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    Eintritt der Abgeordneten Antje Blumenthal in den Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . 19489 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Einführung des Wohnort- prinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (Drucksa- chen 14/5960, 14/6410, 14/6450, 14/6699, 14/7342) . . . . . . . . . . . . . . . . 19489 A Tagesordnungspunkt 20: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Hochschulrah- mengesetzes und anderer Vor- schriften (Drucksache 14/6853) . . . . . . . . . . 19489 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Absicherung der ver- fassten Studierendenschaft (Drucksachen 14/5760, 14/7336, 14/7350) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19489 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung . . . . . . – zu dem Antrag der Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink und der Fraktion der PDS: Perso- nalstruktur- und Dienstrechts- reform an Hochschulen und For- schungseinrichtungen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), Thomas Rachel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Eckpunkte für eine Re- form des Hochschuldienstrechts – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Dienstrechtsreform an den Hochschulen konsequent für eine umfassende Hochschul- reform nutzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der PDS: Bericht über die Er- fahrungen bei derAnwendung des Hochschulzeitvertragsgesetzes (Drucksachen14/3900,14/4382,14/4415, 14/6212, 14/7336) . . . . . . . . . . . . . . . . 19489 D c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Reform der Professorenbesoldung (Professoren- besoldungsreformgesetz) (Drucksache 14/6852) . . . . . . . . . . . . . 19490 A Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 19490 C Dr. Erika Schuchardt CDU/CSU . . . . . . . 19492 A Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen) CDU/CSU 19493 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19494 C Plenarprotokoll 14/199 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 199. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. November 2001 I n h a l t : Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19496 A Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19496 D Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19497 C Dr. Peter Frankenberg, Minister (Baden-Würt- temberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19498 C Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . 19499 D Peter Enders SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19500 C Ruth Wagner, Staatsministerin (Hessen) . . . . 19501 B Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Markus Meckel sowie weiterer Abge- ordneter: Errichtung eines Einheits- und Freiheitsdenkmals auf der Berliner Schlossfreiheit (Drucksachen 14/3126, 14/7209) . . . . . . . 19503 C Stephan Hilsberg SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19503 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19506 A Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19507 B Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19508 C Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . . 19509 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19510 D Tagesordnungspunkt 22: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Reform der arbeits- marktpolitischen Instrumente (Job-Aqtiv-Gesetz) (Drucksachen 14/6944, 14/7347) 19512 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Monika Balt, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Rahmenfrist bei zeitlich befristeter Erwerbsun- fähigkeitsrente, Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) (Drucksachen 14/2282, 14/7347) 19512 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Heidi Knake-Werner und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Viertes SGB III- Änderungsgesetz) (Drucksachen 14/3044, 14/7347) 19512 B – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Ar- beitsförderung im Rahmen des SGB III (Drucksachen 14/5013, 14/7347) 19512 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Arbeitsmarktpoliti- sche Maßnahmen effektiv und transparent gestalten – Aus den Hamburger Vorfällen Lehren für eine Reform des SGB III ziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Arbeitsplätze schaffen statt Arbeitslosigkeit ver- walten – Reformen für einen besse- ren Arbeitsmarkt – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ar- beit vermitteln statt Arbeitslosig- keit verwalten – Mehr Beschäfti- gung durch Effizienz, Transparenz und Subsidiarität im Arbeitsförde- rungsrecht – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Für eine wirksame und effiziente Arbeitsmarktpolitik – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Pia Maier, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Zusätzliche Arbeits- plätze fördern – soziale Siche- rungssysteme festigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Den Einstieg in einen öffentlich geförderten Be- schäftigungssektor ermöglichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001II – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Beschäftigungspoli- tischer Aktionsplan der Bundes- republik Deutschland 2001 (Drucksachen 14/6636, 14/6888, 14/6162, 14/6621, 14/5794, 14/7070, 14/5513, 14/7347) . . . . . . . . . . . . . . . 19512 C Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19513 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 19514 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19516 A Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19518 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19520 A Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 19521 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19523 B Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . 19523 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19524 A Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 19524 C Brigitte Baumeister CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19525 B Ute Kumpf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19527 A Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Finanzierung der Terrorbekämpfung (Drucksachen 14/7062, 14/7332, 14/7376) 19530 A Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19530 B Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19532 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19534 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19535 D Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19537 A Dr. Frank Schmidt (Weilburg) SPD . . . . . . . . 19538 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 19540 A Dr. Frank Schmidt (Weilburg) SPD . . . . . . . . 19540 C Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19541 A Zusatztagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Drucksachen 14/7026, 14/7354) . . . . . . . 19542 A Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19542 B Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19543 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19545 C Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19546 C Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19547 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19548 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19548 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19549 B Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staats- sekretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19549 C Zusatztagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Bestimmung der Schwankungsreserve in der Rentenversi- cherung der Arbeiter und Angestellten (Drucksache 14/7284) . . . . . . . . . . . . . . . 19551 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeodneten Karl-Josef Laumann, Horst Seehofer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Keine systemwidrigen Eingriffe bei der Schwankungsreserve (Drucksache 14/7292) . . . . . . . . . . . . . . . 19551 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 19551 C Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19553 A Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19554 D Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 19555 C Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19556 B Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Finanzie- rungssicherheit für den Bundesfern- straßenbau über das Jahr 2002 hinaus (Drucksache 14/7146) . . . . . . . . . . . . . . . 19558 A Tagesordnungspunkt 25: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des ökologischen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 III Landbaus (Öko-Kennzeichengesetz) (Drucksachen 14/7254, 14/7346) . . . . 19558 A – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des öko- logischen Landbaus (Öko-Kenn- zeichengesetz) (Drucksachen 14/6891, 14/7346) . . . . 19558 B Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Abgeordneten Walter Hirche, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder Erdgas (Drucksache 14/7151) . . . . . . . . . . . . . . . 19558 D Tagesordnungspunkt 27: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuausrich- tung der Bundeswehr (Bundeswehr- neuausrichtungsgesetz) (Drucksachen 14/6881, 14/7089, 14/7235, 14/7236) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19559 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vor- schriften (Sechstes Besoldungsände- rungsgesetz) (Drucksachen 14/7097, 14/7352, 14/7373) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19559 A Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19559 C Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19560 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19562 C Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . . . . 19563 B Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19564 C Kurt Palis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19565 C Meinrad Belle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19567 A Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär BMVg 19568 A Tagesordnungspunkt 28: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Reform des Risiko- strukturausgleichs in der gesetzli- chen Krankenversicherung (Drucksachen 14/6432, 14/7355, 14/7395) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19569 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Re- form des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversi- cherung (Drucksachen 14/7123, 14/7168, 14/7355, 14/7395) . . . . . . . . . . . . . 19570 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung zu den Wirkungen des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung (Drucksachen 14/5681, 14/7355, 14/7395) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19570 A Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19570 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19572 C Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19574 C Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Fortent- wicklung des Unternehmensteuerrechts (Unternehmensteuerfortentwicklungs- gesetz) (Drucksachen 14/6882, 14/7084, 14/7343, 14/7344, 14/7385) . . . . . . . . 19576 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz- Georg Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mehr Wirtschaftswachstum durch mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteu- errecht (Drucksachen 14/6887, 14/7351) . . . . 19576 B c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steuerände- rungsgesetz 2001) (Drucksachen 14/6877, 14/7340, 14/7341, 14/7377) . . . . . . . . . . . . . . . . 19576 B Tagesordnungspunkt 30: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001IV wurfs eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektroni- schen Geschäftsverkehr (Elektroni- scher Geschäftsverkehr-Gesetz) (Drucksachen 14/6098, 14/7345) . . . . 19577 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Hubertus Heil, Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Margareta Wolf (Frankfurt), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Deutschlands Wirtschaft in der Informationsgesellschaft (Drucksachen 14/5246, 14/5974) . . . . 19577 B Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von Über- gangsregelungen im Bundessozialhilfe- gesetz (Drucksache 14/7280) . . . . . . . . . . . . . . . 19577 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 15: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: För- dern und Fordern – Sozialhilfe modern gestalten (Drucksache 14/7293) . . . . . . . . . . . . . . . 19577 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Dr. Klaus Grehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Eine Grundsi- cherung in die Arbeitslosenversicherung einführen (Drucksache 14/7294) . . . . . . . . . . . . . . . 19578 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Die Sozialhilfe armutsfest gestalten (Drucksache 14/7298) . . . . . . . . . . . . . . . 19578 A Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Angelegenheiten der neuen Länder zu dem Antrag der Abgeordneten Gerhard Jüttemann, Rolf Kutzmutz, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Arbeitsplatzabbau bei Förderung von Produktionsverlagerungen ausschließen (Drucksachen 14/5248, 14/6618) . . . . . . . 19578 B Gerhard Jüttemann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 19578 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19579 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19581 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Heinrich Fink, Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser, Gustav-Adolf Schur, Dr. Ilja Seifert, Rolf Kutzmutz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Winfried Wolf, Heidemarie Ehlert, Monika Balt (alle PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . 19582 A Anlage 3 Zu Protokoll gegeben Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung der Schwankungsreserve in der Rentenver- sicherung der Arbeiter und Angestellten – Beratung des Antrags: Keine systemwidri- gen Eingriffe bei der Schwankungsreserve (Zusatztagesordnungspunkte 13 und 14) . . . . 19582 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19582 D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Errichtung eines Einheits- und Frei- heitsdenkmals auf der Berliner Schlossfreiheit (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . 19583 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19583 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Finanzierungssicherheit für den Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hi- naus (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . 19583 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 V Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . . 19583 D Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19584 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19585 D Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 19586 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19587 A Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19587 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des ökolo- gischen Landbaus (Öko-Kennzeichengesetz) (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 19588 B Gustav Herzog SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19588 B Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19589 D Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . . . . 19590 C Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19591 C Marita Sehn FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19592 A Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19592 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . . 19593 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder Erdgas (Ta- gesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19594 C Volker Jung (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . . . . 19594 C Werner Labsch SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19595 C Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19596 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19596 C Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19597 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19598 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: Reform des Risikostruktur- ausgleichs in der gesetzlichen Krankenversi- cherung und Beratung der Unterrichtung: Bericht der Bundesregierung über die Unter- suchung zu den Wirkungen des Risikostruktu- rausgleichs in der gesetzlichen Krankenversi- cherung (Tagesordnungspunkt 28 a und b) 19598 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19598 C Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19599 B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: – Fortentwicklung des Unternehmensteuer- rechts (Unternehmensteuerfortentwicklungs- gesetz) – Änderung steuerlicher Vorschriften (Steu- eränderungsgesetz 2001) und des Antrags: Mehr Wirtschaftswachstum durch mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteuerrecht (Tagesordnungspunkt 29 a bis c) . . . . . . . . . . 19600 A Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . . . . . . 19600 B Elke Wülfing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19601 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19603 B Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 19604 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19604 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19605 B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs: rechtliche Rahmenbedingun- gen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz) und zu dem Antrag: Deutschlands Wirtschaft in der Informationsgesellschaft (Tagesordnungs- punkt 30 a und b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19606 B Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19606 B Dr. Martina Krogmann CDU/CSU . . . . . . . . 19607 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19609 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19610 A Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19610 B Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 19610 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs: Verlängerung von Übergangs- regelungen im Bundessozialhilfegesetz und der Anträge: – Fördern und Fordern – Sozialhilfe modern gestalten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001VI – Eine Grundsicherung in die Arbeitslosen- versicherung einführen – Die Sozialhilfe armutsfest gestalten (Tagesordnungspunkt 31 und Zusatztagesord- nungspunkte 15 bis 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 19612 A Brigitte Lange SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19612 A Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 19614 B Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19615 C Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19616 D Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19618 A Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 19618 C Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Arbeitsplatzabbau bei Förderung von Produktionsverlagerungen ausschließen (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . 19619 C Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . . . . . . 19619 C Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19620 D Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19621 C Jürgen Türk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19622 B Anlage 13 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19622 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 VII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 Gerhard Jüttemann 19579 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19581 (C) (D) (A) (B) Aigner, Ilse CDU/CSU 9.11.2001 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 9.11.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 9.11.2001* Bierwirth, Petra SPD 9.11.2001 Bodewig, Kurt SPD 9.11.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 9.11.2001 Brinkmann (Detmold), SPD 9.11.2001 Rainer Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 9.11.2001 DIE GRÜNEN Catenhusen, SPD 9.11.2001 Wolf-Michael Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 9.11.2001 Frick, Gisela FDP 9.11.2001 Friedhoff, Paul K. FDP 9.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 9.11.2001 Peter Fritz, Erich G. CDU/CSU 9.11.2001 Girisch, Georg CDU/CSU 9.11.2001 Griefahn, Monika SPD 9.11.2001 Großmann, Achim SPD 9.11.2001 Dr. Haussmann, Helmut FDP 9.11.2001 Heinrich, Ulrich FDP 9.11.2001 Hempelmann, Rolf SPD 9.11.2001 Homburger, Birgit FDP 9.11.2001 Hornung, Siegfried CDU/CSU 9.11.2001 Imhof, Barbara SPD 9.11.2001 Kauder, Volker CDU/CSU 9.11.2001 Kopp, Gudrun FDP 9.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 9.11.2001 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 9.11.2001 Klaus W. Meckel, Markus SPD 9.11.2001 Michelbach, Hans CDU/CSU 9.11.2001 Moosbauer, Christoph SPD 9.11.2001 Opel, Manfred SPD 9.11.2001 Ost, Friedhelm CDU/CSU 9.11.2001 Ostrowski, Christine PDS 9.11.2001 Otto (Frankfurt), FDP 9.11.2001 Hans-Joachim Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 9.11.2001 Reichard (Dresden), CDU/CSU 9.11.2001 Christa Dr. Riesenhuber, Heinz CDU/CSU 9.11.2001 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 9.11.2001 Schemken, Heinz CDU/CSU 9.11.2001 Schenk, Christina PDS 9.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 9.11.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 9.11.2001 Hans Peter Simm, Erika SPD 9.11.2001 Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 9.11.2001 Sigrid Dr. Spielmann, Margrit SPD 9.11.2001 Straubinger, Max CDU/CSU 9.11.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 9.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 9.11.2001 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 9.11.2001 DIE GRÜNEN Dr. von Weizsäcker, SPD 9.11.2001 Ernst Ulrich Dr. Wieczorek, Norbert SPD 9.11.2001 Wieczorek (Duisburg), SPD 9.11.2001 Helmut Zapf, Uta SPD 9.11.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 9.11.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Heinrich Fink, Maritta Böttcher, Rosel Neuhäuser, Gustav-Adolf Schur, Dr. Ilja Seifert, Rolf Kutzmutz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Winfried Wolf, Heidemarie Ehlert, Monika Balt (alle PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (Zu- satztagesordnungspunkt 12) Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen. Herbei leiten uns folgende Motive: Heute, am 9. November, sollten wir uns erinnern: Die .Shoah, die unbarmherzige Verfolgung der Juden in Deutschland, war Grund für die Väter und Mütter des Grundgesetzes, Religions- und Weltanschau- ungsgemeinschaften als etwas Besonderes zu behandeln. Das Religionsprivileg entzieht dementsprechend weltan- schauliche Gemeinschaften dem leichten Zugriff des Staa- tes. Sie sollen eben nicht wie jede andere Vereinigung durch die Behörden verboten werden können. In dieser Hinsicht werden Religions- und Weltanschauungsgemein- schaften zu Recht den politischen Parteien gleichgestellt. Die Streichung des Religionsprivilegs wird in der Öf- fentlichkeit im Zusammenhang mit der Terrorismus- bekämpfung gesehen. Es ist wieder vom „Kampf der Kul- turen“ die Rede. Der CSU-Generalsekretär Thomas Goppel fordert eine Internierung von Ausländern auf deutschem Boden – ARD, „Report Mainz“ am 5. November 2001. Der innen- politische Sprecher der Unionsfraktion, Marschewski, sagt in derselben Sendung: „Man könnte sie in gefäng- nisähnlichen Einrichtungen unterbringen.“ Vor diesem Hintergrund ist gerade heute die Streichung des Religionsprivilegs gleich in doppelter Hinsicht ein völlig falsches Signal an die Öffentlichkeit: Zum einen werden alle Glaubens- und Weltanschauungsgemein- schaften in den pauschalen Generalverdacht gestellt, et- was mit Terroristen zu tun zu haben. Da die Aufhebung in eine Zeit fällt, in der das Misstrauen gegenüber moslemi- schen Gläubigen besonders groß ist, erweckt die Strei- chung den Eindruck, das Misstrauen sei berechtigt und der Islam stelle ein geradezu mörderisches Glaubensbe- kenntnis dar. Notwendig ist unseres Erachtens genau das gegenteilige Signal: Menschen aller Glaubensbekennt- nisse oder auch ohne Religionszugehörigkeit eint der Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit. Das Gesetz ist in Windeseile durch das Parlament ge- bracht worden. Ein ausführlicher Dialog mit den Bürger- rechtsorganisationen hat nicht stattgefunden. 16 Organisa- tionen haben in einer Erklärung die Streichung des Religionsprivilegs kritisch erwähnt. Mit ihnen und anderen Verbänden hat die Politik die Debatte nicht geführt. Im Ge- genteil: Hals über Kopf wurde noch schnell eine Sondersit- zung des Innenausschusses anberaumt, um das Gesetz heute abschließend im Plenum behandeln zu können. Ein solches EilverfahrenwirddemkompliziertenProblemnichtgerecht. Uns ist auch die Notwendigkeit des ganzen Vorhabens nicht deutlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon 1971 entschieden, dass auch eine Religionsgemeinschaft unter Umständen dem Verbot und der Auflösung nach Art. 9 Abs. 2 GG unterliegt – BVerwGE 37, 344! Das OLG Düs- seldorf hat im Verfahren gegen den „Kalifen von Köln“ Metin Kaplan, keinen Anlass gesehen, die Schutzgarantie des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VereinsG zu kritisieren, sondern hat viel- mehr die allgemeine Untätigkeit der Behörden angepran- gert. Auch in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS kann die Bundesregierung keinen einzigen Fall aufführen, in dem bisher das Verbot einer Religionsgemeinschaft am Religionsprivileg gescheitert wäre. Es wird immer pauschal behauptet, nach der gegenwärtigen Rechtslage könnte man eine verfassungsfeindliche Organisation nicht verbieten, wenn diese sich als Religionsgemeinschaft tarne. Nur: Ei- nen konkreten Fall, in der tatsächlich das Verbot versucht worden, aber wegen des Religionsprivilegs gescheitert wäre, kann die Bundesregierung nicht benennen. Problematisch wird die Frage auch dann, wenn man die Streichung des Religionsprivilegs in Verbindung mit den schon jetzt scharfen und durch den gerade eingebrachten Entwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes noch verschärften Bestimmungen über die Ausländervereine in § 14 Abs. 1 des Vereinsgesetzes sieht. Wenn also zum Bei- spiel eine Religionsgemeinschaft als Ausländerverein gilt, kann sie künftig verboten werden, weil ihre Tätigkeit „sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“ beeinträchtige. Das stellt zumindest eine Beeinträchtigung des grundgesetzlich garantierten An- spruchs auf Freiheit der Religionsausübung und des Zu- sammenschlusses zu Religionsgemeinschaften dar. Dies hat auch die Bundesregierung zugegeben. In ihrer Ant- wort auf unsere Kleine Anfrage heißt es: „Das Verbot ei- ner als Ausländerverein geltenden Religions- oder Welt- anschauungsgemeinschaft berührt prinzipiell die in Art. 4 des Grundgesetzes gewährleisteten Grundrechte.“ Vor diesem Hintergrund haben wir abgewogen: Das of- fiziell verkündete Ziel der Gesetzesänderung ist es, gegen Vereinigungen vorgehen zu können, deren Zwecke oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedan- ken der Völkerverständigung richten. Ist die Streichung des Religionsprivilegs zur Erreichung dieses Zieles erfor- derlich, geeignet und verhältnismäßig? Aus den oben ge- nannten Gründen müssen wir diese Frage verneinen. Des- halb lehnen wir die Änderung des Vereinsgesetzes ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegeben Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung der Schwankungsreserve in der Rentenversiche- rung der Arbeiter und Angestellten – Beratung des Antrags: Keine systemwidrigen Eingriffe bei der Schwankungsreserve (Zusatztagesordnungspunkte 13 und 14) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was die Regierungskoalition Ihnen heute vor- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119582 (C) (D) (A) (B) schlägt, ist nichts, was wir uns je gewünscht hätten. Der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist die Entscheidung in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Deshalb ist für uns die Frage der Lohnnebenkosten, die uns seit Be- ginn der Legislaturperiode beschäftigt, noch einmal mehr in den Vordergrund gerückt. Deswegen greifen wir zu ei- nem Mittel, das auch wir für problematisch halten. Wir haben deshalb die Veränderung der Schwankungs- reserve nicht einfach vornehmen wollen, sondern wollen sie gesetzlich so regeln, dass die Zahlungsfähigkeit der Rentenversicherer auf jeden Fall gewährleistet wird. Jetzt bleibt die Frage: Wie weit ist diese Absenkung nun zu vertreten? In der Vorlage steht die Zahl 0,8. Das hieße ein Beitragssatz von mehr als 19 Prozent. Ich sage hier für meine Fraktion: Wir möchten die Anhörungen nutzen, um zu klären, inwieweit eine Absenkung auch auf 0,75 Monatsausgaben möglich ist. Bert Rürup, ein Sach- verständiger, hat vorgerechnet, dass dies möglich sei. Ge- rade wirtschaftspolitisch halten wir das Signal, das mit den daraus resultierenden 19 Prozent, also der Absenkung verbunden ist, für zentral wichtig. Eines bleibt ab- schließend festzustellen: Wir tun hier etwas, bei dem wir davon ausgehen, dass es verantwortungsvoll ist. Wir tun das hier offen, im Parlament und vor der Öffentlichkeit. Das ist wichtig, weil wir es uns mit dieser Entscheidung nicht leicht machen, aber weil wir auf der anderen Seite nicht zulassen wollen, die Lohnnebenkosten ansteigen zu lassen, wenn es eine andere vertretbare Möglichkeit gibt. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Errichtung eines Ein- heits- und Freiheitsdenkmals auf der Berliner Schlossfreiheit (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Antrag fordert den Bundestag auf, ein Denkmal zur Erinnerung an die friedliche Revolution in der DDR und den Mauerfall zu errichten. Keine Frage, diese einzigartigen historischen Ereignisse verdienen es, verewigt zu werden. Grundsätzlich halte ich viel davon, Geschichte in Form von Kunst verstehbar und zum An- fassen festzuhalten. Ganz besonders schätze ich so etwas im öffentlichen Raum. Allerdings halte ich diesen Antrag vor allem auch hinsichtlich des vorgeschlagenen Ortes für äußerst ungünstig und dazu auch für verfrüht. Zum einen geht es um den Standort des Denkmals. Wie die meisten von Ihnen sicher wissen, liegt mir eine gelun- gene Gestaltung des Berliner Schlossplatzes sehr am Her- zen. Wie die Ausstellungen in Berlin Mitte zu diesem Thema belegen, gibt es schon jetzt eine große Anzahl von kreativen Vorschlägen, wenn man sich auch über ästheti- sche Aspekte und Durchführbarkeit der einzelnen Pro- jekte streiten kann. Die Berliner Schlossfreiheit sollte je- denfalls jetzt noch nicht verplant werden, weil das Konzept des ganzen Platzes noch gar nicht entschieden ist. Die Diskussion um den Wiederaufbau des Schlosses ist schon kontrovers genug, wir sollten sie nicht noch durch zusätzliche Planungen im Vorhinein beeinträchti- gen. Es ist höchstens denkbar, dass ein solches Denkmal, wenn es denn eines geben sollte, in die Pläne zu einer Neugestaltung des Platzes mit einbezogen werden könnte. Dazu wäre aber eine Neuformulierung des Antrages not- wendig. Ganz abgesehen davon ist es auch nicht Sache des Bun- des allein, diese Frage zu entscheiden. Denn der geplante Standort des Denkmals gehört der Stadt Berlin – anders als das Gelände des Palasts der Republik. In der Diskussion um diesen Antrag sind Stimmen laut geworden, die der Meinung sind, dass es zu früh ist, der deutschen Einheit ein Denkmal zu setzen. Auch ich denke, es gibt ganz offensichtlich Anzeichen dafür, dass die innere Einheit noch lange nicht vollzogen ist. Nicht zuletzt die Berliner Wahl vor einigen Wochen, bei der die Zugehörigkeit zu Ost oder West stark instrumentalisiert wurde, hat gezeigt, wie weit wir noch entfernt sind von ei- nem innerlich vereinigten Deutschland. Wir sollten dieses Vorhaben späteren Generationen überlassen, die hoffent- lich über unsere gegenwärtigen oft schweren Gedanken zum Thema Einheit und auch zum Thema Freiheit nur noch ein Lächeln übrig haben werden. Wir schließen uns aus diesen Gründen dem Votum des Kulturausschusses an und lehnen den Gruppenantrag ab. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Finanzierungssicher- heit für den Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus (Tagesordnungspunkt 24) Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Das ist ja wirklich ein toller Antrag, über den wir jetzt eine halbe Stunde lang beraten sollen. Für die Formulierung dieses Satzes hat ei- ner wirklich viel Gehirnschmalz aufgewendet: „Für die Länder ... soll über das Jahresende 2002 hinaus eine pla- nerische Sicherheit ... sichergestellt werden“. Dies ist nicht der Kern des Antrages, dies ist der Antrag. Da ist man ja wirklich sehr beeindruckt. Beeindruckend daran ist insbesondere, wie wenig die CDU/CSU-Fraktion zur Kenntnis nehmen will, was diese Bundesregierung seit 1998 zur Herstellung von Planungssicherheit und zur Fi- nanzierung von Verkehrsinfrastrukturen des Bundes be- reits geleistet hat und weiter leisten wird. In Sachen Verkehrsinfrastruktur braucht sich die rot- grüne-Koalitionsregierung nun wirklich keine Vorwürfe machen zu lassen. Wir haben die Verkehrsinvestitionen auf Rekordhöhe gebracht und haben die Absicht, sie dort zu halten. Allein für die Investitionen in die Bundesfern- straßen sind im Jahr 2002 10,8 Milliarden DM geplant. Wir haben uns damit definitiv von der Politik der Vorgän- gerregierung verabschiedet, die die Verkehrsinvestitionen im Wesentlichen als Sparkasse der Nation betrachtet hatte. Jedenfalls hatte sie die Verkehrsinvestitionen konti- nuierlich heruntergefahren bis zum Jahre 1998. Wir haben das geändert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19583 (C) (D) (A) (B) Mit unserem Infrastrukturprogramm „Investitionspro- gramm 1999 bis 2002“, mit dem Anti-Stau-Programm 2003 bis 2007 und dem Zukunftsinvestitionsprogramm 2001 bis 2003 hat die rotgrüne Bundesregierung Sicher- heit über ein Investitionsvolumen von mehr als 83 Milli- arden DM geschaffen. Wir haben damit die notwendige Kontinuität des Planungs- und Investitionsgeschehens in den kommenden Jahren sichergestellt. Das gilt auch für die Jahre nach 2002; denn die in unseren Programmen enthaltenen Projekte werden die so genannten Investi- tionsschleppen nach sich ziehen, sodass niemand einen plötzlichen Abbruch der Mittel befürchten muss. Aber um diese Befürchtung geht es der CDU/CSU ja gar nicht. Vielmehr soll irgendwie der Eindruck erweckt werden, wir täten nichts für den Straßenbau. Der Schie- nenwegeausbau ist ihr ja sowieso ganz egal. Dazu möchte ich feststellen: Uns geht es um den Auf- bau einer gesamten und integrierten Verkehrsinfrastruk- tur. Wir wollen den Güterschienenverkehr bis zum Jahre 2015 verdoppeln und sind deshalb bereit, zusätzlich 6 Milliarden DM in die Schieneninfrastruktur zu investie- ren, um das Netz in die Lage zu versetzen, dieses Ver- kehrswachstum auch aufnehmen zu können. Ich darf versichern: Diese Kraftanstrengung machen wir nicht, weil wir ein romantisches Verhältnis zur DB AG haben. Das Ziel des Schienenausbaus ist rein rational. Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung und der Tatsa- che, dass Deutschland das am stärksten belastete Transit- land in ganz Europa ist, haben wir überhaupt keine andere Wahl, als möglichst hohe Anteile des Güterverkehrs auf die Schiene zu verlagern. Wir müssen also die Bahn in die Lage versetzen, ihre verkehrspolitisch notwendige Rolle auch wirklich wahrzunehmen. Ich verrate nichts Neues, wenn ich hier feststelle, dass meine Fraktion auch an ganz neuen Lösungen arbeitet, wie zusätzliches privates Kapital für Verkehrsinvestitio- nen mobilisiert werden kann. Dabei überlegen wir, den Anwendungsbereich des Fernstraßenbauprivatfinanzie- rungsgesetzes zu erweitern. Wir wissen auch, dass hier noch sehr sorgfältig überlegt werden muss, welche Rah- menbedingungen notwendig sind, um dieses Gesetz hand- habbarer zu machen. A und O ist schließlich die Risiko- abgrenzung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich. Hier darf man nichts übers Knie brechen. Wir werden noch in dieser Legislaturperiode den Ge- setzentwurf zur Errichtung einer Verkehrsinfrastruktur- finanzierungsgesellschaft verabschieden und werden auch sehr sorgfältig prüfen, in welchem Umfang privat- wirtschaftliche Betreibermodelle für den sechsstreifigen Autobahnausbau möglich sind. Zu diesem Punkt wird die Parlamentarische Staatssekretärin Mertens gleich weitere Erläuterungen geben. Es gibt für die Endzeitstimmung, wie sie in diesem An- trag niedergelegt worden ist, keinerlei Anlass. Hinter dem Jahr 2002 sollte Sie – auch die Sächsische Landesregie- rung – kein großes schwarzes Loch erwarten, sondern die Fortsetzung unserer Infrastrukturpolitik auf hohem finan- ziellen Niveau. Die Arbeiten am Bundesverkehrswegeplan gehen zü- gig voran. Mit der Einführung der Lkw-Maut gewinnen wir neue Investitionsspielräume. Und schließlich betreten wir im Bereich der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung mit mutigen Schritten Neuland. Dies geschieht mit dem Ziel, in den nächsten Jahren weiterhin zügig an einer Verbesse- rung der Verkehrsinfrastruktur zu arbeiten. Die Kon- tinuität der Verkehrsinvestition hat aber nicht nur diese verkehrswirtschaftliche Seite. Darüber hinaus ist sie un- schätzbar wichtig für die Sicherheit aller hier betroffenen Arbeitsplätze. Renate Blank (CDU/CSU): Finanzierungssicherheit und Planungssicherheit sind wichtige Bestandteile für den Bundesfernstraßenbau in Deutschland. Nachdem die Bundesregierung weder bereit noch dazu in der Lage ist, noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament einen neuen Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfern- straßen zur Kenntnis zu bringen und die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans vorzunehmen, mahnen wir ein Gesamtkonzept an, ja fordern dieses Gesamtkon- zept, damit die Bundesländer, die im Rahmen der Bun- desauftragsverwaltung für den Aus- und Neubau der Bun- desfernstraßen tätig werden, Planungssicherheit erhalten. Es müsste doch mittlerweile auch der Bundesregierung bekannt sein, dass es absolut nichts nützt, ständig neue Programme oder Maßnahmenpakete vorzulegen, die erst – wenn überhaupt – nach 2003 eventuell in Angriff ge- nommen werden sollen. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit, das heißt, die Bundesregierung mit der Regierungs- koalition muss endlich mehr Geld für den Straßenbau zur Verfügung stellen und konkret darlegen, wie sie sich die künftige Finanzierung des dringend erforderlichen Stra- ßenbaus vorstellt. Bisher glänzt die Regierung nur mit Verwirrspielen, ei- gentlich ist das Ganze ein Trauerspiel! Oder halten Sie uns für so dumm, dass wir ihre taktischen Mätzchen der vie- len Programme nicht durchschauen? Sinnlose Mitarbei- terbeschäftigung könnte man das auch nennen. Sie wollen doch nur davon ablenken, dass für den Straßenbau zu we- nig Geld zur Verfügung steht, und sich mit all den Ver- wirrspielen nur über die Bundestagswahl 2002 hinweg- retten. Das Investitionsprogramm, das Ende 2002 ausläuft, wurde vom ersten Verkehrsminister der Regierung Schröder vorgestellt – er hieß Müntefering. Dieses Pro- gramm sollte laut Minister Planungssicherheit bringen. Bei der seinerzeitigen Vorlage war aber schon klar, dass mit diesem Programm nur die zu unserer Regierungszeit bereits begonnenen Maßnahmen fortgeführt werden bzw. Maßnahmen anfinanziert und dann weit über die Zeit nach 2002 geschoben werden. Alle Maßnahmen abzuar- beiten, die im Investitionsprogramm enthalten sind, dau- ert bis weit in das Jahr 2010. Das Anti-Stau-Programm, das frühestens 2003 begin- nen kann, wurde uns vom zweiten Verkehrsminister der Regierung Schröder vorgestellt – er hieß Klimmt. Dieses Programm war bei der Verkündung eine reine Wahl- kampfhilfe für Nordrhein-Westfalen. Die Mittel für dieses Programm hängen natürlich von der Höhe der strecken- bezogenen LKW-Maut ab und der Finanzminister hat auch schon seinen Anspruch auf einen Teil der künftigen Einnahmen angemeldet. Was dann für den Straßenbau, die Schiene und die Wasserstraße noch übrig bleibt, steht in den Sternen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119584 (C) (D) (A) (B) Das Zukunftsinvestitionsprogramm, das Ende 2003 ausläuft, wurde uns vom dritten Verkehrsminister der Re- gierung Schröder vorgestellt – er heißt Bodewig. Jeder Minister ein Programm! Zur Erinnerung: Die Mittel für dieses Programm kamen aus den Erlösen der UMTS-Li- zenzen. Die Vorleistungen für diese Möglichkeit der Ein- nahme wurden – daran muss man immer erinnern – von der CDU/CSU erbracht. Damals haben die Ministerpräsi- denten Eichel und Schröder der Liberalisierung des Tele- kommunikationsmarktes nicht zugestimmt; heute nimmt man die Einnahmen sehr gerne und selbstverständlich an. Das Zukunftsinvestitionsprogramm bringt 2,7 Milliarden DM zusätzlich für den Straßenbau. Das gleicht natürlich die Kürzungen von 4,9 Milliarden DM, die sie gegenüber unserer mittelfristigen Finanzplanung bis 2002 vorge- nommen haben, nicht aus. Jetzt überrascht uns der Verkehrsminister mit einem weiteren Programm, das jetzt allerdings als Maßnahmen- paket „Bauen jetzt – Investitionen beschleunigen“ be- zeichnet wird. Ein weiteres Verwirrspiel! Ein Teil der Mittel für dieses Maßnahmenpaket kommt aus der Um- schichtung von rund 800 Millionen DM von Schienen- mitteln zum Straßenbau. Die Grünen müssten eigentlich aufheulen, dass Gelder von der Schiene, aus welchen Gründen auch immer, zum Straßenbau wandern. Was ist aus der ehemaligen Protestpartei geworden? Ein zahmes Schoßhündchen. Die Mittel fließen ja nur deshalb dem Straßenbau zu, da bei der Bahn Planungskapazitäten, die abgebaut wurden, fehlen. Man versucht jetzt, Ingenieure zu finden. Vielleicht sollte man einmal überlegen, ob nicht private Planungsbüros, die noch Kapazitäten frei haben, Aufgaben übernehmen können. Nachdem die Bahn die jetzt von der Schiene zur Straße gewanderten Millionen in den Jahren 2003/2004 wieder zurück haben möchte – dies wurde auch versprochen –, werden die Mittel zu diesem Zeitpunkt dann dem notwendigen Straßenbau fehlen. Übrigens hat der Minister noch vor drei Wochen im Ausschuss darauf bestanden, dass es keine weiteren pri- vaten Konzessionsmodelle geben wird. Mit seinem neuen Maßnahmenpaket zauberte er kurz danach zehn Betrei- bermodelle aus dem Hut. Finanziert werden sollen die Maßnahmen teilweise aus den Nettoeinnahmen der LKW-Maut ab dem Jahre 2003. Hier wird das fragwürdige Anti-Stau-Programm noch einmal neu verkauft, obwohl nicht einmal klar ist, was unter den weiterzuleitenden Maut-Nettoeinnahmen ver- standen wird. Eine Beschleunigung dringend benötigter Ausbaumaßnahmen ist selbstverständlich zu begrüßen. Hierfür brauchen wir aber eine solide Finanzierungs- grundlage und keine Investitionsakrobatik á la Bodewig. Im neuen Maßnahmenpaket fehlt wieder die hochbelas- tete A 3, auf der sich vor allem zwischen Aschaffenburg und Nürnberg täglich der Verkehr staut. Dass die A 3 im Katalog des Bundesverkehrsministers fehlt, ist nicht wei- ter verwunderlich, denn wieder einmal hat Bodewig selbstherrlich entschieden, wo gebaut werden soll. Die Länder wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Alle drei Programme und das Maßnahmenpaket dienen der Verwirrung. Mehr Geld für den Straßenbau steht nicht zur Verfügung. Im Gegenteil: Projekte werden verzögert und neue baureife Maßnahmen können nicht begonnen werden. Noch vor vier Jahren hat die Länderverkehrsmi- nisterkonferenz beklagt, dass jährlich 4 Milliarden DM zusätzliche Mittel für den Straßenbau nötig wären; mitt- lerweile hat die Länderverkehrsministerkonferenz ein- stimmig festgestellt, dass nun jährlich 7 Milliarden DM mehr zur Verfügung stehen müssten, um den Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen zu realisieren und not- wendige Erhaltungsmaßnahmen auszuführen. Wenn der Bundesverkehrsminister fehlende Planungs- kapazitäten beklagt, so trifft dies keinesfalls auf den Frei- staat Bayern zu. Hier fehlt es nicht an Planungskapazitä- ten, aber an den Mitteln, die der Bund nur unzureichend zur Verfügung stellt. Schließlich gibt es in Bayern bau- reife Projekte mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 1 Milliarde DM. Auch im Freistaat Sachsen und in Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl von Projekten, die mangels Bundesmitteln nicht in Angriff genommen werden können. Wann kommt die Bundesregierung endlich zu den Grundsätzen „Wahrheit und Klarheit“ im Verkehrs- bereich? Wann wird endlich begriffen, dass leistungs- fähige Verkehrswege die Grundvoraussetzung für ein Ver- kehrssystem sind, das in der Lage sein muss, auch künftige Verkehrszuwächse reibungslos, sicher und um- weltschonend zu bewältigen. Für den Standort Deutsch- land mit seiner Lage in der Mitte Europas ist eine leistungsfähige Infrastruktur unabdingbar. Investitionen im Umfang von 1 Milliarde DM schaffen bzw. erhalten 10 000 bis 12 000 Arbeitsplätze. Verkehrspolitik ist auch Standortpolitik, auch wenn dies viele nicht wahrhaben wollen, insbesondere die Grü- nen. Durch Staus entsteht volkswirtschaftlicher Schaden, seriöse Angaben beziffern diesen Schaden auf rund 2 Pro- zent unseres Bruttosozialprodukts, vom Schaden für die Umwelt durch Staus ganz zu schweigen. Herr Minister, hören Sie endlich mit den Verwirrspie- len auf, legen Sie keine weiteren Programme bzw. Maß- nahmenpakete, sondern ein Gesamtkonzept mit der not- wendigen Finanzierungs- und Planungssicherheit für den Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus vor. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem vorliegenden Antrag setzt die CDU/CSU den Versuch fort, von ihren eigenen alten Feh- lern abzulenken. Sie unternimmt einen erneuten Versuch, den Eindruck zu erwecken, dass die Bundesregierung es an Aktivitäten für ein modernes und leistungsfähiges Ver- kehrssystem fehlen lasse. Sie wissen, dass das Gegenteil richtig ist. Ich möchte nur wenige Eckdaten in Erinnerung rufen: Der Bundesverkehrswegeplan war bei Regierungsüber- nahme allein im vordringlichen Bedarf mit über 100 Mil- liarden DM unterfinanziert. Die Schienenbauinvestitionen sind rutschbahnartig nach unten gefahren worden. Das vorhandene Infrastrukturnetz ist auf Verschleiß betrieben worden, heute haben wir es mit maroden Brücken, Straßen, Wasserwegen und Schienen zu tun. Mit verantwortungs- voller Politik hat dies nichts zu tun. Das Motiv Ihres An- trags ist leicht erkennbar, der Inhalt ohne Substanz. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19585 (C) (D) (A) (B) Es ist die rot-grüne Bundesregierung, die eine Zielde- finition und Systematik in die deutsche Verkehrspolitik gebracht hat, wie wir sie zuvor nicht gehabt haben. Dazu gehört an erster Stelle eine neue Ehrlichkeit in der Fi- nanzplanung. Die Zeiten überteuerter und verkehrspoli- tisch unsinniger Prestigeprojekte sind vorbei. So wird zum Beispiel statt Transrapid die ICE-Strecke zwischen Berlin und Hamburg beschleunigt ausgebaut. Die jahr- zehntelange einseitige Bevorzugung des Verkehrsträgers Straße ist vorbei. Ein modernes Verkehrssystem kann sich, unter anderem auch aus umweltpolitischen Gründen, nicht auf dem Neubau von Autobahnen gründen. Wir ha- ben diese Einsicht auch in die Realität umgesetzt. Die Schiene wird mit Milliardenaufwand runderneuert, die Schienenbaumittel haben wir um 50 Prozent erhöht, trotz Haushaltssanierung und Steuersenkung. Ein klares, wenn auch hart erkämpftes Bekenntnis zur Schiene. Mit dem Investitionsprogramm 1999 bis 2002 haben wir Planungssicherheit hergestellt, mit dem Verkehrs- bericht 2000 eine Bestandsaufnahme und Diskus- sionsgrundlage vorgelegt und mit der Einsetzung der Pällmann-Kommission das Thema Infrastrukturfinanzie- rung auf die Tagesordnung gesetzt und Konsequenzen da- raus gezogen. Kurzum: Was die Opposition mit ihrem Antrag bewir- ken möchte, ist längst auf den Weg gebracht worden und zwar mit Resultaten. Die von Ihnen im Antrag geforderte Nutzerfinanzie- rung, für die wir Grüne schon lange eingetreten sind, kommt. Ab 2003 werden schwere Lkws auf den Autobah- nen für die von ihnen verursachten Straßenschäden zur Kasse gebeten: Das Mautgesetz sieht vor, dass je nach Gewicht und Schadstoffklasse durchschnittlich bis zu 37 Pfennige pro gefahrenem Kilometer zu bezahlen sind, bis zu 20-mal mehr als bisher durch die Jahresgebühr. Das wird Güterverkehr von der Straße auf die Schiene ver- lagern. Die viel diskutierte Ökosteuer zeigt ökologische Len- kungswirkung: Nach Jahrzehnten des Anstiegs liegt der Benzinverbrauch und damit der CO2-Ausstoß auf Deutschlands Straßen heute, im 1. Halbjahr 2001, erst- mals niedriger als vor zwei Jahren – um 12 Prozent! Der Straßenverkehr entwickelt sich im Klimaschutz vom Pro- blemkind beinahe zum Musterknaben. Grund: Es wird weniger und sparsamer Auto gefahren. Die Schiene profi- tiert davon: Der Bahnverkehr wächst jährlich um rund 3 Prozent. Im Güterverkehr wurde im Jahr 2000 sogar 13 Prozent mehr Fracht auf der Schiene transportiert als im Vorjahr. Insgesamt kann meine Fraktion damit nur zu dem Schluss kommen, den Antrag von CDU/CSU abzuleh- nen. Sie fordern ein „Konzept für eine zukunftsorientierte Gestaltung der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen“. Wir sind mittendrin. Wir modernisieren die vorhandenen Netze aller Verkehrsträger, fördern die Verknüpfung und folgen gerade als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dabei einer Systematik aus Umweltverträglichkeit, Chancen- gleichheit und Kostenwahrheit. Der Einstieg in die er- wähnte LKW-Maut und die Einnahmenverwendung zu gleichen Teilen für Schiene und Wasserstraße sowie für Straße ist ein Meilenstein in der Gestaltung der Ver- kehrswegefinanzierung. Die unabhängigen Fachleute und Umweltverbände haben ihre Unterstützung in der Ausschussanhörung am vergangenen Mittwoch deutlich gemacht. Zusammen mit den genannten Punkten werden wir im Transitland Deutschland für ein umweltfreundliches und leistungsfähiges Verkehrssystem sorgen. Bis 2015 wollen wir den Güterverkehr auf der Schiene mindestens ver- doppeln. Mit dem gewählten System der elektronischen Erhebung stellt sich Deutschland an die europäische Spitze. Niemand wird mehr von Grenze zu Grenze rau- schen und dabei nur Abgase und kaputte Straßen hinter- lassen können. Diese Bundesregierung legt nicht nur Konzepte vor, sondern handelt. Für einen umweltfreundlichen Kurs werden wir Grüne weiterhin engagiert eintreten. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): In einem hat der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU aus Sachsen Recht: Wir brauchen baldmöglichst Finanzie- rungssicherheit für den Bundesfernstraßenbau über das Jahr 2002 hinaus. Dazu ist allerdings mehr notwendig als die Betrachtung der Dinge ausschließlich aus der Sicht des Bundeslandes Sachsen. Unabhängig davon, dass im bestehenden Investitions- programm ab dem Jahre 2003 für Investitionen in Sach- sen knapp 613 Millionen DM zur Verfügung stehen, aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm bis zu diesem Zeitpunkt nochmals insgesamt 150 Millionen DM und auch das Anti-Stau-Programm – so es denn rechtzeitig kommt – für die A 38 224 Millionen DM vorsieht, ist das eigentliche Problem der Finanzierungssicherheit aus un- serer Sicht nur zu lösen, wenn tatsächlich die Umstellung der Finanzierung von der jetzigen Staatsfinanzierung auf eine echte Nutzerfinanzierung möglich ist. Einen ersten Probelauf werden wir dabei bei der Beratung des Geset- zes für eine Maut für LKW im Verkehrsausschuss wahr- scheinlich am 12. Dezember haben. Den Kollegen sei angeraten, in diesem Sinne kon- struktiv eine gesamtstaatliche Lösung anzustreben; denn die Betroffenheit, die jetzt von Sachsen vorgelegt wird, gilt für alle neuen Bundesländer und für alle alten Bun- desländer genauso. In diesem Zusammenhang appelliere ich deshalb an die gesamtstaatliche Verantwortung und nicht an Einzelinteressen von Bundesländern. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass über das Ende des Jahres 2002 hinaus selbstverständlich in der mittel- fristigen Finanzplanung, die von jedem Finanzminister vorzulegen ist, auch die vorsorglichen Planungen für die Verkehrsdotierung für das Land Sachsen vorgenommen worden sind. Es wäre besser gewesen, diesen Antrag vor der Ein- bringung in den Deutschen Bundestag mit den Fachkolle- gen der Union im Verkehrsausschuss inhaltlich bespro- chen zu haben. Dann wäre vielleicht im Ergebnis ein besserer Antrag herausgekommen. So, wie er jetzt vor- liegt, müssen wir als Liberale den Antrag ablehnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119586 (C) (D) (A) (B) Dr. Winfried Wolf (PDS): Die Antragsteller fordern Finanzsicherheit für eine Reihe geplanter Straßenbauvor- haben in Sachsen über das Jahr 2003 hinaus. Sie wün- schen sich für die örtlichen Planungsbehörden Planungs- sicherheit für eine Reihe von Verkehrsbauten. Grund für ihr in dieser spezifischen Form als Bundestagsantrag un- gewöhnliches Anliegen ist der Bundesverkehrswegeplan, der sich noch in der Überarbeitung befindet. Wir können dem Antrag nicht zustimmen. Der ent- scheidende Grund dafür lautet: Die hier genanten Projekte sind ökologisch höchst fragwürdig, verkehrlich unsinnig und für die regionale Wirtschaft eher schädlich. Schauen wir uns die einzelnen Projekte, um die es den Antragstel- lern im Einzelnen geht, genauer an: Bei der Bundesauto- bahn A 38 handelt es sich offenbar um eine überdimen- sionierte südliche Umgehung von Leipzig, die den Autobahnring um die Messestadt schließen würde. Der Anbindung und Entlastung der südlichen Stadt nützlicher wäre eine Gemeinde- oder Bundesstraße mit Kreuzungen und Kreisverkehren. Die wiederkehrende Behauptung, Autobahnringe um Großstädte brächten eine Entlastung vom innerstädtischen Verkehr, wurde vielerorts widerlegt. Überflüssig ist die Bundesautobahn A 72 Chemnitz– Leipzig. Die Sanierung der vorhandenen parallelen Bun- desstraße B 95 genügt völlig und ist für die heimische Wirtschaft von größerem Nutzen als eine Bundesauto- bahn. Auch die gewünschten Bauvorhaben im Zittauer Raum B 96 und B 178 sollten bezüglich der Größenordnung der Planungen auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden. Es sei den Antragstellern ins Stammbuch geschrieben: Nicht jedes Straßenbauprojekt bringt den versprochenen Nutzen. Nicht jedes Straßenbauvorhaben hält das Ver- sprechen, diejenige „Goldene Gans“ zu werden, die in die Projektbegründungen hineingeschrieben worden ist. Es sei nur an die erneuerte Bundesautobahn A 4 Dres- den–Görlitz erinnert. Um einige Orte vom Durchgangs- verkehr zu entlasten, hätten es ein paar Ortsumgehungen getan. Ein Jahr nach der Eröffnung zur „belebenden Wir- kung für die Wirtschaft“ befragt, musste die Landesregie- rung ernüchternd antworten, größeres Gewerbe habe sich wegen der Autobahn nicht angesiedelt. Belebt wurden die Aktivitäten osteuropäischer Fuhrunternehmer: Für sie bieten sich jetzt schnellere Verbindungen in den mittel- deutschen Markt. Sie bieten den heimischen Fuhrunter- nehmern heutzutage die oft beklagte schärfere Konkur- renz. Die genannten Vorhaben benötigen nicht mehr Pla- nungssicherheit, sondern bedürfen dringend einer sorg- fältigen Überprüfung der Planungsgrundlagen, wie im Übrigen diverse andere Straßenprojekte, die für den Bun- desverkehrswegeplan vorgesehen sind. Finanzielle Ver- bindlichkeitserklärungen, wie sie die Antragsteller an- mahnen, sind da eher kontraproduktiv. Die PDS muss das Ansinnen der Antragsteller ablehnen. Mehr Verkehr auf der Schiene ist eine Forderung der offiziellen Verkehrspolitik des Bundes. Hierfür müssen Schienenwege für den regionalen Personen- und Güter- verkehr erhalten und ausgebaut werden. Das Land Sach- sen unterstützt dieses Anliegen, indem es regionale Bahn- strecken im Umfang von 800 km, die die DB Netz AG zur Stilllegung vorsieht, übernehmen, sanieren und weiterbe- treiben will. Gerade hier aber wären mehr Planungssi- cherheit und eine langfristige Bindung erforderlich. Hier sollten die Antragsteller den Bund fordern. Dass sie es nicht tun, ist ein weiteres Beispiel für die Einseitigkeit dieses Antrags. Angelika Mertens, Parlamentarische Staatssekretä- rin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen: Wer sich die Mühe macht, den Antrag der CDU/CSU im vorderen Teil zu lesen, der wird feststellen: Kein Verkehrspolitiker und keine Verkehrspolitikerin der CDU/CSU hat seinen bzw. ihren Namen dafür hergege- ben. Das macht eines vorweg schon deutlich: Bei aller politischen Auseinandersetzung werden im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen fachpolitisch fun- dierte Positionen ausgetauscht: Und deshalb wissen Sie natürlich auch, dass dieser Antrag ins Leere läuft. Die Bundesregierung weiß, dass die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zu den Schlüsselfragen der künfti- gen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung gehört. Das hat die Vorgängerregierung offensichtlich nicht erkannt: Wir haben bei unserem Amtsantritt im Herbst 1998 einen Verkehrswegeplan vorgefunden, der in erheblichem Maße unterfinanziert war. Daraus haben wir Konsequenzen gezogen: Zum einen haben wir uns umgehend an die Überprü- fung des Bundesverkehrswegeplans auf der Grundlage aktualisierter Prognosen und Bewertungskriterien ge- macht. Leitgedanke der Überarbeitung ist dabei eine rea- listische – das heißt auch finanzierbare Bedarfsplanung. Sie soll den wachsenden Mobilitätsansprüchen der Ge- sellschaft durch den Ausbau moderner Infrastrukturen gerecht werden und gleichzeitig die notwendige Instand- haltung der Verkehrswege sichern. In diesem Zusammenhang ist im Herbst 2000 dem Deutschen Bundestag der Verkehrsbericht 2000 vorgelegt worden, der einen Überblick über die Ziele und Inhalte ei- ner integrierten Verkehrspolitik sowie eine Reflexion über künftige Möglichkeiten zur Finanzierung der Verkehrsin- frastruktur bietet. Zum anderen setzen wir einen Schwerpunkt auf die Identifizierung und Konkretisierung neuer Wege der Ver- kehrsinfrastrukturfinanzierung angesichts der Leistungs- grenzen der klassischen Finanzierungsformen. So werden wir zusätzliche Einnahmen aus der Lkw-Maut in die Ver- kehrsinfrastruktur reinvestieren. Um Planungssicherheit zu schaffen und um den Ein- stieg in den Systemwechsel von der reinen Steuerfinan- zierung hin zu einer ergänzenden Finanzierung über Nut- zergebühren beim Lkw festzuschreiben, sollen die Einnahmen aus der Maut, aber auch die der deutschen Verfügung unterliegenden Abgaben der Bundeswasser- straßen in eine Finanzierungsgesellschaft für die Ver- kehrsinfrastruktur fließen. Damit schaffen wir nicht nur Fairness im Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern; das Geld fließt zudem zurück in die Infrastruktur bei Straße, Schiene und Wasserstraße. Genau das entspricht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19587 (C) (D) (A) (B) unserem Konzept einer integrierten Verkehrspolitik. Fi- nanzieren soll die Gesellschaft zunächst und vorrangig die Maßnahmen des Anti-Stau-Programms im Zeitraum von 2003 bis 2007 in einem Gesamtvolumen von rund 7,4 Milliarden DM. Wir liegen voll im Zeitplan und wer- den das Vorhaben noch in diesem Jahr beschließen und auf den Weg zur parlamentarischen Beratung bringen. Im Sinne eines dauerhaften Erhalts und Ausbaus einer modernen Verkehrsinfrastruktur hat die Bundesregierung zudem das Maßnahmenkonzept „Bauen jetzt – Investitio- nen beschleunigen“ vorgelegt, das die verstärkte Anwen- dung privater Betreibermodelle beim Ausbau von Auto- bahnen vorsieht. Realisierbar werden damit durch die Erschließung privaten Kapitals Investitionen in einer Höhe von etwa 7 Milliarden DM. Für zehn Betreibermo- dellprojekte mit einem Investitionsvolumen von 5,8 Mil- liarden DM ist die Machbarkeit geprüft worden bzw. wird die Prüfung derzeit noch durchgeführt. Die Arbeiten am BVWP sind mit Nachdruck im Gange. Die Finanzierungs- und Planungssicherheit der Infra- struktur ist gewährleistet: Eine stabile Überbrückung des Zeitraumes bis zum Vorliegen eines neuen BVWP und neuer Bedarfspläne im Jahr 2003 und damit die Sicher- stellung der geforderten Kontinuität von Planung, Bau und Finanzierung ist mit dem Investitionsprogramm, dem Anti-Stau-Programm und dem Zukunftsinvestitionspro- gramm gewährleistet. Allein im Bereich der Bundesfern- straßen werden zur Realisierung der genannten Pro- gramme ab dem kommenden Jahr noch weitere rund 32 Milliarden DM investiert. Damit ist das Investitions- geschehen – auch für die neuen Bundesländer – in den kommenden Jahren weitgehend festgelegt. Im Übrigen wird durch den neuen BVWP für weitere Maßnahmen die im Antrag geforderte Planungssicherheit geschaffen. Für Projekte, die bei absehbaren Finanzie- rungsmöglichkeiten ab 2007/08 in Bau gehen könnten, können die Planungen auf der Basis einer entsprechenden Einstufung im neuen BVWP und im neuen Bedarfsplan – eine positive Entscheidung des Bundestags vorausge- setzt – noch rechtzeitig aufgenommen bzw. intensiviert werden. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Er- zeugnisse des ökologischen Landbaus (Öko- Kennzeichengesetz – ÖkoKennzG –) (Tagesord- nungspunkt 25) Gustav Herzog (SPD): Bereits am 26. September die- sen Jahres habe ich an dieser Stelle in der ersten Lesung zur „Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse des ökologischen Sandbaus“ die wesentli- chen Argumente für die Notwendigkeit dieses Gesetzes dargelegt. Frau Bundesministerin Künast hat zu Beginn der Debatte ebenfalls noch einmal eingehend die guten Gründe hierfür erläutert. Dennoch geben mir die Beiträge der Opposition Grund zur Annahme, dass nach wie vor ein gerüttelt Maß an Un- kenntnis, Vorurteilen und ideologisch begründeter Ableh- nung die inhaltliche Diskussion um den Gesetzentwurf bestimmt. Schlimmer noch: es scheint, dass die Ableh- nung des Biosiegels herhalten muss für einen Generalan- griff auf den Ökolandbau und seine Produkte. Doch wirklich unsäglich, meine Damen und Herren von der Opposition, wird Ihr Vorgehen aufgrund der schi- zophrenen Haltung, die sich hier abzeichnet. Da wird auf der einen Seite vordergründig eine Lanze für die armen deutschen Ökobauern gebrochen, die sich nun unzumut- baren Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas aus- gesetzt sehen müssen. Auf der anderen Seite sollte der ökologische Landbau besser gar nicht erst unterstützt werden, da es sich bei den Erzeugnissen, im Vergleich zu denen des konventionellen Anbaus, um gesundheits- schädliche, ja geradezu gefährliche Produkte handeln soll. Spätestens hier wird das Engagement für den ökologi- schen Landbau dann doch unglaubwürdig. Mit dieser Haltung treten Sie die Interessen einer im- mer größer werdenden Gruppe deutscher Landwirte mit Füßen. Das sind Betriebe, die erkannt haben, dass den Zeiten des „Wachsens oder Weichens“ Grenzen gesetzt sind und die Zukunft der landwirtschaftlichen Erzeugung in der Qualitäts- statt Massenproduktion liegt. Die BSE- Krise hat nicht nur den Verbrauchern die Augen geöffnet. Ich werde deshalb im Folgendem, wohl wissend, dass die ideologisch motivierten Ablehnungsmechanismen nur schwer aufzubrechen sind, doch noch mal auf Fragen ein- gehen, die im Zusammenhang mit dem Gesetz aufgetre- ten sind. Um nicht weiterhin dem „Ochsen ins Horn pet- zen“ zu müssen, wende ich mich heute mit meinen Ausführungen weniger an die Opposition als an diejeni- gen, die wirklich mit ernsthaftem Interesse zuhören. Zunächst einmal die vielleicht am häufigsten aufge- worfene Frage: Gefährdet die Einführung des gesetzli- chen Kennzeichens auf vergleichsweise niedrigem Ni- veau der EG-Ökoverordnung das hohe ökologische Niveau des deutschen Ökolandbaus? Warum die Entscheidung zugunsten des EG-Ökostan- dards gefällt wurde, hat unsere Frau Bundesministerin be- reits eindringlich erläutert. Dennoch möchte ich hierzu noch etwas ausführen. Meines Erachtens besteht die Gefahr des Niveau-Dum- pings für den deutschen Ökostandard nicht. Das neue Bio- siegel wird keines der bisher bekannten deutschen Öko- kennzeichen vom Etikett verdrängen. Produziert nach den Kriterien der AGÖL aber auch nach Bioland, Demeter oder einem anderen Anbauverband – mit diesen Merkma- len können die Produkte nach wie vor zusätzlich indivi- duell ausgezeichnet werden. Der Verbraucher soll ent- scheiden, welchen Produkten er den Vorzug geben will. Im Übrigen finden sich auch heute schon viele Waren im Naturkostfachhandel, die „nur“ nach den Kriterien der EG-Ökoverordnung produziert wurden. Weil die Branche weiß, dass nur so eine ausreichende Sortimentsbreite ge- währleistet werden kann, die den Handel mit Ökoproduk- ten erst wettbewerbsfähig macht. Bisher hat sich noch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119588 (C) (D) (A) (B) keiner daran gestört. Den Enthusiasten unter den Öko- konsumenten bleibt es nach wie vor überlassen, ihre Ware nach den gewünschten Kriterien auszuwählen. Es zeigt sich übrigens, dass gerade die Anbauverbände, die sich im Vergleich zu Konkurrenzverbänden seit jeher durch eigene höher gesetzte Qualitätsstandards absetzen, die Befürchtung des Wettbewerbsnachteils nicht teilen. So ist sich zum Beispiel der Demeter-Verband seines Kundenstamms auch in Zukunft sicher. Der Demeter- Kunde weiß, warum er dieser Marke den Vorzug gibt. Hier wird mit der Kennzeichnung durch das Biosiegel eher mit einem zusätzlichen Kundenpotenzial gerechnet. In zahlreichen Gesprächen, die ich in der letzten Zeit mit unterschiedlichen Vertretern der Naturkostbranche geführt habe, wurde deutlich, dass der Schritt zur Ein- führung des staatlichen Biosiegels insgesamt positiv be- gleitet wird. Viele sehen hierin die richtige Maßnahme, um dem Ökolandbau und seinen Produkten raus aus der Nische zu helfen. Diese Äußerungen bestätigen mich darin, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die derzeit fest- gesetzten Kriterien der EG-Ökoverordnung auch noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein sollen. Vielmehr muss es jetzt unser gemeinsames Bestreben sein, die EG- Verordnung kontinuierlich um strengere Kriterien zu er- weitern. Bezüglich dieses Punktes wird ja auch erfreuli- cherweise ein parteiübergreifendes Interesse deutlich. Eine weitere Frage, die hier in den letzten Wochen häu- fig diskutiert wurde, befasst sich mit der Qualität von Ökolebensmitteln. Die Opposition erwies sich im Ausfin- digmachen verschiedener Studien zum Thema als sehr emsig und führt in den Auseinandersetzungen auch immer wieder die eine oder andere Studie an. Hiernach sollen Ökoprodukte qualitativ schlechter bewertet, wenn nicht sogar als gesundheitsschädigend eingestuft worden sein. Dieser Eifer in allen Ehren, aber meines Wissens kommt keine der zitierten Studien zu einem solchen ver- allgemeinernden und konkreten Schluss. Es erschließt sich mir im Übrigen auch nicht, welches Ziel mit dieser Kampagne eigentlich verfolgt wird. Soll hier das Fazit etwa heißen: Öko verbieten statt fördern? Das kann es ja wohl nicht sein. Eine höherwertige Qualität von Ökoprodukten lässt sich nicht ausschließlich an den stofflichen Eigenschaften des Endprodukts messen. Prozessqualitäten spielen im Ökolandbau eine große Rolle, stellen wir den Qualitäts- vergleich mit konventionellen Erzeugnissen an. Dass un- sere konventionell erzeugten Endprodukte einwandfrei und für den menschlichen Verzehr ohne Zweifel geeignet sind, steht außer Frage. Dennoch, wird deutlich, dass ins- besondere bezogen auf die Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft, gerade die Verbraucher, Qualität hier ganz neu definieren. „Ich möchte, dass das Tier, dessen Fleisch ich verzehre, nicht mehr als nötig leiden muss, dass es artgerechtes Futter erhält und nicht aufgrund in- tensiver Haltungsformen auf die unterschiedlichsten Me- dikamente angewiesen ist.“ Das macht in den Augen vie- ler Verbraucher heute die Qualität eines Schnitzels aus und ich sage Ihnen, diese Gruppe wächst. Meines Erach- tens ist das die Form von Qualität, die Ökoprodukte zu be- sonders hochwertigen Lebensmitteln macht. Heute diskutieren wir über das Öko-Kennzeichenge- setz. Dennoch möchte ich nicht versäumen noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Biosiegel ein Teil einer Ge- samtstrategie ist und nur so macht es auch Sinn. Gemäß des ökologischen Gedankens ist die Einführung des staat- lichen Ökosiegels eingebettet in einen Rahmen mit ganz- heitlichem Ansatz. Förderung des Ökolandbaus muss hier heißen, die Hebel an allen relevanten Stellen anzusetzen, die zum einen die Erzeugung selbst fördern, andererseits brauchen wir eine breite Palette flankierender Maßnah- men, die den Konsum von Ökoprodukten steigern. Deutlich sichtbar wird dies im Entwurf des BMVEL zum Bundesprogramm Ökologischer Landbau. Für dieses Programm werden in den Jahren 2002 und 2003 Mittel in einer Größenordnung von jeweils knapp 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die von der Projektgruppe erarbeiteten notwendigen Maßnahmen widmen sich dem gesamten Spektrum der Ernährungskette. Angefangen bei den Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion, über die Erfassungs- und Verarbeitungseinrichtungen bis hin zum Handel, der Vermarktung sowie dem wichtigen Feld der Verbraucherinformation greift das Programm alle re- levanten Stationen auf. Noch deutlicher wird der ganzheitliche Ansatz, be- trachten wir den vom Bundesministerium ausgerufenen Wettbewerb „Regionen aktiv“. Im Mittelpunkt der Pla- nung liegen die Anliegen der Verbraucher. Hiervon aus- gehend sind alle Aktivposten, auch aus dem konventio- nellen Bereich sowie umstellungswillige Betriebe einer Region aufgefordert, gemeinsam für ihr Gebiet ein Kon- zept zu entwickeln und umzusetzen. Die Ergebnisse aus den Modellprojekten werden in die Neugestaltung der Agrarförderung einfließen. Sie sehen, meine Damen und Herren, es tut sich was auf ganzer Linie. Das Konzept des Biosiegels ist in sich stimmig und in ein stimmiges Gesamtkonzept integriert. Nicht zuletzt bestätigt werden wir hier auch durch den Ansatz, den das neue konventionelle Qualitätssiegel – QS – der Privatwirtschaft aufweist. So werden bei- spielsweise auch in dieses Konzept Dokumentations- und Kontrollpflichten, vergleichbar denen des Biosiegels, im- plementiert sein. Daraus schlussfolgere ich: Kopiert heißt akzeptiert! Das Biosiegel ist eine Chance für die leistungsfähigen Ökobetriebe in Deutschland und für Umstellungswillige. Nutzen wir sie. Matthias Weisheit (SPD): Wo ist wirklich Bio drin und wie halte ich die verschiedenen Gütezeichen ausei- nander? Das haben sich bisher die Verbraucher im Laden fragen müssen. Denn in Deutschland sind mehr als hun- dert verschiedene Ökosiegel im Umlauf. Hinzu kommt, dass nur wenige Produkte in Supermärkten erhältlich sind. Und der Gang zum Bioladen ist für die einen zu weit, für die anderen mag es sogar ein Ausflug in die kleine, eingeschworene Gemeinde der „Ökos“ sein, solche Aus- sprüche habe ich jedenfalls gehört. Unbequem und un- übersichtlich – so ist die Situation, der wir jetzt mit dem Öko-Kennzeichengesetz abhelfen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19589 (C) (D) (A) (B) „Bio nach EG-Ökoverordnung“ steht auf dem sechs- eckigen, grün umrandeten Label, und mit diesem Siegel kann man beim Einkauf nun sicher sein, dass das Produkt nach den EU-Standards für Ökolandbau produziert wor- den ist. Dieses Siegel, über das jetzt einige meckern, es lege den zu niedrigen EU-Standard zugrunde, verhindert keine höheren Standards, nein, es fördert das Angebot, es erweitert die Produktpalette und es wird für den Einzug von Bioprodukten in die Supermarktregale in großem Maßstab sorgen. Damit wird ein Konsumentenkreis er- reicht, der bisher eben nicht in den Bioladen ging, aus welchen Grünen auch immer. Damit wird der Absatz der Produkte steigen. Und nur, wenn der Absatz der Produkte steigt, werden wir die notwendige Steigerung des Anteils der ökologi- schen Landwirtschaft auf 20 Prozent bis 2010 erreichen können. Das Öko-Kennzeichengesetz ist damit ein Teil ei- nes Gesamtkonzeptes innerhalb der bitter nötigen Neu- orientierung der Agrarpolitik. Über die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte und die Lebensmittelskandale, die Resultat solcher Entwick- lungen waren, haben wir an dieser Stelle oft genug debat- tiert. Bei den Verbrauchern hat sich nicht nur Misstrauen in die bisherige Nahrungsmittelproduktion breit gemacht, nein, nach meiner Beobachtung ist auch ein neues Ver- hältnis zum Wert eines Lebensmittels gewachsen, der die Umstände seiner Produktion mit umfasst. Die Verbrau- cher sorgen sich nicht nur um ihre Gesundheit. Es wird für sie immer mehr an Wert gewinnen, ob bei der Erzeugung eines Produktes auch die Umwelt geschont und für unsere Kinder und Kindeskinder erhalten wird, und ob ein Tier, dessen Fleisch wir essen, artgerecht gehalten wurde und nicht unnötig gelitten hat. Dieser Entwicklung müssen wir Rechnung tragen und sie fördern. Das Öko-Kennzeichen- gesetz ist ein großer Schritt, aber eben nur einer von vie- len, in diese Richtung. Für alle Beteiligten, die Bauern, die Weiterverarbeiter, die Politik, die Wissenschaft und natürlich die Verbrau- cher, gibt es noch viel zu tun: Die Bauern müssen bei der Umstellung auf Ökolandbau finanziell und mit Beratung unterstützt werden, die Produkte müssen beworben wer- den, die Verbraucher über ihre Vorteile informiert werden, und am Ende der Kette müssen natürlich die Verbraucher bereit sein, für höhere Qualität auch mehr zu zahlen. Mit Aufklärung muss gegen das gerade in Deutschland bei vielen zwiespältige Verhältnis zum Essen und Trinken angekämpft werden, für das die meisten in der Vergan- genheit eben nicht bereit waren, mehr Geld als unbedingt nötig auszugeben. In anderen Konsumzweigen ist das ganz anders, zum Beispiel bei Bekleidung und Autos – das sind „Statussymbole“, dafür zahlt man viel Geld. In einer Zeitung habe ich gelesen, dass das Sensorium Riechen und Schmecken bei uns unterentwickelt sei, weil wir dank der Erfindung der Plastikfolie gewöhnt seien, die Lebensmittel beim Einkauf höchstens anschauen zu dür- fen. Deshalb sei das Ökosiegel ein Siegel für die unsicht- baren „inneren Werte“, für Geschmack, Geruch und für die Umstände der agrarischen Produktion. Damit sind wir nun dem wirklichen Wert des Lebensmittels als Mittel zum Leben und für das Leben so nah wie nie. Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU/CSU): Frau Mi- nisterin, in einem Punkt begrüße ich ebenso wie Sie die Einführung eines einheitlichen Bio-Kennzeichens. Es ist sicher sowohl für dieAnbieter und Vermarkter als auch für die Käufer von Produkten der alternativen Landwirtschaft sehr verwirrend, wenn man feststellt, dass es bisher in Deutschland über 100 verschiedene Biozeichen gibt. Der Wille zur Vereinheitlichung ist ja nicht neu: Wir erinnern uns, dass sich dieArbeitsgemeinschaft ökologischer Land- bau, AGÖL, und die zentrale Marketinggesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft, CMA, zu Beginn des Jahres 1999 auf die Einführung eines bundeseinheitlichen Prüf- zeichens für ökologisch erzeugte Produkte geeinigt haben. Nachdem aber Bioland und Demeter dem Dachverband den Rücken gekehrt hatten, gab es keine Zukunft für die- ses Prüfzeichen. Im Nachgang zu BSE war bei den Betei- ligten dann doch die Bereitschaft da, ein Bio-Kennzeichen unter staatlicher Obhut einzuführen. So weit, so gut. Was haben wir aber mit dem Biosiegel wirklich auf dem Tisch liegen? Ich will es Ihnen sagen: Ein Windei! Was Sie hier bejubeln, ist nämlich die Demontage der ho- hen deutschen Ökostandards, weil das Bio-Kennzeichen bekanntlich auf den niedrigeren EU-Standards beruht. Er- laubt sind dort die Düngung mit Gülle, Jauche und Geflü- gelmist; der gleiche Betrieb darf herkömmlich und ökolo- gisch wirtschaften, der Zukauf von Futter ist unbegrenzt. Dies ist zwar alles keine Katastrophe, wenn es um die Nahrungsmittelqualität und -sicherheit an sich geht. Be- zogen aber auf die hohen Standards, mit denen letztlich der deutsche Ökolandbau wirbt, ist dies ein Unding. Wie wollen Sie garantieren, dass nicht die Produkte aus beiden Anbauformen zusammengemischt werden, wie wollen Sie die Qualität des Futters im Sinne der Ökovorschriften garantieren? Das Schlimmste, was Sie mit Ihrem Bio-Kennzeichen bewirken, kommt aber jetzt: Ich sage ihnen voraus, dass der Ökomarkt in Deutschland über kurz oder lang von Produkten aus dem Ausland, und nicht nur aus der EU, in starkem Ausmaß beliefert wird. Ich weise hier auf einen Artikel im „Handelsblatt“ vom 6. November 2001 hin: „Chinas Ökobauern wollen Europas Märkte erobern“. Das wird nicht morgen sein, aber bald. Diese Nationen werden ihre Ökoprodukte erheblich billiger auf dem deut- schen Markt anbieten können als unsere Biolandwirte. Auf diese Weise wird auch der Wunsch der Ministerin in Erfüllung gehen, dass sich auch die Supermärkte mit Öko- ware füllen. Die Handelsketten werden sehr genau ge- wusst haben, warum sie der Aktion Biosiegel beitreten. Die Ministerin preist das Biosiegel als wichtiges Signal der Agrarwende und meint, auch in diesem Zusammen- hang ihre nichts sagende Floskel „Klasse statt Masse“ verkünden zu müssen. Wen wollen Sie eigentlich mit sol- chen Sprüchen verdummen? Sie sind auch von Verbänden des ökologischen Landbaus gewarnt worden; nicht ohne Grund behalten die bekannten Organisationen ihr bishe- riges Öko-Kennzeichen bei, um nicht Gefahr zu laufen, mit diesem Ramsch-Öko-Kennzeichen verwechselt zu werden. Mit der vorliegenden Bio-Kennzeichnung wird also der heimische Ökomarkt mit ausländischer Ware über- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119590 (C) (D) (A) (B) schwemmt, das Geschäft machen die großen Handelsket- ten, der Verbraucher wird getäuscht und unsere Ökoland- wirte als schwächstes Glied in dieser Kette haben das Nachsehen. Weil Sie bisher so gut wie nichts an Agrarwende vor- zuweisen haben, wollen Sie mit dem Biosiegel unbedingt einen Öffentlichkeitserfolg erzielen. Dafür haben Sie alle Warnungen in den Wind geschlagen. Wenn Sie allerdings auf diese Art und Weise Ihr illusionäres Ziel des 20-pro- zentigen alternativen Landbaus in Deutschland erreichen wollen, ist dies eine billige Statistikmasche. Was reden Sie da immer von der regionalen Erzeugung und Ver- marktung, von den kurzen Wegen, von der Nachverfolg- barkeit vom Stall bis zur Theke? Diese Ziele bleiben bei der vorliegenden Form des Bio-Kennzeichens links lie- gen. Sie hätten besser daran getan, auf europäischer Ebene auf ein einheitliches Ökozeichen auf hohem Ni- veau zu dringen und nicht wie jetzt ein ungenügendes Biosiegel zu präsentieren und dabei gleichzeitig an- zukündigen, dass hierbei noch Reparaturmaßnahmen not- wendig sind. Ich bin einmal gespannt, wie die Durchführungsver- ordnung aussehen wird. Vergabebestimmungen, Kon- trolle usw. – dies muss alles noch geklärt werden. Wie können Sie es verantworten, für dieses schlechte Biosie- gel mit zu niedrigeren Standards in der Öffentlichkeit ei- nen Werbefeldzug mit Kosten von jährlich fast 15 Milli- onen DM zu führen? Hier wird doch mit staatlichen Kosten der Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild vermit- telt. Ich hoffe nur, dass Sie 2003 damit nicht mehr auf Tour gehen müssen. Wie man ein Gütesiegel richtig am Markt platziert, ha- ben ihnen vor kurzem die Verbände der Futtermittelwirt- schaft, der Landwirtschaft, des Schlachtgewerbes, der Verarbeitungsindustrie, des Einzelhandels und die zen- trale Marketingorganisation der Agrarwirtschaft, CMA, vorgemacht. Mit deren „QS-Qualität- und Sicherheits- Siegel“ wird über alle Stufen der Produktionskette durch Dokumentation und Kontrolle eine transparente Qua- litätssicherung aufgebaut. Dabei ist durch Weiterentwick- lung des Prüfkriterienkatalogs als Grundlage des QS-Sys- tems sichergestellt, dass das Gütesiegel kontinuierlich neuen Erfordernissen angepasst werden kann. Nur mit solcher klaren Vorgehensweise kann man das Vertrauen der Verbraucher gewinnen – nicht mit einem undurch- sichtigen Kennzeichen wie dem Biosiegel, bei dem man- ches im Dunkeln bleibt. Die Initiative des QS-Siegels zeigt wieder einmal mehr, dass eine privatwirtschaftliche Lösung besser ist als eine staatliche Regelung. Mit dem Gütesiegel hat man auch das sofortige Verbot der antibio- tischen Futtermittelzusatzstoffe erreicht; bei diesem Punkt haben Sie, Frau Ministerin, ja bekanntlich in Brüs- sel versagt, denn auf EU-Ebene sind diese Futtermittelzu- satzstoffe noch bis 2005 erlaubt. Ich finde es schon eigenartig und unverfroren, dass Sie das Gütesiegel der Wirtschaft in der Öffentlichkeit als Ihre Leistung verkaufen. Ich bitte Sie doch, bei der Wahrheit zu bleiben. Die muss ich bei Ihnen auch auf einem anderen Gebiet anmahnen: Sie haben erst kürzlich wieder bei einer Ver- anstaltung in Weilheim – wie auch an anderer Stelle – ge- sagt, Sie seien Ministerin für 100 Prozent der Landwirte, und haben auch öfter betont, Sie wollten die Landwirte nicht spalten. In Ihren Äußerungen in den Medien hört sich das aber ganz anders an. In Ihrem Interview in der „Zeit“ behaupten Sie, die Preise für konventionelle Pro- dukte seien schon deshalb nicht ehrlich, weil sich in ihnen die Kosten der Wasserverseuchung durch Gülle nicht nie- derschlagen. In Ihrem Interview mit „Greenpeace“ dro- hen Sie, „die Bauern, die weitermachen wie bisher, mit Karacho an die Wand laufen zu lassen“. Solche Aussagen sind eine bodenlose Unverschämtheit. Natürlich treiben Sie, wo Sie nur können, einen Keil in die Landwirtschaft, indem Sie immer wieder die Nahrungsmittelprodukte aus der modernen Landwirtschaft schlechtreden und beim Verbraucher Unsicherheit erzeugen wollen. Das ist einer Ministerin, die für die gesamte Landwirtschaft Verant- wortung trägt, unwürdig. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Endlich ist es da: Ein einheitliches Biosiegel für alle Produkte aus ökologischem Anbau. Für die Verbraucherinnen und Ver- braucher ist dies ein großer Schritt. Denn das Siegel be- deutet Sicherheit und Transparenz. Alle Bioprodukte, egal ob im Supermarkt oder im Naturkosthandel, werden in Zukunft an dem einheitlichen Biosiegel zu erkennen sein. Die Einhaltung der Kriterien für das Biosiegel wird von den zugelassenen Kontrollstellen in den Bundesländern kontrolliert. Die Verbraucher werden so vor Missbrauch geschützt: Wo „Bio“ drauf steht, ist auch „Bio“ drin. Das Siegel garantiert unter anderem dafür, dass auf den Ein- satz von Pestiziden und chemisch-synthetischen Dünger verzichtet wird, keine Gentechnik verwendet wird, keine Antibiotika oder Leistungsförderer im Tierfutter sind, die Tiere artgerecht gehalten werden, die Tierhaltung flächen- gebunden ist. Renate Künast hat sich mit allen beteiligten Gruppen des Lebensmittelhandels, der Ernährungsindustrie, der Ökoanbauverbände und des Bauernverbands auf das neue Biosiegel geeinigt. Das heißt: Alle machen mit, sowohl die Ökolandbauverbände, die ihre Produkte bisher hauptsächlich in Naturkostläden angeboten haben, als auch Supermarktketten. Das Biosiegel kann von allen An- bietern, die nach dem Standard der EU-Ökoverordnung Lebensmittel herstellen, kostenlos genutzt werden. So wird durch einen einheitlichen, EU-weiten Standard ei- nerseits dafür gesorgt, dass das Angebot an Ökoprodukten größer wird. Andererseits hilft ein einheitliches Biosiegel, das den Verbrauchern bekannt und in jedem Laden zu fin- den ist, die Nachfrage zu erhöhen und den Ökolandbau zu stärken. Damit sind wir unserem Ziel, in 10 Jahren eine Ausweitung des Ökolandbaus auf 20 Prozent der land- wirtschaftlichen Fläche zu erreichen, einen großen Schritt näher gekommen. Seit November letzten Jahres ist die Nachfrage um circa 30 Prozent, bei einzelnen Produkten sogar um 50 Prozent gestiegen. Durch die Einführung des Biosiegels wird dieser Trend verstärkt werden. Denn Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass ein einheitliches Kennzei- chen für Ökoprodukte zu einer höheren Nachfrage und dadurch auch zu Zuwachsraten im Ökolandbau führt. Die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19591 (C) (D) (A) (B) Vorreiterländer in Sachen Ökolandbau, beispielsweise Dänemark und Schweden, verfügen über gut bekannte Ökosiegel. Voraussetzung für den Erfolg eines einheitli- chen Kennzeichens ist, dass das Zeichen den Verbrauche- rinnen bekannt ist. Dafür wird eine breit angelegte Infor- mationskampagne des Verbraucherministeriums sorgen. Wir wollen, dass sich die EU-Ökoverordnung in Zu- kunft stärker an den weiter gehenden Standards der Öko- anbauverbände orientiert. Daher werden wir weiterhin da- ran arbeiten, die Richtlinien für den Ökolandbau auf europäischer Ebene zu verbessern. Marita Sehn (FDP): Das Biosiegel soll Einheitlich- keit, Klarheit und Orientierung schaffen: Wo „Öko“ draufsteht, soll auch „Öko“ drin sein! Aber hält das Bio- siegel wirklich, was Frau Künast uns verspricht? Einer Umfrage der Universität Kiel zufolge verstehen die Verbraucher unter „Bio“ vor allem: gesund, unge- spritzt, kein Kunstdüngereinsatz und kontrollierter An- bau. Nur wenn diese Erwartungen erfüllt werden, werden die Verbraucher auch bereit sein, für Bioprodukte mehr Geld auszugeben. Aber werden diese Erwartungen denn auch erfüllt? Lesen Sie sich einmal die Anhänge zur EG-Ökover- ordnung durch. Sie werden schnell sehen, wie weit das Verständnis der Verbraucher und das der EG über das, was „Öko“ ist, auseinander gehen. Glauben Sie denn, dass die Verbraucher es in Ordnung finden, dass im ökologischen Landbau eine ganze Reihe von Insektiziden und Fungiziden eingesetzt werden dür- fen? Glauben Sie denn, dass die Verbraucher es in Ord- nung finden, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen Gülle aus anderen Betrieben ausgebracht werden darf? Bis zum März 2002 dürfen Flächen für den ökolo- gischen Landbau sogar noch zur Entsorgung der Bioton- nenabfälle genutzt werden. Sie treiben ein sehr riskantes Spiel mit dem Verbrau- cher. Für die Profilierungsgelüste einer Ministerin setzen Sie bereitwillig die Glaubwürdigkeit der ökologischen Landwirtschaft aufs Spiel. Sie zerstören damit nicht nur das Vertrauen der Verbraucher in den ökologischen Land- bau, sondern auch in die Politik. Denn es ist Frau Künast, die dem Ganzen ihren Öko-Segen gegeben hat. Die Bundesregierung kennt selber die Schwächen der EG-Ökoverordnung. Sie will deshalb auch auf EU-Ebene auf eine Überarbeitung der Richtlinie drängen. Das ist wichtig und richtig und findet die uneingeschränkte Un- terstützung der FDP. Ein auf europäischer Ebene abgestimmtes Vorgehen anstelle von wirtschaftsfeindlichen, nationalen Alleingän- gen hat die FDP schon immer gefordert. Wir wollen dies, aber nicht nur bei der EG-Ökoverordnung, sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Umwelt- und im Pflanzenschutz. Wenn man alte Hüte aus dem Schrank holt, dann sollte man sie abstauben, bevor man sie aufsetzt . Die EG-Öko- verordnung für den Pflanzenbau gibt es bereits seit 1991. Damit hätte die Bundesregierung Zeit gehabt, auf sub- stanzielle Änderungen hinzuwirken, bevor sie sich mit ei- nem Biosiegel aus dem Fenster lehnt. Frau Künast strickt ihre Gesetze und Verordnungen mit so heißer Nadel, dass sie sich noch die Finger daran ver- brennen wird. Das Biosiegel krankt aus Sicht der FDP auch noch an einem ganz anderen Punkt. Während das von dem Bau- ernverband vorgestellte Gütesiegel QS gemeinsam mit dem Lebensmittelhandel und der lndustrie konzipiert und realisiert wurde, ist das Biosiegel ein vom Staat verord- netes. Das QS-Gütesiegel ist von unten nach oben konzipiert und umgesetzt worden, während das Biosiegel von oben nach unten verordnet wird. Und das Schönste dabei ist: Die Bundesregierung wird nicht einmal das Logo malen müssen. Das QS-Gütesiegel gewährleistet eine gläserne Produktion vom Acker bis zur Ladentheke. Es garantiert eine lückenlose Dokumentation über die gesamte Pro- duktionskette. Es garantiert das, was das Biosiegel nicht kann. Es schafft Einheitlichkeit, Klarheit und Orientie- rung: Wo Qualität draufsteht,ist auch Qualität drin – ge- nau das, was mit dem Biosiegel erreicht werden sollte und nicht erreicht wird. Der ökologische Landbau in Deutschland hat zu Recht ein gutes Image und genießt ein hohes Ansehen. Dies ist für die Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung ein ganz wesentlicher Aspekt. Genau diese Glaubwürdigkeit ge- fährdet das Biosiegel. Denn wo „Bio“ draufsteht, da kann alles mögliche drin sein. Eines wird dabei sehr schnell klar: Das Biosiegel ist kontraproduktiv. Es ist kontraproduktiv für die ökolo- gisch wirtschaftenden Betriebe in Deutschland, weil es ausländische Importe fördert und den hohen deutschen Standard unterhöhlt. Es ist kontraproduktiv für den Na- turkosthandel, weil es in erster Linie darauf abzielt, Bio- lebensmittel zu einem Massenartikel zu machen. Die Konzentrationswelle, die den traditionellen Lebensmit- teleinzelhandel erfasst hat, wird nun auch noch den Na- turkosthandel überrollen. Es ist kontraproduktiv für die Verbraucher: denn die Bestimmungen in der EG-Ökover- ordnung öffnen Missbrauch Tür und Tor. Vielleicht ist es nicht nur Zufall, wenn die ersten Pro- dukte, die mit dem Biosiegel ausgezeichnet sind, aus dem Ausland stammen und im Supermarkt verkauft werden. Vielleicht ist das der Beginn der Agrarwende im Öko- landbau. Masse statt Klasse und regional ist zweite Wahl! Hoffentlich stoßen Ihnen diese biobesiegelten Karot- ten, für 1,79 DM das Kilo und aus österreichischen Lan- den frisch auf den deutschen Tisch, nicht noch unange- nehm auf, Frau Künast. Kersten Naumann (PDS): Die Politik hat oft das Pro- blem, dass das Leben sie einholt. Ich denke, mit dem Öko- siegel ist dies schon passiert, denn man kann jetzt schon biologische Nahrungsmittel mit diesem Siegel kaufen. Die PDS-Fraktion unterstützt die Einführung und Ver- wendung des Ökosiegels. Und dafür haben wir gute Gründe. In der jüngsten Vergangenheit mussten wir erle- ben, wie schnell das Vertrauen unserer Bevölkerung ge- rade in die landwirtschaftlichen Produkte schwinden kann. Die Verbraucher sind verunsichert und viele Be- triebe der Agrarwirtschaft wurden an den Rand ihrer öko- nomischen Existenz gedrückt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119592 (C) (D) (A) (B) Die größere Transparenz in Form des neuen Biosiegels ist ein wichtiger Schritt, um das Vertrauen der Verbrau- cher wieder zu gewinnen. Mit der klaren und eindeutigen Kennzeichnung der Produkte kann der mündige Verbrau- cher entscheiden, ob er Erzeugnisse aus der ökologischen oder aus der konventionellen Landwirtschaft kaufen möchte. Er kann damit nachvollziehen, welche Nah- rungsmittel aus einer nachhaltigen Produktionsweise kommen, bei denen eine natürliche Ernährung, schonen- der Umgang mit den Ressourcen, der Erhalt der biologi- schen Vielfalt, artgerechte Tierhaltung und regionale Kreisläufe stärker beachtet werden und die frei sind von gentechnischen Manipulationen. Die Verwendung der EU-Standards für das Ökoprüf- siegel – als Einstieg – ist richtig. Und doch kann es nur ein erster Schritt sein. Das neue Biosiegel ist für die Verbraucher eine Hilfe- stellung, denn die bisherige Vielzahl der Bezeichnungen und Kennzeichen ist nicht zu überschauen und kaum ge- eignet, Vertrauen zu erzeugen. Die neue Kennzeichnung schafft Klarheit und ermög- licht die weitere Verwendung der strengeren Verordnun- gen der einzelnen Verbände des ökologischen Landbaus. Die Individualität und Regionalität bleibt dadurch erhal- ten und stärkt die Mitglieder der AGÖL. Nun können die Verbraucher mit dem gezielten Kauf von Bio-Produkten ihren direkten Beitrag zur Neuorien- tierung der Landwirtschaft leisten. Die steigende Nach- frage nach Ökoprodukten in den letzten Monaten ist der Beweis dafür, dass die Verbraucher diesen Weg bewusst unterstützen. Das einheitliche Ökosiegel schafft bei den Verbrauchern europaweit Klarheit und Sicherheit. Die Kennzeichnung der Produkte durch ein übergreifendes Siegel ermöglicht auch eine Marketingstrategie, die den Bekanntheitsgrad aller ökologischen Erzeugnisse erhöht und die durch die Kunden besser wahrgenommen werden kann. Die Bundesregierung sollte sich aber auf keinen Fall den Bedenken des Bundesrates verschließen, der sie auf- fordert, bei der EU-Kommission darauf hinzuwirken, die Schwachstellen der EG-Ökoverordnung hinsichtlich möglicher Wettbewerbsnachteile rasch zu beseitigen. Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Agrarwende steht unter dem Motto „Klasse statt Masse“. Was künftig mit dem Biosiegel gekennzeichnet wird, ist Klasse. Und der Verbraucher kann es dank des Biosiegels auch sofort sehen. Produkte mit diesem Zeichen stammen aus einer Land- wirtschaft, die weitgehend auf Chemie beim Pflanzen- schutz und mineralische Stickstoffdünger verzichtet und die Tiere artgerecht hält. Sie stammen aus einer Land- wirtschaft, die unsere natürlichen Ressourcen schützt und schont, die auf Kreislaufwirtschaft mit möglichst geschlossenen Nährstoffzyklen ausgerichtet ist und die – last not least – auf Gentechnik verzichtet. Das Biosiegel hilft, Biolebensmittel schnell und ein- deutig von anderen zu unterscheiden. Und es unterstützt den Weg für ein Umdenken der Verbraucher: ein Umden- ken, das nicht nur auf den Preis setzt, sondern auf Qua- lität. Auch frühere Bundesregierungen wollten die Kenn- zeichnung von Ökolebensmitteln und haben entspre- chende Initiativen unterstützt. Das Ergebnis ist bekannt. Das Ökoprüfsiegel war ein Misserfolg. Ein wichtiger Grund: Es wurde versäumt, den Handel ins Boot zu holen. Genau dafür haben wir vorgesorgt. Auch der Handel baut auf das Biosiegel, weil er sich davon neue Marktchancen verspricht. Damit ist der Weg frei, dass ökologische Pro- dukte den Weg finden raus aus der Nische und rein in die Regale der Supermärkte, wo 80 Prozent aller Lebensmit- tel gekauft werden. Im Handel gibt es derzeit über 100 verschiedene Ökozeichen. Ihre Aussagekraft ist für Verbraucherinnen und Verbraucher oft nur schwer zu durchschauen. Welches Zeichen steht wofür? Sind die Produkte ihren höheren Preis wert? Ist wirklich immer „Öko“ drin, wo „Öko“ draufsteht? Was bedeutet ,,kontrollierter Anbau“ oder „Vertragsanbau“? Dieses verbraucherunfreundliche Dickicht wird mit dem Biosiegel ein Ende haben. Eine eindeutige und vertrauenswürdige Kennzeich- nung von Ökoprodukten schafft dreierlei: mehr Transpa- renz für die Verbraucher, eine entscheidende Verbesse- rung der Absatzchancen ökologischer Produkte und zugleich Anreize für Landwirte, Ökolandbau zu betrei- ben. Damit ist das Biosiegel – neben der verbesserten Strukturförderung und neben dem Bundesprogramm Ökolandbau, das zurzeit in Vorbereitung ist – ein ent- scheidender Schritt auf dem Weg zum Ziel, den Flä- chenanteil des Ökolandbaus in 10 Jahren auf 20 Prozent zu steigern. Seit dem 5. September haben wir bereits 200 Zusagen von Unternehmen, die das Biosiegel schnellstmöglich für ihre Produkte verwenden wollen. Und täglich kommen neue hinzu. Dies ist ein eindeutiger Vertrauensbeweis. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Opposition kritisiert, dass dem Biosiegel der Stan- dard der EG-Ökoverordnung zugrunde liegt. Dazu Fol- gendes: Erstens. Beim Biosiegel muss auch das Gemein- schaftsrecht beachtet werden. Und dies lässt ein staatliches Zeichen, das über den Standard der EG-Öko- verordnung hinausgeht, nicht zu. Denn dies würde fak- tisch eine Beschränkung des freien innengemeinschaftli- chen Warenverkehrs bedeuten. Zweitens. Es gibt keinen Grund, den Standard der EG- Ökoverordnung schlecht zu reden. Er bindet Erzeugung, Aufbereitung und Kennzeichnung von ökologischen Pro- dukten an strenge Voraussetzungen. Ungeachtet dessen werden wir in Brüssel ein Memorandum mit Forderungen für Verbesserungen der EG-Ökoverordnung vorlegen. Wir wollen unter anderem, dass eine Anerkennung als Ökobetrieb nur noch dann möglich ist, wenn der gesamte Betrieb auf Öko umgestellt hat. Drittens. Die Nutzung des Biosiegels ist freiwillig. Wer wie bisher auf das Erreichen darüber hinausgehender Standards oder auf eine besondere regionale Herkunft ei- nes Produkts hinweisen will, kann das unabhängig von Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19593 (C) (D) (A) (B) der Verwendung des neuen Biosiegels auch künftig tun. Das Biosiegel ermöglicht also weiterhin Qualitätswett- bewerb. Richtig ist, dass Produkte aus Drittländern das Biosie- gel ebenfalls führen dürfen. Sie dürfen es aber nur, wenn sie entsprechend dem Standard der EG-Ökoverordnung erzeugt, aufbereitet, gekennzeichnet und kontrolliert wur- den. Das Biosiegel liefert Verbraucherinnen und Verbrau- chern also auch bei Drittlandsprodukten eine ebenso wichtige wie verlässliche Orientierungshilfe. Herr Heinrich hat nun beim Biosiegel eine „eklatante Lücke“ ausgemacht: Im Gegensatz zum neuen „konven- tionellen“ Prüfzeichen fehle beim Biosiegel „die lücken- lose Dokumentation und Informationskette über den ge- samten Produktionsprozess bis zum Endverbraucher“; so in einer Pressemitteilung vom 2. November 2001. Schon eine etwas intensivere Beschäftigung mit diesem Thema hätte ihn eines Besseren belehrt. Ich will es aber gern er- klären: In der EU-Ökoverordnung sind nämlich in dieser Hinsicht schon lange Dinge geregelt, die bei unserem „konventionellen“ Prüfsiegel erst jetzt angegangen wer- den. Dazu gehören mindestens jährlich ein garantierter Check auf Herz und Nieren auf allen Stufen durch unab- hängige Kontrolleure, und zwar auch bei Importen, und strenge Sanktionen bei Verstößen. Das Ergebnis ist ein hohes Maß an Transparenz und Qualität bei der Erzeu- gung und Herstellung von Lebensmitteln. Mit dem Biosiegel wird der Biomarkt weiter wachsen, zum Nutzen der Verbraucher und der Biobauern. Aber ich betone: Klasse für die Verbraucher und neue Chancen für die Landwirte wollen wir auch im konventionellen Be- reich. Deshalb freue ich mich, dass die Wirtschaft meine Initiative für ein Qualitätszeichen für konventionelle Pro- dukte aufgegriffen hat, Das Prüfzeichen QS steht, auch wenn über die Frage der Kriterien noch weitere Ge- spräche notwendig sind. Bemerkenswert ist, dass inzwischen auch Herr Heinrich das Prüfzeichen als „überzeugendes und bei- spielhaftes Konzept für ganz Europa für mehr Sicherheit und Transparenz“ lobt. Noch am 22. Mai hat er in einer Pressemitteilung verlauten lassen, dass er ein Prüfzeichen für konventionell erzeugte Produkte für „überflüssig“ hält, unter anderem, weil es die Verbraucher verwirre statt aufklären. Herzlichen Glückwunsch, Herr Heinrich! Ein- sicht ist der erste Schritt zur Besserung. Kennzeichnung und verbrauchergerechte Information gehören untrennbar zur Agrarwende. Auch für die Land- wirte ist dieser Weg alternativlos in einer Zeit, in der der Wettbewerb um Absatzmärkte durch die Osterweiterung der EU zunimmt, in der die weitere Liberalisierung des Welthandels auf der Tagesordnung steht und in der staat- liche Beihilfen nicht mehr als Selbstverständlichkeit an- gesehen werden. In dieser Situation kann die Richtung nur lauten, eine für die Verbraucher erkennbare Qualität „Made in Ger- many“ zu einem wichtigen Standortvorteil für unsere Landwirtschaft auszubauen. Das tun wir mit dem Biosie- gel. Deshalb: Unterstützen Sie unseren Kurs! Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu Än- derung des Gesetzes zur Sicherheit der Energie- versorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder Erdgas (Tagesordnungspunkt 26) Volker Jung (Düsseldorf) (SPD): Die Bekämpfung des Terrorismus und die Gefahrenabwehr im Innern sind ein zu ernstes Anliegen für vordergründige Effekthasche- rei. Dies gilt ganz besonders für das Thema Sicherstellung der Energieversorgung in Zeiten der Liberalisierung an- gesichts terroristischer Bedrohung im eigenen Land. Denn hier sind Halbheiten und Oberflächlichkeiten fehl am Platz. Genau darum aber handelt es sich bei der zur Debatte stehenden FDP-Vorlage: Ein halb gehörtes Vorzimmer- gerücht, vor dem Weiterdenken zu Papier gebracht und mit dem liberalen Schlachtruf „ick bünn all hier“ auf die Tagesordnung gesetzt. Schade ums Papier, schade um die Zeit. Denn die Vorlage beschränkt sich darauf, durch ein- fache Titeländerung das Energiesicherungsgesetz auf Störungen im Inland anwendbar zu machen, und verzich- tet auf das notwendige Instrumentarium, das den Staat erst in die Lage versetzt, seiner nunmehr größer gewordenen Verantwortung auch nachzukommen. Doch die Folge daraus – zumal in einem liberalisierten Energiemarkt – ist weit weniger trivial. Denn der Staat müsste den Eintritt des Notfalls feststellen, ohne die not- wendigen Konsequenzen ziehen und die Anordnungen treffen zu können. Am Ende müsste er die Rechnung für die notwendige Reservestromversorgung bezahlen, die ihm die Energieversorger präsentieren – im Klartext fi- nanzielle Staatshaftung! Und dies ist mit Sicherheit das Allerletzte, was wir in einer solchen Situation gebrauchen können. Was lehrt uns das ? Weder die ernst zu nehmende Neu- bewertung von terroristischen Angriffen auf Einrichtun- gen der Strom- und Gaswirtschaft noch die Aufgabe, sol- chen Ereignissen durch öffentliche Vorsorge die verheerende Wirkung zu nehmen, sind für die FDP-Op- position Anreiz genug für ernsthafte politische Arbeit. Die Aufgabe heißt Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdungslagen im Innern. Sie wird uns in ernst- hafter Weise und aufgrund einer seriösen Vorlage in der kommenden Woche im Rahmen des Zweiten Antiterror- gesetzes beschäftigen. Dem will ich nicht vorgreifen. Deshalb beschränke ich mich heute auf wenige Grundge- danken, die uns bei dieser Aufgabe leiten müssen. Die Versorgungssicherheit gehört zu den Kernzielen der Energiepolitik und ist nach wie vor eine staatliche Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge. Auch wenn ihr Leitbild im Zeichen der Liberalisierung der Märkte und der europäischen Integration nicht mehr das Autarkieden- ken festgelegter Versorgungsterritorien, sondern das Op- portunitätsdenken dynamischer Märkte ist, bleibt die fun- damentale Bedeutung der Energieversorgung für das Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119594 (C) (D) (A) (B) öffentliche Leben und die Wirtschaftstätigkeit bestehen. Dieser Bedeutung ist der bloße Verweis der Nachfrager an die über Netzbereiche hinweg konkurrierenden Anbieter der Energie nicht ausreichend angemessen. Denn der Markt ist eine Veranstaltung auf Gegenseitigkeit, es gibt dort keine verordnete Zuständigkeit. Bereits im Normal- fall kann ein Lieferantenausfall die physische Versorgung des Kunden gefährden. Im Notfall gilt dies erst recht. Es verbleibt deshalb eine staatliche Sicherstellungs- und Ge- währleistungspflicht, die im Notfall auf einer territorial zugeordneten Verantwortung beruht. Dies werden wir in unserem Gesetz umsetzen. Die Zuverlässigkeit der Energieversorgungsunterneh- men ist nach wie vor ein tragendes Prinzip des Energie- wirtschaftsgesetzes. Vom Kraftwerksbetrieb – ich erin- nere hier an das unverantwortliche Handeln im AKW Philippsburg II – über den Netzbetrieb bis hin zum Kun- denanschluss müssen die Energieversorgungsunterneh- men sich ihrer Verantwortung für das hohe Gefährdungs- potenzial ihrer Anlagen, für die Funktionsfähigkeit ihrer Netze und Leitungen sowie für die Gewährleistung der Kundenversorgung, bewusst sein. Dies setzt auch be- triebswirtschaftlichen Kostenoptimierungen – die wir be- sonders im Netzbereich aufmerksam verfolgen – Gren- zen. Im Übrigen verlangt sie eine wesentlich striktere unternehmensinterne Kontrolle, als wir sie zurzeit leider in manchem Atomkraftwerk antreffen. Es gilt festzuhalten: Die Aufgabenverteilung zwischen privatwirtschaftlichem Normalfall und vom Staat sicher- zustellendem Notfall kann nur gelingen, wenn das Zuver- lässigkeitskriterium hinreichend erfüllt ist. Dessen müs- sen sich alle Beteiligten bewusst sein. Denn dies ist letztlich die Grundlage für das im Energiesicherungsge- setz niedergelegte Subsidiaritätsprinzip, nach dem sich der Staat bei seinem Notfalleingriff auf das unerlässliche Mindestmaß beschränkt. Die Marktverträglichkeit ist im Zeichen der Liberali- sierung eine schwerwiegende Anforderung an unser Han- deln auch bei der Gefahrenabwehr. Das erwähnte Subsi- diaritätsprinzip verlangt vom Staat den Rückzug auf seine ureigenen Aufgaben und die Beschränkung auf die dafür unerlässlichen Mittel und Wege. Dies setzt nicht nur die eben erwähnte Zuverlässigkeit der Unternehmen, sondern auch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf allen Ebenen voraus. Eine marktverträglich sichere Energie- versorgung bedeutet deshalb, dass die energiewirtschaft- liche Versorgungskette möglichst dezentral und ver- brauchsnah organisiert ist, sodass sich ihre Anfälligkeit für Störungen aller Art auf ein Mindestmaß beschränkt. Stand beim Energiesicherungsgesetz 1975 noch die natio- nal begrenzte Reduzierung von Lieferabhängigkeiten Pate, so muss uns heute die Begrenzung von Opportu- nitätskosten leiten. Daraus folgt einmal mehr, dass wir un- sere Energieversorgung verstärkt dezentral und ver- brauchsnah organisieren müssen. Auf diese Weise lässt sich die Notfallvorsorge wirklich auf ein Mindestmaß be- schränken und ihre Eingriffsschwelle wirksam erhöhen. Genau dies ist Ziel unserer Politik. Die Prämisse eines funktionierenden Wettbewerbs auf dem Energiemarkt ist ein reichhaltiges und preiswürdiges Angebot, aus dem sich die Nachfrager in freier Wahl be- dienen können. Die Prämisse einer sicheren Energiever- sorgung ist, dass die Nachfrager ihrer Belieferung gewiss sind. Beides unter marktwirtschaftlichem und europä- ischem Leitbild zur Deckung zu bringen ist die Aufgabe unserer an Freiheit, Verantwortung und Vorsorge orien- tierten Energiepolitik. Sie soll mit ihrer langfristigen Aus- richtung auf erneuerbare Energiequellen, ressourcenscho- nende und hoch effiziente Erzeugung und Verteilung sowie auf sparsamen Verbrauch Notfälle und Engpässe bereits im Normalbetrieb beherrschbar machen. Werner Labsch (SPD): Die FDP fordert eine Ände- rung des Gesetzes zur Sicherung der Energieversorgung bei Gefährdung oder Störung der Einfuhren von Erdöl, Erdölerzeugnissen oder Erdgas. Sie begründet diese For- derung mit den Terroranschlägen von New York und Was- hington. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Geschehnisse vom 11. September, die wir alle als Katastrophe begreifen, nunmehr für viele Initiativen her- halten müssen. Panikmache war schon immer ein schlech- ter Ratgeber und bringt Deutschland keinen Schritt voran. Richtig ist, dass das Bewusstsein dafür geschärft wird, dass eine auf die Zukunft gerichtete Energiepolitik die Versorgung zu jeder Zeit sichern muss. Ich bezweifle aber, dass wir diesem Ziel einer zukunftsorientierten En- ergievorsorge mit Ihrer staatlichen Vorratshaltungsver- ordnung näher kommen werden. Gleichwohl halte ich es für erforderlich, die Diskussion über eine deutsche bzw. europäische Energievorsorge zu eröffnen. Die deutsche Energiewirtschaft war, ist und muss weiterhin ein zuver- lässiger und stabiler Partner von Industrie, Gewerbe und Haushalt bleiben. Die bisherige, konsensgefasste Versor- gungsstrategie bestand aus einem drittelteiligen Energie- mix, nämlich Kernenergie, Kohle (Stein- und Braun- kohle) sowie Gas und Öl. Die Energieerzeugung aus Kernenergie wird durch eine planmäßige Außerbe- triebsetzung der AKWs schrittweise bis 2020 zurückge- fahren. Vernünftigerweise haben wir in der Phase des En- ergieüberangebotes und unter dem Zwang der Senkung von Schadstoffemissionen, zielgerichtet Forschung und Markteinführung der regenerativen Energieerzeugung be- trieben. Wir haben damit ein weltweit führendes Know- how und marktfähige Produkte geschaffen. Als Substitu- tionsmenge für die stillzulegenden Atomkraftwerke ist das natürlich zu wenig, da sie nur zu einem Drittel ver- fügbar sind. Auf die umweltpolitischen Aspekte werde ich an dieser Stelle nicht eingehen. Obwohl Kapazitätsreser- ven vorhanden sind, und Energiesparmaßnahmen den in- dividuellen Bedarf reduzieren, steigt der allgemeine Energiebedarf weiter. Der Trend, ersatzweise die Primär- energieträger Öl und Gas zu importieren und gemäß Ihres Antrages, werte Kollegen von der FDP, zu bevorraten, führt weiter in die Abhängigkeit bis hin zur politischen Er- pressbarkeit. Es bedarf dazu nicht erst terroristischer An- griffe auf Tanker und Pipelines. Gas und ÖI wird immer teurer, weil sie am Weltmarkt knapper werden – sie sind schwerer zu haben und werden zu einer wirtschaftspoliti- schen Waffe werden. Deutschland und Europa verfügen über ausreichende abbauwürdige Kohlevorkommen. Deutschland – sowohl Politik als auch Wirtschaft – muss Schritte einleiten, wonach durch Forschung und Entwick- lung beim Umwandlungsprozess von Primärenergie in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19595 (C) (D) (A) (B) Strom und Wärme verbesserte Wirkungsgrade erreicht werden und dann beginnen, Altkraftwerke durch moderne Neuanlagen zu ersetzen. Weiterhin sind die Entwicklun- gen zur Marktfähigkeit effizienter erneuerbarer Energie- quellen, wie Brennstoffzelle und andere, fortzuführen. Darin besteht die alternative deutsch-europäische Ener- gieversorgungspolitik für die Zukunft. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf ab. Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Die ständige und si- chere Verfügbarkeit von Energie ist ein zentrales Element einer funktionierenden Volkswirtschaft. In sensiblen Be- reichen geht es zum Beispiel darum, Strom rund um die Uhr zur Verfügung zu haben. Das Energiesicherungsge- setz ist die Reaktion der Bundesrepublik Deutschland auf die krisenhafte Situation der 70er-Jahre, die die zentrale Aufgabe des Staates im Bereich einer umfassenden Si- cherheitsvorsorge verdeutlicht hat. Gerade vor dem Hintergrund des großen Beitrages der fossilen Energieträger, wie Erdöl und Erdgas, zu unserer Energieversorgung lassen sich jedoch Engpässe im Zu- gang, die sich zumindest über einen Anstieg im Preis- niveau manifestieren, nicht völlig ausschließen. Das Energiesicherungsgesetz trug und trägt also den Erfah- rungen mit einem solchen Engpass Rechnung. Die terroristischen Anschläge vorn 11. September 2001 in New York und Washington D.C. haben uns eine neue Facette der Gefährdung der Versorgung deutlich vor Augen geführt. Die freiheitlichen Industriegesellschaften sind vor der Gefahr der Störung der Energieversorgung leider nicht völlig gefeit. Die Wochen nach den schreck- lichen Ereignissen in den USA haben nichtsdestotrotz gezeigt, dass eine Beeinträchtigung der Einfuhr von Energieträgern bzw. Erdölerzeugnissen bisher nicht statt- gefunden hat. Angesichts der menschenverachtenden Dimension der Anschläge in den USA sind jedoch auch Einschränkungen der Energieversorgung im Inneren, etwa im Bereich der Infrastruktur oder des Kraftwerkparkes, wenn auch nicht wahrscheinlich, so doch wenigstens nicht mehr undenk- bar. Der heute zu beratende Gesetzesentwurf der FDP- Fraktion zielt insofern folgerichtig auf eine Erweiterung des Energiesicherungsgesetzes im Sinne einer Anwend- barkeit auch bei Störungen, deren Ursachen im Inneren liegen. In diesem Fall müsste der Staat seiner Verantwor- tung ebenso unzweifelhaft nachkommen wie bei äußerer Bedrohung. Wie in der Begründung zu Recht angeführt wird, muss auch weiterhin die Bedingung für das Einschreiten des Staates bestehen bleiben, dass die Anwendbarkeit des Ge- setzes durch Rechtsverordnung erst möglich ist, wenn die Gefährdung oder die Störung der Energieversorgung durch marktgerechte Maßnahmen gar nicht, nicht recht- zeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln zu behe- ben ist. Dem Gesetzentwurf liegt ein klarer Anlass zugrunde. Er kommt zu der richtigen Analyse einer bisherigen Lücke im geltenden Recht und zieht die logischen Kon- sequenzen daraus. Der Gesetzesentwurf findet die Unter- stützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Michaele Hustedt (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der FDP zeigt wieder einmal eines: wie leicht man es sich in der Opposition machen kann. Anstatt ein vernünftiges Konzept vorzulegen, wird hier nur eine sim- ple Änderung des Energiesicherungsgesetzes vorgeschla- gen. Das ist zu wenig. Seit dem 11. September hat die Bedrohung durch den Terrorismus eine neue Qualität. Terroristen sind bereit, unter Einsatz ihres Lebens Angriffe gegen die Zivilbevöl- kerung durchzuführen. Einen absoluten Schutz gegen Ter- roranschläge kann es nicht geben, aber es muss alles ge- tan werden, um die Bevölkerung so gut wie möglich vor denkbaren Risiken zu bewahren. Die neue Dimension der Bedrohung wirft Fragen hin- sichtlich der Anfälligkeit unserer gesamten Energie- versorgung auf. Das gilt für die gesamte Infrastruktur unseres Energieversorgungssystems. Die Strom- und Gasversorgung kann leicht unterbrochen werden, mit al- len wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. Dies gilt aber auch für die Nutzung der Atomenergie: Wenn Terro- risten bereit sind, Flugzeuge zu Bomben umzufunktionie- ren, um damit Tausende von Menschen zu töten, dann ist es ebenso vorstellbar, dass sie Anschläge auf Atomkraft- werke verüben. Aber da muss sich die FDP die Frage gefallen lassen: Wenn Sie die Energieversorgung in Deutschland gefähr- det sehen, warum setzen Sie immer noch auf die größte Gefahr unter den Stromerzeugern, die Atomenergie? Der Ausstieg aus der Atomenergie wird die Sicherheit in Deutschland erhöhen. Diese Erkenntnis haben wir nicht erst seit dem 11. September. Es ist aber erstaunlich, dass Sie sich selbst heute dieser Erkenntnis verschließen. Das Bundesumweltministerium hat bereits am 11. Sep- tember Sofortmaßnahmen ergriffen. Unter anderem wurde die Reaktor-Sicherheitskommission beauftragt, zu prüfen, inwieweit deutsche AKWs gegen gezielten Ab- sturz von Großflugzeugen ausgelegt sind und welche kurzfristigen Möglichkeiten zur Verringerung des Scha- densausmaßes bestehen. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor: Die deutschen Atomkraftwerke sind in unterschied- lichem Maß gegen Flugzeugabstürze geschützt. Eine nicht unerhebliche Zahl vor allem älterer Atomkraftwerke ist nicht bzw. unzureichend gegen Flugzeugabstürze gesi- chert. Auch die AKWs neuerer Bauart könnten einem An- griff der Größenordnung von New York und Washington sehr wahrscheinlich nicht standhalten. Die Untersuchungsergebnisse machen zudem deutlich, dass es erheblichen Nachholbedarf für weitere Analysen gibt. Das gilt sowohl für die Frage des derzeitigen Schutz- niveaus von Atomanlagen gegenüber terroristischen An- schlägen als auch für die Möglichkeit der Erhöhung der Sicherheit der Anlagen durch bauliche und technische Maßnahmen. Deshalb hat das BMU weitere Untersu- chungsaufträge vergeben. Diese Untersuchungen gilt es abzuwarten. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist der einzig rich- tige Weg zu mehr Sicherheit. Deshalb wäre es grund- falsch, den Atomkonsens jetzt einseitig aufzukündigen. Deutschland ist das Land der Welt, welches am schnells- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119596 (C) (D) (A) (B) ten aus der Atomkraft aussteigt. Wenn wir jetzt nicht zü- gig die Novellierung des Atomgesetzes vorantreiben, werden wir am Ende der Legislaturperiode mit leeren Händen dastehen. Dennoch drängen wir darauf, dass äl- tere und weniger sichere Atommeiler vorzeitig abge- schaltet werden. Dies ist mit dem neuen Ausstiegsgesetz möglich und macht Sinn: Jedes abgeschaltete AKW führt zu mehr Sicherheit. Auch unsere Gas- und Stromversorgung macht uns an- greifbar. Es reichen schon einige gezielte Terrorakte an den Knotenpunkten, um ganz Deutschland oder zumin- dest große Teile Deutschlands von Gas- und Stromliefe- rungen zeitweise abzuschneiden. Die zunehmende Im- portabhängigkeit von Gaslieferungen stellt sich ebenfalls als Problem dar – Gas kann bislang hauptsächlich nur aus Norwegen und Russland bezogen werden. Eine ähnliche Situation besteht seit langem bei der Öl- versorgung. Der Ölpreis hängt vor allem von den Ent- wicklungen der Krisenregion im Nahen Osten ab. Wir hängen am Tropf. Unsere Wirtschaft und unsere Mobilität ist abhängig vom Frieden im Nahen Osten. Für alle diese Probleme gibt es keine schnelle Lösung, keine absolute Sicherheit. Aber es ist möglich, Risiken deutlich zu mindern. Die Bedrohungsszenarien offenba- ren, dass die Zukunft einer sicheren Energieversorgung in kleinen, dezentralen Strukturen liegt. Das macht sie we- niger anfällig für Terroranschläge und Katastrophen und steigert obendrein Innovation, Effizienz und Umweltver- träglichkeit. Auf Sonne und Wind lassen sich keine An- schläge verüben. Energie sparen und solare Energien sind damit auch der Schlüssel zu mehr Versorgungssicherheit. An die Stelle zentraler und starrer Infrastruktur müssen zunehmend dezentrale, flexible, fehler- und eingriffstole- rante Strukturen treten. Wir befinden uns mit unserer Energiewende hier auf dem richtigen Pfad, aber: Die Entwicklung von einer zen- tralistischen zu einer dezentralen und solaren Energie- wirtschaft muss jetzt noch mehr beschleunigt werden. Die bündnisgrüne Regierungspolitik ist deshalb gleicher- maßen auf die Förderung der Energieeinsparung, auf Energieeffizienz und auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgerichtet. Unser Ziel ist es, den Anteil der er- neuerbaren Energien an der Stromerzeugung bis zum Jahre 2010 mindestens zu verdoppeln und die Brennstoff- zelle im KWK-Gesetz besonders zu fördern. Es bleibt dabei: Auf den Klimawandel, auf die Frage der Sicherheit und auf die Endlichkeit der fossilen Res- sourcen gibt es nur drei richtige Antworten: Dezentrale Versorgungsstruktur, Energieeinsparung und die Umstel- lung auf erneuerbare Energien. Denn solare Energie ist weltweit unbegrenzt vorhanden. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der erneuerbaren Energien sein. Walter Hirche (FDP): Energie ist der Lebenssaft einer dynamischen Wirtschaft. Deshalb ist als Teil der Terrorismusbekämpfung auch dringlich Vorsorge zur Si- cherung der Energieversorgung geboten. Mit dem Geset- zesvorschlag der FDP soll die Beschränkung der Geltung des Energiesicherungsgesetzes auf Einfuhrstörungen auf- gehoben werden. Die Regelung, die das Kabinett vor zwei Tagen im Rah- men des Antiterrorpakets verabschiedet hat, formuliert in- haltlich das Gleiche auf sehr viel mehr Seiten Papier. Sankt Bürokratius feiert wieder einmal Triumphe in die- ser Regierungsvorlage. Das ist überflüssig. Der Entwurf der FDP zielt auf Änderung dessen, was nötig ist. Auf Brimborium können wir verzichten. Wir müssen wieder lernen, schnell und gezielt zu handeln statt ausschweifend zu formulieren. Nehmen wir uns ein Beispiel an der Ver- abschiedung des ersten Energiesicherungsgesetzes. Das Gesetz vom 20. Dezember 1974, dessen Änderung wir hier vorlegen, hatte einen Vorläufer. Dieses erste Energiesicherungsgesetz wurde genau heute vor 28 Jah- ren, am 9. November 1973, verabschiedet. Damals stand die Welt unter dem Eindruck der ersten Ölkrise. In einem Rekordeilverfahren – erste Beratung am 7. November, zweite und dritte Beratung am 9. Novem- ber – verabschiedete der Deutsche Bundestag 1973 das Energiesicherungsgesetz mit Sofortmaßnahmen zur Ener- gieeinsparung. Auf dieser Grundlage wurde ein Fahrver- bot für vier Sonntage im November und Dezember 1973 verhängt. Ich erinnere mich noch, wie damals die Men- schen ihren Sonntagsspaziergang mit den Kindern auf der Autobahn machten. Mit dem 1974 verabschiedeten Nachfolgegesetz zu den ersten Sofortmaßnahmen, für dessen Beratung das Parlament sich dann deutlich mehr Zeit genommen hat, wurde die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, im Falle ei- ner Krise, wenn andere, marktmäßige Instrumente nicht greifen, zeitlich befristete Vorschriften über Produktion, Transport, Lagerung, Verteilung, Abgabe, Bezug, Ver- wendung und Höchstpreise von Energieträgern zu erlas- sen. Diese Vorschriften zielen auf den privaten Verbrauch, weil auch im Falle einer Krise möglichst wenig in die wirtschaftliche Betätigung eingegriffen werden soll. Und sie stehen unter dem Vorbehalt, dass die Störung der Ener- gieversorgung durch marktgerechte Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mit- teln zu beheben ist. Sie sind das letzte Glied einer Kette von Instrumenten, die mit Aufrufen zu freiwilligen Ein- sparmaßnahmen beginnt. Das Energiesicherungsgesetz von 1973 wie auch sein Nachfolger von 1974 gehen aber ausschließlich von einer Störung der Energieversorgung von außen aus, also einer Störung bei den Einfuhren. Heute stehen wir vor anderen, nicht minder gefährlichen Situationen. Nach den An- schlägen von New York und Washington wissen wir, dass wir die Möglichkeit nicht ausschließen können, dass es auch durch Ereignisse im Inland zu Störungen der Ener- gieversorgung kommt, die mit marktmäßigen Mitteln nicht beherrscht werden können. Bei der jetzigen Geset- zeslage stünde jedoch keines der im Energiesicherungs- gesetz vorgesehenen Instrumente zur Verfügung, um auf eine solche Störung zu reagieren. Diesen Zustand so zu belassen wäre fahrlässig. Auch bei Störungen und Gefährdungen, deren Ursachen im In- land liegen, müssen gegebenenfalls die im Gesetz vorge- sehenen Maßnahmen zur Sicherung der Energieversor- gung getroffen werden können. Dem dient – in der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19597 (C) (D) (A) (B) Hoffnung, diese Instrumente nie zu brauchen – unsere Ge- setzesvorlage. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. Rolf Kutzmutz (PDS): Was war nur in die Kollegen Walter Hirche und Rainer Brüderle sowie ihre Fraktion gefahren, als sie am 16. Oktober diesen Gesetzentwurf beim Bundestag einreichten? Laut seiner Begründung könnten Störungen der Energieversorgung nicht ausge- schlossen werden, deren Ursachen im Inland liegen und nur durch Anwendung des Energiesicherheitsgesetzes be- herrschbar bleiben. Befürchteten sie eine die Versorgung gefährdende rote Flut, die per Stimmzettel fünf Tage spä- ter über die Bundeshauptstadt hereinbrechen sollte? Oder rechnen sie mit anders nicht beherrschbaren Attacken auf die Energieversorgung , falls im Gefolge des 21. Oktober einer von beiden Wirtschaftssenator von Ber- lin werden sollte? Beides will selbst ich nicht vermuten. Näher liegt bei einer traditionsreichen Klientelpartei wie der FDP der Verdacht, man wolle großen Kapitalbesitzern ihr Eigen- tum in allen Lebenslagen sichern. Wenn das Gesetz auf jede mögliche Störung ausgedehnt und praktiziert würde, dann griffe bei seiner Anwendung die so genannte „Här- teausgleichsverordnung“ auf Grundlage von dessen §§ 10 und 11: Machen Importeure, Lieferanten, Bevorrater oder große Energiekonsumenten eine Beeinträchtigung ihrer Geschäfte geltend, dann soll ihnen ein geldwerter Aus- gleich aus Bundes- oder auch Landesmitteln zukommen. Es wäre schon bemerkenswert, wenn eine Partei, die bei- spielsweise bei der Sozialversicherung gar nicht laut ge- nug nach Eigenverantwortung rufen kann, bei der Kapi- talversicherung plötzlich die Solidargemeinschaft aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entdeckt. Vermutlich ist das Motiv der FDP jedoch viel simpler, aber deshalb nicht weniger ablehnungswürdig: Nach dem 11. Septem- ber verfiel Rot-Grün in Aktionismus, den oppositionelles Gelb eben noch überbieten will. Bei der inneren Sicherheit und Militärpolitik kam man nicht zum Zuge. Dort wird schon durch die Regierung vieles geändert, zwar weniger das, was erkennbaren Be- drohungen tatsächlich angemessen wäre, sondern viel- mehr das, was manche Leute schon immer gern in ihrem Instrumentenkasten gehabt, aber sonst nie bekommen hätten. Also zieht die Wirtschaftspartei auf das ihr nach- gesagte Kompetenzfeld weiter und verfährt dort ebenso wie Rot-Grün: Ein Gesetz der Ölkrise 1973 wird mit ei- nem Federstrich vorgeblich flugzeugbombentauglich ge- macht, ohne an der Situation etwas zu ändern. Man hat etwas getan, um notwendiges Tun tunlichst zu vermei- den, beispielsweise Vorschläge gemacht, wie die tatsäch- lich bedrohten und bedrohlichen Atomkraftwerke ohne Einbußen an Freiheit und Wohlstand schnellstens aus der Welt zu schaffen wären. Sie gibt es; aber wenn sie von der FDP kämen, so wäre das tatsächlich eine revolutionäre Wende. Die Liberalen produzieren lieber Verkleisterung der wirklichen Herausforderungen, gepaart auch noch mit mentaler Kriegsmobilmachung. Für keines von beidem ist die PDS zu haben. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung und Beratung der Unter- richtung: Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung zu den Wirkungen des Risiko- strukturausgleichs in der gesetzlichen Kranken- versicherung (Tagesordnungspunkt 28 a und b) Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf hat eine klare Botschaft. Er bedeutet: Wir steuern das Gesund- heitssystem um und für uns stehen die Menschen im Vor- dergrund des Gesundheitssystems. Alle Akteure müssen sich dem, was für die Patienten gut ist, unterordnen, denn der Patient steht im Mittelpunkt. Qualität und Wirtschaft- lichkeit werden mit diesem Gesetzentwurf gesteigert und müssen weiterhin gesteigert werden. Dazu dient die Ge- sundheitsreform 2000 und die anderen Gesetze, die noch im Gesetzgebungsverfahren sind. Wir brauchen dafür ei- nen Wettbewerb unter den Kassen, der für Versicherte und Patienten einen Anreiz bietet, die beste Versorgung für die Patienten aufzubauen. Der Wettbewerb muss dafür ein so- lidarischer Wettbewerb sein. Wir stellen daher den RSA auf eine neue Grundlage. Ziel der Reform ist insbesondere die Verbesserung der Situation der chronisch Kranken. Aber auch die Anglei- chung der Wettbewerbsbedingungen der Krankenkassen. Daher sieht der Gesetzentwurf die folgenden Punkte vor: finanzielle Förderung der Durchführung von Disease-Ma- nagement-Programmen, die Einführung eines Risiko- pools für hohe Leistungsaufwendungen, die Weiterent- wicklung des Risikostrukturausgleichs durch eine direkte Erfassung der Morbiditätsunterschiede der Versicherten, um damit zu einem differenzierten und gerechteren Aus- gleich zwischen den Krankenkassen zu kommen. Zur Reform des Risikostrukturausgleichs gehört auch die Einführung von Disease-Management-Programmen, die die Versorgung von chronisch Kranken verbessern sollen. Für Patienten mit chronischen Erkrankungen muss die Versorgung besser aufeinander abgestimmt werden. Damit lässt sich vor allem die Lebensqualität von Patien- tinnen und Patienten verbessern, aber auch Folgeschäden können zum Beispiel in Diabetiker-Programmen verhin- dert werden. Die Disease-Management-Programme sind verknüpft mit dem Ziel, den Hausarzt als Lotsen im Ge- sundheitssystem zu stärken und verbindliche Gesund- heitsziele in Deutschland zu definieren. Eine Abstim- mung der Behandlungs- und Betreuungsprozesse kann am besten der Hausarzt leisten. Diese Disease-Manage- ment-Programme müssen qualitätsgesichert und kontrol- liert werden. Jedes Disease-Management muss eine Ak- kreditierung erhalten und damit qualitätsgeprüft sein. Die Teilnahme an diesen Programmen muss allerdings frei- willig bleiben. Sie dienen auch langfristig dazu, Kosten zu sparen, denn 80 Prozent der Gesundheitsausgaben werden durch chronisch Kranke verursacht. Hieraus ergibt sich mit der Reform des RSA auch ein Anspruch an die Wirt- schaftlichkeit und an die Beitragssatzstabilität. Die von Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119598 (C) (D) (A) (B) der Union vorgebrachten Argumente überzeugen hier nicht. Sie wollen hohe Qualitätsstandards an die Disease- Management-Programme anlegen, dazu liefern Sie aller- dings keine Verbesserungsvorschläge. Ich möchte noch einmal an die Anfänge der Reform er- innern: Andrea Fischer hatte 1999 ein Gutachten zur Re- form des Risikostrukturausgleichs in Auftrag gegeben. Das Bundesgesundheitsministerium hatte die Experten- gruppe IGES mit Professor Cassel/Wassem beauftragt. Auch das Gegengutachten von Lauterbach und Wille, welches vom Verband der Angestellten- und Arbeiterer- satzkassen, den AOKs und dem Bundesverband der In- nungskrankenkassen angeregt wurde, fand viel Beach- tung. Alle Gutachter waren der übereinstimmenden Auffassung, dass eine dauerhafte Reform des Risiko- strukturausgleichs eine unverzichtbare Voraussetzung für den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in einem solidarisch finanzierten System ist. Die Einführung der di- rekten Morbiditätsorientierung wird von beiden Gutach- tergruppen übereinstimmend als zentral angesehen. Auch die besondere Berücksichtigung der chronisch Kranken wird durchweg positiv beurteilt. Ich bin daher der Auffas- sung, dass uns mit diesem Gesetz ein weiterer wichtiger und guter Reformschritt gelungen ist. Keiner der Gutach- ter hatte jedoch einen Mindestbeitragssatz gefordert. Wir, die Fraktion von Bündnis 90/die Grünen, haben diesen Mindestbeitragssatz mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Ein Mindestbeitragssatz ist nicht im Sinne der Versicher- ten und eines gesunden Wettbewerbs, er nützt darüber hi- naus auch nicht den Krankenkassen, die viele chronisch Kranke zu versichern haben. Die Disease-Management- Programme sind hier ein sinnvoller Ansatz. Sie liefern ge- nauere Kriterien eines morbiditätsorientierten Risiko- strukturausgleichs sowie die Einführung des Risikopools. Auch das später diskutierte Grundlastmodell fand keine breite Zustimmung innerhalb unserer Fraktion. Ein Grundlastmodell könnte ebenso Fehlanreize setzen und würde zu überhöhtem bürokratischen Aufwand führen. Den Vorschlag der so genannten „Gesunden Profile“ wer- den wir weiterhin prüfen, aber für eine Entscheidung fehlte bisher der hinreichende Nachweis über die Wir- kung der Profile. In dem jetzt beschlossenen Vorziehen des Risikopools sehen wir eine sinnvolle Maßnahme, kurzfristig die Kran- kenkassen zu entlasten. Somit stellt der vorliegende Ge- setzentwurf ein Paket aus Maßnahmen dar, die einerseits kurzfristig und mittelfristig zu einem fairen Wettbewerb führen. Andererseits wird der RSA zugleich umorientiert, hin auf eine bessere Versorgungsqualität der chronisch kranken Versicherten. Der vorliegende Gesetzentwurf packt Probleme des Risikostrukturausgleichs nachhaltig an. Sich einer Re- form zu verschließen wäre unverantwortlich gegenüber den Versicherten und Patienten. Aber es ist auch unver- ständlich, sich einem gerechten, solidarischen Wettbe- werb zu verweigern. Ich bitte Sie daher, dem Gesetzent- wurf zuzustimmen. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Mit der Einführung des Kas- senwahlrechts für alle Mitglieder wurden Angestellte und Arbeiter in der GKV gleichgestellt. Um allen Kassen für den damit verbundenen Wettbewerb gleiche Ausgangsbe- dingungen zu geben, wurde ein Risikostrukturausgleich eingeführt. Dieser Finanzausgleich sollte die Nachteile beseitigen, die sich für eine Kasse aus ungleicher Mit- gliederstruktur und unterdurchschnittlichem Einnahmeni- veau ergeben. Obwohl mit dem RSA zurzeit jährlich circa 27 Milliarden DM umverteilt werden, ist dies nicht ge- lungen. Es ist für eine Kasse höchst vorteilhaft, möglichst viele junge, gesunde und gut verdienende Mitglieder zu gewinnen. Dieser Effekt kommt vor allem den so ge- nannten virtuellen Betriebskrankenkassen zugute. Umge- kehrt werden geringer verdienende, ältere und chronisch kranke Menschen für die Kassen zur Belastung. Für eine Krankenversicherung, deren Zielstellung sozialer Aus- gleich sein soll, entsteht eine geradezu perverse Anreizsi- tuation. Die Beitragsunterschiede, die daraus resultieren, haben nichts mit wirtschaftlichem Handeln zu tun. Die Ent- wicklung geht in erster Linie zulasten der AOKs und großer Ersatzkassen. Äußerst schwierig gestaltet sich die Situation der meisten AOKs in den neuen Bundesländern, bei denen besonders viele Ältere und chronisch Kranke versichert sind. Hinzu kommt, dass der GKV im Ganzen zunehmend Mittel entzogen werden. Ein solidarisch fi- nanziertes und sozial gerechtes Gesundheitswesen ist auf Dauer so nicht zu erhalten. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass die Regie- rung handelt und der zunehmenden Risikoselektion und Entsolidarisierung in der GKV Einhalt gebieten will. Al- lerdings sind wir der Meinung, dass dieses wichtige Ziel nicht ausreichend und überzeugend umgesetzt wird. Rich- tig ist, dass künftig auch die Morbidität direkt berück- sichtigt wird. Das benötigt Zeit und kann deshalb nur mit- telfristig wirksam werden. Für die Übergangszeit sind deshalb mit der Einführung voll Disease-Management- Programmen zur strukturierten Behandlung chronisch Kranker und einem Risikopool für besonders kostenin- tensive Behandlungsfälle auch kurzfristige Schritte vor- gesehen. Diese Maßnahmen reichen aber nicht aus bzw. greifen zu spät. Darin besteht nach unserer Auffassung die entscheidende Schwäche des Gesetzes. Dies gilt trotz der eingebrachten Änderungsanträge, die unter anderem da- rauf zielen, die kurzfristigen Vorhaben bereits im Verlaufe des Jahres 2002 wirksam werden zu lassen. Zweifellos kann mit Disease-Management-Program- men die Behandlung chronisch Kranker gezielt verbessert werden. Vor dem Hintergrund der erstarrten Versorgungs- strukturen im Gesundheitswesen sollte allerdings nie- mand erwarten, dass sie die erhofften Wirkungen bereits in kurzer Zeit entfalten. Überfällig war allerdings, dass nun auch die Ärzte im Rahmen des Koordinierungsaus- schusses an der Einrichtung dieser Programme beteiligt sein werden. Unverständlich bleibt für uns jedoch, dass die Schwellenwerte der Leistungsaufwendungen für ei- nen Versicherten im Zusammenhang mit dem Risikopool und die dabei festgelegten Selbstbehalte der Kassen nicht niedriger angesetzt wurden. So bleibt zu bezweifeln, dass die angestrebten qualitativen und finanziellen Wirkungen des Risikopools tatsächlich erreicht werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19599 (C) (D) (A) (B) Im Übrigen gehören zum Ausgleich auf der Einnah- menseite auch die beträchtlichen Aufwendungen, die die Kassen bei Härtefällen und chronisch Kranken anstelle der Zuzahlungen aufbringen müssen. Das betrifft wie- derum besonders die ostdeutschen AOKs und bleibt gänz- lich unberücksichtigt. Vor allem aber fehlt dem Gesetz nach wie vor ein Ele- ment, welches den Finanzausgleich zwischen den Kassen bereits ab Anfang nächsten Jahres in notwendiger Weise verändert. Das Gesetz wird deshalb seine zentrale Auf- gabe, die gegenwärtige Entsolidarisierung in der GKV und die damit verbundene Aushöhlung ihrer Funktions- fähigkeit zu stoppen, nicht in der gebotenen Weise erfül- len können. Aus diesem Grunde werden wir uns der Stimme enthalten. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: – Fortentwicklung des Unternehmensteuer- rechts (Unternehmensteuerfortentwicklungs- gesetz – UntStFG) – Änderung steuerlicher Vorschriften (Steuer- änderungsgesetz 2001 – StÄndG 2001) und des Antrags: Mehr Wirtschaftswachstum durch mehr Gerechtigkeit im Unternehmensteuer- recht (Tagesordnungspunkt 29 a bis c) Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Wieder er- füllen die Bundesregierung und die rot-grüne Regie- rungskoalition wichtige Versprechen, die sie Steuerbür- gern und der mittelständischen Wirtschaft gegeben hat. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unterneh- menssteuerrechts setzt die Regierungskoalition ihren mit der Unternehmensteuerreform beschrittenen Weg zur Modernisierung der steuerpolitischen Kulisse für alle Un- ternehmen konsequent fort. Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Regierungsentwurf deutlich erkennbar angerei- chert. Ökonomisch widersinnige Haltefristen für die Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb einer Per- sonengesellschaft werden abgeschafft. Für die Übertra- gung von Beteiligungen oder Wirtschaftsgütern einer Per- sonengesellschaft auf eine beteiligte Kapitalgesellschaft wird die Nachversteuerung von stillen Reserven auf die Fälle begrenzt, in denen ein Weiterverkauf vor Ablauf von sieben Jahren erfolgt. Die Umwandlung und Umstrukturierung von Perso- nenunternehmen wird ab dem 1. Januar 2002 deutlich er- leichtert. Realteilungen und die Übertragung von Unter- nehmensbestandteilen zwischen Personenunternehmen werden weitgehend steuerneutral möglich. Die Reinvesti- tion von Erlösen aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften wird gegenüber dem Regie- rungsentwurf erweitert. Die Übertragung von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen ist zulässig beim Erwerb neuer Kapitalbeteiligungen bei Gebäuden und ab- nutzbaren beweglichen Anlagegütern. Aus haushaltspoli- tischen Gründen wird der übertragbare Gewinn auf 100 000 DM im Wirtschaftsjahr begrenzt. Insgesamt werden besonders kleine und mittlere Un- ternehmen zusätzlich um 450 Millionen DM entlastet. Gleichzeitig wirkt das Gesetz auch der Aushöhlung der Gemeindefinanzen entgegen. Durch die Verkopplung von körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Or- ganschaften bei der steuerlichen Verrechnung von Gewin- nen und Verlusten in Unternehmensverbünden werden den Städten und Gemeinden Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 1 Milliarde Mark gesichert. Bereits bei Verab- schiedung der Unternehmensteuerreform hatten wir zuge- sagt, in einem zweiten Schritt die Umwandlung und Um- strukturierung von Personenunternehmen ähnlich zu erleichtern, wie wir es für die Kapitalgesellschaften be- reits durchgesetzt hatten. Außerdem wollten wir das Außensteuerrecht europäisieren und modernisieren. Hierzu hat auf Antrag der Koalition die Bundesregierung frühzeitig einen Bericht vorgelegt, der gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet worden ist. Dieser Bericht wird mit diesem Gesetzgebungsvorhaben umgesetzt. Dabei geht die heute vorliegende Beschlussvorlage auf Initiative der Koalition noch weiter auf die Wirtschaft zu, als es der Re- gierungsentwurf bereits getan hat. Im Einzelnen haben wir Folgendes erreicht: die Wei- terentwicklung der die Personenunternehmen betreffen- den Regelungen zur Wiedereinführung des früheren Mit- unternehmererlasses und Übertragung dieses Konzepts auf Realteilungen ohne ökonomisch unsinnige Haltefris- ten; die Schaffung der Möglichkeit für Personenunterneh- men, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerneutral auf die Anschaffungs- kosten anderer, neu erworbener Anteile an Kapitalgesell- schaften zu übertragen bzw. diese Gewinne in eine steu- erfreie Rücklage bis zu 100 000 DM gemäß § 6 b EStG einzustellen, die in den zwei folgenden Jahren auf die An- schaffungskosten neu erworbener Wirtschaftgüter zu übertragen oder gewinnerhöhend aufzulösen ist; die Wie- dereinführung der Gesellschafterbezogenheit der Rück- lage nach § 6 b EstG; die Beschränkung der Steuerver- günstigung der §§ 16 und 34 EStG bei der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen auf die Veräußerung des ge- samten Mitunternehmeranteils; die Verhinderung von Ge- staltungsmöglichkeiten zur Umgehung der Gewerbe- steuer über die Veräußerung von Mitunternehmeranteilen durch eine Körperschaft; die Streichung des Verbots des Abzugs von Aufwendungen von Kapitalgesellschaften im Zusammenhang mit steuerfreien inländischen Beteili- gungserträgen. Bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im grenzüberschreitenden Bereich wurde der Verzicht auf die Aufdeckung stiller Reserven einer inländischen Betriebs- stätte im Rahmen einer Verschmelzung im Ausland, so- fern die stillen Reserven weiterhin im Inland steuerver- haftet bleiben, erzielt. Andere Erfolge waren: die rückwirkende Festschreibung der bisherigen Verwal- tungspraxis bei der so genannten Mehrmütterorganschaft für alle offenen Fälle bei der gewerbesteuerlichen Ver- lustberücksichtigung und Einführung einer Mindestbetei- ligung von 25 Prozent ab 2003; die Anerkennung der kör- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119600 (C) (D) (A) (B) perschaftsteuerlichen Organschaft bereits dann, wenn sich die Geschäftsleitung des Organträgers im Inland befindet. Bisher galten Sitz und Geschäftsleitung; das Verbot der Teilwertabschreibung im Zusammenhang mit § 8 b KStG a. F.; die Anerkennung einer gewerbesteuer- lichen Organschaft nur bei Vorliegen einer körper- schaftsteuerlichen Organschaft. Es wurde auf die Umsetzung des EuGH-Urteils ver- zichtet, das die gewerbesteuerliche Hinzurechnung eines Viertels der Miet- und Pachtzinsen beim Mieter oder Pächter, Leasingnehmer, bei nicht aus Grundbesitz beste- henden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unab- hängig davon, wie sie beim Vermieter oder Verpächter, Leasinggeber, gewerbesteuerlich behandelt werden, ge- fordert hat. Damit wäre die Versorgung der Wirtschaft mit Investitionsgütern über den Weg des Leasings empfind- lich gestört und das wachsende Leasinggewerbe stark be- hindert worden. Luftfahrtgesellschaften, wie die Euro- wings, die ihre Flugzeuge leasen, wären in ihrer Existenzfähigkeit getroffen worden. Das haben wir ver- hindert. Darüber hinaus haben wir erreicht: die Herabsetzung der Mindestbeteiligungsquote bei der Hinzurechnungsbe- steuerung nach dem Außensteuergesetz bei Beteiligungen unbeschränkt Steuerpflichtiger an ausländischen Zwi- schengesellschaften mit Einkünften mit Kapitalanla- gecharakter von 10 Prozent auf 1 Prozent. Vom vollstän- digen Verzicht auf eine Beteiligungsgrenze hat die Koalition abgesehen; die Herausnahme von Dividenden aus der Hinzurechnungsbesteuerung, das heißt Behand- lung der Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaf- ten als aktive Einkünfte; der Verzicht auf die pauschale Steuer von 38 Prozent des Hinzurechnungsbetrags und Berücksichtigung des Hinzurechnungsbetrags im Rah- men der Einkommensermittlung des Anteilseigners; der Wegfall der Grunderwerbsteuerpflicht bei konzerninter- nen Umstrukturierungen, weil die Beibehaltung entweder die Umstrukturierung erheblich belastet oder aber Aus- weichverhalten, wie die Verschmelzung von Unterneh- men auf eine Grundstückgesellschaft geradezu provoziert würde; die Streichung der Möglichkeit des geltenden Rechts, eine gewerbesteuerliche Organschaft auch bei Nichtvorhandensein eines Ergebnisabführungsvertrages anzunehmen, wenn eine Organschaft wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in einen Organträger einge- gliedert ist. Damit wird der Aushöhlung der Gewerbe- steuer als Standortsteuer entgegengewirkt und den Ge- meinden Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von einer Milliarde Mark gesichert. Mit diesem zweiten großen Schritt der Unternehmen- steuerreform wird das Unternehmensteuerrecht erheblich modernisiert. Gerade für Personenunternehmen wird ebenso wie für Kapitalgesellschaften weitgehend rechts- formneutral ab 2002 eine große Dynamik freigesetzt, die in zusätzliches Wirtschaftswachstum münden wird. Insgesamt müssen wir noch einmal festhalten, damit sich nicht erneut propagandistische Fehlmeldungen der CDU und FDP in den Köpfen festsetzen: Die Steuerpoli- tik dieser Regierung, die alles in allem im Jahr 2005 alle Steuerbürger und Unternehmen gegenüber 1998 um jetzt 100 Milliarden Mark entlastet, stellt allein die mittelstän- dischen Unternehmen um 30,5 Milliarden Mark besser. Die meisten Unternehmen sind Personengesellschaften, die einkommensteuerpflichtig sind. Sie profitieren von den abgesenkten Tarifen und dem flacheren Tarifverlauf. Zur Erinnerung: Wir senken den Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent auf 15 Prozent im Jahr 2005, den Spitzen- steuersatz von 53 Prozent auf 42 Prozent und erhöhen den Grundfreibetrag von 12 300 DM auf 15 000 DM. Ganz wichtig ist für Personengesellschaften, dass sie künftig ihre Gewerbesteuerschuld faktisch vollständig ge- gen ihre Einkommensteuerschuld verrechnen können. Durch diese Strukturmaßnahme sind Personengesell- schaften eher noch besser gestellt als Kapitalgesellschaf- ten, für die der Körperschaftsteuersatz auf 25 Prozent ab- gesenkt wurde. Auch die heiß diskutierte Frage nach den Veräuße- rungsgewinnen von Personenunternehmen haben wir mit- telstandsfreundlich beantwortet. Wir haben den Freibe- trag von 60 000 DM auf 100 000 DM angehoben und geben im Zusammenhang mit Betriebsaufgaben und Nachfolgerproblemen die Möglichkeit, einmal im Leben den verbleibenden Veräußerungsgewinn lediglich mit dem halben persönlichen Steuersatz zu belasten. 