dessen Änderung
wir hier vorlegen, hatte einen Vorläufer. Dieses erste
Energiesicherungsgesetz wurde genau heute vor 28 Jah-
ren, am 9. November 1973, verabschiedet. Damals stand
die Welt unter dem Eindruck der ersten Ölkrise.
In einem Rekordeilverfahren erste Beratung am
7. November, zweite und dritte Beratung am 9. Novem-
ber verabschiedete der Deutsche Bundestag 1973 das
Energiesicherungsgesetz mit Sofortmaßnahmen zur Ener-
gieeinsparung. Auf dieser Grundlage wurde ein Fahrver-
bot für vier Sonntage im November und Dezember 1973
verhängt. Ich erinnere mich noch, wie damals die Men-
schen ihren Sonntagsspaziergang mit den Kindern auf der
Autobahn machten.
Mit dem 1974 verabschiedeten Nachfolgegesetz zu
den ersten Sofortmaßnahmen, für dessen Beratung das
Parlament sich dann deutlich mehr Zeit genommen hat,
wurde die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, im Falle ei-
ner Krise, wenn andere, marktmäßige Instrumente nicht
greifen, zeitlich befristete Vorschriften über Produktion,
Transport, Lagerung, Verteilung, Abgabe, Bezug, Ver-
wendung und Höchstpreise von Energieträgern zu erlas-
sen. Diese Vorschriften zielen auf den privaten Verbrauch,
weil auch im Falle einer Krise möglichst wenig in die
wirtschaftliche Betätigung eingegriffen werden soll. Und
sie stehen unter dem Vorbehalt, dass die Störung der Ener-
gieversorgung durch marktgerechte Maßnahmen nicht,
nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mit-
teln zu beheben ist. Sie sind das letzte Glied einer Kette
von Instrumenten, die mit Aufrufen zu freiwilligen Ein-
sparmaßnahmen beginnt.
Das Energiesicherungsgesetz von 1973 wie auch sein
Nachfolger von 1974 gehen aber ausschließlich von einer
Störung der Energieversorgung von außen aus, also einer
Störung bei den Einfuhren. Heute stehen wir vor anderen,
nicht minder gefährlichen Situationen. Nach den An-
schlägen von New York und Washington wissen wir, dass
wir die Möglichkeit nicht ausschließen können, dass es
auch durch Ereignisse im Inland zu Störungen der Ener-
gieversorgung kommt, die mit marktmäßigen Mitteln
nicht beherrscht werden können. Bei der jetzigen Geset-
zeslage stünde jedoch keines der im Energiesicherungs-
gesetz vorgesehenen Instrumente zur Verfügung, um auf
eine solche Störung zu reagieren.
Diesen Zustand so zu belassen wäre fahrlässig. Auch
bei Störungen und Gefährdungen, deren Ursachen im In-
land liegen, müssen gegebenenfalls die im Gesetz vorge-
sehenen Maßnahmen zur Sicherung der Energieversor-
gung getroffen werden können. Dem dient in der
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19597
(C)
(D)
(A)
(B)
Hoffnung, diese Instrumente nie zu brauchen unsere Ge-
setzesvorlage. Wir bitten um Zustimmung zu unserem
Gesetzentwurf.
Rolf Kutzmutz (PDS): Was war nur in die Kollegen
Walter Hirche und Rainer Brüderle sowie ihre Fraktion
gefahren, als sie am 16. Oktober diesen Gesetzentwurf
beim Bundestag einreichten? Laut seiner Begründung
könnten Störungen der Energieversorgung nicht ausge-
schlossen werden, deren Ursachen im Inland liegen und
nur durch Anwendung des Energiesicherheitsgesetzes be-
herrschbar bleiben. Befürchteten sie eine die Versorgung
gefährdende rote Flut, die per Stimmzettel fünf Tage spä-
ter über die Bundeshauptstadt hereinbrechen sollte?
Oder rechnen sie mit anders nicht beherrschbaren
Attacken auf die Energieversorgung , falls im Gefolge des
21. Oktober einer von beiden Wirtschaftssenator von Ber-
lin werden sollte?
Beides will selbst ich nicht vermuten. Näher liegt bei
einer traditionsreichen Klientelpartei wie der FDP der
Verdacht, man wolle großen Kapitalbesitzern ihr Eigen-
tum in allen Lebenslagen sichern. Wenn das Gesetz auf
jede mögliche Störung ausgedehnt und praktiziert würde,
dann griffe bei seiner Anwendung die so genannte Här-
teausgleichsverordnung auf Grundlage von dessen §§ 10
und 11: Machen Importeure, Lieferanten, Bevorrater oder
große Energiekonsumenten eine Beeinträchtigung ihrer
Geschäfte geltend, dann soll ihnen ein geldwerter Aus-
gleich aus Bundes- oder auch Landesmitteln zukommen.
Es wäre schon bemerkenswert, wenn eine Partei, die bei-
spielsweise bei der Sozialversicherung gar nicht laut ge-
nug nach Eigenverantwortung rufen kann, bei der Kapi-
talversicherung plötzlich die Solidargemeinschaft aller
Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entdeckt. Vermutlich
ist das Motiv der FDP jedoch viel simpler, aber deshalb
nicht weniger ablehnungswürdig: Nach dem 11. Septem-
ber verfiel Rot-Grün in Aktionismus, den oppositionelles
Gelb eben noch überbieten will.
Bei der inneren Sicherheit und Militärpolitik kam man
nicht zum Zuge. Dort wird schon durch die Regierung
vieles geändert, zwar weniger das, was erkennbaren Be-
drohungen tatsächlich angemessen wäre, sondern viel-
mehr das, was manche Leute schon immer gern in ihrem
Instrumentenkasten gehabt, aber sonst nie bekommen
hätten. Also zieht die Wirtschaftspartei auf das ihr nach-
gesagte Kompetenzfeld weiter und verfährt dort ebenso
wie Rot-Grün: Ein Gesetz der Ölkrise 1973 wird mit ei-
nem Federstrich vorgeblich flugzeugbombentauglich ge-
macht, ohne an der Situation etwas zu ändern. Man hat
etwas getan, um notwendiges Tun tunlichst zu vermei-
den, beispielsweise Vorschläge gemacht, wie die tatsäch-
lich bedrohten und bedrohlichen Atomkraftwerke ohne
Einbußen an Freiheit und Wohlstand schnellstens aus der
Welt zu schaffen wären. Sie gibt es; aber wenn sie von der
FDP kämen, so wäre das tatsächlich eine revolutionäre
Wende.
Die Liberalen produzieren lieber Verkleisterung der
wirklichen Herausforderungen, gepaart auch noch mit
mentaler Kriegsmobilmachung. Für keines von beidem ist
die PDS zu haben.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Gesetzentwürfe: Reform des
Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen
Krankenversicherung und Beratung der Unter-
richtung: Bericht der Bundesregierung über die
Untersuchung zu den Wirkungen des Risiko-
strukturausgleichs in der gesetzlichen Kranken-
versicherung (Tagesordnungspunkt 28 a und b)
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf hat eine
klare Botschaft. Er bedeutet: Wir steuern das Gesund-
heitssystem um und für uns stehen die Menschen im Vor-
dergrund des Gesundheitssystems. Alle Akteure müssen
sich dem, was für die Patienten gut ist, unterordnen, denn
der Patient steht im Mittelpunkt. Qualität und Wirtschaft-
lichkeit werden mit diesem Gesetzentwurf gesteigert und
müssen weiterhin gesteigert werden. Dazu dient die Ge-
sundheitsreform 2000 und die anderen Gesetze, die noch
im Gesetzgebungsverfahren sind. Wir brauchen dafür ei-
nen Wettbewerb unter den Kassen, der für Versicherte und
Patienten einen Anreiz bietet, die beste Versorgung für die
Patienten aufzubauen. Der Wettbewerb muss dafür ein so-
lidarischer Wettbewerb sein. Wir stellen daher den RSA
auf eine neue Grundlage.
Ziel der Reform ist insbesondere die Verbesserung der
Situation der chronisch Kranken. Aber auch die Anglei-
chung der Wettbewerbsbedingungen der Krankenkassen.
Daher sieht der Gesetzentwurf die folgenden Punkte vor:
finanzielle Förderung der Durchführung von Disease-Ma-
nagement-Programmen, die Einführung eines Risiko-
pools für hohe Leistungsaufwendungen, die Weiterent-
wicklung des Risikostrukturausgleichs durch eine direkte
Erfassung der Morbiditätsunterschiede der Versicherten,
um damit zu einem differenzierten und gerechteren Aus-
gleich zwischen den Krankenkassen zu kommen.
Zur Reform des Risikostrukturausgleichs gehört auch
die Einführung von Disease-Management-Programmen,
die die Versorgung von chronisch Kranken verbessern
sollen. Für Patienten mit chronischen Erkrankungen muss
die Versorgung besser aufeinander abgestimmt werden.
Damit lässt sich vor allem die Lebensqualität von Patien-
tinnen und Patienten verbessern, aber auch Folgeschäden
können zum Beispiel in Diabetiker-Programmen verhin-
dert werden. Die Disease-Management-Programme sind
verknüpft mit dem Ziel, den Hausarzt als Lotsen im Ge-
sundheitssystem zu stärken und verbindliche Gesund-
heitsziele in Deutschland zu definieren. Eine Abstim-
mung der Behandlungs- und Betreuungsprozesse kann
am besten der Hausarzt leisten. Diese Disease-Manage-
ment-Programme müssen qualitätsgesichert und kontrol-
liert werden. Jedes Disease-Management muss eine Ak-
kreditierung erhalten und damit qualitätsgeprüft sein. Die
Teilnahme an diesen Programmen muss allerdings frei-
willig bleiben. Sie dienen auch langfristig dazu, Kosten zu
sparen, denn 80 Prozent der Gesundheitsausgaben werden
durch chronisch Kranke verursacht. Hieraus ergibt sich
mit der Reform des RSA auch ein Anspruch an die Wirt-
schaftlichkeit und an die Beitragssatzstabilität. Die von
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119598
(C)
(D)
(A)
(B)
der Union vorgebrachten Argumente überzeugen hier
nicht. Sie wollen hohe Qualitätsstandards an die Disease-
Management-Programme anlegen, dazu liefern Sie aller-
dings keine Verbesserungsvorschläge.
Ich möchte noch einmal an die Anfänge der Reform er-
innern: Andrea Fischer hatte 1999 ein Gutachten zur Re-
form des Risikostrukturausgleichs in Auftrag gegeben.
Das Bundesgesundheitsministerium hatte die Experten-
gruppe IGES mit Professor Cassel/Wassem beauftragt.
Auch das Gegengutachten von Lauterbach und Wille,
welches vom Verband der Angestellten- und Arbeiterer-
satzkassen, den AOKs und dem Bundesverband der In-
nungskrankenkassen angeregt wurde, fand viel Beach-
tung. Alle Gutachter waren der übereinstimmenden
Auffassung, dass eine dauerhafte Reform des Risiko-
strukturausgleichs eine unverzichtbare Voraussetzung für
den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in einem
solidarisch finanzierten System ist. Die Einführung der di-
rekten Morbiditätsorientierung wird von beiden Gutach-
tergruppen übereinstimmend als zentral angesehen. Auch
die besondere Berücksichtigung der chronisch Kranken
wird durchweg positiv beurteilt. Ich bin daher der Auffas-
sung, dass uns mit diesem Gesetz ein weiterer wichtiger
und guter Reformschritt gelungen ist. Keiner der Gutach-
ter hatte jedoch einen Mindestbeitragssatz gefordert. Wir,
die Fraktion von Bündnis 90/die Grünen, haben diesen
Mindestbeitragssatz mit aller Entschiedenheit abgelehnt.
Ein Mindestbeitragssatz ist nicht im Sinne der Versicher-
ten und eines gesunden Wettbewerbs, er nützt darüber hi-
naus auch nicht den Krankenkassen, die viele chronisch
Kranke zu versichern haben. Die Disease-Management-
Programme sind hier ein sinnvoller Ansatz. Sie liefern ge-
nauere Kriterien eines morbiditätsorientierten Risiko-
strukturausgleichs sowie die Einführung des Risikopools.
Auch das später diskutierte Grundlastmodell fand
keine breite Zustimmung innerhalb unserer Fraktion. Ein
Grundlastmodell könnte ebenso Fehlanreize setzen und
würde zu überhöhtem bürokratischen Aufwand führen.
Den Vorschlag der so genannten Gesunden Profile wer-
den wir weiterhin prüfen, aber für eine Entscheidung
fehlte bisher der hinreichende Nachweis über die Wir-
kung der Profile.
In dem jetzt beschlossenen Vorziehen des Risikopools
sehen wir eine sinnvolle Maßnahme, kurzfristig die Kran-
kenkassen zu entlasten. Somit stellt der vorliegende Ge-
setzentwurf ein Paket aus Maßnahmen dar, die einerseits
kurzfristig und mittelfristig zu einem fairen Wettbewerb
führen. Andererseits wird der RSA zugleich umorientiert,
hin auf eine bessere Versorgungsqualität der chronisch
kranken Versicherten.
Der vorliegende Gesetzentwurf packt Probleme des
Risikostrukturausgleichs nachhaltig an. Sich einer Re-
form zu verschließen wäre unverantwortlich gegenüber
den Versicherten und Patienten. Aber es ist auch unver-
ständlich, sich einem gerechten, solidarischen Wettbe-
werb zu verweigern. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzent-
wurf zuzustimmen.
Dr. Ruth Fuchs (PDS): Mit der Einführung des Kas-
senwahlrechts für alle Mitglieder wurden Angestellte und
Arbeiter in der GKV gleichgestellt. Um allen Kassen für
den damit verbundenen Wettbewerb gleiche Ausgangsbe-
dingungen zu geben, wurde ein Risikostrukturausgleich
eingeführt. Dieser Finanzausgleich sollte die Nachteile
beseitigen, die sich für eine Kasse aus ungleicher Mit-
gliederstruktur und unterdurchschnittlichem Einnahmeni-
veau ergeben. Obwohl mit dem RSA zurzeit jährlich circa
27 Milliarden DM umverteilt werden, ist dies nicht ge-
lungen. Es ist für eine Kasse höchst vorteilhaft, möglichst
viele junge, gesunde und gut verdienende Mitglieder zu
gewinnen. Dieser Effekt kommt vor allem den so ge-
nannten virtuellen Betriebskrankenkassen zugute. Umge-
kehrt werden geringer verdienende, ältere und chronisch
kranke Menschen für die Kassen zur Belastung. Für eine
Krankenversicherung, deren Zielstellung sozialer Aus-
gleich sein soll, entsteht eine geradezu perverse Anreizsi-
tuation.
Die Beitragsunterschiede, die daraus resultieren, haben
nichts mit wirtschaftlichem Handeln zu tun. Die Ent-
wicklung geht in erster Linie zulasten der AOKs und
großer Ersatzkassen. Äußerst schwierig gestaltet sich die
Situation der meisten AOKs in den neuen Bundesländern,
bei denen besonders viele Ältere und chronisch Kranke
versichert sind. Hinzu kommt, dass der GKV im Ganzen
zunehmend Mittel entzogen werden. Ein solidarisch fi-
nanziertes und sozial gerechtes Gesundheitswesen ist auf
Dauer so nicht zu erhalten.
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Regie-
rung handelt und der zunehmenden Risikoselektion und
Entsolidarisierung in der GKV Einhalt gebieten will. Al-
lerdings sind wir der Meinung, dass dieses wichtige Ziel
nicht ausreichend und überzeugend umgesetzt wird. Rich-
tig ist, dass künftig auch die Morbidität direkt berück-
sichtigt wird. Das benötigt Zeit und kann deshalb nur mit-
telfristig wirksam werden. Für die Übergangszeit sind
deshalb mit der Einführung voll Disease-Management-
Programmen zur strukturierten Behandlung chronisch
Kranker und einem Risikopool für besonders kostenin-
tensive Behandlungsfälle auch kurzfristige Schritte vor-
gesehen. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus bzw.
greifen zu spät. Darin besteht nach unserer Auffassung die
entscheidende Schwäche des Gesetzes. Dies gilt trotz der
eingebrachten Änderungsanträge, die unter anderem da-
rauf zielen, die kurzfristigen Vorhaben bereits im Verlaufe
des Jahres 2002 wirksam werden zu lassen.
Zweifellos kann mit Disease-Management-Program-
men die Behandlung chronisch Kranker gezielt verbessert
werden. Vor dem Hintergrund der erstarrten Versorgungs-
strukturen im Gesundheitswesen sollte allerdings nie-
mand erwarten, dass sie die erhofften Wirkungen bereits
in kurzer Zeit entfalten. Überfällig war allerdings, dass
nun auch die Ärzte im Rahmen des Koordinierungsaus-
schusses an der Einrichtung dieser Programme beteiligt
sein werden. Unverständlich bleibt für uns jedoch, dass
die Schwellenwerte der Leistungsaufwendungen für ei-
nen Versicherten im Zusammenhang mit dem Risikopool
und die dabei festgelegten Selbstbehalte der Kassen nicht
niedriger angesetzt wurden. So bleibt zu bezweifeln, dass
die angestrebten qualitativen und finanziellen Wirkungen
des Risikopools tatsächlich erreicht werden.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19599
(C)
(D)
(A)
(B)
Im Übrigen gehören zum Ausgleich auf der Einnah-
menseite auch die beträchtlichen Aufwendungen, die die
Kassen bei Härtefällen und chronisch Kranken anstelle
der Zuzahlungen aufbringen müssen. Das betrifft wie-
derum besonders die ostdeutschen AOKs und bleibt gänz-
lich unberücksichtigt.
Vor allem aber fehlt dem Gesetz nach wie vor ein Ele-
ment, welches den Finanzausgleich zwischen den Kassen
bereits ab Anfang nächsten Jahres in notwendiger Weise
verändert. Das Gesetz wird deshalb seine zentrale Auf-
gabe, die gegenwärtige Entsolidarisierung in der GKV
und die damit verbundene Aushöhlung ihrer Funktions-
fähigkeit zu stoppen, nicht in der gebotenen Weise erfül-
len können. Aus diesem Grunde werden wir uns der
Stimme enthalten.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Gesetzentwürfe:
Fortentwicklung des Unternehmensteuer-
rechts (Unternehmensteuerfortentwicklungs-
gesetz UntStFG)
Änderung steuerlicher Vorschriften (Steuer-
änderungsgesetz 2001 StÄndG 2001)
und des Antrags: Mehr Wirtschaftswachstum
durch mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteuer-
recht (Tagesordnungspunkt 29 a bis c)
Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Wieder er-
füllen die Bundesregierung und die rot-grüne Regie-
rungskoalition wichtige Versprechen, die sie Steuerbür-
gern und der mittelständischen Wirtschaft gegeben hat.
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unterneh-
menssteuerrechts setzt die Regierungskoalition ihren mit
der Unternehmensteuerreform beschrittenen Weg zur
Modernisierung der steuerpolitischen Kulisse für alle Un-
ternehmen konsequent fort. Die SPD-Bundestagsfraktion
hat den Regierungsentwurf deutlich erkennbar angerei-
chert. Ökonomisch widersinnige Haltefristen für die
Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb einer Per-
sonengesellschaft werden abgeschafft. Für die Übertra-
gung von Beteiligungen oder Wirtschaftsgütern einer Per-
sonengesellschaft auf eine beteiligte Kapitalgesellschaft
wird die Nachversteuerung von stillen Reserven auf die
Fälle begrenzt, in denen ein Weiterverkauf vor Ablauf von
sieben Jahren erfolgt.
Die Umwandlung und Umstrukturierung von Perso-
nenunternehmen wird ab dem 1. Januar 2002 deutlich er-
leichtert. Realteilungen und die Übertragung von Unter-
nehmensbestandteilen zwischen Personenunternehmen
werden weitgehend steuerneutral möglich. Die Reinvesti-
tion von Erlösen aus der Veräußerung von Beteiligungen
an Kapitalgesellschaften wird gegenüber dem Regie-
rungsentwurf erweitert. Die Übertragung von Gewinnen
aus der Veräußerung von Beteiligungen ist zulässig beim
Erwerb neuer Kapitalbeteiligungen bei Gebäuden und ab-
nutzbaren beweglichen Anlagegütern. Aus haushaltspoli-
tischen Gründen wird der übertragbare Gewinn auf
100 000 DM im Wirtschaftsjahr begrenzt.
Insgesamt werden besonders kleine und mittlere Un-
ternehmen zusätzlich um 450 Millionen DM entlastet.
Gleichzeitig wirkt das Gesetz auch der Aushöhlung der
Gemeindefinanzen entgegen. Durch die Verkopplung von
körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Or-
ganschaften bei der steuerlichen Verrechnung von Gewin-
nen und Verlusten in Unternehmensverbünden werden
den Städten und Gemeinden Gewerbesteuereinnahmen in
Höhe von 1 Milliarde Mark gesichert. Bereits bei Verab-
schiedung der Unternehmensteuerreform hatten wir zuge-
sagt, in einem zweiten Schritt die Umwandlung und Um-
strukturierung von Personenunternehmen ähnlich zu
erleichtern, wie wir es für die Kapitalgesellschaften be-
reits durchgesetzt hatten. Außerdem wollten wir das
Außensteuerrecht europäisieren und modernisieren.
Hierzu hat auf Antrag der Koalition die Bundesregierung
frühzeitig einen Bericht vorgelegt, der gemeinsam mit der
Wirtschaft erarbeitet worden ist. Dieser Bericht wird mit
diesem Gesetzgebungsvorhaben umgesetzt. Dabei geht
die heute vorliegende Beschlussvorlage auf Initiative der
Koalition noch weiter auf die Wirtschaft zu, als es der Re-
gierungsentwurf bereits getan hat.
Im Einzelnen haben wir Folgendes erreicht: die Wei-
terentwicklung der die Personenunternehmen betreffen-
den Regelungen zur Wiedereinführung des früheren Mit-
unternehmererlasses und Übertragung dieses Konzepts
auf Realteilungen ohne ökonomisch unsinnige Haltefris-
ten; die Schaffung der Möglichkeit für Personenunterneh-
men, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an
Kapitalgesellschaften steuerneutral auf die Anschaffungs-
kosten anderer, neu erworbener Anteile an Kapitalgesell-
schaften zu übertragen bzw. diese Gewinne in eine steu-
erfreie Rücklage bis zu 100 000 DM gemäß § 6 b EStG
einzustellen, die in den zwei folgenden Jahren auf die An-
schaffungskosten neu erworbener Wirtschaftgüter zu
übertragen oder gewinnerhöhend aufzulösen ist; die Wie-
dereinführung der Gesellschafterbezogenheit der Rück-
lage nach § 6 b EstG; die Beschränkung der Steuerver-
günstigung der §§ 16 und 34 EStG bei der Veräußerung
von Mitunternehmeranteilen auf die Veräußerung des ge-
samten Mitunternehmeranteils; die Verhinderung von Ge-
staltungsmöglichkeiten zur Umgehung der Gewerbe-
steuer über die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen
durch eine Körperschaft; die Streichung des Verbots des
Abzugs von Aufwendungen von Kapitalgesellschaften im
Zusammenhang mit steuerfreien inländischen Beteili-
gungserträgen.
Bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im
grenzüberschreitenden Bereich wurde der Verzicht auf die
Aufdeckung stiller Reserven einer inländischen Betriebs-
stätte im Rahmen einer Verschmelzung im Ausland, so-
fern die stillen Reserven weiterhin im Inland steuerver-
haftet bleiben, erzielt. Andere Erfolge waren: die
rückwirkende Festschreibung der bisherigen Verwal-
tungspraxis bei der so genannten Mehrmütterorganschaft
für alle offenen Fälle bei der gewerbesteuerlichen Ver-
lustberücksichtigung und Einführung einer Mindestbetei-
ligung von 25 Prozent ab 2003; die Anerkennung der kör-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119600
(C)
(D)
(A)
(B)
perschaftsteuerlichen Organschaft bereits dann, wenn
sich die Geschäftsleitung des Organträgers im Inland
befindet. Bisher galten Sitz und Geschäftsleitung; das
Verbot der Teilwertabschreibung im Zusammenhang mit
§ 8 b KStG a. F.; die Anerkennung einer gewerbesteuer-
lichen Organschaft nur bei Vorliegen einer körper-
schaftsteuerlichen Organschaft.
Es wurde auf die Umsetzung des EuGH-Urteils ver-
zichtet, das die gewerbesteuerliche Hinzurechnung eines
Viertels der Miet- und Pachtzinsen beim Mieter oder
Pächter, Leasingnehmer, bei nicht aus Grundbesitz beste-
henden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unab-
hängig davon, wie sie beim Vermieter oder Verpächter,
Leasinggeber, gewerbesteuerlich behandelt werden, ge-
fordert hat. Damit wäre die Versorgung der Wirtschaft mit
Investitionsgütern über den Weg des Leasings empfind-
lich gestört und das wachsende Leasinggewerbe stark be-
hindert worden. Luftfahrtgesellschaften, wie die Euro-
wings, die ihre Flugzeuge leasen, wären in ihrer
Existenzfähigkeit getroffen worden. Das haben wir ver-
hindert.
Darüber hinaus haben wir erreicht: die Herabsetzung
der Mindestbeteiligungsquote bei der Hinzurechnungsbe-
steuerung nach dem Außensteuergesetz bei Beteiligungen
unbeschränkt Steuerpflichtiger an ausländischen Zwi-
schengesellschaften mit Einkünften mit Kapitalanla-
gecharakter von 10 Prozent auf 1 Prozent. Vom vollstän-
digen Verzicht auf eine Beteiligungsgrenze hat die
Koalition abgesehen; die Herausnahme von Dividenden
aus der Hinzurechnungsbesteuerung, das heißt Behand-
lung der Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaf-
ten als aktive Einkünfte; der Verzicht auf die pauschale
Steuer von 38 Prozent des Hinzurechnungsbetrags und
Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrags im Rah-
men der Einkommensermittlung des Anteilseigners; der
Wegfall der Grunderwerbsteuerpflicht bei konzerninter-
nen Umstrukturierungen, weil die Beibehaltung entweder
die Umstrukturierung erheblich belastet oder aber Aus-
weichverhalten, wie die Verschmelzung von Unterneh-
men auf eine Grundstückgesellschaft geradezu provoziert
würde; die Streichung der Möglichkeit des geltenden
Rechts, eine gewerbesteuerliche Organschaft auch bei
Nichtvorhandensein eines Ergebnisabführungsvertrages
anzunehmen, wenn eine Organschaft wirtschaftlich,
finanziell und organisatorisch in einen Organträger einge-
gliedert ist. Damit wird der Aushöhlung der Gewerbe-
steuer als Standortsteuer entgegengewirkt und den Ge-
meinden Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von einer
Milliarde Mark gesichert.
Mit diesem zweiten großen Schritt der Unternehmen-
steuerreform wird das Unternehmensteuerrecht erheblich
modernisiert. Gerade für Personenunternehmen wird
ebenso wie für Kapitalgesellschaften weitgehend rechts-
formneutral ab 2002 eine große Dynamik freigesetzt, die
in zusätzliches Wirtschaftswachstum münden wird.
Insgesamt müssen wir noch einmal festhalten, damit
sich nicht erneut propagandistische Fehlmeldungen der
CDU und FDP in den Köpfen festsetzen: Die Steuerpoli-
tik dieser Regierung, die alles in allem im Jahr 2005 alle
Steuerbürger und Unternehmen gegenüber 1998 um jetzt
100 Milliarden Mark entlastet, stellt allein die mittelstän-
dischen Unternehmen um 30,5 Milliarden Mark besser.
Die meisten Unternehmen sind Personengesellschaften,
die einkommensteuerpflichtig sind. Sie profitieren von
den abgesenkten Tarifen und dem flacheren Tarifverlauf.
Zur Erinnerung: Wir senken den Eingangssteuersatz von
25,9 Prozent auf 15 Prozent im Jahr 2005, den Spitzen-
steuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent und erhöhen den
Grundfreibetrag von 12 300 DM auf 15 000 DM.
Ganz wichtig ist für Personengesellschaften, dass sie
künftig ihre Gewerbesteuerschuld faktisch vollständig ge-
gen ihre Einkommensteuerschuld verrechnen können.
Durch diese Strukturmaßnahme sind Personengesell-
schaften eher noch besser gestellt als Kapitalgesellschaf-
ten, für die der Körperschaftsteuersatz auf 25 Prozent ab-
gesenkt wurde.
Auch die heiß diskutierte Frage nach den Veräuße-
rungsgewinnen von Personenunternehmen haben wir mit-
telstandsfreundlich beantwortet. Wir haben den Freibe-
trag von 60 000 DM auf 100 000 DM angehoben und
geben im Zusammenhang mit Betriebsaufgaben und
Nachfolgerproblemen die Möglichkeit, einmal im Leben
den verbleibenden Veräußerungsgewinn lediglich mit
dem halben persönlichen Steuersatz zu belasten.
50 Prozent aller Personenunternehmer verdienen unter
50 000 DM; 75 Prozent unter 100 000 DM; 95 Prozent
unter 250 000 DM. Kapitalgesellschaften werden über
Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätsbei-
trag mit circa 38 Prozent Steuern auf Gewinn belastet. Um
gleich hoch belastet zu werden, müsste ein verheirateter
Personenunternehmer über 480 000 DM im Jahr ver-
dienen. Da aber fast alle Personenunternehmer unter
250 000 DM positiven Einkünften im Jahr liegen, werden
fast alle auch weniger steuerlich belastet als Kapitalge-
sellschaften.
Auch im Steueränderungsgesetz haben wir einige
wichtige neue Regelungen getroffen, die für die Bürger
wichtig sind. So wurde endlich klargestellt, dass die Ent-
fernungspauschale für Fahrten von und zur Arbeitsstätte
nicht nur für den theoretisch geographisch kürzesten Weg
gilt, sondern auch für vernünftige Umwegstrecken. Wir
haben ebenfalls klargestellt, dass die Verknüpfung von
Bausparprämie und privater Altersvorsorge nicht möglich
ist, um Doppelförderung zu vermeiden und beide Vorsor-
gewege für Arbeitnehmer, nämlich die private Altersvor-
sorge und Wohnungsbauförderung, gleichberechtigt ne-
beneinander aufrecht zu erhalten. Wir haben die zum Teil
fehlgeleitete steuerliche Förderung des Wohnungsbau Ost
durch Investitionszulagen zurückgeführt, damit finanziel-
ler Spielraum für ein Innenstadtprogramm Ost entsteht,
mit dem die Bundesregierung Wohnungen in den Innen-
städten Ostdeutschlands sanieren und die Innenstädte ins-
gesamt attraktiver machen will. Alles in allem haben wir
mit beiden Gesetzen wieder ein wichtiges Stück Fort-
schritt gebaut: für die Unternehmen, für die Arbeitneh-
mer, für die Städte und Gemeinden.
Elke Wülfing (CDU/CSU): Zum wiederholten Male
haben wir zwei Steuergesetze der rot-grünen Bundes-
regierung auf der Tagesordnung, die die Reparatur der
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19601
(C)
(D)
(A)
(B)
Reparatur der Reparatur bedeuten. Ich hatte eigentlich
gedacht, ich hätte mich an die schludrige Gesetzesvorbe-
reitung dieser rot-grünen Bundesregierung inzwischen
gewöhnt, aber die Gesetzesberatung zum Steuerände-
rungsgesetz 2001 und zum Unternehmensteuerfortent-
wicklungsgesetz schlug diesmal wirklich dem Fass den
Boden aus. Noch am späten Abend vor der abschließen-
den Ausschusssitzung spuckte der Computer 70 neue Sei-
ten aus, nachdem wir als Geschenk zu Allerheiligen über
200 Seiten Neuformulierungen in die Wahlkreise ge-
schickt bekommen hatten. Während der Ausschusssit-
zung ging es genauso weiter.
Diese Art und Weise der Gesetzesberatung ist nicht nur
eine Zumutung für den Finanzausschuss, sondern vor al-
len Dingen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Steu-
erberater und die Finanzbeamten. Kein Mensch ist mehr
in der Lage, diese chaotische Steuergesetzgebung nur
annähernd nachzuvollziehen. Wer in dieser Weise Steuer-
politik macht, fördert Staatsverdrossenheit und unfreiwil-
lige Steuerhinterziehung. Dabei wäre eine grundlegende
Steuerreform dringend notwendig, denn nicht der 11. Sep-
tember ist der Grund für die steigenden Arbeitslosenzah-
len, für die galoppierende Insolvenzsteigerung, für das
stagnierende Bruttosozialprodukt und für die Steuerein-
brüche. Darauf weisen die Forschungsinstitute in ihrem
Herbstgutachten deutlich hin ich zitiere :
Die Konjunktur befand sich schon vor den Terror-
anschlägen in einer Schwächephase. Bereits in
der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hatte die
gesamtwirtschaftliche Produktion deutlich an
Schwung verloren.
Deutschland ist wirtschaftlich abgehängt. Steuer- und
Rentenreform wirken nicht. An eine Reform des Arbeits-
marktes will die Regierung nicht heran. Die Sozialversi-
cherungsbeiträge steigen. Für jede 100 DM, die der Ar-
beitnehmer auf seinem Lohnkonto vorfindet, zahlte der
Arbeitgeber schon im letzten Jahr 181,30 DM. Deutsch-
lands Arbeitskosten sind trotz des schwachen Euros Welt-
rekord. Unternehmen richten Arbeitsplätze in Deutsch-
land nur noch dann ein, wenn sie so hochwertig sind, dass
die Lohnnebenkosten keine Rolle spielen. Der Verzicht
auf billigere Arbeitsplätze bedeutet aber den Verzicht auf
Investitionen und somit geringeres Wachstum.
Ebenso einsichtig ist der Zusammenhang zwischen der
Dauerflaute und zu hohen Steuern. Die Steuerreform hat
leider nichts daran geändert, dass der Arbeitnehmer auf
seinem Gehaltskonto nicht einmal die Hälfte seines Brut-
togehaltes vorfindet. Dafür hat Finanzminister Eichel den
Bürgern aber einen guten Rat gegeben: Von dem nicht
vorhandenen Geld im Portemonnaie sollen wir alle mög-
lichst viel ausgeben, um die Inlandsnachfrage zu stimu-
lieren. Dabei ist das Loch in den Taschen der Bürger und
der Unternehmen so tief, dass sie sich mit bloßer Hand die
Socken hochziehen können.
Warum um alles in der Welt, Herr Bundesfinanzminis-
ter, machen Sie nicht endlich eine Steuerreform, die den
Bürgern und den Unternehmen wirklich nützt? Warum
um alles in der Welt folgen Sie dem Rat der Forschungsin-
stitute nicht, die Tarifsenkung für die Besteuerung von
Arbeitnehmern und für den Mittelstand aufs nächste Jahr
vorzuziehen? Stattdessen verfallen Sie in hektische Be-
triebsamkeit und machen die Reparatur der Reparatur der
Reparatur. Wenn Sie von Anfang an auf Finanzwissen-
schaftler und Steuerfachleute oder auf die Opposition ge-
hört hätten, wäre diese ganze Flickschusterei nicht not-
wendig gewesen.
Die rot-grüne Chaospolitik im Bereich Steuern hat ei-
nen erheblichen Anteil am Einbruch der Konjunktur. Die
Unternehmensteuerreform hat ihre Wirkung verfehlt, weil
sie 80 Prozent der deutschen Unternehmen gar nicht er-
fasst hat. Durch die Verschärfung der allgemeinen
Abschreibungstabellen bezahlen diese Unternehmen die
Tarifsenkung für die Kapitalgesellschaften auch noch mit.
Wenn Sie denn bei Ihrer Flickschusterei aber wenigstens
alle Löcher gestopft hätten, könnte man in dem Chaos ja
wenigstens noch einen Sinn sehen. Vernünftig wäre es
zum Beispiel gewesen, wenn sie den halben Steuersatz für
die Altersvorsorge für Unternehmer, den Sie ja gestrichen
hatten, nicht nur auf diese, sondern auch auf die Abfin-
dungen von Handelsvertretern und Arbeitnehmern ausge-
dehnt hätten.
Auf Druck der Wirtschaft haben Sie ja nun doch eine
Reinvestitionsrücklage für Personengesellschaften vorge-
sehen. Auch hier wieder die Reparatur der Reparatur der
Reparatur. Nachdem wir Sie immer wieder darauf hinge-
wiesen hatten, dass man nicht nur die Veräußerung von
Anteilen von Kapitalgesellschaften steuerfrei stellen darf,
sondern die Personengesellschaften ebenfalls gleichstel-
len muss, war die erste Reparatur beschränkt auf Wieder-
anlage in externe Beteiligungen. Und dies nur innerhalb
von zwei Jahren. Jetzt haben Sie sich nach großem Krach
und langem Druck dazu herabgelassen, dass Personenun-
ternehmen dieses Geld auch im eigenen Betrieb investie-
ren dürfen. Warum nun aber um Gottes Willen beschränkt
auf 100 000 DM Gewinn? Davon kann man nicht einmal
eine halbe Webmaschine kaufen. Raten Sie mal, was eine
CNC-gesteuerte Werkbank in einem Schreinereibetrieb
heute kostet: Warum hören Sie nicht auf Ihre eigenen
Fachleute im Wirtschaftsausschuss? Die haben die Gren-
ze wenigstens auf 1 Million DM heraufsetzen wollen.
Es ist, wie gesagt, alles nur Flickschusterei. Dabei ha-
ben Sie auch das eine oder andere Loch einfach verges-
sen, zum Beispiel die Mindestbesteuerung nach § 2
Abs. 3. Dieses Verlustverrechnungsverbot ist in der Pra-
xis nicht handhabbar, insbesondere werden Existenzgrün-
der betroffen, wenn sie neben ihrer normalen Tätigkeit
versuchen, eine neue Existenz aufzubauen. Warum strei-
chen Sie diese Regelung nicht ersatzlos? Damit würden
Sie ein deutliches Zeichen setzen, Herr Bundesfinanzmi-
nister, dass Sie Herrn Lafontaine und seine sozialistische
Steuergesetzgebung endlich hinter sich gelassen haben.
Ein weiteres Beispiel für Ihre chaotische Steuerpolitik ist
der Mitunternehmererlass. Nach Abschaffung, Wieder-
aufleben und jährlicher Änderung haben sie nun wieder
den Rechtszustand von 1998 erreicht. Warum haben Sie
eigentlich regiert?
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, was haben
Sie eigentlich 1999 aus unserem schönen Investitionszu-
lagengesetz gemacht? Warum um alles in der Welt sind
Sie nun darauf verfallen, dem weiterhin so notwendigen
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119602
(C)
(D)
(A)
(B)
Stadtumbau Ost das Wasser abzugraben? Bei der Moder-
nisierung der Wohnungen für Selbstnutzer wollen Sie 200
Millionen DM streichen, bei der Modernisierung von
Mietwohnungen wollen Sie 144 Millionen DM streichen,
Knall auf Fall und ohne Übergang. Damit entziehen Sie
der ostdeutschen Bauwirtschaft insgesamt, trotz Er-
höhung der Altbauzulage, 120 Millionen DM Zuschüsse
im Jahr. Statt der am Boden liegenden Bauwirtschaft auf
die Füße zu helfen und die Förderung zu verbessern, sor-
gen Sie dafür, dass weitere Arbeitsplätze verloren gehen
und die Modernisierung beim ostdeutschen Wohnungs-
bau ins Stoppen kommt.
Ich könnte noch viele Einzelbeispiele aus den Steuerre-
paraturgesetzen anführen. Sie würden alle zu dem glei-
chen Ergebnis kommen. Statt einer wirklichen, für die
Arbeitsplätze stimulierenden Einkommensteuerreform
machen Sie nur noch Murks. Weil Sie nichts tun, ist das
Wachstum zu gering und sind die Steuereinnahmen
knapp. Sie wissen anscheinend nicht mehr ein noch aus.
Wenn Sie es nicht besser gewusst hätten, könnten Sie ei-
nem fast leid tun. Aber da Ihnen alle Verbände, die
Finanzwissenschaftler, die Steuerberater, die Forschungs-
institute, die richtigen Rezepte an die Hand gegeben ha-
ben, kann ich Ihnen nur zurufen: Ziehen Sie die Tarifsen-
kungen auf das nächste Jahr vor und machen Sie dann eine
echte Einkommensteuerreform, die diesen Namen ver-
dient! Statt dieser Reparaturgesetze müssen Sie endlich
ein deutliches Zeichen setzen, damit die selbstgemachte
Konjunkturflaute beendet wird und Deutschland endlich
wieder auf die Beine kommt.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Ihre Gesetz-
entwürfe ab, weil wir uns an Ihrem Murks nicht mehr be-
teiligen wollen.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit
der Fortführung der Unternehmensteuerreform ebnen wir
jetzt auch für den Mittelstand den Weg für notwendige
Umstrukturierungen. Diese wichtigen steuerlichen Er-
leichterungen verbessern gezielt die Wettbewerbsbedin-
gungen für den einkommensteuerpflichtigen Mittelstand.
Dieter Philipp, der Präsident des Zentralverbandes des
Deutschen Handwerks hat sich bereits über die Verbesse-
rungen für Personenunternehmen positiv ausgesprochen.
lm Rahmen von Realteilungen und Mitunternehmer-
schaften können künftig bei einkommensteuerpflichtigen
Unternehmen Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile und
einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, ohne dass
stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssen.
Das erleichtert gerade kleinen und mittleren Unternehmen
den Strukturwandel. Auch haben wir die ursprünglich ge-
planten Behaltefristen gestrichen. Es wäre völlig kontra-
produktiv gewesen, wenn eine steuerfreie Umstrukturie-
rung sieben Jahre lang konserviert bleiben müsste.
Wir haben jetzt endlich die steuerfreie Reinvestitions-
rücklage durchgesetzt. Die bündnisgrüne Fraktion hatte
schon im Vorfeld darauf gedrängt, dass bei Umstrukturie-
rungen für einkommensteuerpflichtige Klein- und Mittel-
betriebe im Grundsatz die gleichen Bedingungen gelten
sollten wie bei körperschaftsteuerpflichtigen Großunter-
nehmen. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligun-
gen an Kapitalgesellschaften können nun ab nächstem
Jahr bis zu einem Betrag von rund 100 000 DM steuerfrei
innerhalb von zwei Jahren in andere Beteiligungen, in
Ausrüstungsgegenstände und in Gebäude reinvestiert
werden.
Damit konnten wir die steuerfreien Investitionsmög-
lichkeiten für diese Gewinne sogar noch stärker als
ursprünglich geplant auf Bau- und Ausrüstungsinvestiti-
onen ausdehnen. Somit kann jetzt ein einkommensteu-
erpflichtiger Unternehmer nicht nur seine Kapitalbetei-
ligungen steuerfrei umschichten, sondern die daraus
erzielten Gewinne auch in arbeitsplatzschaffende Investi-
tionen umsetzen. Das ist ein ganz wichtiges Signal in die-
ser äußerst schwierigen Konjunkturphase. Auch diese
Vergünstigung kommt ausschließlich den einkommen-
steuerzahlenden kleinen und mittelständischen Unterneh-
men zugute.
Außerdem haben wir eine zunächst geplante Verschär-
fung der Gewerbesteuerbelastung für die Leasingbranche
und damit für den Mittelstand verhindert. Gerade kleine
und mittlere Unternehmen sind oft auf Leasing angewie-
sen, um ihre Anlagen entsprechend finanzieren zu kön-
nen. Eine höhere Steuerbelastung in diesem Bereich wäre
angesichts der konjunkturellen Entwicklung investitions-
und arbeitsplatzfeindlich.
Das Gesetz sichert den Kommunen ihre überlebens-
notwendigen Gewerbesteuereinnahmen. Bei den Mehr-
mütterorganschaften haben wir für Rechtssicherheit ge-
sorgt und die langjährige Verwaltungspraxis auch
gesetzlich festgeschrieben. Bei der Neuregelung der
gewerbesteuerlichen Organschaft sind wir entgegen den
ursprünglichen Plänen nun der Empfehlung des Bun-
desrates gefolgt und haben sie an die Regelungen der kör-
perschaftsteuerlichen Organschaft angepasst. Dies bringt
den Kommunen Steuermehreinnahmen von in etwa 1 Mil-
liarde DM und verursacht bei Bund und Ländern Minder-
einnahmen. Bund und Länder verzichten angesichts der
starken Gewerbesteuerausfälle in den ersten drei Quarta-
len dieses Jahres von rund 16 Prozent auf eine Kom-
pensation dieser Mindereinnahmen.
Die derzeitigen Probleme mit der Gewerbesteuer wer-
den jedoch ganz wesentlich durch die Gewerbesteuer
selbst verursacht. Sie sind nicht die Folge unserer Un-
ternehmensteuerreform. Der eigentliche Grund ist die
ausgehöhlte Basis der Gewerbesteuer. Sie hat sich zu ei-
ner Großbetriebsteuer entwickelt, mit der Konsequenz,
dass viele Gemeinden nahezu vollständig vom konjunk-
turellen Wohl und Wehe von oft nur einem Steuerpflichti-
gen abhängig sind. Die Gemeindefinanzreform muss des-
halb eines der ersten Projekte in der nächsten
Legislaturperiode werden.
Im Steueränderungsgesetz 2001 haben wir weitere
zahlreiche Erleichterungen und Vereinfachungen für Bür-
gerinnen und Bürger, aber auch für Unternehmen erreicht.
Wir entlasten künftig nachhaltig die ausländischen
Künstler mit kleineren Gagen. Die übliche Quellensteuer
von 25 Prozent wird für Gagen bis 250 Euro pro Künstler
steuerfrei gestellt und setzt danach stufenweise ein. Für
Gagen über 250 bis 500 Euro werden nur 10 Prozent
fällig, über 500 bis 1 000 Euro nur 15 Prozent. Für größere
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19603
(C)
(D)
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(B)
Gagen muss der inländische Veranstalter wie bisher üb-
lich 25 Prozent ans Finanzamt abführen. Dieser Spit-
zensatz wird aber ebenfalls abgesenkt. Ab 2003 werden
höchstens noch 20 Prozent Steuern fällig. Damit wird die
1996 seinerzeit unter der Kohl-Regierung eingeführte
Übermaßbesteuerung ausländischer Künstler endlich be-
endet.
Mit diesen steuerlichen Erleichterungen fördern wir
ganz wesentlich den Kulturaustausch und die Völkerver-
ständigung in dieser schwierigen Zeit. Und es ist nicht nur
eine Verbesserung für die ausländischen Künstler, son-
dern auch für die inländischen Veranstalter und natürlich
für die Besucher von Konzerten und anderen Veranstal-
tungen.
