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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Dietrich Austermann, Klaus Kirschner und Joachim Schmidt (Halsbrücke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19281 A Eintritt der Abgeordneten Gabriele Lösekrug- Möller und Klaus Francke in den Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19281 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 19281 B Begrüßung des Präsidenten der Republik Malta und seiner Delegation . . . . . . . . . . . . . 19338 C Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Abgabe einer Erklärung des Bundes- kanzlers: Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus . . . . 19283 C b) Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terro- ristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Verein- ten Nationen (Drucksache 14/7296) . . . . . . . . . . . . . 19283 C Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 19283 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19287 B Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19289 C Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 19291 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 19293 C Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19296 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19298 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19298 C Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg . . 19298 D Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19300 C Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Erklärung durch die Bun- desregierung: Jugendpolitisches Pro- gramm der Bundesregierung: „Chan- cen im Wandel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 19301 D b) Große Anfrage der Abgeordneten Kerstin Griese, Hildegard Wester, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Christian Simmert, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zukunft gestalten – Kinder und Ju- gendliche stärken (Drucksachen 14/5284, 14/6415) . . . . 19302 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jugendpolitisches Programm der Bundes- regierung: „Chancen im Wandel“ (Drucksache 14/7275) . . . . . . . . . . . . . . . 19302 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19302 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19305 D Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19307 D Plenarprotokoll 14/198 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 198. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 I n h a l t : Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19309 D Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19311 D Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19313 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19313 D Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19314 A Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19316 A Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19318 A Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19319 B Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 19320 B Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19321 D Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19323 C Rolf Stöckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19324 C Marlene Rupprecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19325 D Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Gerda Hasselfeldt, Bartholomäus Kalb, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Büro- kratieabbau für kleine und mittel- ständische Betriebe (Drucksache 14/6633) . . . . . . . . . . . . . 19327 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- logie zu dem Antrag der Abgeordneten Hansjürgen Doss, Peter Rauen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Chancen des Mittelstandes inderglobalisiertenWirtschaftstärken (Drucksachen 14/5545, 14/6094) . . . . 19327 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses . . . . . . . . . . . . . . . 19327 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Steuerliche Gleichstellung des Mittelstands 19327 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.HermannOttoSolms,Hildebrecht Braun(Augsburg),weitererAbgeord- neter und der Fraktion der FDP: Steu- erliche Benachteiligung des Mittel- stands beseitigen (Drucksachen 14/5551, 14/5962, 14/6687) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19327 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wiederher- stellung des umfassenden Rechts auf Vorsteuerabzug (Drucksachen 14/5223, 14/6448) . . . . 19327 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Ditmar Staffelt, Jelena Hoffmann (Chemnitz), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Werner Schulz (Leipzig), Michaele Hustedt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Neue Mittelstandspolitik – Motor für Beschäftigung und Innovation (Drucksachen 14/5485, 14/5973) . . . . 19328 A Hansjürgen Doss CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19328 B Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . . . . . . 19330 B Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19332 B Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 19335 D Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19338 C Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19339 B Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 19339 D Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19341 A Dr. Ditmar Staffelt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19342 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19344 D Klaus Lennartz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19347 C Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . . . . . . 19349 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 19350 D Simone Violka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19352 C Tagesordnungspunkt 33: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortführung des Solidar- paktes, zur Neuordnung des bundes- staatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Ein- heit“ (Solidarpaktfortführungsgesetz) (Drucksache 14/7256) . . . . . . . . . . . . . 19354 B b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Leistungen bei häuslicher Pflege von Pflegebe- dürftigen mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf (Pflegeleistungs-Er- gänzungsgesetz) (Drucksache 14/7154) . . . . . . . . . . . . . 19354 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001II c) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortsetzung der Dienstrechtsreform (Drucksache 14/3458) . . . . . . . . . . . . 19354 C d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid- Produkten (Biozidgesetz) (Drucksache 14/7007) . . . . . . . . . . . . 19354 C e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. September 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die ge- genseitige Hilfeleistung bei Katastro- phen und schweren Unglücksfällen (Drucksache 14/7096) . . . . . . . . . . . . 19354 D f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes (Drucksache 14/7153 [neu]) . . . . . . . . 19354 D g) Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Dieter Thomae, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Finanzierung von Umschu- lungsmaßnahmen (Drucksache 14/5692) . . . . . . . . . . . . 19355 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 33) a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001 (Drucksachen 14/7223, 14/7257) . . . . 19355 A b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Anerken- nungs- und Vollstreckungsausfüh- rungsgesetzes (Drucksache 14/7207) . . . . . . . . . . . . 19355 A c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sonderver- mögens für das Jahr 2002 (ERP-Wirt- schaftsplangesetz 2002) (Drucksache 14/7259) . . . . . . . . . . . . 19355 B d) Antrag der Abgeordneten Gisela Schröter, Eckhardt Barthel (Berlin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Grietje Bettin, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Reform der deutschen Filmförderung (Drucksache 14/7178) . . . . . . . . . . . . 19355 B e) Antrag der Abgeordneten Klaus Wiesehügel, Dieter Maaß (Herne), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz (Leipzig), Franziska Eichstädt- Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zukunft der deutschen Bauwirtschaft (Drucksache 14/7297) . . . . . . . . . . . . 19355 B f) Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Rainer Jork, Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Lehrstellenmangel in den neuen Bundesländern bekämp- fen – Reformen in der beruflichen Bildung vorantreiben (Drucksache 14/7281) . . . . . . . . . . . . 19355 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 12. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Volksrepublik China über Sozialversicherung (Drucksache 14/7246) . . . . . . . . . . . . . . . 19355 C Tagesordnungspunkt 34: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Vorschriften aus den Bereichen des Verkehrs-, Bau- und Wohnungswesens sowie der Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf den Euro (Zehntes Euro-Einführungsgesetz) (Drucksachen 14/6810, 14/7251) . . . . 19355 D b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Übereinkommens vom 14. Juli 1967 zur Errichtung der Welt- organisation für geistiges Eigentum (Drucksachen 14/6260, 14/7273) . . . . 19356 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 III c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung des Euro im Berufsrecht der Rechts- pflege, in Rechtspflegegesetzen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und in Gesetzen des Straf- und Ordnungs- widrigkeitenrechts (Drucksachen 14/6371, 14/7349) . . . . 19356 B d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wahlsta- tistikgesetzes (Drucksachen 14/6538, 14/7125) . . . . 19356 C e) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. März 2001 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und Malta zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksachen 14/7039, 14/7353) 19356 D – Zweite und dritte Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. April 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und bestimmter anderer Steuern, zur Verhinde- rung der Steuerverkürzung und zur Amtshilfe in Steuersachen (Drucksachen 14/7041, 14/7353) 19357 A f) – l) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310 zu Peti- tionen (Drucksachen 14/7161, 14/7162, 14/7163, 14/7164, 14/7165, 14/7166, 14/7167) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19357 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache (Ergänzung zu TOP 34) a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über elektroni- sche Register und Justizkosten für Telekommunikation (Drucksache 14/6855, 14/7348) . . . . . 19357 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung zur Umsetzung des Europä- ischen Abfallverzeichnisses (Drucksachen 14/7091, 14/7195 Nr. 2.1, 14/7339) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19358 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr.: Massive Mehrkos- ten bei den Baumaßnahmen im Parla- ments- und Regierungsviertel in Berlin sowie Verantwortung der Bundesbauge- sellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19358 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 19358 C Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19359 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 19361 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19362 C Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19363 D Gabriele Iwersen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19365 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19366 C Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19367 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19368 D Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19369 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19371 A Tagesordnungspunkt 6: Unterrichtung durch die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen Deutschen Demo- kratischen Republik: Fünfter Tätigkeits- bericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokrati- schen Republik – 2001 (Drucksache 14/7210) . . . . . . . . . . . . . . . 19371 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 19371 D Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 19373 D Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19375 D Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . . 19377 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19378 A Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19379 A Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19380 D Marianne Birthler, Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19382 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001IV Tagesordnungspunkt 7: Große Anfrage der Abgeordneten Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Rahmenbedingungen für die Touris- muswirtschaft innerhalb der Europä- ischen Union (Drucksachen 14/5841, 14/6955) . . . . . . . 19384 A Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19384 B Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . 19386 A Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 19386 D Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19388 B Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 19388 D Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19389 B Siegmar Mosdorf SPD . . . . . . . . . . . . . . . 19390 A Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19390 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19391 D Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . 19392 C Brunhilde Irber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19393 B Eckhard Ohl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19394 B Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Aufstiegsfortbil- dungsförderungsgesetzes (Drucksache 14/7094) . . . . . . . . . . . . . . . 19396 D Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 19397 A Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19398 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19399 D Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19401 A Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19402 A Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 19402 D Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19404 B Christian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . 19405 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19407 A Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 19407 B Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Punktekatalog überarbeiten – Ver- kehrssünderkartei entrümpeln – Bonus- system ausbauen (Drucksache 14/6963) . . . . . . . . . . . . . . . 19407 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 19407 C Rita Streb-Hesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19409 A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 19410 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19413 B Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19414 C Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Modulationsgesetz) (Drucksache 14/7252) . . . . . . . . . . . . . . . 19415 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Ulrich Adam, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Abschaffung der Kapazitätsbeschrän- kungen für Werften in Mecklenburg- Vorpommern (Drucksache 14/6950) . . . . . . . . . . . . . . . 19415 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Margrit Wetzel, Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Werner Schulz (Leipzig), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Faire Wettbe- werbsbedingungen für die Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern (Drucksache 14/7295) . . . . . . . . . . . . . . . 19415 D Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlas- sung der Ehewohnung bei Trennung (Drucksachen 14/5429, 14/7279) . . . . 19416 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämp- fung von Gewalt gegen Frauen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 V – zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Eichhorn, Ilse Falk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ankündigungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen umsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Bläss, Monika Balt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Frauenrechte sind Men- schenrechte – Gewalt gegen Frauen effektiver bekämpfen – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Par- lament „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels“ (Drucksachen 14/2812, 14/5093, 14/5455, 14/4170 Nr. 1.1, 14/6902) . . . . . . . . . . . 19416 B Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 19416 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19417 D Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19418 D Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19419 C Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19420 B Tagesordnungspunkt 13: – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Drucksachen 14/7009, 14/7334) . . . . 19421 C – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Entschließung vom 22. Mai 1995 zur Änderung des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseiti- gung jeder Form von Diskriminie- rung der Frau (Drucksache 14/7011, 14/7334) . . . . . 19421 D – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Fakultativprotokoll vom 6. Ok- tober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseiti- gung jeder Form von Diskriminie- rung der Frau (Drucksachen 14/7012, 14/7334) . . . . 19421 D Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Klaus Riegert, Friedrich Bohl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordnetenDr.KlausKinkel,Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP zu der Großen Anfrage der Abgeordneten KlausRiegert,FriedrichBohl,weitererAbge- ordneterundderFraktionderCDU/CSU:Do- ping im Spitzensport und Fitnessbereich (Drucksachen 14/2769, 14/2918, 14/1032, 14/1867, 14/7004) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19422 B Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (Drucksachen 14/6281, 14/7331) . . . . . . . 19422 D Tagesordnungspunkt 16: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Tierschutzbericht 2001 der Bundesregierung (Drucksache 14/5712) . . . . . . . . . . . . . 19423 A b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marianne Klappert, Brigitte Adler, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Verbesserun- gen im Tierschutz national und europaweit vorantreiben (Drucksache 14/7180) . . . . . . . . . . . . . 19423 A Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Dr. Hans-Peter Uhl, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Nürnberg und München erhalten (Drucksache 14/7147) . . . . . . . . . . . . . 19423 B b) Antrag der Abgeodneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neues Konzept für Ausbes- serungswerke der Deutschen Bahn AG vorlegen (Drucksache 14/7158) . . . . . . . . . . . . . 19423 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001VI c) Antrag der Abgeordneten Heide Mattischeck, Reinhard Weis (Stendal), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Franziska Eichstädt- Bohlig, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Zukunft der Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG (Drucksache 14/7179) . . . . . . . . . . . . 19423 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Luther, Wolfgang Dehnel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Delitzsch, Chemnitz, Opla- den und Zwickau erhalten – neue Inves- toren für Stendal, Leipzig-Engelsdorf und Neustrelitz (Drucksache 14/7282) . . . . . . . . . . . . . . . 19423 D Tagesordnungspunkt 18: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Saatgutverkehrsgesetzes (Drucksachen 14/5927, 14/7244) . . . . 19423 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, ErnährungundLandwirschaftzudemAn- trag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Innovations- potenzial moderner Technologien für mittelständische Pflanzenzüchter er- halten (Drucksachen 14/2297, 14/5907) . . . . 19424 A Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der PDS einge- brachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuer- gesetzes (Drucksachen 14/4438, 14/5215, 14/5218) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19424 C b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der PDS ein- gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuer- gesetzes (Drucksache14/4437,14/5211,14/5212) 19424 D Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19425 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Aufhebung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau (Drucksache 14/7238) . . . . . . . . . . . . . . . 19426 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrecht- lichen Rehabilitierungsgesetzes (Drucksache 14/7283) . . . . . . . . . . . . . . . 19426 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19426 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19427 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Rahmenbedingungen für die Tourismuswirtschaft innerhalb der Europä- ischen Union (Tagesordnungspunkt 15) . . . . 19427 C Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 19427 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemein- samen Agrarpolitik (Modulationsgesetz) (Ta- gesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19428 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . 19428 D Meinolf Michels CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19429 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19430 C Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19431 A Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19431 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 VII Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: a) Abschaffung der Kapazitätsbeschränkun- gen für Werften in Mecklenburg-Vorpom- mern b) Faire Wettbewerbsbedingungen für die Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpom- mern (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19433 A Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 19433 A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 19434 B Werner Kuhn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19435 A Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19436 A Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 19436 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19437 C Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 19438 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: a) des Entwurf eines Gesetzes zur Verbesse- rung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehe- wohnung bei Trennung b) der Beschlussempfehlung und des Berich- tes zu: – der Unterrichtung: Aktionsplanung der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – dem Antrag: Ankündigungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen umsetzen – dem Antrag: Frauenrechte sind Men- schenrechte – Gewalt gegen Frauen ef- fektiver bekämpfen – der Unterrichtung: Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mittei- lung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Frau- enhandels“ (Tagesordnungspunkt 12 a und b) . . . . . . . . . 19439 A Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19439 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19439 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe zu: – Änderung des Gesetzes zu dem Überein- kommen vom 18. Dezember 1979 zur Be- seitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau – Entschließung vom 22. Mai 1995 zur Än- derung des Übereinkommens vom 18. De- zember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau – Fakultativprotokoll vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Dis- kriminierung der Frau (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . 19441 D Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19441 D Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19442 D Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19443 D Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19444 C Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19445 A Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19445 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Entschließungsanträgen zu der Großen An- frage: Doping im Spitzensport und Fitnessbe- reich (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . . . . . 19446 D Dagmar Freitag SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19446 D Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19448 A Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19450 A Dr. Klaus Kinkel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19450 C Gustav-Adolf Schur PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 19451 B Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 19451 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf ei- nes Zweiten Gesetzes zur Änderung des Medi- zinproduktegesetzes (2. MPG-ÄndG) (Tages- ordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19452 C Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19452 D Dr. Sabine Bergmann-Pohl CDU/CSU . . . . . 19454 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19455 B Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19456 A Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19456 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001VIII Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: a) der Unterrichtung: Tierschutzbericht 2001 der Bundesregierung b) des Antrags: Verbesserungen im Tierschutz national und europaweit vorantreiben (Tagesordnungspunkt 16 a und b) . . . . . . . . . 19457 A Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . . 19457 A Marianne Klappert SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19457 C Helmut Lamp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19459 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 19460 D Marita Sehn FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19461 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 19462 C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Nürnberg und München erhalten – Neues Konzept für Ausbesserungswerke der Deutschen Bahn AG vorlegen – Zukunft der Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG – Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Delitzsch, Chemnitz, Opladen und Zwickau erhalten – neue Investoren für Stendal, Leipzig-Engelsdorf und Neustrelitz (Tagesordnungspunkt 17 a bis c und Zusatzta- gesordnungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19463 B Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . . 19463 B Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 19464 D Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 19466 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19467 B Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 19468 A Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19468 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu: – dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes – der Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Innovationspotenzial moderner Technologien für mittelständi- sche Pflanzenzüchter erhalten (Tagesordnungspunkt 18 a und b) . . . . . . . . . 19469 C Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . . 19469 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . 19470 B Meinolf Michels CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19471 B Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 19472 A Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19472 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19474 C Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19474 D Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19475 C Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tagesordnungs- punkt 19 a und b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19476 A Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19476 A Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 19476 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19479 B Gerhard Schüßler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 19480 A Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf ei- nes Gesetzes über die Aufhebung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Stein- kohlenbergbau (Zusatztagesordnungspunkt 9) 19480 B Norbert Formanski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19480 C Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 19481 D Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19482 D Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19483 A Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19484 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19484 A Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (Zu- satztagesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . 19484 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 19484 C Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 19485 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19486 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19486 D Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19487 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 IX Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 Dr. Barbara Höll 19426 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 13 2) Anlage 14 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19427 (C) (D) (A) (B) Adam, Ulrich CDU/CSU 8.11.2001 Andres, Gerd SPD 8.11.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 8.11.2001* Bierwirth, Petra SPD 8.11.2001 Brinkmann (Detmold), SPD 8.11.2001 Rainer Flach, Ulrike FDP 8.11.2001 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 8.11.2001 Frick, Gisela FDP 8.11.2001 Friedhoff, Paul K. FDP 8.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 8.11.2001 Peter Dr. Haussmann, Helmut FDP 8.11.2001 Dr. Hendricks, Barbara SPD 8.11.2001 Imhof, Barbara SPD 8.11.2001 Kauder, Volker CDU/CSU 8.11.2001 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 8.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 8.11.2001 Meckel, Markus SPD 8.11.2001 Moosbauer, Christoph SPD 8.11.2001 Opel, Manfred SPD 8.11.2001 Reichard (Dresden), CDU/CSU 8.11.2001 Christa Schenk, Christina PDS 8.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 8.11.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 8.11.2001 Hans Peter Simm, Erika SPD 8.11.2001 Dr. Spielmann, Margrit SPD 8.11.2001 Straubinger, Max CDU/CSU 8.11.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 8.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 8.11.2001 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 8.11.2001 DIE GRÜNEN Dr. von Weizsäcker, SPD 8.11.2001 Ernst Ulrich Zapf, Uta SPD 8.11.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 8.11.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Rahmenbedin- gungen für die Tourismuswirtschaft innerhalb der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 7) Sylvia Voß (CDU/CSU): Wir alle wissen: Wenn einer eine Reise tut, dann kann etwas erleben. Nicht mehr erle- ben wird der reiselustige Tourist ab dem kommenden Jahr, dass er zwischen Kofferpacken, Katze zu den Eltern brin- gen, Pflanzen der Nachbarin übereignen und Umtauschen der falsch ausgestellten Bahnplatzkarten noch das hastige Hineinstürzen in eine Bank einplanen muss. Auch die Warteschlange am Bankschalter und die Ungewissheit, ob die Bank seines Vertrauens die nötige Währung gerade vorrätig hat, kann er nicht mehr erleben. Doch wer wird das schon vermissen? Touristen aller beteiligten EU-Län- der profitieren von der Euro-Einführung, Nachteile wer- den beseitigt. Auch die Tourismuswirtschaft hat hiervon Vorteile, zum Beispiel davon, dass die Fremdwährungskosten – immerhin bis zu 5 Prozent der Reisekosten – für grenz- überschreitende Wechsel- und Überweisungsspesen und für die Absicherung von Wechselkurs- und Zinsrisiken entfallen. Diese Kosten entstehen bisher hauptsächlich dadurch, dass die Touristikunternehmen ihre Reisekapa- zitäten bereits ein bis eineinhalb Jahre im Voraus buchen und die Währungen absichern müssen. Aber darüber ha- ben wir schon bei anderer Gelegenheit gesprochen. Klar ist: Es wird sich im Euroland einiges ändern – für Anbie- ter und Kunden. Wettbewerbsvor- und -nachteile werden transparenter wahrnehmbar. Auch die CDU/CSU hat dies erkannt und sofort der Bundesregierung in Form einer Großen Anfrage mitge- teilt. Große Fragen tun sich mir jedoch bezüglich unserer Opposition auf, wenn man sich den Gehalt einiger Fragen anschaut, aber das ist jetzt nicht unser Thema, sondern die Antworten unserer Bundesregierung, die dann hoffentlich einige Klarheit in das Denken der Antragsteller bringen! Wir können feststellen: Der Tourismus kommt in Deutschland nicht zu kurz und er muss sich im Vergleich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht mit den anderen EU-Ländern keinesfalls verstecken. Wir geben dem wichtigen Wirtschaftszweig dort, wo er unsere Mitarbeit braucht, unsere Unterstützung. Auch wenn wir keinen eigenständigen Tourismusminister haben – wie im Übrigen auch die anderen EU-Länder nicht –, ist die Tou- rismuswirtschaft bei Rot-Grün und dem Bundeswirt- schaftsminister in guten Händen. Zwar ist die Zahl der zu- ständigen Mitarbeiter für Tourismuspolitik in den Ministerien nahezu aller betroffenen EU-Länder gleich – sie liegt zwischen einer und elf Personen –, aber allein die Tatsache, dass von allen EU-Ländern nur Deutschland einen Tourismusauschuss hat, zeigt, wie hoch wir hier die Bedeutung der Branche einschätzen, wieviel Aufmerk- samkeit Regierung und Opposition ihr schenken. Auf dem Weg zu den von uns allen angestrebten glei- chen Wettbewerbsbedingungen für die Tourismuswirt- schaft innerhalb der Europäischen Union sind noch einige Schritte zu gehen. Aber eins macht die Antwort unseren Kollegen von der rechten Seite des Hauses wohl endlich deutlich: Rot-Grün handelt. Rot-Grün ist schon einen guten Teil dieses Weges gegangen. Während die christde- mokratischen Kolleginnen und Kollegen Fragen stellen, haben wir schon längst Artworten gegeben. Zum Beispiel hat Rot-Grün für Deutschland die Mittel der nationalen Tourismusorganisation seit 1998 deutlich angehoben – als einziges EU-Land überhaupt. Wenn Sie ehrlich sind, lie- ber Kollege Brähmig, werden Sie zugeben, dass es das mit einer christlich-liberalen Koalition nicht gegeben hätte. Wir Koalitions-Touristiker haben gezeigt, dass man sich in unseren Fraktionen auch in Zeiten der Haushaltskonso- lidierung mit guten Argumenten durchsetzen kann. Die zusätzlichen finanziellen Mittel sind bei der DZT gut angelegt. Denn sie arbeitet effizient daran, das Deutschlandbild sowohl im In- als auch im Ausland zu verbessern. Durch gezielte Werbung und ländertypische Aktionen weckt die DZT die Neugierde der ausländischen Touristen. Sorgt sich um das gute Image für das Reiseland Deutschland und unterstützt somit das Ziel, Reiseauf- kommen nach Deutschland zu steigern. Nur der gute Wille allein reicht dafür jedoch nicht aus. Deswegen wurde die finanzielle Ausstattung für das Auslandsmar- keting verbessert. Viele ausländische Touristen werden also auch dank der von der Bundesregierung unterstützten DZT in unser Land kommen, um sich von den beein- druckenden Kultur- und faszinierenden Naturschönheiten Deutschlands selbst ein Bild zu machen. Auch die Deut- schen, die am liebsten in ihren eigenen Landesgrenzen verreisen, werden gut umsorgt. Denn nicht zu vergessen ist an dieser Stelle, dass neben dem Bund vor allem die Länder und Kommunen Budgets für das Inlandsmarke- ting bereithalten. Wenn wir nicht schon vor dieser Anfrage davon über- zeugt gewesen wären, dass für den deutschen Gaststätten- bereich und Beherbergungssektor keine Mehrwertsteuer- vergünstigungen gelten sollten, wären wir spätestens nach der Beantwortung durch die Bundesregierung vollständig überzeugt. Dieser Hilfestellung bedurfte es bei uns nicht; vielleicht bringt sie aber unsere christdemokratischen Kol- legen in Ihrem Denken weiter. Deutschland hat mit seinen 16 Prozent einen vergleichsweise geringen Mehrwertsteu- ersatz. Nachteile für die genannten Bereiche bestehen nicht. Wie auch? Lediglich fünf Mitgliedstaaten der EU unterschreiten in allen Bereichen der Gaststättenumsätze den deutschen Mehrwertsteuersatz. Auf dem Weg zu mehr europäischer Einheitlichkeit ist es dennoch ein erklärtes Ziel der Bundesregierung, auf diesem Gebiet die Aus- gewogenheit zwischen den europäischen Ländern zu ver- bessern. Mehr Ausgewogenheit wünschen wir uns auch auf dem Gebiet der Beherbergungsstatistik. Die Tourismusstatis- tik-Richtlinie der Europäischen Union bringt uns hier ei- nen Schritt weiter. Die deutsche Regierung hat ihren Teil zur Umsetzung der Richtlinie geleistet und in das Gesetz- gebungsverfahren gegeben. Für gute Leistungen der Tou- rismusmitarbeiter aller Bereiche und auch für uns Touris- muspolitiker ist eine zuverlässige und vergleichbare Datengrundlage ein mitentscheidendes Kriterium. Es bleibt zu hoffen, dass alle EU-Länder möglichst schnell ihren Beitrag zur Harmonisierung der Beherbergungssta- tistik leisten. Abschließend ein paar Worte zu den EU-Mitteln zur Förderung des Tourismus: Hier können wir feststellen, dass die Förderinstrumente vorrangig dem Strukturaus- gleich für benachteiligte Gebiete der transeuropäischen Zusammenarbeit dienen. Wettbewerbsnachteile entstehen daraus nicht. Im Gegenteil, denn schließlich wird dadurch dafür Sorge getragen, dass schwächeren Regionen unter die Arme gegriffen wird. Dadurch wird es für diese erst wieder möglich, am Wettbewerb teilzunehmen und eben- falls ans Ziel zu gelangen. Wenn letztlich alle Länder die Ziellinie erreicht und überschritten haben, bedeutet das mehr Wettbewerb. Aber Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Das Reiseland Deutschland – das hat die Antwort der Bundesregierung noch einmal deutlich herausgestellt – braucht diesen Wettbewerb nicht zu fürchten. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Modulationsge- setz) (Tagesordnungspunkt 10) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Es ist jetzt fast genau ein Jahr her, seitdem die BSE-Krise einen Stein ins Rollen brachte. Wir wissen alle, dass dies nicht die erste Krise ist, die die Landwirtschaft erschüttert und den lau- fenden Strukturwandel deutlich forciert. Weinskandal, genmanipulierte Lebensmittel, Schweinepest und auch gefundene Pestizidrückstände in Bier beunruhigten schon vor Jahren die Bevölkerung. Jeder wollte doch gern glau- ben, dass man durch die Wissenschaft, durch strengere Gesetze und Kontrollen, die Gefahrenquellen beseitigen kann. Diese Sicherheit gibt es seit BSE nicht mehr. Ge- rade der Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse war hauchdünn und viel weiter sind wir leider immer noch nicht. Die erlebte Unsicherheit war es, die dazu führte, dass nach BSE das Vertrauen in die bäuerliche Landwirt- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119428 (C) (D) (A) (B) schaft nicht alleine durch stärkere Kontrollen und stren- gere Gesetze wieder hergestellt werden kann. Zwar haben wir durch das Verfütterungsverbot von Tiermehl, durch den sensiblen Umgang bei der Tötung von Tierbeständen gezeigt, dass wir diese Unsicherheit in der Bevölkerung ernst nehmen und die bestmögliche Sicherheitsstufe ein- räumen, aber es ist offensichtlich, dass Veränderungen an- stehen. In meiner Rede zum Agrarbericht 2001 sagte ich: „Die Landwirte gehören nicht an den Pranger, sondern mit ins Boot“. Ich bin auch nicht der Meinung eine Drohkulisse aufzubauen oder jemanden gegen die Wand laufen zu las- sen. Vielmehr werbe ich dafür, gerade auch unter dem Berufsstand, den eingeschlagenen Weg, hin zu einer um- weltgerechteren Landwirtschaft, gemeinsam zu beschrei- ten. In persönlichen Gesprächen ist die Bereitschaft ja einfach vorhanden, nur muss um den Weg zum Ziel ge- rungen werden. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich nur eine vernünftige Chance im Miteinander! Uns allen liegt eine umweltgerechte Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Entwicklung der ländlichen Räume, um nur drei Schlag- lichter zu nennen, am Herzen. Aus diesem Grund liegt heute der Gesetzentwurf zur Modulation von Direktzah- lungen auf dem Tisch und es ist ein wichtiges Element dieser neuen Agrarpolitik. Nicht nur der Bund hat die Mo- dulation als geeignetes Mittel angesehen, um Gelder sinn- voll für eine umweltgerechtere Landwirtschaft umzu- schichten. Auch Vertreter der Länder hatten sich positiv geäußert. Im Juli diesen Jahres einigten sich Bund und Länder auf ein Modell, das bei einem Freibetrag von 20 000 DM eine Prämienkürzung von 2 Prozent vorsieht und ab dem Jahr 2003 in Kraft treten soll. Also: Erhält ein Betrieb mehr als 20 000 DM an Prämiengeldern, dann werden alle weiteren Zahlungen für seine Produkte um 2 Prozent gekürzt. Die EU sieht Kürzungen der Aus- gleichszahlungen von bis zu 20 Prozent vor. Unser Gesetz setzt bei 2 Prozent an. Die Kürzungen der Direktzahlun- gen machen bundesweit 105 Millionen DM aus. 166 Mil- lionen DM würden auf diese Weise zusätzlich für Agrarumweltmaßnahmen und Strukturpolitik im ländli- chen Raum zur Verfügung stehen. Hört sich erst mal gut an, aber insbesondere die Kofinanzierung ist Stein des Anstoßes für die Länder. Ich komme aus Sachsen-Anhalt und weiß, dass schon jetzt die GAK-Mittel nicht voll ab- gerufen werden können, weil die Kofinanzierung nicht mehr gewährleistet ist. Das ist schwer. Mit den geplanten Kürzungen der Direktzahlungen wären zwar besonders die neuen Bundesländer betroffen, aber die Rückführung der Gelder in die Regionen ist realisierbar. Welche Belastungen kommen auf diese Weise auf den Bund und die Länder zu? Der Bund ist bereit, 37 Milli- onen DM zusätzlich für eine Umorientierung in der Landwirtschaft einzusetzen. Eine Umorientierung kann aber nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelin- gen, deshalb brauchen wir die Hilfe der Länder und er- warten nun, dass sie ihren Teil dazu beitragen: das sind 24 Millionen DM für eine umweltgerechtere Produktion von Nahrungsmitteln und für die Stabilisierung der länd- lichen Räume. Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die Um- setzung, Aufsicht und Verwaltung der Modulation. Hier- für kann der Bund die Verantwortung nicht übernehmen. Ganz klar ist geregelt: Diese Aufgaben sind Landesho- heit! Und ganz abgesehen davon, wäre mit so einer Än- derung von Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern eine Änderung des Grundgesetzes notwen- dig. Diese Forderung ist praktisch undiskutabel. Modulation ist ein geeignetes Mittel, um Gelder für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume um- zulenken. Und das Mittelvolumen von 166 Millionen DM ist dafür eine gute Basis. Übrigens finde ich es falsch, dass Sie, Herr Kollege Heinrich, in mehreren Interviews ver- suchten den Eindruck zu erwecken als seien Subventio- nen ein verbrieftes Recht der landwirtschaftlichen Unter- nehmen, ihre Kürzung unredlich und ein Einsatz in umweltrelevanten Maßnahmen ungeeignet, um die Land- wirtschaft und den ländlichen Raum zu stärken. Ich habe das Gefühl Sie versuchen hier fünf gerade sein zu lassen und setzten in alter FDP-Manier Stützungen mit eigen Erwirtschaftetem gleich! Und letztlich war es doch die Politik von CDU und FDP, die die Abkehr von ökolo- gischen Zielen forciert hat. Nur nichts Neues fordern und entscheiden, immer alles schön beim Alten lassen. Egal, was sich da um uns herum in Europa tut. Wenn wir heute eine geringe Akzeptanz des Berufsstandes unter der Be- völkerung konstatieren müssen, ist das auch ein Ergebnis der jahrelangen umweltignoranten Politik, für die neben der CDU die FDP die Verantwortung mitträgt. Wir wollen zukünftig eine positive Entwicklung vo- rantreiben. Deshalb mein eindringlicher Appell an die Länder unser Gesetz zu unterstützen und nicht kurzsich- tig zu sein. Natürlich sind wir uns bewusst, dass gerade die finanzschwachen neuen Länder jede Mark zweimal umdrehen, ehe sie sie einmal ausgeben. Weshalb aber verschließen sich die südlichen Bundes- länder der Modulation völlig? Das war zwar von Anfang an zu erwarten, verwundert dennoch. Gerade Bayern und Baden-Württemberg rühmen sich, Gelder für Sonderpro- gramme in der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Umweltmaßnahmen werden groß geschrieben, heißt es. Wenn das so ist, dann verwundert es einmal mehr, dass das Modulationsgesetz der Bundesregierung so verteufelt wird. Die sachliche Begründung verschließt sich mir völlig. Im Gegensatz dazu lobte der saarländische Umweltmi- nister Mörsdorf noch im Sommer diesen Jahres die neuen Chancen, die das Modulationsgesetz für das Saarland bringen würden. Diese Einsicht wäre beim Votum im Bundesrat sehr hilfreich. Wir werden die Modulation einführen. Auch ohne Bundesrat wäre dies möglich. Allerdings müsste dann die Freibetragsgrenze von 20 000 DM fallen. Davon wäre dann jeder Betrieb in Deutschland betroffen. Kann uns da- ran gelegen sein? Nutzen wir die Zeit, um miteinander im Gespräch zu bleiben und gemeinsam: Bund und Länder für einen gesteigerten Umweltschutz, eine Stärkung der ländlichen Räume und die Interessen unserer Landwirt- schaft zu sorgen. Meinolf Michels (CDU/CSU): Ich habe noch einmal die Protokolle aus der Debatte über die Agrarreform 1992 nachgelesen. Wesentlicher Inhalt dieser Reform war: der Getreide- interventionspreis wurde um über 30 Prozent gesenkt; die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19429 (C) (D) (A) (B) Einkommensverluste sollten über eine Flächenbeihilfe ausgeglichen werden. Sprecher aller Fraktionen haben auf die Gefahr hingewiesen, die sie in der Möglichkeit staat- licher Kürzungen sehen. Recht hatten sie – nun wird’s wahr! Die Getreidepreise sind zumal in diesem Jahr schlechter denn je. Und dann hat die Kommission in Brüs- sel die Importzölle gesenkt und die Exportbeihilfen ge- strichen. Lassen Sie sich doch einmal über die Getreide- marktsituation berichten. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung einer Modulation wird von den Regierungsfraktionen als wei- terer Meilenstein der so genannten Agrarwende gefeiert. Vorab möchte ich dies zum Anlass nehmen, um aus- drücklich klar zu stellen, dass die CDU/CSU-Fraktion – sei es in Zeiten, als wir die Regierung stellten, aber auch jetzt in der Opposition eine Fortentwicklung der Agrarpo- litik immer als notwendig angesehen hat. Wir haben stets konstruktiv zu diesem Prozess beigetragen. Ich möchte nur an die gerade erwähnte Mac Sherry Re- form 92 erinnern. Wir haben mit viel Geld den Struktur- wandel in der Landwirtschaft begleitet – und dadurch er- träglicher gemacht. Und dies besonders in sozialer Hinsicht. Sie, Frau Künast, propagieren eine Agrarwende – das bedeutet weg vom bisher Dagewesenen. Meine Berufs- kollegen sagen, „Nun soll alles, was wir mit viel Arbeit geleistet haben, falsch sein ?“ „Wir haben doch die Men- schen bestens ernährt.“ Es sind gerade die jungen Bauern, die den Mut verlieren. Ja sie empfinden sich gedemütigt. Die in Ihrem Hause gefertigten Papiere zeigen vor allem eins: immer weniger Hilfe! Die Agrarpolitik der Bundes- regierung ist für die Betriebe nicht mehr kalkulierbar. Bei der Agrardebatte 92 hat der damalige Obmann der SPD, unser Kollege Oostergetelo, zu Recht ausgeführt, „Verlässlichkeit ist ein wesentliches Element in der Poli- tik.“ Obwohl die gegenwärtige Beschlusslage der EU eine Laufzeit bis 2006, 2008 hat, will die Bundesregierung den deutschen Landwirten in dieser Zeit die Planungssicher- heit streitig machen. Das können wir schon heute unein- geschränkt festhalten: dass die Einführung der Modula- tion in der vorliegenden Form für einen großen Teil der deutschen Landwirte eine weitere Verschlechterung ihrer Wirtschaftslage bedeutet. Ich bleibe mit meiner Kritik doch sehr moderat, wenn ich da lese, was die Mehrheit der Länder im Bundesrat als Stellungnahme zu diesem Thema vorgetragen hat. Schon laufende Länderprogramme wie zum Beispiel K.U.L.A.P. in Bayern können mit diesen Mitteln nicht auch finanziert werden. Es müssen neue sein. Ich betone noch einmal, wir sträuben uns nicht gegen Fortentwicklung oder Moderni- sierung im Bereich der Landwirtschaft, nur es muss dann auch für diesen Wirtschaftsbereich sinnvoll sein. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass ein großer Teil der den Bauern vorenthaltenen 54 Millionen Euro landwirt- schaftsfremd investiert werden soll. Dazu werden die 31 Millionen Euro Kofinanzierung ebenfalls an den unser Volk ernährenden Bauern vorbei fließen. Frau Künast, ich möchte Sie wirklich dringend bitten, mit uns gemeinsam zu prüfen, ob wir nicht wenigstens einen Teil der Mittel für die Einführung des Vorruhestands in der Landwirt- schaft und gleichzeitig auch einen weiteren Schritt zur Altersabsicherung der Frauen in der Landwirtschaft tun können. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass für den ländlichen Raum Programme mit finanzieller Unterstüt- zung des Bundes aufgelegt werden sollen. Aber es ist er- wiesenermaßen ausdrücklich volkswirtschaftlich falsch, wenn dies mit Geldern geschieht, die den praktisch täti- gen Bauern entzogen werden. Gestatten Sie mir abschließend, für alle wohlwollend darauf hinzuweisen, dass wir hier und gerade in der jetzi- gen Zeit für alle unsere Mitmenschen eine große Verant- wortung tragen. Jeden Fehler, den wir hier machen, müs- sen unsere Mitmenschen ausbaden. Nehmen wir doch nicht alles für selbstverständlich!! Stellen Sie sich doch einmal vor, die gegenwärtige Resignation bei unseren jun- gen Bauern würde dazu führen, dass Milch und Brot Man- gelware würden. In der Landwirtschaft liegt zwischen Saat und Ernte eine lange Zeit. Ulrich Heinrich (FDP): Die FDP-Bundestagsfraktion wird das Gesetz zur Modulation ablehnen, da es die deut- sche Landwirtschaft in keiner Weise fördert. Gefördert wird nur die Bürokratie, die in keinem vernünftigen Ver- hältnis zum Nutzen steht. Denn für 2 Prozent Modulation muss letztendlich der gleiche bürokratische Aufwand ge- trieben werden wie für 20 Prozent. Wir lehnen auch eine Umverteilung von produktbezogenen Hilfen ab. Denn derzeit gibt es keinen Spielraum für politische Umvertei- lungsmäzchen. Dies hat auch der Bundesrat so erkannt und hat aus Frau Künasts großen Plänen die Luft heraus- gelassen. Die Forderungen der Länder sind sehr berech- tigt, dass das eingesparte Geld auch im Land verbleiben soll. Selbst Agrarkommissar Fischler sprach nur von einem schmalen Hauch, wie er sich ausdrückte, der im Zusam- menhang mit der Modulation in Deutschland gegangen werden soll. Darüber hinaus hat er angekündigt, dass die Grundlagen der Modulation geändert werden würden, un- ter anderem soll auch verhindert werden, dass die Ge- samtausgaben für die Landwirtschaft insgesamt in die Höhe getrieben werden. Die FDP sieht – wie gesagt – in diesem Ansatz keinen in die Zukunft weisenden Weg. Wir wollen einen echten Umbau der Hilfen für die Landwirt- schaft erreichen, der nach einer längeren Übergangsphase in einer produktunabhängigen Förderung münden soll. Zu einer auf die Zukunft gerichteten Agrarpolitik gehören klare und verlässliche Rahmenbedingungen, mit denen die Landwirte mittel- und langfristig kalkulieren können. Frau Künast wird mit derartigen Gesetzesvorlagen kaum in der Lage sein, die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen. Eine geeignete Vorbereitung der deutschen Landwirtschaft auf die unmittelbar bevorstehende WTO- Runde und EU-Osterweiterung finden leider nicht statt. Ein weiterer Grund zur Ablehnung der Modulation ist, dass bereits vorhandene Landesprogramme wie das Meka und das Kulap mit diesem Vorhaben nicht in Überein- stimmung zu bringen wären. Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich herausstellen, dass vonsei- ten der Landwirtschaft kein finanzieller Spielraum für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119430 (C) (D) (A) (B) Umverteilungsprogramme vorhanden ist und der büro- kratische Aufwand nicht akzeptiert werden kann. Kersten Naumann (PDS): Wir reden einerseits über Modulation und andererseits über Einkommenssenkun- gen bei einem Großteil der Landwirte. Der Einstieg in die Modulation ist ein Einstieg in intensiveren Wettbewerb. Es ist ein Einstieg in stärkeren Kostendruck und der Be- ginn eines schleichenden Ausstiegs aus Direktzahlungen. Die Modulation ist keine geeignete Alternative zur Neuausrichtung der Agrarpolitik und widerspricht der regionalspezifischen Fördergerechtigkeit. Dagegen würde ein gleichberechtigtes Konzept der Verteilung von Di- rektzahlungen aus Mitteln der GAP und von Mitteln in die ländliche Entwicklungspolitik bedeuten, dass natürliche regionale Standortbedingungen Berücksichtigung finden. Ich denke hier auch an die jeweilige Wirtschaftskraft der Bundesländer und insbesondere an die sozialpolitischen Faktoren wie die Arbeitslosenquote. Es zeigt sich: Die europäische Agrarpolitik und ihre stetige Reformierung zu mehr Wettbewerbsfähigkeit ist eine verfahrene Kiste. Hinterherhinkend sollen Verfah- rensfehler durch eine Förderung des ländlichen Raumes und für eine umweltgerechtere Produktion wieder gut- gemacht werden, was zu neuen Ungerechtigkeiten führt. Die PDS wird sich nicht gegen die Modulation aus- sprechen. Allerdings gibt es noch eine Reihe von Pro- blemen zu klären. So darf einer Türöffnerfunktion mit 2 Prozent auf keinen Fall eine – wenn auch schrittweise – Erhöhung bis zu 20 Prozent folgen. Modulation darf nicht zu Entwicklungs- und Liquiditätsproblemen der Agrar- betriebe führen. Zuerst muss unseres Erachtens das Pro- blem der Kofinanzierung geklärt werden. Eine steigende Modulationsquote führt zu einseitigen Mehrbelastungen gerade der neuen Bundesländer. Deshalb muss sicher- gestellt werden, dass genügend nationale und Kofinan- zierungsmittel der Bundesländer zur Verfügung stehen. Die Umschichtung von Mitteln zugunsten der länd- lichen Entwicklung sollte zur Erweiterung des finanziel- len Spielraumes für außerlandwirtschaftliche Aktivitäten, keinesfalls jedoch zur Substitution von Mitteln der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ führen. Im Zuge der Neuorientierung der Agrarpolitik sollten ökologisch wirtschaftende Betriebe von der Kür- zung ausgenommen und der Freibetrag für die Klein- erzeuger für die Zukunft gesichert werden. Vorab sollte sorgfältig geprüft werden, ob und welche Wirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Be- schäftigung im ländlichen Raum ausgehen. lm vorgeleg- ten Referentenentwurf ist außerdem nicht hinreichend ge- klärt, wofür die Mittel tatsächlich eingesetzt werden sollen. Fakt ist auch, dass ein höherer Verwaltungsaufwand auf allen Ebenen nicht von der Hand zu weisen ist. Die Bundesregierung macht es sich da ziemlich einfach, einen höheren Aufwand zuzugeben, aber gleichzeitig zu be- haupten, dass dieser mit dem vorhandenen Personal und den vorhandenen Sachmitteln zu bewerkstelligen ist. Soll das etwa heißen, dass die Verwaltungsbehörden zurzeit nicht ausgelastet sind? Abschließend bleibt die Frage: Warum diese Eile? Wessen Interessen sollen hier durchgezogen werden? Ich empfehle der Bundesregierung mehr Übersicht bei den zu bewältigenden Problemen im ländlichen Raum, mehr Weitsicht bei ihren Entscheidungen und mehr Durchsicht bei ihren eigenen Gesetzentwürfen, damit die Menschen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum eine gute Aussicht haben. Matthias Berninger, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Mit dem Entwurf des Modulationsgeset- zes legt die Bundesregierung einen weiteren zentralen Baustein für eine zukunftsfähige und auf Nachhaltigkeit gerichtete Agrarpolitik vor. Wer öffentliche Mittel vergibt, muss dies begründen können. Eine Dekade nach der Agrarreform von 1992 ver- blasst die Rechtfertigung für pauschale Direktzahlungen. Das Argument „Direktzahlungen werden gewährt, weil die Landwirte vor 10 Jahren Preissenkungen bei ihren Produkten hinnehmen mussten“ verliert inzwischen an Gewicht. Anders ist es, wenn Sie den Steuerzahlern sagen: „Diese Mittel werden zunehmend für Leistungen der Landwirtschaft zur Verbesserung der Umwelt, für art- gerechte Tierhaltung und für eine nachhaltige ländliche Entwicklung eingesetzt“. Das sind gesellschaftlich er- wünschte Leistungen. Das Problem ist, dass diese Leis- tungen nicht oder nur teilweise über den Markt abgegol- ten werden. Deshalb bedarf es weiterer Anreize. Und genau dazu verschafft uns die Modulation neue Möglich- keiten. Es geht also künftig um gezielte Anreize für er- wünschte Leistungen – statt Verteilungspolitik mit der Gießkanne. Das Prinzip muss zunehmend lauten: Keine staatliche Leistung ohne Gegenleistung. Im Grundsatz ist diese schrittweise Neuorientierung auch bereits auf brei- ter Basis akzeptiert. So haben bei der Agrar- und Um- weltministerkonferenz am 13. Juni 2001 in Potsdam der Bund und alle Länder einmütig festgehalten: „Die Modu- lation ist grundsätzlich ein geeignetes Instrument, um durch Umschichtung von EU-Finanzmitteln von der 1. in die 2. Säule der gemeinsamen Agrarpolitik die Förderung besonders umweltgerechter Produktionsverfahren zu ver- stärken.“ Wir sind uns also im Grundsatz einig: Die schrittweise Verlagerung von Mitteln aus dem Marktbereich in eine gezielte Förderung in der 2. Säule ist sinnvoll und unver- zichtbar. Bei der praktischen Umsetzung versuchen aber einige „auf Zeit zu spielen“. Da wird auf die BSE-Krise und die Einkommenssituation der Landwirte verwiesen. Bei allen verständlichen Problemen in der Bullenmast: Die Situa- tion für die Masse der Landwirte ist besser als sie dar- gestellt wird. Ich erinnere an Milcherzeugerpreise, die 10 Prozent über dem Vorjahr liegen. Ich erinnere an die sehr gute Getreideernte. Ich verweise auf die letzte Um- frage des ifo-Instituts, nach der die Landwirte ihre wirt- schaftliche Situation als besser einschätzen als im Vorjahr. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19431 (C) (D) (A) (B) Da wird weiter auf die anstehende Halbzeitbewertung der Agenda 2000 verwiesen. Die Einführung der Modula- tion müsse zurückgestellt werden, bis klar ist, was die Kommission für die plane. Dazu kann ich nur sagen: Ge- nau umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn wir jetzt nicht zeigen, was wir wollen, brauchen wir uns nicht zu wun- dern, wenn am Ende Vorschläge auf dem Tisch liegen, die nicht den deutschen Interessen entsprechen. Das sage ich mit besonderem Nachdruck an die Adresse der Abgeord- neten von CDU und CSU. Ich erinnere an die Worte von Kommissar Fischler, der Ihnen diese Zusammenhänge auf dem CDU-Landwirtschaftskongress im Mai diesen Jahres glasklar dargelegt hat. Wir müssen uns an die Spitze der Diskussion in Europa stellen. Sonst laufen wir Gefahr, dass Mittel im Zuge der Osterweiterung nicht innerhalb der Landwirtschaft zu- gunsten des ländlichen Raumes umverteilt werden, son- dern verloren gehen. Deshalb appelliere ich an alle: Las- sen Sie uns jetzt diese Chance nutzen, Agrarpolitik zukunftssicher zu machen. In der bisherigen Diskussion über die Modulation war es mir ein wichtiges Anliegen, zu einer breit getragenen Lösung zu kommen. Deswegen bin ich insbesondere den Wünschen der Länder weit entgegengekommen. Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf haben wir aus meiner Sicht einen akzeptablen Kompromiss gefunden: Wir set- zen einerseits ein deutliches Zeichen für eine Neuorien- tierung der Agrarförderung. Wir gehen andererseits mit einem mäßigen Kürzungssatz von 2 Prozent auch auf die Landwirtschaft zu, zumal die gekürzten Mittel der Land- wirtschaft nicht verloren gehen, sondern ergänzt um zu- sätzliche nationale Kofinanzierungsmittel für gezielte Fördermaßnahmen zur Verfügung stehen. Mit dem vorge- sehenen Freibetrag von 10 000 Euro nehmen wir Rück- sicht auf kleinere Betriebe. Gleichzeitig wird verhindert, dass die Modulation einseitig zulasten bestimmter Regio- nen, insbesondere der neuen Bundesländer geht. Durch die Verschiebung auf 2003 bleibt genügend Zeit, die ver- waltungsmäßige Umsetzung sorgfältig vorzubereiten und insbesondere ein überzeugendes Wiederverwendungs- konzept zwischen Bund und Ländern abzustimmen. Bei der Ausgestaltung dieses Wiederverwendungskonzepts sind wir schon gut vorangekommen. Der Bund hat den Ländern bekanntlich bei der Ver- wendung von Modulationsmitteln seine Beteiligung über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruk- tur und des Küstenschutzes“ angeboten. Im Vordergrund stehen dabei Maßnahmen zur Stärkung einer nachhal- tigen, umweltgerechten Landbewirtschaftung, die über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen. Mir geht es darum, dass zum Beispiel enge Fruchtfolgen erweitert werden, durch Zwischenfruchtanbau und Winterbegrü- nung Vorsorge gegen Erosion und Nitratauswaschung ge- troffen wird und Emissionen durch Anwendung moderner Gülleausbringungstechnik vermieden werden. Darüber hinaus möchte ich denjenigen Landwirten eine Förderung anbieten, die besonders umwelt- und tiergerechte Hal- tungsverfahren praktizieren. Derzeit werden entsprechende Fördermaßnahmen in- tensiv mit den Ländern beraten. Damit sollen den Ländern differenzierte Maßnahmen angeboten werden, die je nach den regionalen Besonderheiten und Bedürfnissen in An- spruch genommen werden können und deren Einhaltung kontrolliert werden kann. Mein Ziel ist, dass Bund und Länder im Dezember über die Grundzüge für die Umsetzung der Modulation über die Gemeinschaftsaufgabe beschließen. Bekanntlich hat der Bundesrat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zwar grundsätzlich eine positive Haltung eingenommen, dies aber mit einer Reihe von Forderungen verbunden. Die Länder fordern unter anderem, gesetzlich festzulegen, dass die Wiederverwendung der Mittel vorrangig in dem Land erfolgen soll, wo die Mittel durch Kürzung angefal- len sind. Dieses Grundprinzip hatten wir bereits anlässlich der Agrarministerkonferenz am 9. Juli 2001 vereinbart. Die Bundesregierung steht zu dieser politischen Verein- barung und kann daher einer gesetzlichen Festlegung zu- stimmen. Anders sieht es dagegen bei den übrigen Gesetzes- anpassungen aus, die die Länder fordern. Vorrangig geht es hier um die Finanzierungsfrage. Der Bund ist wie bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bereit, 60 Pro- zent der Kosten zu übernehmen. Die Länder – ich kann das ja aus deren Sicht verstehen – fordern mehr zu über- nehmen. Der Streitwert, über den wir uns unterhalten, be- trägt 12 Millionen Euro, aufzuteilen auf 16 Länder. Die- ser Betrag käme der Landwirtschaft zusätzlich zugute. Er flösse in Maßnahmen, die in den Ländern noch nicht aus- reichend berücksichtigt werden. In Anbetracht des Streit- wertes bin ich optimistisch, dass wir gemeinsam eine Lö- sung finden. Schließlich noch eine Bemerkung zum Thema Verwal- tungsaufwand. Ich bestreite nicht, dass die Modulation ei- nen gewissen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Dieser ergibt sich vor allem aus dem vorgesehenen Freibetrag. Der aber ist Kernelement des gefundenen Kompromisses und geht auch auf den Wunsch zahlreicher Länder zurück. Insoweit muss der daraus resultierende Aufwand akzeptiert werden. Im Übrigen sind wir dabei, auf Fachebene gemeinsam mit den Ländern ein Verwaltungsverfahren zur Durch- führung der Modulation zu entwickeln. Es zeichnet sich inzwischen eine Lösung ab, die administrierbar und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist. Meine Damen und Herren, allen Versuchen von CDU/CSU und FDP zum Trotz: Die Modulation wird kommen! Wir müssen für die offenen Fragen nicht heute oder morgen eine Lösung finden. Ich bin optimistisch, dass wir das bis 2003 schaffen. Und ich bin sicher: Es wird Ihnen nicht gelingen, mithilfe der Länder dieses wichtige Element der Agrarwende zu torpedieren. Die Modulation ist ein Chance. Eine Chance für eine umweltverträgliche Landwirtschaft mit artgerechter Tier- haltung. Eine Chance für eine zukunftsfähige und auf Nachhaltigkeit gerichtete Agrarpolitik. Wir sollten sie nicht länger ungenutzt lassen! Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119432 (C) (D) (A) (B) Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: a) Abschaffung der Kapazitätsbeschränkungen für Werften in Mecklenburg-Vorpommern b) Faire Wettbewerbsbedingungen für die Werft- industrie in Mecklenburg-Vorpommern (Ta- gesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Dr. Margrit Wetzel (SPD): In den 90er-Jahren erhiel- ten die Werften in Mecklenburg-Vorpommern hohe In- vestitionsbeihilfen aus öffentlichen Mitteln, um ihre Umstrukturierung zu modernen, wettbewerbs- und leis- tungsfähigen Schiffbaubetrieben zu ermöglichen. Da sie mit diesen Beihilfen keine grundlegenden Wettbewerbs- vorteile gegenüber anderen europäischen Werften auf- bauen sollten, wurden von der EU Kapazitätsbegrenzun- gen in Höhe von insgesamt 327 000 cgt auferlegt, die für die Schiffbaubetriebe in Wismar, Rostock, Stralsund und Wolgast bis zum Jahre 2005 gelten. Die Modernisierung der Werften ist mit beispielhafter Kreativität gelungen: Leistungsfähige moderne Betriebe mit überzeugendem Management, mit hoher Systemkom- petenz und Präzisionsfertigung sind zugleich Vorbild für neue Kooperationsformen, in denen komplexe Module an Subunternehmer abgegeben, bestimmte Fertigungstech- niken gebündelt ausgegliedert und schließlich in der Produktverantwortung der Werft zu modernen, zeitge- recht fertig gestellten, qualitativ hochwertigen High-Tech- Schiffen zusammengebaut und abgeliefert werden. Die Leistungsfähigkeit und Ablieferungsqualität der ostdeut- schen Werften ist im Reigen der westlichen Industrielän- der wettbewerbsfähig; entsprechend konnten Aufträge ak- quiriert werden. Und doch musste trotz voller Auftragsbücher in Wis- mar und Warnemünde Kurzarbeit verhängt werden. Der Grund: die von der EU festgelegten Kapazitätsbegren- zungen zum Schutz der anderen europäischen Werften. Tatsächlicher Wettbewerber der ostdeutschen Werften sind aber nicht vorrangig die europäischen Mitbewerber, sondern ist die koreanische Schiffbauindustrie. Aufträge, die bei ostdeutschen Werften platziert sind und aufgrund der Kapazitätsbegrenzungen nicht ausgeführt werden können, gehen umgehend nach Korea und schwächen da- mit nicht nur den ostdeutschen, sondern den gesamten eu- ropäischen Schiffbaumarkt. Der Weltschiffbaumarkt hat sich durch das Zusam- menwirken der hohen Leistungsfähigkeit der modernen, großen koreanischen Werften mit einer unverantwortli- chen koreanischen Dumpingpreispolitik, bei der Schiffe bis zu 40 Prozent unter den eigenen Gestehungskosten an- geboten werden, dramatisch verändert. Korea hält inzwi- schen mehr als 50 Prozent der Marktanteile bei Schiffs- neubauten. Wir haben im Deutschen Bundestag mehrfach Debatten darüber geführt und der Bundesregierung mit der breiten Mehrheit aller Fraktionen den Rücken gestärkt für eine überzeugende deutsche und europäische Politik gegen das unseriöse Vorgehen Koreas und die Klageerhe- bung vor der WTO. Bereits im Jahr 2000 beantragte die Bundesregierung eine Überprüfung der nicht mehr zeitgemäßen Kapa- zitätsbeschränkungen der Ostwerften. Es ist nicht nachzu- vollziehen, dass Korea seine Schiffbaukapazitäten mit Geldern des IWF ausbaut und ostdeutsche Werften gleich- zeitig im Auftrag europäischer Wettbewerbshüter Auf- träge ablehnen sollen, die die hier dringend notwendige Arbeit sichern könnten. Der Antrag der Bundesregierung wurde von der EU-Kommission unter Verweis auf die Überkapazitäten am Weltschiffbaumarkt negativ beschie- den. Insofern ist die im CDU-Antrag erhobene Forderung mehr als unrealistisch und entspricht auch nicht den Ver- einbarungen, mit denen wir überfraktionell die Arbeit des Wirtschaftsministeriums politisch begleitet haben. Ich darf an dieser Stelle gerade auch dem Bundeswirtschafts- minister, seinen Staatssekretären und Beamten danken, die uns imAusschuss regelmäßig und umfassend über ihre Bemühungen, die Schwierigkeiten der Verhandlungen in Brüssel und mögliche Erfolgsaussichten in Teilbereichen unterrichtet haben. Herzlichen Dank für diese vertrauens- volle Zusammenarbeit, mit der Sie sich auch immer die Unterstützung des ganzen Hauses gesichert haben! Der enge Rahmen der jährlich und pro Werft festge- legten Produktionsbeschränkungen macht es den Werften unmöglich, betriebswirtschaftlich sinnvoll auf ihre Pro- duktivitätsentwicklungen, auf die Verringerung der Ferti- gungstiefe oder auf technologisch bedingte Änderungen der Produktionsplanungen zu reagieren. Die Bundes- regierung hat nach der Ablehnung des Antrages im Jahr 2000 deshalb Spielräume gesucht, wie man diesem Umstand Rechnung tragen und den Werften, auf ihre faktischen Gegebenheiten gründend auf eine akzeptable und faire Weise Luft verschaffen könnte. Die Regierung hat nach zahlreichen langwierigen und intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission ausge- handelt, dass die für die Werften in Mecklenburg-Vor- pommern bis 2005 weiterhin geltenden Kapazitätsbe- grenzungen ab 2001 flexibel gehandhabt werden können: Die ostdeutschen Werften dürfen Kapazitäten, die sie in einem Jahr nicht ausnutzen, auf das nächste Jahr übertra- gen. Sie dürfen Kapazitäten untereinander austauschen, indem sie nicht selbst genutzte Anteile auf eine andere ostdeutsche Werft übertragen, und sie dürfen werfttypi- sche arbeitsintensive Leistungen, die sie an Dritte verge- ben – eine bei den deutschen Werften inzwischen übliche Praxis zur Erzielung höherer Effizienz – bei der Berech- nung ihrer Schiffbauproduktion berücksichtigen. Diese von der Europäischen Kommission genehmigte neue Regelung sichert den ostdeutschen Werften größere betriebswirtschaftliche Spielräume und schafft ihnen Luft, weil die Regelung bereits für 2001 gilt. Die Kurzar- beit konnte aufgehoben werden und die Bundesregierung hat in enger Abstimmung mit dem Ministerpräsidenten des Landes wesentlich dazu beigetragen, die Werftar- beitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. Wir freuen uns über diesen Verhandlungserfolg, der ein für die Werften praktikables Ergebnis erzielt hat. Wir alle hätten lieber eine Aufhebung der Kapazitätsbeschränkun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19433 (C) (D) (A) (B) gen gehabt, sollten nach der erfolgten Ablehnung des ent- sprechenden Antrages durch die Kommission aber die Leistung der Bundesregierung, die mit hoher Kreativität, Kompetenz, Sensibilität und Nachdruck in den Verhand- lungen erbracht wurde, auch entsprechend würdigen und anerkennen. Noch einmal: Dank für dieses Ergebnis, ma- chen Sie weiter auf diesem Weg, begleiten Sie unsere Werften politisch auf dem knallhart umkämpften Schiff- baumarkt! Ich möchte diese Gelegenheit aber auch nutzen, noch einmal wieder darauf hinzuweisen, dass die deutschen Werften keine Beihilfen und Subventionen bräuchten, wenn wir endlich faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt hätten: Wir brauchen ein OECD-Schiffbauab- kommen, dem sich alle wichtigen Schiffbaunationen ver- pflichtet wissen, einAbkommen, das faire Regelungen der Preisgestaltung enthält und Sanktionen bei Verstößen vor- sieht. Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung uns in Kürze einen Bericht zu den Fortschritten bei diesen in- ternationalen Verhandlungen vorlegen wird. Das Stich- wort Sanktionen erinnert daran, dass das Parlament die Regierung beauftragt hat, zu eruieren, inwieweit der In- ternationale Weltwährungsfonds ein Mandat erhalten könne, sich zur Überwachung und Bewertung der Einhal- tung von Kreditbedingungen auch mit sektoralen Angele- genheiten zu befassen. Wir sind nach wie vor nicht bereit, zu akzeptieren, dass deutsche und europäische Gelder des IWF in Korea – und sei es auch nur indirekt – dazu ver- wandt werden, den Weltschiffbaumarkt dramatisch in sei- nem Gefüge zu stören, deutsche und andere europäische Werften um ihre Existenzgrundlagen zu bringen und ein langfristig selbstzerstörerisches Dumpingpreisgefüge am Markt zu etablieren, das durch die entstehenden Überka- pazitäten auch noch dazu beiträgt, die Umsatzentwicklung des gesamten Schifffahrtsmarktes ins Wanken zu bringen. Ich bitte deshalb alle Fraktionen des Hauses, in den Ausschussberatungen doch wieder zu einer einvernehm- lichen Linie zu finden und unserem Antrag zuzustimmen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): „Wir stehen vor dem Scherbenhaufen, den die Politik hinter- lassen hat“, urteilte vor kurzem der Betriebsrat der Aker- MTW-Werft in Wismar und brachte die Stimmung unter den Wismarer Schiffbauern auf den Punkt: „Trotz vieler Aufträge Kurzarbeit. Wer soll das verstehen?“ Die SPD- Bürgermeisterin dieser Hansestadt stellte knallhart fest: „Ich bin von Landes- und Bundesregierung enttäuscht.“ Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern leiden un- ter dem Diktat aus Brüssel. Noch immer gelten die Kapa- zitätsobergrenzen. Kurzarbeit bei vollen Auftrags- büchern, Brüssel zeigt der Bundesregierung auch für den Schiffbau die rote Karte. Das jetzt als Erfolg verkaufte Austauschverfahren zwi- schen den Werften ist lediglich ein Verfahrenstrick unterhalb der Deckelung ohne tatsächliche Lösung. Neue Aufträge können nicht angenommen, zusätzliche Arbeitsplätze nicht geschaffen werden. Das Verfahren selbst ist fragwürdig. Keine Werft will freiwillig ihr Kontingent aufgeben, keine auf Auftragschancen verzichten. Allein die von Brüssel genehmigte so genannte Out- sourcing-Formel bringt eine geringe Erleichterung. Die Peene-Werft in Wolgast kann damit pro Kalenderjahr ein Viertel Schiffe mehr bauen. Eine Zukunftslösung ist das keinesfalls, so Gewerkschaftsvertreter. Was wir brauchen, ist ein fairer Wettbewerb für die Küste ohne Kontingente, Subventionen und Reglementie- rungen; und das weltweit. Dafür muss sich die Bundesre- gierung bei OECD, den G-7-Staaten, in Brüssel, aber auch in Fernost, einsetzen. Ohne Wettbewerbsverzerrung ha- ben deutsche Werften eine Zukunft, weil deren Bauten weltweit für Qualität stehen. Bleibt es bei Staatshilfen, ist die Zukunft von 50 der 100 Werften extrem gefährdet. Schiffbau und Schifffahrt stehen vor den größten He- rausforderungen, die sie je gehabt haben: Nicht gelöst sind die unfairen Handelspraktiken der Südkoreaner. Bis zu 40 Prozent unter den Herstellungskosten verkaufen sie ihre Boote. Korea ist im Weltschiffbau Nr. Eins, Japan folgt und China holt auf. Seit drei Jahren zaudert und zögert die EU-Kommis- sion bei Sanktionen gegen Fernost. Deutschland als wich- tigstes europäisches Schiffbauland bleibt ohne Durch- setzungskraft, Dänemark dominiert in Brüssel das Geschehen. Immer mehr zeigt sich: Es war falsch, auf die EU und den guten Willen der Koreaner zu setzen. Besser wäre eine OECD- oder G-7-Vereinbarung über klare faire Handelsbedingungen im Weltschiffbau gewesen. Drei Jahre hat man nichts unternommen, nun dramatisiert sich die Lage. Es muss endlich gehandelt werden. Chefsache muss der Schiffbau werden. Nicht gelöst ist, ob die auslaufende Abwehrbeihilfe für die Werften vom EU-Industrieministerrat verlängert wird. Nicht gelöst ist, ob das derzeit laufende Programm be- grenzt bleibt auf Ablieferungstermine bis 2003. Ungewiss ist auch, ob es für bestehende Schiffsneubauaufträge bis 2004 gestreckt wird. Was macht die Bundesregierung? Sie veranstaltet eine publikumswirksame zweite Maritime Konferenz; halbherzig ohne Kanzler, ohne den zuständi- gen Wirtschaftsminister. Die erste Konferenz dieser Art in Emden endete mit Appellen, und dabei blieb es; das Ros- tocker Treffen ist dieser Ausrichtung treu geblieben. Wird jetzt nicht konkret und knallhart gehandelt, sind besonders die mittelständischen Werften existenziell ge- fährdet; darauf weisen die Fachverbände mit großer Sorge hin. Damit geriete auch die maritime Wirtschaft insge- samt in Bedrängnis, denn der Schiffbau ist und bleibt die Kernbranche. Ein Einbruch hier hätte nicht nur verhee- rende Folgen für die Küste, sondern auch Konsequenzen bei den Zulieferern. 70 Prozent der Wertschöpfung eines Schiffes kommen aus Süd- und Westdeutschland. 220 000 Arbeitskräfte sind in Deutschland in der ma- ritimen Wirtschaft beschäftigt. Die Schifffahrt mit 49 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 18 Milliar- den Mark stellt den größten Anteil. Die maritime Zulie- ferindustrie und der Schiffbau mit zusammen 96 000 Be- schäftigten, die einen Umsatz von 24 Milliarden Mark erwirtschaften, folgen. Die Wettbewerbshilfe ist anerkennenswert, sie stärkt die Wirtschaft. Doch seit Mai vergangenen Jahres gibt es ein Gezerre um die Werften in Schleswig-Holstein. Der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119434 (C) (D) (A) (B) Bundesregierung ist es nicht gelungen, die Landesregie- rung in Kiel zur Einhaltung ihres Anteils bei der Kofinan- zierung der Werftenhilfe zu bewegen; alle anderen vier norddeutschen Länder haben den Vertrag eingehalten, eine Situation zum Nachteil des Schiffbaulandes Schles- wig-Holstein. Solange Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanz- ler nicht ihre ganze Autorität für den Schiffbau einsetzen, bleibt es bei reinen Ankündigungen. Eine Zukunft für das Werftenland Deutschland entsteht daraus nicht. Werner Kuhn (CDU/CSU): An der mecklenburgi- schen und vorpommerschen Küste gab und gibt es etliche traditionsreiche Schiffsbauplätze mit einer wechselrei- chen Geschichte, geprägt von einem stetigen Struktur- wandel über die Jahrhunderte. Nach dem Krieg bis Ende der 80er-Jahre hat sich das Kombinat „Schiffbau“ in der ehemaligen DDR auf eine Jahreskapazität von über 500 000 BRT bei 35 000 Beschäftigten entwickelt. Nach der Wende erfolgte durch die Treuhandanstalt die erste Privatisierung, die komplett auf den Bremer Vulkan Verbund zugeschnitten war. Wie sich im Nachhinein he- rausstellte, wurde das Geld für die Investitionsbeihilfe zweckentfremdet genutzt und das Cash-Management von Herrn Hennemann war die zarteste Versuchung, seit es Plünderungen gibt. Ein schwerer Rückschlag für die Plat- zierung der ostdeutschen Werften Wismar, Rostock, Stral- sund und Wolgast am internationalen Markt. Dann erfolgte der zweite Anlauf, unsere Werften in Mecklenburg-Vorpommern zu wettbewerbsfähigen Kon- taktwerften umzurüsten. Das erfolgte mit finanziellen Mitteln der Europäischen Union aus dem GA-Fonds und den Investitionszulagen aus dem Land. Für die Förder- mittel der EU wurde – wieder im Nachhinein betrachtet – aber ein zu hoher Preis bezahlt. Eine Kapazitätsbegren- zung für alle vier Werftstandorte von 327 000 CGT über einen Zeitraum von zehn Jahren ist viel zu starr und un- flexibel, um auf den internationalen Wettbewerb zu rea- gieren. Sicher hat die Bundesregierung mit der Übertragbar- keit von Teilen der Quote von einem Geschäftsjahr ins an- dere, mit einer möglichen Verschiebung der Anteile in- nerhalb des Werftenverbundes Ost für eine kurzfristige Entlastung der angeschlagenen Werften in Mecklenburg- Vorpommern gesorgt. Das Grundproblem der deutschen Werften am internationalen Markt ist damit aber keines- falls gelöst. Durch die anhaltenden Wettbewerbsverzer- rungen der Koreaner mit ihren Dumpingpreisen, die mit bis zu 40 Prozent unter den Herstellungskosten liegen, verliert die deutsche maritime Verbundwirtschaft von Monat zu Monat immer mehr Marktanteile. Es kann nicht angehen, dass die Koreaner mit verdeck- ten und sogar offenen Subventionen wie Betriebskos- tenzuschüssen, Steuernachlässen, Schiffbaubeihilfen und der Vergabe zinsloser Kredite einen Auftrag nach dem an- deren im Frachtschiffbau verbuchen können und unsere hochmodernen Kompaktwerften wegen der besagten Ka- pazitätsbegrenzung sich nicht einmal am Wettbewerb be- teiligen können. Mittlerweile konzentrieren sich mehr als 50 Prozent der Kapazität im Weltschiffbau auf Südkorea und deutsche Unternehmen sind gezwungen, nur noch als Zulieferer oder Lizenzgeber Stück für Stück ihre System- führerschaft aus der Hand zu geben. Von diesem Preis- kampf besonders geschädigte Marktsysteme sind Contai- nerschiffe, Chemikalien- und Produktentanker. Wie Ihnen sicher bekannt ist, liegt Mecklenburg-Vor- pommern mit seinem Bruttoinlandsprodukt aufgrund der Strukturschwäche im unteren Drittel im Vergleich der Länder in der Bundesrepublik. Die vier Kompaktwerften sind mittlerweile die einzigen noch verbliebenen industri- ellen Kerne im Nordosten. Eine Lösung, die Ferti- gungstiefe der Werften zu verringern und mit Outsourcing die Kapazität scheinbar zu erhöhen, bringt keine wirkli- che Verbesserung der Industrielandschaft und keine ent- sprechende Entlastung des Arbeitsmarktes in Mecklen- burg-Vorpommern. Die Hauptzulieferer – das können sie in allen einschlägigen Statistiken nachlesen – befinden sich im Westen und Süden Deutschlands. Die Funktion der Werften als Kristallisationspunkte für die Entwick- lung von kleinen- und mittelständischen Unternehmen ist von der jetzigen Bundesregierung und von der rot-roten Landesregierung sträflich vernachlässigt worden. Bei einer Arbeitslosenquote, die sich Richtung 20 Pro- zent bewegt, und einem Wirtschaftswachstum in Meck- lenburg-Vorpommern, das mittlerweile rote Zahlen schreibt, nutzen den Menschen, deren Existenz vom Schiffbau abhängt, keine langwierigen bilateralen Ver- handlungen zwischen der Bundesregierung und Korea. Eine Klage vor der Welthandelsorganisation wegen un- zulässiger Subvention mag ja zum Erfolg führen, ist aber ebenfalls kein probates Mittel der Soforthilfe. Das jetzt schon über zehn Jahre in Aussicht gestellte OECD-Ab- kommen über einen fairen Schiffbauwettbewerb wird wohl eher das Jüngste Gericht entscheiden, als dass wir auch nur mittelfristig klare Verhältnisse haben werden. Deshalb fordert die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag die Bundesregierung und die Europäische Union eindeu- tig auf, die wirtschaftsfeindlichen Kapazitätsbeschrän- kungen der Werften in Mecklenburg-Vorpommern inner- halb des kommenden Jahres komplett aufzuheben. Weiterhin fordern wir: Erstens. Damit die deutsche ma- ritime Industrie nicht weiter an Boden verliert, ist die un- bedingte Wiedereinführung der Schiffbaubeihilfe in Höhe von mindestens 300 Millionen DM für das Haushaltsjahr 2002 zu vollziehen. Hier müssen besonders die bereits er- wähnten Marktsegmente wie Containerschiffe, Chemie- und Produktentanker wieder international wettbewerbs- fähig gemacht werden. Zweitens. Wir fordern die Bundesregierung auf, fol- gende Änderungen im steuerlichen Bereich mit sofortiger Wirkung zu realisieren: Zulassungen von Rückstellungen für Drohverluste im Schiffbau, Änderungen der Mehr- wertsteuererhebung während der Bauzeit von Schiffen. Drittens. Die deutsche Schiffbauindustrie darf ihre Technologieführerschaft nicht kampflos aufgeben. Des- halb muss Forschung und Entwicklung zielorientiert gefördert werden. Die Bewilligungsprozesse müssen be- schleunigt werden und die Förderquote F und E muss auch komplett ausgeschöpft werden. Die politische Ex- portunterstützung besonders für öffentliche Aufträge von Drittländern muss intensiviert werden. Das Gleiche gilt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19435 (C) (D) (A) (B) für eine großzügigere Anwendung des Garantieprozede- res für ausländische Besteller. Die Werftindustrie in Mecklenburg-Vorpommern ist längst noch nicht über dem Berg. Das zeigen die nur rar gefüllten Auftragsbücher für die kommenden Jahre. Trotz der erreichten Flexibilität bezüglich der Schiffbauquote ist kein Normalzustand in dieser Industriebranche in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen. Ganz konkret fordern wir die Bundesregierung auf, die bestehenden Ka- pazitäten der ostdeutschen Werftindustrie für den Auftrag Korvette K 130 in vollem Umfang zu nutzen. Es kann nicht angehen, dass bei einem Gesamtauftragsvolumen von 1,72 Milliarden nur 1,5 Prozent – sprich 26 Millionen DM – in unserem Bundesland realisiert werden. Wenn sie den Aufbau Ost wirklich ernst nehmen, dann erwarten wir hier volles Engagement, damit die Menschen auch in Mecklenburg-Vorpommern wieder Zuversicht erreichen. Wo ist die „Chefsache“ Aufbau Ost, Herr Bundeskanzler? Dazu genügt nicht die ruhige Hand, denn Arbeit schafft man nicht mit links. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Zukunft der Werften in Mecklenburg-Vor- pommern ist eine der Angelegenheiten, die sich praktisch alle Fraktionen zu Eigen gemacht haben. Schon in der Vergangenheit waren oft nur wenige Unterschiede zu er- kennen. Ich darf daran erinnern, dass wir erst im Frühjahr einen breiten überfraktionellen Konsens erzielt haben. Uns eint die Sorge um die ökonomische Zukunft der Werften und die Sorge um die Sicherheit der Arbeitsplätze in der Werftindustrie. Bündnis 90/Die Grünen stellen fest, dass es der Bun- desregierung nach langen, schwierigen und zähen Ver- handlungen gelungen ist, die Europäische Kommission zu einer positiven Entscheidung in der Frage der Kapazitäts- begrenzungen zu bewegen. Dies ist umso bemerkenswer- ter, als noch im vergangenen Jahr der Wunsch der Bun- desregierung nach einer entsprechenden Überprüfung durch die EU-Kommission negativ beschieden wurde. Uns allen ist bewusst, dass der enge Rahmen der jähr- lich und pro Werft festgelegten Produktionsbeschränkun- gen wenig sinnvoll ist. Diese Kapazitätsbegrenzungen sind eine Fessel für die Produktivitätsentwicklung und eine Bremse für notwendige ökonomische Planungen und Entscheidungen für die Zukunft. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass die Bundesregierung mit großem Engagement und mit hohem Nachdruck die Interessen Mecklenburg-Vorpommerns, die Interessen der in den Werften Beschäftigten und natürlich der Werftindustrie selbst gegenüber der EU-Kommission vertreten hat. So ist es gelungen – übrigens ohne großen öffentlichen Wirbel zu veranstalten –, ein erfreuliches und vor allem ein hand- habbares Ergebnis zu erzielen. Der Antrag der Union, der heute überwiesen werden soll, ist aus meiner Sicht erledigt. Im Interesse der Sache wäre es daher hilfreich, wenn die Opposition diesen An- trag zurückziehen würde und dem Antrag der Koalitions- fraktionen beitreten oder diesem zumindest zustimmen würde. Die Bundesregierung hat zwar die Kapazitätsobergren- zen nicht wegverhandeln können. Sie hat aber erreicht, dass diese Obergrenzen ab sofort flexibel und damit den betrieblichen Erfordernissen entsprechend angewandt werden können. Das heißt im Klartext, dass nicht genutzte Kapazitäten von einem Jahr auf das nächste übertragen werden können. Das heißt konkret, dass nicht selbst ge- nutzte Kapazitäten auf eine andere ostdeutsche Werft übertragen werden können. Diese vereinbarte neue Rege- lung trägt mehr zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Werften bei, als alle Anträge der Oppo- sition zusammen. Dank unserer intensiven und erfolgrei- chen Bemühungen haben die Werften größere betriebs- wirtschaftliche Spielräume. Gleichzeitig haben wir damit einen erheblichen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze geleistet. Hans-Michael Goldmann (FDP): Die zweite Natio- nale Maritime Konferenz am Anfang dieser Woche in der Hansestadt Rostock hat gezeigt, welche große Bedeutung die maritime Wirtschaft, nicht nur an der Küste, sondern insgesamt in Deutschland hat. Die Säulen dieser maritimen Wirtschaft sind: Schiff- bau und Werften, Seeverkehrs- und Hafenwirtschaft, ma- ritime Zulieferer und Dienstleister, Meerestechniken, ma- ritime wissenschaftstechnische Infrastruktur: Aber auch maritimer Tourismus und Fischereiwesen, Meeresbiolo- gie und Meeresmedizin sind außerordentlich bedeutend, sie sichern eine Vielzahl hoch qualifizierter Arbeitsplätze und haben aufgrund ihres Eigenpotenzials und angemes- sener politischer Begleitung sehr gute Zukunftschancen. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu begrüßen, dass sich die Wettbewerbsbedingungen durch Kapazitätsver- änderungen für die Werftindustrie in Mecklenburg-Vor- pommern ein bisschen verbessert haben. Die Werften in Mecklenburg-Vorpommern haben in den 90er-Jahren hohe Investitionsbeihilfen erhalten, sodass moderne Wett- bewerbs- und leistungsfähige Schiffbaubetriebe entstehen konnten. Als Ausgleich dafür wurden den Werften in Wis- mar, Rostock, Stralsund und Wolgast Kapazitätsbegren- zungen auferlegt (327 000 cgt), die bis zum Jahre 2005 gelten sollen. Ab 2005 sollten diese Kapazitätsbegren- zungen flexibel gehandhabt werden. Es war immer Anlie- gen aller an der maritimen Wirtschaft, an den Werften und ihren Arbeitsplätzen Interessierten, diese Kapazitätsbe- schränkungen aufzuweichen. Lange hat sich die europäische Ebene dagegen ge- wehrt. Vor allem die Dänen waren es, die sich deutschen Bestrebungen entgegenstellten. Es ist gut, dass es jetzt der Bundesrepublik Deutschland mit Unterstützung der Län- der und aller werftinteressierten Menschen geglückt ist, eine Regelung auf europäischer Ebene zu erreichen, die ein bisschen mehr Freiheit für die Werftindustrie in Meck- lenburg-Vorpommern mit sich bringt. Aber die neue Frei- heit, die im Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bejubelt wird, weil die Bundesregierung in „ganz hervor- ragender Weise“ den Werften in Mecklenburg-Vorpom- mern Rechnung getragen hat, sie relativiert sich bei ge- nauem Hinsehen doch sehr stark. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119436 (C) (D) (A) (B) Denn die Werften in Mecklenburg-Vorpommern nut- zen ihre Kapazitäten jährlich; insofern gibt es keine Ka- pazitätsübertragung auf das nächste Jahr. Ein Verschieben von Kapazitäten sozusagen innerhalb der Werftenland- schaft Mecklenburg-Vorpommerns gibt es auch nicht. Dafür ist auch die Konzernkonkurrenz zu stark. Und die Vergabe werftypischer arbeitsintensiver Leistungen bei der Berechnung ihrer Schiffbauproduktion in der Großenordnung von 10 Prozent an andere schafft ver- gleichsweise wenig neue Luft für die Werften. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen und von der sozialdemokratischen Partei, Sie übertreiben in Ihrem Antrag, wenn Sie sagen, dass diese von der europäischen Kommission genehmigte neue Regelung zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Werften in besonderer Weise dazu beiträgt, ihnen größere betriebswirtschaftliche Spielräume zu verschaffen und insbesondere Werftarbeitsplätze zu sichern. Dies ist nicht der Fall. Wir müssen weiter kämpfen, und zwar für unsere Werften, für unsere Werften insgesamt. Der Blick muss dabei nach Südkorea gehen. Die Ver- handlungen mit Südkorea bezüglich einer Einschränkung der äußerst aggressiven Marktpreisdumpingpolitik sind bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt. Es reicht überhaupt nicht aus, wenn der Rat der Europäischen Union die Kom- mission unter anderem auffordert, sich weiter um faire Wettbewerbsbedingungen für den maritimen Bereich, für die Werften zu bemühen, indem unverzüglich konstruk- tive Verhandlungen mit der Republik Korea aufzunehmen sind, um dem unlauteren Wettbewerb Einhalt zu gebieten. Mit Rechtsmitteln muss nicht nur gedroht werden, son- dern sie müssen mit Nachdruck vorangetrieben werden. Europa muss Farbe bekennen. Die Europäische Union und nicht die europäische Schiffbauindustrie muss Klage gegen Korea erheben. Aber es gibt noch eine weitere Bedrohung, die die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werften aushebelt. Da- bei ist die Rede von der neuen Regelung für Exportkredite für Schiffe (CIRR-Commercial Interest Reference Rate). Mit Inkraftsetzen, der in Aussicht genommenen Zinsrege- lung zu Beginn des Jahres 2002, besteht die Gefahr, dass mit diesem neuen Instrument wiederum internationale Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU und welt- weit, das heißt insbesondere mit Korea entstehen. Wir be- grüßen ausdrücklich, dass der Antrag von SPD/ Die Grü- nen zum CIRR-Sachverhalt einen Bericht einfordert. Da sitzen wir im selben Boot. Deshalb haben wir zu dieser außerordentlich bedeutsa- men Regelung bei Schiffbaukrediten (CIRR) als jüngstes Beispiel für Wettbewerbsverzerrungen im Schiffsbau und als ein Beispiel der Benachteiligung deutscher leistungs- fähiger Werften eine Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort der Bundesregierung ist sehr interessant. Ich freue mich, dass die CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion sowie SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit Anträgen und Aktivitäten dazu beigetragen haben, die Wettbe- werbsbedingungen für die Werftindustrie in Mecklen- burg-Vorpommern zu verbessern. Die verbesserten Rah- menbedingungen fallen in Mecklenburg-Vorpommern auf fruchtbaren Boden. Ich finde es außerordentlich posi- tiv, dass die IHK Rostock einen Arbeitsausschuss „Mari- time Wirtschaft“ für ihren IHK-Bereich und einen Ge- samtausschuss „Maritime Wirtschaft“ für das Land Meck- lenburg-Vorpommern etabliert hat, der sich als Sprachrohr aller ihrer Industrie- und Handelskammern für die maritime Wirtschaft versteht. Die FDP-Bundestagsfraktion wird auch zukünftig alle Anstrengungen unternehmen, um der maritimen Wirt- schaft in Deutschland den Stellenwert zu geben, der ihr richtigerweise zusteht. Rolf Kutzmutz (PDS): Auch ich möchte namens der PDS-Fraktion von dieser Stelle aus dem maritimen Koor- dinator der Bundesregierung, Herrn Staatssekretär Dr. Gerlach, für sein bisheriges engagiertes und unterm Strich recht erfolgreiches Wirken für die Zukunft der Werften – gerade auch in Mecklenburg-Vorpommern, ausdrücklich danken. Wir begleiten diese Prozesse be- kanntlich schon seit Jahren konstruktiv und offensiv – wie bisher eigentlich alle Fraktionen dieses Hauses. Und wer die freudigen Reaktionen auf die erzielten und noch ab- sehbaren Kompromisse auf der zweiten maritimen Kon- ferenz am Dienstag in Warnemünde miterleben konnte, der weiß, dass solche Politik auch von den Betroffenen honoriert wird. Umso mehr erstaunt und enttäuscht mich, dass die von mir an sich geschätzten Kollegen Wolfgang Börnsen und Ulrich Adam – und mit ihnen ihre Fraktion – seit Ende September mit dem heute hier debattierten Antrag von Bord gegangen sind. Sie von der CDU/CSU müss- ten doch aus in langjähriger Regierungsverantwortung erwachsener intimer Kenntnis der Brüsseler Szene ei- gentlich am besten wissen, dass dort gerade bei Schiff- baufragen das Florett intensiver Verhandlungen viel Er- folg versprechender als der Säbel solcher Anträge mit Maximalforderungen ist. Und ich finde es ausgespro- chen unverfroren, dass ausgerechnet die Partei von Frau Breuel und den Herren Kohl, Waigel und Seite, die den Vulkan-Skandal politisch zu verantworten haben, sich jetzt hinstellt, als könne man von Brüssel und den ande- ren EU-Mitgliedstaaten das Blaue vom Himmel verlan- gen. Ohne die notwendige Zweitfinanzierung nach dem Vulkan-Debakel bräuchten wir uns heute nicht mit Ka- pazitätsbeschränkungen auseinander setzen, wäre das Misstrauen in die deutsche Beihilfepolitik allerorts nicht so groß. Wer heute – einen Monat vor den entscheidenden Rats- entscheidungen zur befristeten Fortführung der Werften- hilfe – so ein Spektakel anzettelt wie die CDU/CSU, der setzt sich schon dem Verdacht aus, das Gegenteil von dem erreichen zu wollen, was er öffentlich verkündet. Ich glaube aber nicht, dass solches populistisches Vor-Wahl- kampf-Getöse bei den Betroffenen verfängt. Es sollte mich nicht wundern, wenn es auf seine Urheber zurück- fällt. Natürlich unterstützt die PDS in dieser Situation den Antrag der Koalition. Wir alle sollten aber nicht die Au- gen davor verschließen, dass nicht nur – ja wahrscheinlich nicht mal in erster Linie – auf internationalem Parkett – in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19437 (C) (D) (A) (B) Brüssel und bei der WTO –, sondern hier zu Hause noch Aufgaben zu erledigen sind, wenn der deutsche Schiffbau weiter in der Weltklasse mitspielen will. Ich meine die auch in Warnemünde erneut angemahnte stärkere Koope- ration über alle Phasen des Wertschöpfungsprozesses hin- weg – von der Qualifizierung des Personals über For- schung bis Vertrieb der Produkte. Erfolgreiche Ansätze, wie das in Mecklenburg-Vorpommern entwickelte Inno- regio-Projekt „Maritime Allianz“ müssen auch andernorts angeschoben und gefördert werden. Und ich meine auch, dass wir bei einer Wiederauflage einer modifizierten Werftenhilfe noch einmal über deren Kostenverteilung reden müssen. Es geht nicht an, dass zwei Drittel von den Küstenländern zu tragen sind, aber 30 Prozent der damit subventionierten Wertschöpfung allein in Bayern und Baden-Württemberg stattfinden. Wenn sich die CDU/CSU in dieser Frage mal zu einer Ini- tiative aufschwingen würde, dann könnten wir sie auch wieder ernst nehmen. Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie: Die Problematik der Kapazitätsbegrenzungen der Werften in Mecklen- burg-Vorpommern muss vor dem Hintergrund des hier geltenden europäischen Rechts beurteilt werden. Wie Sie wissen, haben in den Neunzigerjahren die ost- deutschen Werften hohe Investitionsbeihilfen aus öffent- lichen Mitteln erhalten: 5 Milliarden DM. Diese von der Europäischen Kommission auf der Grundlage der so ge- nannten „Siebten Schiffbaurichtlinie“ genehmigten Bei- hilfen ermöglichten die erfolgreiche Privatisierung und Erhaltung dieser Werften. Als wettbewerblicher Ausgleich gegenüber den ande- ren europäischen Werften mussten die ostdeutschen Schiffbaukapazitäten bis Ende 1995 um 40 Prozent auf insgesamt 327 000 cgt – compensated gross tonnage, eine Maßzahl für die schiffbauliche Leistung – reduziert und für zehn Jahre auf diese Höhe begrenzt werden. Übrigens entsprach dieser Kapazitätsabbau etwa dem Schrump- fungsprozess, der auch in den Schiffbauindustrien der an- deren EU-Staaten in den Achtzigerjahren stattgefunden hat. Das schon erwähnte einschlägige europäische Recht ließ es zu, dass die EU-Kommission nach fünf Jahren – also nach Ablauf des Jahres 2000 – und nach Maßgabe der weltweiten Verhältnisse von Angebot und Nachfrage auf den Schiffbaumärkten die Kapazitätsbegrenzungen hätte lockern oder aufheben können. Dieser Rechtslage steht seit langem entgegen, dass seit Jahren eine Lockerung wünschenswert ist. Denn um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, hatten die ostdeut- schen Werften auch nach ihren Umstrukturierungen – weltweiten Trends im Schiffbausektor folgend – ihre Fertigungstiefen weiter verringert. Auf die damit erreich- ten hohen Produktivitätszuwächse konnte wegen der star- ren Kapazitätsbegrenzungen nur mit weiterem Arbeits- platzabbau reagiert werden. Auf diese Situation haben die Landesregierung Meck- lenburg-Vorpommern und die Bundesregierung zum Ab- lauf der Fünfjahresfrist rechtzeitig reagiert. Im Frühjahr 2000 – ein Jahr vorher – stellte die Bundesregierung bei der EU-Kommission den Antrag auf Lockerung der Ka- pazitätsgrenzen. Dieser Antrag ist von der EU-Kommis- sion abgelehnt worden. Sie hat ihre Ablehnung mit den bestehenden hohen Überkapazitäten auf dem Schiffbauweltmarkt begründet. Sie verwies darauf, dass die ostdeutschen Werften zwar zum größten Teil Containerschiffe bauen, dass sie aber auch in der Lage sind – und es auch tatsächlich tun –, bei- spielsweise Kreuzfahrtschiffe zu bauen. Damit stehen sie im Wettbewerb mit anderen europäischen Werften. Bei Containerschiffen ist die Lage auf den Weltschiff- baumärkten nach wie vor angespannt. Es gab auch aus einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend deutliche ableh- nende Signale. Eine formale Anhebung der Kapazitätsgrenzen der ostdeutschen Werften hat aufgrund der geltenden Rechts- lage und gegenwärtigen Marktlage keine Chancen. Die- ser Tatsache Rechnung tragend, unterbreitete die Bun- desregierung den Vorschlag, eine systemkonforme Neubewertung der bis 2005 weiter geltenden Kapazitäts- grenzen vorzunehmen. Diesem Vorschlag, durch den die ostdeutschen Werften größere betriebswirtschaftliche Spielräume erhalten, ist die EU-Kommission jetzt weit- gehend gefolgt. Angesichts intensiver Bemühungen der Bundesregie- rung hat die Kommission vor wenigen Tagen die Ent- scheidung getroffen, dass die Kapazitätsbegrenzungen der Werften in Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft fle- xibel gehandhabt werden können. Ab 2001 dürfen in ei- nem Jahr nicht genutzte Kapazitäten auf das nächste Jahr oder eine andere Werft übertragen und an Dritte verge- bene Leistungen bei der Berechnung der Schiffbaupro- duktion berücksichtigt werden. Das ist das bestmögliche Ergebnis, das den ostdeut- schen Werften mehr Luft zum Atmen lässt und den größ- ten Teil ihrer Probleme löst. Die von der Europäischen Kommission genehmigte Regelung trägt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Erhaltung der Arbeits- plätze der ostdeutschen Werften bei. Beispielsweise – und das ist ein sehr greifbares Resultat – könnte daraufhin bei der Aker-MTW-Werft, Wismar, seit Oktober anberaumte Kurzarbeit für rund 400 Mitarbeiter wieder beendet wer- den. Alle Werften haben die Flexibilisierung begrüßt. Sie eröffnet durch die jetzt mögliche Übertragung von 2001 auf 2002 bei einigen Werften im nächsten Jahr sogar noch mehr Spielraum. Lassen Sie mich – anknüpfend an diese für einen großen Bereich des deutschen Schiffbaus wichtige Ver- besserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – kurz über die vorgestern stattgefundene Zweite Nationale Maritime Konferenz berichten. Die Konferenz hat ein Si- gnal für alle am Schiffbau Beteiligten gegeben, gemein- sam die Zukunftschancen für den maritimen Sektor in Deutschland zu ergreifen. Stichworte waren neue Technologien, mehr Koopera- tion, Schaffung eines Netzwerkes, Maßnahmen gegen Ausflaggung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119438 (C) (D) (A) (B) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: a) des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Tren- nung b) der Beschlussempfehlung und des Berichtes zu: – der Unterrichtung: Aktionsplan der Bun- desregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – dem Antrag: Ankündigungen zur Bekämp- fung von Gewalt gegen Frauen – dem Antrag: Frauenrechte sind Menschen- rechte – Gewalt gegen Frauen effektiver bekämpfen – der Unterrichtung: Entschließung des Eu- ropäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Euro- päische Parlament „Weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels“ Ronald Pofalla (CDU/CSU): Gewalt darf in unserer Gesellschaft keine Chance haben. Auch die Familie oder die Partnerschaft sind kein rechtsfreier Raum. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird insoweit Klarheit ge- schaffen. Es werden Regelungslücken geschlossen sowie Instrumentarien zur Eindämmung der Folgen von Gewalt eingeführt. Diesem Gesetzentwurf kommt daher Signal- wirkung zu. Er sorgt dafür, dass zum einen derjenige, der prügelt und Gewalt gegen den Partner oder auch die Kin- der anwendet, sich über die Folgen im Klaren sein muss. Er sorgt weiterhin dafür, dass den Opfern häuslicher Ge- walt Möglichkeiten gegeben werden, sich vor weiteren Gewalttaten und Erniedrigungen zu schützen. Das Optimum wäre natürlich, Gewalt von vornherein zu verhindern, doch das ist nicht möglich. Aber andau- ernde Gewalt und ständige Misshandlungen können nun bekämpft werden. Der Eingriff in die Privatsphäre der Fa- milie bzw. Partnerschaft bleibt zugleich erträglich und ist auch gerechtfertigt. Prügeln ist eben nicht Privatsache. Der Gesetzentwurf verdient deshalb grundsätzlich un- sere Zustimmung, nicht zuletzt auch deswegen, weil ent- scheidende Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsver- fahren vorgenommen worden sind. So ist insbesondere zu begrüßen, dass nunmehr das Kindeswohl als Tatbestandsmerkmal in § 2 Abs. 6 des Ge- setzentwurfes ausdrücklich berücksichtigt wird. Erst jetzt schützt das Gesetz umfassend und lässt keinen Raum mehr für Interpretations- und Auslegungsversuche. Ge- rade Kinder müssen vor der Saat der Gewalt geschützt werden, die leider manchmal bereits in der Familie gelegt wird. Durch die Änderungen und die Aufnahme des Kin- deswohls ist endgültig und eindeutig geklärt: Auch Kin- der müssen vor häuslicher Gewalt geschützt werden. Obwohl die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Ge- setzentwurf im Großen und Ganzen zustimmt, lehnen wir gleichwohl die Art. 10 und 11 des Entwurfes, in denen die Situation gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften berücksichtigt wird, ab. Es soll hier keine präjudizierende Wirkung für das noch im Streit befindliche Lebenspart- nerschaftsgesetz von der Entscheidung über den vorlie- genden Gesetzentwurf ausgehen. Ein wichtiger Grund für die Zustimmung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist jedoch auch die Art und Weise des Gesetzgebungsvorgangs selbst. Ganz im Gegensatz zu den Gesetzgebungsverfahren beispiels- weise bei der unseligen ZPO-Reform oder gar dem so ge- nannten Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, bei dem die Gesetzentwürfe mehr oder minder am Bundestag und sei- nen Gremien in hohem Tempo vorbeigezogen wurden, fand im vorliegenden Fall eine gute und konstruktive Zu- sammenarbeit zwischen der Regierung und den Bundes- tagsfraktionen statt. Tatsache ist, dass hier mit der Regierung – namentlich mit dem Parlamentarischen Staatssekretär, dem Herrn Kollegen Professor Pick – und mit den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen ein reibungsloses und sachliches Zusammenarbeiten möglich war. Frei von ideologischen Scheuklappen und persönlichen Eitelkeiten konnten hier sinnvolle Lösungen gefunden werden. Eine Situation, die man leider in letzter Zeit aufgrund des Re- formierungseifers der Ministerin und den daraus resultie- renden Hoppla-Hopp-Gesetzen nicht sehr häufig im Rechtsausschuss vorfinden konnte. Gerade deswegen möchte ich mich bei dem Kollegen Herrn Staatssekretär Professor Pick bedanken, der meines Erachtens sehr viel Ruhe in die Diskussion gebracht hat, für die Art und Weise der Berichterstattergespräche. Auch den Kolleginnen und Kollegen Berichterstatterin- nen und Berichterstattern gilt mein Dank für ein erfolg- reiches Verfahren. Hier insbesondere der Kollegin Frau von Renesse, der es gelungen ist, ein gutes Arbeits- und Dis- kussionsklima unter den Berichterstattern zu schaffen. Ihre Besonnenheit und Sachkunde waren hier sehr von Nutzen. Von Anfang an konnten Opposition und Koalition mitei- nander diskutieren. Der Erfolg liegt nun auf der Hand: ein durchdachtes, von allen Fraktionen getragenes Gesetz. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir in Zukunft mehr Gesetze in dieser Form verabschieden könnten. Damit wäre allen geholfen, vor allem aber den Bürgerinnen und Bürgern. Denn auf vernünftige und durchdachte Gesetze haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch. Wenn aber Gesetze nur aufgrund parlamentarischer Mehrheiten und nicht durch politischen Diskurs in die Welt gesetzt werden, können sie nicht die Qualität von Gesetzen ha- ben, die durch Konsensfindung und aufgrund fachlicher Diskussionen in den Ausschüssen entstanden sind. Dieses bitte ich die Kolleginnen und Kollegen der Regierungs- koalition und insbesondere auch die Frau Ministerin in Zukunft zu bedenken. Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der Justiz: Ich finde es bedauerlich, dass wir angesichts der Bedeutung dieses wichtigen Gesetzes nur so wenig Zeit haben, um uns mit der Bekämpfung der Gewalt gegen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19439 (C) (D) (A) (B) Frauen und der häuslichen Gewalt insgesamt zu befassen. Gerade in einer Zeit, in der sich viele Menschen ange- sichts äußerer Bedrohungen in die eigenen vier Wände zurückziehen, ist es doch besonders tragisch, wenn einige auch dort den erhofften Frieden und die ersehnte Gewalt- losigkeit nicht finden können. Deshalb ist es umso wichtiger, dass viele Frauen den heutigen Tag, an dem der Deutsche Bundestag endlich nach vielen Jahren der vergeblichen Forderungen dieses Gewaltschutzgesetz beschließt, als guten Tag rot in ihrem Kalender anstreichen. Ich freue mich auch, dass viele Frauen aus Frauenhäusern und aus dem Berliner Inter- ventionsprojekt trotz der späten Abendstunde hierher in den Bundestag gekommen sind, um diesen Beschluss selbst mitzuerleben. Lassen Sie mich gleich zu Beginn meines Beitrages klarstellen: Bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geht es nicht darum, irgendeinen Geschlechter- kampf mit pauschalen Schuldzuweisungen an das eine oder andere Geschlecht auszufechten. Das Gewaltschutz- gesetz ist kein „Antimännergesetz“, obwohl – das ist eine schreckliche Zahl – rund 85 Prozent der Geschlagenen Frauen sind. Vielmehr geht es darum, dass Gewalt als Mittel zur Lösung von privaten Konflikten nicht akzepta- bel ist, egal ob die Gewalt von Männern gegen Frauen oder von Frauen gegen Männer – auch das soll in circa acht Prozent der Fälle so sein – verübt wird. Unser Rechtsstaat kann sie nicht tolerieren; Polizei, Gerichte, Gesetzgeber dürfen nicht wegsehen. Wenn die von uns allen gewünschte Gesellschaft mit weniger Gewalt Wirklichkeit werden soll, ist es eine un- serer wichtigsten Aufgaben, unsere Anstrengungen auch und gerade auf die Verhinderung häuslicher Gewalt zu richten. Wir müssen dies schon deshalb tun, weil Gewalt- erfahrung bei Kindern eben auch dazu führt, dass dies spä- ter als falsche Konfliktslösungsmuster weitergegeben werden, sprich: Gewalt gebiert Gewalt. So verewigt sich der Gewaltkreislauf. Da mein Zeitbudget so begrenzt ist, möchte ich nur drei mir besonders wichtig erscheinende Punkte hervor- heben: Erstens. Das Gewaltschutzgesetz ist ein Meilenstein bei der Bekämpfung von Gewalt im häuslichen Bereich. Zweitens. Das Gewaltschutzgesetz muss in der Praxis mit Leben erfüllt werden. Drittens. Wir dürfen in unseren Bemühungen, in den Köpfen der Menschen die Einstellung zu häuslicher Ge- walt zu verändern, nicht nachlassen; denn dies ist ein lan- ger und mühevoller Weg. Zum ersten Punkt: Das Gewaltschutzgesetz ist ein Mei- lenstein. Häusliche Gewalt hat es zu allen Zeiten gegeben und wird es wohl leider auch in Zukunft – trotz aller Bemühungen – immer geben. Sicherlich sind die Zeiten längst vorbei, als die Juristen – unter ausdrücklicher Billi- gung durch kirchliche Autoritäten – den Ehemännern ein Recht zur Züchtigung ihrer Ehefrauen zugestanden haben. Den betroffenen Frauen mag es wenig genutzt haben, dass die Züchtigung erst am Ende eines Stufenplans – freundliche Ermahnung; wenn dies nicht nutzte, heftiges Schelten; dann körperliche Züchtigung – stand und nur „mäßig“ ausgeübt werden sollte, denn die Demütigung, die Ohnmacht und die Verletzungen blieben. In der Regel wa- ren die Frauen der Gewalt hilflos ausgesetzt. Die Obrigkeit schritt nur bei exzessivem Gebrauch des Züchtigungsrechts ein. Dann war sie aber auch erfinderisch bei den Strafen, wie ein Wirtshausverbot für schlagende Männer belegt. Da wir schon bei der Rechtsgeschichte sind: Hier fin- det sich auch etwas über Männer, die Opfer ihrer Ehe- frauen geworden sind. Hatten Männer sich von ihren Ehe- frauen schlagen lassen, so wurden sie dafür von der Obrigkeit bestraft; denn dies wurde als ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung angesehen. Entweder wurde als Eh- renstrafe wie in der Stadt Zwickau das Dach des Wohn- hauses abgedeckt, da der Ehemann dessen Schutz nicht mehr würdig war. Eine besonders schimpfliche Strafe war der so genannte Eselsritt: Der Esel galt schon damals als Inbegriff der Dummheit, der Lasterhaftigkeit, Trägheit und Störrigkeit. Der arme Sünder musste einen Ritt auf dem Esel durch die Stadt machen, wobei er dem Gespött der Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgesetzt war. Eine besonders demütigende Variante beim Eselsritt war, dass die Person rücklings auf dem Tier sitzen und sich mit den Händen an dessen Schwanz festklammern musste. Zurück in die Gegenwart: Das Züchtigungsrecht des Ehemannes ist schon lange nicht mehr anerkannt, und trotzdem ist doch lange Zeit entschieden zu wenig zur Verhinderung dieser Gewalt unternommen worden. Es ist nämlich erst 25 Jahre – ich wiederhole: 25 Jahre – her, dass hier in Berlin das erste Frauenhaus in Deutschland eingerichtet worden ist und das Tabuthema „häusliche Gewalt“ ans Tageslicht geholt wurde. Heute gibt es sechs dieser Zufluchtsstätten in Berlin und die vorhandenen Plätze reichen gerade einmal aus. Die Zahl der wegen häuslicher Gewalt um Rat suchenden Frauen hat daneben stetig zugenommen. Aber so wichtig Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen sind und auch in Zukunft bleiben werden: Wir müssen das Übel an der Wurzel packen. Wir müssen die häusliche Gewalt an der Wurzel bekämpfen und den Tätern durch geeignete Sanktionen klar machen, dass körperliche Gewalt zur Lösung von privaten Kon- flikten nicht geduldet wird. „Der Schläger geht, die Geschlagene/der Geschlagene, das Opfer bleibt.“ Diesen Grundsatz werden wir mit dem Gewaltschutzgesetz verankern. Wir muten es den Opfern nicht mehr länger zu, selber für ihren Schutz zu sorgen und dabei auch den Verlust der vertrauten Wohnung und Umgebung in Kauf nehmen zu müssen. Aber den Tätern muten wir nicht nur den – zumeist vorläufigen – Verlust zu. Der gerichtlich verordnete Wohnungsverlust hilft ih- nen dabei, sich der eigenen Probleme bewusst zu werden. Viele leugnen ja die Anwendung der Gewalt überhaupt oder, wenn sie sie zugeben, verniedlichen sie sie. Das wis- sen wir nicht erst seit der „unbewussten ausholenden Handbewegung“, die vor einigen Wochen für Schlagzei- len in den Medien sorgte. Ganz besonders müssen wir an die Kinder denken, die Gewalt unter ihren Eltern oder bei einem Elternteil mit dessen Partner miterleben und deshalb miterleiden. Ich kann daher nur unterstützen und begrüßen, dass der Aspekt des Kindeswohls als Ergebnis der parlamentarischen Be- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119440 (C) (D) (A) (B) ratungen noch stärker im Gewaltschutzgesetz berücksich- tigt wird. Wir wollen im Rahmen der Beratungen zum Ge- setzentwurf des Kinderrechte-Verbesserungsgesetzes noch nach weiteren Möglichkeiten suchen, um den Schutz der Kinder bei häuslicher Gewalt zu verbessern. Wenn wir heute – übrigens im Gegensatz zum Gesetz, in dem wir die Gewalt als Mittel der Erziehung geächtet haben, glücklicherweise über die Grenzen der Fraktionen hinweg – gemeinsam das von der Bundesregierung erar- beitete Gewaltschutzgesetz verabschieden werden, so ist dies wirklich ein Meilenstein. Damit haben wir wirklich ein Denkmal gesetzt. Zum zweiten Punkt: Das Gewaltschutzgesetz muss in der Praxis mit Leben erfüllt werden. Wir alle wissen: Das beste Gesetz nutzt nichts, wenn es in der Praxis nicht rich- tig angewendet wird. Deshalb appelliere ich an die Län- der, uns bei unserem Bemühen zu unterstützen. Ganz be- sonders ist es zu begrüßen, wenn in einigen Bundes- ländern eigene Aktionspläne zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgelegt werden. Wir wissen: Ein schnel- les Eingreifen und damit ein Eingreifen der Polizei ist bei häuslichen Gewalttaten zum Schutz der Opfer unabding- bar. Es gibt Modellversuche in einigen Ländern, deren Wirkungen heute schon abgeschätzt werden können: Der Erfolg ist klar. Deshalb sind einige Bundesländer auch schon dabei, ihre Polizeigesetze zu ändern und die Woh- nungsverweisung durch die Polizei ausdrücklich zu re- geln. Ich freue mich, dass wir in den Länderpolizeigeset- zen dem österreichischen Wegweisungsrecht entsprech- ende Regelungen bekommen. Ich erinnere nur an das bre- mische Gesetz, dort steht die entsprechende Regelung schon im Gesetzblatt vom 26. Oktober 2001. An die Bundesländer, die ihre Polizeigesetze – aus wel- chen Gründen auch immer – nicht ergänzen wollen, appel- liere ich, von den bestehenden polizeirechtlichen Mög- lichkeiten Gebrauch zu machen und verstärkt Wohnungs- verweisungen bei häuslicher Gewalt auszusprechen. Ein gutes Funktionieren der gesetzlichen Regelungen in der Praxis erfordert aber auchAus- und Fortbildungsmaßnah- men bei der Polizei, bei der Justiz, bei den Beratungsstel- len und Frauenhäusern, und ich kann hier auch nur an die Länder appellieren, hier die nötigen Maßnahmen zu tref- fen. Damit komme ich auch zu meiner dritten und ab- schließenden Bemerkung: Wir dürfen in unseren Bemühun- gen, in den Köpfen der Menschen die Einstellung zu häus- licher Gewalt zu verändern, nicht nachlassen. Wir müssen hier zu einem Umdenken gelangen. Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit; es ist keine bloße Familienstrei- tigkeit, wie sie auch oft verharmlosend genannt wird. Es geht hier um wichtige Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Freiheit; Menschenrechte, für deren Schutz sich die Rechtsordnung doch sonst so stark macht und einsetzt. Der Schutz kann nicht an der Haustür enden. Mit dem Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung haben wir das Recht eines jeden Kindes auf gewaltfreie Erziehung im Bürger- lichen Gesetzbuch verankert. Mit vielen Maßnahmen ver- suchen wir zu einer Veränderung im Bewusstsein der Eltern – auch der künftigen – beizutragen. Auch bei der häuslichen Gewalt unter Erwachsenen müssen wir das Bewusstsein dafür schaffen, dass Gewalt nicht Recht ist. Das Reichsgericht hat in einer Entscheidung in Straf- sachen aus dem Jahr 1885 zum Züchtigungsrecht des Ehe- mannes ausgeführt: „Ein Erziehungsrecht oder eine Er- ziehungspflicht des Mannes gegenüber der Ehefrau ergibt sich aus diesen Bestimmungen“ – gemeint ist das Preußi- sche Allgemeine Landrecht – „in keiner Weise und ein solches Erziehungsrecht ist die Grundlage des Züchti- gungsrechts. Beim Mangel dieses Rechtes und einer aus- drücklichen gesetzlichen Bestimmung fehlt es für die An- nahme eines Züchtigungsrechtes des Ehemannes gegen die Ehefrau im preußischen Rechte an jeder Grundlage.“ In seiner Entscheidung beruft sich das Reichsgericht zur Bestätigung seiner Auffassung auf ein Reskript aus dem Jahre 1812 – aus dem Jahre 1812 – sowie auf die ständige Rechtsprechung des Obertribunals zu Berlin. Am Ende der Entscheidung heißt es dann, dass das Strafge- setzbuch – ich zitiere – „unzweideutig zu erkennen gebe, dass es weder den Tatbestand der Körperverletzung noch deren Verfolgbarkeit als mit dem Wesen der Ehe unver- träglich ansieht.“ Wenn also schon seit fast 200 Jahren für einen großen Teil unseres Landes anerkannt ist, dass sich ein Ehemann bei Misshandlung seiner Ehefrau wegen Körperverlet- zung strafbar macht, warum sind dann so lange Zeit so viele Straftaten von den staatlichen Organen und der Ge- sellschaft geduldet worden? Ich meine, dieses Beispiel zeigt, dass das Problem in den Köpfen der Menschen sitzt, wie hartnäckig sich alte Vorstellungen in den Köpfen hal- ten können. Da müssen wir nun ansetzen. Dass Recht und Gewalt sich nicht vereinbaren lassen, belegt schon ein al- tes deutsches Rechtssprichwort: „Wo Gewalt Recht ist, hat das Recht keine Gewalt“. Heute können wir gemeinsam der Gewalt das Recht entgegensetzen und damit einen wichtigen Beitrag für un- seren Rechtsstaat leisten! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe zu: – Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkom- men vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau – Entschließung vom 22. Mai 1995 zur Ände- rung des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskri- minierung der Frau – Fakultativprotokoll vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau Renate Gradistanac (SPD): „Bisher war sie eine zahnlose Tigerin, die UN-Konvention zur Beseitigung je- der Form von Diskriminierung der Frau, kurz: CEDAW. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19441 (C) (D) (A) (B) Ab jetzt können diskriminierte Frauen direkt vor dem UN-Frauenrechtsausschuss klagen oder die Überprüfung eines frauenfeindlichen Gesetzes beantragen.“ – So weit mein Zitat aus der letzten „Emma“. Frauen oder Frauenrechtsorganisationen können also künftig ihre Rechte vor dem UN-Frauenrechtsausschuss geltend machen, wenn der nationale Rechtsweg ausge- schöpft ist. Damit stärkt das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskri- minierung der Frau die nationalen und internationalen Rechte der Frauen. Das über 20-jährige CEDAW-Abkommen hat Schwächen durch das Recht der Vertragsstaaten auf Vor- behalte. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat 1985 ihren Vorbehalt bei der Hinterlegung der Ratifizierungs- urkunde erklärt. Der Grund dafür war, dass der freiwillige Dienst von Frauen mit der Waffe in der Bundeswehr da- mals nicht möglich war. Heute ist dies verfassungsrecht- lich geklärt und der Vorbehalt kann zurückgenommen werden. Eine Reihe von Vertragstaaten begründet ihre Vorbe- halte mit dem Verweis auf Religion und religiöses Recht oder mit dem Verweis auf traditionelle Gebräuche. Vorbehalte gibt es zum Beispiel gegen Art. 16 – Ehe und Familie – von Staaten mit islamischer Religion. Dadurch wird die Wirksamkeit des Übereinkommens erheblich eingeschränkt. Das Frauenrechtsübereinkommen hat im Übrigen die meisten Vorbehalte von allen Menschenrechtsüberein- kommen. Anfang des Jahres 2000 wurden die deutschen Staa- tenberichte, die die Situation in Deutschland bis 1998 wi- derspiegeln, präsentiert. Der CEDAW-Ausschuss zeigte sich betroffen darüber, dass Teilzeitbeschäftigung vor al- lem im Bereich gering qualifizierter Tätigkeiten angebo- ten wird und deshalb weniger Möglichkeiten für berufli- ches Vorankommen bestehen. Weiter war der Ausschuss betroffen darüber, dass Einrichtungen, die zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf gedacht sind, wie zum Beispiel Kinderkrippen, Ganztagskindergärten und Betreuungseinrichtungen für Kinder im schulpflichtigen Alter, nur im geringen Umfang zur Verfügung stehen und insbesondere Ganztagsschulen in Deutschland die Aus- nahme darstellen. Der CEDAW-Ausschuss lobte die neue SPD-geführte deutsche Bundesregierung dafür, dass sie eine große De- legation mit einem umfangreichen Sachverstand ge- schickt hat, die von der Parlamentarischen Staatssekretä- rin Edith Niehuis im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geleitet wurde. Der Aus- schuss lobte die neue Regierung weiterhin für ihre breit angelegten gesetzgeberischen und politischen Initiativen, Programme und Projekte, die der verfassungsrechtlichen Garantie der Gleichberechtigung von Frauen und Män- nern tatsächliche Geltung verschaffen sollen, insbeson- dere das Programm „Frau und Beruf“, das darauf ausge- richtet ist, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen. Mit unserem Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, mit dem Kernstück des heute ver- abschiedeten Gewaltschutzgesetzes, haben wir die Anre- gungen des Ausschusses aufgenommen, Schritte zur Bekämpfung häuslicher und familiärer Gewalt zu unter- nehmen. Positiv wurde vermerkt, dass die SPD-geführte Bundesregierung eine Studie über die Lebenssituation und soziale Integration ausländischer Frauen und Mädchen in Auftrag gibt. Der Ausschuss bittet darum, im nächsten Bericht eine umfassende Bewertung der Situa- tion ausländischer Frauen vorzunehmen, einschließlich ihres Zugangs zu Bildung und Ausbildung, zu Arbeit und den damit verbundenen Sozialleistungen sowie zur Kran- ken- und Sozialversicherung. Ich gehe davon aus, dass das CEDAW-Beschwerde- recht lebendiges Recht sein wird, das von Frauen und Frauenbewegten aktiv für die Herstellung von tatsächli- cher Gleichberechtigung genutzt werden wird. Vorrangi- ges Ziel muss es jetzt sein, nachdem man sich auf das neue Instrument geeinigt hat, dass möglichst viele CEDAW- Vertragsstaaten das Zusatzprotokoll ratifizieren; denn nur Frauen aus diesen Vertragsstaaten werden es anwenden können. Lobenswert finde ich dass die SPD-geführte Bundes- regierung erstmals eine Broschüre herausgegeben hat, um CEDAW einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Ich wünsche mir, dass in Zukunft für die Frauenbewe- gung, die seit jeher international vernetzt und gut organi- siert ist, die Hemmschwelle, sich auf ein internationales Verfahren einzulassen, geringer wird. Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen ist nicht nur als soziales oder politisches, sondern auch als rechtliches Problem zu sehen. Renate Diemers (CDU/CSU): Seit einigen Tagen wird in der Presse – insbesondere in den Berliner Tages- zeitungen – über einen Aufsehen erregenden Fall von Dis- kriminierung berichtet. Es handelt sich um die Tochter ei- nes Diplomaten aus einem befreundeten moslemischen Land. Dem 15-jährigen Mädchen wird von ihrem Vater vor- geworfen, sie habe Kontakt zu einem Jungen gehabt. Nachdem sie deswegen zur Strafe von ihrem Vater ge- schlagen worden war, flüchtete sie in ein Berliner Heim für moslemische Mädchen. Dort bat sie um Hilfe, da sie um ihr Leben fürchte. Ihr drohe im Heimatland der Tod wegen Verletzung der Familienehre. Der Vater buchte tatsächlich in der Zwischenzeit einen Flug für die Tochter nach Hause. Derzeit wird der Fall vor dem Vormundschaftsgericht vorbereitet. Der Entzug des Sorgerechtes ist wegen der diplomatischen Immunität des Vaters zwar nicht unmöglich, aber im Prinzip nicht zu er- warten. Nach Einschätzung von Fachleuten bei UNICEF und Amnesty International scheinen nun zwei Fakten festzustehen: Zum Ersten droht dem Mädchen in der Tat die Steinigung oder die Zwangsheirat und zum Zweiten gestaltet es sich sehr schwierig, dem Mädchen trotz des derzeitigen Aufenthaltes in Deutschland zu helfen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119442 (C) (D) (A) (B) Ich möchte mit diesem Fall, der sich direkt vor unseren Augen zu einer Tragödie entwickelt, auf die Vielschich- tigkeit des Themas Diskriminierung aufmerksam ma- chen. Diskriminierung ist viel mehr als Benachteiligung und es ist keineswegs nur eine ungerechte Behandlung. Derartige Diskriminierung wie in dem aktuellen Fall ist zutiefst menschenverachtend, sie ist entwürdigend und widerspricht allen Menschenrechten. So ist Diskriminie- rung keine Familienangelegenheit. Allerdings dürfen wir das Problem der Diskriminie- rung nicht immer nur anhand von Einzelfällen themati- sieren, sondern es ist zwingend notwendig, die Problema- tik insgesamt mit ihren kompletten systematischen Strukturen anzugehen. Sehr hilfreich und absolut notwen- dig war, dass in den UN-Übereinkommen von 1979 der Begriff Diskriminierung eindeutig definiert wurde: Beab- sichtigte und unbeabsichtigte Diskriminierungen gehören dazu. Die krassen und krassesten Beispiele für Diskriminie- rung sind relativ bekannt: Drangsalierungen, Berufsver- bote, Beschneidungen und auch die offene Androhung ei- ner Tötung bei „angeblichem“ Fehlverhalten. Aber auch für uns inzwischen selbstverständliche Rechte wie zum Beispiel das Wahlrecht, die Wohnortwahl, die Teilnahme am kulturellen Leben, Mitarbeit in Vereinen oder schlicht- weg Autofahren oder der Besuch von Schulen werden den Frauen und Mädchen in vielen Ländern bis heute vorent- halten. Diese Verbote bzw. frauenverachtenden Gesetze wer- den vielfach mit kulturellen Unterschieden, religiösen Aspekten und anderen Traditionen begründet. Aber sind wirklich die besagten kulturellen oder religiösen Unter- schiede, die anderen Sitten und Gebräuche in vielen Staa- ten die Hauptursache für Diskriminierungen? Diese Frage wird meistens – auch bei uns – mit einem Ja beantwortet und ich muss zugeben, dass es vordergründig auch so scheint. Wir sollten uns jedoch darüber im Klaren sein, dass wir – wenn wir dieser Argumentation folgen – zugleich eine Unvermeidlichkeit der Situation akzeptieren. Das heißt, es wäre dann eben aufgrund der unterschiedlichen kultu- rellen und religiösen Traditionen nahezu selbstverständ- lich, dass Frauen diskriminiert werden. Außerdem möchte ich an dieser Stelle noch hinzufü- gen, dass dieser Versuch einer Erklärung mit der immer noch bestehenden allgemeinen Tabuisierung des Themas Gewalt gegen Frauen einhergeht. Allein schon aus diesen Gründen lehne ich die Scheinargumentation hinsichtlich der Traditionen und Religion ab. Keine Diskriminierung, also auch von Frauen und Mädchen, ist durch irgendetwas zu rechtfertigen, weder durch Religion noch durch Sitten oder Traditionen. Wir sollten, wir müssen offen und mu- tig mit dieser Frage umgehen und das Kernproblem von Ungleichbehandlung beim Namen nennen: Die eigentli- che Ursache liegt in der Machtverteilung zwischen Frauen und Männern. Sobald diese Machtfrage als Hauptursache erkannt und auch anerkannt ist, werden ganz neue Handlungsmöglichkeiten und Ziele sichtbar. Wir müssen uns konsequent dafür einsetzen, dass die Macht zwischen Frauen und Männern anders, nämlich ge- recht, verteilt wird. Wir sind uns sicher einig, dass Frauen keine Sonderrechte benötigen, weder bei uns noch in an- deren Ländern, sondern sie haben lediglich den Anspruch auf die gleichen Rechte wie Männer. Das heißt im Klar- text, Frauen fordern nicht mehr Rechte, sondern aus- drücklich nur nicht weniger Rechte als Männer. Solange diese Chancengleichheit allerdings nicht er- reicht ist, nicht selbstverständlich ist, sind gesetzliche Maßnahmen nicht nur gerechtfertigt, sondern weitere dringend erforderlich. Dies ist eine zentrale Verantwor- tung aller demokratischen Rechtsstaaten. Ein weiterer kleiner Schritt zur Chancengleichheit ist es, wenn wir heute einige Korrekturen beim UN-Über- einkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vornehmen. Ein Gesetzentwurf bezieht sich auf den Dienst von Frauen mit der Waffe, der in dem Übereinkommen geregelt ist. Da unser Grundge- setz in der Zwischenzeit geändert wurde, liegt es nahe, auch den bisher geltenden Vorbehalt Deutschlands gegen diesen Punkt zurückzunehmen. Die zweite Maßnahme betrifft die Tagungsdauer des Ausschusses bei den Vereinten Nationen, der im Rahmen des Abkommens eingerichtet wurde. Es lag kein objekti- ver Grund vor, dass ausgerechnet dieser UN-Ausschuss eine zeitliche Beschränkung in der Tagungsdauer hatte. Kein anderer Menschenrechtsausschuss der Vereinten Na- tionen hat eine derartige zeitliche Vorgabe. Darum stim- men die Mitglieder meiner Fraktion diesem Gesetz zu. Schließlich stimmen wir heute über einen Gesetzent- wurf zum Fakultativprotokoll zu dem Abkommen ab, durch das Frauen nun mehr Möglichkeiten erhalten, sich wegen Diskriminierungen an den Ausschuss zu wenden. Das heißt, Frauen können sich nun direkt und persönlich an den Ausschuss wenden und der Ausschuss kann ab so- fort auch von sich aus tätig werden. Dieser UN-Ausschuss verfügt dann über die gleichen Möglichkeiten, wie sie bei anderen Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen sowieso schon bestehen. Es gab auch hier kei- nen Grund für eine Ungleichbehandlung und es wurde Zeit für die Änderungen, die wir heute für Deutschland beschließen. Aber uns muss bewusst sein, dass auch weiterhin poli- tische Initiativen, gesetzliche Regelungen, Druck der Öf- fentlichkeit und Veränderungen im Denken notwendig sind. Wir sind nur dann glaubwürdig, wenn wir selbst alle – also auch wir Politikerinnen und Politiker – im Grund- satz von der Notwendigkeit einer Chancengleichheit wirk- lich überzeugt sind. Gegenseitige Achtung, Respekt und Normalität im Umgang miteinander sind in diesem Zu- sammenhang grundlegende und unverzichtbare Elemente, in anderen Ländern und ausdrücklich auch hier bei uns. Irmgard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): „Eine Revolution hat begonnen.“ Dieser Eröff- nungsausruf der Weltfrauenkonferenz im Jahr 1995 sollte im „Jahrhundert der Emanzipation“ eine Trendwende sig- nalisieren. Vom größten Frauentreffen des letzten Jahr- hunderts gingen großer Optimismus und Zuversicht aus. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19443 (C) (D) (A) (B) Deklarationen und Regierungsversprechungen sollten den neuen Weg weisen in eine frauenfreundliche Zukunft. Ein wichtiges Ziel der Weltfrauenkonferenz war die weltweite Ratifizierung des Zusatzprotokolls der Frauenkonvention. 1993 stellten die Vereinten Nationen der so genannten Anti-Diskriminierungs-Konvention – CEDAW –, die bereits 1979 verabschiedet wurde, die- ses Zusatzprotokoll zur Seite. Jahrelang hatte sich die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP geweigert, dieses wichtige Überein- kommen der Vereinten Nationen zu unterzeichnen. So- lange solche Abkommen jedoch nur auf dem Papier ste- hen und gar nicht erst ratifiziert werden, bleiben universelle Menschenrechte für Frauen ein unerreichba- res Ziel. Die rot-grüne Koalition hat erkannt: Die Ratifi- zierung des Zusatzprotokolls ist ein großer Schritt zur Stärkung der Frauenrechte. Bis heute war die „UN-Konvention zur Beseitigung je- der Form von Diskriminierung der Frau“ eine zahnlose Tigerin. Alle paar Jahre überprüften die Vereinten Natio- nen die Lage der Frauen in allen 148 Unterzeichnerlän- dern. Sollten dabei Diskriminierungen von Frauen offen- sichtlich werden, wurde die betreffende Regierung gerügt, meist jedoch ohne Folgen. Nach 22 Jahren des Be- stehens der Frauenrechtskonvention kann von einem Ende der Diskriminierungen von Frauen in den Unter- zeichnerstaaten nicht gesprochen werden. Grund dafür ist: Die Frauen selbst können im Falle einer Diskriminie- rung nichts unternehmen. Dies wird sich nun durch das Zusatzprotokoll ändern. Das rechtliche Instrumentarium der Konvention wird gestärkt. Ab jetzt können diskriminierte Frauen wie auch Frau- enrechtsorganisationen direkt vor dem UN-Frauenaus- schuss klagen. Außerdem kann der UN-Ausschuss jeder- zeit eigenständig Untersuchungen durchführen, wenn Hinweise auf schwerwiegende oder systematische Rechtsverletzungen vorliegen. Das heißt also, wem die Menschenrechte der Frauen missachtet werden. Das neue Instrument zur Sicherung der Menschenrechte umfasst sowohl die Diskriminierung von Frauen im „privaten“ Bereich, also im Arbeitsleben und in der Familie, wie auch strukturelle Aspekte. Die Unterzeichnerstaaten der Frauenrechtskonvention verpflichten sich, alle vier Jahre einen Rechenschaftsbe- richt über die Umsetzung der Konvention vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist die rot-grüne Bundesregierung im vergangenen Jahr nachgekommen. In diesem Bericht hat sich die Bundesregierung auch zu Maßnahmen der Bekämpfung von Frauenhandel geäußert. In seiner Emp- fehlung hat der UN-Frauenrechtsausschuss ausdrücklich auf rechtliche Verbesserungen im Umgang mit Opfern von Menschenhandel hingewiesen. Bereits im Herbst des vergangenen Jahres hat die rot- grüne Koalition die Verwaltungsvorschriften zum Aus- ländergesetz geändert. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Noch immer werden die Opfer von Menschenhandel als Täterinnen wahrgenommen, die gegen das Ausländerge- setz verstoßen haben. So kommt es, dass in den europä- ischen Gefängnissen mehr Opfer als Täter von Men- schenhandel sitzen. Das dürfen wir nicht länger dulden. Wir brauchen hier dringend einen Perspektivwechsel. Mehr Effektivität bei der Verfolgung der Täter kann nur durch einen stärkeren Opferschutz und durch eine engere internationale Zusammenarbeit erreicht werden. Der UN-Frauenrechtsausschuss hat die hohe Erwerbs- losigkeit der Frauen in Ostdeutschland kritisiert. Eine leichte Senkung hat es seitdem gegeben, aber wir müssen noch enorme Anstrengungen unternehmen. Ein anderer Kritikpunkt war die mangelnde Verbesse- rung der rechtlichen und sozialen Lage von Prostituierten. Dies haben wir inzwischen erledigt. Frauenrechte sind auf der ganzenWelt noch nicht durch- gesetzt.Auch bei uns ist die Demokratie zwischen den Ge- schlechtern nicht durchgesetzt. Jetzt haben wir ein gutes Instrument zur Durchsetzung. Das sollten wir nutzen. Ina Lenke (FDP): Vor nunmehr 22 Jahren wurde das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskri- minierung der Frau (CEDAW) geschlossen. Die Ratifi- zierung dieses Abkommens war ein Meilenstein in der Gleichstellungsgeschichte. Erstmals gelang es Frauen- rechte als Menschenrechte umfassend in allen Lebensbe- reichen zu definieren. 168 Staaten haben bisher diese Übereinkommen ratifiziert, allerdings mit zahlreichen Vorbehalten. Auch Deutschland ratifizierte dieses Ab- kommen nur unter dem Vorbehalt, dass Frauen keinen Dienst an der Waffen leisten müssen. Nachdem nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes die Bun- desregierung endlich genötigt wurde, diese alte liberale Forderung nach vollständiger Gleichstellung der Frauen auch in den Streitkräften umzusetzen, ist es an der Zeit, dass auch der Vorbehalt bei der Ratifizierung des Über- einkommens entfallen muss. Die Änderung des Artikels 12 a Grundgesetz war ein wichtiger Schritt auf nationaler Ebene zur vollkommenen Gleichberechtigung der Frau in unserer Gesellschaft. Lei- der wurde dieser Schritt von den Regierungsfraktionen nur unter Zwang und nicht aus Überzeugung umgesetzt. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Anträge der FDP-Fraktion zur Änderung des Artikels 12 a Grund- gesetz noch kurz vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von Rot-Grün abgelehnt wurden.Wie wich- tig auch heute noch das unabdingbare Beharren auf die Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechte ist, zeigen in erschreckender Weise die jüngsten Ereignisse: Besonders die Frauen, die unter radikalmuslimischen Re- gimes leben müssen, sind schlicht rechtlos und es wird ohne internationale Hilfe noch nicht einmal möglich sein, ihnen auch nur annähernd menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. An dieser Stelle wird deutlich, dass Frauenrechte kein „alter Hut“ sind, sondern ein brandaktuelles Thema, wel- ches an Bedeutung vielleicht sogar noch ernster zu neh- men ist. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig, das nun vorliegende Zusatzprotokoll umzusetzen, um die Gleichstellung des CEDAW mit den anderen Menschen- rechtsausschüssen der Vereinten Nationen zu gewährleis- ten und um zu unterstreichen, dass der Weg zur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119444 (C) (D) (A) (B) Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ein un- umkehrbarer und integraler Bestandteil der Zivilisation ist. Die Liberalen vertreten aus ihrer gesamten politischen Grundhaltung seit jeher die Auffassung, jede Form von Diskriminierung entschieden zu bekämpfen. Dies gilt so- wohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Die vorliegenden Gesetzentwürfe fügen den vorhande- nen Instrumentarien des Übereinkommens wichtige In- strumente wie Untersuchungsverfahren und Individual- beschwerderecht hinzu. Die Fraktion der FDP unterstützt ausdrücklich die vorliegenden Gesetzentwürfe. Petra Bläss (PDS): Wir haben heute über die wirksa- mere Handhabung des umfassendsten internationalen Menschenrechtsinstruments für Frauen zu befinden. Bei dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau handelt es sich um ein völker- rechtlich verbindliches Dokument. Es hat eine zentrale Rolle auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking und im Peking plus fünf-Prozess gespielt. Seit 1979 ist in ihm die Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechten festgeschrieben. Maßstabsetzend ist die Definition von Frauendiskriminierung in Art. 1 als jede mit Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Be- schränkung bei Inanspruchnahme von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Ebenso ist es der in Art. 5 geforderte Abbau stereotyper Rollenzuweisung. Zur heutigen Beschlussfassung stehen drei Vorlagen. Erstens geht es um die Änderung des Tagungsmodus des CEDAW-Ausschusses. Diese ist unstrittig, wird doch hier einer Forderung der Mitglieder nachgekommen. Zweitens soll der Vorbehalt der Gleichbehandlung im Militär gestrichen werden. Unabhängig von unserer Auf- fassung zum Militärdienst von Frauen stimmen wir dem zu, weil wir uns den hier notwendigen Gleichstellungs- maßnahmen nicht verweigern wollen. Die wichtigste Entscheidung ist die – überfällige – Ra- tifizierung des Fakultativprotokolls vom Oktober 1999. Das Übereinkommen wird dazu um zwei Kontrollverfah- ren ergänzt: Bei Verletzung der im Dokument festge- schriebenen Rechte sind künftig direkte Beschwerden von Einzelpersonen oder Gruppen beim CEDAW-Aus- schuss möglich – vorausgesetzt, Übereinkommen und Fa- kultativprotokoll wurden ratifiziert und alle nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft. Sowohl das Untersuchungs- verfahren als auch das Individualbeschwerdeverfahren haben das Ziel, den Schutz von Menschenrechten von Frauen zu verbessern. Es handelt sich zweifellos um eine neue Qualität internationaler Instrumente zum Schutz von Menschenrechten. Gestatten Sie mir noch drei Anmerkungen zum Um- gang mit diesen internationalen Dokumenten: Erstens zur Öffentlichkeitsarbeit: Es ist notwendig, dieses neue Rechtsinstrument bekannt zu machen. Neben der vorgesehenen Publikation scheint mir die gezielte Ar- beit mit Multiplikatorinnen besonders sinnvoll. Frauen- politisch Engagierte sind hier zweifellos die wichtigste Stütze. Zweitens zur notwendigen nationalen Berichterstat- tung an das CEDAW-Komitee: Der nächste Bericht wird im August 2002 fällig. Wir fordern die Transparenz des Verfahrens. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis hat auf meine Anfrage hin bereits im Ausschuss zugesichert, dass wir unterrichtet werden. Notwendig aber ist hier auch die Einbeziehung der Nichtregierungsorganisationen. Dass ihre Kompetenz ein großer Gewinn ist, haben wir im Pe- king-Prozess erfahren. Nicht unwichtig ist der Umgang mit der Einschätzung des letzten nationalen Berichts durch das CEDAW-Komi- tee vom Jahresanfang 2000 – auch wenn die Masse der Kritikpunkte noch auf das Konto der Kohl-Regierung geht. Seinerzeit wurde die Bundesregierung klar aufge- fordert, die immer noch andauernde Benachteiligung von Frauen zu beenden. Besonders hervorgehoben wurde die Abstimmung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Neben der Lohndiskriminierung und dem Mangel an weiblichen Führungskräften wurde auch Kritik an den begrenzten Anstrengungen und Maßnahmen, gleiche Rechte und Chancen auf den privaten Sektor auszuweiten, geübt. Weiterhin wird auf die besondere Benachteiligung ost- deutscher Frauen, insbesondere ihr überproportional ho- her Anteil an den Arbeitslosen, den erheblichen Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen und die unbefriedi- gende rechtliche Situation ausländischer Frauen in Deutschland erwähnt. Drittens hat die Politik eine große Verantwortung, die Bedeutung des Übereinkommens zu stärken: Das heißt zum Beispiel, sich bei allen Gesetzge- bungsverfahren darauf zu beziehen, was im Übrigen jetzt auch zunehmend geschieht. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass – wie Inge von Bönninghausen, die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates meinte – CEDAW kein Geheimkürzel bleibt. Dr. Edith Niehuis, Parl. Staatssekretärin bei der Bun- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Mit dem vorliegenden Gesetz zu dem Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau bittet die Bundesregierung um Ihre Zustimmung, dieses internationale Abkommen ratifi- zieren zu können. Noch im März 1998 gehörte Deutschland in New York zu den Bedenkenträgern, als das Fakultativprotokoll auf UN-Ebene verhandelt wurde. Aber wenn es um die Si- cherung von Menschenrechten geht, haben demokrati- sche Staaten nicht zuvorderst Bedenkenträger zu sein, sondern mitzuhelfen, die Respektierung von Menschen- rechten überall durchzusetzen. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass der Schritt von massiven Menschenrechtsverletzungen zur Diktatur und zum Terror nur ein kleiner Schritt ist, dann ist die ge- genwärtige Situation ein Beweis dafür. Die Taliban ver- letzen seit Jahren die Menschenrechte von Frauen auf ver- achtenswürdige Art und Weise und sie sind es auch, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Darum las- sen Sie uns das Mögliche tun, Frauenrechte als Men- schenrechte international durchzusetzen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19445 (C) (D) (A) (B) Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau ist über 20 Jahre alt. Es ist das wichtigste internationale Dokument, das klarstellt: Frau- enrechte sind Menschenrechte. Obwohl dieses Überein- kommen auf UN-Ebene 1979 beschlossen wurde, gab es in der Folgezeit immer wieder Versuche, die Menschen- rechte der Frauen eben nicht als unveräußerlichen und in- tegralen Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte anzuerkennen. Darum war es notwendig, auf der Men- schenrechtsweltkonferenz 1993 für den Schutz der Frau- enrechte einzutreten, ebenso auf den Weltfrauenkonferen- zen, zuletzt 1995 in Peking. Sie haben nicht nur noch einmal bekräftigt, dass Frauenrechte universale Men- schenrechte sind, sondern auch gefordert, für Durchset- zungs- und Überwachungsmechanismen zu sorgen, die die menschenrechtlichen Forderungen für Frauen über- haupt erst zur Wirkung kommen lassen können. Darum brauchen wir das heute zur Abstimmung ste- hende Fakultativprotokoll. Darum haben wir auch als da- mals noch neue Bundesregierung im Rahmen unserer EU- Präsidentschaft bei den Verhandlungen Anfang 1999 aktiv daran mitgewirkt, dass das Fakultativprotokoll auf UN- Ebene beschlossen wurde. Das war – für alle sichtbar – ein fortschrittlicher Re- formschritt in der deutschen Frauenpolitik, auch ein Para- digmenwechsel. Deutschland gehörte dann am 10. Dezember 1999 zu den ersten Staaten, die das Fakultativprotokoll zeichne- ten – ein notwendiger Schritt, damit das Protokoll über- haupt von den Staaten ratifiziert werden kann. Es lohnt sich, dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zum Durch- bruch zu verhelfen. Dieses Übereinkommen definiert um- fassend den Begriff „Diskriminierung der Frau“ und ver- pflichtet darüber hinaus die Vertragsstaaten, durch geeignete gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen, ge- gebenenfalls auch Sanktionen, Diskriminierungen von Frauen zu unterbinden. Was ist nun das Besondere am Fakultativprotokoll? Es ermöglicht einen Standard, der auch bei anderen UN- Menschenrechtsübereinkommen üblich ist, nämlich das Individualbeschwerdeverfahren. Das heißt, es ermöglicht Frauen oder Frauengruppen, nach Ausschöpfung des in- nerstaatlichen Rechtsweges einen eventuellen persönli- chen Diskriminierungsfall vom Ausschuss zur Beseiti- gung jeder Form von Diskriminierung auf UN-Ebene überprüfen zu lassen. Diesem Ausschuss, dem 23 von den Mitgliedstaaten gewählte unabhängige Sachverständige angehören, obliegt die Aufgabe, die Individualbe- schwerde zu überprüfen. Aber nicht nur das: Er hat da- rüber hinaus die Möglichkeit, ein Untersuchungsverfah- ren gegen diejenigen Vertragsstaaten einzuleiten, die sys- tematisch und schwerwiegend gegen die im Übereinkom- men niedergelegten Rechte verstoßen. Dieses Untersuchungsverfahren ist eine wichtige Er- gänzung zum Individualbeschwerdeverfahren. Das Fa- kultativprotokoll ist damit besonders bedeutsam für Frauen in den Ländern, die kein dicht geknüpftes rechtli- ches Netz zum Schutz vor Diskriminierung haben. Der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminie- rung der Frau ist auf UN-Ebene für die Frauen in der Welt ein bedeutender Ausschuss. Bislang hat er die Einhaltung der Konvention mittels Prüfung der von den Vertragsstaa- ten in regelmäßiger Folge vorzulegenden Staatenberichte vorgenommen. Die Bundesrepublik hat mittlerweile vier Berichte vor- gelegt und im vergangenen Jahr vor dem Ausschuss vor- gestellt. Im nächsten Jahr werden wir erstmalig einen Bericht vorlegen, der die Arbeit der jetzigen Bundesre- gierung dokumentieren wird. Mit der Auswertung der Berichte der 168 Vertragsstaa- ten und der Formulierung daraus folgender Empfehlun- gen hatte dieser UN-Ausschuss schon viel Arbeit. Hinzu kommt nun die Umsetzung des Fakultativprotokolls. Die- ser enorme Arbeitsanfall ist der Grund, warum die Bun- desregierung das Begehren des Ausschusses unterstützen möchte, die geltende Beschränkung der Tagungsdauer auf zwei Wochen im Jahr aufzuheben. Auch hierzu bitten wir Sie um Ihr zustimmendes Votum, ebenso wie für die Rücknahme des Vorbehalts, den die Bundesrepublik 1985 bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklärt hat. Nachdem der freiwillige Dienst von Frauen mit der Waffe in der Bundeswehr im vergangenen Jahr auf eine klare verfassungsrechtliche Grundlage gestellt und zugleich er- möglicht wurde, fehlt dem damals erklärten Vorbehalt die Grundlage. 43 Staaten haben das Fakultativprotokoll bisher ge- zeichnet, 27 ratifiziert. Die Bundesrepublik Deutschland hat gezeichnet und möchte nun das Fakultativprotokoll ratifizieren, das heißt auch für Deutschland in Kraft treten lassen. Mit der Ratifikation möchten wir auch ein Signal geben gegenüber den Staaten, die noch zögern, diesem Fakultativprotokoll beizutreten, sie ermutigen, ebenfalls zu ratifizieren. Ich würde mich freuen, wenn der Deutsche Bundestag diesem Weg mit großer Mehrheit zustimmen könnte. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Entschließungsanträgen und der Großen Anfrage: Doping im Spitzensport und Fitnessbereich Dagmar Freitag (SPD): Wir befassen uns heute mit der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zu Doping im Spitzensport und Fitnessbereich und mit den Entschließungsanträgen, die CDU/CSU und FDP dazu gestellt haben. Ich bedauere außerordentlich, dass das Thema heute zu später Stunde auf der Tagesordnung steht. Das wird weder seiner Be- deutung noch dem öffentlichen Interesse an der Proble- matik gerecht. Der Sportausschuss hat sich in zwei Anhörungen – am 26. Januar 2000 zu Doping im Spitzensport und am 14. März 2001 mit Doping im Freizeit- und Fitnessbereich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119446 (C) (D) (A) (B) – mit den aufgeworfenen Fragen beschäftigt. Lassen Sie mich zunächst noch einmal auf die einleitenden Feststel- lungen in der Großen Anfrage eingehen. Herr Kollege Riegert, die SPD-Bundestagsfraktion stimmt mit Ihnen durchaus in der Bewertung überein, dass es die vordringliche Aufgabe des Sports selbst ist und auch bleiben soll, in eigener Verantwortung Doping zu bekämpfen. Dies wird auch in unserem Antrag vom 3. Juli 2001 deutlich, in dem festgestellt wird: „die Verantwor- tung, Doping im Spitzensport wirkungsvoll zu bekämp- fen, liegt zunächst bei den Organisationen des Sports.“ Von daher, Herr Kollege Riegert, sind Ihre wiederhol- ten Einlassungen, der deutsche Sport würde von unserer Seite „ständig Verdächtigungen“ ausgesetzt, gar „krimi- nalisiert“, nun wirklich überhaupt nicht nachvollziehbar. Wer wie wir offen und konstruktiv die objektiv vorhande- nen Probleme – davon gibt es wahrlich eine Reihe – an- spricht, bringt den Sport nicht in Verdacht; im Gegenteil: Unsere Diskussionen sind ausschließlich vom Bemühen um einen manipulationsfreien Sport und einen fairen sportlichen Wettbewerb geleitet. Das muss im Interesse des Steuerzahlers, des Zuschauers, vor allem aber im In- teresse derjenigen Sportlerinnen und Sportler sein, die ohne den Einsatz von unerlaubten Substanzen in den Wettkampf gehen. Ich habe im Übrigen keinen Zweifel, dass die Ent- scheidungsträger im deutschen Sport sehr wohl zwischen einer konstruktiven Diskussion und Worthülsen unter- scheiden. In den Diskussionen vor allem der letzten Wochen ha- ben wir uns mit dem Doping der Vergangenheit und sei- nen Folgen beschäftigt. Gesundheitliche Beeinträchtigun- gen mit erheblichen physischen, aber auch psychischen Schäden sind erkennbare Folgen eines menschenverach- tenden Dopingsystems. Doping ist aber – ob es uns gefällt oder nicht – auch ein Thema der Gegenwart und ich bin sicher, es ist nicht vermessen, anzunehmen, auch ein Thema der Zukunft. Die Dopingmethoden erfahren neue Entwicklungen, die zur Leistungssteigerung verwendeten Substanzen än- dern sich, die Konsumenten und Dealer sind nicht allein im Hochleistungssport, sondern ebenso in Teilbereichen des Breitensports und in der Bodybuildingszene zu fin- den. Sich verändernde Bedingungen erfordern neue Ant- worten. Es ist – nicht nur, aber auch – unsere Aufgabe, uns diesen Herausforderungen zu stellen. Ich begrüße ausdrücklich, dass eine zentrale Forderung unseres Antrags mit dem Bundeshaushalt 2002 realisiert wird, nämlich die Beteiligung des Bundes am Stiftungs- kapital der Nationalen Anti-Doping-Agentur, mit deren zukünftiger Arbeit wir alle ein Stück Hoffnung verbinden. Alle für den Sport relevanten Kräfte sind aufgerufen, sich einzubringen – nicht nur mit guten Worten und Wün- schen, sondern auch mit einer spürbaren Beteiligung am Stiftungskapital! Der Bund jedenfalls nimmt seine Rolle auch an dieser zentralen Stelle der Dopingbekämpfung wahr. Machen wir uns aber nichts vor – die NADA allein wird die vielfältigen und zum Teil ungeklärten Probleme nicht vollständig lösen können. Es wäre fatal, sich jetzt zurückzulehnen und lediglich wieder die nächsten Erfah- rungen abwarten zu wollen. Wir warten, nicht erst seit gestern, gemeinsam auf die endgültige Bewertung der Verschärfungen im Arzneimittelgesetz. Dieses Verfahren ist im Hinblick auf weitere Diskussionen keineswegs zu beanstanden. Ich kann jedoch nicht erkennen, dass diese Wartezeit jegliche weitere Überlegung zur Doping- bekämpfung zu unterbinden hat. Selbstverständlich muss es legitim sein, auch schon jetzt über mögliche weiter ge- hende Schritte nachzudenken, vor allem wenn Fachleute bereits hilfreiche Hinweise dazu gegeben haben. Die Sachverständigen haben in der Anhörung die Än- derung des AMG als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Dennoch muss heute festgestellt werden, dass die Staatsanwaltschaften nur in wenigen Fällen aufgrund von entsprechenden Anzeigen der Verbände Ermittlungs- verfahren einleiten. Nach unseren Informationen sind alle Verfahren bislang eingestellt worden. Der Grund hierfür dürfte nach Aussage von Experten unter anderem darin liegen, dass kaum zu ermitteln ist, wer dem Athleten die Dopingsubstanzen verschafft hat – und der Athlet selbst hat vermutlich nur wenig Interesse an entsprechender Aufklärung. Wer das Dopingproblem glaubwürdig lösen will, muss erkannte Lücken schließen. Mit Beschluss der 24. Konfe- renz am 19./20. Oktober 2000 in Potsdam haben die Sportminister der Länder die Auffassung vertreten, die Diskussion um ein Anti-Doping-Gesetz müsse „ernsthaft aufgegriffen und forciert“ werden. Die Konferenz hat die Sportreferentenkonferenz beauftragt, gemeinsam mit dem Deutschen Sportbund und dem Nationalen Olympi- schen Komitee die damit zusammenhängenden Fragen zu klären und gegebenenfalls Vorschläge für einen Gesetz- entwurf zu erarbeiten. Dabei geht es doch gar nicht um die Frage, ob der au- tonome Sport oder der Staat das Doping wirkungsvoller bekämpfen kann. Die einzig sinnvolle Frage ist, wie Do- ping gemeinsam am besten sanktioniert werden kann. Da- her sind alle Partner nicht nur aufgefordert, sondern aus meiner Sicht verpflichtet, ihre Aufgaben ernst zu nehmen. Das gilt auch für den Gesetzgeber. Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass ein Anti-Do- ping-Gesetz, das die bestehenden Vorschriften bündelt und notwendige Ergänzungen aufnimmt, ein guter und richtiger Weg wäre. Der darüber eingeleitete Dialog hat bereits positive Signale ergeben. Bedenkenträger im or- ganisierten Sport, vor allem aber die Hardliner in den Uni- onsfraktionen sollten sich endlich von der Vorstellung lö- sen, der Gesetzgeber sei ein Gegner des Sports. Um es zum wiederholten Mal deutlich zu machen: Im Mittel- punkt unserer Überlegungen steht eindeutig der Schutz des sauberen Sportlers und der Schutz des fairen sportli- chen Wettbewerbs. Von dieser Haltung lassen wir uns auch durch Unterstellungen nicht abbringen. Die öffentli- che Diskussion über ein Anti-Doping-Gesetz ist im Gang – und das ist gut so. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19447 (C) (D) (A) (B) Klaus Riegert (CDU/CSU): Die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Antwort der Bundesre- gierung und die Anhörung zum Thema „Doping“ haben mehr als deutlich gemacht, dass sich Doping nicht auf den Spitzensport beschränkt. Doping ist in fast allen gesell- schaftlichen Bereichen ein Phänomen. In der Regel ohne ärztliche Verordnung und Kontrolle werden verbotene, oft il- legal eingeführte Substanzen eingenommen. Allein im Frei- zeit- und Fitnessbereich geht man von bis zu 350 000 Bür- gerinnen und Bürgern aus, die sich mit anabolen Steroiden aufpuschen und sich einer dauerhaften körper- lichen und psychischen Schädigung aussetzen – ohne öf- fentliche Aufmerksamkeit. Diese wird fast ausschließlich auf wenige spektakuläre Fälle im Spitzensport gelenkt, dem einzigen Bereich, in dem Kontrollen durchgeführt werden. Deshalb ist es von einigen Koalitionspolitikern höchst fahrlässig, Doping immer wieder am Spitzensport festzumachen. Warum wollen Sie im Freizeitbereich nur Erkenntnisse über Doping gewinnen und aufklären? Im Spitzensport wollen Sie Kontrollen, ein Gesetz und Be- strafung. Dort wollen Sie Doping als Straftatbestand fest- machen und im Freizeitbereich lediglich über Doping in- formieren. So steht es in ihrem Antrag! Dies macht Sie in der Bekämpfung des Dopings unglaubwürdig! Zwei Jahre haben die Koalitionsfraktionen gebraucht, um nach der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Doping im Spitzensport und Freizeitbereich“ im Sportausschuss ei- nen eigenen Antrag vorzulegen, 16 Monate nach den An- trägen der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP. Wir finden es richtig, dass die Koalitionsfraktionen die Anträge von CDU/CSU und FDP inhaltlich im We- sentlichen übernommen, um nicht zu sagen: schlicht und einfach abgeschrieben haben. Dazu hätte es nicht andert- halb Jahre bedurft. Zwei wesentliche Unterschiede müssen jedoch heraus- gehoben werden: Die Koalitionsfraktionen glauben nach wie vor, Doping durch ein ausschließlich – ich betone das – den Sport betreffendes Anti-Doping-Gesetz wir- kungsvoll bekämpfen zu können und vermeiden im An- trag konkrete Vorschläge, durch welche Maßnahmen die Bundesregierung unmittelbar dem Sport bei der Bekämp- fung des Dopings helfen kann, zum Beispiel durch eine stärkere finanzielle Unterstützung bei der Ausweitung der unangemeldeten Trainingskontrollen. Einen gemeinsa- men Antrag wollten Sie nicht, weil sie ein ausschließlich den Sport betreffendes Anti-Doping-Gesetz wollen, wohl wissend, dass Ihre eigene Bundesregierung dies nicht tun wird. Sie wissen genau, dass Sie für dieses Anti-Doping- Gesetz noch nicht einmal die Rückendeckung der Rechts- und Gesundheispolitiker der eigenen Fraktion haben. Sie sollten eigentlich wissen, dass Ihr Parlamentarischer Ge- schäftsführer Wilhelm Schmidt ein Anti-Doping-Gesetz in dieser Legislaturperiode aus schwerwiegenden rechtli- chen Bedenken für nicht machbar hält. Sie stellen einen Scheinantrag! Mehr nicht. Er soll der eigenen Rechtferti- gung dienen. Der Sache dient er nicht. Er läuft ins Leere: bei der eigenen Fraktion, bei der Bundesregierung; der Deutsche Sportbund will ein solches Gesetz nicht, das Na- tionale Olympische Komitee nicht, die Sportler nicht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht sich in ihrer Ablehnung eines auf den Sport zugeschnittenen Anti-Do- ping-Gesetzes durch die Haltung der Bundesregierung bestätigt. In ihrer Antwort vom 27. Oktober 1999, Druck- sache 14/1867, weist die Bundesregierung auf die Ver- schärfungen des Arzneimittelgesetzes hin. Durch die Än- derung des Arzneimittelgesetzes haben wir das Inverkehrbringen von Dopingmitteln, das Verschreiben und Anwenden unter Strafe gestellt. Eine umfassende Auswertung der im Vollzug des novellierten AMG ge- wonnenen Erfahrungen liegt noch nicht vor. Warum kön- nen Sie diese Erkenntnisse nicht abwarten? Die Bundes- regierung weist mit Recht darauf hin, dass der Hinweis auf gesetzliche Regelungen anderer Länder wie zum Bei- spiel Frankreich und Italien aufgrund fundamental unter- schiedlicher Rechtslagen unzutreffend ist. Sie hat Recht! Die Bundesregierung hat sich wiederholt aus straf- rechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen gegen die Schaffung eines Straftatbestandes ausgesprochen, der das aktive Dopen durch Sportler unter Strafe stellt. Auch hier unterstützen wir die Haltung der Bundesregierung. Wir sehen uns auch in diesem Punkt durch die Haltung des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees bestätigt! Ein eigenständiges, auschließlich den Sport betreffendes Anti-Doping-Gesetz kriminalisiert den Sport. Ein solches Gesetz lässt Dopingvergehen in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen unkontrolliert und ungestraft zu. Dies ist nicht unsere Auffassung. Deshalb lehnen wir diesen Teil Ihres Antrages entschieden ab. Wir lassen nicht zu, dass der Sport – insbesondere der Spit- zensport – kriminalisiert werden soll, andere Bereiche des Dopingmissbrauchs durch Sie bagatellisiert werden. Wir wollen eine sorgfältige Auswertung, wie sich die Ver- schärfungen des Arzneimittelgesetzes im Hinblick auf eine wirksame Bekämpfung des Dopings ausgewirkt ha- ben. Sollte sich Handlungsbedarf ergeben, sollen Lösun- gen im Rahmen vorhandener gesetzlicher Regelungen an- gestrebt werden. Was nützen übrigens Anti-Doping-Gesetze wie in Frankreich oder Italien, auf die Koalitionspolitiker bei je- der sich bietenden Gelegenheit hinweisen, wenn dort jähr- lich nur 800 bzw. 500 unangemeldete Trainingskontrollen durchgeführt werden? Wo nicht oder kaum kontrolliert wird, schrecken auch Gesetze nicht ab. Der Sport hat in eigener Zuständigkeit mit subsidiärer Hilfe des Staates ein Kontrollsystem aufgebaut, dass gut funktioniert, aber durchaus verbesserungsfähig ist. In Deutschland werden rund 4 000 unangemeldete Trainingskontrollen durchge- führt, fünfmal so viel wie in Frankreich, achtmal so viel wie in Italien. Dies ist wirksame Abschreckung und Prävention. Wir sollten uns dennoch nicht der Illusion hingeben, der Sport, insbesondere der Spitzensport, sei dopingfrei oder werde es eines Tages sein. Die Versuchung, sich durch Ein- nahme unzulässiger Substanzen Wettbewerbsvorteile ver- schaffen zu wollen, wird angesichts zunehmender Profes- sionalisierung und Kommerzialisierung eher größer werden. Die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an unsere Athleten und die medienwirksame Herausstellung von Spitzenleistungen der Athleten erhöhen den Leis- tungsdruck permanent. Deshalb wird Doping mit großer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119448 (C) (D) (A) (B) Wahrscheinlichkeit nie ganz auszuschließen sein. Aber wir können noch besser werden: Wir brauchen noch mehr un- angemeldete Trainingskontrollen, vor allem im C- und D- Kader Bereich. Es kann nicht angehen, dass talentierte Nachwuchssportler einmal in drei Jahren kontrolliert wer- den. Wir müssen unser Kontrollsystem verfeinern und ver- stärkt kontrollieren. Statt Staatsanwälte und Gerichte mit Dopingverfahren zu überfrachten, sollen wir dieses Geld besser für Prävention und mehr Kontrollen aufwenden. Unsere Forderung, der Bund müsse mehr Geld für Kontrollen zur Verfügung stellen, nützt den Sportlerinnen und Sportlern. Sie wollen kontrolliert werden, um nicht dem Verdacht ausgesetzt zu sein, zu manipulieren. Sie sollten sich unserer Forderung nach mehr Kontrollen an- schließen statt Luftnummern zu fordern. Dies ist Wohlge- fälligkeitsverhalten gegenüber der Regierung. Sonst nichts. Der Sport allein kann das nicht leisten. Hier ist der Bund gefordert, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Bundesminister verkündet öffentlich ständig mehr Geld für die Bekämpfung des Dopings. Die Haushaltszahlen sprechen eine andere Sprache. Das Hin- und Herschieben von Haushaltsmitteln, wie es der Bundesminister des In- nern zurzeit tut, ist wenig hilfreich. Er will den Anschein erwecken, als erhöhe er die Mittel. In Wirklichkeit kürzt er oder verteilt die Kürzungen um. Wir brauchen endlich die Einrichtung der von den Sportverbänden unabhängigen Nationalen Anti-Doping- Agentur und die Ausweitung der Befugnisse im Bereich der Sportgerichtsbarkeit. Hier hätten wir von der Bundes- regierung mehr Initiative und mehr Vorbildfunktion er- wartet. Von 60 Millionen DM Stiftungskapital war die Rede. Staat, Wirtschaft und Sport sollten sich beteiligen. Heute sprechen wir von 10 Millionen vom Bund, von ei- ner Beteiligung der Länder von rund 2 Millionen DM und von einer nicht genau bezifferten Beteiligung der Wirt- schaft an den laufenden Kosten. Es wäre besser gewesen, der Bundesminister des Innern hätte nicht so die Backen aufgeblasen, sondern erst die Mittel bereitgestellt bzw. eingesammelt. Ein hohes einmaliges Stiftungskapital ist für eine unabhängige Arbeit von großer Bedeutung. Wir halten die Finanzierung der NADA durch den Bund für völlig unzureichend. Ganze 10 Millionen DM aus dem Verkauf der Liegenschaft des Bundesinstituts für Sportwissenschaft in Köln stellt er zur Verfügung. Dies sind keine zusätzlichen Mittel. Dafür kürzt die Bundesre- gierung im Gegenzug die Mittel für den Spitzensport um über 20 Millionen DM. Durch ihre Hinhaltetaktik und den unzureichenden eigenen Beitrag hat die Bundesregierung die Wirtschaft von einem stärkeren Engagement für die NADA verprellt. Dennoch bleibt die Wirschaft gefordert, einen nennenswerten Beitrag zum Stiftungskapital zu leisten. Wir fordern die Bundesregierung auf, nur 10 Mil- lionen DM der Kürzungen für den Spitzensport zurück- zunehmen und der NADA zuzuführen. Dies wäre ein glaubwürdiger Beitrag der Bundesregieung zur wirkungs- vollen Bekämpfung des Dopings. Die Nationale Anti-Do- ping-Agentur muss eng mit der World Anti-Doping- Agency (WADA) zusammenarbeiten. Erfolgreiche Bekämpfung des Dopings ist nur international erreichbar. Nationale Alleingänge – auch im Gesetzgebungsverfah- ren – sind wenig hilfreich. Hier sind in erster Linie die Spitzensportverbände gefordert, ein einheitliches, für alle internationalen Spitzensportverbände verbindliches Re- gelwerk zu schaffen. Die Politik muss diese Bemühungen unterstützen. Wir brauchen ein abgestimmtes Forschungsprogramm. Neueste wissenschaftliche und medizinische Erkennt- nisse müssen umfassend und unmittelbar in die Bekämp- fung des Dopings einfließen können. Das Bundesinsitut für Sportwissenschaft muss hier federführend tätig wer- den, damit Forschungsaufträge gezielt vergeben und ko- ordiniert werden können. Wir brauchen ein energisches, konsequentes und abgestimmtes Vorgehen der Bundesre- gierung und der Länder zur Eindämmung des Dopings im Freizeit- und Fitnessbereich. Neueste Studien besagen eindeutig, dass im Fitness- und Freizeitbereich der Miss- bruch von Dopingsubstanzen, die unkontrollierte Ein- nahme zu dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen bis hin zu Todesfällen führt. Es ist beängstigend, wenn immer mehr junge Menschen zu leistungsteigernden Substanzen greifen, ohne sich über die Folgewirkungen Gedanken zu machen. Dies ist ein gesellschaftliches Pulverfass. Was die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag fordern, ist ein- deutig zu wenig. Sich auf die Gewinnung von Kenntnis- sen zu beschränken, um dann aufklären zu können, zeigt, dass sie die Gefährdung junger Menschen durch Doping im Fitness- und Freizeitbereich unterschätzen. Es muss ernsthaft geprüft werden, inwieweit auch un- angemeldet Kontrollen bei Sportveranstaltungen oder im Fitnessbereich durchgeführt werden können. Wir können diese Entwicklung nicht einfach zur Kenntniss nehmen, uns mit Untersuchungen zufrieden geben. Erkenntnisse und Aufklärung ja, aber auch wirkungsvolle Kontrollen und Unterbindung des illegalen Handels. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um diese Besorgnis erregende Grauzone in den Griff zu kriegen. Doping wird von den Koalitionsfraktionen in weiten gesellschaftlichen Bereichen tabuisiert. Nur nicht im Spitzensport. Hier wird kontrolliert und sanktioniert. Was wir brauchen, sind international verbindliche Regeln und Sanktionen unter der Verantwortung des Sports. Dies ist richtig und wichtig. Spitzensport hat eine Vorbildfunktion für den gesamten Sport, insbesondere für junge Menschen. Deshalb müssen die Anstrengungen bei der Bekämpfung des Dopings im Spitzensport fortgesetzt und verstärkt werden, national und international. Dazu brauchen wir kein eigenes, auf den Sport zugeschnittenes Anti-Doping- Gesetz. Wir müssen endlich aufhören, Doping allein am Spitzensport festzumachen. Wir müssen die öffentliche Aufmerksamkeit viel stärker auf die Gefahren der unkon- trollierten Einnahme leistungsfördernder Substanzen len- ken und wirksame Maßnahmen ergreifen. Hier sind Hun- dertausende junger Menschen gefährdet. Wir werden in der Bekämpfung des Dopings nur glaubwürdig sein, wenn wir Doping als unerlaubte und gefährliche Manipulation des eigenen Körpers und des Geistes brandmarken und bekämpfen, und zwar umfassend. Deshalb geift ein Anti- Doping-Gesetz zu kurz und ist ausschließlich gegen den Sport gerichtet. Dies ist mit uns und – so wie es aussieht – mit dieser Bundesregierung und dem Sport nicht zu ma- chen. Und das ist gut so! Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19449 (C) (D) (A) (B) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zentrales Thema der heutigen Debatte ist die Auseinan- dersetzung um die notwendigen Maßnahmen zur Doping- bekämpfung im Sport. Das weiterhin ungelöste Problem des Dopings im Sport ist uns in drei öffentlichen An- hörungen im Sportausschuss durch viele Experten be- stätigt worden. Dabei ist zunehmend die Forderung nach einem Anti-Doping-Gesetz in den Mittelpunkt gerückt. Der von der Opposition wiederholt ins Spiel gebrachte vermeintliche Gegensatz eines autonomen Sports auf der einen Seite und eines sich ausbreitenden Staates auf der anderen Seite hat sich längst überholt. Die gute Zusam- menarbeit von Sport und Staat in der Dopingbekämpfung lässt sich auch durch die Opposition nicht schlechtreden. Die staatliche Förderung der Kontrolllabore in Köln und Kreischa hat wesentlich dazu beigetragen, dass in Deutschland ein dichtes Netz von Dopingkontrollen ent- standen ist. Dopinganalytik und Dopingforschung werden auch weiterhin von uns mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Diese Mittel werden in Zu- kunft bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) zusammengefasst. Sport und Staat werden gemeinsam unter dem Dach dieser Institution einen wichtigen Beitrag für die weitere Verbesserung der Dopingbekämpfung leisten. Die Partnerschaft von Sport und Staat kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch die internationa- len und nationalen Rahmenbedingungen des Sports ver- ändert haben. Die internationale Bedeutung des Sports zeigt sich besonders bei den Großereignissen wie Olym- pischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Der Sport ist längst zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor in unserer Gesellschaft geworden. Wir brauchen Strukturen, die diese Entwicklung be- gleiten. Die zunehmende Kommerzialisierung des Sports und der sportliche Wettbewerb benötigen einen Rahmen, in dem sich dieses Schutzgut Sport mitsamt seines kon- stitutiven Fairnessgedankens weiterentwickeln kann. Längst wissen viele Experten und auch Vertreter des Sports, dass es bei einem nationalen Anti-Doping-Gesetz nicht um einen staatlichen Eingriff in die Autonomie des Sports geht, sondern um eine ergänzende Regelung, durch die auch der Staat deutlich macht, dass Doping im Sport gesamtgesellschaftlich nicht zu akzeptieren ist. Es geht der Regierungskoalition dabei vor allem da- rum, dem umfassenden Dopingproblem ein wirksames Gesamtkonzept entgegenzustellen. Dafür müssen bishe- rige Gesetzesregelungen zusammengefasst und Gesetzes- lücken geschlossen werden. Die NADA muss im nächs- ten Jahr ihre Arbeit aufnehmen können. Die Aufklärungsarbeit über die gesundheitlichen Gefahren des Doping muss verstärkt werden. Kernpunkt unserer Strategie muss aber die staatliche Sanktionierung des Dopingbetrugs im Sport sein. Der sich selbst dopende Sportler verletzt bewusst den sportlichen Wettbewerb und betrügt seine Konkurrenten. Gerade die- ser Bereich wird durch die bisherigen Gesetze nicht er- fasst, sondern muss durch ein Anti-Doping-Gesetz gere- gelt werden. Die Debatte um mögliche Vollzugsdefizite beim Arzneimittelgesetz läuft daher am Kernproblem vorbei. Der Münchner Mediziner Dr. Strasburger hat erst kürz- lich in einer Stellungnahme für den Sportausschuss vor- geschlagen, die Dopingbekämpfung in Deutschland auf drei Säulen zu stellen: Erstens. Die Dopingpraxis in der ehemaligen DDR gehört aufgearbeitet und den gesund- heitlich geschädigten Opfern dieser Dopingpraxis muss geholfen werden. Zweitens. Dem Doping im Sport müsse durch eine „Proklamation drastischer Sanktionen“ begeg- net werden. Drittens. Für Dopingkontrollen, Prävention und Rechtsverfahren müssen die erforderlichen Mittel und Rechtsrahmen bereitgestellt werden. Die für dieses „Drei-Säulen-Modell der Dopingbekämpfung“ notwendi- gen Institutionen liegen auf der sportpolitischen Hand: DDR-Dopingopferfonds, Anti-Doping-Gesetz, Nationale Anti-Doping-Agentur. Es muss jetzt aus unserer Sicht darum gehen, dieses „Drei-Säulen-Modell“ parallel umzusetzen. Die NADA wird im nächsten Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Ein Fonds zur Unterstützung der DDR-Dopingopfer sollte im Zuge der Haushaltsschlussberatungen eingerichtet werden. Der Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz muss unter Mitwir- kung der Sportorganisationen parlamentarisch weiter vo- rangebracht werden. Und zwar so schnell wie möglich. Dr. Klaus Kinkel (FDP): Doping ist in aller Mun- de – und das leider nicht nur im übertragenen Sinne! Do- ping ist eine Denaturierung des Sports, eine schlimme Geißel – gerade jetzt, wo Deutschland sich um die Olym- pischen Sommerspiele 2012 bewerben will, müssen wir uns das immer wieder bewusst machen. Deutschland will die Olympischen Spiele – aber saubere Spiele, bitte schön! Es darf nicht zu einem olympischen Wettstreit der Pharmaindustrie kommen! Die Devise im Leistungssport lautet im Zeichen von Über-Kommerzialisierung und „Hollywoodisierung“ stärker als je zuvor: Immer höher, schneller, weiter! Wenn der Körper am Ende seiner Steigerungsfähigkeiten ange- langt ist, treiben Sportler allzu oft auf das Doping zu. Do- ping ist aber leider beileibe nicht auf den Spitzensport be- schränkt – die schlimmen Vorfälle dort sind nur die Spitze des Eisbergs. Das hat die Anhörung des Sportausschusses vor einem halben Jahr gezeigt – Experten sagen, dass allein über 200 000 Freizeit-Bodybuilder in deutschen Fit- ness-Studios zu Doping-Mitteln greifen – 300 Millio- nen DM gehen dabei über den Tresen. Die schlimmen ge- sundheitlichen Schäden, die das Doping hervorrufen kann, zeigen sich am deutlichsten bei den Opfern des sys- tematischen DDR-Staatsdopings. Der Staat muss bei die- sen zum Teil schlimmen Einzelschicksalen helfen – des- halb hat die FDP in den laufenden Haushaltsberatungen den Antrag eingebracht, 2002 endlich einen Dopingopfer- Entschädigungsfonds mit 2 Millionen DM ins Leben zu rufen. Was lernen wir aus der DDR-Erfahrung und den schlimmen Doping-Fällen der letzten Jahre? Wir müssen dem Doping den rücksichtslosen Kampf ansagen! Aber muss da gleich wieder der Gesetzgeber her? Die Regie- rungskoalition will ein Anti-Doping-Gesetz. Muss es im Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119450 (C) (D) (A) (B) deutschen Sport wirklich so weit kommen? Wollen wir Fitness-Studios wirklich mit Polizeihunden durchforsten? Gehört ein erwachsener Sportler, der sich mit unerlaubten Mitteln Vorteile gegen andere Sportler verschafft und sich vor allem selbst schadet, wirklich vor den Kadi? Ist es Sa- che der staatlichen Justiz und damit des Steuerzahlers, über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln im Sport zu richten? Nein. Solange es geht, sollte der Sport das mit seinen starken, unabhängigen Verbänden möglichst ei- genverantwortlich regeln. Die Autonomie des Sports ist ein hohes Gut. Der Staat sollte nur subsidiär eingreifen. Er steckt mit dem Strafrecht, dem Arzneimittelgesetz und mit den Jugendschutzbestimmungen einen Rahmen. Da- rüber hinaus sollte der Staat nur dann eingreifen, wenn das zum Schutz der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung wirklich unabdingbar ist. Im Übrigen: Wer den Staat ruft, wird ihn so schnell nicht wieder los! Trotzdem: Die öffentliche Hand darf sich beim Sport nicht ganz raushalten – dazu ist er gesell- schaftspolitisch zu wichtig. Auch finanziell muss der Staat dem autonomen Sport helfen. So muss die nationale Anti-Doping-Agentur jetzt endlich ihre Arbeit aufnehmen können – das darf nicht an der Finanzierung scheitern. Sportverbände und Wirtschaft dürfen nicht aus der Pflicht entlassen werden, sich an der Finanzierung der NADA zu beteiligen. Beide müssen ein überragendes Interesse an einem sauberen Sport haben – nicht zuletzt als Werbe- träger – und sollten bei der Finanzierung der NADA mit einem angemessenen Beitrag mithelfen. Aber niemand beteiligt sich freiwillig an einem Phantom – der Bund sollte deshalb im nächsten Halbjahr zeigen, dass es ihm Ernst ist mit der NADA, damit sie wirklich endlich auf die Füße kommt. Darüber hinaus fordert die FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, sich für eine weltweite Harmo- nisierung der Doping-Bekämpfung stark zu machen und die europäische und die internationale Zusammenarbeit im Bereich des Zolls und bei der Bekämpfung des Inter- net-Handels mit Doping-Mitteln auszubauen. Denn auf diesem Gebiet ist der Staat wirklich der richtige Akteur! Das können die Verbände nicht allein – genauso wenig, wie die dringend erforderliche Datenerhebung zum Do- ping im Fitness-Sport und eine verstärkte Aufklärungsar- beit über Gefahren des Dopings. Hier sollten Bund, Län- der und Sportverbände, auch mit Unterstützung der Wirtschaft und der Medien, dazu beitragen, das Bewusst- sein über Doping-Gefahren unter den Sportlern und Trai- nern und in der Bevölkerung, im Breitensport, weiter zu schärfen. Wir dürfen uns den Sport durch das Doping nicht kaputtmachen lassen! Aber wir dürfen den autono- men Sport auch nicht selbst kaputtmachen, indem wir gleich auf die Knute des Gesetzes setzen. Gustav-Adolf Schur (PDS): Doping ist ein uner- schöpfliches Thema, es beschäftigt uns in geradezu beängstigender Regelmäßigkeit im Deutschen Bundestag und in seinen Ausschüssen: Parlamentsdebatten, aufwen- dige Expertenanhörungen, Evaluierungsgespräche zu Stiftungsgründungen, WADA und NADA, Dopingopfer- verbände und, und, und. Bisher steht gesichert zu dieser Problematik fest: Der Dopingmissbrauch in Deutschland steigt, sowohl im Spitzen- als auch im Fitnessbereich. Er bewegt sich in Schwindel erregenden Höhen und hat die Zahl von zwei- hunderttausend weit überschritten. Kriminelle Energie er- wies sich bisher stärker als alle Regeln, als Recht und Ge- setz. Es geht um Maximalprofite für Drogenhersteller und Drogenhändler; für Athleten aller Leistungskategorien mit Siegambitionen gibt es einen hemmungslos aufberei- teten Markt für das Erreichen von so genannten Sieger- typen bzw. Schönheitskönigen und -königinnen. Uns fehlen Maßnahmen, die den Drogenhandel min- destens so verfolgen wie den Dopinghandel, den Drogen- missbrauch konsequent bestrafen und eine wirkungsvolle Aufklärung und Prävention garantieren. Ersteres sollte mit der Novellierung des Arzneimittelgesetzes gewähr- leistet werden. Zum Zweiten ist ein Anti-Doping-Gesetz, wie bereits in Frankreich und Italien installiert und Erfolg versprechend praktiziert, unbedingt notwendig bzw. überfällig. Selbstverständlich erfordert das eine zielstre- bige und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Gesundheitsministerium, dem Bundesinnenministerium, den Bildungseinrichtungen der Länder und dem Deut- schen Sportbund. Der Zeitraum bis zur Sommerpause ist dazu angemessen. Wenn aber heute immer mehr Töne laut werden, man müsse erst den Erfahrungsbericht zur Novellierung des Arzneimittelgesetzes abwarten und dann erst ein Anti- Doping-Gesetz entwickeln, dann sind die Olympischen Spiele 2004 von Athen bereits Geschichte und Dopingtote im Fitnessbereich gehören zur Normalität, ehe ein Anti- Doping-Gesetz verabschiedet ist. Dass eine zügige, gewissenhafte und fachliche Vorbe- reitung des Gesetzentwurfes nicht zur Wahlkampffarce verkommen darf, liegt doch einzig und allein an uns allen. Die PDS unterstützt jede Initiative in dieser Richtung. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Die Dopingbekämpfung im Sport ist ein Kernelement der Sportpolitik der Bundesregierung. Nach der von der Verfassung vorgegebenen Zuständig- keitsverteilung konzentriert sich die Bundesregierung auf die Dopingbekämpfung im Spitzensport sowie auf den Gesundheitsschutz von Sportlerinnen und Sportlern. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass in erster Line der Sport selbst auf nationaler und internationaler Ebene für die Dopingbekämpfung und insbesondere für die Durchführung der gebotenen Trainings- und Wettkampf- kontrollen sowie für die konsequente Durchführung ab- schreckender Sanktionen zuständig ist. Die Bundesregierung ist bereit, da unterstützend ein- zugreifen, wo die Mittel des Sports nicht weiterhelfen. Sie wird nicht nachlassen, ihren Einfluss geltend zu machen, um erkennbare Defizite bei der Dopingbekämpfung zu beseitigen. Eine Maßnahme zur effektiveren Dopingbekämpfung wurde mit der Verschärfung des Arzneimittelgesetzes ge- troffen. Damit das gesetzliche Dopingverbot für das Um- feld der Sportlerinnen und Sportler, den Arzt, Trainer oder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19451 (C) (D) (A) (B) sonstige Betreuer, auch wirksam durchgesetzt werden kann, müssen den Ermittlungsbehörden die einen An- fangsverdacht begründenden Tatsachen allerdings auch bekannt werden. Wie wichtig dies ist, zeigt auch die Stu- die des Lübecker Mediziners Dr. Boos über Dopingmiss- brauch in Fitnessstudios. In 17 Prozent der Fälle, bei de- nen sich ein Anabolikamissbrauch ergab, wurden anabole Steroide ärztlich verordnet. Die Große Anfrage zu Doping im Spitzensport und Fitnessbereich sowie die Antwort der Bundesregierung darauf lassen keinen Zweifel daran, dass es nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Fitness- und Freizeitbe- reich ein Dopingproblem gibt. Auch das wurde durch die Studie von Dr. Boos eindringlich bestätigt. Der Dopingmissbrauch im Freizeit- und Fitnessbereich ist ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem, bei dessen Bewältigung in erster Linie die Bundesländer gefordert sind. Die Möglichkeiten des Bundes sind hier begrenzt. Eine besondere Rolle bei der Bekämpfung des Doping im Freizeit- und Fitnessbereich spielt die umfassende Auf- klärung über Auswirkungen des Doping auf die Gesund- heit des Fitnesstreibenden. Ich begrüße es daher sehr, dass die Sportministerkonferenz bereits im Dezember 1999 die Verantwortlichkeit der Länder bekräftigt hat. Große Hoffnung im Hinblick auf eine effektive Do- pingbekämpfung setze ich auf die Gründung der Stiftung Nationale Anti-Doping-Agentur. Ihre Gründung wird von der Bundesregierung nachhaltig unterstützt. So ist beab- sichtigt, die bisherige Bundesförderung von über 2 Milli- onen für die Dopinganalytik in die NADA zu überführen. Außerdem wird der Bund 10 Millionen DM in das Stif- tungsvermögen der NADA einbringen. Darüber hinaus soll die Forschungsförderung zur Dopingbekämpfung im bisherigen Rahmen fortgeführt werden. Auch die Bun- desländer beabsichtigen, 2 Millionen DM zum Stiftungs- kapital beizutragen. Um die NADA zu einem unabhängigen Instrument der Dopingbekämpfung zu entwickeln, sollten alle gesell- schaftlichen Kräfte, die für Fairness und Chancengleich- heit eintreten, bei der NADA eingebunden werden. Eine neue Form der Partnerschaft von Sport und Poli- tik wurde erstmals mit der Gründung der Welt-Anti- Doping-Agentur im November 1999 geschaffen. In den Gremien der WADA sind staatliche Stellen und Sportor- ganisationen gleichermaßen vertreten. Ich halte die WADA für ein wichtiges, wenn nicht gar das wichtigste Instrument der Dopingbekämpfung auf internationaler Ebene. Von ihr erwarte ich wichtige Impulse für eine ein- heitliche, von allen Beteiligten akzeptierte, Doping- bekämpfung. Was die Schaffung eines Anti-Doping-Gesetzes anbe- langt, sollten wir nicht in Aktionismus verfallen, sondern zunächst sorgfältig prüfen, ob sich die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes bewährt hat und ob eventuell noch Handlungsbedarf besteht und wo sich Lücken in der Do- pingbekämpfung auftun. Mit dem Sport wurde seinerzeit vereinbart, nach etwa zwei Jahren eine entsprechende Auswertung des Arzneimittelgesetzes vorzunehmen. Leider liegen uns noch nicht alle erforderlichen Infor- mationen von allen Bundesländern vor, sodass derzeit keine abschließende Bewertung möglich ist. Es zeigt sich jedoch, dass die Verbotsregelungen des Arzneimittelge- setzes erste Wirkungen zeigen, insbesondere bezüglich der Aufdeckung ärztlichen Fehlverhaltens. Allerdings müssten die Sportverbände noch mehr als bisher den Strafverfolgungsbehörden die für einen An- fangsverdacht erforderlichen Tatsachen mitteilen, damit diese ein Ermittlungsverfahren einleiten können. Ich un- terstütze daher das Vorgehen des Deutschen Sportbundes, der seine Mitgliedsverbände verpflichtet hat, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen, wenn sich ein Verdacht der verbotenen Weitergabe von Dopingsubstanzen durch Trainer oder Sportarzt ergibt. Denn nur die Sportorgani- sationen verfügen über entsprechende Informationen, da sich in ihrer Sphäre die Dopingverstöße ereignen. Wir sollten uns mit dem Sport bemühen, für eine kon- sequente Umsetzung der bestehenden Vorschriften zu sor- gen. Wenn wir dann jedoch zu der Erkenntnis kommen, dass weiterhin gesetzliche Defizite bestehen, so sollten wir gemeinsam mit dem Sport nach möglichen Rege- lungsmöglichkeiten suchen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Medizinproduktegesetzes (2. MPG- ÄndG) (Tagesordnungspunkt 15) Carola Reimann (SPD): Wir beraten heute einen Ge- setzentwurf, der den Verbraucherschutz in der Medizin zum Wohle des Patienten verbessert. Gleichzeitig wird es von der Medizinprodukte-Industrie schon längst erwartet und ist ein Beispiel dafür, dass wirtschaftliche Interessen und Verbraucherschutz Hand in Hand gehen können. Der Entwurf setzt zwei EU-Richtlinien, die Richtlinie 98/79/EG und die Richtlinie 2000/70/EG, und bezieht da- mit In-vitro-Diagnostika und Medizinprodukte, die sta- bile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten, in den Anwendungsbereich des Medizinpro- duktegesetzes ein. In-vitro-Diagnostika sind im Wesentli- chen Reagenzien und Geräte für medizinische Laborun- tersuchungen; zu den Medizinprodukten, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthal- ten, gehören zum Beispiel mit Albumin beschichtete Ka- theter. Mit den neuen Regelungen wird der Marktzugang für diese Produkte wesentlich erleichtert. Sie sind im ge- samten europäischen Wirtschaftsraum verkehrsfähig, wenn sie die im Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen erfüllen und die CE-Kennzeich- nung tragen. Der Markt für medizintechnische Produkte ist ein globaler Wachstumsmarkt. Er wächst in den Indu- strienationen um circa 5 bis 7 Prozent jährlich. Der Welt- markt für Medizinprodukte hat bereits jetzt ein geschätz- tes Volumen von etwa 200 Milliarden DM pro Jahr. Das Produktionsvolumen der deutschen Medizinprodukte-In- dustrie, die in 1 200 Betrieben rund 110 000 Mitarbeiter Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119452 (C) (D) (A) (B) beschäftigt, liegt bei circa 28 Milliarden DM. Der Expor- tanteil von mehr als 50 Prozent unterstreicht die interna- tionale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Medizinpro- dukte-Industrie. Über die Umsetzung europäischen Rechts hinaus verfolgt das Gesetz eine Reihe weiterer Ziele. So trägt es den bisherigen Erfahrungen in der An- wendung des Medizinprodukterechts Rechnung, indem es Korrekturen und Klarstellungen vornimmt sowie Rege- lungslücken schließt. Auf einige Schwerpunkte des Gesetzes – außerhalb der Richtlinienumsetzung – möchte ich näher eingehen: Dies sind zum einen die neuen Regelungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten, die keimarm oder steril angewen- det werden. Wichtig war uns eine Lösung, die zum einen dem vorbeugenden Verbraucherschutz, andererseits aber auch der Finanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens Rechnung trägt. Ich möchte Ihnen die zentralen Neurege- lungen kurz skizzieren: Für die Aufbereitung, auch von so genannten Einmalprodukten, dürfen nur Verfahren ange- wendet werden, die sicherstellen, dass der Erfolg nach- vollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Ge- sundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Bindend hierfür ist die gemeinsame Emp- fehlung zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, die von der Kom- mission für Krankenhaushygiene und Infektionspräven- tion am Robert-Koch-Institut und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ausgegeben wird. In der Vergangenheit haben sich Betriebe als externe Dienst- leister etabliert, die im Auftrag von Krankenhäusern Me- dizinprodukte aufbereiten. Die Anforderungen an die Aufbereitung gelten nun auch für diese Betriebe. Darüber hinaus müssen sich Betriebe und Einrichtungen anzeigen, die Medizinprodukte für andere aufbereiten. Damit wird eine wirkungsvolle Überwachung durch die zuständigen Behörden erst möglich. Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neustrukturierung und teilweise Ände- rung der Vorschriften über die Anzeigepflichten sowie zur Überwachung und zur Abwehr von Risiken. Das Gesetz differenziert künftig klar und deutlich zwischen den Re- gelungen über die allgemeinen Bestimmungen für die Durchführung der Überwachung, den Regelungen über die Maßnahmen bei unrechtmäßiger und unzulässiger Anbringung der CE-Kennzeichnung und den Regelungen zu den Verfahren zur Abwehr von Risiken. Diese werden deshalb auch gesondert in einzelnen Paragraphen gere- gelt, was bisher nicht der Fall war. In diesem Zusammenhang wird auch der Umfang der behördlichen Überwachung neu geregelt. Bislang sieht das geltende Recht nur eine stichprobenartige Überwa- chung vor. Die generelle Einschränkung der Überwa- chung auf Stichproben hat sich aber als nicht sachgerecht erwiesen. Daher wird einerseits die bisherige Einschrän- kung des Überwachungsauftrages aufgehoben, es ande- rerseits aber den Behörden überlassen, den Umfang der Überwachung unter Berücksichtigung des Risikopotenzi- als der jeweiligen Medizinprodukte selbst zu bestimmen. Im Zusammenhang mit der Überwachung und der Ab- wehr von Risiken bei Medizinprodukten möchte ich auch auf den Sicherheitsplan für Medizinprodukte hinweisen. Auf der Grundlage des Medizinproduktegesetzes werden hier die Einzelheiten zur Erfassung, Bewertung und Ab- wehr von Risiken bei Medizinprodukten geregelt. Die Ri- sikobewertung bei Medizinprodukten erfolgte bisher auf der Grundlage der europäischen Richtlinien, des Medi- zinproduktegesetzes, der Medizinprodukteverordnung, der von der europäischen Kommission erarbeiteten Leit- linien und einer Bekanntmachung des BMG. Dabei sind vereinzelt Schwierigkeiten aufgetreten, weil detaillierter verbindliche Vorgaben gefehlt haben. Zur Vermeidung von Defiziten im Gesundheitsschutz werden die Ver- pflichtungen der Beteiligten und die zu beachtenden Ver- fahren künftig in dieser Verordnung konkretisiert. Wich- tig war uns auch die Deregulierung und Straffung des Medizinproduktegesetzes. In diesem Zusammenhang ha- ben wir eine Reihe von Verordnungsermächtigungen und Verweisungsketten gestrichen. Lassen Sie mich hierzu ein Beispiel nennen: Nach den Vorgaben der europäischen Richtlinien müssen Medizinprodukte, damit Sie in den Verkehr gebracht werden dürfen, unter anderem die so ge- nannten grundlegenden Anforderungen erfüllen. Diese sind in den Anhängen der entsprechenden europäischen Richtlinien verbindlich vorgeschrieben. Bisher enthält das Gesetz die Regelung, dass Voraussetzung für das In- verkehrbringen von Medizinprodukten die Erfüllung der grundlegenden Anforderungen ist. Weiterhin gibt es eine Ermächtigung, dass das Bundesgesundheitsministerium durch Rechtsverordnung die grundlegenden Anforderun- gen an Medizinprodukte bestimmen kann. In der Verord- nung – dies ist die Medizinprodukteverordnung – wird dann auf die einschlägigen Anhänge der Richtlinien ver- wiesen. Jetzt haben wir im Gesetz selbst auf die Anhänge der Richtlinien verwiesen und uns den Umweg über die Verordnung gespart. Wir haben eine gleitende Verwei- sung vorgesehen, sodass Änderungen in den Anhängen der Richtlinien automatisch auch im deutschen Medizin- produktegesetz zu berücksichtigen sind. Dass der Ansatz einer Regelung im Gesetz zu einer besseren Lesbarkeit und zu einem besseren Verständnis des Gesetzes beiträgt, wurde uns von verschiedenen Sei- ten bestätigt. Ähnlich wie mit den grundlegenden Anfor- derungen sind wir mit der Klassifizierung von Medizin- produkten, mit der klinischen Bewertung einschließlich klinischer Prüfung und den Mindestkriterien für die Be- nennung von Prüfstellen umgegangen. Auch diese Rege- lungen sind unmittelbar in das Gesetz aufgenommen. Da- gegen kann auf die Ermächtigungsnorm zur Regelung einer Zertifizierung von Sachverständigen ganz verzich- tet werden, da wir unter Aspekten des Gesundheits- schutzes keine Notwendigkeit sehen, speziell im Medi- zinproduktegesetz bundeseinheitliche Anforderungen an Sachverständige zu stellen. Weitere Punkte der Deregu- lierung sind der Bund-Länder-Ausschuss sowie der bis- lang noch nicht etablierte Ausschuss für Medizinpro- dukte. Diese sollten das Bundesministerium für Gesundheit dabei unterstützen, sich notwendige Informa- tionen für Entscheidungen zu verschaffen. Der erforderli- che Abstimmungs- bzw. Beratungsbedarf mit den Län- dern und den betroffenen Kreisen kann jedoch auf andere Weise gezielter und flexibler erfolgen. Deshalb können die beiden Ausschüsse entfallen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19453 (C) (D) (A) (B) Im Rahmen des 2. MPG-ÄndG wird auch das Heilmit- telwerbegesetz (HWG) geändert. Das Heilmittelwerbege- setz betraf bislang nur Medizinprodukte, soweit es sich um Gegenstände handelte. Die Besonderheiten der Medi- zinprodukte blieben damit aber unberücksichtigt. Daher soll das Heilmittelwerbegesetz künftig grundsätzlich auf Medizinprodukte anwendbar sein. Da Medizinprodukte in Laienhand im Hinblick auf ihr Gefährdungspotenzial nicht mit Arzneimitteln vergleichbar sind, erfolgt jedoch eine differenzierte Ergänzung des Heilmittelwerbegeset- zes. Im Ergebnis wird somit eine verbesserte Aufklärung und Information der Patienten erreicht. Das wird unserem Ziel gerecht, den Patienten mündiger zu machen. Da auch die rasante Entwicklung im Bereich der Medien – Stich- wort Internet – für den Verbraucher positiv genutzt wer- den soll, ist die Werbung für Medizinprodukte nicht mit der für Arzneimittel gleichgestellt. Die Neuregelungen berücksichtigen jedoch auch den grundsätzlichen An- spruch des Verbrauchers auf einen Schutz vor unsach- gemäßer Beeinflussung. Letztendlich überwiegt aber in einer aufgeklärten Gesellschaft der Anspruch auf Infor- mation, die auch mittels Werbung erfolgen kann. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt nen- nen, der im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens heftig diskutiert wurde: Die Frage der Zulässigkeit privater Prüfzeichen neben der CE-Kennzeichnung. Mit dem vor- liegenden Gesetz dürfen neben der CE-Kennzeichnung zusätzliche Zeichen angebracht werden, wenn sie nicht in die Irre führen und die Sichtbarkeit und Lesbarkeit der CE-Kennzeichnung nicht beeinträchtigen. Mit dem zu- sätzlichen privaten Prüfzeichen muss auch künftig ein zu- sätzlicher Nutzen verbunden sein. Dr. Sabine Bergmann-Pohl (CDU/CSU): Die Bun- destagsfraktion der CDU/CSU begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Medizinprodukte- gesetzes. Das Medizinproduktegesetz hat sich nach meinem Eindruck in den vergangenen nunmehr fast sieben Jahren weitgehend bewährt. Aber auch Bewährtes gilt es weiter- zuentwickeln. Hinzu kommen die Notwendigkeit der Umsetzung von EG-Recht in deutsches Recht und die für die Beteiligten löbliche Vereinfachung von Regulie- rungsvorschriften mit dem Ziel einer größeren Transpa- renz – ein Anliegen, das meine Fraktion uneingeschränkt unterstützt. Lassen Sie mich nun auf einige Punkte des Gesetzent- wurfes näher eingehen, die mir und meiner Fraktion be- sonders wichtig sind: Das vorliegende Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür, wie man rechtliche Vorschriften ver- schlanken und Überregulierungen vermeiden kann. Dop- pelnennungen, unnötige Verweisungsketten und überflüs- sige Vorschriften wurden gestrichen. Beispielsweise finde ich den Verzicht auf den Bund-Länder-Ausschuss für Me- dizinprodukte und den Ausschuss für Medizinprodukte beim BMG gut, da solche Gremien zwar in der Ge- schäftsführung erheblichen bürokratischen Aufwand be- deuten, im inhaltlichen Output aber häufig bescheidene Ergebnisse nach dem Motto „Ist gut, dass wir darüber ge- sprochen haben“ produzieren. Bund-Länder-Arbeitsgruppen oder themenspezifische Ad-hoc-Gruppen können auch ohne gesetzliche Regelun- gen bei gegebenem Anlass tagen. Und sie tun es auch, wie beispielsweise die Task Force beim RKI zum Thema: „Überlegungen und Empfehlungen zur Minimierung des Risikos einer iatrogenen Übertragung der vCJK durch po- tenziell kontaminierte Medizinprodukte“ beweist, die in Kürze ihre Ergebnisse präsentieren wird. Man braucht also nicht unnötige Paragraphen, die ein schnelles, ziel- gerichtetes Agieren eher behindern. Im Ergebnis der Neustrukturierung des Gesetzes hat sich nicht nur die Lesbarkeit, sondern auch vor allem die praktische Handhabbarkeit für die Beteiligten verbessert. Man hat bei den Beratungen zum Gesetz die Empfeh- lungen und Erfahrungen der Praxis durch Auswertung ei- nes Erfahrungsberichts berücksichtigt. Qualitätsgesichtspunkte sind bei der Herstellung, dem Betreiben, der Anwendung und der Instandhaltung von Medizinprodukten außerordentlich wichtig. Meine Frak- tion begrüßt, die Intensität der Überwachung durch die Länder am Risikopotenzial des Medizinproduktes zu ori- entieren. Eine CE-Kennzeichnung kann eine Marktüber- wachung nicht überflüssig machen. Ein besonderes Anliegen ist für uns die Wiederaufbe- reitung von Medizinprodukten, insbesondere von Ein- malprodukten. Lassen Sie mich dies erläutern. Medizini- sche Instrumente werden immer ausgereifter. Früher bestanden diese Instrumente hauptsächlich aus Metall, Keramik und Glas. Diese ließen sich einfach sterilisieren. Heute hingegen werden bei der Herstellung von medizi- nischen Instrumenten in großer Zahl Kunststoffe einge- setzt. Das macht die Instrumente funktionaler und viel- seitig einsetzbar. Kunststoffe lassen sich aber schwerer sterilisieren. Problem ist in diesem Zusammenhang, dass diese Produkte bei der Herstellung oft vom Hersteller nicht für eine Aufbereitung oder Wiederverwertung aus- gelegt werden – warum auch immer. So werden bestimm- te Produkte als Einmalprodukte bezeichnet, obwohl eine Wiederaufbereitung nach heutigem Stand der Technik möglich ist. Moderne medizinische Instrumente sind oftmals teuer, so kosten einige über 1 000 DM. In der Anhörung wurde deutlich, dass aufgrund des erheblichen Kostendruckes in den Krankenhäusern kostenintensive Einmalprodukte, die zum Beispiel in der minimal invasiven Chirurgie ein- gesetzt werden, aufbereitet werden. In etlichen Kranken- häusern gibt es keine Voraussetzungen, mittels validierter Verfahren eine ordnungsgemäße Wiederaufbereitung nachzuweisen. Das kann die Sicherheit der Patienten ge- fährden. Die finanzielle Situation wird sich bei der Ein- führung der DRGS eher noch verschärfen. Experten ha- ben errechnet, dass bei der Wiederaufbereitung so genannter Hightech-Medizinprodukte bis zu einer Milli- arde DM an Einsparungen zu erbringen sei. Wir müssen also abwägen zwischen einem möglichst optimalen vor- beugenden Verbraucherschutz und den finanziellen Mög- lichkeiten der GKV. Ich halte den jetzt eingeschlagenen Weg, die Anforde- rungen an die Aufbereitung im Medizinproduktegesetz, in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119454 (C) (D) (A) (B) der Medizinprodukte-Betreiberverordnung und in der neuen „Hygiene-Richtlinie“ des Robert-Koch-Institutes für geeignet, beiden Interessen gerecht zu werden. Aller- dings müssen die Vorschriften vor Ort strikt eingehalten und auch streng kontrolliert werden. Meiner Bitte an das Bundesministerium für Gesundheit, im Rahmen der Ge- sundheitsministerkonferenz dieses Thema anzusprechen, wurde von der Parlamentarischen Staatssekretärin ent- sprochen, wofür ich dankbar bin. Die Länder müssen durch angemessene Kontrollen und eine kontinuierliche Überwachung der Wiederaufbereitung von Medizinpro- dukten mittels produktspezifischer validierter Verfahren die Sicherheit der Patienten und Anwender gewährleisten. Das Gesetz regelt weiterhin die Werbung für Medizin- produkte. Bisher fehlte es an einer ausdrücklichen Rege- lung. In der Rechtsprechung gab es divergierende Ent- scheidungen. So haben die Gerichte für Medizinprodukte in bestimmten Fällen das Heilmittelwerbegesetz ange- wandt. Die Beseitigung bisher bestehender gesetzlicher Unsicherheiten wird von uns begrüßt. Es war dabei eine Abwägung zwischen dem Schutz des Verbrauchers und seinem Informationsrecht einerseits und den wirtschaftli- chen Interessen von Herstellern andererseits zu treffen. Medizinprodukte fallen jetzt grundsätzlich unter das Heilmittelwerbegesetz. Aber die strukturellen Unter- schiede von Medizinprodukten gegenüber Arzneimitteln wurden berücksichtigt. Arzneimittel können vielfach Wir- kungsweisen und Nebenwirkungen entfalten, die der Ver- braucher ohne weiteres nicht überblicken kann. Hier be- darf der Verbraucher eines stärkeren Schutzes als bei bestimmten Medizinprodukten. Beispielsweise bei Bril- len, Hörgeräten oder Blutzuckermessgeräten überwiegt das Informationsinteresse des Verbrauchers. So ist auch zukünftig eine Werbung für diese Medizinprodukte mög- lich. Dieses Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Po- litik mit Gesetzen nur einen Rahmen für das Handeln der Beteiligten vorgeben sollte. Selbstregulierung, Selbstver- pflichtungen und Eigenverantwortung der Beteiligten sollte zunächst der Vorrang eingeräumt werden. Wirk- same flankierende Kontrollmechanismen sind unerläss- lich, wenn es um die Gesundheit der Patienten und An- wender geht. Aber folgender Grundsatz muss aus meiner Sicht beachtet werden: Kontrolle mit Augenmaß – ja, Überregulierungen und Bürokratie – nein. Vielleicht sollte Rot-Grün diese Methode der Deregu- lierung auch in anderen Bereichen der Gesundheitspolitik anwenden. Das wäre gegenüber der bisherigen chaoti- schen Regulierungswut im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt für alle Beteiligten eine Erleichterung. Monika Knoche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben es ja bereits vernommen: Die Novelle des 2. MPG- Änderungsgesetzes ist in erster Linie ein Gesetz zur Ak- tualisierung, Vereinfachung bzw. zur Deregulierung und Anpassung einzelstaatlicher Gesetze, die die Mindest- standards, klinische Prüfung, Marktüberwachung, Inver- kehrbringen und Kennzeichnungen von Medizinproduk- ten regeln. Diese Maßnahmen werden von der Fachwelt und Industrie begrüßt. Dennoch ist das 2. MPG-Ände- rungsgesetz als mehr als nur eine rein technische Umset- zung zweier EU-Richtlinien in deutsches Recht zu verste- hen. Das Gesetz, über das wir heute abschließend reden, lässt eine Reihe von Auswirkungen und eine Fülle von Bezügen zu anderen gesetzlichen Regelungen erkennen. Denn das eigentliche Novum des Medizinproduktege- setzes „2. MPG-Änderungsgesetz“ besteht darin, dass zum einen In-Vitro-Diagnostika „IVD“, zum anderen De- rivate humanen Ursprungs, wie zum Beispiel Bestandteile aus menschlichem Blut, neu in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes aufgenommen werden. Das ist von größerer Bedeutung. Denn diese neue Res- source humanbiologischer Herkunft wird einem weiteren Zuwachs unterliegen. Gerade wegen der neuen Regelun- gen für IVD und Derivate menschlichen Ursprungs kann dieses Gesetz nur in Kenntnis und im Zusammenhang mit einer Reihe ebenfalls berührter gesetzlicher Regelungen betrachtet werden. Ich nenne hier nur ein paar Beispiele, damit wir diese Zusammenhänge nicht aus den Augen verlieren. Manches davon wird systemisch weiterzuentwickeln sein, respek- tive Gesetzesnovellen an anderer Stelle nach sich ziehen. Stichwort Probandenschutz. Da es an den forschenden Universitätskliniken gängige Praxis ist, den Patienten für die Bio- und Gentechnik Blut, Gewebe und Zellen, also genetisches Material, zu entneh- men, sind die Probleme des Probandenschutzes sowie der informierten Zustimmung von Spendern und Empfängern als Problemkreis berührt. Das Medizinproduktegesetz hat keine Antworten auf Fragen des informed consent, der nicht nur für Empfän- ger, sondern gerade auch für Spender gilt. Bekannte Fra- gen dabei sind: Wie wird im klinischen Alltag sicherge- stellt, dass der informed consent bzw. die Einwilligung der Spender zur Beforschung ihrer – die genetische Iden- tität – einschließenden Körpersubstanzen gewährleistet ist? Wissen die Patienten, zu welchem Forschungszwecke sie gegebenenfalls ihre Einwilligung an der Entnahme und wissenschaftlichen Verwendung ihrer Körpersub- stanzen gegeben haben? Was geschieht mit lagerungs- fähigen Gewebe- und Zeltspenden, die ja alle die geneti- schen „Fingerabdrücke“ ihrer Spender enthalten? Bei der Anhörung kamen diese Fragen zur Sprache. Wir haben uns darauf verständigt, dies alles weiter zu diskutieren und hier die Erarbeitungen der Enquete-Kom- mission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ zu be- achten. Denn allein den Ethikkommissionen der Kran- kenhäuser können diese Entscheidungen in Zukunft nicht mehr überlassen werden. Zu Fragen des Leistungskata- logs der gesetzlichen Krankenversicherung machten während der Anhörung Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen darauf aufmerksam, dass es einiger Klar- stellungen bedarf, was die Versorgungsansprüche der Ver- sicherten und den medizintechnischen Fortschritt angeht. Denn auch hiervon handelt das Medizinproduktegesetz. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19455 (C) (D) (A) (B) Sie merken es schon, meine Herren und Damen, es geht hier um Ressourcenallokation in Zeiten anhaltenden fi- nanziellen Drucks auf die Kassen. Damit Allokationsentscheidungen nicht zu Vertei- lungsfragen werden – die, wie allgemein gesehen wird, ethische Fragen in der modernen Medizin sind – sollten wir im Arzneimittelgesetz, Heilmittelwerbegesetz, Trans- fusionsgesetz, Sozialgesetzbuch und gegebenenfalls in ei- nem Gentestgesetz das Weitere bearbeiten. Das MPG ist weitgehend eine technische Umsetzung. Es genoss bei der Anhörung überaus übereinstimmende Zustimmung. Was auf die gute Arbeit des BMG zurückzuführen ist. Detlef Parr (FDP): Auch wenn das Gesetz vornehm- lich die Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht vornimmt, gibt es einige interessante Aspekte, die mit dieser Novelle angegangen werden. Zu begrüßen ist, dass der Versuch unternommen wird, das Medizinpro- dukterecht praktikabler und handhabbarer zu gestalten. Überregulierungen werden abgeschafft. Stattdessen wird der Selbstverpflichtung der Betroffenen weitgehend Prio- rität eingeräumt. Viel ist im Vorfeld diskutiert worden über den Sicher- heitsplan, der den Rahmen für die Marktüberwachung vorgibt. Alle Beteiligten waren Sich dabei einig, dass die Marktüberwachung der Länder besser koordiniert werden muss und der Informationsaustausch besser funktionieren muss als in der Vergangenheit. Allerdings, auch das ist klar, kann es eine ständige Überprüfung bereits auf dem Markt befindlicher Medizinprodukte nicht geben. Das ist viel zu aufwendig und das macht auch keinen Sinn. Es wird vielmehr darauf ankommen, in der Praxis ein risiko- abgestuftes Verfahren zu entwickeln. Das Gefährdungs- potenzial eines Medizinproduktes sollte ausschlaggebend dafür sein, wie engmaschig das Überwachungssystem ist. Die Anforderungen sollten nach Gefahrenstufen gestaffelt werden. Intensive Diskussionen hat es um die Frage gegeben, inwieweit eine Wiederaufbereitung von Medizinproduk- ten möglich sein soll. Dabei haben insbesondere zwei Aspekte eine Rolle gespielt: An erster Stelle die Sicher- heit für die Patienten und an zweiter Stelle die Wirt- schaftlichkeit. Fest steht: Es muss sichergestellt sein, dass Patienten keinesfalls durch wiederaufbereitete Medizin- produkte zu Schaden kommen können. Nur dann, wenn Produkte ohne Risiken für die Patienten wieder aufberei- tet werden können, ist es möglich, das zuzulassen. Nur bei hohen Sicherheitsanforderungen sollte hierauf nicht verzichtet werden, wenn dadurch knappe Ressourcen geschont werden können. Aber diese Produkte müssen unbedingt die gleichen Anforderungen erfüllen wie neu- wertige. Kritisch sehe ich die Erweiterung des Prüfungsauftrags der Ethik-Kommissionen, die das Gesetz nun vorsieht. Bereits heute sind die Kommissionen überlastet. Die Mit- glieder müssen hauptsächlich Forscher sein. Im Neben- amt – wie es heute geschieht – sind die erweiterten Auf- gaben nur schwerlich zu erfüllen. Wenn wir eine durchgreifende Gesundheitsreform wollen, müssen wir auch das Heilmittelwerbegesetz auf den Prüfstand stellen. Überregulierungen finden sich auch hier. Die Werbung von Medizinprodukten soll jetzt den Regelungen dieses Gesetzes unterworfen werden. Zu den zukünftig verbotenen Werbemethoden soll auch die un- verlangte Abgabe von Proben zählen. Wir halten eine sol- che Restriktion für überflüssig. In der Anhörung wurde deutlich, dass das Gesetz im Hinblick auf Hinweise, die auf europäische Richtlinien und deren Anhänge gemacht werden, schwer lesbar ist. Die Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht gestaltet sich offenbar immer wieder schwierig. Wir werden die Entwicklung in den nächsten Monaten sehr intensiv beobachten, um zu sehen, ob sich die ge- troffenen Entscheidungen auch in der Praxis bewähren. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Das Zweite Gesetz zur Ände- rung des Medizinproduktegesetzes setzt EU-Richtlinien über In-Vitro-Diagnostika sowie über Produkte, die sta- bile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten, in nationales Recht um. Zum anderen gibt es Antworten auf herangereifte Probleme, die sich in den letzten Jahren aus der Arbeit mit dem Medizinprodukte- gesetz ergeben haben. Dieser Rechtsbereich ist in der Bundesrepublik bekanntlich noch relativ neu. Es ist des- halb verständlich, dass jetzt die bisher gesammelten Er- fahrungen ihren Niederschlag in einer Gesetzesnovellie- rung finden. Das Gesetz schließt bestehende Lücken und hilft, die Sicherheit für Patienten und Anwender beim Umgang mit Medizinprodukten zu erhöhen. In diesem Zusammenhang finden wir es auch wichtig, dass die Aufgaben der zustän- digen Bundesoberbehörde bei der Erfassung und Bewer- tung von Vorkommnissen bei der Anwendung von Medi- zinprodukten genauer bestimmt werden. Ebenso zu begrüßen ist die Klarstellung, dass Werbung für Medizin- produkte grundsätzlich unter die Bestimmungen des Heil- mittelwerbegesetzes fallen soll. Das jetzt vorliegende Gesetz wird angesichts der dy- namischen wissenschaftlich-technischen Entwicklung wiederum nur für einen gewissen Zeitraum Bestand ha- ben können. Das sollte der Gesetzgeber schon jetzt im Blick behalten. Eine kontinuierliche Analyse der ein- tretenden Veränderungen – gegebenenfalls durch eine ständige Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Ge- sundheit – könnte dem Rechnung tragen. Schon jetzt scheinen sich einige Felder abzuzeichnen, die entspre- chend beobachtet werden sollten. Beispielsweise werden gemäß Art. 11 ergänzende Regelungen zu Kontrollunter- suchungen und Vergleichsmessungen in medizinischen Laboratorien in die Medizinproduktebetreiber-Verord- nung aufgenommen. Hier wäre in der Folgezeit darauf zu achten, ob künftig nicht vom Hersteller verlangt werden sollte, die Qualität von In-Vitro-Diagnostika auch durch Prüfung der Einsatzstoffe und durch Funktionsprüfungen unter Standardbedingungen zu sichern. Ähnliches gilt nach unserer Auffassung für die Anforderungen an die Tätigkeit der Medizinprodukteberater. Absehbar ist, dass Medizinprodukte hinsichtlich Sortiment, Qualität und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119456 (C) (D) (A) (B) Einsatzhäufigkeit weiter an Bedeutung gewinnen. Die Frage einer Zertifizierung dieser Sachverständigen, die jetzt negativ entschieden wurde, sollte deshalb noch nicht ad acta gelegt werden. Schließlich geht es darum, die Be- ratung der Ärzte für den Umgang und bei der Anwendung von Medizinprodukten stets mit gesicherter Sachkunde und Eindeutigkeit zu gewährleisten. Dem vorliegenden Gesetz geben wir unsere Zustim- mung. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: a) der Unterrichtung: Tierschutzbericht 2001 der Bundesregierung b) des Antrags: Verbesserungen im Tierschutz national und europaweit vorantreiben (Tages- ordnungspunkt 16 a und b) Heino Wiese (Hannover) (SPD): Ich möchte mich zunächst bei Marianne Klappert bedanken; sie hat uns eine komplexe Darstellung der offenen Themen im Tier- schutzbereich präsentiert. Dass der Kollege Ronsöhr dem in vielen Punkten nicht beipflichtet, ist mir auch klar. Ich halte die Legehennenverordnung für ein wichtiges Signal an die Geflügelhalter. Ich glaube nicht, dass die Verordnung die optimale Schnittmenge zwischen Tier- schutz, Hygiene, ökologischen Rahmenbedingungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten abbildet. Ich glaube, dass bei objektiver wissenschaftlicher Betrachtung andere und bessere Formen artgerechter Haltung gefunden wer- den können. Aber das ist jetzt nicht mehr die Frage. An der langjährigen Verweigerungshaltung der Eierproduzenten ist das gescheitert. Aber es gibt ja auch noch die Geflü- gelhaltung zu Mastzwecken und da rate ich den Geflügel- haltern, schnell zu eigenen konstruktiven Vorschlägen zu kommen. Wenn mir da jemand sagt: „Die Mastputen wer- den doch gar nicht in Käfigen gehalten“, so halte ich das für blanken Zynismus. Wenn sich die Puten aufgrund ih- rer überzüchteten großen Brüste nicht mehr bewegen kön- nen, braucht man ja auch keinen Käfig mehr. Die Öffent- lichkeit und die Medien sind hinreichend aufmerksam, dass ihnen diese Tierquälerei das Putenfleisch sehr schnell verleiden wird. Die Geflügelwirtschaft muss also schnellstens konstruktive Vorschläge machen. Sonst wer- den emotionale Reaktionen Platz greifen. Zu einer Position von Marianne Klappert habe ich eine etwas andere Auffassung. Vielleicht liegt das daran, dass mir das Fleisch von Weideochsen besonders gut schmeckt. Ich halte die Kastration bei männlichen Rin- dern für vertretbar, wenn dadurch die Haltung aus dunk- len engen Ställen auf die Weide verlagert wird. Natürlich sollte man die Kastration sachgerecht und hygienisch ein- wandfrei durchführen und nicht durch unerfahrene Aus- zubildende. Die Prämisse lautet, dem Tier möglichst keine Schmerzen zuzufügen. Ich bin aber der Meinung, dass man beim Tierschutz nicht eindimensional denken darf. Wenn Tiere durch vermeintlich artgerechte Haltung krank werden oder in Dauerstress geraten oder nur durch Medikamenteneinsatz lebensfähig sind, so ist das auch eine Form von Leiden, die dem Tier zugefügt werden. Halterinnen und Halter von Haustieren, die ihre kleinen Lieblinge buchstäblich zu Tode füttern oder streicheln, sind auch Tierquäler. Ein wesentlicher Grundsatz im Umgang mit Tieren sollte aber sein, dass es sich nicht um Sachen oder Pro- dukte handelt, sondern um Mitgeschöpfe. Wenn sich das alle Handelnden bewusst machen, dann haben wir eine Chance auf mehr Mitgefühl für die Tiere. Um diese Chance zu verbessern, lassen Sie uns einen erneuten Ver- such machen und den Tierschutz im Grundgesetz veran- kern. Die lieben Kolleginnen und Kollegen aus den Parteien, die das große C im Namen führen, sollten zeigen, dass für sie die christliche Nächstenliebe auch für die Mitge- schöpfe gilt. Alle anderen Parteien im Deutschen Bun- destag haben die Notwendigkeit der grundgesetzlichen Verankerung lange eingesehen. Zeigen Sie, dass auch Sie einsichtsfähig sind! Marianne Klappert (SPD): Tierschutzpolitik ist keine einfache Sache. Sie fand jahrelang eher unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit statt oder ohne größeres öf- fentliches Interesse. Lediglich in Zeiten besonderer emo- tionaler „Anfälligkeit“, zum Beispiel Weihnachten oder Ostern, wurde den Missständen bei der Tierhaltung eine größere Beachtung geschenkt – in Form von aufrütteln- den, gelegentlich reißerischen, nicht immer seriösen Me- dienberichten. Leider verebbte die daraufhin einsetzende Empörungswelle recht schnell wieder, wenn das Thema aus den Medien verschwunden war. Das ist seit der BSE- und MKS-Krise anders gewor- den. Damit erhalten Tierschutzanforderungen nicht nur einen höheren Stellenwert und eine höhere Beachtung, es gibt auch – öffentlich unterstützt – eine größere, viel größere Chance, diese Anforderungen auch durchzuset- zen. Allerdings hält die Geschwindigkeit von Veränderun- gen in diesem Bereich nicht immer mit den Erfordernis- sen Schritt. Das hat vor allem damit zu tun, dass Tier- schutz schon lange keine nationale Angelegenheit mehr ist, sondern eine europäische, ja sogar weltweite. Und da- mit verlängern sich erfahrungsgemäß die Entscheidungs- prozesse. Darüber hinaus ist Tierschutzpolitik aber auch das Bohren von dicken Brettern. Nicht selten dauert es bis zu durchgreifenden Erfolgen in diesem Bereich Jahre, gar Jahrzehnte. Die Legehennenhaltungsverordnung ist ein Beispiel dafür, das Tierschutzgesetz ein anderes. Das muss zunächst einmal zur Kenntnis genommen werden. Dies hat viel mit politischer Vernachlässigung der The- matik zu tun. Mit dieser Nachrangigkeit hat die jetzige Bundesregie- rung aufgeräumt. Der Tierschutzbericht der Bundesregie- rung ist ein Beleg dafür. Aber nicht nur der Tierschutzbe- richt, über den die Bundesministerin schon ausführlich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19457 (C) (D) (A) (B) informiert hat, belegt dies, viel mehr noch die heftig um- strittene, jetzt aber mit deutlicher Mehrheit durchgesetzte Legehennenhaltungsverordnung. Sie markiert nichts we- niger als einen Paradigmenwechsel in der Tierschutzpoli- tik. Zum ersten Mal werden nicht wirtschaftliche Interes- sen in den Vordergrund gestellt, zum ersten Mal gilt eine Verordnung in diesem Bereich nicht in erster Linie dem Produzentenschutz, sondern dem Tierschutz. Ich gebe zu: Ich habe eine Verordnung in dieser Form lange Zeit nicht für möglich gehalten. Umso erfreuter bin ich, dass sie in dieser Form durchgesetzt werden konnte. Und ich will dafür nicht nur der Ministerin danken, son- dern auch den Bundesländern, die im Bundesrat dieser Verordnung zugestimmt haben. Dabei waren auch Bun- desländer mit einer CDU- oder CSU-geführten Regie- rung. Und diese haben sich mit ihrer positiven Entschei- dung als deutlich innovativer und fortschrittlicher erwiesen, als die Unionsfraktion, die mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von EU-weit gleichen Regelungen am liebsten den Status quo zementiert hätte. Bundesministe- rium und Bundesländer haben mit dieser Verordnung ei- nen Meilenstein für den Tierschutz gesetzt. Und damit ist eine alte Forderung der SPD-Bundestagsfraktion nun Wirklichkeit geworden. Das heißt nicht, dass wir uns nicht auch europaweit für eine Abschaffung der Käfighal- tung von Legehennen einsetzen müssen und werden. Aber einer muss den Anfang machen, wir haben ihn gemacht. Ich will aber nicht verhehlen, dass der Tierschutzbe- richt der Bundesregierung keine reine Erfolgsstory ist. Er kann es nicht sein. Zu komplex ist dieser Bereich, zu stark sind die Versäumnisse der Vergangenheit. Deshalb zielt unser Antrag darauf, diese Versäumnisse wenigstens teil- weise auszugleichen und auf dem eben begonnenen Weg zu tatsächlich nachhaltigen Verbesserungen beim Tier- schutz weitere Schritte voranzukommen. Und da ist und bleibt die zentrale Forderung, den Tierschutz nun endlich verfassungsrechtlich abzusichern. Darüber ist jetzt fast ein Jahrzehnt intensiv beraten und sehr kontrovers diskutiert worden und manchmal hatte es den Anschein, als stünde bei dieser Frage der Fortbestand des christlichen Abendlandes auf dem Spiel. Dabei wol- len wir Befürworter eigentlich nichts mehr, als dem Tier- schutz auch im Rechtssystem dieser Republik den Rang einzuräumen, den er braucht, um sich gegen andere Rechte behaupten zu können. Für dieses beklagenswerte Defizit ist allerdings nicht die Regierung verantwortlich zu machen, auch nicht die Regierungsfraktionen, sondern ganz allein die Fraktion von CDU und CSU. Ich weiß, dass die CDU/CSU-Fraktion, hier immer ihr Dauerargument anführt, dass sie dem praktischen Tier- schutz den Vorzug gibt vor dem eher symbolischen, wie sie es nennt. Das würde ich ja gerne glauben, wenn dem ihre Taten entsprechen würden. Sie will den symbolischen Tierschutz in Form eines Staatszieles nicht, obwohl es in der Partei da – Gott sei Dank – durchaus andere Ansich- ten gibt. Aber sie will auch wirkliche Verbesserungen im praktischen Tierschutz nicht, sonst wäre sie nicht Sturm gelaufen gegen die Legehennenhaltungsverordnung. Ihre Tierschutzpolitik – wenn man sie überhaupt so nennen kann – bewegt sich im Ungefähren und für die Tiernutzer damit im Ungefährlichen. Aber wir werden sie im einen wie im anderen Fall nicht aus der Verantwortung ent- lassen. Im einen Fall: Auch wenn die Abstimmung über ein Staatsziel Tierschutz vor eineinhalb Jahren nicht erfolg- reich verlaufen ist, weil die CDU/CSU dagegen gestimmt hat, so bleibt dieses Thema doch auf der Tagesordnung des Bundestages. Wir werden dieses Thema in den nächs- ten Monaten noch einmal in den Ausschüssen beraten und im Plenum darüber abstimmen. Dann wird sich zeigen, ob sie sich weiterhin so verbohrt verhält wie bisher. Wer sich vor dem Staatsziel Tierschutz fürchtet, hat große Angst vor einem maßvollen Tierschutz. Ich bleibe dabei, dass Tierschutz ein Maßstab für den moralischen Standard einer Gesellschaft ist. Der Schutz leidensfähiger Tiere ist für den Menschen auch dann eine Verpflichtung, wenn man selbst von ihnen nichts zurück bekommt. Und weil ich diese Verpflichtung uneinge- schränkt bejahe, plädiere ich auch heute wiederum nachdrücklich dafür, den Tierschutz auch verfassungs- rechtlich abzusichern. Im anderen Fall: Unser Antrag zählt eine Reihe von Maßnahmen auf, die dem praktischen Tierschutz voran- helfen werden. Ich lade alle ein, diese Maßnahmen mit uns in den Ausschussberatungen und hier im Plenum auf den Weg zu bringen. Dann wird sich zeigen, ob sich die Tierschutzpolitik der CDU/CSU in Lippenbekenntnissen erschöpft – die kosten zwar nichts, helfen aber auch nicht weiter –, oder ob sie mit uns den Tierschutz in Deutsch- land und in Europa voranbringen will. Die Legehennenhaltungsverordnung mit ihrer zu- kunftsweisenden Tierschutzpolitik kann nur der Anfang sein. Es gibt natürlich auch andere Tierhaltungen, die dringend tierschutzgerechter gestaltet werden müssen. Ich nenne hier den großen Bereich der Masttierhaltung. Was sich da vielfach abspielt, spottet oft jeder Beschrei- bung. Da werden Hochleistungsrassen einseitig auf Schnellwüchsigkeit und Muskulatur gezüchtet, in der Pu- tenmast zum Beispiel. In 21 Wochen erreichen Puten ihr Schlachtgewicht von 20 Kilogramm. Dass sie dann viel- fach nicht mehr stehen oder laufen können, weil der Brustmuskel zu schwer geworden ist, wird nur gelegent- lich öffentlich. Immer noch werden – zur Anpassung an Haltungssysteme – Amputationen von Körperteilen vor- genommen. Das ist an sich ein perverser Vorgang: Anstatt die Haltungsbedingungen den Tieren anzupassen, wie es nicht nur der Tierschutz fordert, sondern auch der gesunde Menschenverstand, werden die Tiere den Haltungssyste- men angepasst. Das ist ohne Zweifel billiger. Aber es ist und bleibt ein Tierschutzskandal. Oder – um ein anderes Beispiel anzuführen –: die Schweinehaltung. Deutschlands beliebtester Fleischlie- ferant ist buchstäblich eine arme Sau. Da werden männ- liche Schweine kastriert, um den penetranten Ebergeruch zu verhindern. Diese Kastration geschieht in den ersten Lebenswochen ohne Betäubung. Anschließend stehen die Tiere vielfach in dunklen Boxen, auf Spaltenböden aus Beton. Jedes Beschäftigungsmaterial fehlt. Diese Ein- tönigkeit führt zu Verhaltensstörungen, zum Beispiel Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119458 (C) (D) (A) (B) zu Kannibalismus. Das heißt: Die Tiere beißen sich ge- genseitig die Schwänze ab. Damit das nicht geschieht, werden die Schwänze schon vorher abgekniffen und die Eckzähne von Schweinen abgeschliffen. Sieht so ein ver- antwortungsbewusster Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier aus? Man könnte diese Liste beliebig verlängern. Aber zur Beschreibung der Probleme und der politischen Aufga- benstellung reicht das wohl. Wenn hier nicht auf tierschutzverantwortliches Handeln der Halter gesetzt werden kann – und so sieht es vielfach wohl aus – , dann bleiben nur gesetzliche Regelungen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, die relevanten Haltungsverord- nungen zu überprüfen und sie strikt an einer artgerechten Tierhaltung auszurichten. Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, auch in diesen Bereichen zukünftig mehr Tierschutz durchzusetzen. Ein Dauergegenstand der Tierschutzdiskussionen sind die Schlachttiertransporte. Hier ist – auch dank der Bun- desregierung – auf EU-Ebene manches erreicht worden. Aber die Defizite sind unübersehbar. Das fängt bei der im- mer noch zu langen Transportzeit an und endet bei den häufig unzureichenden Kontrollen. Und es ist nach wie vor nicht einzusehen, warum für solche Transporte immer noch Exporterstattungen gezahlt werden. Die SPD-Fraktion unterstützt die Bundesregierung nachdrücklich in ihrem Bemühen, diese Erstattungen radi- kal zu kürzen bzw. abzuschaffen. Aber das allein wird die Langzeittransporte nicht verhindern und die sich damit er- gebenden Probleme nicht beseitigen. Deshalb ist es drin- gend geboten, absolute Transportzeitbegrenzungen vor- zuschreiben. Ich habe mit großem Interesse gelesen, dass meine Kollegen und Kolleginnen von der Union in einem Antrag europaweit eine Beschränkung der Transportzeit auf sechs Stunden fordern; das lese ich gern. Ich glaube, dass wir hier eine Doppelstrategie fahren müssen, um zum Erfolg zu kommen: eine europaweit für alle verbindliche Transportzeitbegrenzung unterhalb des gegenwärtigen Niveaus von acht Stunden und national eine noch darüber hinaus gehende Verringerung der Transportzeit. Selbst der Deutsche Bauernverband hält national eine Begrenzung der Transporte auf vier Stunden für machbar. Aber viel- leicht müssen wir ja gar nicht den Weg einer gesetzlichen Begrenzung beschreiten. Vielleicht genügt es ja, diese Transportzeitverringerung auf vier Stunden zu einem Kri- terium des konventionellen Siegels zu machen. Dass die Kontrollen verbessert werden müssen – der Bericht der EU-Kommission listet in diesem Bereich eine ganze Reihe, von Defiziten auf –, dass vor allem auch in Dritt- staaten die Verladung von Schlachttieren nach denselben Anforderungen durchzuführen ist wie innerhalb der EU, das sind außerordentlich wichtige tierschutzpolitische Forderungen, bei der die Bundesregierung auf die nach- drückliche Unterstützung hoffentlich des ganzen Parla- ments rechnen kann. Aber die Tiertransportprobleme dür- fen natürlich nicht nur auf die Transportzeitdauer verengt werden. Mindestens genauso wichtig ist das Wie des Transports, die Transportdurchführung. Wenn die Bedürf- nisse der Tiere, zum Beispiel nach Wasser und Futter tat- sächlich erfüllt werden und nicht nur auf dem geduldigen Papier des Transportplans, dann wird ein großer Teil der gravierenden Missstände abgestellt sein. Und darum müs- sen wir kämpfen. Abschließend noch ein Wort zur Tierversuchsproble- matik: Ich habe an dieser Stelle für meine Fraktion schon häufiger darauf hingewiesen, dass es nicht um ein Verbot von Tierversuchen geht. Ein solches Verbot wäre unrealis- tisch und unethisch. Aber ich bin sehr dafür, dass die Zahl der Tierversuche und die Zahl der Versuchstiere zurück- geführt wird. Auch diese Forderung bleibt Dauerthema in der Tierschutzpolitik. Eine solche Formulierung, wie sie die Union in einem Antrag benutzt hat, die Zahl der Tier- versuche auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzie- ren und dazu die Entwicklung von Ersatz- und Ergän- zungsmethoden zum Tierversuch weiter voranzutreiben, klingt zwar gut, ist aber an sich eine bare Selbst- verständlichkeit. Ein bisschen konkreter wäre schon schön. Und weil es eine bare Selbstverständlichkeit ist, wollen wir das natürlich auch. Doch erscheint es uns sinn- voller, zunächst von der Bundesregierung einen geson- derten Bericht zu erbitten über die aktuellen Tierver- suchszahlen, – die sich gegenüber früher ja auch aufgrund anderer statistischer Erhebungen verändern werden. Erst danach wird man Handlungsstrategien entwickeln kön- nen, wie Tierversuche und Tierversuchszahlen verringert werden können. Der Tierschutz hat in der Bundesregierung und in den sie tragenden Fraktionen einen hohen Stellenwert, einen ungleich höheren, als er ihn zu Zeiten der konservativ ge- führten Regierung hatte. Wir erschöpfen uns nicht in Lip- penbekenntnissen, sondern treiben den Tierschutz kon- kret voran. Aber wir vergessen auch nicht, dass eine Bewusstseinsänderung in der Bevölkerung hin zu mehr Tierschutz auch von dem Stellenwert abhängt, den das Parlament dem Tierschutz zuschreibt. Deshalb müssen wir das eine tun – nämlich den Tierschutz konkret ver- bessern, und das andere nicht lassen, nämlich die funda- mentale Rechtsverbesserung durch Aufnahme des Tier- schutzes in das Grundgesetz leisten. Zu beidem werden wir noch in dieser Legislaturperiode Gelegenheit haben, nicht zuletzt bei der Beratung unseres Antrags in den Aus- schüssen. Helmut Lamp (CDU/CSU): Ich möchte meine Aus- führungen mit einem sehr bemerkenswerten Zitat der Tierschutzbeauftragten der SPD-Fraktion, unserer Kolle- gin Marianne Klappert, beginnen: „Die rot-grüne Regie- rung hat in ihrer kurzen Amtszeit schon mehr für den Tier- schutz getan, als die vorherige Bundesregierung in 16 Jahren.“ – Ich staune über so viel Sarkasmus gegen- über der eigenen Regierung. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, liebe Kollegin. Denn wir wissen doch alle, wie erschreckend traurig der „Tierschutz“ dieser Regierung in der Praxis wirklich aussieht. Hier einige wenige Beispiele: Im Zusammenhang mit der BSE-Krise hat diese Regie- rung bisher über 70 000 nachweislich gesunde Rinder ins Feuer geschickt – ohne mögliche Alternativen zu suchen oder von sich aus ernsthaft zu prüfen. Ich habe selbst erfah- ren müssen, dass es dem Landwirtschaftsministerium eher lästig war, wenn eventuelle Verwertungsmöglichkeiten für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19459 (C) (D) (A) (B) das zur Verbrennung bestimmte Fleisch aufgezeigt wurden. Von einem vernünftigen Grund für das Töten der Rinder, wie ihn das Tierschutzgesetz fordert, kann keine Rede sein. In Frankreich werden etwa 20 000 ausgewachsene Bul- len kastriert – mit ausdrücklicher Zustimmung der deut- schen Verbraucherministerin. Alleiniger Grund: Siche- rung von Prämien für die französische Landwirtschaft. Ich wundere mich über die relative Gleichgültigkeit der Medien gegenüber der Tatsache, dass unter dieser Re- gierung die Tierversuche von 1996 zu 1999 um knapp 4 Prozent zugenommen haben. Was bedeuten diese 4 Pro- zent mehr Tierversuche in der Realität? Das bedeutet un- ter anderem, dass 425 Hunde, 516 Schweine, 656 Rinder, 17 866 Mäuse und Ratten, 17 329 Vögel, 39 703 Fische mehr als im letzten Jahr der Kohl-Regierung für Ver- suchszwecke ihr Leben lassen mussten. Die Bundesregierung will offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen, dass auch die Haltungsformen der Bio- landwirtschaft dringend einer kritischen Prüfung unterzo- gen werden müssen – gerade auch aus Sicht des Tier- schutzes. Die „Frankfurter Rundschau“ hat ja Recht wenn sie schreibt: „Nicht jedes Schnitzel aus ökologischer Tier- zucht stammt von glücklichen Tieren!“ Sehr viele der Bioschweine sind die reinsten Wurmbiotope und werden oft nicht bedarfsgerecht gefüttert. Dementsprechend mi- serabel sind die täglichen Gewichtszunahmen der Schweine in den Ökoställen. Auch muss es doch nach- denklich stimmen, dass aus jedem vierten Öko-Ferkel kein Öko-Schwein wird, weil es das Ökoleben nicht aus- hält und krepiert! Und nun noch die neue „Hennenhaltungsverordnung“ – ein Akt der Selbstbefriedigung unserer Regierung ohne Nutzen für das Federvieh. Die Fraktionen der SPD und der Grünen müssten eigentlich vehemente Gegner dieser Verordnung sein, verurteilen sie doch mit ihrem Antrag vom 17. Oktober 2001 Tierhaltungsformen, die mit ho- hem Medikamenteneinsatz und Verstümmelung der Tiere verbunden sind. Und genau das wird nun durch die neue Verordnung erheblich gefördert. Die Form der Hühner- haltung, die die Regierung anstrebt – Freilandhaltung in großen Herden – ist nicht wirklich tiergerecht. Eier, die überdurchschnittlich teuer sind, die überdurchschnittlich viele Krankheitskeime oder Medikamentenrückstände aufweisen, stammen in aller Regel aus solchen und ähnli- chen Haltungsformen. Die Mortalitätsrate dieser Hal- tungsform liegt nicht selten über 20 Prozent. Ständige Neuinfizierung mit Krankheiten und ausgeprägter Kanni- balismus schaffen Platz in den großen Hühnerställen mit Auslauf. Kannibalismusopfer müssen stundenlange, schreckliche Todesqualen aushalten, bevor der Tod sie er- löst. Sie werden Stück für Stück von ihren Artgenossen bei lebendigem Leib zerrissen. Diese Qualen der Frei- landhühner lassen sich allein durch Stutzen der Schnäbel mindern. Für viele Hühner ist es ein relatives Glück, dass die Hühnerhalter ihre Produktion ins nahe Ausland – nach Belgien, Holland, Tschechien – verlegen werden, in Län- der, die gar nicht daran denken, die Käfighaltung aufzu- geben. Natürlich ist auch die Käfighaltung keine befriedi- gende Form der Hühnerhaltung, doch Kirchturmpolitik entpuppt sich gerade im Tierschutz immer wieder als reine Augenwischerei. Besonders bedauerlich ist, dass erste hoffnungsvolle Ansätze zu wirklich tiergerechten Haltungsformen von Ministerin Künast mit dem Wort „Käfig ist Käfig“ er- schlagen werden. Die Ministerin verhindert damit die weitere Entwicklung von Volieren für Kleingruppenhal- tung mit Sitzstangen, Schar- und Ruheräumen. Abschließend möchte ich einige Problembereiche des Tierschutzes ansprechen, die wir schon bald in den zu- ständigen parlamentarischen Gremien behandeln sollten: Wir müssen uns um die Haltung von Heimtieren küm- mern. Es gibt viermal mehr Hunde und Katzen als Schafe in Deutschland. Bis auf eine Minderheit sind die Schaf- halter in der Tierhaltung ausgebildete Fachkräfte, die al- lermeisten Hunde- und Katzenhalter sind dies jedoch nicht. Wir sollten neben Tierexporten ebenso Tierimporte und Transittransporte kritisch beleuchten. Nicht nur der Transportdauer, sondern eher noch den Transportbedin- gungen und der Qualifikation des Begleitpersonals sollte unser besonderes Interesse gelten. Es kann zum Beispiel nicht länger geduldet werden, dass polnische Pferde auf dem Transport nach Frankreich quer zur Fahrtrichtung in den Waggons aufgestellt werden. Jedes Abbremsen oder Anfahren des Zuges führt so zwangsläufig zum gegensei- tigen Treten der Tiere. Das betäubungslose Schlachten von Tieren aus religiö- sen Gründen, das so genannte Schächten, ist rechtlich nach wie vor umstritten. Hier muss schnell Klarheit ge- schafft werden. Darüber hinaus ist zu überlegen, wie die wahrscheinlich hohe Dunkelziffer in diesem Bereich ein- gegrenzt werden kann. Nicht nur Qualzüchtungen sind zu verbieten, sondern umgehend sollten wir auch die Haltung von qualgezüch- teten Tieren verbieten, solange Importe nicht unterbunden werden können. Es gibt also noch erhebliche Problemfelder im Bereich des Tierschutzes, die einer Lösung harren. Hierzu hat uns die frühere Regierung mit einer Steilvorlage bedacht. Ich zitiere den Tierschutzbericht 2001 der jetzigen Bundesre- gierung: „Das Tierschutzgesetz, das zuletzt im Jahr 1998 umfassend novelliert worden war, hat sich grundsätzlich bewährt. Der Tierschutz in Deutschland wurde maßgeb- lich verbessert.“ Hier werden die Verdienste der ehemali- gen Kohl-Regierung um den Tierschutz ausdrücklich an- erkannt! Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koali- tion, weg mit den Nebelkerzen und hin zum wirklichen, praxisgerechten Tierschutz der Vorgängerregierung! Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Neuorientierung in der Landwirtschaft haben wir auch für den Tierschutz die Weichen neu gestellt. Er ist wichti- ger Bestandteil unserer neuen Agrarpolitik – denn eine ökonomisch erfolgreiche und nachhaltige Landwirtschaft ist nur mit gesunden Tieren in artgerechter Haltung mög- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119460 (C) (D) (A) (B) lich. Dies haben die Erfahrungen mit BSE nur allzu deut- lich gezeigt. Wir lösen unser Versprechen ein, die Haltungsbedin- gungen für Tiere konsequent zu verbessern. Den wohl sichtbarsten Erfolg in Richtung artgerechte Tierhaltung haben wir vor kurzem erreicht. Mit der Verabschiedung der neuen Legehennenverordnung wird es in Deutschland zukünftig keine Legebatterien mehr geben, sondern nur noch Hühner in Boden-, Volieren- oder Freilandhaltung. Bereits ab In-Kraft-Treten der Verordnung, also ab An- fang nächsten Jahres, ist der Bau von neuen Legebatterien verboten. Die bereits existierenden Käfigbatterieanlagen erhalten eine fünfjährige Übergangsfrist: Sie dürfen nur noch bis Ende 2006 betrieben werden und müssen bereits ab 2003 circa 20 Prozent mehr Platz für die Hühner zur Verfügung stellen. Mit der vollständigen Abschaffung der Käfighaltung – auch der in der EU weiterhin zugelassenen so genann- ten ausgestalteten Käfige mit Sitzstangen und Nest – sind wir Vorreiter in Europa in Sachen Tierschutz. Gleichzei- tig schaffen wir Bedingungen, die die Umstellung auf art- gerechte Tierhaltung erleichtern und die Wettbewerbs- position dieser Betriebe unterstützen: Landwirte werden durch Investitionsförderungen bei der Umstellung auf die artgerechte Boden- und Freilandhaltung unterstützt, eine verstärkte Forschung soll die Entwicklung von entspre- chenden Haltungsformen optimieren. Die Kennzeich- nung von Eiern sowie eine Informationskampagne für den Verbraucher sollen den Absatz von artgerecht erzeugten Eiern steigern und sichern. Damit haben bäuerliche und mittelständische Betriebe in der Eierproduktion und Ge- flügelhaltung wieder eine Chance. Billigeier aus nicht tiergerechter Produktion sollen keine ungerechtfertigten Vorteile gegenüber artgerecht erzeugten Eiern haben. Auch für andere Tiere wird die rot-grüne-Bundesregie- rung entsprechende Haltungsverordnungen vorlegen. Dringend erforderlich sind Verbesserungen für die ca. 25 Millionen Schweine in Deutschland sowie für Mastge- flügel und Puten. Aber auch die Haltung von Tieren außer- halb der Landwirtschaft kann und muss durch Haltungs- verordnungen verbessert werden. So haben wir durch die neue Tierschutz-Hundeverordnung Anforderungen an die Haltung von Hunden festgelegt, wie beispielsweise An- forderungen an Auslauf und genügend Betreuung. Drin- gend erforderlich sind auch Verbesserungen in der Pelz- tierhaltung, wie sie von uns schon lange eingefordert werden. Ab 2003 werden veränderte Förderrichtlinien in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserungen der Agrarstruk- tur und des Küstenschutzes“ (GAK) und das Bundespro- gramm „Tiergerechte Haltungsverfahren“ die artgerechte Tierhaltung in der Landwirtschaft unterstützen. Gleich- zeitig fordern wir die Streichung von Privilegien für ge- werblich-industrielle Massentierhaltung, beispielsweise im Baurecht. Zur artgerechten Tierhaltung gehören neben den Hal- tungsbedingungen auch eine artgerechte Tierernährung: Das bedeutet einerseits eine klare Kennzeichnung von Futtermitteln hinsichtlich ihrer Inhaltstoffe, andererseits aber auch die Minimierung des Arzneimitteleinsatzes in der Tierhaltung. Zur Vermeidung von durch Massentier- haltung begünstigten Krankheiten und zur Förderung ei- nes schnellen Wachstums werden Nutztieren eine Viel- zahl von Medikamenten, unter anderem Antibiotika, verabreicht. Die Folgen sind Resistenzen bei den Tieren und ernsthafte Gefahren für die menschliche Gesundheit. Der Einsatz von antibiotischen Leistungsförderern muss jetzt beendet werden. Wir wollen den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung minimieren und eine bessere Kontrolle der Medikamentenabgabe in der Tierhaltung sicherstel- len. Deswegen unterstützen wir Verbraucherministerin Renate Künast darin, mithilfe einer verbindlichen Selbst- verpflichtung der Futtermittelindustrie Antibiotika als Leistungsförderer aus dem Futter zu verbannen. Zur ver- besserten Kontrolle der Medikamentenvergabe ergreifen wir mit Nordrhein-Westfalen die Initiative zur Novellie- rung des Arzneimittelgesetzes und des tierärztlichen Dis- pensierrechts. Nicht akzeptabel ist die Lange Liste der Verstöße ge- gen den Tierschutz bei Tiertransporten. Wir fordern daher international bessere Standards, eine Verkürzung der zulässigen Höchstdauer von Schlachttiertransporten von acht auf vier Stunden und die Streichung der EU-Export- erstattung für lebendes Schlachtvieh. Das geplante Qua- litätssiegel für konventionell erzeugte Lebensmittel bietet eine gute Chance, schnell eine Begrenzung der Trans- portzeiten für einen großen Anteil der Fleischproduktion zu erreichen. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die Be- grenzung der Tiertransportzeit als Kriterium für das Qua- litätssiegel aufgenommen wird. Schon aus Vorsorgegründen angesichts der Maul-und-Klauenseuche oder Schweinepest muss vermieden werden, dass die meisten Schweine in Deutschland vier- bis fünfmal transportiert werden und so einen erheblichen Teil ihres kurzen Lebens auf der Auto- bahn verbringen. Daher ist es notwendig, geschlossene Pro- duktionssysteme und regionale Strukturen bei Schlacht- höfen und Metzgereien stärker zu fördern. Ebenso bedauerlich ist die – wenn auch geringfügige – Zunahme der Tierversuche, insbesondere weil sie sich aus der Zunahme an gentechnischen Versuchen begründet. Hier ist es vorrangig, die internationale Anerkennung von Alternativmethoden voranzutreiben, um Tierversuche im großen Stil zu verringern. Zur besseren rechtlichen Absicherung des Tierschutzes werden wir noch in dieser Legislaturperiode einen erneu- ten Antrag auf Aufnahme des Tierschutzes ins Grundge- setz stellen. Die Verankerung des Tierschutzes im Grund- gesetz ist überfällig, da das Tierschutzgesetz alleine nicht den beabsichtigten Schutz für die Tiere bietet. Entschei- dungen aus der Justiz haben immer wieder gezeigt, dass der Tierschutz gegenüber grundgesetzlich garantierten Rechten wie der Berufsfreiheit den Kürzeren zieht. Durch eine Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz soll eine faire Abwägung der Rechtsgüter sichergestellt werden. Marita Sehn (FDP): „Das deutsche Tierschutzgesetz hat nach seiner Novellierung eine weitere spürbare Ver- besserung des Tierschutzes gebracht“, so steht es in dem Entschließungsantrag von Rot-Grün. Trotzdem waren vor fünf Jahren weder SPD noch Grüne, geschweige denn die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19461 (C) (D) (A) (B) PDS, bereit, der Novelle der christlich-liberalen Koalition zuzustimmen. Auch wenn Grün-Rot immer so tut, als hätten sie den Tierschutz erfunden – vielleicht darf ich Sie daran erin- nern: Es war die FDP, die bereits 1992 die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz gefor- dert hat. Auch zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir erneut die Initiative ergriffen. Natürlich hat die FDP eine andere Vorstellung vom Tierschutz als die Bundesregierung. Tierschutz muss im- mer im Zusammenhang mit Ökologie, mit Ökonomie und den sozialen Aspekten gesehen werden. Wer dies ver- nachlässigt, der handelt kurzsichtig und richtet mehr Schaden an, als er Gutes tut. Lassen Sie es mich so zu- sammenfassen: Wir wollen einen ethischen, wissen- schaftlich begründeten Tierschutz und keinen ideologi- schen. Die FDP wird sich nicht an dem Kampf um die Lufthoheit über den Ökostammtischen beteiligen. Nicht umsonst hat die SPD bei der Debatte um die No- velle des Tierschutzgesetzes die „sachliche und rationale Argumentation und Diskussion“ unter der alten Bundes- regierung so gelobt. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Die Legehennenverordnung ist ein gutes Beispiel dafür. Die Geflügelhaltung einfach ins Ausland zu verla- gern, damit ist dem Tierschutz nicht gedient, der Wirt- schaft aber geschadet. Ist der Schutz der Hühner im Aus- land denn weniger wichtig als der in Deutschland gehaltenen? Die Bundesregierung betriebt eine Pharisäerpolitik: Wasser predigen, Wein trinken – das ist das Motto von Grün-Rot. In Deutschland die Käfighaltung verbieten und dann die Billigeier aus dem Ausland importieren. In Deutschland den Atomausstieg proklamieren und billigen Atomstrom importieren – das ist die Moral der Bundesre- gierung. Tierschutz kann sich nicht auf den Export von Tier- schutzproblemen ins Ausland beschränken. Manchmal ist es sinnvoller, weniger für viele Tiere zu erreichen als al- les für keine. Aber genau das macht die Legehennenver- ordnung. Sie vertreibt die Geflügelhaltung aus Deutsch- land und ignoriert die Haltungsbedingungen im Ausland. Mit den ausgestalteten Käfigen haben die Geflügelhal- ter eine interessante Alternative zu der bisherigen Käfig- haltung vorgestellt. Ein hohes Maß an Umwelt- und Tier- schutz bei einer sehr guten Hygiene und einer Wirtschaftlichkeit, welche die gesicherte Existenz der Be- triebe ermöglicht. So könnte für die FDP eine zukunfts- orientiertes Haltungssystem aussehen. Aber Sachargumente haben in der gesamten Diskus- sion keine Rolle gespielt. Mit dem Argument: „Ich will keine ausgestalteten Käfige, ich will überhaupt keine Kä- fige“ hat Frau Künast jede fachliche Auseinandersetzung im Keim erstickt. Das ist Politik nach dem Trotzköpfchen- Prinzip. Die Regierung setzt anstatt auf Information und den mündigen Bürger auf Restriktion und den bevormundeten Bürger. Anstatt in eine Aufklärung der Bürger zu inves- tieren, um eine Veränderung des Einkaufverhaltens zu er- reichen, setzt die Bundesregierung lieber auf Verbote. Aber die Regierung hat ein Problem mit ihrer Politik des Ladentheke, wenn die Verbraucher an der Ladenkasse nicht mitmachen. Dann gibt es genau das, was Frau Künast angeblich nicht will: Es gibt die grüne Zwangsbe- glückung. Die Grünen, die Partei der Basisdemokratie, wollen nicht den mündigen Bürger, sie wollen den bevor- mundeten. Die FDP will den Tierschutz als Staatsziel in der Ver- fassung verankert sehen. Gerade Tierschutz ist ein Anlie- gen, das alle Bürgerinnen und Bürger bewegt. Gerade Tierschutz ist ein Bereich, in dem sich mit Information oftmals mehr ausrichten lässt als mit Restriktion. Gerade Tierschutz, die Achtung und der Respekt vor den Mitge- schöpfen, lässt sich nicht verordnen. Der Tierschutz, als Staatsziel im Grundgesetz fixiert, zeigt die Vision – und das, ohne gleich auf Restriktion zu setzen. Eva Bulling-Schröter (PDS): Schmerzen sind Schmerzen, ob bei einem Tier oder beim Menschen. Tiere können sich vielleicht nicht ganz so deutlich artikulieren; aber sie leiden genauso, oft versteckt oder auch stumm. Wir Menschen haben es in der Hand, das Leid der Tiere, welches ihnen nach wie vor auch hier in Deutschland zu- gefügt wird, endlich zu beenden. In Tierschutzbericht 2001 werden wieder deutlich stei- gende Zahlen bei Versuchstieren registriert. Ich zitiere: Die Zahl der verwendeten Affen und Halbaffen ist im Vergleich zum Vorjahr um 21,8 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der verwendeten Hunde und Katzen ist im Berichtszeitraum angestiegen. Voraussichtlich, so der Bericht weiter, ist für das Jahr 2000 ein deutlicher Anstieg der erfassten Tiere zu erwar- ten, weil die neue Versuchstiermeldeverordnung wesent- lich mehr Tiere erfasst. – Warum sich dann die Diskussion über die Versuchstierzahlen nicht mehr auf die Gesamt- zahl, sondern auf die einzelnen Teilbereiche konzentrie- ren wird, wie der Bericht meint, ist mir schleierhaft. Sind denn Tiere, die aus wissenschaftlichen Zwecken oder zur Transplantation getötet werden, keine Versuchstiere? „Die Ursache für die Steigerung der Versuchstierzah- len geht auf die gewachsene Bedeutung der Grundlagen- forschung zurück“, so der Bericht. Wenn in Gesprächen mit Wissenschaftlern dann festgestellt wird, dass bei- spielsweise nur jedes zehnte genmanipulierte Tier über- haupt verwertbar ist, muss sich die Bundesregierung fra- gen lassen, was sie denn tut, um Alternativmethoden endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Nach wie vor gilt, dass die Ergebnisse vieler Tierver- suche nicht auf den Menschen übertragbar sind. Ein Me- diziner wird dadurch nicht schlechter ausgebildet, wenn er nicht am lebenden Tier übt bzw. bestimmte Operatio- nen per Computeranimation ausführt. Dafür gibt es in- zwischen genügend Beispiele. Ich fordere Frau Ministe- rin Künast auf, sich hier endlich mit der Pharmalobby anzulegen und Alternativmethoden auf die Tagesordnung zu setzen. Das Ganze muss natürlich, sofern es öffentliche Forschungseinrichtungen oder Ämter betrifft, mit einer vernünftigen finanziellen und personellen Ausstattung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119462 (C) (D) (A) (B) verbunden werden, unter anderen auch bei der ZEBET, der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Er- satz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch. Jetzt zu etwas Positiverem: Das Engagement von Frau Ministerin Künast hat in der Hennenhaltung etwas be- wegt. Mit dem Beschluss des Bundesrates über ein Verbot der Käfighaltung von Legehennen bis 2006 ist ein erster Meilenstein erreicht. Viele Tierschutzverbände hätten sich noch kürzere Fristen gewünscht; leider war das nicht durchsetzbar. Machen wir uns deutlich, worüber wir spre- chen: 42 Millionen Legehennen vegetieren jährlich in Drahtgitterkäfigen dahin. Das bleibt ein Skandal. Ein anderer ist die traurige Tatsache, dass es diesem Bundestag immer noch nicht gelungen ist, den Tierschutz im Grundgesetz zu verankern. Vor allem die christlichen Parteien CDU und CSU finden merkwürdigerweise nach wie vor keinen Grund, „Mitgeschöpfe“ verfassungsrecht- lich zu schützen. Der so genannte Standort Deutschland oder, anders gesagt, gewisse Lobbygruppen sind eben in dieser Frage für sie maßgeblicher als die Tierlobby. Ver- gessen sollte man nicht, dass in Deutschland 4,8 Milli- onen Hunde und 5,5 Millionen Katzen leben. Deren Be- sitzer und Besitzerinnen haben meist eine hohe Sensibilität für dieses Thema. Sie werden sich sehr genau ansehen, wie Parteien zur Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz stehen. Zum Schluss: Das Verbot der Käfighaltung ist ein ers- ter Schritt, weitere Schritte müssen folgen, ob in der Frage der Tiertransporte, der Putenhaltung oder beim Verbot der Pelztierzucht. Wir werden die Regierung bei jedem Schritt in Richtung eines besseren Tierschutzes unterstützen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Nürnberg und München erhalten – Neues Konzept für Ausbesserungswerke der Deutschen Bahn AG vorlegen – Zukunft der Instandhaltungswerke der Deut- schen Bahn AG – Instandhaltungswerke der Deutschen Bahn AG in Delitzsch, Chemnitz, Opladen und Zwickau erhalten – neue Investoren für Sten- dal, Leipzig-Engelsdorf und Neustrelitz (Tagesordnungspunkt 17 a bis c und Zusatzta- gesordnungspunkt 8) Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Wenn bei der Debatte um die Instandhaltungswerke der Bahn AG eine Initiative zuallererst zu begrüßen ist, dann ist es nicht etwa die allzu durchsichtige politische Feuerwehraktion der CSU-Landesgruppe, sondern dann ist es die Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er hat die Zukunft der Instandhaltungswerke zur Chefsache gemacht. Er hat in konstruktiven Gesprächen mit Bahnvorstand, Gewerk- schaft und Betroffenen für die Werke in den neuen Bun- desländern bereits tragfähige Lösungen auf den Weg ge- bracht. Wir begrüßen diese positive Entwicklung sehr, zum Beispiel für den Erhalt des Werkes Leipzig-Engelsdorf, das laut Bahnvorstandsbeschluss von 25. September an eine Investorengruppe verkauft wird. Zum Erhalt der an- deren sächsischen Werke, Delitzsch, Zwickau und Chem- nitz laufen konkrete Verhandlungen über mögliche Joint Ventures und Privatisierungen zwischen Vertretern der Kommunen, des Landes und des Bahnvorstandes. Erfolg gab es auch für das Werk Stendal in Sachsen- Anhalt: Hier wurde bereits ein LOI mit Alstom zur ge- meinsamen Modernisierung ausgemusterter Dieselloko- motiven unterzeichnet. Verhandlungen über ein Joint Venture, mit dem diese Aktivitäten weitergeführt werden können, laufen. Auch über das Werk Neustrelitz in Mecklenburg-Vor- pommern laufen bereits zielorientierte Verhandlungen zwischen Land und Bahn. Dort soll das Thema betriebs- nahe Instandhaltung für verschiedene Bahnbetreiber wei- ter verfolgt werden. Ich bin mir also sicher: Der Bundeskanzler wird auch Lösungen für die anderen Werke in den strukturschwa- chen Regionen erreichen. Der Bundeskanzler – das kommt auch in dem gemein- samen Antrag der Koalitionsfraktionen zum Ausdruck – hat erkannt, dass „Gewerkschafter auf der einen Seite und Unternehmen auf der anderen Seite zusammenzu- bringen sind und dass beide verstehen müssen, dass ein so großes Unternehmen wie die Bahn AG nicht nur einen betriebswirtschaftlichen Auftrag hat, sondern dass es auch immer um Strukturpolitik und um Rücksicht auf Arbeit- nehmer geht.