50 Prozent aller Personenunternehmer verdienen unter 50 000 DM; 75 Prozent unter 100 000 DM; 95 Prozent unter 250 000 DM. Kapitalgesellschaften werden über Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätsbei- trag mit circa 38 Prozent Steuern auf Gewinn belastet. Um gleich hoch belastet zu werden, müsste ein verheirateter Personenunternehmer über 480 000 DM im Jahr ver- dienen. Da aber fast alle Personenunternehmer unter 250 000 DM positiven Einkünften im Jahr liegen, werden fast alle auch weniger steuerlich belastet als Kapitalge- sellschaften. Auch im Steueränderungsgesetz haben wir einige wichtige neue Regelungen getroffen, die für die Bürger wichtig sind. So wurde endlich klargestellt, dass die Ent- fernungspauschale für Fahrten von und zur Arbeitsstätte nicht nur für den theoretisch geographisch kürzesten Weg gilt, sondern auch für vernünftige Umwegstrecken. Wir haben ebenfalls klargestellt, dass die Verknüpfung von Bausparprämie und privater Altersvorsorge nicht möglich ist, um Doppelförderung zu vermeiden und beide Vorsor- gewege für Arbeitnehmer, nämlich die private Altersvor- sorge und Wohnungsbauförderung, gleichberechtigt ne- beneinander aufrecht zu erhalten. Wir haben die zum Teil fehlgeleitete steuerliche Förderung des Wohnungsbau Ost durch Investitionszulagen zurückgeführt, damit finanziel- ler Spielraum für ein Innenstadtprogramm Ost entsteht, mit dem die Bundesregierung Wohnungen in den Innen- städten Ostdeutschlands sanieren und die Innenstädte ins- gesamt attraktiver machen will. Alles in allem haben wir mit beiden Gesetzen wieder ein wichtiges Stück Fort- schritt gebaut: für die Unternehmen, für die Arbeitneh- mer, für die Städte und Gemeinden. Elke Wülfing (CDU/CSU): Zum wiederholten Male haben wir zwei Steuergesetze der rot-grünen Bundes- regierung auf der Tagesordnung, die die Reparatur der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19601 (C) (D) (A) (B) Reparatur der Reparatur bedeuten. Ich hatte eigentlich gedacht, ich hätte mich an die schludrige Gesetzesvorbe- reitung dieser rot-grünen Bundesregierung inzwischen gewöhnt, aber die Gesetzesberatung zum Steuerände- rungsgesetz 2001 und zum Unternehmensteuerfortent- wicklungsgesetz schlug diesmal wirklich dem Fass den Boden aus. Noch am späten Abend vor der abschließen- den Ausschusssitzung spuckte der Computer 70 neue Sei- ten aus, nachdem wir als Geschenk zu Allerheiligen über 200 Seiten Neuformulierungen in die Wahlkreise ge- schickt bekommen hatten. Während der Ausschusssit- zung ging es genauso weiter. Diese Art und Weise der Gesetzesberatung ist nicht nur eine Zumutung für den Finanzausschuss, sondern vor al- len Dingen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Steu- erberater und die Finanzbeamten. Kein Mensch ist mehr in der Lage, diese chaotische Steuergesetzgebung nur annähernd nachzuvollziehen. Wer in dieser Weise Steuer- politik macht, fördert Staatsverdrossenheit und unfreiwil- lige Steuerhinterziehung. Dabei wäre eine grundlegende Steuerreform dringend notwendig, denn nicht der 11. Sep- tember ist der Grund für die steigenden Arbeitslosenzah- len, für die galoppierende Insolvenzsteigerung, für das stagnierende Bruttosozialprodukt und für die Steuerein- brüche. Darauf weisen die Forschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten deutlich hin – ich zitiere –: Die Konjunktur befand sich schon vor den Terror- anschlägen in einer Schwächephase. Bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hatte die gesamtwirtschaftliche Produktion deutlich an Schwung verloren. Deutschland ist wirtschaftlich abgehängt. Steuer- und Rentenreform wirken nicht. An eine Reform des Arbeits- marktes will die Regierung nicht heran. Die Sozialversi- cherungsbeiträge steigen. Für jede 100 DM, die der Ar- beitnehmer auf seinem Lohnkonto vorfindet, zahlte der Arbeitgeber schon im letzten Jahr 181,30 DM. Deutsch- lands Arbeitskosten sind trotz des schwachen Euros Welt- rekord. Unternehmen richten Arbeitsplätze in Deutsch- land nur noch dann ein, wenn sie so hochwertig sind, dass die Lohnnebenkosten keine Rolle spielen. Der Verzicht auf billigere Arbeitsplätze bedeutet aber den Verzicht auf Investitionen und somit geringeres Wachstum. Ebenso einsichtig ist der Zusammenhang zwischen der Dauerflaute und zu hohen Steuern. Die Steuerreform hat leider nichts daran geändert, dass der Arbeitnehmer auf seinem Gehaltskonto nicht einmal die Hälfte seines Brut- togehaltes vorfindet. Dafür hat Finanzminister Eichel den Bürgern aber einen guten Rat gegeben: Von dem nicht vorhandenen Geld im Portemonnaie sollen wir alle mög- lichst viel ausgeben, um die Inlandsnachfrage zu stimu- lieren. Dabei ist das Loch in den Taschen der Bürger und der Unternehmen so tief, dass sie sich mit bloßer Hand die Socken hochziehen können. Warum um alles in der Welt, Herr Bundesfinanzminis- ter, machen Sie nicht endlich eine Steuerreform, die den Bürgern und den Unternehmen wirklich nützt? Warum um alles in der Welt folgen Sie dem Rat der Forschungsin- stitute nicht, die Tarifsenkung für die Besteuerung von Arbeitnehmern und für den Mittelstand aufs nächste Jahr vorzuziehen? Stattdessen verfallen Sie in hektische Be- triebsamkeit und machen die Reparatur der Reparatur der Reparatur. Wenn Sie von Anfang an auf Finanzwissen- schaftler und Steuerfachleute oder auf die Opposition ge- hört hätten, wäre diese ganze Flickschusterei nicht not- wendig gewesen. Die rot-grüne Chaospolitik im Bereich Steuern hat ei- nen erheblichen Anteil am Einbruch der Konjunktur. Die Unternehmensteuerreform hat ihre Wirkung verfehlt, weil sie 80 Prozent der deutschen Unternehmen gar nicht er- fasst hat. Durch die Verschärfung der allgemeinen Abschreibungstabellen bezahlen diese Unternehmen die Tarifsenkung für die Kapitalgesellschaften auch noch mit. Wenn Sie denn bei Ihrer Flickschusterei aber wenigstens alle Löcher gestopft hätten, könnte man in dem Chaos ja wenigstens noch einen Sinn sehen. Vernünftig wäre es zum Beispiel gewesen, wenn sie den halben Steuersatz für die Altersvorsorge für Unternehmer, den Sie ja gestrichen hatten, nicht nur auf diese, sondern auch auf die Abfin- dungen von Handelsvertretern und Arbeitnehmern ausge- dehnt hätten. Auf Druck der Wirtschaft haben Sie ja nun doch eine Reinvestitionsrücklage für Personengesellschaften vorge- sehen. Auch hier wieder die Reparatur der Reparatur der Reparatur. Nachdem wir Sie immer wieder darauf hinge- wiesen hatten, dass man nicht nur die Veräußerung von Anteilen von Kapitalgesellschaften steuerfrei stellen darf, sondern die Personengesellschaften ebenfalls gleichstel- len muss, war die erste Reparatur beschränkt auf Wieder- anlage in externe Beteiligungen. Und dies nur innerhalb von zwei Jahren. Jetzt haben Sie sich nach großem Krach und langem Druck dazu herabgelassen, dass Personenun- ternehmen dieses Geld auch im eigenen Betrieb investie- ren dürfen. Warum nun aber um Gottes Willen beschränkt auf 100 000 DM Gewinn? Davon kann man nicht einmal eine halbe Webmaschine kaufen. Raten Sie mal, was eine CNC-gesteuerte Werkbank in einem Schreinereibetrieb heute kostet: Warum hören Sie nicht auf Ihre eigenen Fachleute im Wirtschaftsausschuss? Die haben die Gren- ze wenigstens auf 1 Million DM heraufsetzen wollen. Es ist, wie gesagt, alles nur Flickschusterei. Dabei ha- ben Sie auch das eine oder andere Loch einfach verges- sen, zum Beispiel die Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3. Dieses Verlustverrechnungsverbot ist in der Pra- xis nicht handhabbar, insbesondere werden Existenzgrün- der betroffen, wenn sie neben ihrer normalen Tätigkeit versuchen, eine neue Existenz aufzubauen. Warum strei- chen Sie diese Regelung nicht ersatzlos? Damit würden Sie ein deutliches Zeichen setzen, Herr Bundesfinanzmi- nister, dass Sie Herrn Lafontaine und seine sozialistische Steuergesetzgebung endlich hinter sich gelassen haben. Ein weiteres Beispiel für Ihre chaotische Steuerpolitik ist der Mitunternehmererlass. Nach Abschaffung, Wieder- aufleben und jährlicher Änderung haben sie nun wieder den Rechtszustand von 1998 erreicht. Warum haben Sie eigentlich regiert? Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, was haben Sie eigentlich 1999 aus unserem schönen Investitionszu- lagengesetz gemacht? Warum um alles in der Welt sind Sie nun darauf verfallen, dem weiterhin so notwendigen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119602 (C) (D) (A) (B) Stadtumbau Ost das Wasser abzugraben? Bei der Moder- nisierung der Wohnungen für Selbstnutzer wollen Sie 200 Millionen DM streichen, bei der Modernisierung von Mietwohnungen wollen Sie 144 Millionen DM streichen, Knall auf Fall und ohne Übergang. Damit entziehen Sie der ostdeutschen Bauwirtschaft insgesamt, trotz Er- höhung der Altbauzulage, 120 Millionen DM Zuschüsse im Jahr. Statt der am Boden liegenden Bauwirtschaft auf die Füße zu helfen und die Förderung zu verbessern, sor- gen Sie dafür, dass weitere Arbeitsplätze verloren gehen und die Modernisierung beim ostdeutschen Wohnungs- bau ins Stoppen kommt. Ich könnte noch viele Einzelbeispiele aus den Steuerre- paraturgesetzen anführen. Sie würden alle zu dem glei- chen Ergebnis kommen. Statt einer wirklichen, für die Arbeitsplätze stimulierenden Einkommensteuerreform machen Sie nur noch Murks. Weil Sie nichts tun, ist das Wachstum zu gering und sind die Steuereinnahmen knapp. Sie wissen anscheinend nicht mehr ein noch aus. Wenn Sie es nicht besser gewusst hätten, könnten Sie ei- nem fast leid tun. Aber da Ihnen alle Verbände, die Finanzwissenschaftler, die Steuerberater, die Forschungs- institute, die richtigen Rezepte an die Hand gegeben ha- ben, kann ich Ihnen nur zurufen: Ziehen Sie die Tarifsen- kungen auf das nächste Jahr vor und machen Sie dann eine echte Einkommensteuerreform, die diesen Namen ver- dient! Statt dieser Reparaturgesetze müssen Sie endlich ein deutliches Zeichen setzen, damit die selbstgemachte Konjunkturflaute beendet wird und Deutschland endlich wieder auf die Beine kommt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt Ihre Gesetz- entwürfe ab, weil wir uns an Ihrem Murks nicht mehr be- teiligen wollen. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Fortführung der Unternehmensteuerreform ebnen wir jetzt auch für den Mittelstand den Weg für notwendige Umstrukturierungen. Diese wichtigen steuerlichen Er- leichterungen verbessern gezielt die Wettbewerbsbedin- gungen für den einkommensteuerpflichtigen Mittelstand. Dieter Philipp, der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat sich bereits über die Verbesse- rungen für Personenunternehmen positiv ausgesprochen. lm Rahmen von Realteilungen und Mitunternehmer- schaften können künftig bei einkommensteuerpflichtigen Unternehmen Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile und einzelne Wirtschaftsgüter übertragen werden, ohne dass stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssen. Das erleichtert gerade kleinen und mittleren Unternehmen den Strukturwandel. Auch haben wir die ursprünglich ge- planten Behaltefristen gestrichen. Es wäre völlig kontra- produktiv gewesen, wenn eine steuerfreie Umstrukturie- rung sieben Jahre lang konserviert bleiben müsste. Wir haben jetzt endlich die steuerfreie Reinvestitions- rücklage durchgesetzt. Die bündnisgrüne Fraktion hatte schon im Vorfeld darauf gedrängt, dass bei Umstrukturie- rungen für einkommensteuerpflichtige Klein- und Mittel- betriebe im Grundsatz die gleichen Bedingungen gelten sollten wie bei körperschaftsteuerpflichtigen Großunter- nehmen. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligun- gen an Kapitalgesellschaften können nun ab nächstem Jahr bis zu einem Betrag von rund 100 000 DM steuerfrei innerhalb von zwei Jahren in andere Beteiligungen, in Ausrüstungsgegenstände und in Gebäude reinvestiert werden. Damit konnten wir die steuerfreien Investitionsmög- lichkeiten für diese Gewinne sogar noch stärker als ursprünglich geplant auf Bau- und Ausrüstungsinvestiti- onen ausdehnen. Somit kann jetzt ein einkommensteu- erpflichtiger Unternehmer nicht nur seine Kapitalbetei- ligungen steuerfrei umschichten, sondern die daraus erzielten Gewinne auch in arbeitsplatzschaffende Investi- tionen umsetzen. Das ist ein ganz wichtiges Signal in die- ser äußerst schwierigen Konjunkturphase. Auch diese Vergünstigung kommt ausschließlich den einkommen- steuerzahlenden kleinen und mittelständischen Unterneh- men zugute. Außerdem haben wir eine zunächst geplante Verschär- fung der Gewerbesteuerbelastung für die Leasingbranche und damit für den Mittelstand verhindert. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind oft auf Leasing angewie- sen, um ihre Anlagen entsprechend finanzieren zu kön- nen. Eine höhere Steuerbelastung in diesem Bereich wäre angesichts der konjunkturellen Entwicklung investitions- und arbeitsplatzfeindlich. Das Gesetz sichert den Kommunen ihre überlebens- notwendigen Gewerbesteuereinnahmen. Bei den Mehr- mütterorganschaften haben wir für Rechtssicherheit ge- sorgt und die langjährige Verwaltungspraxis auch gesetzlich festgeschrieben. Bei der Neuregelung der gewerbesteuerlichen Organschaft sind wir – entgegen den ursprünglichen Plänen – nun der Empfehlung des Bun- desrates gefolgt und haben sie an die Regelungen der kör- perschaftsteuerlichen Organschaft angepasst. Dies bringt den Kommunen Steuermehreinnahmen von in etwa 1 Mil- liarde DM und verursacht bei Bund und Ländern Minder- einnahmen. Bund und Länder verzichten angesichts der starken Gewerbesteuerausfälle in den ersten drei Quarta- len dieses Jahres von rund 16 Prozent auf eine Kom- pensation dieser Mindereinnahmen. Die derzeitigen Probleme mit der Gewerbesteuer wer- den jedoch ganz wesentlich durch die Gewerbesteuer selbst verursacht. Sie sind nicht die Folge unserer Un- ternehmensteuerreform. Der eigentliche Grund ist die ausgehöhlte Basis der Gewerbesteuer. Sie hat sich zu ei- ner Großbetriebsteuer entwickelt, mit der Konsequenz, dass viele Gemeinden nahezu vollständig vom konjunk- turellen Wohl und Wehe von oft nur einem Steuerpflichti- gen abhängig sind. Die Gemeindefinanzreform muss des- halb eines der ersten Projekte in der nächsten Legislaturperiode werden. Im Steueränderungsgesetz 2001 haben wir weitere zahlreiche Erleichterungen und Vereinfachungen für Bür- gerinnen und Bürger, aber auch für Unternehmen erreicht. Wir entlasten künftig nachhaltig die ausländischen Künstler mit kleineren Gagen. Die übliche Quellensteuer von 25 Prozent wird für Gagen bis 250 Euro pro Künstler steuerfrei gestellt und setzt danach stufenweise ein. Für Gagen über 250 bis 500 Euro werden nur 10 Prozent fällig, über 500 bis 1 000 Euro nur 15 Prozent. Für größere Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19603 (C) (D) (A) (B) Gagen muss der inländische Veranstalter – wie bisher üb- lich – 25 Prozent ans Finanzamt abführen. Dieser Spit- zensatz wird aber ebenfalls abgesenkt. Ab 2003 werden höchstens noch 20 Prozent Steuern fällig. Damit wird die 1996 seinerzeit unter der Kohl-Regierung eingeführte Übermaßbesteuerung ausländischer Künstler endlich be- endet. Mit diesen steuerlichen Erleichterungen fördern wir ganz wesentlich den Kulturaustausch und die Völkerver- ständigung in dieser schwierigen Zeit. Und es ist nicht nur eine Verbesserung für die ausländischen Künstler, son- dern auch für die inländischen Veranstalter und natürlich für die Besucher von Konzerten und anderen Veranstal- tungen. Ein anderes Beispiel ist die nun erleichterte Bauab- zugsbesteuerung für kleinere Vermieter mit nicht mehr als zwei Wohnungen. Diese müssen keine Abzugsteuer auf die von ihnen erhaltenen Bauleistungen einbehalten und anstelle des Bauunternehmens an das Finanzamt ab- führen, wenn das Bauunternehmen keine Freistellungsbe- scheinigung vorweisen kann. Diese Freistellungsbeschei- nigung erteilt normalerweise das Finanzamt, wenn sich das Bauunternehmen keine schweren steuerrechtlichen Verfehlungen hat zuschulden kommen lassen. Dadurch sorgen wir für eine unbürokratische Lösung, ohne das Ziel der Bekämpfung von Schwarzarbeit am Bau zu ge- fährden. Gerhard Schüßler (FDP): Die FDP wird die beiden Gesetzentwürfe der Bundesregierung ablehnen. Sie sind nicht nur Fortsetzung der chaotischen Steuerpolitik der rot-grünen Koalition. Sie sind auch das Ergebnis unseriö- ser und hektischer Beratungen, das von der FDP keines- falls mitgetragen wird. Die Bundesregierung hat in bisher kaum vorstellbarem Ausmaß den Finanzausschuss mit einer Flut von Ände- rungsanträgen konfrontiert, die den eigenen Gesetzent- wurf korrigieren, frühere Fehler bei der Gesetzgebung re- parieren und in vielen Fällen „redaktionell klarstellend“ seien sollen. Kein Mitglied des Finanzausschusses kann von sich behaupten, dass er diese vielen Anträge gründ- lich durcharbeiten und sich jeweils eine Meinung dazu bilden konnte. Mein Verständnis als Mitglied dieses Hauses verbietet es mir, eine solche Flickschusterei mitzumachen, deren Auswirkungen ich nicht abschätzen kann. Auch halte ich es für unzumutbar, die Betroffenen in der Finanz- verwaltung und in den Steuerberatungskanzleien kurz vor Jahresende mit vielen Gesetzesänderungen zu konfrontie- ren. Niemand darf sich wundern, wenn bei der Anwen- dung Fehler passieren. Letztlich führt die Verabschiedung umfangreicher Steuergesetze kurz vor Jahresende zu mehr Politik- verdrossenheit der Bürgern von der weiter sinkenden Steuermoral gar nicht zu sprechen. Ich fordere für die FDP nochmals, dass wir endlich zu einer wirklichen Steu- erreform kommen müssen. Die vielen Änderungen, die heute verabschiedet werden sollen, belegen doch, dass unser Steuerrecht viel zu kompliziert ist und von kaum je- mandem noch verstanden wird. Wir brauchen endlich eine Reform, die diesen Namen auch verdient. Barbara Höll (PDS): Ziel des Unternehmensteuerfort- entwicklungsgesetzes ist „die rechtssystematische Wei- terentwicklung der mit dem Steuersenkungsgesetz einge- leiteten Reform“. Prinzipiell ist es ein begrüßenswerter Schritt, wenn die Bundesregierung den Versuch unter- nimmt, das Steuerrecht systematischer und damit transpa- renter, also einsichtiger zu gestalten. Ein solches Ansin- nen ist aber zum Scheitern verurteilt, wenn eine Reform systematisch weiterentwickelt werden soll, die nichts an- deres ist als ein Bruch der gesamten Steuersystematik. So gilt im Allgemeinen, dass Gewinne dann und dort zu versteuern sind, wann und wo sie realisiert werden. Wird beispielsweise ein Betriebsgrundstück verkauft und aus diesem Verkauf ein Gewinn erzielt, so ist dieser Ge- winn bei dem zu erfassen und zu versteuern, der ihn er- zielt hat. Mit der Unternehmensteuerreform ist das nun nicht mehr so, zumindest wenn eine Kapitalgesellschaft eine an- dere Kapitalgesellschaft verkauft. Dann nämlich ist der Gewinn steuerfrei. Alle anderen Veräußerungsgewinne müssen allerdings auch weiterhin versteuert werden. Wird also zukünftig eine Kapitalgesellschaft verkauft, deren Vermögen aus Grundstücken besteht, ist der Veräuße- rungsgewinn steuerfrei. Gehören diese Grundstücke un- mittelbar zum Vermögen des Verkäufers, muss der Ge- winn versteuert werden. Das ist nicht systemgerecht oder systemkonsequent, sondern ein Systembruch. Dieser Sys- tembruch hat seine Ursache darin, dass sich Herr Eichel die Zuneigung der großen Konzerne – insbesondere der Banken und Versicherungen – mit ein paar Steuergeschen- ken – geschätzter Wert 4 Milliarden DM – erkaufen will. Es ist völlig klar, dass sich der Mittelstand ungerecht behandelt fühlt; denn es ist gar nicht einzusehen, dass nur die großen Konzerne an den Segnungen des Herrn Eichel teilhaben dürfen. Das meinte auch der Bundeskanzler und erinnert seinen Finanzminister an dessen im Eichel-Song besungene „Kulanz“. Obwohl es die Kassenlage nicht hergibt, nimmt der gelegentlich kulante Finanzminister eine Lightfassung der Steuerbefreiung auch für Personen- unternehmen in seinen Gesetzentwurf auf. Dieses alles mag die Belastungsunterschiede zwischen großen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen verringern. Mit Steuersystematik oder Steuergerechtig- keit hat das nichts zu tun. Das einzig systematische in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung ist der Wechsel in den Anschauungen über die Steuersystematik. So sollte – ebenfalls mit der damaligen Unternehmensteuerre- form – die gewerbesteuerliche Organschaft an die körper- schaftsteuerliche Organschaft angepasst werden. Zumin- dest stand es so im Entwurf zum Steuersenkungsgesetz. Doch schon zum Zeitpunkt der dritten Lesung war die Bundesregierung von ihrer Idee nicht mehr so überzeugt und ließ die Anpassung herausstreichen. Im Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz ver- sucht die Bundesregierung einen Kompromiss: Die ge- werbesteuerliche Organschaft soll ein bisschen an die kör- perschaftsteuerliche Organschaft angepasst werden. Offenbar interessierte sich der Bundesrat ein wenig mehr für die Finanznöte der Kommunen und fordert in seiner Stellungnahme, die Voraussetzungen für die gewerbe- und körperschaftsteuerliche Organschaft vollständig anzupas- sen. Dies lehnte die Bundesregierung in ihrer Stellung- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119604 (C) (D) (A) (B) nahme zur Stellungnahme des Bundesrates ab, da dies eine Einschränkung der gewerbesteuerlichen Organschaft wäre. Vorgestern nun – kurz vor der Abstimmung des Ge- setzentwurfs im Finanzausschuss – wurde eine Formulie- rungshilfe eingereicht, in der den Ausschussmitgliedern mitgeteilt wird, dass sich die Bundesregierung nun doch der Meinung des Bundesrates anschließt und die Voraus- setzungen für die gewerbe- und körperschaftsteuerliche Organschaft vollständig anpasst. Was gestern noch galt, gilt bei dieser Bundesregierung heute ganz anders und morgen schon gar nicht mehr. Das hat System. Das ebenfalls heute zur Abstimmung stehende Steu- eränderungsgesetz hatte zum Ziel, steuerrechtliche Vorschriften redaktionell und inhaltlich zu bereinigen. In- zwischen hat die Bundesregierung ihren eigenen Gesetz- entwurf 75-mal ändern lassen. Das heißt: Ein Gesetz, das nur die Aufgabe hatte, redaktionell zu berichtigen oder Ungereimtheiten im Gesetzeswortlaut zu beseitigen muss selbst noch 75-mal berichtigt werden. Ein Wort zur Änderung des lnvestitionszulagengeset- zes. Damit wird für die Sanierung der innerstädtischen Altbauquartiere die Investitionszulage angehoben. Das begrüßen wir. Gleichzeitig und zur Gegenfinanzierung kommt es jedoch zur Kürzung der Investitionszulage für die Sanierung außerhalb dieser Gebiete liegender Miet- wohngebäude und zur Streichung der Investitionszulage für Selbstnutzer von Wohneigentum. Das benachteiligt neben den Selbstnutzern vor allem die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen, die zu den größten Auftrag- und Arbeitgebern der Bauwirtschaft in vielen ostdeutschen Regionen zählen, sowie deren Plat- tenwohnquartiere und Bewohner. Die geplante Erhöhung des Selbstbehaltes bei der Berechnung der Investitionszu- lage für Wohngebäude, die nicht in unmittelbarer Innen- stadtkulisse liegen, konterkariert zudem den notwendigen Stadtumbau und die von der Bundesregierung gewollte Aufwertung der Wohnquartiere. Wir schlagen deshalb vor, den bisherigen Selbstbehalt und damit höheren Zu- schuss für jene Objekte beizubehalten, wenn die begüns- tigte Investition dem von der Gemeinde beschlossenen Stadtentwicklungskonzept entspricht. Einzelnen Berichtigungen im Steueränderungsgesetz – dies sei an dieser Stelle betont – können wir uns durchaus anschließen. Die Einschränkung der gewerbesteuerlichen Organschaft bewirkt wenigstens eine geringfügige Entla- stung der Kommunen. Auch die Erleichterung für auslän- dische Künstler geht durchaus in die von uns geforderte Richtung.EinentsprechenderGesetzentwurfderPDSliegt schon seit Monaten vor. Doch diesen konzeptionslosen Gesetzen als Gesamtwerk – vor allem dieser Gesetzgebung – kann man nur seine Zustimmung verweigern. Die PDS-Fraktion wird sich deshalb in der Abstim- mung enthalten. Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Die Fraktion der CDU/CSU skizziert in ihrem Antrag ein verzerrtes Bild von der deutschen Konjunktur. Die Lage der Wirtschaft ist tatsächlich insgesamt besser als manche Meinungsführer in den Medien dies des Öfteren erscheinen lassen. Fakt ist: Wir haben in Deutschland Wachstum – wenn auch in geringerem Maße als im letzten Jahr – und keine Rezession. Auch wenn immer noch nicht ganz abzusehen ist, welche Auswirkungen die Ereignisse in den USA auf die weltwirtschaftliche Lage haben, gibt es keinen Grund zu übertriebenem Pessimismus. Allen mir bekannten Pro- gnosen zufolge ist jedenfalls mit einer konjunkturellen Belebung im nächsten Jahr zu rechnen. Es gibt daher auch keinen Grund für planlosen, sinnlosen, ja sogar kontra- produktiven Aktionismus, schon gar nicht in der Steuer- politik. Mit unserer nachhaltigen Steuerpolitik stellen wir die Weichen für die Zukunft der deutschen Wirtschaft, insbesondere auch des Mittelstands. Damit es nicht in Vergessenheit gerät: Die mehrstufige Steuerreform 2000 entlastet alle Steuerzahler um über 93 Milliarden DM, allein in diesem Jahr um 45 Milliar- den DM. Ab 2002 gibt es noch eine beträchtliche Kinder- gelderhöhung mit einer Entlastungswirkung für die priva- ten Haushalte von über 4,6 Milliarden DM sowie die steuerliche Förderung der privaten kapitalgedeckten Al- tersvorsorge. Alle Maßnahmen zusammengenommen er- reichen im Zeitraum von 1998 bis 2005 ein steuerliches Entlastungsvolumen von über 110 Milliarden DM. Der Mittelstand wird von der Steuerreform mit circa einem Drittel – über 31 Milliarden DM – profitieren. Das sind al- lein im Rechnungsjahr 2001 rund 15,7 Milliarden DM Entlastung für die mittelständische Wirtschaft. Insgesamt ergibt sich durch unsere Maßnahmen in den Jahren 2001 und 2002 ein konjunktureller Impuls von über 50 Milliarden DM, der auf nachhaltige Wirkung an- gelegt ist. Die temporäre Wachstumsschwäche, in die wir aufgrund der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geraten sind, können wir damit lediglich begrenzen. Wel- chen Sinn sollte dann noch ein Vorziehen der beschlosse- nen Steuerentlastungsstufen haben, wie die Opposition – übrigens gegen besseren Rat aus Brüssel – gebets- mühlenartig fordert? Glauben Sie wirklich, was 50 Milli- arden DM nicht schaffen, könnten weitere 15 Milliar- den DM erreichen? Wir würden nur unseren finanzpoliti- schen Kredit verspielen. Denn zusätzliche Steuersen- kungen sind zwangsläufig mit Mindereinnahmen verbun- den, die dann über Kredite zu finanzieren wären. Das können sich weder der Bund noch die Länder leisten, und wir sind auch mit Blick auf die Maastricht-Verträge im Wort. Die Mahnung aus Brüssel haben wir wohl verstan- den. Außerdem sind Schulden von heute die Steuern von morgen, also die Belastung folgender Generationen. Die Erwartung steigender Steuern in der Zukunft fördert we- der Investitionen noch privaten Verbrauch. Schließlich ist doch klar, dass in unsicheren Situationen das zusätzliche Einkommen nicht in den Konsum geht, sondern in die Er- sparnis. Die Menschen sorgen dann eben lieber vor. Dies ist gerade aktuell in den USA feststellbar. Insofern hilft ein Vorziehen der Steuer-Tarifsenkungen gar nicht. Es käme kurzfristig zu keiner Nachfragesteigerung, sondern nur zu steigender staatlicher Verschuldung. Ebenso populistisch und realitätsfremd wie die Forde- rung nach Vorziehen der Reformstufen ist die stereotype Unterstellung einer angeblich mittelstandsfeindlichen Schieflage unserer Steuerpolitik. Insbesondere die Maß- nahmen der Steuerreform 2000 sind explizit auf den Mit- telstand zugeschnitten. Mittelständische Unternehmer, mit denen ich oft gesprochen habe, haben mir das immer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19605 (C) (D) (A) (B) wieder bestätigt. Das sind die Fakten: Mittelständische Unternehmen profitieren ganz erheblich von der Absen- kung des Eingangsteuersatzes, der Erhöhung des Grund- freibetrages und nicht zuletzt von der Möglichkeit, die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld anzu- rechnen. Allein die Neutralisierung der Gewerbesteuerbe- lastung führt bereits im Rechnungsjahr 2001 – ich betone: 2001 – zu einer Entlastung des Mittelstandes in Höhe von netto 6,9 Milliarden DM. Das sind rund 9,9 Milliar- den DM nach dem Entstehungsjahr und rund 6,9 Milliar- den DM für das Rechnungsjahr 2001. Diese massiven Steuerentlastungen geben mehr Raum für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung. Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unterneh- mensteuerrechts sind weitere Verbesserungen zugunsten des Mittelstands auf dem Wege. Allein die vorgesehene Reinvestitionsrücklage, die Umstrukturierungen auch bei mittelständischen Personenunternehmen zusätzlich er- leichtern wird, führt zu einer weiteren Steuerentlastung von circa 300 Millionen DM für den Mittelstand. Der Mit- telstandsbeirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat in seiner letzten Sitzung am 21. Sep- tember die Einführung dieser Mittelstandskomponente begrüßt und dabei auch festgestellt, dass es keine gene- relle Benachteiligung von Personengesellschaften gegen- über Kapitalgesellschaften gibt. In vielen Fällen stünden Personengesellschaften bei der Steuerbelastung besser da als Kapitalgesellschaften. Fakt ist: Die Wirtschaft befindet sich – nicht zuletzt aufgrund unserer Steuerreform – auf einem nachhaltigen Wachstumspfad. Verlässlichkeit, Klarheit und Planbar- keit, das sind Eigenschaften, die nicht nur von der Wirt- schaft in Deutschland geschätzt werden. Verlässlichkeit, Klarheit und Planbarkeit – das sind auch entscheidende Merkmale unserer Steuerpolitik. Wir werden daher nicht versuchen, mit hektischen steuerpolitischen Aktivitäten irgendwelche wirkungslosen konjunkturellen Strohfeuer zu entfachen und dabei Geld verpulvern, das wir gar nicht haben. Die Bundesregierung hat mit der Steuerreform 2000 bis zum Jahr 2005 – international anerkannt – Zeichen ge- setzt. Jetzt gilt es, auf dieser Basis das Steuerrecht sowohl fortzuentwickeln als auch effizienter zu gestalten. Nur so machen wir Deutschland fit für die Zukunft. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs: rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Ge- schäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsver- kehr-Gesetz-EGG) und zu dem Antrag: Deutsch- lands Wirtschaft in der Informationsgesellschaft (Tagungsordnungspunkt 30a und b) Hubertus Heil (SPD): Der Deutsche Bundestag schafft heute eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung in der deutschen Internet-Wirtschaft. Mit dem Elektronischen Geschäftsverkehr Gesetz (EGG) sorgen wir für Rechtssicherheit beim elektronischen Han- del und setzen die E-Commerce-Richtlinie der EU in na- tionales Recht um. Nach den Gesetzen über die elektroni- sche Signatur, der Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung ist dieses Gesetz ein weiterer wichtiger Meilenstein für die Verbesserung des Ord- nungsrahmens und damit auch der Wettbewerbsposition der deutschen Internet-Wirtschaft. Die E-Commerce- Richtlinie verfolgt das Ziel der Harmonisierung der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für elektronische Dienste in den EU-Mitgliedsländern. Das EGG als Artikelgesetz sieht im wesentlichen entspre- chende Anpassungen im Teledienste-Datenschutz-Gesetz und eine Detailregelung in der Zivilprozessordnung vor, um die Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Mit den Änderungen des Teledienste-Datenschutz-Gesetzes wird eine Verbesserung der Vorschriften im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen und Entwicklungen in diesem Bereich durchgesetzt. Wirtschaft und Verwaltung wurden sowohl bei der Vor- bereitung des Gesetzentwurfes als auch in den Gesetzge- bungsprozess intensiv einbezogen. Die Ergebnisse der Anhörungen der Bundesregierung und, im Gesetzge- bungsverfahren auch des Wirtschaftsausschusses, haben ihren Niederschlag in dem uns jetzt vorliegenden Gesetz gefunden. Kernanliegen des Gesetzentwurfes ist die Umsetzung des so genannten Herkunftslandprinzips. Danach müssen sich in Deutschland niedergelassene Diensteanbieter grundsätzlich allein nach dem deutschen Recht richten, und zwar auch dann, wenn sie ihre elektronischen Diens- te anderswo in Europa anbieten oder erbringen. Die Aus- gestaltung des Verhältnisses des Herkunftslandprinzips zum Internationalen Privatrecht im ursprünglichen Geset- zesentwurf ist auf Kritik der Wirtschaft und bei der EU- Kommission gestoßen. Im Kern ging es darum, dass es unterschiedliche Interpretationen der E-Commerce- Richtlinie darüber gibt, ob das Herkunftslandprinzip nur das nationale Sachrecht erfasst oder auch die nationalen Regelungen zum Kollisionsrecht, also zum internationa- len Privatrecht. Angesichts dieser Meinungsunterschiede haben wir im Wirtschaftsausschuss mit Sachverständigen eine öffentliche Anhörung durchgeführt und sorgfältig ausgewertet. Die Koalitionsfraktionen haben sich schließlich dazu entschlossen, die Regelungen dahingehend zu modifizie- ren, dass das Herkunftslandprinzip stärkeres Gewicht er- hält. Wir tragen damit den Bedürfnissen nach einer mög- lichst einfachen und klaren Regelung Rechnung. Ich betone „möglichst“, da nach wie vor gilt: Die Richtlinie läßt dem nationalen Gesetzgeber nur sehr beschränkt freie Hand bei der Umsetzung. Meine Kritik richtet sich in die- sem Zusammenhang an die EU, die sich hier nicht zu ei- ner klaren Regelung durchgerungen hat – um nicht zu sa- gen sich vor einer klaren Regelung gedrückt hat. Meinen Informationen nach ist dieses auf einen Streit zwischen verschiedenen Direktionen der EU-Kommission zurück- zuführen. Im Gegensatz zu CDU/CSU, die sich im ge- samten Verfahren lediglich darauf beschränkt hat, den Verbänden nach dem Mund zu reden, haben wir uns un- sere Meinungsbildung in dieser komplizierten juristi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119606 (C) (D) (A) (B) schen Frage nicht einfach gemacht. Als Wirtschaftspoli- tiker meiner Fraktion kann ich aber heute feststellen: Wir haben eine Regelung gefunden, die besonders von wirtschaftspolitischem Pragmatismus geprägt ist, ohne rechtssystematische Grundsätze zu verletzen. Insofern haben wir uns bei der Umsetzung des Herkunftslandprin- zips sehr eng an den Wortlaut der Richtlinie gehalten, wie es die Wirtschaft gefordert hat. Auch bei der Umsetzung der Bestimmungen zur Verantwortlichkeit der Dienstean- bieter hält sich der uns vorliegende Gesetzesentwurf eng an den Wortlaut der Richtlinie. Die Regelungen der Richt- linie wurden in weiten Bereichen von Deutschland mitge- staltet – unter anderem auch aufgrund der Erfahrungen, die in Deutschland mit dem TDG gemacht worden sind. Es wäre insoweit kaum zu vermitteln, wenn bei der natio- nalen Regelung von diesen Formulierungen abgewichen würde. Da es sich dabei auch um vollharmonisierte Vor- schriften handelt, würde ein Abgehen von diesen Formu- lierungen zudem den Harmonisierungsbestrebungen der Richtlinie entgegenlaufen. Schließlich sind die im Gesetzentwurf enthaltenen Vor- schläge mit den Bundesländern abgestimmt und werden von diesen wort- und inhaltsgleich im Mediendienste- Staatsvertrag übernommen. Wir wollen und werden die Beratungen deshalb auch heute abschließen, damit wir in der Umsetzungsfrist bleiben. Lassen Sie mich an dieser Stelle einige Anmerkungen zum Komplex der sogenann- ten Hyperlinks und Suchmaschinen machen. Es ist zu- treffend, dass Regelungen zu Suchmaschinen und Hyper- links vonseiten der Wirtschaft gefordert werden. Auch wir wollen diese Regelungen schaffen. Ich weise aber darauf hin, dass die damit zusammenhängenden Fragestellungen kompliziert sind und wir nicht davon ausgehen können, dass wir sie gleichermaßen „auf die Schnelle“ durch die von der CDU/CSU vorgeschlagenen Ergänzungen, die aus meiner Sicht sowieso unzureichend sind, werden lö- sen können. Vielmehr stand zu befürchten, dass, wenn die den CDU/CSU-Vorschlägen gefolgt worden wäre, es zu noch mehr und weiteren Rechtsunsicherheiten gekommen wäre. Ich sage hier aber sehr deutlich: In Sachen Hyper- links und Suchmaschinen haben wir noch gesetzgeberi- schen Handlungsbedarf, dem wir uns in jedem Fall stellen werden, auch wenn es uns jetzt noch nicht möglich ist, entsprechende Maßnahmen durch das EGG zu treffen. Ein weiterer umstrittener Punkt im Gesetzgebungs- verfahren waren Haftungsfragen im Bezug auf Dienste- anbieter. Im Kern geht es darum, dass Diensteanbieter, die Kenntnis darüber erlangen, dass in Web-Seiten, die über Ihre Dienste angeboten werden offensichtlich rechtswid- rige Inhalte verbreitet werden, verpflichtet sind, diese Sei- ten vom Netz zu nehmen bzw. sie zu sperren, sie also in- sofern haften. Auch hier hat sich die CDU/CSU mit Änderungsanträgen bemerkbar gemacht, die rechtlich systemfremde Wertungen im Gesetz verursacht hätten und den Versuch unternommen, Probleme zu regeln, die schon geregelt sind. Die Union behauptet, mit ihren Än- derungen zur Präzisierung beizutragen, schlägt aber dann Formulierungsvorschläge in ihren Anträgen vor, die re- gelrecht widersinnig sind: Um es deutlich an einem Bei- spiel zu sagen: Es gibt in Deutschland ohnehin nur die „Kenntnis von Tatsachen“ und nicht auch von der Rechts- widrigkeit. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzu- weisen, dass bei der Aushandlung der Richtlinie selbst- verständlich davon ausgegangen wurde, dass ein Diens- teanbieter dann nicht haftet, wenn ihm die Sperrung tech- nisch nicht möglich oder unzumutbar ist. Insofern benötigen wir die hierzu von der Union beantragte soge- nannte „Klarstellung“ nicht und sollten hier nicht über den Wortlaut der Richtlinie hinausgehen. Der Rechtsraum Internet und der damit neu entstandene Begriff des E-Commerce haben einen gesetzgeberischen Handlungs- bedarf erzeugt, dem sich die SPD-geführte Bundesregie- rung und auch meine Fraktion konsequent und mit Nach- druck stellt. Deutschland hat eine Vorreiterrolle in der Gesetzge- bung zum E-Commerce gespielt. Beleg dafür ist zum Bei- spiel das Signaturgesetz, das als eines der ersten seiner Art in der EU eine elektronische Signatur als Beweismittel einführt und das Teledienste-Gesetz, das den Handel im Internet in Deutschland bereits weitgehend regelt und durch das EGG jetzt lediglich weiterentwickelt wird. Da- mit konnte die deutsche Gesetzgebung in diesem kompli- zierten Gebiet bereits Erfahrungen sammeln und war in der Lage, Präzedenzfälle zu schaffen. Nicht zuletzt aus diesem Grund diente das deutsche TDG auch als eine der Vorlagen für die E-Commerce- Richtlinie. Als Praxisvorlage konnten die Erfahrungen mit der deutschen Rechtslage wertvolle Hinweise auf die realisierbare Gestaltung der Richtlinie geben. Ich sprach bereits eingangs davon: Das heutige Gesetz ist ein weite- rer Meilenstein auf dem Weg zu einem rechtlichen Ord- nungsrahmen, der angesichts des rasanten technischen Fortschritts dazu führt, dass sich der elektronische Han- del mit allen seinen Chancen für wirtschaftliches Wachs- tum und die Schaffung von hochqualifizierten Arbeits- plätzen in Deutschland in vollem Umfang entfalten kann. Um den Regierenden Bürgermeister von Berlin zu zitie- ren: Und das ist auch gut so! Also bitte ich Sie: Stimmen sie dem vorliegenden Gesetz zu. Und an die Adresse der Union: Hören Sie auf, dieses Gesetz permanent schlecht zu reden. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Die gesamt- wirtschaftliche Bedeutung der Internetwirtschaft ist in den vergangenen Jahren beständig gestiegen. Trotz der schwachen Konjunktur rechnet der Branchenverband BITKOM auch für dieses Jahr noch mit einem Wachstum von 4,6 Prozent. Die IT-Wirtschaft ist also einer der we- nigen Wirtschaftszweige in Deutschland, die überhaupt noch wachsen und damit Arbeitsplätze schaffen kann. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig hat ein so hohes In- novationspotential. Damit dieses volkswirtschaftlich be- deutsame Potential ausgeschöpft werden kann, bedarf es eines ordnungspolitischen Rahmens, der durch zurück- haltende staatliche Intervention gekennzeichnet sein sollte. Für die Politik geht es darum, einen klaren Rechts- rahmen zu schaffen und tunlichst alles zu unterlassen, was die Dynamik und das Wachstum der Branche behindern könnte. Rechtsklarheit und Sicherheit herzustellen ist die wichtigste Aufgabe der nationalen Wirtschaftspolitik für die globale Internetwirtschaft. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19607 (C) (D) (A) (B) Eigentlich sollte das EGG die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr umsetzen. Auf europä- ischer Ebene wurde erkannt, dass die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs in der Informationsge- sellschaft erhebliche Beschäftigungsmöglichkeiten, ins- besondere in kleinen und mittleren Unternehmen, bietet. In den Erwägungsgründen der Richtlinie heißt es dazu außerdem: Die Weiterentwicklung der Dienste der Informati- onsgesellschaft in der Gemeinschaft wird durch eine Reihe von rechtlichen Hemmnissen für das rei- bungslose Funktionieren des Binnenmarktes behin- dert, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs weniger at- traktiv machen. Folgerichtig beschlossen das Europäische Parlament und der Rat, dass „im Sinne der ungehinderten Entwick- lung des elektronischen Geschäftsverkehrs ... dieser Rechtsrahmen klar, unkompliziert und vorhersehbar so- wie vereinbar mit den auf internationaler Ebene geltenden Regeln sein“ müsse, „um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie nicht zu beeinträchtigen und inno- vative Maßnahmen nicht zu behindern.“ Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollten Dienstleistungen in einem für sie überschaubaren Rechts- rahmen erbringen. Rechtssicherheit sollte also ein euro- päischer Standortvorteil sein und Wettbewerb und Inno- vation gleichermaßen fördern. Diese Ziele sind nur zu billigen: Start-ups haben zwar gute Ideen, nicht aber die notwendigen finanziellen Mittel, um Heerscharen von Anwälten zu beschäftigen, die für sie das im internationa- len Handelsverkehr anwendbare Recht und dessen Kon- sequenzen ermitteln. Dasselbe gilt auch für den kleinen Winzer im Rheingau, der seinen Wein direkt über das In- ternet europaweit vermarkten möchte. Wenn man es ernst meint mit dem einheitlichen Bin- nenmarkt, gleichen Markteintrittschancen und gleichen Möglichkeiten für alle Marktteilnehmer, dann muss man in den Zeiten des Internets vernünftige Standortbedingun- gen gerade auch für diese Unternehmen schaffen. Trotz des eigentlich nur noch umzusetzenden europäischen Vor- bilds ist diese Logik der Bundesregierung leider fremd ge- blieben. Anhand zweier Beispiele aus dem EGG und seiner bis- herigen Geschichte – ich sage mit Bedacht „bisherig“, weil eine baldige Nachbesserung zwingend ist – sei das Unverständnis einer Verwaltung und das mangelnde Inte- resse ihrer politischen Führung illustriert. Es ist die Mori- tat der verpassten Chancen. Um den elektronischen Handel in der EU zu fördern, sieht die Richtlinie vor, dass das Sachrecht aus dem Her- kunftsland des Verkäufers auch im grenzüberschreitenden elektronischen Handel in der EU gelten soll. Der Winzer oder das Start-up sollten ihrem heimatlichen Recht ver- trauen dürfen. Nur unter dieser Bedingung können klei- nere Unternehmen einen grenzüberschreitenden Handel betreiben. Die Reaktion der Bundesregierung war das so genannte Günstigkeitsprinzip: Das Internationale Pri- vatrecht sollte den Gerichtsstand und das anwendbare Recht bestimmen, dann sollte der lokale Richter sein Er- gebnis mit deutschem Recht vergleichen und schließlich das für den Verkäufer günstigere Recht wählen. Konnten Sie folgen? Das ist, was die Bundesregierung unter Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit versteht. Das Ergebnis der Expertenanhörung war konsequen- terweise auch so vernichtend, dass das BMJ für den Kol- legen Heil sofort einen Änderungsantrag schrieb. Nun soll deutsches Recht für den deutschen Verkäufer gelten. Soll damit das Herkunftslandprinzip umgesetzt werden? Oder soll damit gerade das deutsche IPR eingeführt werden? Offensichtlich geht die von ersterem aus. Warum sie nicht im Interesse der rechtlichen Klarheit „Sachrecht“ statt „Recht“ in ihren Antrag aufgenommen hat, wie wir es in unserem Änderungsantrag formuliert haben, obwohl sie genau dies meinte, mag ihr Geheimnis bleiben. So hat sie wieder ein Einfallstor für all diejenigen geöffnet, die ohne Rücksicht auf Verluste teleologisch und manchmal auch theologisch interpretieren. Opfer sind die Unternehmen, die Jahre prozessieren müssen, um eine gefestigte Recht- sprechung zu erreichen, die Menschen, die arbeiten möchten, und der IT-Standort Deutschland. Kein Investor liebt Rechtsunsicherheit. Rechtsunsicherheit – und dies sei einmal in Erinnerung gerufen – ist Investitionsab- schreckung. Durch ihre schlampigen Formulierungen hat die Ko- alition wieder einmal bewiesen, dass sie die wichtigste Aufgabe einer Volksvertretung, eine präzise Gesetzge- bung, nicht ernst nimmt. So wird aus Wurstigkeit und dem Gefühl, dass schon alles irgendwie gut gehen werde, ein Gesetzesbrei da gekocht, wo doch gerade im Interesse der Betroffenen und des Standorts Deutschland klare Rege- lungen angebracht wären. Nicht viel anders sieht es mit der Begrenzung der Ver- antwortlichkeit der Provider für fremde Inhalte aus. Man könnte meinen, dass der Fortschritt der Technik mit der Entwicklung der Legislation korreliere. Wer dies an- nimmt, weiß nicht, dass die ach so technikbegeisterte, hippe Bundesregierung mit der von ihr vorgeschlagenen Regelung hinter § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten von 1997 – ich wiederhole: von 1997 – zurückgeblieben ist. Während sich die Taktfrequenz von PCs in dieser Zeit verfünffacht hat, droht sich das Recht zurückzuentwickeln. Worum geht es? Anbieter von Telediensten sollen nur dann für fremde rechtswidrige Inhalte verantwortlich sein, wenn sie diese und ihre Rechtswidrigkeit kannten und wenn eine Sperrung dieser Inhalte technisch möglich und zumutbar ist. Dies ist eine ausgewogene Lösung, aber diese Regierung macht ja bekanntlich fast alles anders und nichts besser. So kam sie auf die Idee, die Anbieter von Telediensten auch dann für fremde Inhalte verant- wortlich zu machen, wenn diese nicht die technischen Möglichkeiten haben, rechtswidrige Inhalte zu löschen. Die Unternehmen sind also für einen Zustand verantwort- lich, den sie einerseits nicht herbeigeführt haben und an- dererseits nicht beheben können. Solche gesetzlichen Re- gelungen zeugen von einer handwerklichen Schwäche, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119608 (C) (D) (A) (B) die nur noch von dem Desinteresse an der Materie über- troffen wird. Sie sehen, Murks auf er ganzen Linie. Für die baldige Nachbesserung möchte ich daher schon jetzt die Einbe- ziehung einer Regelung für die Verantwortlichkeit von Betreibern von Suchmaschinen und für Hyperlinks for- dern. Gleichfalls sollte sich die Bundesregierung schon jetzt Gedanken über das Verhältnis der allgemeinen Stö- rerhaftung zu den Vorschriften des TDG machen. Recht- liche Klarheit in diesen Fragen ist für die Weiterentwick- lung des Internet unabdingbar. Ich hoffe sehr, dass wir dann beim nächsten Mal fach- lich sachlich über einen handwerklich soliden Entwurf sprechen können – für die Zukunfts- und Wettbewerbs- fähigkeit der Branche. Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir verabschieden heute das Elektronische Geschäftsver- kehrsgesetz. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Bestandteil des Ordnungsrahmens, den die Koalition für die Wirt- schaft in der Informationsgesellschaft schafft. Die Wirtschaft hat in den letzten Wochen Kritik hin- sichtlich der Fragen der Providerverantwortlichkeit geübt. Im Gesetz ist das klar geregelt. Provider sind nach § 8 „nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätig- keit hinweisen“. Verantwortlich sind sie nach § 11 nur dann, wenn sie Kenntnis von entsprechenden Inhalten ha- ben. Die Unterscheidung von Kenntnis und tatsächlicher Kenntnis erscheint nicht logisch. Wir werden die Rechts- anwendung sehr intensiv beobachten und bleiben im Ge- spräch mit den betroffenen Unternehmen. Derzeit schei- nen uns die geäußerten Bedenken nicht stichhaltig zu sein. Zugleich diskutieren wir den Antrag „Deutschlands Wirtschaft in der Informationsgesellschaft“, den wir An- fang des Jahres in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Nach wie vor befinden wir uns in einem dyna- mischen Strukturwandel zur Informationsgesellschaft. Nach den aktuellen Daten des Fachverbandes Bitkom wird der deutsche Markt für Informationstechnik und Telekommunikation im laufenden Jahr um 4,6 Prozent wachsen. 2002 rechnet Bitkom mit einer Steigerung um 4,9 Prozent auf 267 Milliarden DM. Treibende Kraft sind zurzeit Software (+ 10 Prozent), informations- technische Dienstleistungen (+ 10 Prozent), Mobilfunk- dienste (+ 15 Prozent) sowie Internet- und Onlinedienste (+ 40 Prozent). Das Einbrechen der Aktienkurse bei vielen Unterneh- men hat viel mit der Korrektur übertriebener Erwartungen zu tun. Diese These wird auch durch die Entwicklung der Beschäftigung bei den am Neuen Markt gelisteten Unter- nehmen gestützt. Obwohl wir hier seit dem Herbst letzten Jahres dramatische Kursverluste zu verzeichnen haben, hat die Beschäftigung weiterhin zugenommen. Roland Berger hat diese Effekte im Auftrag des Bundeswirtschaftsmini- steriums untersucht. Bis zum Stichtag der Studie im Juli diesen Jahres sind in den Unternehmen des Neuen Mark- tes noch 100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Natürlich sind wir uns der Probleme bewusst in denen sich viele Unternehmen befinden. Aber gegenwärtig wird die Lage vielfach negativer dargestellt als sie ist. Die Kurseinbrüche haben zu einer dramatischen Ver- schlechterung der Finanzierungsbedingungen für Grün- der gerade im Bereich des Internet geführt. Die Finanz- märkte reagieren hier in einer Weise zyklisch, die alles andere als rational ist. Auch gute Unternehmensideen ha- ben es heute schwer, Beteiligungskapital zu finden. Das Engagement der Förderbanken des Bundes im Bereich der Unternehmensfinanzierung bleibt deshalb wichtig. Die bundeseigene tbg hat deshalb in dem Programm „BTU-Frühphase“ wichtige neue Fördermöglichkeiten geschaffen. Aufwendungen zur Finanzierung der Gründung einer Gesellschaft – wie z. B. die Erarbeitung des Business-Pla- nes – können gefördert werden. Mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums beteiligt sich die tbg in eigenkapitalähnlicher Form als Genussrechtskapital mit bis zu 150 000 Euro. Internet- und Onlinedienste werden in diesem Jahr mit 20 Prozent wachsen. Bis 2003 steigt die Zahl der Inter- netnutzer jährlich um 21 Prozent; dann wird regelmäßig jeder zweite Deutsche das Netz nutzen. In ihrem Herbstgutachten gehen die führenden Wirt- schaftsforschungsinstitute davon aus, dass die Informa- tions- und Kommunikationsbranche der Wirtschaft schon bald kräftige Wachstumsimpulse geben wird. Nach wie vor haben wir einen Mangel an IT-Spezialisten. Mindes- tens 30 000 Arbeitsplätze von IT-Spezialisten können der- zeit nicht besetzt werden. Trotz steigender Absolventen- zahlen der Hochschulen und Fachhochschulen und Investitionen der Bundesanstalt für Arbeit in die Um- schulung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sind wir über Jahre auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen. Wir brauchen nach wie vor die Greencard- Regelung und wir brauchen dringend das Einwande- rungsgesetz. Bündnis 90/ Die Grünen treten für die Chancen kleiner und mittlerer Unternehmen und für fairen Wettbewerb ein. Gerade in der Informations- und Kommunikations- technologie brauchen wir hier einen klaren Wettbewerbs- rahmen. Es handelt sich um Netzwerktechnologien, in de- nen die Gefahr marktbeherrschender Stellungen und ihres Missbrauchs besonders groß ist. Die EU-Kommission muss das Verfahren gegen Microsoft sehr sorgfältig durchführen. Immer wieder hat Microsoft seine marktbe- herrschende Stellung dazu missbraucht, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Das ist nicht länger akzep- tabel. „Open Source“ ist die billigere, kundenfreundlichere und sicherere Alternative. Der offene Quellcode ermög- licht Kompatibilität und Wettbewerb. Deswegen treten Bündnis 90/ Die Grünen entschieden dafür ein, im Deut- schen Bundestag „Open Source“ einzuführen. Software als solche ist nicht patentierbar. Diese Rege- lung ist sinnvoll. Softwarepatente behindern freie Software und kleine und mittlere Unternehmen. Eine Richtlinie der Europäischen Kommission, die die Patentierbarkeit von Software ausweiten werden, werden wir ablehnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19609 (C) (D) (A) (B) Rainer Funke (FDP): Mit dem wirtschaftlich und rechtlich erstrebten Ziel, die E-Commerce-Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates in nationales Recht umzusetzen, stimmt die FDP-Fraktion im Prinzip überein. Wie jedoch diese Richtlinie umgesetzt worden ist, begegnet großem Zweifel. Zunächst hatte die Bundes- regierung das Herkunftslandprinzip, aus welchen Grün- den auch immer, nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt. Dies konnte im Zuge der parlamentari- schen Beratungen geändert werden, wenn auch nicht im vollen Umfang befriedigend. Allein der Hinweis auf deut- sches Recht löst Konfliktsituationen im internationalen Privatrecht nicht, besser wäre ein Hinweis auf die inner- staatlichen Sachvorschriften gewesen. Letztlich werden diese Fragen die Gerichte zu entscheiden haben. Ähnlich unklar bleiben einzelne Regelungen des Haf- tungsrechts. Da es Zielsetzung der EU-Richtlinie und des EGG ist, Hemmnisse der Weiterentwicklung der Dienste der Informationsgesellschaft zu beseitigen – Erwägungs- grund 1 der Richtlinie –, die Wettbewerbsfähigkeit der eu- ropäischen Wirtschaft zu stärken – Erwägungsgrund 2 – und Rechtssicherheit zu erreichen – Erwägungsgrund 7 – wäre es angebracht gewesen, auch das Ausmaß der Haf- tung der Diensteanbieter für Inhalte klarer als bisher zu re- geln. Der Hinweis der Regierung, dass die Haftungsregelun- gen später einmal im Teledienstgesetz präzisiert werden sollen, ist für die jetzige Situation wenig hilfreich. So wird es nach wie vor unterschiedliche Rechtsprechungen ge- ben und wird auch zu Verunsicherungen der Dienste- anbieter führen. Insoweit wäre es hilfreich gewesen, die Anträge der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Fraktion im feder- führenden Wirtschaftsausschuss anzunehmen. Aber was nicht von der Regierung kommt, findet wenig Akzeptanz und wird in Bausch und Bogen verworfen. Ursula Lötzer (PDS): In Rezessionszeiten – wie gegenwärtig – muss sich auch die Informations- und Te- lekommunikationsbranche auf stagnierende Erträge ein- stellen. Deutlich ist, dass die Zeiten zweistelliger Wachs- tumsraten nur ein Intermezzo waren. Immerhin geht die Branche für dieses Jahr noch von einem zweiprozentigen Beschäftigungswachstum aus. Zwar muss auch dies nach über 10 Prozent im Jahr 2000 als Einbruch bezeichnet werden, aber immerhin gehört die Branche zu den weni- gen, in der gegenwärtig insgesamt kein massiver Be- schäftigungsabbau geplant ist. Der bescheidene Zuwachs verstellt allerdings leicht den Blick darauf, dass es im Hardware-Bereich sowie bei Mobiltelefon-Infrastruktur und -Endgeräten schon dieses Jahr zu deutlichen Beschäftigungseinbußen kommen wird. Wie hart die Personaleinschnitte ausfallen werden, wird darüber entscheiden, ob wenigstens noch ein gerin- ger Arbeitsplatzzuwachs in der Branche erreicht wird. Mittlerweile ist Gewissheit, was ich bereits im Juni zur ersten Lesung ausführte: Der prognostizierte Umsatz- wachstum der Branche von 8,5 Prozent wird beim nahen- den Konjunktureinbruch – den wir inzwischen haben – nicht zu halten sein. Leider hat sich das Gesetz für den Elektronischen Ge- schäftsverkehr, über das wir heute zu entscheiden haben, im Gesetzgebungsverfahren nach der ersten Lesung noch verschlechtert. Wir bewerteten die Einschränkungen des Herkunfts- landprinzips für den B-to-C-Bereich in der ersten Lesung positiv und schlugen vor, dass Herkunftslandprinzip im Sinne des Verbraucherschutzes des privaten Käufers in ein generelles „Günstigkeitsprinzip“ umzuwandeln. So hätte die Bundesrepublik als ein Land, das zu den um- satzstärksten E-Commerce Ländern in Europa gehört, ei- nen Wettbewerbsdruck für einen hohen Verbraucher- schutz in der Internetwelt auslösen können. Diese Chance wurde vertan und nunmehr besteht die Gefahr, dass das Gesetz ein „race-to-the-bottom“ des europäischen Ver- braucherschutz im Online-Handel verursacht. Auch unsere Vorschläge, die auf Verbesserungen der Datenschutzbestimmungen abzielten, wurden von den Koalitionsfraktionen nicht aufgenommen. Dies ist auch der Grund, warum wir dem Gesetz nicht zustimmen. Die bisherige Verpflichtung der Anbieters, personenbezo- gene Daten über den Ablauf des Zugriffs und die Nutzung nach der Beendigung zu löschen, werden durch das Ge- setz aufgegeben. Für unhaltbar halten wir auch den Um- gang mit Nutzungsdaten. Wenn Nutzer künftig der Er- stellung von Nutzungsprofilen nicht widersprechen, dürfen solche erstellt werden. Seine Einwilligung ist nach dem EGG jetzt nicht erforderlich. Da im Ände- rungsantrag, den die CDU/CSU in den mitberatenden In- nenausschuss einbrachte, eine Zustimmung des Nutzers vorgesehen war, wäre dies durchaus im Sinne unseres Anliegens und damit unsererseits zu unterstützen gewe- sen. Aber leider verließ die CDU/CSU – aus Gründen, über die spekuliert werden darf – die Courage im feder- führenden Wirtschaftsausschuss bereits wieder und sie ließen ihren Änderungsantrag hier nicht mehr zur Ab- stimmung stellen. Somit wird es dabei bleiben, dass das EGG einen Rückschritt im Datenschutz bedeutet und auch mit dem Gebot der Datensparsamkeit nicht vereinbar ist. Solange die Bundesregierung nicht in Rechnung stellt, dass die Entwicklung des elektronischen Geschäftsver- kehrs höheren Datenschutz und keine Einschränkungen erfordert, so lange werden die falschen Weichen gestellt, da sich das elementare Erfordernis nicht einstellen wird, nämlich das Vertrauen der Verbraucherinnen und Ver- braucher. Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Deutschlands Wirtschaft ist auf dem Weg in die Informationsgesell- schaft. E-Business rückt immer mehr in das Zentrum von Unternehmensstrategien – in Großkonzernen und immer mehr auch in KMU. Das Internet hat sich als Quer- schnittstechnologie endgültig durchgesetzt und übt am Markt einen starken Veränderungsdruck in Richtung Di- gitalisierung aus. Trotz der scheinbaren Flaute der New Economy – in Wirklichkeit handelt es sich um eine Normalisierung, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119610 (C) (D) (A) (B) nach dem Anfangs-Hype unumgänglich war – hat die In- ternetwirtschaft weiterhin sehr gute Geschäftsperspekti- ven. In der kürzlich veröffentlichten Prognose des IuK-Branchenverbandes Bitkom wird zum Beispiel für Internet- und Onlinedienste ein Zuwachs von 40 Prozent in 2001 erwartet. E-Commerce wird immer wichtiger. Hierbei hat Deutschland mit knapp 30 Prozent Markt- anteil eine Führungsstellung in Europa zu verteidigen, die es auch verteidigen wird. Wichtig ist für uns auch, dass sich die Informations- wirtschaft zu einem bedeutenden Beschäftigungsmotor entwickelt hat. Bei den guten Geschäftsperspektiven im IT-Dienstleistungsbereich ist es auch gar nicht verwun- derlich, dass viele IT-Firmen wieder verstärkt einstellen wollen. Umfragen zufolge will 2002 jedes zweite Unter- nehmen sein Personal aufstocken. Nicht einmal jedes zwanzigste will abbauen. Um so wichtiger ist es, dass auch weiterhin hoch qua- lifizierte IT-Experten mit der Greencard nach Deutsch- land kommen. Die Bundesregierung hat kürzlich die zweite Tranche für weitere 10 000 Greencards freigege- ben. Wichtig und richtig ist es auch, den Greencard-Inha- bern und ihren Arbeitgebern eine längerfristige Perspek- tive bieten zu können. Dies ist bisher nicht der Fall, da die Arbeitserlaubnisse befristet sind. Daher sieht der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf eines Zuwande- rungsgesetzes einen Anspruch auf Daueraufenthalt nach Ablauf von fünf Jahren vor. Bei der Diskussion über neue IT-Arbeitsplätze dürfen wir nicht vergessen, dass die große Menge an bestehen- den Arbeitsplätzen in allen Branchen, die durch die Di- gitalisierung am Standort Deutschland gesichert wird, in den Statistiken gar nicht auftaucht. Es geht also nicht um die immer dominantere Rolle einer Branche. Es geht um die Stärkung unserer gesamten Wirtschaft. Es geht aber auch um die Veränderung von Staat und Gesell- schaft. Die Bundesregierung hat sich den politischen Heraus- forderungen gestellt, die der rasche Wandel zur Informa- tionsgesellschaft mit sich bringt. Als ganz zentrales Kri- terium haben wir uns dabei die Teilhabe aller an der Informationsgesellschaft zum Ziel gesetzt. Mit mehreren Förder- und Informationskampagnen unter dem Motto „Internet für alle“ bemühen wir uns daher intensiv, bisher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen an die neuen Medien heranzuführen. Ich bin sicher, dass es uns so ge- lingen wird, die digitale Spaltung unser Gesellschaft in Nutzer und Nichtnutzer zu vermeiden. Wirtschaftspolitisch ist die Schaffung eines verlässli- chen Ordnungsrahmens vordringliches Ziel. Nur so kön- nen wir vertrauen und Rechtssicherheit im Netz aufbauen, die als Grundlage für kommerzielle Transaktionen im In- ternet unabdingbar sind. Zwei Meilensteine sind dabei das Gesetz zur digitalen Signatur, das ja schon im Mai in Kraft getreten ist, und das Gesetz über den elektronischen Ge- schäftsverkehr, EGG, dessen Entwurf heute abschließend beraten wird. Wir werden damit die europäischen Vorga- ben der E-Commerce-Richtlinie, die wir maßgeblich mit- bestimmt haben, fristgerecht umsetzen und zugleich den Datenschutz verbessern. Das EGG wird einen innovati- onsfördernden Rahmen für die Wirtschaft schaffen und gleichzeitig die Verbraucher schützen – beides wichtige Voraussetzungen, für ein nachhältiges Wachstum des E-Commerce. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal die wichtigsten Punkte herausgreifen: Mit dem Herkunfts- landprinzip schaffen wir Rechtsklarheit für die Anbieter. Für Diensteanbieter gelten in Zukunft grundsätzlich nur die Anforderungen des Landes, in dem sie niedergelassen sind, auch wenn sie ihre Dienste anderswo in Europa an- bieten. Ich begrüße es, dass wir hier eine einvernehmliche Regelung erzielt haben. Dazu hat auch die Sachverständi- genanhörung des federführenden Wirtschaftsausschusses wesentlich beigetragen. Bei den für den Schutz der Verbraucher wichtigen In- formationspflichten werden die gleichen Standards wie im traditionellen Geschäftsverkehr gelten. Die Vorschrif- ten zur Verantwortlichkeit werden hierzu im Sinne einer europaweiten Vollharmonisierung eng am Wortlaut der Richtlinie umgesetzt. Der Datenschutz ist ein herausragender Wettbewerbs- faktor und eine essenzielle Grundlage für das Vertrauen der Verbraucher in die neuen Dienste. Das Telediens- te-Datenschutzgesetz regelt dazu Pflichten und Befug- nisse der Diensteanbieter im Umgang mit den persönli- chen Daten der Nutzer. Dabei setzen wir ein hohes Schutzniveau durch. Besonders im Bereich der neuen Dienste spielen Kundendaten eine wichtige Rolle als Wirtschaftsgut. Dies ist in Ordnung, solange der Nutzer über das Instrument der Einwilligung die Kontrolle über die Verwertung dieser Daten behält. Diese Einwilligung kann elektronisch erfolgen, und zwar über Verfahren, die für die Diensteanbieter praktikabel sind, zugleich aber für die Verbraucher die erforderliche Sicherheit gewährleisten. Neue Bußgeldbestimmungen werden die Beachtung der Datenschutzvorschriften nachhaltig un- terstützen. Mit den Ländern – ich betone: mit allen Ländern – be- steht Einvernehmen, dass die Vorschriften des Telediens- te-Gesetzes und des Teledienste-Datenschutz-Gesetzes wort- und inhaltsgleich in den Mediendienste-Staatsver- trag, übernommen werden. Damit erreichen wir ein ein- heitliches Regelwerk für die Tele- und Mediendienste. In- sofern erwarte ich, dass das Gesetz auch im zweiten Bundesratsdurchgang breite Unterstützung erhält. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollte eigentlich auch dem Deutschen Bundestag allseitige Unterstützung möglich sein, um die ich Sie bitten möchte. Das EGG ist entscheidender Baustein eines vertrauen- schaffenden Rahmens für elektronischen Handel, an dem wir auch künftig arbeiten müssen. Ich erwähne hier nur den Bereich der IT-Sicherheit, der ja nach dem 11. Sep- tember eine ganz neue Dimension erhalten hat. Die Bun- desregierung wird ihrer Verantwortung für Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft auch in Zukunft ge- recht werden. Und sie wird damit Deutschlands Wirt- schaft und Gesellschaft eine vielversprechende Perspek- tive für das 21. Jahrhundert eröffnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19611 (C) (D) (A) (B) Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Gesetzentwurfs: Verlängerung von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfe- gesetz und der Anträge: – Fördern und Fordern – Sozialhilfe modern ge- stalten – Eine Grundsicherung in der Arbeitslosenver- sicherung einführen – Die Sozialhilfe armutsfest gestalten (Tagesordnungspunkt 31 und Zusatztagesord- nungspunkte 15 bis 17) Brigitte Lange (SPD): Die Anforderungen an die Sozialhilfe haben sich verändert. Das ist ablesbar an der Empfängerstruktur: Alleinerziehende machen fast die Hälfte aller Haushalte aus, die „Hilfe zum Lebensunter- halt“ benötigen, ein Drittel aller Bezieher sind Kinder und Jugendliche. Die Hauptursache für Sozialhilfebezug, Ar- beitslosigkeit, hat sich im Laufe der 90er-Jahre verfestigt. 1999 waren 24,5 Prozent (690 000), ein Jahr später 22,5 Prozent (606 000) aller Bezieher arbeitslos, aller- dings 44 Prozent aller Bezieher zwischen 18 und 60 Jah- ren. Die Diskussion darüber berücksichtigt meist nicht die hohe Fluktuation unter den Sozialhilfebeziehern. Die durchschnittliche Verweildauer betrug Ende 1999 weni- ger als 2½ Jahre. Knapp die Hälfte waren Kurzzeitbezie- her. Über 50 Prozent der Ehepaare mit Kindern und rund 44 Prozent der Alleinerziehenden waren nach weniger als einem Jahr wieder unabhängig von Sozialhilfe. Der Armuts- und Reichtumsbericht belegt, dass prekäre Lebenssituationen in aller Regel durch vielfältige, meist gleichzeitig auftretende Probleme geprägt sind. Es fehlt nicht nur die Arbeitsstelle, sondern ein ganzer Kanon aus Überschuldung, zu teueren Mieten, schlechtem Wohnumfeld, mangelnder Ausbildung und Qualifikation, unzureichender Kinderbetreuung oder Suchtproblemen begünstigt den Prozess des sozialen Abstiegs und sozialer Ausgrenzung. Es geht darum, Konsequenzen aus den Er- fahrungen der letzten Jahre zu ziehen, dass zur Überwin- dung von Sozialhilfebedürftigkeit mehr nötig ist als die Überweisung der Geldleistung. Betroffene brauchen Be- ratung, Unterstützung und Begleitung, die – an ihrer indi- viduellen Lebenslage orientiert – aus „einer Hand“ ange- boten werden sollen. Das erfordert Umdenken in der Sozialhilfepraxis. Es geht um eine komplexere Art der Dienstleistung, um gegenseitig andere Erwartungen. Es geht darum, Menschen in Armut durch Mobilisierung ih- rer schöpferischen Fähigkeiten und Kräfte selbst zu Trä- gern der Verbesserung werden zu lassen und nicht zu „bloßen Beteiligten“ eines von außen an sie herangetra- genen Vorhabens, wie Minister Riester es kürzlich formu- lierte. Es geht darum, bereits im BSHG vorhandene In- strumente „aufzupolieren“, in Erinnerung zu rufen, zu ihrer Nutzung und Vernetzung anzuregen und den geän- derten Anforderungen entsprechende neue hinzuzufügen, wie zum Beispiel Möglichkeiten der beruflichen Qualifi- kation. Es geht darum, diesen Zielen entsprechende Verwal- tungsabläufe gesetzlich zu unterstützen, und es geht uns sehr darum, die Bereitschaft von Arbeitsämtern, Sozial- und Jugendämtern (!) zu stärken, mehr als bisher – das heißt flächendeckend – zu kooperieren. Und es geht da- rum, Länder und Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Insti- tutionen und Initiativen an dem Reformprozess zu betei- ligen. Auch deshalb legen wir unseren Antrag zu einer Strukturreform jetzt vor. Die medienweite Wisconsinsche Sommerloch-Debatte offenbarte vielen überraschend deutlich, was in unserem Land bereits möglich ist; wie viele Städte und Kreise kreativ und erfolgreich mit den vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten arbeiten, wel- che neuen Formen der Beratung und vielfältigen Modelle zur Integration in Beschäftigung Bundesländer ent- wickelten und weiter entwickeln. Die angekündigte Re- form ist keine Aufforderung zum Stillstand, sondern zum Wettbewerb um die besten Lösungen. Die Bundesregie- rung bereitet seit Regierungsbeginn durch Änderungen im BSHG und in zeitlich begrenzten Modellen, die wis- senschaftlich begleitet sind, fundierte Grundlagen für die Ausfüllung der Reform-Eckpunkte vor. Nicht nur Fachleute wissen, dass sich Sozialhilfe we- der für Schnellschüsse noch für Blindflüge eignet. Des- halb halten wir es für vertretbar, den seit 1993 bestehen- den Auftrag, Regelsätze und ihre Fortschreibung neu zu justieren, noch einmal zu vertagen, um belastbare Ergeb- nisse aus den laufenden Pauschalierungsmodellen in die Gestaltung der Regelsätze einzubeziehen und damit ein schlüssiges Gesamtkonzept zu ermöglichen. Deswegen muss auch die Übergangsregelung zur Fortschreibung der Regelsätze bis 2004 verlängert werden. Bis dahin werden die Regelsätze weiter wie die Renten erhöht. Uns ist be- wusst, dass diese nochmalige Verlängerung auf Kritik stößt. Dennoch führte – nach Berechnungen des Ministe- riums – die Fortschreibung der Regelsätze in den vergan- gen Jahren insgesamt nicht zu einem Kaufkraftverlust bei den Sozialhilfeempfängern. Die Verlängerung der Über- gangsregelung zur Erhöhung der Regelsätze ist Gegen- stand des vorliegenden Gesetzentwurfes. Vorrangiges Ziel unserer Politik ist es, zu vermeiden, dass Menschen überhaupt sozialhilfebedürftig werden. Da hat sich in den 90er-Jahren ein beträchtlicher Nachholbedarf entwickelt. Der Armuts- und Reichtumsbericht dokumentiert die De- fizite in der Familienpolitik bis 1998. Die vorgefundene Situation bei der Regierungsüber- nahme von Rot-Grün war höchst unerfreulich: 1998 hatte die Zahl der Sozialhilfeempfänger einen Höchststand von 2,9 Millionen Menschen erreicht: eine Verdreifachung seit 1980 und überwiegend in der Regierungszeit von CDU/CSU und FDP! Unsere Reformen haben dazu beigetragen, diese Zahl kontinuierlich zu senken: Seit 1998 um 8 Prozent, das sind 219 000 weniger. Wir haben den Steuerfreibetrag er- höht und den Eingangssteuersatz gesenkt. Die Familie ei- nes Durchschnittsverdieners mit 2 Kindern hat in diesem Jahr 2 200 Mark mehr im Portemonnaie als 1998. Wir ha- ben das Kindergeld von 220 auf 270, und zum 1. Januar 2002 auf 300 Mark erhöht. Wir haben das Wohngeld er- höht und erreichen mit der Förderung 400 000 Haushalte zusätzlich. Unsere Reform des BAföG verbessert die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119612 (C) (D) (A) (B) Situation studierender Eltern, insbesondere Alleinerzie- hender. Wir haben durch das Teilzeitgesetz die Vereinbar- keit von Beruf und Familie erleichtert. Mehr Mütter und Väter als bisher können erwerbstätig bleiben. Wir haben mit JUMP über 330 000 Jugendliche in Qualifizierung, Ausbildung und Arbeit gebracht. Wir haben dazu beige- tragen, dass die Arbeitslosigkeit von Älteren und Schwer- behinderten zurückgegangen ist. Diesen Weg der Entlastung von Familien mit Kindern und der aktiven Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik gehen wir weiter. Denn wir wissen: Er ist der beste, um Sozialhilfebedürftigkeit erst gar nicht entstehen zu lassen. Das gilt besonders für die über 1 Million Kinder und Ju- gendlichen, die mit ihren Eltern von Sozialhilfe leben, in der Regel übrigens von ergänzender Sozialhilfe. Entge- gen landläufiger Meinung weist eine DGB-Studie darauf hin, dass das Sozialhilferisiko keinesfalls proportional mit der Familiengröße steigt. Aber die Zahl allein erziehender Frauen ist doppelt so groß wie die der Ehepaare mit Kin- dern insgesamt. Ihr hoher Anteil erklärt sich vor allem da- raus, dass sie wegen unzureichender Kinderbetreuungs- möglichkeiten kaum erwerbstätig werden können. Wir brauchen Ganztagseinrichtungen, nicht nur im Interesse der Alleinerziehende oder Elternpaare, sondern vor allem auch im Interesse der Kinder! Das würde den Anteil von Kindern in der Sozialhilfe erheblich reduzieren. Ergän- zend sind praktikable finanzielle Lösungen gefragt, die (vorrangig) verhindern, dass Eltern allein deshalb, weil sie Kinder haben, in die Sozialhilfe abgleiten. Dafür exis- tieren eine Reihe von Vorschlägen, die geprüft und umge- setzt werden sollen. Zwei weitere Gesetze haben das Sozialhilferisiko er- heblich vermindert. Das Gesetz zur Pflegeversicherung, das 1994 von Regierung und Opposition gemeinsam be- schlossen wurde, erspart seitdem vielen Pflegebe- dürftigen den Weg zum Sozialamt. Durch die Grund- sicherung für ältere Menschen und Personen mit dauerhafter Erwerbsminderung ab 2003 wird die Zahl der Hilfebedürftigen in der Sozialhilfe weiter sinken. Mit unseren im Antrag benannten 6 Eckpunkten setz- ten wir den Weg einer Strukturreform fort. Wir wollen Erstens finanzielle Leistungen transparent und bedarfsge- recht weiter entwickeln und zweitens die Selbstverant- wortung des Hilfeempfängers stärken und Verwaltung vereinfachen Die Abgrenzung laufender und einmaliger Leistungen verunsichert und bevormundet Hilfebezieher, beschäftigt Verwaltungen und ist Quell langwieriger ge- richtlicher Auseinandersetzungen. Besser wäre eine Art integrierter Gesamtpauschale. Sie überlässt Hilfebeziehern die Dispositionsfreiheit für ihr „Budget“, vereinfacht Verwaltungshandeln und schafft Rechtssicherheit. Über die Pauschale hinaus muss die be- darfsgerechte Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls gesichert sein. Es ist deshalb sinnvoll, die Neukonzeption der Regelsätze zusammen mit der Aus- wertung der 50 Modellvorhaben zur Pauschalierung vorzunehmen, um eine gerechte und tragfähige Lösung zu erreichen. Drittens geht es uns um aktivierende Instru- mente und Leistungen, die viertens die Integration in den Arbeitsmarkt fördern. Unser vorrangiges Ziel, Menschen so zügig wie mög- lich wieder in Arbeit zu bringen, erreichen wir nur dann, wenn sie als Partner in die Hilfeplanung einbezogen wer- den. Mehr Druck und Repression sind nicht zielführend. Wir wollen Hilfe auf gleicher Augenhöhe. Individuelle Beratung, Hilfeplanung, Fall-Management aus einer Hand sind zentrale Elemente einer Förderkette, wie sie das neue Job-Aqtiv-Gesetz vorsieht. Diesen – von den Ex- perten in der Anhörung als sehr positiv bewerteten Weg – wollen wir auch in der Sozialhilfe gehen. Unser Prinzip heißt: Fördern und Fordern Dies beinhaltet durchaus im Einzelfall, mit den Sanktionsinstrumenten zu arbeiten, wenn jemand die Arbeitsaufnahme verweigert. Diese Instrumente müssen nicht erst neu erfunden werden, sie bestehen schon bisher und werden von den Kommunen auch angewandt. Wir wollen vermeiden, dass Menschen in der Sozial- hilfe resignieren. Wir sehen uns in der Verpflichtung, ih- nen von Anfang an Hilfen zu geben und sie zu befähigen, ihren Weg selbst zu gehen. Die persönliche Hilfe und die Hilfe zur Selbsthilfe sind wichtige Prinzipien, die sich auch bisher schon im BSHG finden. Sie müssen deutlich mehr als bisher praktiziert werden können. Die Zusam- menlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe wird uns als Patentrezept verkauft. Manche haben es sehr eilig damit. Ineffiziente Doppelzuständigkeiten sind ein Hauptargu- ment – das allerdings ein Blick in die Statistik relativiert: Nur 280 000 Arbeitslosenhilfebezieher sind auf ergän- zende Sozialhilfe angewiesen, weniger als ein Fünftel! Gleichwohl – wir verschließen uns keiner Diskussion da- rüber, wie – im Interesse der betroffenen Menschen – die Integration in den Arbeitsmarkt zügiger und effizienter or- ganisiert werden kann. Aber wir halten wenig von so ge- nannten Patentrezepten, und gar nichts von einer über- stürzten „Verordnung“, ohne überhaupt die Wirkung, geschweige denn Nebenwirkung und Risiken zu kennen. Wir unterstützen hingegen die sorgfältige und praxis- orientierte Vorgehensweise der Bundesregierung, in 30 Modellen (MoZArt) quer durch die Republik, die Bün- delung der Stärken beider Systeme unter dem Gesichts- punkt erproben zu lassen, was der einzelne Arbeitslose in Bezug auf seine Lebenslage, auf seine Qualifikation und auf seine Leistungsfähigkeit zur Integration in den Ar- beitsmarkt benötigt. Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit seit dem letz- ten Jahr für alle Arbeits- und Sozialämter verbindlich vorgeschrieben. An den erweiterten Möglichkeiten von „MoZArt“, das heißt Datenaustausch, Beratung und Leis- tungen aus einer Hand, gegenseitige Nutzung der Instru- mente (Experimentierklausel), können auch die Arbeits- und Sozialämter teilnehmen, die ohne finanzielle Förde- rung des Bundes dieses Modell erproben wollen. Fünf- tens. Wir wollen Länder und Kommunen bei der er- forderlichen Verwaltungsmodernisierung unterstützen. Aktivierende Maßnahmen zur Überwindung von Sozial- hilfebedürftigkeit brauchen aussagekräftige statistische Grundlagen, die bisher fehlen. Sie sind nötig für zielge- naue Planung und Steuerung auf kommunaler Ebene, aber auch als Grundlage für die Entscheidungen in Politik und Gesetzgebung. Weniger Verwaltungs- mehr personenbe- zogene Dienstleistung in den Sozialämtern müssen durch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19613 (C) (D) (A) (B) rechtliche Rahmenbedingungen ermöglicht und gefördert werden. Der letzte Eckpunkt sieht die Einordnung des BSHG in das Sozialgesetzbuch vor. Es geht um die syste- matische und begriffliche Übereinstimmung mit den an- deren Büchern des SGB und soll der Rechtsklarheit die- nen. Unser Reform-Konzept ist eine ideale Ergänzung zu unserem Job-Aqtiv-Gesetz. Beide werden dazu beitragen, Sozialhilfebedürftigkeit zu verhindern und Bezugszeiten zu verkürzen. Mit dieser Strukturreform der Sozialhilfe werden wir finanzielle Leistungen transparent und bedarfsgerecht weiter entwickeln, die Selbstverantwortung des Hilfe- empfängers stärken, Verwaltung vereinfachen, die akti- vierenden Instrumente der Sozialhilfe verbessern und die Integration in den Arbeitsmarkt fördern. Wir haben diese Legislaturperiode genutzt, um die wesentlichen Vorarbei- ten für diese Reform zu leisten. Die Bundesregierung hat den Armuts- und Reichtums- bericht vorgelegt und damit die Grundlage für eine am Le- benslagenkonzept orientierte Reform. Mit dem vorliegen- den Gesetz verlängern wir erweiterte Möglichkeiten zur Gewährung von Lohnkostenzuschüssen, wenn Sozialhil- febezieher eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt aufnehmen. Wir haben die Modellversuche zur Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern, zur Pauschalierung und zur Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten für Gering- qualifizierte gestartet. In der nächsten Wahlperiode wer- den sie Ergebnisse liefern. Mit dieser soliden Vorarbeit wird die Sozialhilfereform aus einem Guss gelingen. Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Um es gleich deutlich zu sagen, mit dem Gesetz zur Verlängerung von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz verab- schiedet Rot-Grün für Sozialhilfeempfänger nicht mehr als ein sozialpolitisches Notprogramm. Die Bundesregierung macht schon gar keine Versuche mehr, Reformpolitik zu be- treiben, sie legt gar nichts vor. Und die Koalitionsfraktionen beantragen lediglich, befristete Übergangsregelungen für die Sozialhilfe nochmals zu verlängern. Vor diesem Hinter- grund ist der Antrag von SPD und Grünen bloß verbales Beiwerk. Zu wirklichen Reformen sind Bundesregierung und Regierungsfraktionen schon jetzt nicht mehr fähig. Schon einmal haben Sie die ursprünglich bis 1. Juli 2000 befristeten Übergangsregelungen zur jährlichen Er- höhung der Sozialhilfesätze verlängert, und zwar um zwei Jahre. Dies hätte bedeutet, dass es zum 1. Juli nächsten Jahres eine umfassende Neugestaltung der Sozialhilfe hätte geben müssen. Heute bleibt festzustellen: Rot-Grün findet nicht mehr die Kraft zu notwendigen Strukturver- änderungen im Sozialhilferecht. Vielmehr heißt heute ihr sozialpolitisches Bekenntnis für Sozialhilfeempfänger: Wir verlängern die Übergangsregelungen ein weiteres Mal, und zwar gleich um drei Jahre. Im Klartext heißt das: Mit dieser zweiten Verschiebung der Neuregelung schum- melt sich die Schröder-Regierung über die gesamte Le- gislaturperiode hinweg, ohne auch nur den Ansatz einer Reform der Sozialhilfe zustande zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak- tionen, von Armutsbekämpfung und von sozialer Gerech- tigkeit brauchen Sie nach diesem Sozialhilfetorso nicht mehr zu reden! Welche negativen Folgen die Übergangs- regelung für Sozialhilfeempfänger hat, ist leicht zu zei- gen. Die Höhe der Regelsatzanpassung lehnt sich nämlich an die jährliche Rentenerhöhung an. Sozialhilfeempfän- ger haben damit in den letzten zwei Jahren dieselben Er- fahrungen gemacht wie die Rentnerinnen und Rentner. Die jährliche Sozialhilfeerhöhung bleibt jeweils unter der Preissteigerungsrate des Jahres. Trotz Regelsatzanpas- sung bleibt jeweils weniger in der Tasche der Sozialhilfe- empfänger als im Vorjahr. Im Jahr 2000 lag die Inflati- onsrate bei 1,9 Prozent, die Sozialhilfeerhöhung (West) bei 0,6 Prozent. Das ist Kaufkraftverlust. Im Jahr 2001 wird eine Inflationsrate von 2,5 Prozent erwartet. Die So- zialhilfe ist aber nur um 1,91 Prozent angepasst worden. Auch das ist Kaufkraftverlust. Noch deutlicher gesagt: Sozialhilfeempfänger sind Jahr für Jahr ärmer geworden. Wie das für 2002 aussehen wird, ist noch nicht so klar. Bei gleich bleibender Politik dürfen Sozialhilfeempfänger aber nichts Gutes erwarten. Für 2003 und 2004 gehen die Benachteiligungen weiter. Dann finden sich die jährlich vorgesehenen Rentenkürzungen auch bei der Sozialhilfe als Kürzung wieder. Meine Damen und Herren von der SPD, in den Jahren vor dem Regierungswechsel haben Sie sehr häufig über soziale Demontage und Sozialabbau geredet. Für das, was Sie hier nun machen, kann ich keine anderen Worte fin- den. Ihre Politik der weiteren Verschiebung der Sozialhil- fereform findet auch bei den Sozialverbänden Kritik. Ich darf das an dieser Stelle mal zitieren: „Armutspolitisch beschämend“, so nennt der Paritätische Wohlfahrtsver- band das Vorhaben der Bundesregierung. Um die Kauf- kraftposition von 1993 wieder herzustellen – so die Pa- ritäter weiter – wäre für Westdeutschland eine Anhebung um 3,8 Prozent und für Ostdeutschland sogar eine Anhe- bung um 5,1 Prozent erforderlich. Das Koalitionsbündnis aus SPD und Grünen ist 1998 angetreten, um „soziale Ge- rechtigkeit in Deutschland wiederherzustellen“. Da muss ich hier doch mal fragen: Haben Sie sich das so vorge- stellt? Bundesarbeitsminister Walter Riester verweist im- mer wieder gerne darauf, dass in den Koalitionsvereinba- rungen vom 20. Oktober 1998 SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Bekämpfung der Armut zu einem Schwer- punkt der Politik der Bundesregierung erklärt haben. Jetzt droht sie Ihnen zum Stolperstein zu werden. Denn von diesem Ziel sind Sie nach über drei Jahren Regierung weit entfernt. Wir brauchen eine Sozialhilfereform, die Strukturen verändert. Stattdessen begnügt sich Rot-Grün mit Mo- dellvorhaben und nimmt diese noch zur Begründung der Verschiebung einer großen Reform. Liest man den Antrag der Koalitionsfraktionen mit dem Titel ,,Fördern und For- dern – Sozialhilfe modern gestalten“, dann versteht man die dort wiederholte Begründung nicht. Denn obwohl sie behaupten, die Auswertung der Modellversuche vor einer Reform abwarten zu müssen, führen Sie hier schon eine ganze Reihe von feststehenden Eckpunkten auf. Im Klar- text: Sie wüssten eigentlich schon, was gemacht werden muss. Aber Sie handeln nicht. Die Modellvorhaben tragen den Namen MOZART. Rot-Grün ist sehr kreativ bei der Namensgebung, aber we- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119614 (C) (D) (A) (B) nig effektiv beim politischen Handeln. Eine große Sozial- hilfereform wird es in dieser Legislaturperiode nicht ge- ben. Dafür hat Ihnen Mozart – jetzt meine ich den Kom- ponisten – schon weitsichtig die ,,Kleine Nachtmusik“ komponiert. Dabei wäre eine strukturelle Sozialhilfere- form so notwendig. Denn alle Experten wissen aus Erfah- rung, dass es eine Schieflage bei den Regelsätzen gibt. Es gibt Gutachter, die deutlich darauf hinweisen, dass die Re- gelsätze für Alleinerziehende angehoben werden müssen, weil das Geld nicht mehr das Existenzminimum abdeckt. Andererseits geraten die Sozialhilfeleistungen für Fami- lien mit Kindern zu nah an die Gehälter von solchen Fa- milien, in denen ein Elternteil arbeitet. Hier muss das Lohnabstandsgebot der Jugend durchgesetzt werden. Dies wäre notwendig, um soziale Gerechtigkeit herzu- stellen. Darüber hinaus brauchen wir Pauschalisierungen für den Bereich der Einmalzahlungen in der Sozialhilfe. Dies spart Verwaltungskosten für ständige Bedarfsprü- fungen im Einzelfall und gibt Sozialhilfeempfängern das Gefühl, nicht dauernd bevormundet zu werden. Die CDU/CSU-Fraktion hat im Gegensatz zu Ihnen ihre Hausaufgaben erfüllt. Wir haben bereits ein ganzes Paket von Maßnahmen entworfen, das an den Symptomen nicht nur herumdoktert, sondern die strukturellen Ursa- chen des Problemfeldes angeht. Im Mittelpunkt steht da- bei der Gedanke der Teilhabe an der Gesellschaft durch Arbeit: Die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und So- zialhilfe. Damit werden die bisherigen Leistungen zu ei- nem „Sozialgeld“ zusammengefasst, dessen Zumutbar- keitsregelungen und Leistungsumfang der heutigen Sozialhilfe entsprechen. Die Vorteile: Die Sozialgeld- empfänger werden von Anfang an auf lokaler Ebene, in enger Abstimmung mit den Arbeitsämtern, durchgängig beraten und betreut. Dies setzt allerdings eine zugunsten der kommunalen Ämter verschobene Budgetverantwor- tung und entsprechende Finanzausstattung voraus. Kinder und Behinderte müssen aus der Sozialhilfe he- rausgenommen werden. Deshalb sollen ein Familiengeld und ein Leistungsgesetz für Behinderte geschaffen wer- den. Ältere Arbeitnehmer mit mindestens 15 Erwerbsjah- ren müssen durch Anhebung der Freibeträge bei der Heranziehung von Ersparnissen beim Umbau der Ar- beitslosen- und Sozialhilfesysteme besonders geschützt werden. Die Anrechnung niedriger Arbeitseinkommen auf So- zialhilfe muss verringert werden. Dadurch wächst der An- reiz des Empfängers von Sozialtransfers, auch niedrig entlohnte Tätigkeit bzw. Teilzeitarbeit zu suchen und an- zunehmen. Statt der bisherigen Kombination von Sozial- transfers plus Schwarzarbeit soll eine Ergänzung von le- galer Arbeit und Sozialtransfers gefördert werden. Für Gruppen, die besonderer Eingliederungsmaßnah- men bedürfen, müssen gezielte Unterstützungsmaßnah- men ergriffen werden, wie zum Beispiel die Einführung von Pflichtunterricht in Deutsch für ausländische Sozial- geldempfänger oder eine Qualifizierungspflicht für Sozi- algeldempfänger ohne berufliche Bildung. Es kommt darauf an, die Arbeitsmarktlücke zwischen 630 DM und circa 1 600 DM zu schließen. Für diesen Niedriglohnbereich sind Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen, durch Einstiegsgeld, Kombilohn oder die de- gressive Bezuschussung der Sozialbeiträge, damit netto mehr übrig bleibt. Sie sehen, wir gehen gut gerüstet in die Debatte über die Soziahilfereform, die von Rot-Grün jetzt bis ins Jahr 2004 verschleppt wird. Unsere Alternative ist klar. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der erste Armuts- und Reichtumsbericht in Deutschland hat gezeigt: Die Zahl der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger hat sich in Deutschland unter der Regierung von CDU/CSU und FDP vervierfacht. Insbesondere Kin- der wurden unter Schwarz-Gelb zu einem Armutsrisiko, nicht nur am Rand der Gesellschaft, sondern bis in die Mitte der Gesellschaft hinein – ein unglaublicher Skandal in einem der reichsten Länder der Welt. Rot-Grün hat die Armut in den letzten drei Jahren nicht beseitigt. Das konnte auch niemand ernsthaft erwarten. Aber wir haben den Trend umgekehrt. Die Zahl der So- zialhilfempfängerinnen und -empfänger nimmt seit 1999 ab. Familien mit Kindern werden unter Rot-Grün besser gestellt – gerade im unteren und mittleren Einkommens- bereich. Verglichen mit 1998 wird eine Durchschnittsfa- milie im Jahr 2002 um 1 500 Euro entlastet, die Ökosteuer inbegriffen. Wir tun also sehr viel, um zu verhindern, dass Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dennoch will ich einräumen: Wir haben mit dem Sys- tem der Sozialhilfe, wie es sich heute darstellt, eine Reihe von gravierenden Problemen. Es gibt ernst zu nehmende Daten, die darauf hinweisen, dass es in bestimmten Be- reichen zu einer Unterdeckung, zu einer Unterversorgung gekommen ist. Wir haben dies zum Teil dadurch ausge- glichen, dass wir die Kindergelderhöhung des Jahres 2000 nicht auf die Sozialhilfe anrechnen, sondern an die So- zialhilfeempfängerinnen und -empfänger ungekürzt wei- tergeben. Diese Übergangsregelung wird über das Jahr 2002 hinaus weiter verlängert. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Durchlässigkeit der Sozialhilfe – der Fall- beileffekt, wie er in der Fachöffentlichkeit genannt wird. Hierzu gibt es in vielen Bundesländern Modellversuche, die Arbeit und Sozialhilfe so zu kombinieren, dass für die Empfängerinnen und -empfänger ein positiver Anreiz ent- steht. Deshalb haben wir auch eine Reihe von Modellpro- jekten zur Kooperation von Sozial- und Arbeitsämtern gestartet, um die Abschottung beider Systeme zu über- winden und auch Sozialhilfeempfängerinnen und -emp- fänger in Arbeitsfördermaßnahmen einzubeziehen. Wir haben auch das Problem der Überbürokratisie- rung, der – nennen wir es ruhig so – bürokratischen Be- vormundung von Sozialhilfeempfängerinnen und -emp- fängern, die sie in einem Status der Unmündigkeit belässt, statt sie positiv zu motivieren und zu beraten. Wir haben deshalb – im Rahmen einer Experimentierklausel – eine Reihe von Modellversuchen gestartet, um Leistungen zu pauschalieren und die Verwaltung zu vereinfachen. Das nützt im Idealfall allen: den Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern und der öffentlichen Verwaltung, die ei- nerseits an Verwaltungsaufwand einspart, andererseits mehr Raum für individuelle Förderung und Beratung hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19615 (C) (D) (A) (B) Dabei sollten wir auch nicht die Probleme verschwei- gen, die sich jetzt bereits andeuten und von den Wohl- fahrtsverbänden zu Recht bemängelt werden: Manche Kommunen verwechseln Pauschalierung mit einer massi- ven Leistungskürzung und es stellt sich auch die Frage, ob langlebige Gebrauchsgüter wirklich Teil der Pauschale werden sollen. Die Verlängerung der Anpassung der Re- gelsätze analog zur Rente um weitere drei Jahre ist nichts, worauf wir stolz sind. Wir tun dies aber, weil wir keine verlässlichen Daten dafür haben, wie sich die spezifischen Lebenshaltungskosten von Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern entwickelt haben – und auch kein über- zeugendes System, wie sich die Regelsätze künftig zu- sammensetzen sollen. Diese Unsicherheit besteht auch in den Gutachten, die das A-und-S-Ministerium angefordert hat. Auch die Wohlfahrtsverbände, die neben eigenen Berechnungen auf der Grundlage des existierenden Systems bemerkens- und bedenkenswerte Eckpunkte vorgelegt haben, haben kein schlüssiges Konzept – mit Ausnahme einer langfris- tigen Perspektive in Richtung allgemeine Grundsiche- rung, die wir Grüne bekanntermaßen teilen. Deshalb ist die weitere Erhöhung der Regelsätze ana- log zur Rente nicht elegant, aber doch vertretbar, zumal wir in dem begleitenden Antrag an verschiedenen Stellen klarstellen, in welche Richtung wir die Sozialhilfe auf mittlere Sicht weiterentwickeln wollen, also in der kom- menden Wahlperiode. Wir machen es uns nicht so einfach wie die Opposition. Der rechte Teil des Hauses hält in Sa- chen Sozialhilfe nicht das von uns verfolgte Gleichge- wicht des „Förderns und Forderns“. Wer zu sehr mit der sozialpolitischen Peitsche agiert, wie Sie das vorschlagen, wird keine mündigen, selbstbewussten, kreativen und leistungsbereiten Bürgerinnen und Bürgern bekommen. Angstmotivation ist, langfristig und volkswirtschaftlich gesehen, ein reines Strohfeuer. Wir machen es uns auch nicht so einfach wie die PDS. Es ist ja ganz nett, wenn Sie Regelsatzsteigerungen in der Größenordnung von 12 Prozent vorschlagen, ohne die Schlüssigkeit des überkommenden Sozialhilfesystems in- frage zu stellen. Nur: Keine der von ihnen regierten oder mitregierten Kommunen würde dies mittragen. Verant- wortung ist eben nicht nur abstrakt. Wenig sachdienlich ist auch Ihr Vorschlag einer Grund- sicherung für Arbeitslose. Statt noch einen bürokratischen Wasserkopf zu schaffen, bevorzugen wir einen Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Demnach sollen Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe künftig ergänzende Hilfe zum Lebens- unterhalt in einem vereinfachten Verfahren direkt über die Arbeitsämter erhalten. Für jeden Leistungsempfänger, für jede Leistungsempfängerinnen und -empfänger die mate- riellen und persönlichen Hilfen aus einer Hand zu ge- währen – das ist unser Ziel und das steht auch in unserem Antrag. Diese Koalition macht es sich nicht so einfach wie die Opposition. Deshalb werden wir auch – bis zum Ende der Übergangsregelung im Jahr 2005 – sehr sorgfältig aus- werten, welche Modelle und Reformansätze verwirklicht werden können und welche nicht. Es macht dabei durch- aus Sinn, ohne einen großen und sehr komplexen Sys- temwechsel einzelne Personengruppen aus der Sozialhilfe herauszunehmen – zumal dann, wenn sie dem Arbeits- markt nicht zur Verfügung stehen. Bei älteren Menschen habe wir das im Rahmen der Rentenreform gemacht. Die- sen Ansatz wollen wir weiter verfolgen; auch das steht in unserem Antrag. Besonders freut es mich, dass der Antrag sogar noch konkreter wird: Wir wollen diesen Ansatz auf weitere Per- sonengruppen ausdehnen und wir wollen insbesondere die eigenständige Existenzsicherung von Kindern und Ju- gendlichen so verbessern, dass sie und ihre Familien von Sozialhilfe unabhängig sind. Das ist natürlich auch ein Hinweis auf die grüne Kindergrundsicherung, die von vielen Wissenschaftlern, Fach- und Sozialverbänden große Unterstützung erfährt, nicht zuletzt weil die Kin- dergrundsicherung die offene und verdeckte Armut effek- tiv bekämpft, weil sie auch Menschen in prekären Ein- kommensverhältnissen oberhalb der Armutsschwelle unterstützt und weil sie problemlos finanzierbar ist. Die Kindergrundsicherung ist jetzt, mit diesem Antrag, erst- mals offiziell Gegenstand der Beratungen in der Koali- tion. Sie ist eines von vielen praxisorientierten Elemen- ten, die wir im Rahmen der Sozialhilfereform offen verhandeln werden. Dies alles zeigt: Diese Koalition macht keine Schnell- schüsse, sie schiebt aber auch nichts auf die lange Bank. Sie arbeitet konzentriert und lösungsorientiert. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie an und han- delt!“ Der erste Halbsatz dieses Zitates von Dante gilt für die rot-grüne Koalition, der zweite für die FDP. Die rot- grüne Koalition legt einen Entschließungsantrag vor, in dem sie bestimmte Maßnahmen für einen Zeitpunkt in ferner Zukunft fordert, von dem noch gar nicht abzusehen ist, ob sie dann überhaupt noch im Amt ist. Warum einen Entschließungsantrag mit Handlungshorizont 2003, ob- wohl Sie doch jetzt, 2001, handeln könnten? Über die in dem Antrag angestellten Überlegungen für eine Neukon- zeption der Regelsätze sowie einer Pauschalierung von Leistungen kann man ernsthaft nachdenken. Warum wol- len Sie also warten? Offensichtlich fehlt Ihnen der Mut. An die wirklichen strukturellen Reformen trauen Sie sich doch selbst in einem Antrag für das Jahr 2003 nicht heran. Sie bleiben bei der stärkeren Koordinierung zwischen den Arbeits- und Sozialämtern im Nebel, statt substanzielle Vorschläge für die Lösung dieser seit langem bestehenden und von allen Seiten monierten „Verschiebebahnhöfe“ zwischen den Arbeitsämtern und den Kommunen zu erar- beiten. Dies alles ist umso erstaunlicher, als offensichtlich selbst die SPD-regierten Bundesländer schon deutlich weiter sind als die Bundesregierung und etwa über eine Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach- denken. Nein, dieser Entschließungsantrag ist schlicht Ausdruck mangelnder Entschlossenheit, bereits jetzt eine grundlegende Reform der Sozialhilfe anpacken zu wol- len. Dies ist ein weiteres, trauriges Beispiel für die bishe- rigen Unterlassungen der Bundesregierung in der Ar- beitsmarkt- und Sozialpolitik. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119616 (C) (D) (A) (B) Wir wollen – zweiter Halbsatz des Zitates –, dass die Dinge angepackt werden. Deswegen haben wir unsere wesentlichen Vorstellungen für eine Reform längst vorge- legt – wir, die FDP, haben die Probleme etwas früher als die Bundesregierung erkannt –: Wir haben bereits im Mai und im September dieses Jahres insgesamt drei Anträge für eine beschäftigungsorientierte und aktivierende So- zialhilfereform eingebracht. Der Ansatz der FDP: Sozial- hilfe muss so ausgestaltet werden, dass sie einerseits den tatsächlich Bedürftigen ein Leben in Würde ermöglicht, andererseits aber zugleich die Selbstständigkeit aller Hilfeempfänger stärkt und den Leistungsmissbrauch ver- meiden hilft. Es darf nicht sein, dass die subsidiäre Hilfe- gewährung eine „Kultur der Unselbstständigkeit“ hervor- bringt. Entgegen allen Behauptungen gibt es auch genügend Arbeitsplätze: Insgesamt werden rund 1,5 Mil- lionen offene Stellen angeboten, von denen etwa nur ein Drittel den Arbeitsämtern gemeldet sind. Die Statistik der Bundesanstalt zeigt, dass von den gemeldeten offenen Stellen knapp die Hälfte für Nichtfacharbeiter und Ange- stellte mit einfachen Tätigkeiten ausgeschrieben waren. Rechnet man die Zahlen hoch, wurden im Jahr 2000 mehr als 750 000 geringer qualifizierte Arbeitskräfte gesucht. Darüber hinaus besteht ein enormes, bislang ungenutztes Beschäftigungspotenzial auch und gerade für gering oder niedrig Qualifizierte im Bereich der personen- und haus- haltsbezogenen Dienstleistungen. Daher schlagen wir für eine echte Strukturreform vor: Erstens. Von rund 2,7 Millionen Sozialhilfeempfän- gern sind etwa 800 000 Menschen grundsätzlich arbeits- fähig. Warum lohnt es sich für viele dieser rund 800 000 arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger nicht, eine Arbeit anzunehmen? Gerade bei niedrigem Einkommen ist der Lohnabstand zu gering. So liegt das Transfereinkommen einer Sozialhilfefamilie mit 2 940 DM lediglich 260 DM über dem durchschnittlich verfügbaren Monatseinkom- men – also nicht einmal der unteren Lohn- und Gehalts- gruppe – eines Alleinverdieners mit zwei Kindern ein- schließlich Kindergeld von 3 200 DM. Hinzu kommt: Ein arbeitswilliger Sozialhilfeempfänger kann höchstens 275 DM mehr im Monat verdienen, wenn er arbeitet, als wenn er nichts tut. Jeder Zuverdienst darüber hinaus wird ihm zu 100 Prozent, also voll, auf die Sozialhilfe ange- rechnet. Daher fordert die FDP: Die Anreize in der So- zialhilfe, wieder in das Erwerbsleben zurückzukehren, müssen gestärkt werden. Die Freibeträge in der Sozial- hilfe sind zu erhöhen – finanziert über eine Reform des Finanzausgleichs – und die Anrechnungssätze müssen langsamer ansteigen. Diese Maßnahmen sind temporär einzuräumen, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer dis- kriminiert werden, die auch ohne Sozialhilfe bereit sind zu arbeiten. Schließlich muss der Eingangssteuersatz be- reits 2002 auf 15 Prozent gesenkt werden. Hierfür haben wir einen ausführlichen Antrag vorgelegt, und zwar auf der Bundestagsdrucksache 14/5982 vom 9. Mai 2001. Da- rüber hinaus sollte über rechtliche Voraussetzungen nach- gedacht werden, um neu zu schaffende und zu fördernde Arbeitsplätze außerhalb des derzeit gültigen Tarifsystems zu ermöglichen. Zweitens. Es gibt keine überzeugende Begründung dafür, warum es in Deutschland mehrere steuerfinanzierte Fürsorgeleistungen für einen Sachverhalt, nämlich den der Arbeitslosigkeit, gibt. Während die Sozialämter So- zialhilfe in Höhe von rund 40 Milliarden DM leisten, zahlt der Bund Arbeitslosenhilfe in Höhe von rund 25 Milliar- den DM. Alleine die Verwaltung beider Sozialleistungen verbraucht jährlich rund 7 Milliarden DM. Die FDP for- dert daher, die Arbeitslosenhilfe vollständig mit der So- zialhilfe zu einem System mit einer Leistung, mit klaren Zuständigkeiten, eingleisigen Verfahren und schlankerer Verwaltung zusammenzufassen. Gleichzeitig muss mit dieser Reform ein dauerhafter föderaler Finanzausgleich erfolgen. Die durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe so- wie weiterer Personalkosten ersparten Leistungen muss der Bund den Kommunen einen – je nach ihren Aufwen- dungen – jährlich im Voraus festgelegten Betrag geben, sodass ein Budgetsystem mit dem Anreiz zum sparsamen Haushalten geschaffen wird. Auch hierfür haben wir ei- nen ausführlichen Antrag vorgelegt, Bundestagsdrucksa- che 14/5983 vom 9. Mai 2001. Drittens muss das Gerechtigkeitsprinzip: „Keine Leis- tung ohne grundsätzliche Bereitschaft zur Gegenleistung“ deutlicher zur Geltung gebracht werden. Bereits nach gel- tendem Recht kann dem Sozialhilfeempfänger der Leis- tungsanspruch um 25 Prozent gekürzt werden, wenn er eine zumutbare Arbeit nicht annimmt bzw. sein Anspruch kann bei weiteren Verstößen auch ganz entfallen, §§ 18 bis 20, 25 BSHG. In der Praxis erwiesen sich diese Sank- tionsmechanismen allerdings bislang als wenig effektiv und als sehr aufwendig, diese auch gerichtsfest zu gestal- ten. Zur Feststellung der Sachlage bedarf es im Einzelfall erheblichen Prüfungsaufwand. Die Ämter machen daher von der Durchführung der vorhandenen Sanktionsmög- lichkeiten nur zurückhaltend Gebrauch. Zum „Fördern und Fordern“ ist dem rot-grünen Entschließungsantrag trotz des gleichnamigen Titels nur wenig Präzises zu entnehmen. Dagegen fordert die FDP: Eine grundlegende Sozialhilfereform muss helfen, Streuverluste und Leistungsmissbrauch in unserem Sozi- alstaat möglichst gering zu halten; denn die Schwarzar- beit steigt dramatisch. Eine solche Reform muss darauf hinwirken, die Eigenverantwortung und das Solidaritäts- prinzip, welches im Kern ein Gegenseitigkeitsprinzip ist, zu stärken. Die vorhandenen Sanktionsmechanismen müssen daher in Zukunft straffer und stärker angewandt werden. Während bisher die Beweislast, dass ein Sozial- hilfeempfänger entgegen seiner Behauptung arbeitsfähig ist, nach der Rechtsprechung beim Sozialamt liegt, muss hier gelten: Es muss der Sozialhilfeempfänger darlegen, dass er nicht selber seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, wenn und weil er vom Staat und damit vom Steuerzahler Hilfe will. Nur bei einem solchen Nachweis eigener Bemühungen zur Aufnahme von Arbeit besteht der Anspruch auf das so genannte sozio-kulturelle Exis- tenzminimum, also die Leistungen, die über das materi- elle Existenzminimum hinaus für die Eingliederung des Bedürftigen in die Gesellschaft erforderlich sind. An- sonsten erfolgt eine Kürzung auf das materielle Exis- tenzminimum, also den die Existenz sichernden Leistun- gen wie Ernährung, Unterkunft, Kleidung und Hausrat – § 12 BHSG, Bundestagsdrucksache 14/6951 vom 25. Sep- tember 2001. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19617 (C) (D) (A) (B) Pia Maier (PDS): Ein halbes Jahr nach Erscheinen des Armuts- und Reichtumsberichtes legt die Bundesregie- rung heute ein BSHG-Änderungsgesetz vor. Jetzt – nach- dem die Bundesregierung im Armutsbericht festgestellt hat, dass Menschen, die von Sozialhilfe leben, arm sind. Jetzt – nachdem die Regierungskoalition in der Debatte des Armuts- und Reichtumsberichtes selbstverständlich angekündigt hat, Konsequenzen daraus zu ziehen. Aber Sie ziehen keine Konsequenzen gegen Armut. Sie passen die Regelsätze auf einem Niveau an, das unter der Preissteigerung liegt. Und das passiert den So- zialhilfeberechtigten nicht zum ersten Mal. Seit der Wa- renkorb vom Statistikmodell abgelöst wurde, stehen An- passungen aus, die der jeweiligen Veränderung der Lebenshaltungskosten nachkämen. Die Regelsätze sind in den letzten Jahren zwar gestiegen, aber was sich die Leute leisten können, ist immer weniger geworden. Dieser Ef- fekt steigert sich in den Städten, in denen im Rahmen von Modellversuchen die Leistungen pauschaliert ausgezahlt werden. Mit den Pauschalen anstelle von einmaligen und jeweils einzeln zu beantragenden Leistungen ist für die Betroffenen mehr persönliche Freiheit erreicht worden. Wenn das Geld aber deutlich zu wenig ist, nutzt die ganze Freiheit nichts. Die Erfahrung zum Beispiel in Kassel ist, dass mit den pauschalierten Leistungen die gestiegenen Lebenshaltungskosten ausgeglichen werden, es dann für die größeren Anschaffungen aber nicht mehr reicht. Da- hinter steckt kein Missmanagement, sondern eine schlichte Notlage. Hier leben Menschen in Armut und müssen das auch immer deutlicher zeigen, wenn sie für uns so normale Anschaffungen wie einen Wintermantel nicht mehr erledigen können. Die PDS-Fraktion fordert angesichts des hier vorge- legten BSHG-Änderungsgesetzes von der Bundesregie- rung endlich eine grundlegende Reform der Sozialhilfe. Dazu gehört vor allem ein Verfahren, das die Regelsätze kontinuierlich und automatisch den steigenden Lebens- haltungskosten anpasst und in angemessenem Abstand überprüft, ob die Grundlage der Berechnung noch stimmt – ob also das definierte Existenzminimum für ein Leben in Würde noch der Lebensrealität entspricht. Diese Anpassung haben viele Menschen von Ihnen erwartet und sind bislang reichlich enttäuscht worden – Sie glichen die Regelsätze zu gering an und verschieben die Reform auf nach der Wahl – wohl um einen Zeitpunkt zu finden, an dem tiefe Einschnitte bei den Leistungen für Sie keine Wahlverluste mit sich bringen. Wir führen die Debatte um die Regelsatzanpassung und die Fortsetzung der Modellversuche in Kenntnis der Debatte um die Zusammenführung von Arbeits- losenhilfe und Sozialhilfe. Die FDP preschte hier mit Vorschlägen voran, die Arbeitslosenhilfe abschaffen zu wollen. Nach dem Arbeitslosengeldbezug fielen Arbeitslose dann in die Sozialhilfebedürftigkeit, hät- ten dadurch schlechtere Bedingungen bei der An- rechnung von Vermögen und Partnereinkommen, hät- ten härtere Bedingungen, welche Arbeiten und Stellen als zumutbar gelten, und keinen Qualifikati- onsschutz mehr. Diesen Weg der Kommunalisierung von Arbeitslosigkeit gehen wir nicht mit. Arbeitslo- sigkeit ist ein gesellschaftliches Problem, kein individuelles, deswegen ist die Sozialhilfe, die in indi- viduellen Notlagen greifen soll, hierbei die falsche Hilfe. Die PDS-Fraktion schlägt dagegen vor, dass die Ar- beitsämter für Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeemp- fängerinnen geöffnet werden, denn häufiger Grund für den Sozialhilfebezug im arbeitsfähigen Alter ist die Ar- beitslosigkeit. Hier geht es zugegebenermaßen nicht um Massen: Von den rund 2,7 Millionen Menschen, die So- zialhilfe beziehen, benötigen nur rund 800 000 diese Möglichkeit, in Arbeit zu kommen, weil die anderen zu jung, zu alt, krank oder behindert sind und deswegen auf Sozialhilfe angewiesen sind. Zudem schlagen wir aber vor, dass eine Grundsicherung in die Arbeitslosenversi- cherung eingebaut wird, denn Arbeitslosigkeit soll nicht in ein Leben in Armut führen. Lohnersatzleistungen sol- len deswegen bei Bedarf auf die Grundsicherung in Höhe der Summe aller Sozialhilfeleistungen für einen Haus- haltsvorstand von Amts wegen gehoben werden. So wie in der Rentenversicherung sollen alle, die ohnehin Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe hätten, ohne weite- re Amtsgänge diese Summe auch erhalten. Solche Vorschläge sind Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht, nicht ihre kleinstmögliche Anpassung des BSHG. Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Arbeit- und Sozialordnung: Vor 40 Jahren brachte der Deutsche Bundestag das BSHG auf den Weg. Damals – in Zeiten einer boomenden Wirtschaft – gingen viele Abgeordnete davon aus, dass zum Beispiel die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ für einen schwindenden Personenkreis bestimmt sei. Diese Leistung war auch nur für Menschen in extremen Notlagen und für kurze Zeit ge- dacht. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich leider anders entwickelt als das unsere Vorgänger dachten. Heute ist die Sozialhilfe in vielen Kommunen keine individuelle Hilfeleistung mehr sondern eine stei- gende Zahl von „Fällen“. Allein zwischen 1980 und 1997 hat sich die Zahl der Menschen, die Hilfe zum Leben- sunterhalt beziehen, verdreifacht. Die Gründe sind unter anderem: Arbeitslosigkeit, geringes Einkommen, verän- derte Familienstrukturen, Überschuldung. Die Sozial- hilfe muss heute Herausforderungen bewältigen, für die sie nie konzipiert wurde. Deshalb hat bereits die Vorgän- gerregierung begonnen, das BSHG zu reformieren. In- zwischen haben wir die Hilfe zur Pflege, die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, die Eingliederungshilfe für Behinderte und die Krankenhilfe modernisiert. Jetzt ist die Zeit reif, um auch die Hilfe zum Lebens- unterhalt neu zu ordnen. Einen ersten Schritt haben wir bereits gemacht, als wir die Grundsicherung für ältere und dauerhaft erwerbsgeminderte Menschen eingeführt ha- ben. Denn: Die Sozialhilfe ist von ihrem Charakter her eine Hilfe zur Selbsthilfe. In die Sozialhilfe gehört aber nur, wer sich in absehbarer Zeit auch aus seiner Notlage befreien kann. Erfreulicherweise gab es im letzten Jahr 230 000 Sozialhilfeempfänger weniger als 1997. Diesen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119618 (C) (D) (A) (B) Rückgang verdanken wir auch dem Sofortprogramm ge- gen Jugendarbeitslosigkeit, der steuerlichen Entlastung von Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Trotzdem müssen wir die Sozialhilfe weiterentwickeln. Wenn im vorliegenden Entschließungsantrag insbe- sondere eine Reform der Hilfe zum Lebensunterhalt ge- fordert wird, dann hat die Bundesregierung ein Ziel: Wir wollen mehr individuelle Unterstützung für bedürftige Menschen, damit sie aus eigener Kraft ihre Notlage über- winden. Wir wollen das Prinzip des Förderns und For- derns auch in der Sozialhilfe verankern. Nur so werden wir Menschen helfen, schwierige Lebensphasen zu meis- tern oder gar zu vermeiden. Bei einer Sozialhilfereform wollen wir folgende Eck- punkte besonders berücksichtigen: Wir stärken die Hilfe zur Selbsthilfe, wenn wir die aktivierenden Instrumente der Sozialhilfe verbessern. Wir brauchen eine Förder- kette, die einen individuellen Hilfeplan umsetzt. Dazu gehört selbstverständlich auch Hilfe zur Arbeit und Qua- lifikation. Wenn wir so fördern, können wir Sozialhilfe- empfänger auch stärker fordern. Das kann auch finanzi- elle Sanktionen beinhalten. Hilfeempfänger sollen mehr Verantwortung überneh- men: Die Abgrenzung der laufenden und einmaligen Leis- tungen sind neu zu regeln. Leistungen sollen, wenn mög- lich, pauschaliert werden. Es gibt schon zu viele Gerichtsurteile darüber, ob zum Beispiel eine Schultüte für ABC-Schützen von der Sozialhilfe bezahlt werden muss oder nicht. Damit wollen wir auch die kommunalen Verwaltungen entlasten und modernisieren. Wenn die Mitarbeiter der Sozialämter ständige Einzelleistungen prüfen müssen, bleibt ihnen zu wenig Zeit für ein indivi- duelles Problemmanagement. Mit dem Modellvorhaben zur Verbesserung der Zu- sammenarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozial- hilfe wollen wir Wege in den ersten Arbeitsmarkt ebnen. Ergebnisse aus diesem Modellversuch liegen aber erst 2003 vor. Ähnlich verhält es sich mit Aktivitäten von Län- dern und Kommunen, die die Pauschalierung von Leis- tungen, Hilfe zur Arbeit oder so genannte Sozialagenturen betreffen. Sie alle kennen die sozialen Probleme in Ihren Wahl- kreisen. Aber neben persönlichen Erfahrungen brauchen wir die Ergebnisse der Modellversuche, um unsere Ent- scheidungen aufgrund verlässlicher Daten zu treffen. Weiter ist es notwendig, eine Reform der Sozialhilfe mit den Ländern und Kommunen gut abzustimmen. Deshalb müssen wir die Übergangsregelungen im Bundessozial- hilfegesetz jetzt verlängern. Die Reform der Sozialhilfe hat in einigen besonders engagierten Sozialämtern bereits begonnen. Sie wird in der kommenden Legislaturperiode durch die erforderli- chen gesetzlichen Regelungen fortgesetzt. Wir haben klare Ziele. Wir sind zum Handeln fest entschlossen. Aber wir wollen die Ergebnisse aus den laufenden Modellver- suchen abwarten, damit wir ein wirklich zukunftsfähiges Konzept auf den Weg bringen. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Arbeitsplatzabbau bei Förderung von Produktionsverlagerungen ausschließen (Tagesordnungspunkt 32) Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD): Neulich bin ich in meinem Wahlkreis gefragt worden, wie ich zur PDS stehe, ob ich mir eine Koalition mit der PDS auf Bundes- ebene vorstellen könnte. Ich habe diese Frage mit einem klaren Nein beantwortet und meine Position ausführlich begründet. Ich hätte mir viel Zeit und Mühe sparen kön- nen, wenn ich in diesem Moment an ihren „Zwieback-An- trag“ gedacht hätte. Dieser Antrag ist die beste Begrün- dung für meine Meinung. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, können sie mir sagen, was Sie mit diesem Antrag verfolgen? Zuerst stellen sie eines der erfolgreichsten Instrumente des Aufbau Ost infrage. Man kann doch nicht anhand von Einzelfällen, bei denen es in Unternehmen eventuell – das kann ich von hier aus nicht prüfen – zu Mitnahmeeffekten gekommen ist, die ganze GA-Förderung umkrempeln. Ich möchte Sie auf ein paar Tatsachen hinweisen, um Ihnen die Ziele und Ergebnisse der Gemeinschaftsauf- gabe vor Augen zu führen: Im Bundeshaushalt stehen dieses Jahr für die Gemeinschaftsaufgabe in den neuen Bundesländern und Berlin, Mittel in Höhe von fast 2 Mil- liarden DM sowie Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 1,5 Milliarden DM, zur Verfügung. Die Förderergeb- nisse zeigen, dass es sich dabei auch eindeutig um ein er- folgreiches Instrument der Bundesregierung handelt. Insgesamt wurden in den Jahren 1991 bis 2000 über 59 000 Fälle unterstützt. Das gesamte Investitionsvolu- men betrug mehr als 287 Milliarden DM. Mit diesem Geld wurden mehr als 1 Million Arbeitsplätze dauerhaft gesichert und über 810 000 zusätzliche Arbeitsplätze ge- schaffen. Ich möchte betonen: zusätzliche Arbeitsplätze. Das zeigt ganz klar, das es sich bei den GA geförderten Unternehmen im Normalfall um betriebliche Erweiterun- gen handelt, weil die bestehenden Produktionskapazitäten nicht mehr ausreichen. In dem von der PDS zitierten Fall handelt es sich um eine Betriebsverlagerung unter Abbau von Arbeitsplätzen; das ist für diesen Einzelfall richtig. Dies ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine sehr harte Tatsache, die sie zu verkraften haben. Aber was Sie zu erwähnen vergessen haben, Herr Jüttemann, ist, dass die Firma Brandt, wäre sie an ihrem ursprünglichen Standort in Hagen geblieben, auch ihren Betrieb hätte sa- nieren müssen. Die Firma hätte auch in Hagen nicht ver- meiden können, die Zahl der Arbeitsplätze zu reduzieren. In ihrem Antrag führen sie ein weiteres Unternehmen an, dass seinen Betrieb nach Osten verlagert hat und Arbeits- kräfte eingespart hat. Dieses Unternehmen hat gar keine GA-Fördermittel erhalten. Sie beklagen in ihrem Antrag, dass ein Unternehmer seinen Betrieb von einem C-Gebiet im Westen in ein B-Fördergebiet im Osten verlagert hat. Können sie sich eigentlich vorstellen, dass es eine unternehmerische Ent- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19619 (C) (D) (A) (B) scheidung war, den Betrieb nicht „um die Ecke“ im För- dergebiet C umzusiedeln, sondern in einem, was die För- derbeträge angeht, weniger lukrativen Gebiet zu etablie- ren? Da muss doch der Unternehmer seine Gründe im Sinne des Unternehmens gehabt haben. Sie kritisieren in einer Ihrer Reden zu dem Thema, dass in den neu entstandenen Betrieben im Osten Arbeitslose mit Lohnzuschüssen eingestellt wurden. Das müssen sie einmal den arbeitslosen Menschen im Osten genauer er- klären! Ich bezweifle stark, dass sie sie verstehen werden. In einem Punkt bin ich mit Ihnen einer Meinung: Die Ar- beitsbedingungen, die zum Teil in ostdeutschen Firmen angeboten werden, sind so schlecht, dass sie keinem Ar- beitnehmer zugemutet werden können. Ein Beispiel hierzu habe ich erst vor zwei Tagen wieder in der „Chemnitzer Morgenpost“ gelesen. Dort wurde einem studierten Multimediadesigner eine 45- bis 50-Stunden-Woche bei 18 Tagen Jahresurlaub für 2 450 DM Monatsgehalt angeboten. Solche Dumping- löhne darf es nicht geben, sie müssen verboten werden. Aber dies ist Sache der Tarifparteien. Die Tarifparteien besitzen Tarifautonomie und ich erkläre Ihnen gerne, was das ist. Die Tarifautonomie beruht auf dem Grundgesetz und dem Tarifvertragsgesetz von 1953. In Ostdeutschland gel- ten die Autonomieregeln seit 1990. Sie besagen, dass al- lein die Tarifpartner, das sind die Arbeitgeber, Arbeitge- berverbände und die Gewerkschaften, Arbeitsverhältnisse regeln. Kommt es zu einem Konflikt, wird dieser in einem Arbeitskampf ausgetragen und zwar ohne die Einmi- schung des Staates oder der Politik. Es ist nicht akzepta- bel, wenn in einem Betrieb die Wahl oder die Arbeit von Betriebsräten eingeschränkt oder behindert wird; das ist weder in ihrem noch in meinem Sinne. Es gibt auch gesetzliche Regelungen: Nach §111 des Betriebsverfassungsgesetzes wird gewährleistet, dass ein Unternehmen, welches einen Betriebsrat besitzt, die- sen auch nach einer Verlagerung des Standortes zulassen muss. Hat in diesem Betrieb vor dem Standortwechsel kein Betriebsrat existiert, ist es Sache des Unternehmers und der potentiellen Arbeitnehmer in den individuell ab- geschlossenen Arbeitsverträgen, Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Bei Erfüllung der festgeschriebenen Bedin- gungen kann dann in dem neuen Betrieb ebenfalls ein Betriebsrat gewählt werden und seine Arbeit aufneh- men. Gerade um das zu erleichtern, haben wir entsprechende Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes beschlos- sen. Im Fall Brandt handelt es sich um ein Unternehmen mit etwa 150 Beschäftigten. Das heißt, die Arbeitnehmer, ob nach altem oder neuem Recht, haben das Recht, einen Betriebsrat zu wählen und ihre Rechte gegenüber der Un- ternehmensleitung zu vertreten. Eines wundert mich sehr, Herr Kollege Jüttemann, sie waren doch selbst Mitglied eines Betriebsrates. Sollte es ihnen trotzdem in den 11 Jahren nach der Wende noch nicht aufgefallen sein, dass die Fragen wie Tarifentlohnung und Urlaubstage in die Hände der Gewerkschaft gehören und nicht in die Hände der Regierung? Ich denke, die PDS hat mit ihrem Antrag bewiesen, dass sie sich eine Regierung wünscht, die Unternehmen dirigiert und kontrolliert. Es geht aber in Deutschland nicht an, dass eine Standortverlagerung nach Ostdeutsch- land, die dort Arbeitsplätze schafft und die außerdem aus betriebswirtschaftlichen Gründen nötig gewesen ist, um am Markt bestehen zu können, verboten, rückgängig ge- macht oder bestraft wird. Wenn ein Unternehmen seinen Betrieb verlagert, kann man davon ausgehen, das es da- rum geht, in unserer globalisierten Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört auch, dass ein Unternehmen prüft, ob es seinen Betrieb aus wirtschaftli- chen Gründen ins Ausland verlegt. Ich möchte das ganz deutlich sagen, denn gerade mittelständische Unterneh- men können es sich immer weniger leisten, bei Neuin- vestitionen national zu denken, sie müssen alternative Standorte in anderen Ländern in ihre Entscheidung mit- einbeziehen. Deshalb gibt die GA-Förderung den Anreiz, Investiti- onsentscheidungen zugunsten eines inländischen Stand- ortes zu treffen. Betriebsverlagerungen sind mit hohen Kosten verbunden. Kein Unternehmen wird eine Verlage- rung allein deshalb vornehmen, um öffentliche Förder- mittel in Anspruch nehmen zu können. Die Höhe der För- dermittel deckt nur einen Teil der Gesamtkosten einer Verlagerung ab. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen, gibt es einen Beschluss des Bund-Länder-Planungsaus- schusses. In diesem Beschluss ist festgelegt, dass tatsächlich er- zielte Erlöse aus dem Verkauf des Betriebes und mögliche Entschädigungsbeiträge von den förderfähigen Summen abgezogen werden. Damit wird sichergestellt, dass nur die Nettokosten der Betriebsverlagerung gefördert werden. Sie möchten wohl das ganze Bund-Länder-Kompetenz- gefüge umkrempeln, meine Damen und Herren von der PDS, aber so einfach ist das nicht. Die Entscheidung über die Ansiedlung eines Betriebes ist ausschließlich Sache der betroffenen Länder. Auch die Überprüfung der Einhaltung sämtlicher Regeln fällt in die Zuständigkeit der Länder. Sie legen dieAuflagen für die je- weiligen Förderungen fest und sie führen auch die Kon- trolle über dieVerwendung nachAbschluss der Investition. Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran, dass es im Osten gelingt, eine sich selbst tragende Wirt- schaftsstruktur aufzubauen. Wir haben beachtliche Er- folge erzielt in dieser Richtung. Das verarbeitende Ge- werbe und der Dienstleistungssektor verzeichnen gute Wachstumsraten. Aber der Prozess ist noch nicht abge- schlossen. Ohne Investitionshilfen wären viele Betriebe nicht in den Osten gegangen, um dort moderne Produk- tionsanlagen aufzubauen. Sie, meine Damen und Herren von der PDS, scheuen sich nicht, Gräben aufzureißen zwi- schen Ost und West und das alles, weil sie auf ein paar Stimmen mehr im Westen hoffen. Ob sich ihr zweifelhaf- ter Einsatz in diese Richtung gelohnt hat, werden sie bei den nächsten Wahlen in Hagen merken. Ich kann nur ab- schließend sagen: Ich hoffe nicht. Ulrich Klinkert (CDU/CSU): Im zur Debatte stehen- den Antrag der PDS ist unter anderem Folgendes zu lesen: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119620 (C) (D) (A) (B) „Unternehmen sollen keine regionale Wirtschaftsförde- rung aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe mehr erhal- ten, wenn sie zum einen die Produktion in die neuen Bun- desländer verlagern, um Arbeitsplätze in Westdeutschland abzubauen, und zum anderen die Sozialstandards herab- setzen.“ Welches Problem haben wir hier? Einige wenige Un- ternehmen aus den alten Bundesländern verlagern Pro- duktionsstätten in die neuen Länder. Die ersten Jahre nach der Wende war es übrigens meist umgekehrt; da hat die PDS sich auch beschwert. Nun wirft die PDS den Unter- nehmen vor, dass sie am alten Standort Arbeitsplätze ab- bauen, in der neuen Produktionsstätte nicht mehr so viele Beschäftigte einstellen und dafür auch noch die regionale Wirtschaftsförderung in Anspruch nehmen. Ja, glaubt die PDS vielleicht, die Betriebsverlagerung würde derart ge- schehen, dass man auf jeglichen Fortschritt und auf Ra- tionalisierung verzichtet und mit uralten Technologien, die vor Jahren, manchmal Jahrzehnten modern waren, in den neuen Bundesländern Fuß fassen kann, um damit Arbeitsplätze zu retten? Dies wäre die Logik der Maschi- nenstürmer des vorvorigen Jahrhunderts. Diese Logik ist schon damals gescheitert. Wenn ein Unternehmen im globalen Wettbewerb be- stehen will, ist es darauf angewiesen, sich durch Investi- tionen in modernste Technologien Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu verschaffen. Die Frage auf den Weltmärkten ist nicht, wie viele Arbeitnehmer ein be- stimmtes Produkt zusammengeschraubt haben, sondern was das Produkt kostet und welche Qualität es hat. Diese beiden Kriterien entscheiden, ob ein Unernehmen auf den Märkten bleibt oder als Ganzes und dann mit all seinen Beschäftigten vom Markt verschwindet. Außerdem wäre es ein Leichtes – und die Entschei- dungsfreiheit hat nun einmal ein Unternehmer – den Standort in unsere östlichen Nachbarländer zu verlagern. Dies umso mehr, als die EU-Osterweiterung mit den da- mit verbundenen Erleichterungen für die Unternehmen bevorsteht und bereits jetzt umfangreiche Angebote aus dem Ausland vorliegen. Es ist unsere Aufgabe, alles zu unternehmen, damit wir den Firmen Rahmenbedingungen schaffen, die geeignet sind, sie im Land zu halten und sie darüber hinaus zu er- muntern, in Regionen zu gehen, die wirtschaftlich schwach sind. Die PDS scheint vergessen zu haben, was Sinn und Zweck der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist. Durch ihren Antrag versucht die PDS mit planeri- schen Eingriffen nicht nur die marktwirtschaftliche Ord- nung auf den Kopf zu stellen, sondern die Unternehmen davon abzuhalten, in den neuen Bundesländern zu inves- tieren. Die PDS unterstellt den Unternehmen von vornherein missbräuchliches Verhalten. Ganz zu schweigen davon, dass die PDS damit versucht, einen Keil zwischen die Annäherung Ost und West zu schlagen. Den Westen wie- gelt sie auf nach dem Motto: Wir sollen für den Aufbau Ost zusätzliche Steuern zahlen und dann nehmen die uns noch unsere Arbeitsplätze weg. Und im Osten sagt die PDS, es würde viel zu wenig für den wirtschaftlichen Auf- schwung im Osten getan. Die PDS denkt nicht daran, dass die Förderung wirt- schaftlich schwacher Regionen existenziell notwendig ist. Das Festhalten an den bestehenden Förderungen und ins- besondere an den Förderungsvoraussetzungen schafft die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, sich für einen Standort in strukturschwachen Regionen zu entscheiden, aber auch, das unternehmerische Ergebnis zu verbessern. Das ist wiederum Voraussetzung für die Schaffung des notwendigen wirtschaftlichen Wachstums. Wie dringlich dies ist, zeigen die Zahlen zur wirtschaftlichen Entwick- lung in den neuen Bundesländern. Zwischen dem ersten Halbjahr 2000 und dem ersten Halbjahr 2001 betrug das wirtschaftliche Wachstum in den neuen Ländern – 0,85 Prozent. Interessant ist es, sich die einzelnen Bun- desländer näher anzusehen. Während in den CDU-regier- ten Ländern Sachsen und Thüringen das Wachstum we- nigstens noch bei 0,7 Prozent bzw. 0,3 Prozent lag, haben die Länder, in denen die PDS regiert, es offenbar erfolg- reich geschafft, Investoren zu vergraulen; denn in Meck- lenburg-Vorpommern ging das Wirtschaftwachstum um 2,7 Prozent und in Sachsen-Anhalt um 1,8 Prozent zurück. Die PDS muss sich also hier nicht hinstellen, um uns zu sagen, wie man Wirtschaftpolitik macht. Und die SPD sollte aufpassen, mit wem sie glaubt, die Zukunft un- seres Landes gestalten zu können. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir müssen uns erneut mit den Antrag zum Ar- beitsplatzabbau bei der Förderung von Produktionsverla- gerungen beschäftigen. Nach der ersten Lesung im Plenum im Frühjahr dieses Jahres und den ausführlichen Erörterungen des Problems in den Ausschüssen kann ich beim besten Willen nicht verstehen, welcher neue Sach- stand sich heute ergeben soll. Die bisherigen Beiträge sind – wie im Kern auch meiner – eine Wiederholung. Schließ- lich ist alles schon mehrfach gesagt worden. Natürlich kann man in einer freien Marktwirtschaft, in einer liberalen Gesellschaft niemals ausschließen, dass es zum Missbrauch bei Fördermaßnahmen im Einzelfall kommt. Missbrauch konnte man übrigens auch im real existierenden Sozialismus nicht verhindern. Natürlich wird niemand in Abrede stellen, dass es bei der Förde- rung strukturschwacher Regionen in Einzelfällen Unre- gelmäßigkeiten oder Mitnahmeeffekte geben kann und gibt. Zur Verstärkung von Vorurteilen – jedenfalls kann ich mir keinen anderen Grund vorstellen – erweckt die PDS je- doch einmal wieder den Eindruck, dass es sich hierbei um den Regelfall handelt, so, als habe die Regionalförderung praktisch kein anderes Ziel, als subventioniert durch Steu- ergelder auch noch Arbeitsplätze abzubauen. Je nachdem wie es in das Belieben der PDS passt, kann man sich somit darüber beschweren, dass zu wenig Arbeitsplätze im Osten Deutschlands entstehen oder dass, wenn sie denn entste- hen, Fördermittel falsch eingesetzt worden sind. Dies alles geht von der falschen Vorstellung aus, dass Betriebsverlagerungen von West nach Ost allein deshalb vorgenommen werden, weil es dafür Fördermittel in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19621 (C) (D) (A) (B) erheblichem Umfange gibt. Angesichts der Tatsache, dass die öffentlichen Mittel immer mit einem erheblichen Eigenanteil der Unternehmen gekoppelt sind, möchte ich doch erhebliche Zweifel anmelden, dass hier ein großer Anreiz für solche Maßnahmen besteht. Außerdem ist es kaum vorstellbar, dass rentable Betriebe nichts Besseres zu tun haben, als über einen Standortwechsel nachzuden- ken. Tatsache ist: Wir haben nach wie vor unterschiedli- che Wirtschaftsstrukturen in Ost- und in Westdeutschland. Die gezielte Förderung von Standorten in den neuen Bun- desländern muss und wird daher noch für einen längeren Zeitraum nötig sein. Wenn heute Unternehmen in den al- ten Bundesländern über Betriebsverlagerungen nachden- ken, dann doch in erster Linie über Produktionsverlage- rungen ins Ausland. Wenn ein Standort in Ostdeutschland dann dank unserer Fördermittel den Vorzug erhält, wenn in den neuen Bundesländern somit Arbeitsplätze geschaf- fen werden, dann hat das einen Nachteil und zwei Vor- teile. Der Nachteil kann darin bestehen, dass auch im Westen mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, als im Osten neue geschaffen werden. Der erste Vorteil besteht darin, dass unter dem Strich nicht alle Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, der zweite und wichtigste Vorteil dann, dass diese Arbeitsplätze in Ostdeutschland geschafften werden. Worüber also beschwert sich die PDS? Sollen unren- table, unproduktive Arbeitsplätze erhalten werden? Viel- leicht auch noch mit staatlicher Hilfe wie in der DDR? Sollen sie vielleicht auch noch mit Steuergeldern subven- tioniert werden? Nein. Es mag sein, dass die PDS mit scheinbar hochmoralischer Empörung auf Stimmenfang gehen will. Aber mit solcher Polemik, mit solch billigem Populismus werden wir keine Probleme lösen, weder in Deutschland insgesamt, noch in den neuen Bundeslän- dern. Weder im Westen noch im Osten werden die Wäh- lerinnen und Wähler der PDS dauerhaft auf den Leim gehen. Jürgen Türk (FDP): Schon die Überschrift des PDS- Antrags „Arbeitsplatzabbau bei Förderung von Produkti- onsverlagerungen ausschließen“ ist nichts als blanke Po- lemik. Schließlich wird ein Betrieb nur dann verlagert, wenn er woanders effektiver und kostengünstiger produ- zieren kann. Am neuen Standort kommt modernste Tech- nik zum Einsatz. Das bedeutet in der Regel, dass weniger Arbeitskräfte als zuvor benötigt werden. Eigentlich sollte man meinen, dass sich dies mittlerweile selbst bis zur PDS herumgesprochen hat. Ihr zur Debatte stehender An- trag lässt allerdings leider anderes befürchten. Der im Antrag angesprochene Fall der Verlagerung der Brandt Zwieback GmbH vom westfälischen Hagen ins thüringische Ohrdruf findet statt, weil die Firma Brandt schon heute kaum noch wettbewerbsfähig ist. Würde sie so weiterwursteln wie bisher, wäre sie nach Aussage von Firmeninhaber Carl-Jürgen Brandt spätestens in drei Jah- ren pleite. Brandt hat also gar keine andere Alternative, als einen neuen Betrieb zu bauen und ihn mit neuester Technik auszustatten. Auch wenn er das in Hagen täte, müsste er rund die Hälfte der jetzigen Belegschaft ent- lassen. Nun zur Frage, warum Herr Brandt von Hagen nach Ohrdruf geht. Die PDS unterstellt in ihrem Antrag, dass der bestimmende Grund darin liegt, dass Thüringen für die Investition eine höhere Fördersumme gewährt als Nordrhein-Westfalen. Sie argwöhnt, das es sich um einen klassischen Fall von Subventionswettlauf handelt, der zu unterbinden sei. Auch damit ist sie schief gewickelt. Am wichtigsten ist für den Unternehmer Brandt die Tatsache, dass in Ohrd- ruf die Randbedingungen stimmen: Er bekommt eine be- reits erschlossene Gewerbefläche in der erforderlichen Größe mit einer hervorragenden verkehrstechnischen An- bindung. Genau das aber hat ihm sein Heimatort Hagen nicht bieten können. Die höhere Fördergeldsumme ist für ihn nicht mehr und nicht weniger als ein angenehmer Be- gleitfaktor der Umsiedlung. Wäre es ihm in erster Linie darum gegangen, so hätte er sich im Ausland, beispiels- weise in Tschechien oder Polen, niedergelassen, die mit konkurrenzlos günstigen Konditionen um die Firma Brandt geworben haben. Trotzdem hat sich der Unterneh- mer Brandt ganz bewusst für den Standort Deutschland entschieden. Will die PDS ihn und andere Unternehmer mit ihren unsinnigen Forderungen etwa mit Gewalt ver- graulen? Wenn wir dem überdurchschnittlich strukturschwa- chen Osten zu einem besseren Industriebesatz verhelfen wollen, dann muss auch die Förderung von Betriebs- verlagerungen an einen anderen Standort möglich sein. Damit es dabei nicht zu einem Subventionswettlauf bzw. unerwünschten Mitnahmeeffekten kommt, haben Bund und Länder Hürden eingebaut, die dies verhin- dern. So werden Verlagerungsinvestitionen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze nur im Einverneh- men zwischen den betroffenen Ländern gefördert. Außerdem dürfen die Investitionszuschüsse niemals die Höhe der Mittel überschreiten, die das betroffene Un- ternehmen selbst einsetzen muss. Da eine Verlagerung immer mit höheren Kosten verbunden ist als ein Ver- bleib am alten Standort, wird kein Unternehmer ohne Not umsiedeln. All das dürfte der PDS nicht unbekannt sein. Trotzdem hat sie diesen Antrag gestellt. Das ist schlicht nicht nach- vollziehbar. Man kann deshalb aus meiner Sicht nur eines tun: Den Antrag ablehnen. Anlage 13 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 768. Sitzung am 19. Okto- ber 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zu den Änderungen von 1995 und 1998 des Basler Übereinkommens vom 22. März 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Überbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Gesetz zu Änderungen des Basler Übereinkommens) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119622 (C) (D) (A) (B) – Gesetz zu dem Abkommen vom 11. Oktober 1999 über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – Unterrichtung durch die Bundesregierung Verkehrsbericht 2000 Integrierte Verkehrspolitik: Unser Konzept für eine mo- bile Zukunft – Drucksache 14/4688 (neu) – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Straßenbaubericht 2000 – Drucksache 14/5064 – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europä- ischen Parlaments 2000 – Drucksachen 14/5221 (neu) – Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Interpar- lamentarischen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 104. Interparlamentarische Konferenz vom 15. Oktober bis 21. Oktober 2000 in Jarkarta/Indonesien – Drucksachen 14/6046, 14/6391 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der OSZE über die Neunte Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 6. bis 10. Juli 2000 in Bu- karest – Drucksache 14/6108, 14/6391 Nr. 2 – Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Fünfter Bericht des Arbeitsstabes Europäische Wirt- schafts- und Währungsunion des Bundesministeriums der Finanzen und der Bundesministerien (AS WWU) vom 20. Juni 20001 Einführung des Euro in die Gesetzgebung und öffentli- cher Verwaltung – Drucksachen 14/6722, 14/6907 Nr. 1.3 – Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Dreizehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 1998/1999 – Drucksachen 14/4002, 14/4003 (neu) (Anlagenband), 14/6282, 14/4440 Nr. 1.1 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Nationales Klimaschutzprogramm Fünfter Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe „CO2-Reduktion“ – Drucksachen 14/4729 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 683 06 – Zuweisungen nach dem Gesetz über die Verwen- dung von Gasöl durch Betriebe der Landwirtschaft (LwGVG) – – Drucksachen 14/6427, 14/6502 Nr. 2 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 683 15 (Abwicklung des Sondervermögens „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes“ – Drucksachen 14/6622, 14/6907 Nr. 1.7 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 09 02 Titel 683 50 – Beteiligung am Innovationsrisiko von Technologieun- ternehmen – – Drucksachen 14/6862, 14/6907 Nr. 1.9 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 14 03 Titelgrup- pe 08 – Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen – humanitären und sonstigen – Ein- sätzen – Drucksachen 14/6868, 14/6907 Nr. 1.10 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 03 Titel 632 01 – Zahlungen nach dem strafrechtlichen Rehabilitie- rungsgesetz – Drucksachen 14/6760, 14/6907 Nr. 1.8 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Ka- pitel 06 01 Titel 518 01 – Mieten und Pachten – – Drucksachen 14/6924, 14/6995 Nr. 3 – Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 5. November 2001 mitgeteilt, dass sie folgende Anträge zurückgezogen hat: – Zwangspfand auf Weinflaschen verhindern (Drucksache 14/4935) – RUGMARK stärken und eigenhändig erhalten (Drucksache 14/5553) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass derAusschuss die nachstehenden EU-Vorlagen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001 19623 (C) (D) (A) (B) bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgese- hen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/6395 Nr. 2.18 Finanzausschuss Drucksache 14/6508 Nr. 1.2 Drucksache 14/6508 Nr. 2.5 Drucksache 14/6508 Nr. 2.18 Drucksache 14/6508 Nr. 2.38 Drucksache 14/6615 Nr. 1.6 Drucksache 14/6908 Nr. 2.15 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/6508 Nr. 2.8 Drucksache 14/6508 Nr. 2.16 Drucksache 14/6508 Nr. 2.27 Drucksache 14/6615 Nr. 2.10 Drucksache 14/7129 Nr. 2.8 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/5114 Nr. 1.1 Drucksache 14/6615 Nr. 1.1 Drucksache 14/6615 Nr. 1.2 Drucksache 14/6615 Nr. 1.3 Drucksache 14/6615 Nr. 1.4 Drucksache 14/6615 Nr. 1.5 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/6615 Nr. 2.1 Drucksache 14/6615 Nr. 2.4 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/6508 Nr. 2.20 Drucksache 14/6615 Nr. 2.13 Drucksache 14/6908 Nr. 1.1 Drucksache 14/6908 Nr. 1.2 Drucksache 14/6908 Nr. 2.7 Drucksache 14/7000 Nr. 2.14 Drucksache 14/7000 Nr. 2.19 Drucksache 14/7129 Nr. 2.4 Drucksache 14/7129 Nr. 2.5 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/6214 Nr. 1.3 Drucksache 14/6395 Nr. 2.20 Drucksache 14/6395 Nr. 2.21 Drucksache 14/6508 Nr. 2.2 Drucksache 14/6508 Nr. 2.7 Drucksache 14/6615 Nr. 2.7 Drucksache 14/7000 Nr. 1.14 Drucksache 14/7000 Nr. 1.18 Drucksache 14/7000 Nr. 1.23 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 200119624 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Enders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine lieben
    Kolleginnen und Kollegen! Es passt ja richtig gut, dass
    jetzt nach Herrn Minister Frankenberg ein Innenpolitiker
    spricht. Ich möchte mich deshalb ganz auf die
    beamtenrechtlichen Aspekte konzentrieren. Es ist in der
    Tat so, dass heute schon Professoren als Angestellte be-
    schäftigt werden können. Es liegt ja nun an den Ländern,
    von welcher Möglichkeit sie Gebrauch machen. Wir sind
    uns natürlich darüber im Klaren, dass dieses Gesetz zu-
    stimmungsbedürftig ist; deshalb kann man nicht an den
    Wünschen der Länder vorbei ein Gesetz machen. Wenn
    viele Länder dies nun einmal wünschen, dann müssen wir
    schauen, ob diese Wünsche ins System passen und umge-
    setzt werden können.