Ein anderes Beispiel ist die nun erleichterte Bauab-
zugsbesteuerung für kleinere Vermieter mit nicht mehr als
zwei Wohnungen. Diese müssen keine Abzugsteuer auf
die von ihnen erhaltenen Bauleistungen einbehalten und
anstelle des Bauunternehmens an das Finanzamt ab-
führen, wenn das Bauunternehmen keine Freistellungsbe-
scheinigung vorweisen kann. Diese Freistellungsbeschei-
nigung erteilt normalerweise das Finanzamt, wenn sich
das Bauunternehmen keine schweren steuerrechtlichen
Verfehlungen hat zuschulden kommen lassen. Dadurch
sorgen wir für eine unbürokratische Lösung, ohne das
Ziel der Bekämpfung von Schwarzarbeit am Bau zu ge-
fährden.
Gerhard Schüßler (FDP): Die FDP wird die beiden
Gesetzentwürfe der Bundesregierung ablehnen. Sie sind
nicht nur Fortsetzung der chaotischen Steuerpolitik der
rot-grünen Koalition. Sie sind auch das Ergebnis unseriö-
ser und hektischer Beratungen, das von der FDP keines-
falls mitgetragen wird.
Die Bundesregierung hat in bisher kaum vorstellbarem
Ausmaß den Finanzausschuss mit einer Flut von Ände-
rungsanträgen konfrontiert, die den eigenen Gesetzent-
wurf korrigieren, frühere Fehler bei der Gesetzgebung re-
parieren und in vielen Fällen redaktionell klarstellend
seien sollen. Kein Mitglied des Finanzausschusses kann
von sich behaupten, dass er diese vielen Anträge gründ-
lich durcharbeiten und sich jeweils eine Meinung dazu
bilden konnte.
Mein Verständnis als Mitglied dieses Hauses verbietet
es mir, eine solche Flickschusterei mitzumachen, deren
Auswirkungen ich nicht abschätzen kann. Auch halte ich
es für unzumutbar, die Betroffenen in der Finanz-
verwaltung und in den Steuerberatungskanzleien kurz vor
Jahresende mit vielen Gesetzesänderungen zu konfrontie-
ren. Niemand darf sich wundern, wenn bei der Anwen-
dung Fehler passieren.
Letztlich führt die Verabschiedung umfangreicher
Steuergesetze kurz vor Jahresende zu mehr Politik-
verdrossenheit der Bürgern von der weiter sinkenden
Steuermoral gar nicht zu sprechen. Ich fordere für die
FDP nochmals, dass wir endlich zu einer wirklichen Steu-
erreform kommen müssen. Die vielen Änderungen, die
heute verabschiedet werden sollen, belegen doch, dass
unser Steuerrecht viel zu kompliziert ist und von kaum je-
mandem noch verstanden wird. Wir brauchen endlich eine
Reform, die diesen Namen auch verdient.
Barbara Höll (PDS): Ziel des Unternehmensteuerfort-
entwicklungsgesetzes ist die rechtssystematische Wei-
terentwicklung der mit dem Steuersenkungsgesetz einge-
leiteten Reform. Prinzipiell ist es ein begrüßenswerter
Schritt, wenn die Bundesregierung den Versuch unter-
nimmt, das Steuerrecht systematischer und damit transpa-
renter, also einsichtiger zu gestalten. Ein solches Ansin-
nen ist aber zum Scheitern verurteilt, wenn eine Reform
systematisch weiterentwickelt werden soll, die nichts an-
deres ist als ein Bruch der gesamten Steuersystematik.
So gilt im Allgemeinen, dass Gewinne dann und dort
zu versteuern sind, wann und wo sie realisiert werden.
Wird beispielsweise ein Betriebsgrundstück verkauft und
aus diesem Verkauf ein Gewinn erzielt, so ist dieser Ge-
winn bei dem zu erfassen und zu versteuern, der ihn er-
zielt hat.
Mit der Unternehmensteuerreform ist das nun nicht
mehr so, zumindest wenn eine Kapitalgesellschaft eine an-
dere Kapitalgesellschaft verkauft. Dann nämlich ist der
Gewinn steuerfrei. Alle anderen Veräußerungsgewinne
müssen allerdings auch weiterhin versteuert werden. Wird
also zukünftig eine Kapitalgesellschaft verkauft, deren
Vermögen aus Grundstücken besteht, ist der Veräuße-
rungsgewinn steuerfrei. Gehören diese Grundstücke un-
mittelbar zum Vermögen des Verkäufers, muss der Ge-
winn versteuert werden. Das ist nicht systemgerecht oder
systemkonsequent, sondern ein Systembruch. Dieser Sys-
tembruch hat seine Ursache darin, dass sich Herr Eichel
die Zuneigung der großen Konzerne insbesondere der
Banken und Versicherungen mit ein paar Steuergeschen-
ken geschätzter Wert 4 Milliarden DM erkaufen will.
Es ist völlig klar, dass sich der Mittelstand ungerecht
behandelt fühlt; denn es ist gar nicht einzusehen, dass nur
die großen Konzerne an den Segnungen des Herrn Eichel
teilhaben dürfen. Das meinte auch der Bundeskanzler und
erinnert seinen Finanzminister an dessen im Eichel-Song
besungene Kulanz. Obwohl es die Kassenlage nicht
hergibt, nimmt der gelegentlich kulante Finanzminister
eine Lightfassung der Steuerbefreiung auch für Personen-
unternehmen in seinen Gesetzentwurf auf.
Dieses alles mag die Belastungsunterschiede zwischen
großen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen
verringern. Mit Steuersystematik oder Steuergerechtig-
keit hat das nichts zu tun. Das einzig systematische in den
Gesetzentwürfen der Bundesregierung ist der Wechsel in
den Anschauungen über die Steuersystematik. So sollte
ebenfalls mit der damaligen Unternehmensteuerre-
form die gewerbesteuerliche Organschaft an die körper-
schaftsteuerliche Organschaft angepasst werden. Zumin-
dest stand es so im Entwurf zum Steuersenkungsgesetz.
Doch schon zum Zeitpunkt der dritten Lesung war die
Bundesregierung von ihrer Idee nicht mehr so überzeugt
und ließ die Anpassung herausstreichen.
Im Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz ver-
sucht die Bundesregierung einen Kompromiss: Die ge-
werbesteuerliche Organschaft soll ein bisschen an die kör-
perschaftsteuerliche Organschaft angepasst werden.
Offenbar interessierte sich der Bundesrat ein wenig mehr
für die Finanznöte der Kommunen und fordert in seiner
Stellungnahme, die Voraussetzungen für die gewerbe- und
körperschaftsteuerliche Organschaft vollständig anzupas-
sen. Dies lehnte die Bundesregierung in ihrer Stellung-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119604
(C)
(D)
(A)
(B)
nahme zur Stellungnahme des Bundesrates ab, da dies
eine Einschränkung der gewerbesteuerlichen Organschaft
wäre.
Vorgestern nun kurz vor der Abstimmung des Ge-
setzentwurfs im Finanzausschuss wurde eine Formulie-
rungshilfe eingereicht, in der den Ausschussmitgliedern
mitgeteilt wird, dass sich die Bundesregierung nun doch
der Meinung des Bundesrates anschließt und die Voraus-
setzungen für die gewerbe- und körperschaftsteuerliche
Organschaft vollständig anpasst. Was gestern noch galt,
gilt bei dieser Bundesregierung heute ganz anders und
morgen schon gar nicht mehr. Das hat System.
Das ebenfalls heute zur Abstimmung stehende Steu-
eränderungsgesetz hatte zum Ziel, steuerrechtliche
Vorschriften redaktionell und inhaltlich zu bereinigen. In-
zwischen hat die Bundesregierung ihren eigenen Gesetz-
entwurf 75-mal ändern lassen. Das heißt: Ein Gesetz, das
nur die Aufgabe hatte, redaktionell zu berichtigen oder
Ungereimtheiten im Gesetzeswortlaut zu beseitigen muss
selbst noch 75-mal berichtigt werden.
Ein Wort zur Änderung des lnvestitionszulagengeset-
zes. Damit wird für die Sanierung der innerstädtischen
Altbauquartiere die Investitionszulage angehoben. Das
begrüßen wir. Gleichzeitig und zur Gegenfinanzierung
kommt es jedoch zur Kürzung der Investitionszulage für
die Sanierung außerhalb dieser Gebiete liegender Miet-
wohngebäude und zur Streichung der Investitionszulage
für Selbstnutzer von Wohneigentum. Das benachteiligt
neben den Selbstnutzern vor allem die kommunalen und
genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, die zu den
größten Auftrag- und Arbeitgebern der Bauwirtschaft in
vielen ostdeutschen Regionen zählen, sowie deren Plat-
tenwohnquartiere und Bewohner. Die geplante Erhöhung
des Selbstbehaltes bei der Berechnung der Investitionszu-
lage für Wohngebäude, die nicht in unmittelbarer Innen-
stadtkulisse liegen, konterkariert zudem den notwendigen
Stadtumbau und die von der Bundesregierung gewollte
Aufwertung der Wohnquartiere. Wir schlagen deshalb
vor, den bisherigen Selbstbehalt und damit höheren Zu-
schuss für jene Objekte beizubehalten, wenn die begüns-
tigte Investition dem von der Gemeinde beschlossenen
Stadtentwicklungskonzept entspricht.
Einzelnen Berichtigungen im Steueränderungsgesetz
dies sei an dieser Stelle betont können wir uns durchaus
anschließen. Die Einschränkung der gewerbesteuerlichen
Organschaft bewirkt wenigstens eine geringfügige Entla-
stung der Kommunen. Auch die Erleichterung für auslän-
dische Künstler geht durchaus in die von uns geforderte
Richtung.EinentsprechenderGesetzentwurfderPDSliegt
schon seit Monaten vor. Doch diesen konzeptionslosen
Gesetzen als Gesamtwerk vor allem dieser Gesetzgebung
kann man nur seine Zustimmung verweigern.
Die PDS-Fraktion wird sich deshalb in der Abstim-
mung enthalten.
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen: Die Fraktion der
CDU/CSU skizziert in ihrem Antrag ein verzerrtes Bild
von der deutschen Konjunktur. Die Lage der Wirtschaft ist
tatsächlich insgesamt besser als manche Meinungsführer
in den Medien dies des Öfteren erscheinen lassen.
Fakt ist: Wir haben in Deutschland Wachstum wenn
auch in geringerem Maße als im letzten Jahr und keine
Rezession. Auch wenn immer noch nicht ganz abzusehen
ist, welche Auswirkungen die Ereignisse in den USA auf
die weltwirtschaftliche Lage haben, gibt es keinen Grund
zu übertriebenem Pessimismus. Allen mir bekannten Pro-
gnosen zufolge ist jedenfalls mit einer konjunkturellen
Belebung im nächsten Jahr zu rechnen. Es gibt daher auch
keinen Grund für planlosen, sinnlosen, ja sogar kontra-
produktiven Aktionismus, schon gar nicht in der Steuer-
politik. Mit unserer nachhaltigen Steuerpolitik stellen wir
die Weichen für die Zukunft der deutschen Wirtschaft,
insbesondere auch des Mittelstands.
Damit es nicht in Vergessenheit gerät: Die mehrstufige
Steuerreform 2000 entlastet alle Steuerzahler um über
93 Milliarden DM, allein in diesem Jahr um 45 Milliar-
den DM. Ab 2002 gibt es noch eine beträchtliche Kinder-
gelderhöhung mit einer Entlastungswirkung für die priva-
ten Haushalte von über 4,6 Milliarden DM sowie die
steuerliche Förderung der privaten kapitalgedeckten Al-
tersvorsorge. Alle Maßnahmen zusammengenommen er-
reichen im Zeitraum von 1998 bis 2005 ein steuerliches
Entlastungsvolumen von über 110 Milliarden DM. Der
Mittelstand wird von der Steuerreform mit circa einem
Drittel über 31 Milliarden DM profitieren. Das sind al-
lein im Rechnungsjahr 2001 rund 15,7 Milliarden DM
Entlastung für die mittelständische Wirtschaft.
Insgesamt ergibt sich durch unsere Maßnahmen in den
Jahren 2001 und 2002 ein konjunktureller Impuls von
über 50 Milliarden DM, der auf nachhaltige Wirkung an-
gelegt ist. Die temporäre Wachstumsschwäche, in die wir
aufgrund der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen
geraten sind, können wir damit lediglich begrenzen. Wel-
chen Sinn sollte dann noch ein Vorziehen der beschlosse-
nen Steuerentlastungsstufen haben, wie die Opposition
übrigens gegen besseren Rat aus Brüssel gebets-
mühlenartig fordert? Glauben Sie wirklich, was 50 Milli-
arden DM nicht schaffen, könnten weitere 15 Milliar-
den DM erreichen? Wir würden nur unseren finanzpoliti-
schen Kredit verspielen. Denn zusätzliche Steuersen-
kungen sind zwangsläufig mit Mindereinnahmen verbun-
den, die dann über Kredite zu finanzieren wären. Das
können sich weder der Bund noch die Länder leisten, und
wir sind auch mit Blick auf die Maastricht-Verträge im
Wort. Die Mahnung aus Brüssel haben wir wohl verstan-
den. Außerdem sind Schulden von heute die Steuern von
morgen, also die Belastung folgender Generationen. Die
Erwartung steigender Steuern in der Zukunft fördert we-
der Investitionen noch privaten Verbrauch. Schließlich ist
doch klar, dass in unsicheren Situationen das zusätzliche
Einkommen nicht in den Konsum geht, sondern in die Er-
sparnis. Die Menschen sorgen dann eben lieber vor. Dies
ist gerade aktuell in den USA feststellbar. Insofern hilft
ein Vorziehen der Steuer-Tarifsenkungen gar nicht. Es
käme kurzfristig zu keiner Nachfragesteigerung, sondern
nur zu steigender staatlicher Verschuldung.
Ebenso populistisch und realitätsfremd wie die Forde-
rung nach Vorziehen der Reformstufen ist die stereotype
Unterstellung einer angeblich mittelstandsfeindlichen
Schieflage unserer Steuerpolitik. Insbesondere die Maß-
nahmen der Steuerreform 2000 sind explizit auf den Mit-
telstand zugeschnitten. Mittelständische Unternehmer,
mit denen ich oft gesprochen habe, haben mir das immer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19605
(C)
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wieder bestätigt. Das sind die Fakten: Mittelständische
Unternehmen profitieren ganz erheblich von der Absen-
kung des Eingangsteuersatzes, der Erhöhung des Grund-
freibetrages und nicht zuletzt von der Möglichkeit, die
Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld anzu-
rechnen.
Allein die Neutralisierung der Gewerbesteuerbe-
lastung führt bereits im Rechnungsjahr 2001 ich betone:
2001 zu einer Entlastung des Mittelstandes in Höhe von
netto 6,9 Milliarden DM. Das sind rund 9,9 Milliar-
den DM nach dem Entstehungsjahr und rund 6,9 Milliar-
den DM für das Rechnungsjahr 2001. Diese massiven
Steuerentlastungen geben mehr Raum für Investitionen,
Wachstum und Beschäftigung.
Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unterneh-
mensteuerrechts sind weitere Verbesserungen zugunsten
des Mittelstands auf dem Wege. Allein die vorgesehene
Reinvestitionsrücklage, die Umstrukturierungen auch bei
mittelständischen Personenunternehmen zusätzlich er-
leichtern wird, führt zu einer weiteren Steuerentlastung
von circa 300 Millionen DM für den Mittelstand. Der Mit-
telstandsbeirat beim Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie hat in seiner letzten Sitzung am 21. Sep-
tember die Einführung dieser Mittelstandskomponente
begrüßt und dabei auch festgestellt, dass es keine gene-
relle Benachteiligung von Personengesellschaften gegen-
über Kapitalgesellschaften gibt. In vielen Fällen stünden
Personengesellschaften bei der Steuerbelastung besser da
als Kapitalgesellschaften.
Fakt ist: Die Wirtschaft befindet sich nicht zuletzt
aufgrund unserer Steuerreform auf einem nachhaltigen
Wachstumspfad. Verlässlichkeit, Klarheit und Planbar-
keit, das sind Eigenschaften, die nicht nur von der Wirt-
schaft in Deutschland geschätzt werden. Verlässlichkeit,
Klarheit und Planbarkeit das sind auch entscheidende
Merkmale unserer Steuerpolitik. Wir werden daher nicht
versuchen, mit hektischen steuerpolitischen Aktivitäten
irgendwelche wirkungslosen konjunkturellen Strohfeuer
zu entfachen und dabei Geld verpulvern, das wir gar nicht
haben.
Die Bundesregierung hat mit der Steuerreform 2000
bis zum Jahr 2005 international anerkannt Zeichen ge-
setzt. Jetzt gilt es, auf dieser Basis das Steuerrecht sowohl
fortzuentwickeln als auch effizienter zu gestalten. Nur so
machen wir Deutschland fit für die Zukunft.
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Gesetzentwurfs: rechtliche
Rahmenbedingungen für den elektronischen Ge-
schäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsver-
kehr-Gesetz-EGG) und zu dem Antrag: Deutsch-
lands Wirtschaft in der Informationsgesellschaft
(Tagungsordnungspunkt 30a und b)
Hubertus Heil (SPD): Der Deutsche Bundestag schafft
heute eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum
und Beschäftigung in der deutschen Internet-Wirtschaft.
Mit dem Elektronischen Geschäftsverkehr Gesetz (EGG)
sorgen wir für Rechtssicherheit beim elektronischen Han-
del und setzen die E-Commerce-Richtlinie der EU in na-
tionales Recht um. Nach den Gesetzen über die elektroni-
sche Signatur, der Abschaffung des Rabattgesetzes und
der Zugabeverordnung ist dieses Gesetz ein weiterer
wichtiger Meilenstein für die Verbesserung des Ord-
nungsrahmens und damit auch der Wettbewerbsposition
der deutschen Internet-Wirtschaft. Die E-Commerce-
Richtlinie verfolgt das Ziel der Harmonisierung der
unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für
elektronische Dienste in den EU-Mitgliedsländern. Das
EGG als Artikelgesetz sieht im wesentlichen entspre-
chende Anpassungen im Teledienste-Datenschutz-Gesetz
und eine Detailregelung in der Zivilprozessordnung vor,
um die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Mit den
Änderungen des Teledienste-Datenschutz-Gesetzes wird
eine Verbesserung der Vorschriften im Hinblick auf die
bisherigen Erfahrungen und Entwicklungen in diesem
Bereich durchgesetzt.
Wirtschaft und Verwaltung wurden sowohl bei der Vor-
bereitung des Gesetzentwurfes als auch in den Gesetzge-
bungsprozess intensiv einbezogen. Die Ergebnisse der
Anhörungen der Bundesregierung und, im Gesetzge-
bungsverfahren auch des Wirtschaftsausschusses, haben
ihren Niederschlag in dem uns jetzt vorliegenden Gesetz
gefunden.
Kernanliegen des Gesetzentwurfes ist die Umsetzung
des so genannten Herkunftslandprinzips. Danach müssen
sich in Deutschland niedergelassene Diensteanbieter
grundsätzlich allein nach dem deutschen Recht richten,
und zwar auch dann, wenn sie ihre elektronischen Diens-
te anderswo in Europa anbieten oder erbringen. Die Aus-
gestaltung des Verhältnisses des Herkunftslandprinzips
zum Internationalen Privatrecht im ursprünglichen Geset-
zesentwurf ist auf Kritik der Wirtschaft und bei der EU-
Kommission gestoßen. Im Kern ging es darum, dass es
unterschiedliche Interpretationen der E-Commerce-
Richtlinie darüber gibt, ob das Herkunftslandprinzip nur
das nationale Sachrecht erfasst oder auch die nationalen
Regelungen zum Kollisionsrecht, also zum internationa-
len Privatrecht. Angesichts dieser Meinungsunterschiede
haben wir im Wirtschaftsausschuss mit Sachverständigen
eine öffentliche Anhörung durchgeführt und sorgfältig
ausgewertet.
Die Koalitionsfraktionen haben sich schließlich dazu
entschlossen, die Regelungen dahingehend zu modifizie-
ren, dass das Herkunftslandprinzip stärkeres Gewicht er-
hält. Wir tragen damit den Bedürfnissen nach einer mög-
lichst einfachen und klaren Regelung Rechnung. Ich
betone möglichst, da nach wie vor gilt: Die Richtlinie
läßt dem nationalen Gesetzgeber nur sehr beschränkt freie
Hand bei der Umsetzung. Meine Kritik richtet sich in die-
sem Zusammenhang an die EU, die sich hier nicht zu ei-
ner klaren Regelung durchgerungen hat um nicht zu sa-
gen sich vor einer klaren Regelung gedrückt hat. Meinen
Informationen nach ist dieses auf einen Streit zwischen
verschiedenen Direktionen der EU-Kommission zurück-
zuführen. Im Gegensatz zu CDU/CSU, die sich im ge-
samten Verfahren lediglich darauf beschränkt hat, den
Verbänden nach dem Mund zu reden, haben wir uns un-
sere Meinungsbildung in dieser komplizierten juristi-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119606
(C)
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schen Frage nicht einfach gemacht. Als Wirtschaftspoli-
tiker meiner Fraktion kann ich aber heute feststellen:
Wir haben eine Regelung gefunden, die besonders von
wirtschaftspolitischem Pragmatismus geprägt ist, ohne
rechtssystematische Grundsätze zu verletzen. Insofern
haben wir uns bei der Umsetzung des Herkunftslandprin-
zips sehr eng an den Wortlaut der Richtlinie gehalten, wie
es die Wirtschaft gefordert hat. Auch bei der Umsetzung
der Bestimmungen zur Verantwortlichkeit der Dienstean-
bieter hält sich der uns vorliegende Gesetzesentwurf eng
an den Wortlaut der Richtlinie. Die Regelungen der Richt-
linie wurden in weiten Bereichen von Deutschland mitge-
staltet unter anderem auch aufgrund der Erfahrungen,
die in Deutschland mit dem TDG gemacht worden sind.
Es wäre insoweit kaum zu vermitteln, wenn bei der natio-
nalen Regelung von diesen Formulierungen abgewichen
würde. Da es sich dabei auch um vollharmonisierte Vor-
schriften handelt, würde ein Abgehen von diesen Formu-
lierungen zudem den Harmonisierungsbestrebungen der
Richtlinie entgegenlaufen.
Schließlich sind die im Gesetzentwurf enthaltenen Vor-
schläge mit den Bundesländern abgestimmt und werden
von diesen wort- und inhaltsgleich im Mediendienste-
Staatsvertrag übernommen. Wir wollen und werden die
Beratungen deshalb auch heute abschließen, damit wir in
der Umsetzungsfrist bleiben. Lassen Sie mich an dieser
Stelle einige Anmerkungen zum Komplex der sogenann-
ten Hyperlinks und Suchmaschinen machen. Es ist zu-
treffend, dass Regelungen zu Suchmaschinen und Hyper-
links vonseiten der Wirtschaft gefordert werden. Auch wir
wollen diese Regelungen schaffen. Ich weise aber darauf
hin, dass die damit zusammenhängenden Fragestellungen
kompliziert sind und wir nicht davon ausgehen können,
dass wir sie gleichermaßen auf die Schnelle durch die
von der CDU/CSU vorgeschlagenen Ergänzungen, die
aus meiner Sicht sowieso unzureichend sind, werden lö-
sen können. Vielmehr stand zu befürchten, dass, wenn die
den CDU/CSU-Vorschlägen gefolgt worden wäre, es zu
noch mehr und weiteren Rechtsunsicherheiten gekommen
wäre. Ich sage hier aber sehr deutlich: In Sachen Hyper-
links und Suchmaschinen haben wir noch gesetzgeberi-
schen Handlungsbedarf, dem wir uns in jedem Fall stellen
werden, auch wenn es uns jetzt noch nicht möglich ist,
entsprechende Maßnahmen durch das EGG zu treffen.
Ein weiterer umstrittener Punkt im Gesetzgebungs-
verfahren waren Haftungsfragen im Bezug auf Dienste-
anbieter. Im Kern geht es darum, dass Diensteanbieter, die
Kenntnis darüber erlangen, dass in Web-Seiten, die über
Ihre Dienste angeboten werden offensichtlich rechtswid-
rige Inhalte verbreitet werden, verpflichtet sind, diese Sei-
ten vom Netz zu nehmen bzw. sie zu sperren, sie also in-
sofern haften. Auch hier hat sich die CDU/CSU mit
Änderungsanträgen bemerkbar gemacht, die rechtlich
systemfremde Wertungen im Gesetz verursacht hätten
und den Versuch unternommen, Probleme zu regeln, die
schon geregelt sind. Die Union behauptet, mit ihren Än-
derungen zur Präzisierung beizutragen, schlägt aber dann
Formulierungsvorschläge in ihren Anträgen vor, die re-
gelrecht widersinnig sind: Um es deutlich an einem Bei-
spiel zu sagen: Es gibt in Deutschland ohnehin nur die
Kenntnis von Tatsachen und nicht auch von der Rechts-
widrigkeit. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzu-
weisen, dass bei der Aushandlung der Richtlinie selbst-
verständlich davon ausgegangen wurde, dass ein Diens-
teanbieter dann nicht haftet, wenn ihm die Sperrung tech-
nisch nicht möglich oder unzumutbar ist. Insofern
benötigen wir die hierzu von der Union beantragte soge-
nannte Klarstellung nicht und sollten hier nicht über
den Wortlaut der Richtlinie hinausgehen. Der Rechtsraum
Internet und der damit neu entstandene Begriff des
E-Commerce haben einen gesetzgeberischen Handlungs-
bedarf erzeugt, dem sich die SPD-geführte Bundesregie-
rung und auch meine Fraktion konsequent und mit Nach-
druck stellt.
Deutschland hat eine Vorreiterrolle in der Gesetzge-
bung zum E-Commerce gespielt. Beleg dafür ist zum Bei-
spiel das Signaturgesetz, das als eines der ersten seiner Art
in der EU eine elektronische Signatur als Beweismittel
einführt und das Teledienste-Gesetz, das den Handel im
Internet in Deutschland bereits weitgehend regelt und
durch das EGG jetzt lediglich weiterentwickelt wird. Da-
mit konnte die deutsche Gesetzgebung in diesem kompli-
zierten Gebiet bereits Erfahrungen sammeln und war in
der Lage, Präzedenzfälle zu schaffen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund diente das deutsche
TDG auch als eine der Vorlagen für die E-Commerce-
Richtlinie. Als Praxisvorlage konnten die Erfahrungen
mit der deutschen Rechtslage wertvolle Hinweise auf die
realisierbare Gestaltung der Richtlinie geben. Ich sprach
bereits eingangs davon: Das heutige Gesetz ist ein weite-
rer Meilenstein auf dem Weg zu einem rechtlichen Ord-
nungsrahmen, der angesichts des rasanten technischen
Fortschritts dazu führt, dass sich der elektronische Han-
del mit allen seinen Chancen für wirtschaftliches Wachs-
tum und die Schaffung von hochqualifizierten Arbeits-
plätzen in Deutschland in vollem Umfang entfalten kann.
Um den Regierenden Bürgermeister von Berlin zu zitie-
ren: Und das ist auch gut so! Also bitte ich Sie: Stimmen
sie dem vorliegenden Gesetz zu. Und an die Adresse der
Union: Hören Sie auf, dieses Gesetz permanent schlecht
zu reden.
Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Die gesamt-
wirtschaftliche Bedeutung der Internetwirtschaft ist in
den vergangenen Jahren beständig gestiegen. Trotz der
schwachen Konjunktur rechnet der Branchenverband
BITKOM auch für dieses Jahr noch mit einem Wachstum
von 4,6 Prozent. Die IT-Wirtschaft ist also einer der we-
nigen Wirtschaftszweige in Deutschland, die überhaupt
noch wachsen und damit Arbeitsplätze schaffen kann.
Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat ein so hohes In-
novationspotential. Damit dieses volkswirtschaftlich be-
deutsame Potential ausgeschöpft werden kann, bedarf es
eines ordnungspolitischen Rahmens, der durch zurück-
haltende staatliche Intervention gekennzeichnet sein
sollte. Für die Politik geht es darum, einen klaren Rechts-
rahmen zu schaffen und tunlichst alles zu unterlassen, was
die Dynamik und das Wachstum der Branche behindern
könnte. Rechtsklarheit und Sicherheit herzustellen ist die
wichtigste Aufgabe der nationalen Wirtschaftspolitik für
die globale Internetwirtschaft.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19607
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(B)
Eigentlich sollte das EGG die EU-Richtlinie über den
elektronischen Geschäftsverkehr umsetzen. Auf europä-
ischer Ebene wurde erkannt, dass die Entwicklung des
elektronischen Geschäftsverkehrs in der Informationsge-
sellschaft erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten, ins-
besondere in kleinen und mittleren Unternehmen, bietet.
In den Erwägungsgründen der Richtlinie heißt es dazu
außerdem:
Die Weiterentwicklung der Dienste der Informati-
onsgesellschaft in der Gemeinschaft wird durch eine
Reihe von rechtlichen Hemmnissen für das rei-
bungslose Funktionieren des Binnenmarktes behin-
dert, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit
und des freien Dienstleistungsverkehrs weniger at-
traktiv machen.
Folgerichtig beschlossen das Europäische Parlament
und der Rat, dass im Sinne der ungehinderten Entwick-
lung des elektronischen Geschäftsverkehrs ... dieser
Rechtsrahmen klar, unkompliziert und vorhersehbar so-
wie vereinbar mit den auf internationaler Ebene geltenden
Regeln sein müsse, um die Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Industrie nicht zu beeinträchtigen und inno-
vative Maßnahmen nicht zu behindern.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollten
Dienstleistungen in einem für sie überschaubaren Rechts-
rahmen erbringen. Rechtssicherheit sollte also ein euro-
päischer Standortvorteil sein und Wettbewerb und Inno-
vation gleichermaßen fördern. Diese Ziele sind nur zu
billigen: Start-ups haben zwar gute Ideen, nicht aber die
notwendigen finanziellen Mittel, um Heerscharen von
Anwälten zu beschäftigen, die für sie das im internationa-
len Handelsverkehr anwendbare Recht und dessen Kon-
sequenzen ermitteln. Dasselbe gilt auch für den kleinen
Winzer im Rheingau, der seinen Wein direkt über das In-
ternet europaweit vermarkten möchte.
Wenn man es ernst meint mit dem einheitlichen Bin-
nenmarkt, gleichen Markteintrittschancen und gleichen
Möglichkeiten für alle Marktteilnehmer, dann muss man
in den Zeiten des Internets vernünftige Standortbedingun-
gen gerade auch für diese Unternehmen schaffen. Trotz
des eigentlich nur noch umzusetzenden europäischen Vor-
bilds ist diese Logik der Bundesregierung leider fremd ge-
blieben.
Anhand zweier Beispiele aus dem EGG und seiner bis-
herigen Geschichte ich sage mit Bedacht bisherig,
weil eine baldige Nachbesserung zwingend ist sei das
Unverständnis einer Verwaltung und das mangelnde Inte-
resse ihrer politischen Führung illustriert. Es ist die Mori-
tat der verpassten Chancen.
Um den elektronischen Handel in der EU zu fördern,
sieht die Richtlinie vor, dass das Sachrecht aus dem Her-
kunftsland des Verkäufers auch im grenzüberschreitenden
elektronischen Handel in der EU gelten soll. Der Winzer
oder das Start-up sollten ihrem heimatlichen Recht ver-
trauen dürfen. Nur unter dieser Bedingung können klei-
nere Unternehmen einen grenzüberschreitenden Handel
betreiben. Die Reaktion der Bundesregierung war das so
genannte Günstigkeitsprinzip: Das Internationale Pri-
vatrecht sollte den Gerichtsstand und das anwendbare
Recht bestimmen, dann sollte der lokale Richter sein Er-
gebnis mit deutschem Recht vergleichen und schließlich
das für den Verkäufer günstigere Recht wählen. Konnten
Sie folgen? Das ist, was die Bundesregierung unter
Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit
versteht.
Das Ergebnis der Expertenanhörung war konsequen-
terweise auch so vernichtend, dass das BMJ für den Kol-
legen Heil sofort einen Änderungsantrag schrieb. Nun soll
deutsches Recht für den deutschen Verkäufer gelten. Soll
damit das Herkunftslandprinzip umgesetzt werden? Oder
soll damit gerade das deutsche IPR eingeführt werden?
Offensichtlich geht die von ersterem aus. Warum sie nicht
im Interesse der rechtlichen Klarheit Sachrecht statt
Recht in ihren Antrag aufgenommen hat, wie wir es in
unserem Änderungsantrag formuliert haben, obwohl sie
genau dies meinte, mag ihr Geheimnis bleiben. So hat sie
wieder ein Einfallstor für all diejenigen geöffnet, die ohne
Rücksicht auf Verluste teleologisch und manchmal auch
theologisch interpretieren. Opfer sind die Unternehmen,
die Jahre prozessieren müssen, um eine gefestigte Recht-
sprechung zu erreichen, die Menschen, die arbeiten
möchten, und der IT-Standort Deutschland. Kein Investor
liebt Rechtsunsicherheit. Rechtsunsicherheit und dies
sei einmal in Erinnerung gerufen ist Investitionsab-
schreckung.
Durch ihre schlampigen Formulierungen hat die Ko-
alition wieder einmal bewiesen, dass sie die wichtigste
Aufgabe einer Volksvertretung, eine präzise Gesetzge-
bung, nicht ernst nimmt. So wird aus Wurstigkeit und dem
Gefühl, dass schon alles irgendwie gut gehen werde, ein
Gesetzesbrei da gekocht, wo doch gerade im Interesse der
Betroffenen und des Standorts Deutschland klare Rege-
lungen angebracht wären.
Nicht viel anders sieht es mit der Begrenzung der Ver-
antwortlichkeit der Provider für fremde Inhalte aus. Man
könnte meinen, dass der Fortschritt der Technik mit der
Entwicklung der Legislation korreliere. Wer dies an-
nimmt, weiß nicht, dass die ach so technikbegeisterte,
hippe Bundesregierung mit der von ihr vorgeschlagenen
Regelung hinter § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die Nutzung
von Telediensten von 1997 ich wiederhole: von 1997
zurückgeblieben ist. Während sich die Taktfrequenz von
PCs in dieser Zeit verfünffacht hat, droht sich das Recht
zurückzuentwickeln.
Worum geht es? Anbieter von Telediensten sollen nur
dann für fremde rechtswidrige Inhalte verantwortlich
sein, wenn sie diese und ihre Rechtswidrigkeit kannten
und wenn eine Sperrung dieser Inhalte technisch möglich
und zumutbar ist. Dies ist eine ausgewogene Lösung, aber
diese Regierung macht ja bekanntlich fast alles anders
und nichts besser. So kam sie auf die Idee, die Anbieter
von Telediensten auch dann für fremde Inhalte verant-
wortlich zu machen, wenn diese nicht die technischen
Möglichkeiten haben, rechtswidrige Inhalte zu löschen.
Die Unternehmen sind also für einen Zustand verantwort-
lich, den sie einerseits nicht herbeigeführt haben und an-
dererseits nicht beheben können. Solche gesetzlichen Re-
gelungen zeugen von einer handwerklichen Schwäche,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119608
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die nur noch von dem Desinteresse an der Materie über-
troffen wird.
Sie sehen, Murks auf er ganzen Linie. Für die baldige
Nachbesserung möchte ich daher schon jetzt die Einbe-
ziehung einer Regelung für die Verantwortlichkeit von
Betreibern von Suchmaschinen und für Hyperlinks for-
dern. Gleichfalls sollte sich die Bundesregierung schon
jetzt Gedanken über das Verhältnis der allgemeinen Stö-
rerhaftung zu den Vorschriften des TDG machen. Recht-
liche Klarheit in diesen Fragen ist für die Weiterentwick-
lung des Internet unabdingbar.
Ich hoffe sehr, dass wir dann beim nächsten Mal fach-
lich sachlich über einen handwerklich soliden Entwurf
sprechen können für die Zukunfts- und Wettbewerbs-
fähigkeit der Branche.
Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir
verabschieden heute das Elektronische Geschäftsver-
kehrsgesetz. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Bestandteil
des Ordnungsrahmens, den die Koalition für die Wirt-
schaft in der Informationsgesellschaft schafft.
Die Wirtschaft hat in den letzten Wochen Kritik hin-
sichtlich der Fragen der Providerverantwortlichkeit
geübt. Im Gesetz ist das klar geregelt. Provider sind nach
§ 8 nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder
gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach
Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätig-
keit hinweisen. Verantwortlich sind sie nach § 11 nur
dann, wenn sie Kenntnis von entsprechenden Inhalten ha-
ben. Die Unterscheidung von Kenntnis und tatsächlicher
Kenntnis erscheint nicht logisch. Wir werden die Rechts-
anwendung sehr intensiv beobachten und bleiben im Ge-
spräch mit den betroffenen Unternehmen. Derzeit schei-
nen uns die geäußerten Bedenken nicht stichhaltig zu sein.
Zugleich diskutieren wir den Antrag Deutschlands
Wirtschaft in der Informationsgesellschaft, den wir An-
fang des Jahres in den Deutschen Bundestag eingebracht
haben. Nach wie vor befinden wir uns in einem dyna-
mischen Strukturwandel zur Informationsgesellschaft.
Nach den aktuellen Daten des Fachverbandes Bitkom
wird der deutsche Markt für Informationstechnik und
Telekommunikation im laufenden Jahr um 4,6 Prozent
wachsen. 2002 rechnet Bitkom mit einer Steigerung
um 4,9 Prozent auf 267 Milliarden DM. Treibende Kraft
sind zurzeit Software (+ 10 Prozent), informations-
technische Dienstleistungen (+ 10 Prozent), Mobilfunk-
dienste (+ 15 Prozent) sowie Internet- und Onlinedienste
(+ 40 Prozent).
Das Einbrechen der Aktienkurse bei vielen Unterneh-
men hat viel mit der Korrektur übertriebener Erwartungen
zu tun. Diese These wird auch durch die Entwicklung der
Beschäftigung bei den am Neuen Markt gelisteten Unter-
nehmen gestützt. Obwohl wir hier seit dem Herbst letzten
Jahres dramatische Kursverluste zu verzeichnen haben, hat
die Beschäftigung weiterhin zugenommen. Roland Berger
hat diese Effekte im Auftrag des Bundeswirtschaftsmini-
steriums untersucht. Bis zum Stichtag der Studie im Juli
diesen Jahres sind in den Unternehmen des Neuen Mark-
tes noch 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden.
Natürlich sind wir uns der Probleme bewusst in denen sich
viele Unternehmen befinden. Aber gegenwärtig wird die
Lage vielfach negativer dargestellt als sie ist.
Die Kurseinbrüche haben zu einer dramatischen Ver-
schlechterung der Finanzierungsbedingungen für Grün-
der gerade im Bereich des Internet geführt. Die Finanz-
märkte reagieren hier in einer Weise zyklisch, die alles
andere als rational ist. Auch gute Unternehmensideen ha-
ben es heute schwer, Beteiligungskapital zu finden. Das
Engagement der Förderbanken des Bundes im Bereich
der Unternehmensfinanzierung bleibt deshalb wichtig.
Die bundeseigene tbg hat deshalb in dem Programm
BTU-Frühphase wichtige neue Fördermöglichkeiten
geschaffen.
Aufwendungen zur Finanzierung der Gründung einer
Gesellschaft wie z. B. die Erarbeitung des Business-Pla-
nes können gefördert werden. Mit Unterstützung des
Bundeswirtschaftsministeriums beteiligt sich die tbg in
eigenkapitalähnlicher Form als Genussrechtskapital mit
bis zu 150 000 Euro.
Internet- und Onlinedienste werden in diesem Jahr mit
20 Prozent wachsen. Bis 2003 steigt die Zahl der Inter-
netnutzer jährlich um 21 Prozent; dann wird regelmäßig
jeder zweite Deutsche das Netz nutzen.
In ihrem Herbstgutachten gehen die führenden Wirt-
schaftsforschungsinstitute davon aus, dass die Informa-
tions- und Kommunikationsbranche der Wirtschaft schon
bald kräftige Wachstumsimpulse geben wird. Nach wie
vor haben wir einen Mangel an IT-Spezialisten. Mindes-
tens 30 000 Arbeitsplätze von IT-Spezialisten können der-
zeit nicht besetzt werden. Trotz steigender Absolventen-
zahlen der Hochschulen und Fachhochschulen und
Investitionen der Bundesanstalt für Arbeit in die Um-
schulung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen
sind wir über Jahre auf Fachkräfte aus dem Ausland
angewiesen. Wir brauchen nach wie vor die Greencard-
Regelung und wir brauchen dringend das Einwande-
rungsgesetz.
Bündnis 90/ Die Grünen treten für die Chancen kleiner
und mittlerer Unternehmen und für fairen Wettbewerb
ein. Gerade in der Informations- und Kommunikations-
technologie brauchen wir hier einen klaren Wettbewerbs-
rahmen. Es handelt sich um Netzwerktechnologien, in de-
nen die Gefahr marktbeherrschender Stellungen und ihres
Missbrauchs besonders groß ist. Die EU-Kommission
muss das Verfahren gegen Microsoft sehr sorgfältig
durchführen. Immer wieder hat Microsoft seine marktbe-
herrschende Stellung dazu missbraucht, Konkurrenten
aus dem Markt zu drängen. Das ist nicht länger akzep-
tabel.
Open Source ist die billigere, kundenfreundlichere
und sicherere Alternative. Der offene Quellcode ermög-
licht Kompatibilität und Wettbewerb. Deswegen treten
Bündnis 90/ Die Grünen entschieden dafür ein, im Deut-
schen Bundestag Open Source einzuführen.
Software als solche ist nicht patentierbar. Diese Rege-
lung ist sinnvoll. Softwarepatente behindern freie Software
und kleine und mittlere Unternehmen. Eine Richtlinie der
Europäischen Kommission, die die Patentierbarkeit von
Software ausweiten werden, werden wir ablehnen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19609
(C)
(D)
(A)
(B)
Rainer Funke (FDP): Mit dem wirtschaftlich und
rechtlich erstrebten Ziel, die E-Commerce-Richtlinien
des Europäischen Parlaments und des Rates in nationales
Recht umzusetzen, stimmt die FDP-Fraktion im Prinzip
überein. Wie jedoch diese Richtlinie umgesetzt worden
ist, begegnet großem Zweifel. Zunächst hatte die Bundes-
regierung das Herkunftslandprinzip, aus welchen Grün-
den auch immer, nicht ordnungsgemäß in nationales
Recht umgesetzt. Dies konnte im Zuge der parlamentari-
schen Beratungen geändert werden, wenn auch nicht im
vollen Umfang befriedigend. Allein der Hinweis auf deut-
sches Recht löst Konfliktsituationen im internationalen
Privatrecht nicht, besser wäre ein Hinweis auf die inner-
staatlichen Sachvorschriften gewesen. Letztlich werden
diese Fragen die Gerichte zu entscheiden haben.
Ähnlich unklar bleiben einzelne Regelungen des Haf-
tungsrechts. Da es Zielsetzung der EU-Richtlinie und des
EGG ist, Hemmnisse der Weiterentwicklung der Dienste
der Informationsgesellschaft zu beseitigen Erwägungs-
grund 1 der Richtlinie , die Wettbewerbsfähigkeit der eu-
ropäischen Wirtschaft zu stärken Erwägungsgrund 2
und Rechtssicherheit zu erreichen Erwägungsgrund 7
wäre es angebracht gewesen, auch das Ausmaß der Haf-
tung der Diensteanbieter für Inhalte klarer als bisher zu re-
geln.
Der Hinweis der Regierung, dass die Haftungsregelun-
gen später einmal im Teledienstgesetz präzisiert werden
sollen, ist für die jetzige Situation wenig hilfreich. So wird
es nach wie vor unterschiedliche Rechtsprechungen ge-
ben und wird auch zu Verunsicherungen der Dienste-
anbieter führen.
Insoweit wäre es hilfreich gewesen, die Anträge der
CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion im feder-
führenden Wirtschaftsausschuss anzunehmen. Aber was
nicht von der Regierung kommt, findet wenig Akzeptanz
und wird in Bausch und Bogen verworfen.
Ursula Lötzer (PDS): In Rezessionszeiten wie
gegenwärtig muss sich auch die Informations- und Te-
lekommunikationsbranche auf stagnierende Erträge ein-
stellen. Deutlich ist, dass die Zeiten zweistelliger Wachs-
tumsraten nur ein Intermezzo waren. Immerhin geht die
Branche für dieses Jahr noch von einem zweiprozentigen
Beschäftigungswachstum aus. Zwar muss auch dies nach
über 10 Prozent im Jahr 2000 als Einbruch bezeichnet
werden, aber immerhin gehört die Branche zu den weni-
gen, in der gegenwärtig insgesamt kein massiver Be-
schäftigungsabbau geplant ist.
Der bescheidene Zuwachs verstellt allerdings leicht
den Blick darauf, dass es im Hardware-Bereich sowie bei
Mobiltelefon-Infrastruktur und -Endgeräten schon dieses
Jahr zu deutlichen Beschäftigungseinbußen kommen
wird. Wie hart die Personaleinschnitte ausfallen werden,
wird darüber entscheiden, ob wenigstens noch ein gerin-
ger Arbeitsplatzzuwachs in der Branche erreicht wird.
Mittlerweile ist Gewissheit, was ich bereits im Juni zur
ersten Lesung ausführte: Der prognostizierte Umsatz-
wachstum der Branche von 8,5 Prozent wird beim nahen-
den Konjunktureinbruch den wir inzwischen haben
nicht zu halten sein.
Leider hat sich das Gesetz für den Elektronischen Ge-
schäftsverkehr, über das wir heute zu entscheiden haben,
im Gesetzgebungsverfahren nach der ersten Lesung noch
verschlechtert.
Wir bewerteten die Einschränkungen des Herkunfts-
landprinzips für den B-to-C-Bereich in der ersten Lesung
positiv und schlugen vor, dass Herkunftslandprinzip im
Sinne des Verbraucherschutzes des privaten Käufers in
ein generelles Günstigkeitsprinzip umzuwandeln. So
hätte die Bundesrepublik als ein Land, das zu den um-
satzstärksten E-Commerce Ländern in Europa gehört, ei-
nen Wettbewerbsdruck für einen hohen Verbraucher-
schutz in der Internetwelt auslösen können. Diese Chance
wurde vertan und nunmehr besteht die Gefahr, dass das
Gesetz ein race-to-the-bottom des europäischen Ver-
braucherschutz im Online-Handel verursacht.