    Lassen Sie mich vor allen Dingen auf zwei strittige
    Sachverhalte eingehen, die Sie angeführt haben, erstens
    auf das Thema der Grundbezüge: In die Beschlussvor-
    lage, wie sie Ihnen jetzt vorliegt, sind die Besoldungser-
    höhungen aus den letzten zwei Tarifrunden eingearbeitet
    worden. Wir müssen also von höheren Beträgen ausge-
    hen. Wenn Sie dann einen Vergleich anstellen, stellen Sie
    fest, dass diese Verdienstmöglichkeit durchaus der eines
    C-3-Professors in der sechsten Besoldungsdienstalters-
    stufe entspricht. Ganz so schlecht ist das also nicht. Hier
    setzt natürlich dann die Auseinandersetzung darüber an,
    was Grundbezüge bzw. Mindestbezüge sind. Natürlich
    können bei einer Berufung schon Zulagen vereinbart wer-
    den. Insoweit kommt man da zu vernünftigen Ergeb-
    nissen.

    Die zweite Bemerkung zum Thema der Ruhegehalt-
    fähigkeit: Die 40 Prozent sind ja nicht aus dem hohlen
    Bauch gegriffen worden. Wenn Sie sich die Struktur der
    bisherigen Bezüge ansehen, stellen Sie fest, dass die Dif-
    ferenz in der Tat bei den Leistungszulagen liegt, wir uns
    also von der Ruhegehaltsfähigkeit der Bezüge wieder den
    alten Besoldungsstrukturen annähern. Auch insoweit ist
    dieses Gesetz ganz in Ordnung.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Lassen Sie mich noch etwas Grundsätzliches zum
    Thema der Leistungsbezüge sagen. Ich finde es in Ord-
    nung und sehe auch keinen Widerspruch zum Art. 5 des
    Grundgesetzes, in dem es um Freiheit von Wissenschaft
    und Forschung geht, darin, dass Evaluation durchgeführt
    wird und Wissenschaftler, die im Bereich der Forschung
    tätig sind, bewertet werden. Bei der Ausgestaltung der
    Leistungsbezüge und der Festlegung des Verfahrens sind
    ja sowieso die Länder gefordert. Im Übrigen weise ich da-
    rauf hin, dass wir anders als in der Dienstrechtsreform von
    1997 diesmal eine Verfallsklausel eingeführt haben. Bis
    zum 31. Dezember 2004 muss das unbedingt von den