Auch unsere Vorschläge, die auf Verbesserungen der
Datenschutzbestimmungen abzielten, wurden von den
Koalitionsfraktionen nicht aufgenommen. Dies ist auch
der Grund, warum wir dem Gesetz nicht zustimmen. Die
bisherige Verpflichtung der Anbieters, personenbezo-
gene Daten über den Ablauf des Zugriffs und die Nutzung
nach der Beendigung zu löschen, werden durch das Ge-
setz aufgegeben. Für unhaltbar halten wir auch den Um-
gang mit Nutzungsdaten. Wenn Nutzer künftig der Er-
stellung von Nutzungsprofilen nicht widersprechen,
dürfen solche erstellt werden. Seine Einwilligung ist
nach dem EGG jetzt nicht erforderlich. Da im Ände-
rungsantrag, den die CDU/CSU in den mitberatenden In-
nenausschuss einbrachte, eine Zustimmung des Nutzers
vorgesehen war, wäre dies durchaus im Sinne unseres
Anliegens und damit unsererseits zu unterstützen gewe-
sen. Aber leider verließ die CDU/CSU aus Gründen,
über die spekuliert werden darf die Courage im feder-
führenden Wirtschaftsausschuss bereits wieder und sie
ließen ihren Änderungsantrag hier nicht mehr zur Ab-
stimmung stellen.
Somit wird es dabei bleiben, dass das EGG einen
Rückschritt im Datenschutz bedeutet und auch mit dem
Gebot der Datensparsamkeit nicht vereinbar ist.
Solange die Bundesregierung nicht in Rechnung stellt,
dass die Entwicklung des elektronischen Geschäftsver-
kehrs höheren Datenschutz und keine Einschränkungen
erfordert, so lange werden die falschen Weichen gestellt,
da sich das elementare Erfordernis nicht einstellen wird,
nämlich das Vertrauen der Verbraucherinnen und Ver-
braucher.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie: Deutschlands
Wirtschaft ist auf dem Weg in die Informationsgesell-
schaft. E-Business rückt immer mehr in das Zentrum von
Unternehmensstrategien in Großkonzernen und immer
mehr auch in KMU. Das Internet hat sich als Quer-
schnittstechnologie endgültig durchgesetzt und übt am
Markt einen starken Veränderungsdruck in Richtung Di-
gitalisierung aus.
Trotz der scheinbaren Flaute der New Economy in
Wirklichkeit handelt es sich um eine Normalisierung, die
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nach dem Anfangs-Hype unumgänglich war hat die In-
ternetwirtschaft weiterhin sehr gute Geschäftsperspekti-
ven. In der kürzlich veröffentlichten Prognose des
IuK-Branchenverbandes Bitkom wird zum Beispiel für
Internet- und Onlinedienste ein Zuwachs von 40 Prozent
in 2001 erwartet. E-Commerce wird immer wichtiger.
Hierbei hat Deutschland mit knapp 30 Prozent Markt-
anteil eine Führungsstellung in Europa zu verteidigen, die
es auch verteidigen wird.
Wichtig ist für uns auch, dass sich die Informations-
wirtschaft zu einem bedeutenden Beschäftigungsmotor
entwickelt hat. Bei den guten Geschäftsperspektiven im
IT-Dienstleistungsbereich ist es auch gar nicht verwun-
derlich, dass viele IT-Firmen wieder verstärkt einstellen
wollen. Umfragen zufolge will 2002 jedes zweite Unter-
nehmen sein Personal aufstocken.
Nicht einmal jedes zwanzigste will abbauen.
Um so wichtiger ist es, dass auch weiterhin hoch qua-
lifizierte IT-Experten mit der Greencard nach Deutsch-
land kommen. Die Bundesregierung hat kürzlich die
zweite Tranche für weitere 10 000 Greencards freigege-
ben. Wichtig und richtig ist es auch, den Greencard-Inha-
bern und ihren Arbeitgebern eine längerfristige Perspek-
tive bieten zu können. Dies ist bisher nicht der Fall, da die
Arbeitserlaubnisse befristet sind. Daher sieht der von der
Bundesregierung beschlossene Entwurf eines Zuwande-
rungsgesetzes einen Anspruch auf Daueraufenthalt nach
Ablauf von fünf Jahren vor.
Bei der Diskussion über neue IT-Arbeitsplätze dürfen
wir nicht vergessen, dass die große Menge an bestehen-
den Arbeitsplätzen in allen Branchen, die durch die Di-
gitalisierung am Standort Deutschland gesichert wird, in
den Statistiken gar nicht auftaucht. Es geht also nicht
um die immer dominantere Rolle einer Branche. Es geht
um die Stärkung unserer gesamten Wirtschaft. Es geht
aber auch um die Veränderung von Staat und Gesell-
schaft.
Die Bundesregierung hat sich den politischen Heraus-
forderungen gestellt, die der rasche Wandel zur Informa-
tionsgesellschaft mit sich bringt. Als ganz zentrales Kri-
terium haben wir uns dabei die Teilhabe aller an der
Informationsgesellschaft zum Ziel gesetzt. Mit mehreren
Förder- und Informationskampagnen unter dem Motto
Internet für alle bemühen wir uns daher intensiv, bisher
unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen an die neuen
Medien heranzuführen. Ich bin sicher, dass es uns so ge-
lingen wird, die digitale Spaltung unser Gesellschaft in
Nutzer und Nichtnutzer zu vermeiden.
Wirtschaftspolitisch ist die Schaffung eines verlässli-
chen Ordnungsrahmens vordringliches Ziel. Nur so kön-
nen wir vertrauen und Rechtssicherheit im Netz aufbauen,
die als Grundlage für kommerzielle Transaktionen im In-
ternet unabdingbar sind. Zwei Meilensteine sind dabei das
Gesetz zur digitalen Signatur, das ja schon im Mai in Kraft
getreten ist, und das Gesetz über den elektronischen Ge-
schäftsverkehr, EGG, dessen Entwurf heute abschließend
beraten wird. Wir werden damit die europäischen Vorga-
ben der E-Commerce-Richtlinie, die wir maßgeblich mit-
bestimmt haben, fristgerecht umsetzen und zugleich den
Datenschutz verbessern. Das EGG wird einen innovati-
onsfördernden Rahmen für die Wirtschaft schaffen und
gleichzeitig die Verbraucher schützen beides wichtige
Voraussetzungen, für ein nachhältiges Wachstum des
E-Commerce.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal die
wichtigsten Punkte herausgreifen: Mit dem Herkunfts-
landprinzip schaffen wir Rechtsklarheit für die Anbieter.
Für Diensteanbieter gelten in Zukunft grundsätzlich nur
die Anforderungen des Landes, in dem sie niedergelassen
sind, auch wenn sie ihre Dienste anderswo in Europa an-
bieten. Ich begrüße es, dass wir hier eine einvernehmliche
Regelung erzielt haben. Dazu hat auch die Sachverständi-
genanhörung des federführenden Wirtschaftsausschusses
wesentlich beigetragen.
Bei den für den Schutz der Verbraucher wichtigen In-
formationspflichten werden die gleichen Standards wie
im traditionellen Geschäftsverkehr gelten. Die Vorschrif-
ten zur Verantwortlichkeit werden hierzu im Sinne einer
europaweiten Vollharmonisierung eng am Wortlaut der
Richtlinie umgesetzt.
Der Datenschutz ist ein herausragender Wettbewerbs-
faktor und eine essenzielle Grundlage für das Vertrauen
der Verbraucher in die neuen Dienste. Das Telediens-
te-Datenschutzgesetz regelt dazu Pflichten und Befug-
nisse der Diensteanbieter im Umgang mit den persönli-
chen Daten der Nutzer. Dabei setzen wir ein hohes
Schutzniveau durch. Besonders im Bereich der neuen
Dienste spielen Kundendaten eine wichtige Rolle als
Wirtschaftsgut. Dies ist in Ordnung, solange der Nutzer
über das Instrument der Einwilligung die Kontrolle über
die Verwertung dieser Daten behält. Diese Einwilligung
kann elektronisch erfolgen, und zwar über Verfahren, die
für die Diensteanbieter praktikabel sind, zugleich aber
für die Verbraucher die erforderliche Sicherheit
gewährleisten. Neue Bußgeldbestimmungen werden die
Beachtung der Datenschutzvorschriften nachhaltig un-
terstützen.
Mit den Ländern ich betone: mit allen Ländern be-
steht Einvernehmen, dass die Vorschriften des Telediens-
te-Gesetzes und des Teledienste-Datenschutz-Gesetzes
wort- und inhaltsgleich in den Mediendienste-Staatsver-
trag, übernommen werden. Damit erreichen wir ein ein-
heitliches Regelwerk für die Tele- und Mediendienste. In-
sofern erwarte ich, dass das Gesetz auch im zweiten
Bundesratsdurchgang breite Unterstützung erhält.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollte eigentlich
auch dem Deutschen Bundestag allseitige Unterstützung
möglich sein, um die ich Sie bitten möchte.
Das EGG ist entscheidender Baustein eines vertrauen-
schaffenden Rahmens für elektronischen Handel, an dem
wir auch künftig arbeiten müssen. Ich erwähne hier nur
den Bereich der IT-Sicherheit, der ja nach dem 11. Sep-
tember eine ganz neue Dimension erhalten hat. Die Bun-
desregierung wird ihrer Verantwortung für Deutschlands
Weg in die Informationsgesellschaft auch in Zukunft ge-
recht werden. Und sie wird damit Deutschlands Wirt-
schaft und Gesellschaft eine vielversprechende Perspek-
tive für das 21. Jahrhundert eröffnen.
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Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Gesetzentwurfs: Verlängerung
von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfe-
gesetz und der Anträge:
Fördern und Fordern Sozialhilfe modern ge-
stalten
Eine Grundsicherung in der Arbeitslosenver-
sicherung einführen
Die Sozialhilfe armutsfest gestalten
(Tagesordnungspunkt 31 und Zusatztagesord-
nungspunkte 15 bis 17)
Brigitte Lange (SPD): Die Anforderungen an die
Sozialhilfe haben sich verändert. Das ist ablesbar an der
Empfängerstruktur: Alleinerziehende machen fast die
Hälfte aller Haushalte aus, die Hilfe zum Lebensunter-
halt benötigen, ein Drittel aller Bezieher sind Kinder und
Jugendliche. Die Hauptursache für Sozialhilfebezug, Ar-
beitslosigkeit, hat sich im Laufe der 90er-Jahre verfestigt.
1999 waren 24,5 Prozent (690 000), ein Jahr später
22,5 Prozent (606 000) aller Bezieher arbeitslos, aller-
dings 44 Prozent aller Bezieher zwischen 18 und 60 Jah-
ren. Die Diskussion darüber berücksichtigt meist nicht die
hohe Fluktuation unter den Sozialhilfebeziehern. Die
durchschnittliche Verweildauer betrug Ende 1999 weni-
ger als 2½ Jahre. Knapp die Hälfte waren Kurzzeitbezie-
her. Über 50 Prozent der Ehepaare mit Kindern und rund
44 Prozent der Alleinerziehenden waren nach weniger als
einem Jahr wieder unabhängig von Sozialhilfe.
Der Armuts- und Reichtumsbericht belegt, dass
prekäre Lebenssituationen in aller Regel durch vielfältige,
meist gleichzeitig auftretende Probleme geprägt sind. Es
fehlt nicht nur die Arbeitsstelle, sondern ein ganzer Kanon
aus Überschuldung, zu teueren Mieten, schlechtem
Wohnumfeld, mangelnder Ausbildung und Qualifikation,
unzureichender Kinderbetreuung oder Suchtproblemen
begünstigt den Prozess des sozialen Abstiegs und sozialer
Ausgrenzung. Es geht darum, Konsequenzen aus den Er-
fahrungen der letzten Jahre zu ziehen, dass zur Überwin-
dung von Sozialhilfebedürftigkeit mehr nötig ist als die
Überweisung der Geldleistung. Betroffene brauchen Be-
ratung, Unterstützung und Begleitung, die an ihrer indi-
viduellen Lebenslage orientiert aus einer Hand ange-
boten werden sollen. Das erfordert Umdenken in der
Sozialhilfepraxis. Es geht um eine komplexere Art der
Dienstleistung, um gegenseitig andere Erwartungen. Es
geht darum, Menschen in Armut durch Mobilisierung ih-
rer schöpferischen Fähigkeiten und Kräfte selbst zu Trä-
gern der Verbesserung werden zu lassen und nicht zu
bloßen Beteiligten eines von außen an sie herangetra-
genen Vorhabens, wie Minister Riester es kürzlich formu-
lierte. Es geht darum, bereits im BSHG vorhandene In-
strumente aufzupolieren, in Erinnerung zu rufen, zu
ihrer Nutzung und Vernetzung anzuregen und den geän-
derten Anforderungen entsprechende neue hinzuzufügen,
wie zum Beispiel Möglichkeiten der beruflichen Qualifi-
kation.
Es geht darum, diesen Zielen entsprechende Verwal-
tungsabläufe gesetzlich zu unterstützen, und es geht uns
sehr darum, die Bereitschaft von Arbeitsämtern, Sozial-
und Jugendämtern (!) zu stärken, mehr als bisher das
heißt flächendeckend zu kooperieren. Und es geht da-
rum, Länder und Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Insti-
tutionen und Initiativen an dem Reformprozess zu betei-
ligen. Auch deshalb legen wir unseren Antrag zu einer
Strukturreform jetzt vor. Die medienweite Wisconsinsche
Sommerloch-Debatte offenbarte vielen überraschend
deutlich, was in unserem Land bereits möglich ist; wie
viele Städte und Kreise kreativ und erfolgreich mit den
vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten arbeiten, wel-
che neuen Formen der Beratung und vielfältigen Modelle
zur Integration in Beschäftigung Bundesländer ent-
wickelten und weiter entwickeln. Die angekündigte Re-
form ist keine Aufforderung zum Stillstand, sondern zum
Wettbewerb um die besten Lösungen. Die Bundesregie-
rung bereitet seit Regierungsbeginn durch Änderungen
im BSHG und in zeitlich begrenzten Modellen, die wis-
senschaftlich begleitet sind, fundierte Grundlagen für die
Ausfüllung der Reform-Eckpunkte vor.
Nicht nur Fachleute wissen, dass sich Sozialhilfe we-
der für Schnellschüsse noch für Blindflüge eignet. Des-
halb halten wir es für vertretbar, den seit 1993 bestehen-
den Auftrag, Regelsätze und ihre Fortschreibung neu zu
justieren, noch einmal zu vertagen, um belastbare Ergeb-
nisse aus den laufenden Pauschalierungsmodellen in die
Gestaltung der Regelsätze einzubeziehen und damit ein
schlüssiges Gesamtkonzept zu ermöglichen. Deswegen
muss auch die Übergangsregelung zur Fortschreibung der
Regelsätze bis 2004 verlängert werden. Bis dahin werden
die Regelsätze weiter wie die Renten erhöht. Uns ist be-
wusst, dass diese nochmalige Verlängerung auf Kritik
stößt. Dennoch führte nach Berechnungen des Ministe-
riums die Fortschreibung der Regelsätze in den vergan-
gen Jahren insgesamt nicht zu einem Kaufkraftverlust bei
den Sozialhilfeempfängern. Die Verlängerung der Über-
gangsregelung zur Erhöhung der Regelsätze ist Gegen-
stand des vorliegenden Gesetzentwurfes. Vorrangiges
Ziel unserer Politik ist es, zu vermeiden, dass Menschen
überhaupt sozialhilfebedürftig werden. Da hat sich in den
90er-Jahren ein beträchtlicher Nachholbedarf entwickelt.
Der Armuts- und Reichtumsbericht dokumentiert die De-
fizite in der Familienpolitik bis 1998.
Die vorgefundene Situation bei der Regierungsüber-
nahme von Rot-Grün war höchst unerfreulich: 1998 hatte
die Zahl der Sozialhilfeempfänger einen Höchststand von
2,9 Millionen Menschen erreicht: eine Verdreifachung
seit 1980 und überwiegend in der Regierungszeit von
CDU/CSU und FDP!
Unsere Reformen haben dazu beigetragen, diese Zahl
kontinuierlich zu senken: Seit 1998 um 8 Prozent, das
sind 219 000 weniger. Wir haben den Steuerfreibetrag er-
höht und den Eingangssteuersatz gesenkt. Die Familie ei-
nes Durchschnittsverdieners mit 2 Kindern hat in diesem
Jahr 2 200 Mark mehr im Portemonnaie als 1998. Wir ha-
ben das Kindergeld von 220 auf 270, und zum 1. Januar
2002 auf 300 Mark erhöht. Wir haben das Wohngeld er-
höht und erreichen mit der Förderung 400 000 Haushalte
zusätzlich. Unsere Reform des BAföG verbessert die
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Situation studierender Eltern, insbesondere Alleinerzie-
hender. Wir haben durch das Teilzeitgesetz die Vereinbar-
keit von Beruf und Familie erleichtert. Mehr Mütter und
Väter als bisher können erwerbstätig bleiben. Wir haben
mit JUMP über 330 000 Jugendliche in Qualifizierung,
Ausbildung und Arbeit gebracht. Wir haben dazu beige-
tragen, dass die Arbeitslosigkeit von Älteren und Schwer-
behinderten zurückgegangen ist.
Diesen Weg der Entlastung von Familien mit Kindern
und der aktiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik
gehen wir weiter. Denn wir wissen: Er ist der beste, um
Sozialhilfebedürftigkeit erst gar nicht entstehen zu lassen.
Das gilt besonders für die über 1 Million Kinder und Ju-
gendlichen, die mit ihren Eltern von Sozialhilfe leben, in
der Regel übrigens von ergänzender Sozialhilfe. Entge-
gen landläufiger Meinung weist eine DGB-Studie darauf
hin, dass das Sozialhilferisiko keinesfalls proportional mit
der Familiengröße steigt. Aber die Zahl allein erziehender
Frauen ist doppelt so groß wie die der Ehepaare mit Kin-
dern insgesamt. Ihr hoher Anteil erklärt sich vor allem da-
raus, dass sie wegen unzureichender Kinderbetreuungs-
möglichkeiten kaum erwerbstätig werden können. Wir
brauchen Ganztagseinrichtungen, nicht nur im Interesse
der Alleinerziehende oder Elternpaare, sondern vor allem
auch im Interesse der Kinder! Das würde den Anteil von
Kindern in der Sozialhilfe erheblich reduzieren. Ergän-
zend sind praktikable finanzielle Lösungen gefragt, die
(vorrangig) verhindern, dass Eltern allein deshalb, weil
sie Kinder haben, in die Sozialhilfe abgleiten. Dafür exis-
tieren eine Reihe von Vorschlägen, die geprüft und umge-
setzt werden sollen.
Zwei weitere Gesetze haben das Sozialhilferisiko er-
heblich vermindert. Das Gesetz zur Pflegeversicherung,
das 1994 von Regierung und Opposition gemeinsam be-
schlossen wurde, erspart seitdem vielen Pflegebe-
dürftigen den Weg zum Sozialamt. Durch die Grund-
sicherung für ältere Menschen und Personen mit
dauerhafter Erwerbsminderung ab 2003 wird die Zahl der
Hilfebedürftigen in der Sozialhilfe weiter sinken.
Mit unseren im Antrag benannten 6 Eckpunkten setz-
ten wir den Weg einer Strukturreform fort. Wir wollen
Erstens finanzielle Leistungen transparent und bedarfsge-
recht weiter entwickeln und zweitens die Selbstverant-
wortung des Hilfeempfängers stärken und Verwaltung
vereinfachen Die Abgrenzung laufender und einmaliger
Leistungen verunsichert und bevormundet Hilfebezieher,
beschäftigt Verwaltungen und ist Quell langwieriger ge-
richtlicher Auseinandersetzungen.
Besser wäre eine Art integrierter Gesamtpauschale. Sie
überlässt Hilfebeziehern die Dispositionsfreiheit für ihr
Budget, vereinfacht Verwaltungshandeln und schafft
Rechtssicherheit. Über die Pauschale hinaus muss die be-
darfsgerechte Berücksichtigung der Besonderheiten des
Einzelfalls gesichert sein. Es ist deshalb sinnvoll, die
Neukonzeption der Regelsätze zusammen mit der Aus-
wertung der 50 Modellvorhaben zur Pauschalierung
vorzunehmen, um eine gerechte und tragfähige Lösung zu
erreichen. Drittens geht es uns um aktivierende Instru-
mente und Leistungen, die viertens die Integration in den
Arbeitsmarkt fördern.
Unser vorrangiges Ziel, Menschen so zügig wie mög-
lich wieder in Arbeit zu bringen, erreichen wir nur dann,
wenn sie als Partner in die Hilfeplanung einbezogen wer-
den. Mehr Druck und Repression sind nicht zielführend.
Wir wollen Hilfe auf gleicher Augenhöhe. Individuelle
Beratung, Hilfeplanung, Fall-Management aus einer
Hand sind zentrale Elemente einer Förderkette, wie sie
das neue Job-Aqtiv-Gesetz vorsieht. Diesen von den Ex-
perten in der Anhörung als sehr positiv bewerteten Weg
wollen wir auch in der Sozialhilfe gehen. Unser Prinzip
heißt: Fördern und Fordern Dies beinhaltet durchaus im
Einzelfall, mit den Sanktionsinstrumenten zu arbeiten,
wenn jemand die Arbeitsaufnahme verweigert. Diese
Instrumente müssen nicht erst neu erfunden werden, sie
bestehen schon bisher und werden von den Kommunen
auch angewandt.
Wir wollen vermeiden, dass Menschen in der Sozial-
hilfe resignieren. Wir sehen uns in der Verpflichtung, ih-
nen von Anfang an Hilfen zu geben und sie zu befähigen,
ihren Weg selbst zu gehen. Die persönliche Hilfe und die
Hilfe zur Selbsthilfe sind wichtige Prinzipien, die sich
auch bisher schon im BSHG finden. Sie müssen deutlich
mehr als bisher praktiziert werden können. Die Zusam-
menlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird uns als
Patentrezept verkauft. Manche haben es sehr eilig damit.
Ineffiziente Doppelzuständigkeiten sind ein Hauptargu-
ment das allerdings ein Blick in die Statistik relativiert:
Nur 280 000 Arbeitslosenhilfebezieher sind auf ergän-
zende Sozialhilfe angewiesen, weniger als ein Fünftel!
Gleichwohl wir verschließen uns keiner Diskussion da-
rüber, wie im Interesse der betroffenen Menschen die
Integration in den Arbeitsmarkt zügiger und effizienter or-
ganisiert werden kann. Aber wir halten wenig von so ge-
nannten Patentrezepten, und gar nichts von einer über-
stürzten Verordnung, ohne überhaupt die Wirkung,
geschweige denn Nebenwirkung und Risiken zu kennen.
Wir unterstützen hingegen die sorgfältige und praxis-
orientierte Vorgehensweise der Bundesregierung, in
30 Modellen (MoZArt) quer durch die Republik, die Bün-
delung der Stärken beider Systeme unter dem Gesichts-
punkt erproben zu lassen, was der einzelne Arbeitslose in
Bezug auf seine Lebenslage, auf seine Qualifikation und
auf seine Leistungsfähigkeit zur Integration in den Ar-
beitsmarkt benötigt.
Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit seit dem letz-
ten Jahr für alle Arbeits- und Sozialämter verbindlich
vorgeschrieben. An den erweiterten Möglichkeiten von
MoZArt, das heißt Datenaustausch, Beratung und Leis-
tungen aus einer Hand, gegenseitige Nutzung der Instru-
mente (Experimentierklausel), können auch die Arbeits-
und Sozialämter teilnehmen, die ohne finanzielle Förde-
rung des Bundes dieses Modell erproben wollen. Fünf-
tens. Wir wollen Länder und Kommunen bei der er-
forderlichen Verwaltungsmodernisierung unterstützen.