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001

    Minister Dr. Peter Frankenberg (Baden-Württemberg)


    19500


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ländern umgesetzt werden, sodass wir endlich im Dienst-
    rechtsbereich zu Leistungsbezügen kommen und nicht
    wie bisher sehr viele Länder dieses Problem einfach vor
    sich her schieben.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie
    mich noch ein paar Worte zu den Fachhochschulen sa-
    gen. Es ist gerade von Ihnen darauf hingewiesen worden,
    dass es in der Tat eine ganze Reihe von C-2-Professoren
    gibt, die im Prinzip auf C-3-Stellen sitzen. Das Verfahren
    ist so offen, Herr Minister Frankenberg, dass sich auf eine
    neu ausgeschriebene W-2-Stelle durchaus ein C-2-Profes-
    sor bewerben und im Rahmen der Verhandlungen wäh-
    rend des Berufungsverfahrens Zulagen aushandeln kann,
    wodurch er nachher genauso gut wie ein C-3-Professor
    dasteht. Das heißt: Derjenige, der sich bewährt hat,
    kommt genauso gut weg wie im alten System. Ihren Vor-
    wurf können Sie also nicht aufrechterhalten.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Auch diesen Vorwurf nicht!)


    – Auch diesen Vorwurf nicht.

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit zum
    Schluss kommen. Die vorgelegte Dienstrechtsreform ist
    voll und ganz in sich stimmig. Ich wünsche, dass die Län-
    der sie wirklich umsetzen. Damit ist der Weg in eine
    Wissenschaftslandschaft des 21. Jahrhunderts frei. Wir
    kommen in der Tat zur Konkurrenzfähigkeit der deut-
    schen Hochschulen. Lassen Sie uns auf diesem Weg ge-
    meinsam vorangehen!

    Danke.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Für das
Land Hessen erteile ich das Wort der Frau Staatsministe-
rin Ruth Wagner.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Georg Wagner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So habe ich
    mir immer meine Zeitzeugenschaft zu Beginn einer neuen
    Ära, einer Jahrhundertreform vorgestellt.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Was den heutigen Zeitungen und der öffentlichen Mei-
    nung zufolge der großen Mehrheit der deutschen Hoch-
    schulen dienen soll, ist ein Reförmchen. Sie, meine Da-
    men und Herren von der Koalition, schicken sich an, ein
    klassisches Gesetz der Halbschwangerschaft zu be-
    schließen. Das ist Tatsache.


    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Ich will dies in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung
    steht, umreißen.

    Erstens. Meine Damen und Herren, Sie behaupten, in-
    ternationale Wettbewerbsfähigkeit herzustellen und die
    Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu erhöhen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ja! Machen wir!)


    Das starre Grundgehalt bei der Professorenbesoldung,
    das Sie vorschlagen und das schon in der ersten Stufe ei-
    nen Leistungszuschlag verlangt, um das heutige Grund-
    gehalt zu erreichen,


    (Jörg Tauss [SPD]: Sie senken doch gerade ab, Frau Kollegin! Wer kürzt denn gerade in Hessen?)


    bedeutet in Wahrheit die Quadratur des Kreises, die auch
    Sie nicht zu lösen in der Lage sind.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


    Wenn Sie als Bundesregierung im Verein mit der Mehr-
    heit Ihrer Finanzminister


    (Jörg Tauss [SPD]: Wer kürzt denn in Hessen?)


    Kostenneutralität sozusagen zur zweiten Säule dieser Re-
    form machen,


    (Jörg Tauss [SPD]: Wer kürzt denn gerade in Hessen?)


    dann werden Sie eine leistungsbezogene Besoldung in
    Deutschland nicht erreichen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Keine Antwort! Unglaublich!)


    Gemeinsam mit meiner Fraktion habe ich den Vor-
    schlag gemacht, aus dem auszubrechen, was in Wahrheit
    das Handicap einer Besoldungsreform in Deutschland ist,
    nämlich aus dem deutschen Beamtenrecht.


    (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Machen Sie es doch!)


    Sie, Frau Bulmahn, sagen, frei verhandelte Verträge seien
    heute möglich.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Natürlich!)


    Aber doch nicht mit diesen beamtenrechtlichen Vorstel-
    lungen!


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie können es doch! Machen Sie es doch angestelltenrechtlich!)


    Es ist doch nicht wahr. Sie können doch heute niemanden
    aus Chicago oder Texas bekommen, wenn Sie nicht wirk-
    lich auch an die Versorgungsleistungen herangehen.


    (Beifall der Abg. Dr. Erika Schuchardt [CDU/CSU] – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Machen Sie es doch!)


    Hohe Spitzengehälter verpflichten die Leute dazu, eigen-
    ständige Altersvorsorge zu treffen.


    (Ilse Janz [SPD]: Ihre drei Minuten sind jetzt rum!)


    Das können sie nicht, wenn Sie bei diesen Sätzen bleiben.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 199. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. November 2001

    Peter Enders

    19501


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Deshalb hat das Land Hessen in den Bundesrat den Vor-
    schlag eingebracht, wenigstens Bandbreiten zu schaffen,
    die Flexibilität erlauben. Das haben Sie mit Ihrer Mehr-
    heit abgelehnt.


    (Jörg Tauss [SPD]: Mit Ihren Kürzungen!)

    Ich werde das erneut in den Bundesrat einbringen.

    Lassen Sie mich zweitens zur Juniorprofessur sagen:

    (Ilse Janz [SPD]: Das geht aber nicht! Die Zeit ist schon abgelaufen!)

    Ich halte die Schaffung der Juniorprofessur für einen
    guten zusätzlichen Weg, für ein Modell zur Qualifizierung
    des wissenschaftlichen Nachwuchses. Drei von fünf hes-
    sischen Universitäten sind in den Modellversuch, den
    Frau Bulmahn dankenswerterweise eröffnet hat, einge-
    stiegen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Aha!)

    Wir unterstützen diesen Versuch mit hessischem Geld.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Marburg!)


    – Marburg und die Humboldt-Universität waren die bei-
    den ersten; Frankfurt und Darmstadt folgen.

    Meine Damen und Herren, was wir nicht wollen, ist,
    dass dieser Weg zur Regel wird, anstatt nach wie vor Viel-
    falt gelten zu lassen. Das ist der eigentliche Punkt.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Drittens. Damit ist verbunden, dass Sie ein verkapptes

    Habilitationsverbot einführen wollen.

    (Beifall der Abg. Dr. Erika Schuchardt [CDU/CSU] – Jörg Tauss [SPD]: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)


    Frau Bulmahn, die Position, die Sie hier vortragen, ist von
    der Realität weit entfernt. Die Habilitation hat interna-
    tional nach wie vor ein hohes Ansehen und einen hohen
    Rang.


    (Beifall der Abg. Dr. Erika Schuchardt [CDU/CSU])


    Wir müssen uns mit diesem Qualifikationsnachweis über-
    haupt nicht hinter angelsächsischen Mustern verstecken.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb sage ich Ihnen: In den Geisteswissenschaften,

    in den Rechtswissenschaften und in den Wirtschaftswis-
    senschaften ist die Habilitation als Nachweis wissen-
    schaftlicher Qualifikation notwendig.


    (Jörg Tauss [SPD]: Verbeamtet müssen sie auch sein oder?)


    Trotzdem haben wir – um dem vorzubeugen, Herr Kol-
    lege – in Hessen in den zwei Jahren, in denen ich im Amt
    bin, 50 Prozent der Professorenstellen ohne Habilitation
    ausgeschrieben. Dies ist richtig, weil wir den Wechsel von
    der Wirtschaft in die Wissenschaft, besonders in die Inge-
    nieurwissenschaften und Naturwissenschaften, wollen.


    (Jörg Tauss [SPD]: Was jammern Sie denn dann?)