Aktivierende Maßnahmen zur Überwindung von Sozial-
hilfebedürftigkeit brauchen aussagekräftige statistische
Grundlagen, die bisher fehlen. Sie sind nötig für zielge-
naue Planung und Steuerung auf kommunaler Ebene, aber
auch als Grundlage für die Entscheidungen in Politik und
Gesetzgebung. Weniger Verwaltungs- mehr personenbe-
zogene Dienstleistung in den Sozialämtern müssen durch
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rechtliche Rahmenbedingungen ermöglicht und gefördert
werden. Der letzte Eckpunkt sieht die Einordnung des
BSHG in das Sozialgesetzbuch vor. Es geht um die syste-
matische und begriffliche Übereinstimmung mit den an-
deren Büchern des SGB und soll der Rechtsklarheit die-
nen. Unser Reform-Konzept ist eine ideale Ergänzung zu
unserem Job-Aqtiv-Gesetz. Beide werden dazu beitragen,
Sozialhilfebedürftigkeit zu verhindern und Bezugszeiten
zu verkürzen.
Mit dieser Strukturreform der Sozialhilfe werden wir
finanzielle Leistungen transparent und bedarfsgerecht
weiter entwickeln, die Selbstverantwortung des Hilfe-
empfängers stärken, Verwaltung vereinfachen, die akti-
vierenden Instrumente der Sozialhilfe verbessern und die
Integration in den Arbeitsmarkt fördern. Wir haben diese
Legislaturperiode genutzt, um die wesentlichen Vorarbei-
ten für diese Reform zu leisten.
Die Bundesregierung hat den Armuts- und Reichtums-
bericht vorgelegt und damit die Grundlage für eine am Le-
benslagenkonzept orientierte Reform. Mit dem vorliegen-
den Gesetz verlängern wir erweiterte Möglichkeiten zur
Gewährung von Lohnkostenzuschüssen, wenn Sozialhil-
febezieher eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit
auf dem ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Wir haben die
Modellversuche zur Zusammenarbeit von Arbeits- und
Sozialämtern, zur Pauschalierung und zur Aufnahme
sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten für Gering-
qualifizierte gestartet. In der nächsten Wahlperiode wer-
den sie Ergebnisse liefern. Mit dieser soliden Vorarbeit
wird die Sozialhilfereform aus einem Guss gelingen.
Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Um es gleich
deutlich zu sagen, mit dem Gesetz zur Verlängerung von
Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz verab-
schiedet Rot-Grün für Sozialhilfeempfänger nicht mehr als
ein sozialpolitisches Notprogramm. Die Bundesregierung
macht schon gar keine Versuche mehr, Reformpolitik zu be-
treiben, sie legt gar nichts vor. Und die Koalitionsfraktionen
beantragen lediglich, befristete Übergangsregelungen für
die Sozialhilfe nochmals zu verlängern. Vor diesem Hinter-
grund ist der Antrag von SPD und Grünen bloß verbales
Beiwerk. Zu wirklichen Reformen sind Bundesregierung
und Regierungsfraktionen schon jetzt nicht mehr fähig.
Schon einmal haben Sie die ursprünglich bis 1. Juli
2000 befristeten Übergangsregelungen zur jährlichen Er-
höhung der Sozialhilfesätze verlängert, und zwar um zwei
Jahre. Dies hätte bedeutet, dass es zum 1. Juli nächsten
Jahres eine umfassende Neugestaltung der Sozialhilfe
hätte geben müssen. Heute bleibt festzustellen: Rot-Grün
findet nicht mehr die Kraft zu notwendigen Strukturver-
änderungen im Sozialhilferecht. Vielmehr heißt heute ihr
sozialpolitisches Bekenntnis für Sozialhilfeempfänger:
Wir verlängern die Übergangsregelungen ein weiteres
Mal, und zwar gleich um drei Jahre. Im Klartext heißt das:
Mit dieser zweiten Verschiebung der Neuregelung schum-
melt sich die Schröder-Regierung über die gesamte Le-
gislaturperiode hinweg, ohne auch nur den Ansatz einer
Reform der Sozialhilfe zustande zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak-
tionen, von Armutsbekämpfung und von sozialer Gerech-
tigkeit brauchen Sie nach diesem Sozialhilfetorso nicht
mehr zu reden! Welche negativen Folgen die Übergangs-
regelung für Sozialhilfeempfänger hat, ist leicht zu zei-
gen. Die Höhe der Regelsatzanpassung lehnt sich nämlich
an die jährliche Rentenerhöhung an. Sozialhilfeempfän-
ger haben damit in den letzten zwei Jahren dieselben Er-
fahrungen gemacht wie die Rentnerinnen und Rentner.
Die jährliche Sozialhilfeerhöhung bleibt jeweils unter der
Preissteigerungsrate des Jahres. Trotz Regelsatzanpas-
sung bleibt jeweils weniger in der Tasche der Sozialhilfe-
empfänger als im Vorjahr. Im Jahr 2000 lag die Inflati-
onsrate bei 1,9 Prozent, die Sozialhilfeerhöhung (West)
bei 0,6 Prozent. Das ist Kaufkraftverlust. Im Jahr 2001
wird eine Inflationsrate von 2,5 Prozent erwartet. Die So-
zialhilfe ist aber nur um 1,91 Prozent angepasst worden.
Auch das ist Kaufkraftverlust. Noch deutlicher gesagt:
Sozialhilfeempfänger sind Jahr für Jahr ärmer geworden.
Wie das für 2002 aussehen wird, ist noch nicht so klar. Bei
gleich bleibender Politik dürfen Sozialhilfeempfänger
aber nichts Gutes erwarten. Für 2003 und 2004 gehen die
Benachteiligungen weiter. Dann finden sich die jährlich
vorgesehenen Rentenkürzungen auch bei der Sozialhilfe
als Kürzung wieder.
Meine Damen und Herren von der SPD, in den Jahren
vor dem Regierungswechsel haben Sie sehr häufig über
soziale Demontage und Sozialabbau geredet. Für das, was
Sie hier nun machen, kann ich keine anderen Worte fin-
den. Ihre Politik der weiteren Verschiebung der Sozialhil-
fereform findet auch bei den Sozialverbänden Kritik. Ich
darf das an dieser Stelle mal zitieren: Armutspolitisch
beschämend, so nennt der Paritätische Wohlfahrtsver-
band das Vorhaben der Bundesregierung. Um die Kauf-
kraftposition von 1993 wieder herzustellen so die Pa-
ritäter weiter wäre für Westdeutschland eine Anhebung
um 3,8 Prozent und für Ostdeutschland sogar eine Anhe-
bung um 5,1 Prozent erforderlich. Das Koalitionsbündnis
aus SPD und Grünen ist 1998 angetreten, um soziale Ge-
rechtigkeit in Deutschland wiederherzustellen. Da muss
ich hier doch mal fragen: Haben Sie sich das so vorge-
stellt? Bundesarbeitsminister Walter Riester verweist im-
mer wieder gerne darauf, dass in den Koalitionsvereinba-
rungen vom 20. Oktober 1998 SPD und Bündnis 90/Die
Grünen die Bekämpfung der Armut zu einem Schwer-
punkt der Politik der Bundesregierung erklärt haben. Jetzt
droht sie Ihnen zum Stolperstein zu werden. Denn von
diesem Ziel sind Sie nach über drei Jahren Regierung weit
entfernt.
Wir brauchen eine Sozialhilfereform, die Strukturen
verändert. Stattdessen begnügt sich Rot-Grün mit Mo-
dellvorhaben und nimmt diese noch zur Begründung der
Verschiebung einer großen Reform. Liest man den Antrag
der Koalitionsfraktionen mit dem Titel ,,Fördern und For-
dern Sozialhilfe modern gestalten, dann versteht man
die dort wiederholte Begründung nicht. Denn obwohl sie
behaupten, die Auswertung der Modellversuche vor einer
Reform abwarten zu müssen, führen Sie hier schon eine
ganze Reihe von feststehenden Eckpunkten auf. Im Klar-
text: Sie wüssten eigentlich schon, was gemacht werden
muss. Aber Sie handeln nicht.
Die Modellvorhaben tragen den Namen MOZART.
Rot-Grün ist sehr kreativ bei der Namensgebung, aber we-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119614
(C)
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(B)
nig effektiv beim politischen Handeln. Eine große Sozial-
hilfereform wird es in dieser Legislaturperiode nicht ge-
ben. Dafür hat Ihnen Mozart jetzt meine ich den Kom-
ponisten schon weitsichtig die ,,Kleine Nachtmusik
komponiert. Dabei wäre eine strukturelle Sozialhilfere-
form so notwendig. Denn alle Experten wissen aus Erfah-
rung, dass es eine Schieflage bei den Regelsätzen gibt. Es
gibt Gutachter, die deutlich darauf hinweisen, dass die Re-
gelsätze für Alleinerziehende angehoben werden müssen,
weil das Geld nicht mehr das Existenzminimum abdeckt.
Andererseits geraten die Sozialhilfeleistungen für Fami-
lien mit Kindern zu nah an die Gehälter von solchen Fa-
milien, in denen ein Elternteil arbeitet. Hier muss das
Lohnabstandsgebot der Jugend durchgesetzt werden.
Dies wäre notwendig, um soziale Gerechtigkeit herzu-
stellen. Darüber hinaus brauchen wir Pauschalisierungen
für den Bereich der Einmalzahlungen in der Sozialhilfe.
Dies spart Verwaltungskosten für ständige Bedarfsprü-
fungen im Einzelfall und gibt Sozialhilfeempfängern das
Gefühl, nicht dauernd bevormundet zu werden.
Die CDU/CSU-Fraktion hat im Gegensatz zu Ihnen
ihre Hausaufgaben erfüllt. Wir haben bereits ein ganzes
Paket von Maßnahmen entworfen, das an den Symptomen
nicht nur herumdoktert, sondern die strukturellen Ursa-
chen des Problemfeldes angeht. Im Mittelpunkt steht da-
bei der Gedanke der Teilhabe an der Gesellschaft durch
Arbeit:
Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und So-
zialhilfe. Damit werden die bisherigen Leistungen zu ei-
nem Sozialgeld zusammengefasst, dessen Zumutbar-
keitsregelungen und Leistungsumfang der heutigen
Sozialhilfe entsprechen. Die Vorteile: Die Sozialgeld-
empfänger werden von Anfang an auf lokaler Ebene, in
enger Abstimmung mit den Arbeitsämtern, durchgängig
beraten und betreut. Dies setzt allerdings eine zugunsten
der kommunalen Ämter verschobene Budgetverantwor-
tung und entsprechende Finanzausstattung voraus.
Kinder und Behinderte müssen aus der Sozialhilfe he-
rausgenommen werden. Deshalb sollen ein Familiengeld
und ein Leistungsgesetz für Behinderte geschaffen wer-
den. Ältere Arbeitnehmer mit mindestens 15 Erwerbsjah-
ren müssen durch Anhebung der Freibeträge bei der
Heranziehung von Ersparnissen beim Umbau der Ar-
beitslosen- und Sozialhilfesysteme besonders geschützt
werden.
Die Anrechnung niedriger Arbeitseinkommen auf So-
zialhilfe muss verringert werden. Dadurch wächst der An-
reiz des Empfängers von Sozialtransfers, auch niedrig
entlohnte Tätigkeit bzw. Teilzeitarbeit zu suchen und an-
zunehmen. Statt der bisherigen Kombination von Sozial-
transfers plus Schwarzarbeit soll eine Ergänzung von le-
galer Arbeit und Sozialtransfers gefördert werden.
Für Gruppen, die besonderer Eingliederungsmaßnah-
men bedürfen, müssen gezielte Unterstützungsmaßnah-
men ergriffen werden, wie zum Beispiel die Einführung
von Pflichtunterricht in Deutsch für ausländische Sozial-
geldempfänger oder eine Qualifizierungspflicht für Sozi-
algeldempfänger ohne berufliche Bildung.
Es kommt darauf an, die Arbeitsmarktlücke zwischen
630 DM und circa 1 600 DM zu schließen. Für diesen
Niedriglohnbereich sind Anreize zur Arbeitsaufnahme zu
schaffen, durch Einstiegsgeld, Kombilohn oder die de-
gressive Bezuschussung der Sozialbeiträge, damit netto
mehr übrig bleibt.
Sie sehen, wir gehen gut gerüstet in die Debatte über
die Soziahilfereform, die von Rot-Grün jetzt bis ins Jahr
2004 verschleppt wird. Unsere Alternative ist klar.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
erste Armuts- und Reichtumsbericht in Deutschland hat
gezeigt: Die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und
-empfänger hat sich in Deutschland unter der Regierung
von CDU/CSU und FDP vervierfacht. Insbesondere Kin-
der wurden unter Schwarz-Gelb zu einem Armutsrisiko,
nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern bis in die
Mitte der Gesellschaft hinein ein unglaublicher Skandal
in einem der reichsten Länder der Welt.
Rot-Grün hat die Armut in den letzten drei Jahren nicht
beseitigt. Das konnte auch niemand ernsthaft erwarten.
Aber wir haben den Trend umgekehrt. Die Zahl der So-
zialhilfempfängerinnen und -empfänger nimmt seit 1999
ab. Familien mit Kindern werden unter Rot-Grün besser
gestellt gerade im unteren und mittleren Einkommens-
bereich. Verglichen mit 1998 wird eine Durchschnittsfa-
milie im Jahr 2002 um 1 500 Euro entlastet, die Ökosteuer
inbegriffen. Wir tun also sehr viel, um zu verhindern, dass
Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Dennoch will ich einräumen: Wir haben mit dem Sys-
tem der Sozialhilfe, wie es sich heute darstellt, eine Reihe
von gravierenden Problemen. Es gibt ernst zu nehmende
Daten, die darauf hinweisen, dass es in bestimmten Be-
reichen zu einer Unterdeckung, zu einer Unterversorgung
gekommen ist. Wir haben dies zum Teil dadurch ausge-
glichen, dass wir die Kindergelderhöhung des Jahres 2000
nicht auf die Sozialhilfe anrechnen, sondern an die So-
zialhilfeempfängerinnen und -empfänger ungekürzt wei-
tergeben. Diese Übergangsregelung wird über das Jahr
2002 hinaus weiter verlängert. Ein weiteres Problem ist
die mangelnde Durchlässigkeit der Sozialhilfe der Fall-
beileffekt, wie er in der Fachöffentlichkeit genannt wird.
Hierzu gibt es in vielen Bundesländern Modellversuche,
die Arbeit und Sozialhilfe so zu kombinieren, dass für die
Empfängerinnen und -empfänger ein positiver Anreiz ent-
steht. Deshalb haben wir auch eine Reihe von Modellpro-
jekten zur Kooperation von Sozial- und Arbeitsämtern
gestartet, um die Abschottung beider Systeme zu über-
winden und auch Sozialhilfeempfängerinnen und -emp-
fänger in Arbeitsfördermaßnahmen einzubeziehen.
Wir haben auch das Problem der Überbürokratisie-
rung, der nennen wir es ruhig so bürokratischen Be-
vormundung von Sozialhilfeempfängerinnen und -emp-
fängern, die sie in einem Status der Unmündigkeit belässt,
statt sie positiv zu motivieren und zu beraten. Wir haben
deshalb im Rahmen einer Experimentierklausel eine
Reihe von Modellversuchen gestartet, um Leistungen zu
pauschalieren und die Verwaltung zu vereinfachen. Das
nützt im Idealfall allen: den Sozialhilfeempfängerinnen
und -empfängern und der öffentlichen Verwaltung, die ei-
nerseits an Verwaltungsaufwand einspart, andererseits
mehr Raum für individuelle Förderung und Beratung hat.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19615
(C)
(D)
(A)
(B)
Dabei sollten wir auch nicht die Probleme verschwei-
gen, die sich jetzt bereits andeuten und von den Wohl-
fahrtsverbänden zu Recht bemängelt werden: Manche
Kommunen verwechseln Pauschalierung mit einer massi-
ven Leistungskürzung und es stellt sich auch die Frage, ob
langlebige Gebrauchsgüter wirklich Teil der Pauschale
werden sollen. Die Verlängerung der Anpassung der Re-
gelsätze analog zur Rente um weitere drei Jahre ist nichts,
worauf wir stolz sind. Wir tun dies aber, weil wir keine
verlässlichen Daten dafür haben, wie sich die spezifischen
Lebenshaltungskosten von Sozialhilfeempfängerinnen
und -empfängern entwickelt haben und auch kein über-
zeugendes System, wie sich die Regelsätze künftig zu-
sammensetzen sollen.
Diese Unsicherheit besteht auch in den Gutachten, die
das A-und-S-Ministerium angefordert hat. Auch die
Wohlfahrtsverbände, die neben eigenen Berechnungen
auf der Grundlage des existierenden Systems bemerkens-
und bedenkenswerte Eckpunkte vorgelegt haben, haben
kein schlüssiges Konzept mit Ausnahme einer langfris-
tigen Perspektive in Richtung allgemeine Grundsiche-
rung, die wir Grüne bekanntermaßen teilen.
Deshalb ist die weitere Erhöhung der Regelsätze ana-
log zur Rente nicht elegant, aber doch vertretbar, zumal
wir in dem begleitenden Antrag an verschiedenen Stellen
klarstellen, in welche Richtung wir die Sozialhilfe auf
mittlere Sicht weiterentwickeln wollen, also in der kom-
menden Wahlperiode. Wir machen es uns nicht so einfach
wie die Opposition. Der rechte Teil des Hauses hält in Sa-
chen Sozialhilfe nicht das von uns verfolgte Gleichge-
wicht des Förderns und Forderns. Wer zu sehr mit der
sozialpolitischen Peitsche agiert, wie Sie das vorschlagen,
wird keine mündigen, selbstbewussten, kreativen und
leistungsbereiten Bürgerinnen und Bürgern bekommen.
Angstmotivation ist, langfristig und volkswirtschaftlich
gesehen, ein reines Strohfeuer.
Wir machen es uns auch nicht so einfach wie die PDS.
Es ist ja ganz nett, wenn Sie Regelsatzsteigerungen in der
Größenordnung von 12 Prozent vorschlagen, ohne die
Schlüssigkeit des überkommenden Sozialhilfesystems in-
frage zu stellen. Nur: Keine der von ihnen regierten oder
mitregierten Kommunen würde dies mittragen. Verant-
wortung ist eben nicht nur abstrakt.
Wenig sachdienlich ist auch Ihr Vorschlag einer Grund-
sicherung für Arbeitslose. Statt noch einen bürokratischen
Wasserkopf zu schaffen, bevorzugen wir einen Vorschlag
des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Demnach sollen
Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld und
Arbeitslosenhilfe künftig ergänzende Hilfe zum Lebens-
unterhalt in einem vereinfachten Verfahren direkt über die
Arbeitsämter erhalten. Für jeden Leistungsempfänger, für
jede Leistungsempfängerinnen und -empfänger die mate-
riellen und persönlichen Hilfen aus einer Hand zu ge-
währen das ist unser Ziel und das steht auch in unserem
Antrag.
Diese Koalition macht es sich nicht so einfach wie die
Opposition. Deshalb werden wir auch bis zum Ende der
Übergangsregelung im Jahr 2005 sehr sorgfältig aus-
werten, welche Modelle und Reformansätze verwirklicht
werden können und welche nicht. Es macht dabei durch-
aus Sinn, ohne einen großen und sehr komplexen Sys-
temwechsel einzelne Personengruppen aus der Sozialhilfe
herauszunehmen zumal dann, wenn sie dem Arbeits-
markt nicht zur Verfügung stehen. Bei älteren Menschen
habe wir das im Rahmen der Rentenreform gemacht. Die-
sen Ansatz wollen wir weiter verfolgen; auch das steht in
unserem Antrag.
Besonders freut es mich, dass der Antrag sogar noch
konkreter wird: Wir wollen diesen Ansatz auf weitere Per-
sonengruppen ausdehnen und wir wollen insbesondere
die eigenständige Existenzsicherung von Kindern und Ju-
gendlichen so verbessern, dass sie und ihre Familien von
Sozialhilfe unabhängig sind. Das ist natürlich auch ein
Hinweis auf die grüne Kindergrundsicherung, die von
vielen Wissenschaftlern, Fach- und Sozialverbänden
große Unterstützung erfährt, nicht zuletzt weil die Kin-
dergrundsicherung die offene und verdeckte Armut effek-
tiv bekämpft, weil sie auch Menschen in prekären Ein-
kommensverhältnissen oberhalb der Armutsschwelle
unterstützt und weil sie problemlos finanzierbar ist. Die
Kindergrundsicherung ist jetzt, mit diesem Antrag, erst-
mals offiziell Gegenstand der Beratungen in der Koali-
tion. Sie ist eines von vielen praxisorientierten Elemen-
ten, die wir im Rahmen der Sozialhilfereform offen
verhandeln werden.
Dies alles zeigt: Diese Koalition macht keine Schnell-
schüsse, sie schiebt aber auch nichts auf die lange Bank.
Sie arbeitet konzentriert und lösungsorientiert.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der eine wartet, dass
die Zeit sich wandelt, der andere packt sie an und han-
delt! Der erste Halbsatz dieses Zitates von Dante gilt für
die rot-grüne Koalition, der zweite für die FDP. Die rot-
grüne Koalition legt einen Entschließungsantrag vor, in
dem sie bestimmte Maßnahmen für einen Zeitpunkt in
ferner Zukunft fordert, von dem noch gar nicht abzusehen
ist, ob sie dann überhaupt noch im Amt ist. Warum einen
Entschließungsantrag mit Handlungshorizont 2003, ob-
wohl Sie doch jetzt, 2001, handeln könnten? Über die in
dem Antrag angestellten Überlegungen für eine Neukon-
zeption der Regelsätze sowie einer Pauschalierung von
Leistungen kann man ernsthaft nachdenken. Warum wol-
len Sie also warten? Offensichtlich fehlt Ihnen der Mut.
An die wirklichen strukturellen Reformen trauen Sie sich
doch selbst in einem Antrag für das Jahr 2003 nicht heran.
Sie bleiben bei der stärkeren Koordinierung zwischen den
Arbeits- und Sozialämtern im Nebel, statt substanzielle
Vorschläge für die Lösung dieser seit langem bestehenden
und von allen Seiten monierten Verschiebebahnhöfe
zwischen den Arbeitsämtern und den Kommunen zu erar-
beiten. Dies alles ist umso erstaunlicher, als offensichtlich
selbst die SPD-regierten Bundesländer schon deutlich
weiter sind als die Bundesregierung und etwa über eine
Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach-
denken. Nein, dieser Entschließungsantrag ist schlicht
Ausdruck mangelnder Entschlossenheit, bereits jetzt eine
grundlegende Reform der Sozialhilfe anpacken zu wol-
len. Dies ist ein weiteres, trauriges Beispiel für die bishe-
rigen Unterlassungen der Bundesregierung in der Ar-
beitsmarkt- und Sozialpolitik.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119616
(C)
(D)
(A)
(B)
Wir wollen zweiter Halbsatz des Zitates , dass die
Dinge angepackt werden. Deswegen haben wir unsere
wesentlichen Vorstellungen für eine Reform längst vorge-
legt wir, die FDP, haben die Probleme etwas früher als
die Bundesregierung erkannt : Wir haben bereits im Mai
und im September dieses Jahres insgesamt drei Anträge
für eine beschäftigungsorientierte und aktivierende So-
zialhilfereform eingebracht. Der Ansatz der FDP: Sozial-
hilfe muss so ausgestaltet werden, dass sie einerseits den
tatsächlich Bedürftigen ein Leben in Würde ermöglicht,
andererseits aber zugleich die Selbstständigkeit aller
Hilfeempfänger stärkt und den Leistungsmissbrauch ver-
meiden hilft. Es darf nicht sein, dass die subsidiäre Hilfe-
gewährung eine Kultur der Unselbstständigkeit hervor-
bringt. Entgegen allen Behauptungen gibt es auch
genügend Arbeitsplätze: Insgesamt werden rund 1,5 Mil-
lionen offene Stellen angeboten, von denen etwa nur ein
Drittel den Arbeitsämtern gemeldet sind. Die Statistik der
Bundesanstalt zeigt, dass von den gemeldeten offenen
Stellen knapp die Hälfte für Nichtfacharbeiter und Ange-
stellte mit einfachen Tätigkeiten ausgeschrieben waren.
Rechnet man die Zahlen hoch, wurden im Jahr 2000 mehr
als 750 000 geringer qualifizierte Arbeitskräfte gesucht.
Darüber hinaus besteht ein enormes, bislang ungenutztes
Beschäftigungspotenzial auch und gerade für gering oder
niedrig Qualifizierte im Bereich der personen- und haus-
haltsbezogenen Dienstleistungen. Daher schlagen wir für
eine echte Strukturreform vor:
Erstens. Von rund 2,7 Millionen Sozialhilfeempfän-
gern sind etwa 800 000 Menschen grundsätzlich arbeits-
fähig. Warum lohnt es sich für viele dieser rund 800 000
arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger nicht, eine Arbeit
anzunehmen? Gerade bei niedrigem Einkommen ist der
Lohnabstand zu gering. So liegt das Transfereinkommen
einer Sozialhilfefamilie mit 2 940 DM lediglich 260 DM
über dem durchschnittlich verfügbaren Monatseinkom-
men also nicht einmal der unteren Lohn- und Gehalts-
gruppe eines Alleinverdieners mit zwei Kindern ein-
schließlich Kindergeld von 3 200 DM. Hinzu kommt: Ein
arbeitswilliger Sozialhilfeempfänger kann höchstens
275 DM mehr im Monat verdienen, wenn er arbeitet, als
wenn er nichts tut. Jeder Zuverdienst darüber hinaus wird
ihm zu 100 Prozent, also voll, auf die Sozialhilfe ange-
rechnet. Daher fordert die FDP: Die Anreize in der So-
zialhilfe, wieder in das Erwerbsleben zurückzukehren,
müssen gestärkt werden. Die Freibeträge in der Sozial-
hilfe sind zu erhöhen finanziert über eine Reform des
Finanzausgleichs und die Anrechnungssätze müssen
langsamer ansteigen. Diese Maßnahmen sind temporär
einzuräumen, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer dis-
kriminiert werden, die auch ohne Sozialhilfe bereit sind
zu arbeiten. Schließlich muss der Eingangssteuersatz be-
reits 2002 auf 15 Prozent gesenkt werden. Hierfür haben
wir einen ausführlichen Antrag vorgelegt, und zwar auf
der Bundestagsdrucksache 14/5982 vom 9. Mai 2001. Da-
rüber hinaus sollte über rechtliche Voraussetzungen nach-
gedacht werden, um neu zu schaffende und zu fördernde
Arbeitsplätze außerhalb des derzeit gültigen Tarifsystems
zu ermöglichen.
Zweitens. Es gibt keine überzeugende Begründung
dafür, warum es in Deutschland mehrere steuerfinanzierte
Fürsorgeleistungen für einen Sachverhalt, nämlich den
der Arbeitslosigkeit, gibt. Während die Sozialämter So-
zialhilfe in Höhe von rund 40 Milliarden DM leisten, zahlt
der Bund Arbeitslosenhilfe in Höhe von rund 25 Milliar-
den DM. Alleine die Verwaltung beider Sozialleistungen
verbraucht jährlich rund 7 Milliarden DM. Die FDP for-
dert daher, die Arbeitslosenhilfe vollständig mit der So-
zialhilfe zu einem System mit einer Leistung, mit klaren
Zuständigkeiten, eingleisigen Verfahren und schlankerer
Verwaltung zusammenzufassen. Gleichzeitig muss mit
dieser Reform ein dauerhafter föderaler Finanzausgleich
erfolgen. Die durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe so-
wie weiterer Personalkosten ersparten Leistungen muss
der Bund den Kommunen einen je nach ihren Aufwen-
dungen jährlich im Voraus festgelegten Betrag geben,
sodass ein Budgetsystem mit dem Anreiz zum sparsamen
Haushalten geschaffen wird. Auch hierfür haben wir ei-
nen ausführlichen Antrag vorgelegt, Bundestagsdrucksa-
che 14/5983 vom 9. Mai 2001.
Drittens muss das Gerechtigkeitsprinzip: Keine Leis-
tung ohne grundsätzliche Bereitschaft zur Gegenleistung
deutlicher zur Geltung gebracht werden. Bereits nach gel-
tendem Recht kann dem Sozialhilfeempfänger der Leis-
tungsanspruch um 25 Prozent gekürzt werden, wenn er
eine zumutbare Arbeit nicht annimmt bzw. sein Anspruch
kann bei weiteren Verstößen auch ganz entfallen, §§ 18
bis 20, 25 BSHG. In der Praxis erwiesen sich diese Sank-
tionsmechanismen allerdings bislang als wenig effektiv
und als sehr aufwendig, diese auch gerichtsfest zu gestal-
ten. Zur Feststellung der Sachlage bedarf es im Einzelfall
erheblichen Prüfungsaufwand. Die Ämter machen daher
von der Durchführung der vorhandenen Sanktionsmög-
lichkeiten nur zurückhaltend Gebrauch.
Zum Fördern und Fordern ist dem rot-grünen
Entschließungsantrag trotz des gleichnamigen Titels nur
wenig Präzises zu entnehmen. Dagegen fordert die
FDP: Eine grundlegende Sozialhilfereform muss helfen,
Streuverluste und Leistungsmissbrauch in unserem Sozi-
alstaat möglichst gering zu halten; denn die Schwarzar-
beit steigt dramatisch. Eine solche Reform muss darauf
hinwirken, die Eigenverantwortung und das Solidaritäts-
prinzip, welches im Kern ein Gegenseitigkeitsprinzip ist,
zu stärken. Die vorhandenen Sanktionsmechanismen
müssen daher in Zukunft straffer und stärker angewandt
werden. Während bisher die Beweislast, dass ein Sozial-
hilfeempfänger entgegen seiner Behauptung arbeitsfähig
ist, nach der Rechtsprechung beim Sozialamt liegt, muss
hier gelten: Es muss der Sozialhilfeempfänger darlegen,
dass er nicht selber seinen Lebensunterhalt bestreiten
kann, wenn und weil er vom Staat und damit vom
Steuerzahler Hilfe will. Nur bei einem solchen Nachweis
eigener Bemühungen zur Aufnahme von Arbeit besteht
der Anspruch auf das so genannte sozio-kulturelle Exis-
tenzminimum, also die Leistungen, die über das materi-
elle Existenzminimum hinaus für die Eingliederung
des Bedürftigen in die Gesellschaft erforderlich sind. An-
sonsten erfolgt eine Kürzung auf das materielle Exis-
tenzminimum, also den die Existenz sichernden Leistun-
gen wie Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Hausrat
§ 12 BHSG, Bundestagsdrucksache 14/6951 vom 25. Sep-
tember 2001.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19617
(C)
(D)
(A)
(B)
Pia Maier (PDS): Ein halbes Jahr nach Erscheinen des
Armuts- und Reichtumsberichtes legt die Bundesregie-
rung heute ein BSHG-Änderungsgesetz vor. Jetzt nach-
dem die Bundesregierung im Armutsbericht festgestellt
hat, dass Menschen, die von Sozialhilfe leben, arm sind.
Jetzt nachdem die Regierungskoalition in der Debatte
des Armuts- und Reichtumsberichtes selbstverständlich
angekündigt hat, Konsequenzen daraus zu ziehen. Aber
Sie ziehen keine Konsequenzen gegen Armut.
Sie passen die Regelsätze auf einem Niveau an, das
unter der Preissteigerung liegt. Und das passiert den So-
zialhilfeberechtigten nicht zum ersten Mal. Seit der Wa-
renkorb vom Statistikmodell abgelöst wurde, stehen An-
passungen aus, die der jeweiligen Veränderung der
Lebenshaltungskosten nachkämen. Die Regelsätze sind in
den letzten Jahren zwar gestiegen, aber was sich die Leute
leisten können, ist immer weniger geworden. Dieser Ef-
fekt steigert sich in den Städten, in denen im Rahmen von
Modellversuchen die Leistungen pauschaliert ausgezahlt
werden. Mit den Pauschalen anstelle von einmaligen und
jeweils einzeln zu beantragenden Leistungen ist für die
Betroffenen mehr persönliche Freiheit erreicht worden.
Wenn das Geld aber deutlich zu wenig ist, nutzt die ganze
Freiheit nichts. Die Erfahrung zum Beispiel in Kassel ist,
dass mit den pauschalierten Leistungen die gestiegenen
Lebenshaltungskosten ausgeglichen werden, es dann für
die größeren Anschaffungen aber nicht mehr reicht. Da-
hinter steckt kein Missmanagement, sondern eine
schlichte Notlage. Hier leben Menschen in Armut und
müssen das auch immer deutlicher zeigen, wenn sie für
uns so normale Anschaffungen wie einen Wintermantel
nicht mehr erledigen können.
Die PDS-Fraktion fordert angesichts des hier vorge-
legten BSHG-Änderungsgesetzes von der Bundesregie-
rung endlich eine grundlegende Reform der Sozialhilfe.
Dazu gehört vor allem ein Verfahren, das die Regelsätze
kontinuierlich und automatisch den steigenden Lebens-
haltungskosten anpasst und in angemessenem Abstand
überprüft, ob die Grundlage der Berechnung noch
stimmt ob also das definierte Existenzminimum für ein
Leben in Würde noch der Lebensrealität entspricht. Diese
Anpassung haben viele Menschen von Ihnen erwartet und
sind bislang reichlich enttäuscht worden Sie glichen die
Regelsätze zu gering an und verschieben die Reform auf
nach der Wahl wohl um einen Zeitpunkt zu finden, an
dem tiefe Einschnitte bei den Leistungen für Sie keine
Wahlverluste mit sich bringen.
Wir führen die Debatte um die Regelsatzanpassung
und die Fortsetzung der Modellversuche in Kenntnis
der Debatte um die Zusammenführung von Arbeits-
losenhilfe und Sozialhilfe. Die FDP preschte hier mit
Vorschlägen voran, die Arbeitslosenhilfe abschaffen
zu wollen. Nach dem Arbeitslosengeldbezug fielen
Arbeitslose dann in die Sozialhilfebedürftigkeit, hät-
ten dadurch schlechtere Bedingungen bei der An-
rechnung von Vermögen und Partnereinkommen, hät-
ten härtere Bedingungen, welche Arbeiten und
Stellen als zumutbar gelten, und keinen Qualifikati-
onsschutz mehr. Diesen Weg der Kommunalisierung
von Arbeitslosigkeit gehen wir nicht mit. Arbeitslo-
sigkeit ist ein gesellschaftliches Problem, kein
individuelles, deswegen ist die Sozialhilfe, die in indi-
viduellen Notlagen greifen soll, hierbei die falsche
Hilfe.
Die PDS-Fraktion schlägt dagegen vor, dass die Ar-
beitsämter für Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeemp-
fängerinnen geöffnet werden, denn häufiger Grund für
den Sozialhilfebezug im arbeitsfähigen Alter ist die Ar-
beitslosigkeit. Hier geht es zugegebenermaßen nicht um
Massen: Von den rund 2,7 Millionen Menschen, die So-
zialhilfe beziehen, benötigen nur rund 800 000 diese
Möglichkeit, in Arbeit zu kommen, weil die anderen zu
jung, zu alt, krank oder behindert sind und deswegen auf
Sozialhilfe angewiesen sind. Zudem schlagen wir aber
vor, dass eine Grundsicherung in die Arbeitslosenversi-
cherung eingebaut wird, denn Arbeitslosigkeit soll nicht
in ein Leben in Armut führen. Lohnersatzleistungen sol-
len deswegen bei Bedarf auf die Grundsicherung in Höhe
der Summe aller Sozialhilfeleistungen für einen Haus-
haltsvorstand von Amts wegen gehoben werden. So wie
in der Rentenversicherung sollen alle, die ohnehin
Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe hätten, ohne weite-
re Amtsgänge diese Summe auch erhalten. Solche
Vorschläge sind Konsequenzen aus dem Armuts- und
Reichtumsbericht, nicht ihre kleinstmögliche Anpassung
des BSHG.
Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bundes-
minister für Arbeit- und Sozialordnung: Vor 40 Jahren
brachte der Deutsche Bundestag das BSHG auf den Weg.
Damals in Zeiten einer boomenden Wirtschaft gingen
viele Abgeordnete davon aus, dass zum Beispiel die
Hilfe zum Lebensunterhalt für einen schwindenden
Personenkreis bestimmt sei. Diese Leistung war auch nur
für Menschen in extremen Notlagen und für kurze Zeit ge-
dacht.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben
sich leider anders entwickelt als das unsere Vorgänger
dachten. Heute ist die Sozialhilfe in vielen Kommunen
keine individuelle Hilfeleistung mehr sondern eine stei-
gende Zahl von Fällen. Allein zwischen 1980 und 1997
hat sich die Zahl der Menschen, die Hilfe zum Leben-
sunterhalt beziehen, verdreifacht. Die Gründe sind unter
anderem: Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen, verän-
derte Familienstrukturen, Überschuldung. Die Sozial-
hilfe muss heute Herausforderungen bewältigen, für die
sie nie konzipiert wurde. Deshalb hat bereits die Vorgän-
gerregierung begonnen, das BSHG zu reformieren. In-
zwischen haben wir die Hilfe zur Pflege, die Hilfe zur
Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, die
Eingliederungshilfe für Behinderte und die Krankenhilfe
modernisiert.
Jetzt ist die Zeit reif, um auch die Hilfe zum Lebens-
unterhalt neu zu ordnen. Einen ersten Schritt haben wir
bereits gemacht, als wir die Grundsicherung für ältere und
dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen eingeführt ha-
ben. Denn: Die Sozialhilfe ist von ihrem Charakter her
eine Hilfe zur Selbsthilfe. In die Sozialhilfe gehört aber
nur, wer sich in absehbarer Zeit auch aus seiner Notlage
befreien kann. Erfreulicherweise gab es im letzten Jahr
230 000 Sozialhilfeempfänger weniger als 1997. Diesen
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119618
(C)
(D)
(A)
(B)
Rückgang verdanken wir auch dem Sofortprogramm ge-
gen Jugendarbeitslosigkeit, der steuerlichen Entlastung
von Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Trotzdem müssen
wir die Sozialhilfe weiterentwickeln.
Wenn im vorliegenden Entschließungsantrag insbe-
sondere eine Reform der Hilfe zum Lebensunterhalt ge-
fordert wird, dann hat die Bundesregierung ein Ziel: Wir
wollen mehr individuelle Unterstützung für bedürftige
Menschen, damit sie aus eigener Kraft ihre Notlage über-
winden. Wir wollen das Prinzip des Förderns und For-
derns auch in der Sozialhilfe verankern. Nur so werden
wir Menschen helfen, schwierige Lebensphasen zu meis-
tern oder gar zu vermeiden.
Bei einer Sozialhilfereform wollen wir folgende Eck-
punkte besonders berücksichtigen: Wir stärken die Hilfe
zur Selbsthilfe, wenn wir die aktivierenden Instrumente
der Sozialhilfe verbessern. Wir brauchen eine Förder-
kette, die einen individuellen Hilfeplan umsetzt. Dazu
gehört selbstverständlich auch Hilfe zur Arbeit und Qua-
lifikation. Wenn wir so fördern, können wir Sozialhilfe-
empfänger auch stärker fordern. Das kann auch finanzi-
elle Sanktionen beinhalten.
Hilfeempfänger sollen mehr Verantwortung überneh-
men: Die Abgrenzung der laufenden und einmaligen Leis-
tungen sind neu zu regeln. Leistungen sollen, wenn mög-
lich, pauschaliert werden. Es gibt schon zu viele
Gerichtsurteile darüber, ob zum Beispiel eine Schultüte
für ABC-Schützen von der Sozialhilfe bezahlt werden
muss oder nicht. Damit wollen wir auch die kommunalen
Verwaltungen entlasten und modernisieren. Wenn die
Mitarbeiter der Sozialämter ständige Einzelleistungen
prüfen müssen, bleibt ihnen zu wenig Zeit für ein indivi-
duelles Problemmanagement.
Mit dem Modellvorhaben zur Verbesserung der Zu-
sammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozial-
hilfe wollen wir Wege in den ersten Arbeitsmarkt ebnen.
Ergebnisse aus diesem Modellversuch liegen aber erst
2003 vor. Ähnlich verhält es sich mit Aktivitäten von Län-
dern und Kommunen, die die Pauschalierung von Leis-
tungen, Hilfe zur Arbeit oder so genannte Sozialagenturen
betreffen.
Sie alle kennen die sozialen Probleme in Ihren Wahl-
kreisen. Aber neben persönlichen Erfahrungen brauchen
wir die Ergebnisse der Modellversuche, um unsere Ent-
scheidungen aufgrund verlässlicher Daten zu treffen.
Weiter ist es notwendig, eine Reform der Sozialhilfe mit
den Ländern und Kommunen gut abzustimmen. Deshalb
müssen wir die Übergangsregelungen im Bundessozial-
hilfegesetz jetzt verlängern.
Die Reform der Sozialhilfe hat in einigen besonders
engagierten Sozialämtern bereits begonnen. Sie wird in
der kommenden Legislaturperiode durch die erforderli-
chen gesetzlichen Regelungen fortgesetzt. Wir haben
klare Ziele. Wir sind zum Handeln fest entschlossen. Aber
wir wollen die Ergebnisse aus den laufenden Modellver-
suchen abwarten, damit wir ein wirklich zukunftsfähiges
Konzept auf den Weg bringen.
Anlage 12
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Arbeitsplatzabbau
bei Förderung von Produktionsverlagerungen
ausschließen (Tagesordnungspunkt 32)
Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Neulich bin ich
in meinem Wahlkreis gefragt worden, wie ich zur PDS
stehe, ob ich mir eine Koalition mit der PDS auf Bundes-
ebene vorstellen könnte. Ich habe diese Frage mit einem
klaren Nein beantwortet und meine Position ausführlich
begründet. Ich hätte mir viel Zeit und Mühe sparen kön-
nen, wenn ich in diesem Moment an ihren Zwieback-An-
trag gedacht hätte. Dieser Antrag ist die beste Begrün-
dung für meine Meinung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, können
sie mir sagen, was Sie mit diesem Antrag verfolgen?
Zuerst stellen sie eines der erfolgreichsten Instrumente
des Aufbau Ost infrage. Man kann doch nicht anhand von
Einzelfällen, bei denen es in Unternehmen eventuell das
kann ich von hier aus nicht prüfen zu Mitnahmeeffekten
gekommen ist, die ganze GA-Förderung umkrempeln.
Ich möchte Sie auf ein paar Tatsachen hinweisen, um
Ihnen die Ziele und Ergebnisse der Gemeinschaftsauf-
gabe vor Augen zu führen: Im Bundeshaushalt stehen
dieses Jahr für die Gemeinschaftsaufgabe in den neuen
Bundesländern und Berlin, Mittel in Höhe von fast 2 Mil-
liarden DM sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe
von 1,5 Milliarden DM, zur Verfügung. Die Förderergeb-
nisse zeigen, dass es sich dabei auch eindeutig um ein er-
folgreiches Instrument der Bundesregierung handelt.
Insgesamt wurden in den Jahren 1991 bis 2000 über
59 000 Fälle unterstützt. Das gesamte Investitionsvolu-
men betrug mehr als 287 Milliarden DM. Mit diesem
Geld wurden mehr als 1 Million Arbeitsplätze dauerhaft
gesichert und über 810 000 zusätzliche Arbeitsplätze ge-
schaffen. Ich möchte betonen: zusätzliche Arbeitsplätze.
Das zeigt ganz klar, das es sich bei den GA geförderten
Unternehmen im Normalfall um betriebliche Erweiterun-
gen handelt, weil die bestehenden Produktionskapazitäten
nicht mehr ausreichen. In dem von der PDS zitierten Fall
handelt es sich um eine Betriebsverlagerung unter Abbau
von Arbeitsplätzen; das ist für diesen Einzelfall richtig.
Dies ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine
sehr harte Tatsache, die sie zu verkraften haben. Aber was
Sie zu erwähnen vergessen haben, Herr Jüttemann, ist,
dass die Firma Brandt, wäre sie an ihrem ursprünglichen
Standort in Hagen geblieben, auch ihren Betrieb hätte sa-
nieren müssen. Die Firma hätte auch in Hagen nicht ver-
meiden können, die Zahl der Arbeitsplätze zu reduzieren.
In ihrem Antrag führen sie ein weiteres Unternehmen an,
dass seinen Betrieb nach Osten verlagert hat und Arbeits-
kräfte eingespart hat. Dieses Unternehmen hat gar keine
GA-Fördermittel erhalten.
Sie beklagen in ihrem Antrag, dass ein Unternehmer
seinen Betrieb von einem C-Gebiet im Westen in ein
B-Fördergebiet im Osten verlagert hat. Können sie sich
eigentlich vorstellen, dass es eine unternehmerische Ent-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19619
(C)
(D)
(A)
(B)
scheidung war, den Betrieb nicht um die Ecke im För-
dergebiet C umzusiedeln, sondern in einem, was die För-
derbeträge angeht, weniger lukrativen Gebiet zu etablie-
ren? Da muss doch der Unternehmer seine Gründe im
Sinne des Unternehmens gehabt haben.
Sie kritisieren in einer Ihrer Reden zu dem Thema, dass
in den neu entstandenen Betrieben im Osten Arbeitslose
mit Lohnzuschüssen eingestellt wurden. Das müssen sie
einmal den arbeitslosen Menschen im Osten genauer er-
klären! Ich bezweifle stark, dass sie sie verstehen werden.
In einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung: Die Ar-
beitsbedingungen, die zum Teil in ostdeutschen Firmen
angeboten werden, sind so schlecht, dass sie keinem Ar-
beitnehmer zugemutet werden können.
Ein Beispiel hierzu habe ich erst vor zwei Tagen
wieder in der Chemnitzer Morgenpost gelesen. Dort
wurde einem studierten Multimediadesigner eine 45-
bis 50-Stunden-Woche bei 18 Tagen Jahresurlaub für
2 450 DM Monatsgehalt angeboten. Solche Dumping-
löhne darf es nicht geben, sie müssen verboten werden.
Aber dies ist Sache der Tarifparteien. Die Tarifparteien
besitzen Tarifautonomie und ich erkläre Ihnen gerne, was
das ist.
Die Tarifautonomie beruht auf dem Grundgesetz und
dem Tarifvertragsgesetz von 1953. In Ostdeutschland gel-
ten die Autonomieregeln seit 1990. Sie besagen, dass al-
lein die Tarifpartner, das sind die Arbeitgeber, Arbeitge-
berverbände und die Gewerkschaften, Arbeitsverhältnisse
regeln. Kommt es zu einem Konflikt, wird dieser in einem
Arbeitskampf ausgetragen und zwar ohne die Einmi-
schung des Staates oder der Politik. Es ist nicht akzepta-
bel, wenn in einem Betrieb die Wahl oder die Arbeit von
Betriebsräten eingeschränkt oder behindert wird; das ist
weder in ihrem noch in meinem Sinne.
Es gibt auch gesetzliche Regelungen: Nach §111 des
Betriebsverfassungsgesetzes wird gewährleistet, dass
ein Unternehmen, welches einen Betriebsrat besitzt, die-
sen auch nach einer Verlagerung des Standortes zulassen
muss. Hat in diesem Betrieb vor dem Standortwechsel
kein Betriebsrat existiert, ist es Sache des Unternehmers
und der potentiellen Arbeitnehmer in den individuell ab-
geschlossenen Arbeitsverträgen, Arbeitsbedingungen zu
vereinbaren. Bei Erfüllung der festgeschriebenen Bedin-
gungen kann dann in dem neuen Betrieb ebenfalls ein
Betriebsrat gewählt werden und seine Arbeit aufneh-
men.
Gerade um das zu erleichtern, haben wir entsprechende
Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes beschlos-
sen. Im Fall Brandt handelt es sich um ein Unternehmen
mit etwa 150 Beschäftigten. Das heißt, die Arbeitnehmer,
ob nach altem oder neuem Recht, haben das Recht, einen
Betriebsrat zu wählen und ihre Rechte gegenüber der Un-
ternehmensleitung zu vertreten. Eines wundert mich sehr,
Herr Kollege Jüttemann, sie waren doch selbst Mitglied
eines Betriebsrates. Sollte es ihnen trotzdem in den
11 Jahren nach der Wende noch nicht aufgefallen sein,
dass die Fragen wie Tarifentlohnung und Urlaubstage in
die Hände der Gewerkschaft gehören und nicht in die
Hände der Regierung?
Ich denke, die PDS hat mit ihrem Antrag bewiesen,
dass sie sich eine Regierung wünscht, die Unternehmen
dirigiert und kontrolliert. Es geht aber in Deutschland
nicht an, dass eine Standortverlagerung nach Ostdeutsch-
land, die dort Arbeitsplätze schafft und die außerdem aus
betriebswirtschaftlichen Gründen nötig gewesen ist, um
am Markt bestehen zu können, verboten, rückgängig ge-
macht oder bestraft wird. Wenn ein Unternehmen seinen
Betrieb verlagert, kann man davon ausgehen, das es da-
rum geht, in unserer globalisierten Wirtschaft langfristig
wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört auch, dass ein
Unternehmen prüft, ob es seinen Betrieb aus wirtschaftli-
chen Gründen ins Ausland verlegt. Ich möchte das ganz
deutlich sagen, denn gerade mittelständische Unterneh-
men können es sich immer weniger leisten, bei Neuin-
vestitionen national zu denken, sie müssen alternative
Standorte in anderen Ländern in ihre Entscheidung mit-
einbeziehen.
Deshalb gibt die GA-Förderung den Anreiz, Investiti-
onsentscheidungen zugunsten eines inländischen Stand-
ortes zu treffen. Betriebsverlagerungen sind mit hohen
Kosten verbunden. Kein Unternehmen wird eine Verlage-
rung allein deshalb vornehmen, um öffentliche Förder-
mittel in Anspruch nehmen zu können. Die Höhe der För-
dermittel deckt nur einen Teil der Gesamtkosten einer
Verlagerung ab. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen,
gibt es einen Beschluss des Bund-Länder-Planungsaus-
schusses.
In diesem Beschluss ist festgelegt, dass tatsächlich er-
zielte Erlöse aus dem Verkauf des Betriebes und mögliche
Entschädigungsbeiträge von den förderfähigen Summen
abgezogen werden. Damit wird sichergestellt, dass nur die
Nettokosten der Betriebsverlagerung gefördert werden.
Sie möchten wohl das ganze Bund-Länder-Kompetenz-
gefüge umkrempeln, meine Damen und Herren von der
PDS, aber so einfach ist das nicht.
Die Entscheidung über die Ansiedlung eines Betriebes
ist ausschließlich Sache der betroffenen Länder. Auch die
Überprüfung der Einhaltung sämtlicher Regeln fällt in die
Zuständigkeit der Länder. Sie legen dieAuflagen für die je-
weiligen Förderungen fest und sie führen auch die Kon-
trolle über dieVerwendung nachAbschluss der Investition.
Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran,
dass es im Osten gelingt, eine sich selbst tragende Wirt-
schaftsstruktur aufzubauen. Wir haben beachtliche Er-
folge erzielt in dieser Richtung. Das verarbeitende Ge-
werbe und der Dienstleistungssektor verzeichnen gute
Wachstumsraten. Aber der Prozess ist noch nicht abge-
schlossen. Ohne Investitionshilfen wären viele Betriebe
nicht in den Osten gegangen, um dort moderne Produk-
tionsanlagen aufzubauen. Sie, meine Damen und Herren
von der PDS, scheuen sich nicht, Gräben aufzureißen zwi-
schen Ost und West und das alles, weil sie auf ein paar
Stimmen mehr im Westen hoffen. Ob sich ihr zweifelhaf-
ter Einsatz in diese Richtung gelohnt hat, werden sie bei
den nächsten Wahlen in Hagen merken. Ich kann nur ab-
schließend sagen: Ich hoffe nicht.
Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Im zur Debatte stehen-
den Antrag der PDS ist unter anderem Folgendes zu lesen:
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119620
(C)
(D)
(A)
(B)
Unternehmen sollen keine regionale Wirtschaftsförde-
rung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe mehr erhal-
ten, wenn sie zum einen die Produktion in die neuen Bun-
desländer verlagern, um Arbeitsplätze in Westdeutschland
abzubauen, und zum anderen die Sozialstandards herab-
setzen.
Welches Problem haben wir hier? Einige wenige Un-
ternehmen aus den alten Bundesländern verlagern Pro-
duktionsstätten in die neuen Länder. Die ersten Jahre nach
der Wende war es übrigens meist umgekehrt; da hat die
PDS sich auch beschwert. Nun wirft die PDS den Unter-
nehmen vor, dass sie am alten Standort Arbeitsplätze ab-
bauen, in der neuen Produktionsstätte nicht mehr so viele
Beschäftigte einstellen und dafür auch noch die regionale
Wirtschaftsförderung in Anspruch nehmen. Ja, glaubt die
PDS vielleicht, die Betriebsverlagerung würde derart ge-
schehen, dass man auf jeglichen Fortschritt und auf Ra-
tionalisierung verzichtet und mit uralten Technologien,
die vor Jahren, manchmal Jahrzehnten modern waren, in
den neuen Bundesländern Fuß fassen kann, um damit
Arbeitsplätze zu retten? Dies wäre die Logik der Maschi-
nenstürmer des vorvorigen Jahrhunderts. Diese Logik ist
schon damals gescheitert.
Wenn ein Unternehmen im globalen Wettbewerb be-
stehen will, ist es darauf angewiesen, sich durch Investi-
tionen in modernste Technologien Wettbewerbsvorteile
gegenüber Konkurrenten zu verschaffen. Die Frage auf
den Weltmärkten ist nicht, wie viele Arbeitnehmer ein be-
stimmtes Produkt zusammengeschraubt haben, sondern
was das Produkt kostet und welche Qualität es hat. Diese
beiden Kriterien entscheiden, ob ein Unernehmen auf den
Märkten bleibt oder als Ganzes und dann mit all seinen
Beschäftigten vom Markt verschwindet.
Außerdem wäre es ein Leichtes und die Entschei-
dungsfreiheit hat nun einmal ein Unternehmer den
Standort in unsere östlichen Nachbarländer zu verlagern.
Dies umso mehr, als die EU-Osterweiterung mit den da-
mit verbundenen Erleichterungen für die Unternehmen
bevorsteht und bereits jetzt umfangreiche Angebote aus
dem Ausland vorliegen.
Es ist unsere Aufgabe, alles zu unternehmen, damit wir
den Firmen Rahmenbedingungen schaffen, die geeignet
sind, sie im Land zu halten und sie darüber hinaus zu er-
muntern, in Regionen zu gehen, die wirtschaftlich
schwach sind. Die PDS scheint vergessen zu haben, was
Sinn und Zweck der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe
Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ist.
Durch ihren Antrag versucht die PDS mit planeri-
schen Eingriffen nicht nur die marktwirtschaftliche Ord-
nung auf den Kopf zu stellen, sondern die Unternehmen
davon abzuhalten, in den neuen Bundesländern zu inves-
tieren.
Die PDS unterstellt den Unternehmen von vornherein
missbräuchliches Verhalten. Ganz zu schweigen davon,
dass die PDS damit versucht, einen Keil zwischen die
Annäherung Ost und West zu schlagen. Den Westen wie-
gelt sie auf nach dem Motto: Wir sollen für den Aufbau
Ost zusätzliche Steuern zahlen und dann nehmen die uns
noch unsere Arbeitsplätze weg. Und im Osten sagt die
PDS, es würde viel zu wenig für den wirtschaftlichen Auf-
schwung im Osten getan.
Die PDS denkt nicht daran, dass die Förderung wirt-
schaftlich schwacher Regionen existenziell notwendig ist.
Das Festhalten an den bestehenden Förderungen und ins-
besondere an den Förderungsvoraussetzungen schafft die
Rahmenbedingungen für die Unternehmen, sich für einen
Standort in strukturschwachen Regionen zu entscheiden,
aber auch, das unternehmerische Ergebnis zu verbessern.
Das ist wiederum Voraussetzung für die Schaffung des
notwendigen wirtschaftlichen Wachstums. Wie dringlich
dies ist, zeigen die Zahlen zur wirtschaftlichen Entwick-
lung in den neuen Bundesländern. Zwischen dem ersten
Halbjahr 2000 und dem ersten Halbjahr 2001 betrug
das wirtschaftliche Wachstum in den neuen Ländern
0,85 Prozent. Interessant ist es, sich die einzelnen Bun-
desländer näher anzusehen. Während in den CDU-regier-
ten Ländern Sachsen und Thüringen das Wachstum we-
nigstens noch bei 0,7 Prozent bzw. 0,3 Prozent lag, haben
die Länder, in denen die PDS regiert, es offenbar erfolg-
reich geschafft, Investoren zu vergraulen; denn in Meck-
lenburg-Vorpommern ging das Wirtschaftwachstum um
2,7 Prozent und in Sachsen-Anhalt um 1,8 Prozent
zurück. Die PDS muss sich also hier nicht hinstellen, um
uns zu sagen, wie man Wirtschaftpolitik macht. Und die
SPD sollte aufpassen, mit wem sie glaubt, die Zukunft un-
seres Landes gestalten zu können.
Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Wir müssen uns erneut mit den Antrag zum Ar-
beitsplatzabbau bei der Förderung von Produktionsverla-
gerungen beschäftigen. Nach der ersten Lesung im
Plenum im Frühjahr dieses Jahres und den ausführlichen
Erörterungen des Problems in den Ausschüssen kann ich
beim besten Willen nicht verstehen, welcher neue Sach-
stand sich heute ergeben soll. Die bisherigen Beiträge sind
wie im Kern auch meiner eine Wiederholung. Schließ-
lich ist alles schon mehrfach gesagt worden.
Natürlich kann man in einer freien Marktwirtschaft, in
einer liberalen Gesellschaft niemals ausschließen, dass es
zum Missbrauch bei Fördermaßnahmen im Einzelfall
kommt. Missbrauch konnte man übrigens auch im real
existierenden Sozialismus nicht verhindern. Natürlich
wird niemand in Abrede stellen, dass es bei der Förde-
rung strukturschwacher Regionen in Einzelfällen Unre-
gelmäßigkeiten oder Mitnahmeeffekte geben kann und
gibt.
Zur Verstärkung von Vorurteilen jedenfalls kann ich
mir keinen anderen Grund vorstellen erweckt die PDS je-
doch einmal wieder den Eindruck, dass es sich hierbei um
den Regelfall handelt, so, als habe die Regionalförderung
praktisch kein anderes Ziel, als subventioniert durch Steu-
ergelder auch noch Arbeitsplätze abzubauen. Je nachdem
wie es in das Belieben der PDS passt, kann man sich somit
darüber beschweren, dass zu wenig Arbeitsplätze im Osten
Deutschlands entstehen oder dass, wenn sie denn entste-
hen, Fördermittel falsch eingesetzt worden sind.
Dies alles geht von der falschen Vorstellung aus, dass
Betriebsverlagerungen von West nach Ost allein deshalb
vorgenommen werden, weil es dafür Fördermittel in
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19621
(C)
(D)
(A)
(B)
erheblichem Umfange gibt. Angesichts der Tatsache, dass
die öffentlichen Mittel immer mit einem erheblichen
Eigenanteil der Unternehmen gekoppelt sind, möchte ich
doch erhebliche Zweifel anmelden, dass hier ein großer
Anreiz für solche Maßnahmen besteht. Außerdem ist es
kaum vorstellbar, dass rentable Betriebe nichts Besseres
zu tun haben, als über einen Standortwechsel nachzuden-
ken. Tatsache ist: Wir haben nach wie vor unterschiedli-
che Wirtschaftsstrukturen in Ost- und in Westdeutschland.
Die gezielte Förderung von Standorten in den neuen Bun-
desländern muss und wird daher noch für einen längeren
Zeitraum nötig sein. Wenn heute Unternehmen in den al-
ten Bundesländern über Betriebsverlagerungen nachden-
ken, dann doch in erster Linie über Produktionsverlage-
rungen ins Ausland. Wenn ein Standort in Ostdeutschland
dann dank unserer Fördermittel den Vorzug erhält, wenn
in den neuen Bundesländern somit Arbeitsplätze geschaf-
fen werden, dann hat das einen Nachteil und zwei Vor-
teile. Der Nachteil kann darin bestehen, dass auch im
Westen mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, als im Osten
neue geschaffen werden. Der erste Vorteil besteht darin,
dass unter dem Strich nicht alle Arbeitsplätze ins Ausland
verlagert werden, der zweite und wichtigste Vorteil dann,
dass diese Arbeitsplätze in Ostdeutschland geschafften
werden.
Worüber also beschwert sich die PDS? Sollen unren-
table, unproduktive Arbeitsplätze erhalten werden? Viel-
leicht auch noch mit staatlicher Hilfe wie in der DDR?
Sollen sie vielleicht auch noch mit Steuergeldern subven-
tioniert werden? Nein. Es mag sein, dass die PDS mit
scheinbar hochmoralischer Empörung auf Stimmenfang
gehen will. Aber mit solcher Polemik, mit solch billigem
Populismus werden wir keine Probleme lösen, weder in
Deutschland insgesamt, noch in den neuen Bundeslän-
dern. Weder im Westen noch im Osten werden die Wäh-
lerinnen und Wähler der PDS dauerhaft auf den Leim
gehen.
Jürgen Türk (FDP): Schon die Überschrift des PDS-
Antrags Arbeitsplatzabbau bei Förderung von Produkti-
onsverlagerungen ausschließen ist nichts als blanke Po-
lemik. Schließlich wird ein Betrieb nur dann verlagert,
wenn er woanders effektiver und kostengünstiger produ-
zieren kann. Am neuen Standort kommt modernste Tech-
nik zum Einsatz. Das bedeutet in der Regel, dass weniger
Arbeitskräfte als zuvor benötigt werden. Eigentlich sollte
man meinen, dass sich dies mittlerweile selbst bis zur
PDS herumgesprochen hat. Ihr zur Debatte stehender An-
trag lässt allerdings leider anderes befürchten.
Der im Antrag angesprochene Fall der Verlagerung der
Brandt Zwieback GmbH vom westfälischen Hagen ins
thüringische Ohrdruf findet statt, weil die Firma Brandt
schon heute kaum noch wettbewerbsfähig ist. Würde sie
so weiterwursteln wie bisher, wäre sie nach Aussage von
Firmeninhaber Carl-Jürgen Brandt spätestens in drei Jah-
ren pleite. Brandt hat also gar keine andere Alternative,
als einen neuen Betrieb zu bauen und ihn mit neuester
Technik auszustatten. Auch wenn er das in Hagen täte,
müsste er rund die Hälfte der jetzigen Belegschaft ent-
lassen.
Nun zur Frage, warum Herr Brandt von Hagen nach
Ohrdruf geht. Die PDS unterstellt in ihrem Antrag, dass
der bestimmende Grund darin liegt, dass Thüringen für
die Investition eine höhere Fördersumme gewährt als
Nordrhein-Westfalen. Sie argwöhnt, das es sich um einen
klassischen Fall von Subventionswettlauf handelt, der zu
unterbinden sei.
Auch damit ist sie schief gewickelt. Am wichtigsten ist
für den Unternehmer Brandt die Tatsache, dass in Ohrd-
ruf die Randbedingungen stimmen: Er bekommt eine be-
reits erschlossene Gewerbefläche in der erforderlichen
Größe mit einer hervorragenden verkehrstechnischen An-
bindung. Genau das aber hat ihm sein Heimatort Hagen
nicht bieten können. Die höhere Fördergeldsumme ist für
ihn nicht mehr und nicht weniger als ein angenehmer Be-
gleitfaktor der Umsiedlung. Wäre es ihm in erster Linie
darum gegangen, so hätte er sich im Ausland, beispiels-
weise in Tschechien oder Polen, niedergelassen, die mit
konkurrenzlos günstigen Konditionen um die Firma
Brandt geworben haben. Trotzdem hat sich der Unterneh-
mer Brandt ganz bewusst für den Standort Deutschland
entschieden. Will die PDS ihn und andere Unternehmer
mit ihren unsinnigen Forderungen etwa mit Gewalt ver-
graulen?
Wenn wir dem überdurchschnittlich strukturschwa-
chen Osten zu einem besseren Industriebesatz verhelfen
wollen, dann muss auch die Förderung von Betriebs-
verlagerungen an einen anderen Standort möglich sein.
Damit es dabei nicht zu einem Subventionswettlauf
bzw. unerwünschten Mitnahmeeffekten kommt, haben
Bund und Länder Hürden eingebaut, die dies verhin-
dern. So werden Verlagerungsinvestitionen entlang der
ehemaligen innerdeutschen Grenze nur im Einverneh-
men zwischen den betroffenen Ländern gefördert.
Außerdem dürfen die Investitionszuschüsse niemals die
Höhe der Mittel überschreiten, die das betroffene Un-
ternehmen selbst einsetzen muss. Da eine Verlagerung
immer mit höheren Kosten verbunden ist als ein Ver-
bleib am alten Standort, wird kein Unternehmer ohne
Not umsiedeln.
All das dürfte der PDS nicht unbekannt sein. Trotzdem
hat sie diesen Antrag gestellt. Das ist schlicht nicht nach-
vollziehbar. Man kann deshalb aus meiner Sicht nur eines
tun: Den Antrag ablehnen.
Anlage 13
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 768. Sitzung am 19. Okto-
ber 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
Grundgesetz nicht zu stellen:
Gesetz zu den Änderungen von 1995 und 1998 des
Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 über die
Kontrolle der grenzüberschreitenden Überbringung
gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Gesetz zu
Änderungen des Basler Übereinkommens)
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119622
(C)
(D)
(A)
(B)
Gesetz zu dem Abkommen vom 11. Oktober 1999
über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und
ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik
Südafrika andererseits
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Verkehrsbericht 2000
Integrierte Verkehrspolitik: Unser Konzept für eine mo-
bile Zukunft
Drucksache 14/4688 (neu)
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Straßenbaubericht 2000
Drucksache 14/5064
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur
Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europä-
ischen Parlaments 2000
Drucksachen 14/5221 (neu)
Auswärtiger Ausschuss
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Interpar-
lamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland
über die 104. Interparlamentarische Konferenz vom
15. Oktober bis 21. Oktober 2000 in Jarkarta/Indonesien
Drucksachen 14/6046, 14/6391 Nr. 1
Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
mentarischen Versammlung der OSZE
über die Neunte Jahrestagung der Parlamentarischen
Versammlung der OSZE vom 6. bis 10. Juli 2000 in Bu-
karest
Drucksache 14/6108, 14/6391 Nr. 2
Finanzausschuss
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Fünfter Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirt-
schafts- und Währungsunion des Bundesministeriums
der Finanzen und der Bundesministerien (AS WWU)
vom 20. Juni 20001
Einführung des Euro in die Gesetzgebung und öffentli-
cher Verwaltung
Drucksachen 14/6722, 14/6907 Nr. 1.3
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Dreizehntes Hauptgutachten der Monopolkommission
1998/1999
Drucksachen 14/4002, 14/4003 (neu) (Anlagenband),
14/6282, 14/4440 Nr. 1.1
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Nationales Klimaschutzprogramm
Fünfter Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe
CO2-Reduktion
Drucksachen 14/4729
Haushaltsausschuss
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 683 06
Zuweisungen nach dem Gesetz über die Verwen-
dung von Gasöl durch Betriebe der Landwirtschaft
(LwGVG)
Drucksachen 14/6427, 14/6502 Nr. 2
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 683 15
(Abwicklung des Sondervermögens Ausgleichsfonds
zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes
Drucksachen 14/6622, 14/6907 Nr. 1.7
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 683 50
Beteiligung am Innovationsrisiko von Technologieun-
ternehmen
Drucksachen 14/6862, 14/6907 Nr. 1.9
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 14 03 Titelgrup-
pe 08 Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang
mit internationalen humanitären und sonstigen Ein-
sätzen
Drucksachen 14/6868, 14/6907 Nr. 1.10
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 03 Titel 632 01
Zahlungen nach dem strafrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetz
Drucksachen 14/6760, 14/6907 Nr. 1.8
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Ka-
pitel 06 01 Titel 518 01 Mieten und Pachten
Drucksachen 14/6924, 14/6995 Nr. 3
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom
5. November 2001 mitgeteilt, dass sie folgende Anträge
zurückgezogen hat:
Zwangspfand auf Weinflaschen verhindern
(Drucksache 14/4935)
RUGMARK stärken und eigenhändig erhalten
(Drucksache 14/5553)
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass derAusschuss die nachstehenden EU-Vorlagen
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19623
(C)
(D)
(A)
(B)
bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parlament
zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgese-
hen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 14/6395 Nr. 2.18
Finanzausschuss
Drucksache 14/6508 Nr. 1.2
Drucksache 14/6508 Nr. 2.5
Drucksache 14/6508 Nr. 2.18
Drucksache 14/6508 Nr. 2.38
Drucksache 14/6615 Nr. 1.6
Drucksache 14/6908 Nr. 2.15
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 14/6508 Nr. 2.8
Drucksache 14/6508 Nr. 2.16
Drucksache 14/6508 Nr. 2.27
Drucksache 14/6615 Nr. 2.10
Drucksache 14/7129 Nr. 2.8
Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 14/5114 Nr. 1.1
Drucksache 14/6615 Nr. 1.1
Drucksache 14/6615 Nr. 1.2
Drucksache 14/6615 Nr. 1.3
Drucksache 14/6615 Nr. 1.4
Drucksache 14/6615 Nr. 1.5
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Drucksache 14/6615 Nr. 2.1
Drucksache 14/6615 Nr. 2.4
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/6508 Nr. 2.20
Drucksache 14/6615 Nr. 2.13
Drucksache 14/6908 Nr. 1.1
Drucksache 14/6908 Nr. 1.2
Drucksache 14/6908 Nr. 2.7
Drucksache 14/7000 Nr. 2.14
Drucksache 14/7000 Nr. 2.19
Drucksache 14/7129 Nr. 2.4
Drucksache 14/7129 Nr. 2.5
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/6214 Nr. 1.3
Drucksache 14/6395 Nr. 2.20
Drucksache 14/6395 Nr. 2.21
Drucksache 14/6508 Nr. 2.2
Drucksache 14/6508 Nr. 2.7
Drucksache 14/6615 Nr. 2.7
Drucksache 14/7000 Nr. 1.14
Drucksache 14/7000 Nr. 1.18
Drucksache 14/7000 Nr. 1.23
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119624
(C)(A)
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