“ So der Kanzler wörtlich in seiner Presse- konferenz am 30. August. Das ist richtig so; dem kann ich nur voll beipflichten. Für diese Rolle des klugen und umsichtigen Mittlers ge- bührt dem Bundeskanzler ein großes Dankeschön. Wir Sozialdemokraten sind uns völlig einig: Es liegt in unser aller Interesse, nicht zuletzt im Interesse der Bahn- beschäftigten selbst, dass die Bahn zu einem konkurrenz- fähigen, am Markt operierenden Unternehmen wird. Die Politik der Bundesregierung hat hier unübersehbare Er- folge erzielt. Die Bahn hat endlich die Chance, zu einem prosperierenden Unternehmen zu werden. Da nützen alle Krokodilstränen nichts, wenn jetzt Unionspolitiker, die einst die lautstärksten Anwälte der Privatisierung waren, in heftigem Kontrast zu ihrer sonstigen Marktphilosophie laut nach unmittelbarem staatlichen Interventionismus schreien. Klar ist – und von uns so erkannt – aber auch: Die Aus- besserungswerke stellen in strukturschwachen Gebieten einen wichtigen Standortfaktor dar und die Arbeits- platzängste der Bahnmitarbeiter werden von niemandem ernster genommen als von uns Sozialdemokraten. Da wird es keiner CSUlerin und keinem CDUler gelingen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19463 (C) (D) (A) (B) uns links zu überholen, um dann bei nächster Gelegenheit wieder scharf nach rechts abzubiegen! Ein erster wichtiger Schritt ist damit erreicht, dass Bundesregierung, Bahnvorstand und die Transnet sich darin einig sind, dass Instandhaltungsaufgaben ein Kern- geschäft des Bahnkonzerns sind und bleiben werden. Un- ter dieser Voraussetzung lässt sich auch die jetzt noch an- stehende schwierige Aufgabe der noch in Diskussion befindlichen Werkschließungen sachlich und zielorien- tiert behandeln. Das wird auch geschehen. Es ist gut, wenn jetzt auch seitens der DB AG erst ein- mal die vom Kanzler geschaffene Pause genutzt wird: Zum Nachdenken, zum Nacharbeiten, um neue Rahmen- bedingungen und neue Sachinformationen aufzunehmen und ernst zu nehmen, mit dem Ziel, von dem Personalab- bau wegzukommen. Es gilt, diese Phase als Chance zu nutzen, um neue, nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch gesell- schaftspolitisch verträgliche Denkansätze und Lösungen zu entwickeln. Es gilt, die Chance zu nutzen, um die Erhaltung der un- bestritten hohen Kompetenz vor Ort und das Gebot der Wirtschaftlichkeit auf einen Nenner zu bringen. Es gilt, die Chance zu nutzen, um einen Beitrag zur Standortsi- cherung in strukturmäßig angeschlagenen Orten – wie zum Beispiel in Nürnberg – zu leisten und die enorme Kompetenz und Arbeitsleistung der dortigen Bahnmitar- beiter nicht verloren gehen zu lassen. Es gilt die Chance zu nutzen, um die Ergebnisse des neuen, neutralen Gutachtens gründlich zu würdigen. Es wird sich ja womöglich zeigen, dass die Bahn noch ganz andere, bessere Zukunftsperspektiven hat, wenn man über den Tellerrand des magischen Jahres 2005 hinausschaut. Der steigende Bedarf der Folgejahre, die politischen An- forderungen an die Verkehrszuwächse auf der Schiene, das alles kann und muss nochmals sauber gegengerechnet werden. Es gilt, die Chance zu nutzen, um die Sicherheit durch eine Zertifizierung der Instandhaltung zu stärken. Ich er- innere mich gerne und leidenschaftlich daran, wie dank- bar Politik und Bahnvorstand nach der Katastrophe von Eschede waren, als es dem Nürnberger Werk gelang, die Sicherheitsanforderungen und -überprüfungen in einer enormen Arbeitsleistung und mit höchster Qualität in kür- zester Zeit zu bewerkstelligen. Dankbarkeit darf nicht vergessen werden. Sie verpflichtet auch für die Zukunft. Es gilt, die Chance zu nutzen, dass die Bahn die Aus- gewogenheit bei ihren Standorten sowohl zwischen Ost und West wie auch zwischen Nord und Süd wahrt und es keinen Kahlschlag in Süddeutschland gibt, wo es die stärkste Nachfrage nach Instandhaltungsleistung gibt. Es gilt, die Chance zu nutzen, um auch mit weiteren Bundesländern, wie zum Beispiel mit Bayern, zu einer Kooperation hinsichtlich finanzieller Unterstützung und Investitionsförderung zu kommen. So sehr wir uns freuen, dass die bayerische CSU jetzt aktiv geworden ist und auch zur Strukturförderung für die Bahn bereit ist, so springt die CSU doch wieder einmal zu kurz. Nicht Feuerwehr spielen, wenn das Feuer schon auf dem Dach der bayeri- schen Instandhaltungswerke ist, sondern frühzeitig das Großunternehmen Bahn mit in den Blick nehmen, wenn es um Landesentwicklung und Standortsicherung geht: Das hätten die CSU und ihre Regierung im Freistaat tun müssen. Da hilft es wenig, wenn man jetzt zähneknirschend auf das schaut, was Nordrhein-Westfalen längst in großer Voraussicht für seine eigenen Interessen auf dem Bahn- sektor zu tun und zu leisten bereit war. Was gerade Nürnberg angeht, so weiß ich nur zu gut, dass die bayerische Staatsregierung die Entwicklung die- ses Standorts zu einem erstklassigen Kompetenzzentrum der Verkehrstechnologie – das wäre Nürnberg schon aus Tradition, von Haus aus, dank der vorhandenen Arbeits- kräfte, dank der ansässigen Ideenschmieden – schlicht und einfach verschlafen hat. Dieser Ausbau des Kompe- tenzzentrums mit freistaatlicher Hilfe wäre der Schlüssel zum Erfolg auch in der Problematik des Instandhaltungs- werkes gewesen. Dieser Schlüssel wurde weggeworfe- nen. Jetzt aber – nach dem Motto: Hoppla, da gibt es ja Probleme – wird es höchste Zeit, den Rettungsanker von 50 Millionen DM zu werfen. Mit einiger Ironie kann ich es nur sehen, dass man of- fensichtlich auch in der Unionsfraktion erkannt hat, dass es heute nicht nur um die spezifisch bayerischen Pro- bleme geht, sondern dass die Bahn Deutschland in seiner Gesamtheit verpflichtet ist. Man hat in der Fraktionsspitze der Union wohl selbst erkannt, dass der Antrag Blank, Uhl, Wöhrl und Co. wirklich nur ein lokalpolitischer Ali- biantrag ist, und ruck-zuck wurde in den letzten Stunden noch ein neuer Antrag der CDU/CSU nachgeschoben, der den Horizont in Sachen Bahn wieder etwas über den weiß-blauen Horizont hinaus weitet. Auf die innere Un- zulänglichkeit und Widersprüchlichkeit der jetzt vorlie- genden beiden Unionsanträge werde ich jetzt nicht näher eingehen. Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren der Union, nur raten: Springen Sie über Ihren schwarzen Schatten. Sehen Sie die Probleme ebenso differenziert wie ziel- orientiert und in ihrer ganzen Komplexität, wie wir es in unserem SPD/Grünen-Antrag tun, und stimmen Sie die- sem unserem Antrag zu. Damit machen wir das Tor auf für vernünftige Lösungen im Interesse der Bahn, der Bahn- mitarbeiter in Bayern und in der ganzen Republik und bringen die Probleme auf die richtige Schiene. Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Seit Monaten wird nun schon in der Öffentlichkeit die Schließung von In- standhaltungswerken der DB AG diskutiert. Das sich pri- vatisiert nennende Unternehmen Bahn AG hat sich vor- genommen, wirtschaftlicher zu arbeiten und hatte deshalb die Unternehmensberatung Roland Berger beauftragt, die wirtschaftliche Situation der Instandhaltungswerke zu be- gutachten. lm Ergebnis dieses Gutachtens sollen eine Reihe von Werken für die schwere Instandhaltung in ganz Deutschland – davon in Sachsen alle vier vorhandenen Werke – geschlossen werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119464 (C) (D) (A) (B) Seit langem bemühen sich Kommunalpolitiker, Lan- despolitiker, wir als Bundespolitiker, Gewerkschaften, Betriebsräte und Mitarbeiter der betroffenen Unterneh- men, diese Werke zu retten. Zwischenzeitlich sind drei Gegengutachten zum so genannten „Berger-Gutachten“ der Öffentlichkeit bekannt geworden, die jeweils für ein- zelne bestimmte Standorte aufgestellt wurden und nach- weisen, dass die Zahlen des Berger-Gutachtens falsch sind. An dieser Stelle hätten die Bundesregierung, der Bundeskanzler, der Bundesverkehrsminister und nicht zu- letzt Staatsminister Schwanitz eingreifen müssen, um das alte Konzept der Bahn AG überprüfen zu lassen. Das ist aber offensichtlich von Rot-Grün nicht gewollt. Nicht anders ist zu erklären, warum diese Kahlschlagpo- litik der Bahn Unterstützung des Bundeskanzlers findet. Was will also Schröder? Das erste, was mir aufgefallen ist: Nach Vollendung der Schließungspläne wird es in den Ländern Saarland, Baden-Württemberg, Bayern, Thürin- gen und Sachsen kein einziges Werk für schwere Instand- haltung mehr geben. Ein Schelm, der dabei Böses vermu- tet. Es geht – und das werfe ich vor – darum, ob ein Standort wirtschaftlich ist oder nicht. Ich habe den Ein- druck, dass ausschließlich politische Interessen der SPD durchgesetzt werden sollen. Nun könnte jemand einwen- den, da gibt es doch noch ein Werk in Kassel, in Hessen – ebenfalls CDU-regiert –, dass erhalten bleibt und sogar einen Arbeitskräftezuwachs erfahren soll. Der Wahlkreis- abgeordnete in Kassel ist Bundesfinanzminister Eichel. Ein Schelm, der hier Böses vermutet. Speziell für das sächsische Instandhaltungswerk in Zwickau engagiere ich mich selbst seit geraumer Zeit. In diesem Werk bemüht sich schon seit längerem der dortige Betriebsrat gemeinsam mit der Unternehmensleitung an- dere Aufträge ins Werk zu holen. So gab es bereits erfolg- versprechende Kontakte zu Spezialwagenbetreibern, bei- spielsweise Bau und Reparatur von PKW-Transportern, da, wie ja allen bekannt, das VW-Werk Mosel in der Nähe liegt. Leider verhinderte die Bahn-Zentrale kategorisch diese Bemühungen! Warum? Ich möchte im Weiteren beim Zwickauer Beispiel blei- ben. Viele Zwickauer Politiker bemühten sich in der Ver- gangenheit, auf dem riesigen bislang ungenutzten Bahn- gelände Voraussetzungen zu schaffen, um neue Industrie anzusiedeln. Zusammen mit dem Kernbestand des In- standhaltungswerkes könnte somit ein sinnvoller Indus- triestandort entwickelt werden. Im Rahmen dieser Bemühungen haben wir in Zwickau alleine drei Jahre dafür gebraucht, herauszubekommen, wer für die einzel- nen Grundstücke dieses Geländes bei der DB AG zustän- dig ist. Ein Schelm, der hier nichts Böses vermutet. Die Geschichte lässt sich beliebig fortsetzen. Genannt sei bei- spielsweise auch die Container-Verladestation in Zwickau, die nur mit unermüdlichem Einsatz der privaten Investoren und sächsischen Politikern aus der Deutschen Bahn AG gebrochen werden konnte. Nahezu die Hälfte der Arbeitsplätze, die bei der Bahn vernichtet werden sol- len, fallen auf Sachsen. Der Region gehen damit 2 370 Ar- beitsplätze verloren. Arbeitsämter warnen schon heute vor dem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Der Freistaat Sachsen hat in den vergangenen zehn Jahren – ohne die SPD – einen hoffnungsvollen wirt- schaftlichen Aufschwung erfahren. 1998 ging die SPD zu- sammen mit ihrem Bundeskanzler mit dem Versprechen in den Wahlkampf, den Aufbau Ost endlich zur Chefsache machen zu wollen. Sie sind jetzt für diese schlimme Ent- wicklung verantwortlich. Auf seiner Ostreise im August dieses Jahres wollte der Bundeskanzler seine Erfolge ver- künden. Dabei hätte der Bundeskanzler am Donnerstag, dem 23. August 2001, auf eine Demonstration von zu Recht entrüsteten Bahnwerkern treffen sollen. Unser Me- dienkanzler wollte sich dieser Begegnung mit dem Volk nicht stellen und hat gekniffen. Ihm kam dabei die Maze- donien-Entscheidung nur recht. Obwohl er andere Mög- lichkeiten gehabt hätte, rief er sein Bundeskabinett just an diesem Tag zusammen. Großzügig hat er dann die Betriebsräte für einen späte- ren Termin in das Bundeskanzleramt geladen, natürlich ohne große Medienbegleitung. Im Rahmen dieses Ge- spräches wurde ein Kompromiss ausgehandelt, wonach bis zum 30. November dieses Jahres – also in 22 Tagen – die Konzepte nochmals überprüft werden sollen. Was ist geschehen? Nichts! Niemand bei der Deutschen Bahn AG nimmt die drei vorhandenen Gegengutachten, welche das Zahlenwerk des Berger-Gutachtes wiederlegen, über- haupt zur Kenntnis. In Gesprächen mit Betriebsräten muss man erfahren, dass schon heute Tatsachen geschaf- fen werden, die einen Fortbestand der Werke nicht mehr zulassen. Herr Bundeskanzler, Sie haben noch nicht ein- mal die von Ihnen selbst zugesagte Schamfrist eingehal- ten. Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- tion, mit ihrem Antrag wollen sie nun den Eindruck er- wecken, dass sie sich zusammen mit ihrem Bundeskanz- ler noch einmal ganz ernsthaft um den Erhalt der Instandhaltungswerke kümmern. Das kann doch aber nur schlicht und einfach mit dem berühmten Nasenring verglichen werden, mit dem sie die Bahnwerker herum- führen wollen. Die einzige Sorge, die sie offensichtlich jetzt noch haben, ist die anstehende Bundestagswahl 2002. So haben sie in Engelsdorf bei Leipzig 150 der 300 Beschäftigten die Hoffnung gemacht, dass sie einen Inves- tor hätten, der sie – man höre und staune – bis Ende 2002 – also bis kurz nach der Bundestagswahl – übernehmen will. In Delitzsch sagten sie den 330 Beschäftigten zu, dass ihr Bahnwerk noch ein Jahr länger bestehen soll – bis 2003 – also bis kurz nach der Bundestagswahl. Lediglich den Chemnitzer Bahnwerkern versprachen sie die even- tuelle Sicherung von 100 der bisherigen 880 Arbeitsplät- zen zu. Ein Schelm, der hier nichts Böses denkt. Herr Bundeskanzler, laut Grundgesetz haben Sie in Ih- rer Funktion die Aufgabe, die Interessen aller Bundeslän- der in gleicher Weise zu vertreten und keines zu bevorzu- gen oder zu vernachlässigen. Doch Sie tun das Gegenteil. Sie vernachlässigen Sachsen, weil die Sachsen vorrangig CDU wählen und weil es ein neues Bundesland ist. Ich weiß, dies ist ein herber Vorwurf. Aber die von mir ge- nannten Fakten sind nun einmal ein schwer zu widerle- gender Anscheinsbeweis. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19465 (C) (D) (A) (B) Herr Bundeskanzler, ändern Sie endlich Ihre Hand- lungsweise! Setzen Sie sich für den Erhalt der Instand- haltungswerke in den neuen Bundesländern ein! Auch Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoali- tion, sind hier gefordert. Machen Sie sich wirklich für den Erhalt der Werke stark. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Renate Blank (CDU/CSU): Der 26. Juni 2001 wird in die Geschichte der traditionsreichen Eisenbahnstadt Nürnberg als Schreckenstag eingehen. An diesem Tag ver- kündete der Vorstand der Deutschen Bahn AG die Schlie- ßung von acht Instandhaltungswerken im Bundesgebiet, darunter die Standorte Nürnberg und München-Neuaubing. Zum 31. Dezember 2003 sollen in Nürnberg und Mün- chen die Lichter ausgehen. Nach diesem unsinnigen Plan von Herrn Mehdorn sollen in Bayern rund 1 000 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter – im gesamten Bundesgebiet rund 6 000 – ihre Arbeitsplätze verlieren. Eine sehr ver- ständliche Empörung, ja sogar Wut und große Enttäu- schung machten sich bei den Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmern breit. Meinem Kollegen Dr. Uhl aus München und mir als Nürnbergerin, in deren Wahlkreisen die betroffenen Werke liegen, sind die Reaktionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vollkommen verständlich und nach- vollziehbar. Zudem kann ich als Verkehrspolitikerin diese unüberlegte Entscheidung absolut nicht nachvollziehen, zumal das Werk Nürnberg nach dem Unglück von Eschede, das uns alle zutiefst betroffen gemacht hat, her- vorragende Arbeit leistete. Damals ist gerade das Nürn- berger Ausbesserungswerk der Bahn noch für die schnelle Überholung von 59 ICE-Garnituren der ersten Generation gelobt worden. Hoch qualifizierte Mitarbeiter und Spe- zialisten haben damals nicht abgewartet, sondern selbst- verständlich energisch angepackt – ohne auf Überstunden und Feiertage zu achten. Der Dank: Jetzt, nur drei Jahre später und unter einem neuen Bahnchef, wird die Kom- petenz der rund 700 Nürnberger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Nacht in Abrede gestellt – für mich ein Skandal! Ein anderes Bahn-Argument, dass der Wartungsbedarf bei den ICE- Zügen der dritten Generation nicht mehr so hoch sei – mir sind die ganzseitigen teuren Zeitungsan- zeigen der Bahn noch gut im Gedächtnis, worin sie unter dem Motto „Neue Züge brauchen weniger Wartung“ der Öffentlichkeit suggerieren wollte, dass einige Instandhal- tungswerke durchaus entbehrlich seien – ist ebenfalls falsch, denn der Instandhaltungsaufwand vom ICE I im Vergleich zum ICE III steigt um das 2,7fache. Weder mit dem Vergleich von Fixkosten noch von Investitions- bedürfnissen kann die Schließung vom noch im Bundes- eigentum stehenden Unternehmen Deutsche Bahn AG be- gründet werden, auch wenn sich das Berger-Gutachten, das sich in zahlreiche Widersprüche verstrickt, reichlich Mühe geben musste, hier negative Zahlen für die Werke Nürnberg und München zu konstruieren. Wie anders ist es zu erklären, dass nun ein neues Gutachten in Auftrag ge- geben wurde? Ich bin überzeugt, dass dieses neue Gut- achten aufzeigen wird, dass die Schließung der Werke vollkommen unangebracht ist. Uns drängt sich ohnehin der Verdacht auf, ja, ich bin sogar davon überzeugt, dass die Schließung der beiden bayerischen Werke nichts mit betriebswirtschaftlicher Planung zu tun hat, sondern einzig und allein eine gezielte politische Aktion gegen Bayern ist. Dieses rücksichtslose Vorgehen – nach dem Motto von Bundeskanzler Schröder: „Steine statt Brot für Bayern“ – stellt eine reine parteitaktische Strafaktion von Rot und Grün dar. Wenn die Stilllegungspläne verwirklicht werden, gibt es kein einziges Ausbesserungswerk mehr im Süden Deutsch- lands. Und welch ein Wunder: Statt Reduzierung oder Schließung gibt es eine Ausbesserungswerkserweiterung ausgerechnet in Kassel, der – ja, so ein Zufall! – politi- schen Heimat von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Dies ist ein starkes Stück, übrigens auch im Hinblick auf die lapidare Art und Weise, wie gerade die Betroffenen in Nürnberg und München von der praktisch überfallartigen Entscheidung erfahren haben. Des Weiteren deutet die Akzeptanz und Passivität der Bundesregierung und insbesondere des Verkehrsministers offenkundig darauf hin, dass hier eine klar erkennbare parteipolitische Strategie zugrunde liegt. Und ich wieder- hole meinen Vorwurf, ob es Ihnen passt oder nicht, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen: Die Stilllegungspläne sind das Produkt von rot-grüner Kunge- lei in Berlin und eine massive Benachteiligung Bayerns. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich das überaus bewundernswerte Engagement der Belegschaft für dem Erhalt ihrer Werke loben: In Nürnberg kämpften sie im wahrsten Sinne Tag und Nacht für den Erhalt des Werkes; einige hatten sich sogar an das Werkstor gekettet und lange einen Hungerstreik durchgehalten. Hut ab vor die- ser Leistung! Vom Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter, dem Engagement des Betriebsrats und der Ge- werkschaften konnte ich mich vor Ort und in vielen Gesprächen überzeugen. Mein Kollege Dr. Uhl und ich haben bereits im Som- mer den Beschäftigten zugesagt, uns für den Erhalt der Werke Nürnberg und München mit einem Antrag im Deutschen Bundestag einzusetzen; dies ist nun heute auf den Weg gebracht. Zu den Werken außerhalb Bayerns wird ja noch der Kollege Dr. Luther entsprechende Aus- führungen machen. Schade ist, dass die bayerischen Bun- destagsabgeordneten von SPD und Grünen im Vorfeld nicht auf unser Angebot reagiert haben, sich unserem An- trag anzuschließen, obwohl es im bayerischen Landtag zu einem parteiübergreifenden Beschluss zum Erhalt der Werke in Nürnberg und München gekommen ist. Nachdem unser Antrag längst vorlag und Rot-Grün die Brisanz erkannt hatte, ist eiligst noch ein eigener Antrag zusammengeschustert worden. Was haben Sie sich ei- gentlich bei Ihrem nichts sagenden Antrag gedacht? Die Mitarbeiter sind bereit, für ihr Werk zu kämpfen und Sie tönen vollmundig vor Ort, um dann so einen inhaltslosen Antrag zu fabrizieren. Es genügt eben nicht, wie gesche- hen, die SPD-Fahne vor dem Nürnberger Werkstor zu his- sen. Man sollte schon konkrete Beschlüsse fassen. Wenn die SPD in ihrem Antrag die Vermittlung von Verkehrsminister Bodewig lobt, der zwar ein Gespräch Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119466 (C) (D) (A) (B) mit Gewerkschaften und Betriebsräten geführt hat, aber zu keinerlei Zusagen bereit war, und die konsequente politische Unterstützung durch Regierung und rot-grüne Fraktion begrüßt, ist das einfach absurd. Minister Bodewig und auch der Kanzler haben die Entwicklung schlicht verschlafen und sind viel zu spät aufgewacht – und das, obwohl es sich bei der Bahn nicht um irgendein privates Unternehmen handelt. Eigentümer ist ja immer- hin der Bund; da kann der Unternehmensvorstand nicht in geradezu selbstgefälliger Weise derart weittragende Ent- scheidungen treffen. Wenn der Bundeskanzler immer wieder betont, wie wichtig ihm die Arbeitsplätze in unse- rem Lande sind, dann kann diese Bundesregierung nicht tatenlos zusehen, wie Teile eines Unternehmens mit dem unverkennbaren Siegel des Bundeseigentums aufgegeben werden. Die Bundesregierung kann sich nicht mit Hinweisen auf betriebswirtschaftliche Argumente des Bahnvorstands ihrer sozialpolitischen Verantwortung entziehen. Wenn Rot-Grün im Antrag schreibt: „Das Ziel muss sein, dass keiner der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB AG durch die Sanierungsmaßnahmen in die Arbeitslosigkeit entlassen wird“, dann ist dies reine Augenwischerei; denn es ist bekannt, dass spätestens nach drei Jahren die Ar- beitslosigkeit droht. Die Zusage von Kanzler Schröder, bis zum 30. November 2001 ein neues Gutachten erarbei- ten zu lassen, ist doch nur vor dem Hintergrund zu sehen, dass er beim SPD-Parteitag Mitte November in Nürnberg keinesfalls Demonstrationen brauchen kann; vielleicht verkündet er ja auch auf dem Parteitag den Erhalt der Werke in Nürnberg und München. Einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Werke leis- tet der Freistaat Bayern, obwohl er dazu nicht verpflichtet wäre, da es sich um ein Unternehmen im Eigentum des Bundes handelt. Der bayerische Wirtschafts- und Ver- kehrsminister Otto Wiesheu, dem ich an dieser Stelle aus- drücklich für seinen intensiven Einsatz danke, hat bereits finanzielle Mittel für Umstrukturierungsmaßnahmen in Aussicht gestellt. Klar ist: Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer sowie die Gewerkschaften sind durchsichtige parteitaktische Manöver leid; sie wollen nicht mit wohl- tönenden Worten abgespeist werden, sondern verlangen zu Recht klare Entscheidungen von der Politik. Wir wer- den weiter um den Erhalt der Werke und damit der Arbeitsplätze ringen. Die Belegschaft hat grandios gekämpft, der bayerische Wirtschaftsminister leistet sei- nen Beitrag und die Medien haben die Bedeutung der Werke und den Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter stets ausführlich begleitet. Jetzt sind Sie am Zug: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die allermeisten von uns werden mit mir ei- nig sein, dass mit der Umstrukturierung der DB AG auch eine Produktivitätssteigerung verbunden sein muss. Ge- eignete Maßnahmen zur Konsolidierung und Verbesse- rung der Gesamtwettbewerbsfähigkeit der DB AG sowie zur Zukunftssicherheit sind unbedingt erforderlich. Dass dies auch mit schwierigen Einschnitten verbunden ist, die sozialverträglich abgefedert werden müssen, ist unbestrit- ten. Hier erfüllt der Bund als Eigentümer seine Verpflich- tungen: Neben der der Steigerung der Schieneninvestiti- onsmittel auf fast 9 Milliarden DM, mit der auch eine Beschäftigungsoffensive im Bahnbereich verbunden ist stellt die Bundesregierung zusätzlich 2,3 Milliarden DM jährlich für die soziale Absicherung der Bundesbahnbe- schäftigten zur Verfügung. Als einen weiteren Beitrag zur Sozialverträglichkeit hat das Kabinett zudem die Verlän- gerung der Vorruhestandsregelung beschlossen. Darüber hinaus hat sich Bundeskanzler Schröder als Moderator Zwischen der DB und der Transnet zur Verfü- gung gestellt, um die Wirtschaftlichkeit der DB-Werke noch einmal zu überprüfen. Hierbei muss gerade auch im Zuge des zunehmenden Wettbewerbs auf der Schiene überprüft werden, ob nicht mehr Fremdaufträge von an- deren Bahnen zu einer höheren Auslastung der betroffe- nen Werke führen werden. Ein Ansatz zum Beispiel von 3 Prozent Fremdaufträgen für die DB-Werke erscheint mir bei einer zunehmenden Zahl von NE-Eisenbahnen in Deutschland sehr unrealistisch zu sein. Der Bund erwartet aber auch vom Vorstand der DB AG, dass er seiner besonderen sozialen und strukturpolitischen Verantwortung nachkommt und den Sanierungsprozess sozialverträglich gestaltet. Dazu muss ein offensives Standortmanagement betrieben werden und die aktive Su- che nach potentiellen Investoren fortgesetzt werden. Dass dies sehr erfolgreich sein kann, beweist das Werk in Stendal. Nachdem der Alsthom-Konzern 51 Prozent der Anteile übernommen hat, ist der Fortbestand des Wer- kes nicht mehr gefährdet. Ja, mit innovativen betriebs- wirtschaftlichen Konzepten wie der Instandsetzung und Modernisierung von Wagen und Loks mit anschließen- dem Leasinggeschäft wird eine gute Auslastung des Wer- kes erreicht. Wo die Länder, die DB und der Bund an ei- nem Strang ziehen, werden ebenfalls gute Ergebnisse erzielt. Die Standortsicherung des Werkes in Delitzsch ist so gut wie sicher; das Land Nordrhein-Westfalen hat das Werk Krefeld mit 60 Millionen DM Investitionsbeihilfen zukunftsfähig gemacht. Geradezu scheinheilig ist in die- sem Zusammenhang der CDU/CSU-Antrag zur Rettung des ICE-Werkes in Nürnberg. Die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag hat sich kürzlich geweigert, mit ei- ner Wirtschaftshilfe von 60 Millionen DM den Standort Nürnberg zu modernisieren und damit wie in Krefeld das Spitzen-Know-how der Beschäftigten für die Zukunft zu sichern. Ich halte das Werk in Nürnberg unter den Bedin- gungen des Zusammenwirkens aller Beteiligten für durchaus zukunftsfähig. Auch wenn ein Abbau der Kapazitäten möglicherweise nicht überall zu vermeiden ist, muss als sicher gelten: Kei- ner der betroffenen Eisenbahnerinnen und Eisenbahner wird in die Arbeitslosigkeit entlassen. Zwei Drittel der Beschäftigten haben tariflichen Anspruch auf Weiterbe- schäftigung. Auszubildende können ihre Ausbildung ab- schließen. Beschäftigte werden durch die Erschließung neuer Betätigungsfelder, durch Qualifizierungsmaßnahmen und durch Jobsuche unterstützt. Durch die Installation einer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19467 (C) (D) (A) (B) Jobbörse konnten beispielsweise in München-Neuaubing bereits 120 Mitarbeiter vermittelt werden. Der Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie gemeinsame Modernisierungsbemühungen von DB, Gewerkschaft, Ländern und Investoren vorbehaltlos un- terstützt. Wir brauchen eine moderne, wettbewerbs- fähige Bahn, um die verkehrspolitischen Herausforde- rungen zu meistern. Ein Erfolg der Bahnreform liegt im ureigensten Interesse der Beschäftigten und natürlich der Millionen Fährgäste, die täglich mit der Bahn un- terwegs sind. Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Sie werden sich daran erinnern, dass wir uns 1993 in diesem Hause über die Gründe für die Bahnreform einig waren. Der wesent- liche Punkt war dabei die gemeinsame Auffassung, dass die Bahn zukünftig unternehmerisch geführt und damit von solcher politischen Einflussnahme befreit werden sollte, die nicht ordnungspolitisch, sondern wahlkreisspe- zifisch motiviert ist. Dass damit nicht nur der Verzicht auf Zusatzforderungen – etwa weitere Haltepunkte für Fern- verkehrszüge in der eigenen Region –, sondern auch die Hinnahme von zu erwartenden Härten durch den Um- strukturierungsprozess bei der Bahn verbunden ist, war immer klar. In diesem Punkt ist absolute Einigkeit nötig. Wenn wir wieder mit einem Wettlauf darüber anfangen, wer die mei- sten Staatsgelder der Bahn in seine Region lenkt, ist jeder Kollege gezwungen, dieses Spiel mitzuspielen, und wir können den Erfolg der Bahnreform gleich vergessen. In- sofern gefallen mir einige Anträge, die hier heute debat- tiert werden, überhaupt nicht, Andererseits wundert es mich auch nicht, dass die Haupt- und Staatspartei Bay- erns, die CSU, hier vorprescht. Die FDP ist sicher nicht weniger besorgt um die Men- schen in den betroffenen Orten, sie weigert sich aber, sich auf dieses überholte Argumentationsmuster einzulassen, weil sie das Ganze im Blick behält. Es muss in diesem Land auch möglich sein, die ökonomische Wahrheit zu sa- gen. Wer das nicht tut und immer durch Staatsinterventio- nen überlebensunfähige Betriebe stützt, wird eines Tages Wirtschaftszustände ernten, die wir im Osten unseres Landes gerade überwunden haben. Voraussetzung für eine solch klare Sprache ist aller- dings die Unanfechtbarkeit der ökonomischen Argu- mente. Darüber kann man streiten, in diesem besonderen Fall muss man darüber sogar streiten, und hier setzt auch die Kritik der FDP am Standortschließungskonzept der Bahn ein. Die DB AG verfügt über ein – im Übrigen von der Po- litik wegen der hohen Verantwortung gewollt – hoch be- zahltes Management mit vielen hoch qualifizierten und hoch bezahlten Fachleuten. Deren Standortanalysen soll- ten von solcher Qualität sein, dass die damit verbundenen Entscheidungen auch Prüfung und Kritik in der Sache standhalten. Stattdessen hat die DB AG in starkem Maße den Ein- druck erweckt, unsachgemäß und willkürlich zu handeln. Nach den ersten massiven Protesten gegen die ursprüng- lich als wirtschaftlich zwingend notwendig bezeichnete Schließung mehrerer Werke wurden die Pläne relativiert. Ursprünglich nicht beabsichtigte Privatisierungen wurden nun kurzfristig in das Konzept einbezogen. So geht das, wenn ein Bundeskanzler die Analysen der Bahn prüft. Dass die Bahnverantwortlichen bei dieser Prüfung durchgefallen sind, ist äußerst blamabel und ver- unsichert alle diejenigen, die auch künftig mit der Bahn zu tun haben werden bzw. von deren Entscheidungen abhän- gig sind. Der Vorwurf der Willkürlichkeit und mangelnder Pro- fessionalität trifft daher auch die Bundesregierung, auf deren Intervention hin die ursprünglichen Pläne hastig und in für Außenstehende nicht nachvollziehbarer Weise überarbeitet wurden. Dieses Parlament hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, die maßgeblichen Fakten nachvollziehen zu kön- nen. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Bedienste- ten der betroffenen Standorte, die sich von der DB AG und der Bundesregierung verschaukelt fühlen. Nicht nur die Politik hat also die Verpflichtung, sich aus einzelnen Entscheidungen des Unternehmens DB AG herauszuhalten, sondern auch die Bahnmanager haben die Verpflichtung, zunächst einmal richtig zu rechnen und nur aufgrund belastbarer Analysen zu entscheiden. Nicht nur die Politik, wie von Herrn Mehdorn immer wieder einge- fordert, sondern auch die Bahn hat mit dem Auftrag der Bahnreform gefälligst sorgfältig und verantwortlich um- zugehen, sonst gefährdet sie selbst die Ziele eines Erstar- kens des Schienenverkehrs in Deutschland, Solche Fälle wie der vorliegende legen einen Makel auch auf zukünftige Entscheidungen der Bahn, weil nie- mand sicher sein kann, ob sie wirklich sachgerecht sind. Das ist für die Akzeptanz auch zukünftig notwendiger Umstrukturierungen katastrophal, weil das Signal ausge- sandt wird, die Politik werde es schon richten. Kurzfristig stiftet der Bundeskanzler mit Blick auf den Wahlzettel 2002 Frieden, längerfristig ist diese Politik zum Scheitern verurteilt. Dr. Winfried Wolf (PDS): Vor wenigen Monaten, am 27. Juni 2001, protestierte die PDS heftig gegen die Ab- sicht der Deutschen Bahn AG, acht von 18 Standorten der Fahrzeug-Instandhaltung zu schließen. Die Kapa- zitäten zur Instandhaltung von Loks und Wagen würden auf ein Minimum reduziert, 6 000 Arbeitsplätze – rund die Hälfte der bisher hier vorhandenen – würden damit abgebaut. Die PDS begrüßt es, dass die Protest-Aktionen erste Erfolge zeigen: Nicht zuletzt durch das Engagement der betroffenen Landesregierungen werden die Standorte Neustrelitz, Stendal und Leipzig-Engelsdorf unabhängig von der Deutschen Bahn AG weiterarbeiten können. Die übrigen zur Schließung vorgesehenen Instandsetzungs- werke werden noch einmal überprüft. Das Ergebnis wird erst Ende des Monats bekannt werden. Bahnchef Mehdorn nannte die Schließungsabsichten „Konsolidierung“ und mit dem Interesse, das Unter- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119468 (C) (D) (A) (B) nehmen für den Börsengang gewinnträchtig zu machen, „betriebswirtschaftlich notwendig“. Die PDS nennt dies „gedankenlose Zerstörung von Ressourcen“ und „ver- kehrspolitisch unsinnige Opfer im Interesse der Gewinn- maximierung“. Mehdorn begründet den geplanten Abbau wiederholt mit zukünftigen Investitionen in neue Loks und in neues Wagenmaterial, die den Instandhaltungsbedarf drastisch reduzieren würden. Tatsächlich sind jedoch Lokomo- tiven und Waggons überaltert, wenn auch noch immer unverzichtbar. Die Instandhaltung hinkt immer mehr hin- terher. Dies hat massive Ausfälle zur Folge. Die alten Fahrzeuge werden länger benötigt, als es steuerliche Ab- schreibung und anspruchsvolle Investitionspläne der Deutschen Bahn vermuten lassen. Das aber heißt: Der In- standhaltungsbedarf ist enorm. Die Werke könnten voll und ganz ausgelastet werden, und zwar für mehrere Jahre. Die von Mehdorn ins Auge gefasste Hauruck-Investi- tion mit „völlig neuer Technologie“ musste die Bahn in den letzten Jahren schon mehrfach ausbaden. Dies mün- dete fast immer darin, dass Lokomotiven und Triebwagen ohne ausreichende Tests und Probezeiten in den laufenden Schienenbetrieb übernommen wurden. Sie erwiesen sich in der Folge als extrem instandhaltungsintensiv, wobei zu- vor entsprechende Kapazitäten für die Instandhaltung weder in der Bahn-Industrie noch bei der Bahn selbst aufgebaut worden waren. Auch das heißt: Der Instandhal- tungsbedarf bleibt hoch. Fast täglich betont Bundesminister Bodewig, dass in den nächsten Jahren der Schienen-Güterverkehr sich ver- doppeln und der Personenverkehr erheblich anwachsen werden. Stimmen diese Vorgaben – und es sind die Vor- gaben des zukünftigen Bundesverkehrswegeplans –, dann wären für einen massiv erneuerten und wohl auch erheb- lich erweiterten Lok- und Wagenpark eher höhere Kapa- zitäten der Instandhaltung erforderlich, als gegenwärtig vorgesehen. In der Realität stellt sich der von der Deutschen Bahn AG geplante Abbau der Instandhaltung – ähnlich wie der Interregio-Abbau – als ein weiterer Beweis für den Rück- zug der Schiene dar. Die Schrumpfbahn kommt. Die PDS spricht sich entschieden für den Erhalt aller betroffenen Bahnwerke aus. Wir weisen darauf hin, dass durch die weiterhin drohende Schließung der Standorte in Chemnitz, Delitzsch und Zwickau erneut und in besonderem Maße Arbeitsplätze der Deutschen Bahn in den neuen Ländern betroffen wären. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie die Deutsche Bahn mehr Verkehr auf der Schiene bewältigen will, wenn in der Instand- haltung der Fahrzeuge keine Reserven vorgehalten wer- den. Und da mehr Verkehr auf der Schiene eine Forderung der offiziellen Verkehrspolitik ist, ist hier auch der Bund gefordert. Die PDS unterstützt deshalb die Anträge, die Erhalt und Zukunft für Bahn-Instand- haltung fordern. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zu a) Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts: Innovationspotenzial moderner Technolo- gien für mittelständische Pflanzenzüchter erhalten (Tagesordnungspunkt 18 a und b) Heino Wiese (Hannover) (SPD): Dass das Saatgut- verkehrsgesetz so spät am Abend beraten werden soll, sagt nicht nur etwas über unsere Arbeitszeiten und die Ar- beitsfülle des Parlamentes, es sagt auch etwas über den Stellenwert in der Öffentlichkeit, den dieses Gesetzesvor- haben erfährt. Leider, denn es ist für viele Pflanzenzüch- ter und Sortennehmer von großer Bedeutung. Bei der Anhörung im Ausschuss haben sich daher fast alle Experten für die umfassende Neuregelung bedankt, die aufgrund der großen Zahl von Veränderungen der Saatgutrichtlinien der EG notwendig geworden waren. Der Deutsche Bauernverband hat uns – sehr zum Leid- wesen von Ihnen, Herr Kollege Carstensen – sogar aus- drücklich für das Gesetz gelobt. Ich möchte das Lob an unsere Kollegin Steffi Lemke weitergeben, die sich außerordentlich um die Neufassung verdient gemacht hat. Das Saatgutverkehrsgesetz ist ein Verbraucherschutz- gesetz. Es stellt sicher, dass Landwirte und Gartenbaube- triebe Saatgut und Vermehrungsmaterial der verschiede- nen Sorten in hoher Qualität erhalten können. Gute Qualität des Endproduktes und damit gute Äpfel, Toma- ten, Kartoffeln und andere Lebensmittel für die Verbrau- cherinnen und Verbraucher. Außerdem gibt das neue Ge- setz Rechtssicherheit für das Bundessortenamt in Hannover, das jetzt klare Vorgaben für die Zulassung neuer Sorten bekommen hat. Wichtig dabei ist auch die Kompetenz, schädlichen Sorten die Zulassung zu entziehen. Wir sind mit diesem Gesetz ein großes Stück weitergekommen, was die Rege- lung des Saatgutrechtes betrifft. Eine wesentliche Aufgabe, die jetzt dazukommt, ist die Neuregelung des Sortenschutzes, eine Aufgabe, der wir uns schnellstmöglich annehmen sollten. Dafür gibt es eine Reihe von dringenden und wichtigen Gründen. Der wich- tigste ist für mich die unsägliche Nachbauregelung, die zu Hunderten oder sogar Tausenden von Gerichtsverfahren geführt hat. Allein 900 Verfahren sind zurzeit vor dem Eu- ropäischen Gerichtshof. Die Saatguttreuhand, die augen- scheinlich große Schwierigkeiten hat, zwischen privat- rechtlichen Verträgen und öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu unterscheiden, hat sich Verhaltensweisen angemaßt, die ihr in keiner Weise zustehen. Den Fehler hat hierbei aber der Gesetzgeber gemacht, weil aus Opportunitätsgründen auf eine klare gesetzliche Regelung verzichtet wurde; zugunsten eines so genannten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19469 (C) (D) (A) (B) Kooperationsabkommens zwischen Pflanzenzüchtern und Bauernverband und zulasten der Bauern. Ein zweiter wichtiger Grund ist die Frage: Wie gehen wir mit GVO in neuen Sorten um? Die nin der Diskussion stehende Biopatentrichlinie wird uns vor neue Herausfor- derungen stellen. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den An- trag der FDP eingehen. Ich glaube nicht, dass die Biopa- tenrichtlinie und die Zulassung von neuen gentechnisch veränderten Sorten wirklich, wie die FDP behauptet, die mittelständischen Züchter stärken. Ich bin vielmehr ziem- lich sicher, dass damit eine Wettbewerbsverzerrung zu- gunsten der großen Unternehmen eingeleitet wird. Natür- lich können die größeren Unternehmen viel eher patentrechtliche und biotechnische Apparate aufbauen, als das durch kleinere Mittelständler erreicht werden kann. Ich möchte nicht missverstanden werden: Ich bin aus- drücklich dafür, die Chancen der grünen Gentechnik zu nutzen. Dafür müssen wir den Sortenschutz aber in der Tat so gestalten, dass wir die einzigartige Vielfalt der mittel- ständischen Saatzuchtunternehmen in Deutschland erhal- ten und schützen. Das Saatgutverkehrsgesetz war der erste Teil einer transparenten und umfassenden Regelung des Saatgutrechtes; für das Sortenschutzgesetz werden wir das in ähnlich verantwortlicher Weise tun. Wir haben auch in diesem Bereich viel vor uns und wir werden es tun. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Es ist jetzt fast genau ein Jahr her, seitdem die BSE-Krise einen Stein ins Rollen brachte. Wir wissen alle, dass dies nicht die erste Krise ist, die die Landwirtschaft erschüttert und den laufenden Struk- turwandel deutlich forciert. Weinskandal, genmanipu- lierte Lebensmittel, Schweinepest und auch gefundene Pestizidrückstände in Bier beunruhigten schon vor Jahren die Bevölkerung. Jeder wollte doch gern glauben, dass man durch die Wissenschaft, durch strengere Gesetze und Kontrollen, die Gefahrenquellen beseitigen kann. Diese Sicherheit gibt es seit BSE nicht mehr. Gerade der Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse war hauchdünn und viel weiter sind wir leider immer noch nicht. Die erlebte Unsicherheit war es, die dazu führte, dass nach BSE das Vertrauen in die bäuerliche Landwirtschaft nicht alleine durch stärkere Kontrollen und strengere Gesetze wieder- hergestellt werden kann. Zwar haben wir durch das Verfütterungsverbot von Tiermehl oder durch den sensiblen Umgang bei der Tö- tung von Tierbeständen gezeigt, dass wir diese Unsicher- heit in der Bevölkerung ernst nehmen und die bestmögli- che Sicherheitsstufe einräumen, aber es ist offensichtlich, dass Veränderungen anstehen. In meiner Rede zum Agrarbericht 2001 sagte ich: „Die Landwirte gehören nicht an den Pranger, sondern mit ins Boot“. Ich bin auch nicht der Meinung eine Drohkulisse aufzubauen oder jemanden gegen die Wand laufen zu las- sen. Vielmehr werbe ich dafür, „gerade auch unter dem Be- rufsstand,“ den eingeschlagenen Weg, hin zu einer um- weltgerechteren Landwirtschaft, gemeinsam zu beschrei- ten. In persönlichen Gesprächen ist die Bereitschaft vorhanden, nur muss um den Weg zum Ziel gerungen werden. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich nur eine vernünftige Chance im Miteinander. Uns allen liegt eine umweltgerechte Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Ent- wicklung der ländlichen Räume „um nur drei Schlaglich- ter zu nennen,“ am Herzen. Aus diesem Grund liegt heute der Gesetzentwurf zur Modulation von Direktzahlungen auf dem Tisch und ist ein wichtiges Element dieser neuen Agrarpolitik. Nicht nur der Bund hat die Modulation als geeignetes Mittel angesehen, um Gelder sinnvoll für eine umweltge- rechtere Landwirtschaft umzuschichten. Auch Vertreter der Länder hatten sich positiv geäußert. Im Juli diesen Jahres einigten sich Bund und Länder auf ein Modell, das bei einem Freibetrag von 20 000 DM eine Prämienkürzung von 2 Prozent vorsieht und ab dem Jahr 2003 in Kraft treten soll. Also: Erhält ein Betrieb mehr als 20 000 DM an Prä- miengeldern, dann werden alle weiteren Zahlungen für seine Produkte um 2 Prozent gekürzt. Die EU sieht Kür- zungen der Ausgleichszahlungen von bis zu 20 Prozent vor. Unser Gesetz setzt bei 2 Prozent an. Die Kürzungen der Direktzahlungen machen bundes- weit 105 Millionen DM aus. 166 Millionen DM würden auf diese Weise zusätzlich für Agrarumweltmaßnahmen und Strukturpolitik im länd- lichen Raum zur Verfügung stehen. Das hört sich erstmal gut an, aber insbesondere die Kofinanzierung ist Stein des Anstoßes für die Länder. Ich komme aus Sachsen-Anhalt und weiß, dass schon jetzt die GAK-Mittel nicht voll abgerufen werden können, weil die Kofinanzierung nicht mehr gewährleistet ist. Das ist schwer. Mit den geplanten Kürzungen der Direktzah- lungen wären zwar besonders die neuen Bundesländer be- troffen, aber die Rückführung der Gelder in die Regionen ist realisierbar. Welche Belastungen kommen auf diese Weise auf den Bund und die Länder zu? Der Bund ist bereit, 37 Milli- onen DM zusätzlich für eine Umorientierung in der Land- wirtschaft einzusetzen. Eine Umorientierung kann aber nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung gelingen, deshalb brauchen wir die Hilfe der Länder und erwarten nun, dass sie ihren Teil dazu beitragen: Das sind 24 Mil- lionen DM für eine umweltgerechtere Produktion von Nahrungsmitteln und für die Stabilisierung der ländlichen Räume. Ein weiterer Stein des Anstoßes ist die Umsetzung, Aufsicht und Verwaltung der Modulation. Hierfür kann der Bund die Verantwortung nicht übernehmen. Ganz klar ist geregelt: Diese Aufgaben stehen in der Landeshoheit. Und ganz abgesehen davon, wäre mit so einer Änderung von Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Diese Forderung ist praktisch undiskutabel. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119470 (C) (D) (A) (B) Modulation ist ein geeignetes Mittel, um Gelder für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume um- zulenken. Und das Mittelvolumen von 166 Millionen DM ist dafür eine gute Basis. Übrigens finde ich es falsch, dass Sie, Herr Kollege Heinrich, in mehreren Interviews ver- suchten, den Eindruck zu erwecken als seien Subventio- nen ein verbrieftes Recht der landwirtschaftlichen Unter- nehmen, ihre Kürzung unredlich und ein Einsatz in umweltrelevanten Maßnahmen ungeeignet, um die Land- wirtschaft und den ländlichen Raum zu stärken. Ich habe das Gefühl, Sie versuchen hier fünfe gerade sein zu lassen und setzten in alter FDP-Manier Stützungen mit eigen Erwirtschaftetem gleich! Und letztlich war es doch die Politik von CDU und FDP, die die Abkehr von ökologischen Zielen forciert hat. Nur nichts Neues for- dern und entscheiden, immer alles schön beim Alten las- sen. Egal, was sich da um uns herum in Europa tut. Wenn wir heute eine geringe Akzeptanz des Berufsstandes unter der Bevölkerung konstatieren müssen, ist das auch ein Er- gebnis der jahrelangen umweltignoranten Politik, für die neben der CDU die FDP die Verantwortung mitträgt. Wir wollen zukünftig eine positive Entwicklung vo- rantreiben. Deshalb mein eindringlicher Appell an die Län- der, unser Gesetz zu unterstützen und nicht kurzsichtig zu sein. Natürlich sind wir uns bewusst, dass gerade die fi- nanzschwachen neuen Länder jede Mark zweimal umdre- hen, ehe sie sie einmal ausgeben. Weshalb aber verschließen sich die südlichen Bundes- länder der Modulation völlig? Das war zwar von Anfang an zu erwarten, verwundert dennoch. Gerade Bayern und Baden-Württemberg rühmen sich Gelder für Sonderpro- gramme in der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Umweltmaßnahmen werden großgeschrieben, heißt es. Wenn das so ist, dann verwundert es einmal mehr, dass das Modulationsgesetz der Bundesregierung so verteufelt wird. Die sachliche Begründung verschließt sich mir völ- lig. Im Gegensatz dazu lobte der saarländische Umweltmi- nister Mörsdorf noch im Sommer dieses Jahres die neuen Chancen, die das Modulationsgesetz für das Saarland bringen würde. Diese Einsicht wäre beim Votum im Bun- desrat sehr hilfreich. Wir werden die Modulation einführen. Auch ohne den Bundesrat wäre dies möglich. Allerdings müsste dann die Freibetragsgrenze von 20 000 DM fallen. Davon wäre dann jeder Betrieb in Deutschland betroffen. Kann uns da- ran gelegen sein? Liebe Kolleginnen und Kollegen, nut- zen wir die Zeit, um miteinander im Gespräch zu bleiben und gemeinsam Bund und Länder für einen gesteigerten Umweltschutz, eine Stärkung der ländlichen Räume und die Interessen unserer Landwirtschaft zu sorgen. Meinolf Michels (CDU/CSU): Ich habe noch einmal die Protokolle aus der Debatte über die Agrarreform 1992 nachgelesen. Wesentlicher Inhalt dieser Reform war: der Getreide- interventionspreis wurde um über 30 Prozent gesenkt; die Einkommensverluste sollten über eine Flächenbeihilfe ausgeglichen werden. Sprecher aller Fraktionen haben auf die Gefahr hingewiesen, die sie in der Möglichkeit staat- licher Kürzungen sehen. Recht hatten sie – nun wird’s wahr! Die Getreidepreise sind zumal in diesem Jahr schlechter denn je. Und dann hat die Kommission in Brüs- sel die Importzölle gesenkt und die Exportbeihilfen ge- strichen. Lassen Sie sich doch einmal über die Getreide- marktsituation berichten. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung einer Modulation wird von den Regierungsfraktionen als wei- terer Meilenstein der so genannten Agrarwende gefeiert. Vorab möchte ich dies zum Anlass nehmen, um aus- drücklich klar zu stellen, dass die CDU/CSU-Fraktion – sei es in Zeiten, als wir die Regierung stellten, aber auch jetzt in der Opposition eine Fortentwicklung der Agrarpo- litik immer als notwendig angesehen hat. Wir haben stets konstruktiv zu diesem Prozess beigetragen. Ich möchte nur an die gerade erwähnte Mac Sherry Re- form 92 erinnern. Wir haben mit viel Geld den Struktur- wandel in der Landwirtschaft begleitet – und dadurch er- träglicher gemacht. Und dies besonders in sozialer Hinsicht. Sie, Frau Künast, propagieren eine Agrarwende – das bedeutet weg vom bisher Dagewesenen. Meine Berufs- kollegen sagen, „Nun soll alles, was wir mit viel Arbeit geleistet haben, falsch sein ?“ „Wir haben doch die Men- schen bestens ernährt.“ Es sind gerade die jungen Bauern, die den Mut verlieren. Ja sie empfinden sich gedemütigt. Die in Ihrem Hause gefertigten Papiere zeigen vor allem eins: immer weniger Hilfe! Die Agrarpolitik der Bundes- regierung ist für die Betriebe nicht mehr kalkulierbar. Bei der Agrardebatte 92 hat der damalige Obmann der SPD, unser Kollege Oostergetelo, zu Recht ausgeführt, „Verlässlichkeit ist ein wesentliches Element in der Poli- tik.“ Obwohl die gegenwärtige Beschlusslage der EU eine Laufzeit bis 2006, 2008 hat, will die Bundesregierung den deutschen Landwirten in dieser Zeit die Planungssicher- heit streitig machen. Das können wir schon heute unein- geschränkt festhalten: dass die Einführung der Modula- tion in der vorliegenden Form für einen großen Teil der deutschen Landwirte eine weitere Verschlechterung ihrer Wirtschaftslage bedeutet. Ich bleibe mit meiner Kritik doch sehr moderat, wenn ich da lese, was die Mehrheit der Länder im Bundesrat als Stellungnahme zu diesem Thema vorgetragen hat. Schon laufende Länderprogramme wie zum Beispiel K.U.L.A.P. in Bayern können mit diesen Mitteln nicht auch finanziert werden. Es müssen neue sein. Ich betone noch einmal, wir sträuben uns nicht gegen Fortentwicklung oder Moderni- sierung im Bereich der Landwirtschaft, nur es muss dann auch für diesen Wirtschaftsbereich sinnvoll sein. Ihr Gesetzentwurf sieht vor, dass ein großer Teil der den Bauern vorenthaltenen 54 Millionen Euro landwirt- schaftsfremd investiert werden soll. Dazu werden die 31 Millionen Euro Kofinanzierung ebenfalls an den unser Volk ernährenden Bauern vorbei fließen. Frau Künast, ich möchte Sie wirklich dringend bitten, mit uns gemeinsam zu prüfen, ob wir nicht wenigstens einen Teil der Mittel für die Einführung des Vorruhestands in der Landwirt- schaft und gleichzeitig auch einen weiteren Schritt zur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19471 (C) (D) (A) (B) Altersabsicherung der Frauen in der Landwirtschaft tun können. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass für den ländlichen Raum Programme mit finanzieller Unterstüt- zung des Bundes aufgelegt werden sollen. Aber es ist er- wiesenermaßen ausdrücklich volkswirtschaftlich falsch, wenn dies mit Geldern geschieht, die den praktisch täti- gen Bauern entzogen werden. Gestatten Sie mir abschließend, für alle wohlwollend darauf hinzuweisen, dass wir hier und gerade in der jetzi- gen Zeit für alle unsere Mitmenschen eine große Verant- wortung tragen. Jeden Fehler, den wir hier machen, müs- sen unsere Mitmenschen ausbaden. Nehmen wir doch nicht alles für selbstverständlich! Stellen Sie sich doch einmal vor, die gegenwärtige Resignation bei unseren jun- gen Bauern würde dazu führen, dass Milch und Brot Man- gelware würden. In der Landwirtschaft liegt zwischen Saat und Ernte eine lange Zeit. Helmut Heiderich (CDU/CSU): Die Novellierung des Saatgutrechtes ist veranlasst durch die Aufnahme ver- schiedener EU-Regelungen, die schon aus dem Jahr 1998 datieren, in das deutsche Recht. Diese Gelegenheit hätte genutzt werden müssen, das schon seit Jahren immer komplexer gewordene Rege- lungswerk zu durchforsten und zu vereinfachen. Stattdes- sen werden durch den Regierungsentwurf und insbeson- dere durch den Änderungsantrag der Regierungskoalition zusätzlich bürokratische Hürden aufgebaut. So spricht die Bundesregierung selbst von einer Ausweitung der behördlichen Tätigkeit bei Bund und Ländern. Nach dem, was bisher erkennbar ist, werden dadurch zusätzliche Kosten verursacht: Da diese als Gebühren weitergegeben werden, ist abzusehen, dass sich das im Er- gebnis negativ auf die Preise deutschen Z-Saatgutes aus- wirkt. Damit wird sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Saatgutzüchter beeinträchtigt, wie auch die Kostenbelastung der Landwirte erhöht. Während in al- len anderen Wirtschaftsbereichen ständig von Deregulie- rung geredet wird, werden im Agrarbereich immer neue Auflagen gemacht und zusätzliche Prüfungen gefordert. Dass der Großteil der konkreten Ausgestaltung im Ge- setzentwurf nicht enthalten ist, sondern auf noch zu erlas- sende Verordnungen verlagert wird, macht diese Proble- matik noch schwerwiegender. Wenn der Bundestag in einem solchen Umfang, wie hier vorgesehen, Ermächti- gungen an die Bundesregierung gibt, dann gibt er in ho- hem Maße seine Einflussmöglichkeiten aus der Hand. Nach den rechtsbeugenden bzw. rechtswidrigen Eingrif- fen der Bundesregierung in die Zulassung gentechnisch verbesserter Sorten im Vorjahr und in diesem Jahr muss jedem klar sein, dass mit einem solchen offenen Gesetz- entwurf dem willkürlichen Handeln der Bundesregierung Tür und Tor geöffnet wird. Im Ergebnis werden dann die Abgeordneten in der Öf- fentlichkeit für Belastungen durch die Regierung verant- wortlich gemacht, auf welche sie keinerlei Einfluss mehr gehabt haben. Die aktuelle Diskussion um die Verschär- fung der Immissionsschutzregeln gibt ein entsprechend negatives Beispiel. So muss die Einführung des allgemei- nen Begriffs „die Umwelt“ als Risikogrund für die Sor- tenzulassung als weiteres Einfallstor willkürlicher Argu- mente befürchtet werden. Ebenso untergräbt die Veränderung des Begriffes „lan- deskultureller Wert“ in seiner bewährten Form durch den Änderungsantrag von Rot-Grün zusätzlich die Verläss- lichkeit des bisherigen Saatgutrechts. Hinderlich sind auch die Verschärfungen und Erweite- rungen für gentechnisch fortentwickeltes Saatgut. Zu recht moniert der Antrag der FDP die seit Jahren ideolo- gische Blockade dieser Zukunftstechnologie durch grüne Minister und deren Fraktion. Europäisches Parlament und europäische Kommission haben gerade in den letzten Mo- naten und Wochen starke Aktivitäten entfaltet, um den jahrelangen Stillstand in Europa zu überwinden. 81 Studien der letzten Jahre in der EU haben deutlich gemacht, dass diese Technologie ausgereift ist. Dass sie kein Risiko für Umwelt oder Gesundheit mit sich bringt. Auch der 2. Gentechnikbericht der Bundesregierung be- stätigt, dass die häufig geäußerten Bedenken keine Be- stätigung gefunden haben. Deswegen ist es kontrapro- duktiv, jetzt neue zusätzliche Hürden für gentechnisch verbessertes Saatgut im Saatgutverkehrsgesetz aufzu- bauen. Solche Erschwernisse werden allenfalls dazu bei- tragen, die Abwanderung dieser Technologie aus Deutschland zu verstärken. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert deshalb im Einklang mit der Europäischen Kommission und dem Gentechnikbericht der Bundesregierung eine Vereinfa- chung und Verschlankung der Zulassungsverfahren. Dazu gehört insbesondere die Festlegung von Schwellenwerten für alle Saatgutbereiche. Dazu gehört die Validierung von Untersuchungsverfahren und Prüfstellen, die der Bundes- regierung bis heute nicht gelungen sind. So bleibt dem Zufall nach wie vor Tür und Tor geöff- net. Wie in diesem Sommer in Brandenburg werden da- durch Zerstörungsmaßnahmen amtlich angeordnet, die sich bei der Nachprüfung durch Fachlabors als „Fehlalarm“ herausstellen. In diesem Bereich muss die Bundesregierung ihre Entscheidung endlich auf die wissenschaftlichen Fakten begründen, statt durch rechts- beugende Eingriffe die Verlässlichkeit des Anerken- nungsverfahrens zu gefährden. Wir lehnen diese Gesetzesnovellierung, die zu einer Kostensteigerung für die Landwirte, zu weiterer Bürokra- tisierung, zu stärkerer Regierungsabhängigkeit der Ver- fahren sowie zur Wettbewerbsverschlechterung für Saat- gutunternehmen und -anwender führt, ab. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gegen- stand der heutigen Debatte ist das Saatgutverkehrsgesetz: ein Gesetz, das die Voraussetzungen regelt, unter denen Saatgut „in den Verkehr gebracht“, sprich: gehandelt oder abgegeben werden darf, ein Gesetz, das in dieser Form seit dem Jahre 1953 besteht und seitdem zahlreichen Än- derungen und Ergänzungen unterworfen war, ein Gesetz, das von Normalsterblichen aufgrund seiner komplizierten Struktur und Regelungen eigentlich nicht mehr verstan- den werden kann. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119472 (C) (D) (A) (B) Die diesem nationalen Gesetz übergeordneten EU- Richtlinien wurden im Februar 1999 aus zwei Gründen geändert: Zum einen war es dringend notwendig, die be- sonderen Anforderungen an gentechnisch verändertes Saatgut zu regeln. Und zum Zweiten schien es wegen des zunehmenden Rückgangs der biologischen Vielfalt auch in der Landwirtschaft erforderlich, die Zulassung auch von solchen Sorten zu ermöglichen, die den sehr strengen Kriterien nicht genügen und dies eigentlich auch gar nicht sollen, wie zum Beispiel alte Sorten oder Landsor- ten. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt diese Änderungen auf EU-Ebene nunmehr in das deutsche Recht um. Darüber hinaus wurden auf Initiative der Koalitionsfraktionen im Laufe des Gesetzgebungs- verfahrens einige Verbesserungen und Ergänzungen vor- genommen, die ich nachfolgend kurz darstellen möchte. In der nicht öffentlichen Anhörung am 10. Oktober 2001 zum vorliegenden Gesetzentwurf fand der entsprechende Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen fast durchweg die Zustimmung der anwesenden Sachverständigen. Zunächst zu den Anforderungen für gentechnisch ver- ändertes Saatgut. Die saatgutrechtliche Zulassung einer Pflanzensorte kann zukünftig von vorneherein versagt werden, wenn „hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Sorte ein Risiko für die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder die Umwelt darstellt“ – im Bereich gentechnisch veränderter Sorten eine unerlässliche Handlungsoption. Wir erinnern uns alle an den Fall der Bt-Maissorte, als das Bundessorten- amt gar keine rechtliche Grundlage gehabt hätte, einer solchen Sorte die Zulassung zu verweigern, obwohl es Hinweise darauf gab, dass sie ein Risiko für die Umwelt darstellt. Diesem Umstand haben wir durch die neue Regelung abgeholfen – und das Bundessortenamt hat dies im Rahmen der Anhörung begrüßt. Ebenso haben wir dafür gesorgt, dass eine Gefährdung der Umwelt durch eine Sorte bzw. deren Anbau zu einer Rücknahme einer bestehenden Zulassung führen kann. Auch das war bislang nicht möglich. Wir haben durch weitere Ergän- zungen die lückenlose Kennzeichnung von gentechnisch verändertem Saatgut in allen Phasen des Inverkehrbrin- gens sichergestellt. Kommen wir zum zweiten Bereich, der durch die geän- derte EU-Richtlinie verbessert werden sollte, nämlich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft durch die Saatgutgesetzgebung beizutragen. Erst kürzlich hat der Wissenschaftliche Beirat der Bun- desregierung den gegenwärtigen und unwiederbringli- chen Verlust der Gen- und Artenvielfalt als „dramatische Krise der Biosphäre“ bezeichnet. Auch die genetischen Ressourcen landwirtschaftlicher Nutzpflanzen aus jahr- hundertealter traditioneller Zucht und Bewirtschaftung stünden auf dem Spiel. Pflanzenzüchtung, die den jetzt noch gar nicht absehbaren Erfordernissen der Zukunft ge- wachsen sein will, braucht biologische Vielfalt. Und wir müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um wei- tere irreversible Verluste an lebensnotwendiger Vielfalt zu verhindern. Konkret haben wir deshalb im Saatgutverkehrsgesetz folgende Änderungen vorgesehen: Der Spielraum bei der Sortenzulassung wurde dahingehend erweitert, dass ungünstige Eigenschaften einer Sorte durch andere günstige Eigenschaften ausgeglichen werden können. Dies ist unter anderem auch für ökologisch gezüchtete Sorten von Vorteil. Die neue Formulierung des so ge- nannten landeskulturellen Wertes orientiert sich damit am Wortlaut der EU-Richtlinie. Darüber hinaus bleibt die Abgabe von Saatgut zu Ausstellungszwecken zum Beispiel für Freilichtmuseen und Schaugärten weiterhin erlaubt. In der EU-Richtlinie war das ursprünglich nicht vorgesehen. Dies ist aber für die zahlreichen Initiativen, die sich um den Erhalt der biologischen Vielfalt bemühen, eine wesentliche Voraussetzung für ihre wert- volle Arbeit. Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang: Er- haltungssorten. Leider bedarf es zunächst einer konkreten Durchführungsverordnung von EU-Seite, bevor auch in Deutschland solche Sorten tatsächlich zugelassen werden können. Wir halten es für dringend erforderlich, und ha- ben dies auch in einer entsprechenden Entschließung zum Ausdruck gebracht, dass sich die Bundesregierung ein- setzt, damit diese konkreten Regelungen so rasch wie ir- gend möglich erlassen werden. Die Zulassungskriterien für diese Erhaltungssorten müssen dabei so gestaltet wer- den, dass keine unüberwindbaren Hürden für die Initiati- ven und Züchter geschaffen werden, sei es in finanzieller oder bürokratischer Hinsicht oder durch zu strenge An- forderungen an die Sorten. Viele Erhaltungsinitiativen oder ökologische Züchter stehen seit Jahren schon in den Startlöchern und warten darauf, dass sie ihre Sorten schlicht und ergreifend an andere abgeben dürfen. Da dies bislang verboten ist, entgehen der Landwirtschaft aber auch den Verbrauchern die enormen Potenziale, die in ei- ner größeren biologischen Vielfalt im verfügbaren Sor- tenspektrum liegen. Lassen Sie mich nun noch ein paar grundsätzliche An- merkungen zur Saatgutgesetzgebung machen: Seinen Ur- sprung hat das heutige Saatgutverkehrsgesetz in der im Jahre 1934 erlassenen „Verordnung über Saatgut“. Mit dieser Verordnung griff zum ersten Mal der Staat in die bis dahin privatwirtschaftlich organisierte Saatgutprüfung ein. Das war damals angesichts der Ernährungslage der Bevölkerung im letzten Jahrhundert und nach den beiden Weltkriegen auch durchaus sinnvoll und notwendig: Der Staat sorgte mit der Prüfung der Saatgutqualität vor der ei- gentlichen Aussaat dafür, dass Missernten so weit wie möglich vermieden und durch die im Laufe der Jahre ent- standenen hohen Auflagen ein gewaltiger Zuchtfortschritt gerade im Bereich der Erträge erreicht wurde. Doch man kann durchaus mal die Frage stellen: Ist ein derart kompliziertes und überregeltes Gesetzeswerk noch zeitgemäß? Ist angesichts der heutigen Höchsterträge un- serer landwirtschaftlichen Kulturarten und der Überpro- duktion ein solches System noch sinnvoll? Oder gibt es Möglichkeiten, andere transparentere und auch kosten- günstigere Systeme, die eine vernünftige Saatgutversor- gung sicherstellen können, ohne die Beteiligten in ein allzu enges Paragraphenkorsett zu zwängen? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19473 (C) (D) (A) (B) Durch die strikten Auflagen des heutigen Saatgutver- kehrsgesetzes wird es tatsächlich vielen züchterisch täti- gen Landwirten, Erhaltungsinitiativen, die sich um die Bewahrung der biologischen Vielfalt bemühen, oder Züchtern insbesondere im Bereich der ökologischen Züchtung unverhältnismäßig erschwert, für ihre Anbau- verfahren geeignetes Saatgut oder Saatgut, das eine pflan- zengenetische Ressource darstellt, in den Verkehr zu brin- gen oder auszutauschen. Dies ist eine kontraproduktive Einschränkung sowohl des wirtschaftlichen Handelns der züchterisch Tätigen als auch des Rechts der Landwirte und sonstigen Saatgutanwender auf eine eigenverant- wortliche Auswahl aus einem angemessenen Sortenspek- trum. Die Entscheidung darüber, welche Sorte überhaupt anbauwürdig ist, wurde bislang ausschließlich von den staatlichen Stellen getroffen. Eine stärkere Rückführung dieser Verantwortung in die Praxis liegt jedoch im öffent- lichen Interesse. Ein ausreichendes Qualitätsniveau des Saatgutes könnte meines Erachtens weitgehend auch über die Marktmechanismen erreicht werden. Für die Sicherung von rechtlichen Ansprüchen an eine bestimmte Saatgut- qualität würden Gewährleistungsansprüche, wie sie in an- deren Wirtschaftsbereichen üblich sind, genügen. Denk- bar wäre zum Beispiel, dass Saatgut, das einige wichtige Kriterien der Saatgutanerkennung, insbesondere Keim- fähigkeit, Gesundheit und Reinheit als Mindestanforde- rung an die Saatgutqualität erfüllt, ohne weitere Ein- schränkungen, jedoch mit einer ausführlichen und eindeutigen Kennzeichnung, in den Verkehr gebracht werden darf. Darüber hinaus könnte Saatgut neben der Saatgutaner- kennung zusätzlich das Verfahren der heutigen Sortenzu- lassung durchlaufen. Dies entspricht dem derzeit für das Inverkehrbringen von Saatgut vorgeschriebenen Verfah- ren, um wie bisher als zertifiziertes Saatgut in den Verkehr gebracht werden. Saatgut dieser Sorten genügt über die Mindestanforderungen hinaus weitergehenden bzw. ande- ren Ansprüchen. Ich halte es für ziemlich unwahrschein- lich, dass es solches System dazu führen würde, dass sämtlicher Zuchtfortschritt infrage gestellt wäre, oder die Landwirte einer unabsehbaren Gefahr ausgesetzt sein würden, durch Saatgut minderer Qualität Missernten zu erleiden. Vor diesem Hintergrund haben die Koalitionsfraktio- nen die Bundesregierung in einer Entschließung aufge- fordert, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren die Saatgutgesetzgebung auf den Prüfstand zu stellen und Vorschläge für ihre Vereinfachung und Liberalisierung zu unterbreiten. Diese Forderung wurde in der Anhörung zum Saatgutverkehrsgesetz am 10. Oktober 2001 von al- len Experten einhellig unterstützt und ist ein weiterer Schritt in Richtung eines modernen Saatgutrechts. Eine Anmerkung zum Schluss: Den Antrag der FDP, der hier in Form der Beschlussempfehlung ebenfalls noch mal zur Debatte steht, habe ich bereits im Februar dieses Jahres in meiner Rede hier im Hause ausreichend kriti- siert. Und mehr Aufmerksamkeit hat er aus meiner Sicht nun wirklich nicht verdient. Ulrich Heinrich (FDP): Auch das Saatgutverkehrsge- setz reiht sich nahtlos in die für die rot-grüne Bundesre- gierung so typischen Gesetze ein, die der deutschen Land- wirtschaft das Leben und die Zukunft zunehmend schwerer machen. Nicht nur aus diesem Grund wird die FDP der Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes nicht zu- stimmen. Entscheidend für die Ablehnung meiner Fraktion sind insbesondere zwei zentrale Schwachpunkte in diesem Ge- setzentwurf. Erstens: Wieder einmal enthält ein Gesetz der Bundes- regierung eine Fülle von „Persilscheinen“ in Form von Ermächtigungen. Diese Ermächtigungen ermöglichen es der Bundesregierung, weitreichende Entscheidungen am Parlament vorbei zu treffen. Das ist schon aus grundsätz- lichen Erwägungen abzulehnen. Für die FDP gilt weiter- hin der Grundsatz, dass wichtige politische Entscheidun- gen im Parlament zu diskutieren und zu treffen sind. Mit diesem Gesetz wird dieser Grundsatz meiner Fraktion zum wiederholten Mal unterlaufen. Zweitens. Das gilt umso mehr, wenn wie im vorliegen- den Fall des Saatgutverkehrsgesetzes ein so sensibler Be- reich wie die grüne Gentechnik berührt wird. Gerade hier wird von der Bundesregierung ein ideologischer Kon- frontationskurs gegen die Wirtschaft und Pflanzenzüchter gefahren. Insbesondere die Tatsache, dass SPD und Grüne nicht bereit sind, verlässliche Rahmenbedingungen für die Zukunft der Grünen Gentechnik zu schaffen; muss uns zu äußerster Vorsicht mahnen. Nur ein Beispiel: Anstatt die Vorschläge der EU-Kom- mission zur Beendigung des De-facto-Moratoriums zu un- terstützen, setzt sich die zuständige grüne Bundesminis- terin Künast weiterhin für eine Nullwert-Regelung bei Saatgut mit GVO-Anteilen ein. Eine Kennzeichnungs- vorschrift für GVO macht aber erst ab einer Grenze von 1 Prozent Sinn. Das hat sich in der Vergangenheit schon bei der Kennzeichnung von Nahrungsmitteln bewährt. Außerdem ist ein Nullwert unrealistisch und lässt natürli- che Phänomene unberücksichtigt. Hier müssen endlich verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, da- mit die Wirtschaft auch weiterhin am Standort Deutsch- land in moderne Technologien investiert. Für die FDP-Bundestagsfraktion fordere ich Bundes- kanzler Schröder nochmals nachdrücklich auf, auch bei der Grünen Gentechnik endlich eine Politik ohne Scheu- klappen umzusetzen. Weiteres Zögern und Zaudern kön- nen wir uns nicht mehr erlauben. Kersten Naumann (PDS): Die Bundesregierung hat sich mit der Umsetzung der EG-Rechtsvorschriften zum Saatgutverkehr viel Zeit gelassen. Nun wird wieder halb- herzig und im Nachhinein mit zu lösenden Problemen gekämpft, für deren Vollzug erst ein Änderungsantrag ein- gebracht werden musste. Verabschiedet wird ein Gesetz, bei dem schon jetzt klar ist, dass weitere Änderungen im Nachgang zu erwarten sind. Das komplexe Saatgutrecht hätte längst auf seine ökonomische Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit unter nationalen Bedingungen geprüft werden können. Über Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119474 (C) (D) (A) (B) 60 Paragraphen und allein 30 Verordnungsermächtigun- gen zeugen nicht gerade von Transparenz und Einfach- heit in der Anwendung des Gesetzes. Der tatsächliche Bedarf eines derart ausgestalteten Rechtssystems hätte längst einer generellen Überprüfung unterzogen werden können. Was wir brauchen, ist eine gläserne Produktion auch bei der Saatgutproduktion, bei der Verwendung und dem Inverkehrbringen von Saatgut, insbesondere deshalb, weil mit dem Gesetz zwei Schwerpunkte neu behandelt wer- den: die Nutzung, der Umgang und der Handel mit gen- technisch verändertem Saatgut und der Erhalt genetischer Ressourcen insbesondere alter Landsorten für den ökolo- gischen Landbau. Wir begrüßen, dass für Saatgut gentechnisch veränder- ter Sorten Kennzeichnungsvorschriften aufgenommen werden und gesetzliche Ermächtigungen geschaffen wer- den, um künftig in Verordnungen insbesondere das In- verkehrbringen von Saatgut aus pflanzengenetischen Ressourcen sowie von Saatgut für den ökologischen Landbau regeln zu können. Die Frage der rechtlichen Grundlagen für das Inver- kehrbringen von GVO durch Saatgut ist diffizil: Einer- seits wird das Tor für weitreichende Anwendungen im Saatgutbereich geöffnet, andererseits will sich die Bun- desregierung rechtlich absichern, eingreifen zu können. Letzteres ist, wie die belegten Beispiele der Handhabung des Bt-Maises im Jahr 2000 und T-25-Maises Artuis bei der Aussetzung der Sortenzulassung zeigen, bereits fak- tisch angewendet worden. Hier ist das Widerrufsrecht gesetzlich zu verankern, und zwar nicht nur, wenn es ausschließlich und den Schutz der Umwelt geht. Bereits bestehende und nachge- wiesene negative Auswirkungen einer GVO-Sorte auf an- dere Sorten, zum Beispiel durch Pollenflug einer transge- nen Pflanze auf andere Feldbestände, werden nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt. Da wissenschaftlich im- mer noch nicht nachgewiesen ist, was GVO in der Um- welt anrichten kann, zum Beispiel erste Auswirkungen wie resistente Superunkräuter in Kanada, die ursprünglich von ehemaligen Kulturpflanzen stammen und nicht ernst genommen werden, ist es keinesfalls vertretbar, dass GVO-Saatgut einem konventionellen Saatgut gleichge- stellt wird. Dem Gesetzentwurf kann aus diesen Gründen nicht zugestimmt werden. Noch ein Wort zum Antrag der FDP. Ihr Versuch, der Gentechnik über die Saatgutzüchtung aufs Trapez zu ver- helfen, ist ein weiteres Belegexemplar für die ausgespro- chene Risiko- und Wirtschaftsfreundlichkeit ohne Rück- sicht auf Verluste. Verbraucherinteressen, nachhaltige Produktion auch im Interesse zukünftiger Generationen und Schutz der ohnehin in Mitleidenschaft gezogenen natürlichen Ressourcen sind wohl Fremdwörter für die FDP. Angesichts der dramatischen Veränderungen in der Landwirtschaft durch BSE, mehrere Seuchen – MKS, Schweinepest – und den Tierarzneiskandal ist dieser An- trag hinsichtlich der Förderungsablehnung ökologischer Produktionsweisen und der Kritik an Naturschutzflächen schlichtweg überholt und abzulehnen. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Der vorliegende Gesetzentwurf geht im Wesentlichen auf umfassende Änderungen der Saatgutrichtlinien der EG zurück. Die Änderungen im Gemeinschaftsrecht wurden vorgenommen, um diesen Rechtsbereich weitergehend zu harmonisieren und den Gegebenheiten des Binnenmark- tes anzupassen. Zudem galt es, neueren Entwicklungen im Bereich der Pflanzenzüchtung und des Saatgutwesens Rechnung zu tragen. Die Änderungen der Saatgutrichtlinien betreffen fol- gende Regelungen: Die Begriffsbestimmung des Inver- kehrbringens von Saatgut wurde neu gefasst. Danach soll das Abgeben von Saatgut an amtliche Prüf- und Kontroll- stellen und an Erbringer von Dienstleistungen zur Saat- gutaufbereitung oder zu Erzeugung landwirtschaftlicher Rohstoffe, zum Beispiel Biodiesel, künftig nicht mehr den saatgutrechtlichen Inverkehrbringensregelungen unterlie- gen. Des Weiteren soll es möglich sein, zusätzliche Qua- litätsanforderungen an chemisch behandeltes Saatgut so- wie weniger restriktive Anforderungen an Saatgut zur Er- haltung genetischer Ressourcen und an Saatgut zur Nutzung im ökologischen Landbau zu stellen. Für so genannte Erhaltungssorten sollen vereinfachte Voraussetzungen für die Sortenzulassung festgelegt wer- den können. Dies ist wichtig, um auch für diese erhal- tenswerten, überwiegend regionalspezifischen Sorten die Saatgutvermarktung zu eröffnen. Entsprechend dem Stand der modernen Pflanzenzüch- tung sollen in das Saatgutrecht Zulassungsvoraussetzun- gen für gentechnisch veränderte Pflanzensorten aufge- nommen werden. Dabei muss insbesondere sichergestellt werden, dass die Anforderungen der gentechnikrechtli- chen Freisetzungsrichtlinie bezüglich der vorzunehmen- den Umweltverträglichkeitsprüfung in vollem Umfang Anwendung finden. Zudem sollen spezifische Kenn- zeichnungsvorschriften für gentechnisch verändertes Saatgut festgelegt werden. Weitere gemeinschaftsrechtliche Änderungen betref- fen die Novellierung der speziellen Anforderungen an die Erzeugung von Saatgutmischungen, die Festlegung von Vorschriften für die Eignung von Sortenbezeichnungen und die Anforderungen an Vermehrungsmaterial von Zierpflanzen. Diese komplexen Novellierungen des Ge- meinschaftsrechts werden durch den Entwurf eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes in das nationale Recht umgesetzt. Da die beschriebenen Änderungen der Saatgutrichtli- nien den bislang noch ausstehenden Erlass umfassender gemeinschaftsrechtlicher Durchführungsvorschriften er- fordern, ist es bei der obligatorischen Umsetzung unum- gänglich, im Saatgutverkehrsgesetz mittels einer Vielzahl von Verordnungsermächtigungen die spätere Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Durchführungsvorschriften in den saatgutrechtlichen Verordnungen zu eröffnen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19475 (C) (D) (A) (B) Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Tages- ordnungspunkt 19 a und b) Horst Schild (SPD): Die zwei vorliegenden Gesetz- entwürfe der PDS-Fraktion betreffen einkommensteuerli- che Regelungen: Zum einen die Anhebung der Freibe- träge für Arbeitnehmerabfindungen, zum anderen die unbegrenzte Absetzbarkeit der Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung. Als Begründung führt die PDS unter anderem an, die Besteuerung von Arbeitneh- mern sei in den letzten Jahren verschärft worden. Wie beurteilt denn die Fraktion der PDS unsere im letz- ten Jahr verabschiedete Steuerreform, die allein in der ers- ten Stufe im Jahr 2001 eine Entlastung für Arbeitnehmer, Unternehmen und Familien von 45 Milliarden DM bringt? Alle Steuersenkungsstufen bis 2005 zusammen bedeuten eine Steuerentlastung von 95 Milliarden DM. Davon entfällt der Großteil, nämlich 67 Milliarden DM, auf private Haushalte. Das ist eine beispiellose Steuerent- lastung in der Geschichte der Bundesrepublik. Und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spüren das ganz konkret an ihrer Lohn- und Steuerabrechnung. Die von der PDS nun eingebrachten Vorschläge führen zu zusätzlichen Steuerausfällen von rund 1,5 Milliarden DM. Wenn Sie sich die aktuellen Haushaltsdaten von Bund, Ländern sowie den Kommunen anschauen – und die mor- gige Steuereinschätzung wird diesen Befund bestätigen –, so müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die Grenze der fiskalischen Belastbarkeit für alle Gebietskörperschaften erreicht ist. Die Steuereinnahmen sinken stark, was vor allem auf die derzeitige schwache konjunkturelle Lage zurückzu- führen ist. Deutschland kann sich nicht von der weltwirt- schaftlichen konjunkturellen Entwicklung abkoppeln. Sinkende Steuereinnahmen, die nun alle Gebietskörper- schaften zu verkraften haben, sind die unmittelbare Folge. Und die Fraktion der PDS will ja sicher nicht die Haus- halte noch zusätzlich unter Druck setzen, sodass Bund, Länder und Kommunen Kürzungen im investiven oder sozialen Bereich vornehmen müssten. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Anträge zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen. Sie würden auch schon aus dem schlichten und abseh- baren Grund scheitern, dass im Bundesrat keine Mehrheit für die Vorstellungen besteht. Was die steuerliche Behandlung von Arbeitnehmerab- findungen angeht, so stehen wir derzeit im fachlichen Dis- kussionsprozess. Was die Regelungen zur doppelten Haushaltsführung angeht, so plädiere ich dafür, diese und zahlreiche andere Normen im Rahmen einer umfassenden Reform des Ein- kommensteuerrechts auf den Prüfstand zu stellen. Das wird unsere große Aufgabe in der nächsten Legislaturpe- riode sein. Der Bürger hat ein Recht auf ein verständli- ches, einfaches, transparentes und gerechtes Steuersys- tem. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Soweit mit dem Antrag 14/4437 beantragt wird, Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung länger als zwei Jahre als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zuzulassen, hat dies zunächst einen steuertechnischen Aspekt. In unserem Steuerrecht gilt das Nettoprinzip. Das heißt, alle Aufwen- dungen, die zur Erzielung von Einnahmen gemacht wer- den, sind von den Erlösen abzuziehen. Nur was dann als Differenz übrig bleibt, ist zu versteuern. Aufwendungen, die der privaten Lebensführung dienen, können nicht steuerlich geltend gemacht werden. Theoretisch ist die Abgrenzung von Aufwendungen der privaten Lebens- führung und der Aufwendung zur Erzielung von Einnah- men ganz einfach. In der Praxis gibt es jedoch Grenzbe- reiche und auch Aufwendungen, die beiden Bereichen dienen. Bei den Kosten für eine Zweitwohnung handelt es sich um einen solchen Grenzbereich. Zweifelsohne ist der mit der Arbeitsaufnahme an einem anderen Ort verbun- dene Aufwand zunächst einmal Aufwand zur Erzielung von Einkünften. Allerdings ist dies nicht von Dauer. Der natürliche Verlauf ist, dass man sich in die Nähe seiner Ar- beit mit seinem Lebensmittelpunkt begibt. Wer dies nicht tut, betreibt privaten Aufwand. Der Zeitpunkt, zu dem die Betriebskosten in Kosten der privaten Lebensführung umschlagen, kann objektiv nur schwer bestimmt werden, und es ist von Fall zu Fall sicherlich anders. Deshalb war es dem Gesetzgeber erlaubt, eine allgemeine Frist von zwei Jahren durch das Jahressteuergesetz 1996 einzu- führen. Sofern Sie eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeit- nehmern und Abgeordneten als Begründung für Ihr Än- derungsbegehren anführen, verkennen Sie die Tatsachen. Ein Abgeordneter hat im Prinzip zwei Arbeitsplätze gleichzeitig. Er ist zum einen am Parlamentssitz tätig und zum anderen im Wahlkreis. Diese zwei Arbeitsorte hat er für die Dauer seiner Wahl. Deshalb können die Lebens- sachverhalte überhaupt nicht miteinander verglichen wer- den. Dem Antrag fehlt insoweit die sachliche Grundlage, deshalb kann ihm nicht zugestimmt werden. Soweit mit der Drucksache 14/4438 die Verbesserung bei der Besteuerung von Abfindungen bei Arbeitnehmern bei Kündigung oder Gerichtsurteil angestrebt wird, ist das berechtigt. Wir hatten hierzu bereits mit unserem Entsch- ließungsantrag vom 11. Oktober 2000, 14/4285, entspre- chende Forderungen gestellt. Es gibt zwei Wege, um an dieser Stelle Gerechtigkeit herzustellen: erstens Anhebung der Freibeträge nach § 3 Nr. 9 EkStG und/oder zweitens Einbeziehung in das Ver- fahren zur Besteuerung von außerordentlichen Einkünf- ten mit dem halben Steuersatz nach 34 Abs. 3 EkStG. Diesen Weg wollten wir mit unserem Antrag zur Wie- dereinführung des halben Steuersatzes für Gewinne aus der Betriebsveräußerung und auch der selbstständigen Handelsvertreter auch bei den Arbeitnehmerabfindungen – zum Steuersenkungsergänzungsgesetz Umdruck Nr. 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119476 (C) (D) (A) (B) gehen. Dies sollte nicht nur für die Zukunft gelten, son- dern rückwirkend ab 1. Januar, weil es häufig nicht in der freien Bestimmung, der Betroffenen lag und liegt, wann sie ausscheiden oder einen Betrieb aufgeben. Niemand sollte in das durch den Pannenbetrieb der Koalition ent- standene Loch fallen. Wir stützten uns bei unserem Vor- schlag auf die eindeutigen Ergebnisse der Anhörung vom 25. Oktober 2000. Dies wurde leider abgelehnt und die Umsetzung bei den Handelsvertretern und Arbeitnehmer- abfindungen für später versprochen. Bis heute ist nichts erfolgt. Auch die Regelungen für die Betriebsaufgabe sind – trotz ihrer Nachbesserungsversuche – völlig unbefriedi- gend, sodass wir zum Unternehmensteuerfortentwick- lungsgesetz wieder Anträge gestellt haben. Auch diese haben Sie am Mittwoch im Finanzausschuss abgelehnt. Da der Inhalt der Anträge nicht besonders schwer zu bewältigen ist, bleibt die Gelegenheit, einen Blick auf die Steuerpolitik zu werfen. Die Kürzungen durch das Steuerentlastungsgesetz ge- rade bei den Arbeitnehmern machen die soziale Schief- lage der Steuerpolitik von Rot-Grün deutlich. Während Konzerne künftig Veräußerungsgewinne steuerfrei kas- sieren dürfen, werden Arbeitnehmer nur in geringfügigem Umfang entlastet. Dieser Tage war in der Presse zu lesen, dass allein durch die Erleichterung bei den Kapitalgesell- schaften beim Verkauf von Aventis 1 Milliarde Euro Steu- ern gespart wird. Ich empfinde es als einen Skandal, dass ausgerechnet Sozialdemokraten eine solche Schieflage produzieren. Eine solch unsoziale Regelung hätten wir einst als Union einmal leisten sollen! Welchen verbalen Krieg hätten Sie hier im Hause mit Unterstützung der Ge- werkschaften angezettelt? Aber Sozialdemokraten mei- nen, alles zu dürfen. Wenn zwei das Gleiche tun, dann ist das eben noch nicht das Gleiche. Aber: Murks bleibt Murks. Das gilt für große Teile Ihrer „Reformen“. Ich wundere mich über das Stillhalten der Gewerkschaften und der sie hier vertretenden Kolleginnen und Kollegen. Wie ungerecht Ihre Reform ist und wie unsozial sie sind, macht auch die Stellungnahme der Kirchen zur An- passung der Besteuerungsgrundlagen deutlich: Die Kirchen weisen darauf hin, dass durch das Halbeinkünf- teverfahren Personen nicht mehr nach ihrer Leistungsfä- higkeit zur Steuer herangezogen werden. Durch die 1975 unter Ihrem Kanzler Helmut Schmidt eingeführte Vollan- rechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommen- steuer und die damit erfolgte endgültige Versteuerung auf der personalen Ebene wurde dem Sozialstaatsprinzip vollends Rechung getragen. Nur in diesem System gibt es tatsächlich die Versteuerung nach Leistungsfähigkeit. Beim Halbanrechungsverfahren wird dieses verwischt, weil die Einkünfte aus Körperschaften nur noch zur Hälfte in den sozialen Ausgleich einbezogen werden. Die übrige Hälfte wird bei der Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt. Ausgerechnet Sozialdemokraten konzi- pieren ein solch kapitalfreundliches Recht. Die von der Regierung bisher durchgeführte Steuerre- form ist für den größten Teil der arbeitenden Menschen keine Steuerentlastung, sondern eine Belastung. Die Bei- spiele zeigen, dass mit dem Tarif 2005 noch nicht einmal die heimlichen Steuererhöhungen kompensiert werden. Der Kollege Rauen hat das hier mehrfach vorgerechnet. Dabei muss man berücksichtigen, dass es bei der augen- blicklichen Inflationsrate sicherlich nicht bei den im Bei- spiel unterstellten Lohnerhöhungen von 2,5 Prozent blei- ben wird. Der moderne „Brotpreis“, nämlich die Preise für Benzin und Energie, treibt die Inflationsrate nach oben. Wir liegen gegenwärtig bei 2,5 Prozent. Da wären Lohnerhöhungen von 2,5 Prozent gerade der Inflations- ausgleich. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich die Ge- werkschaften damit begnügen werden. Ankündigungen in dieser Richtung gibt es ja schon reichlich. Dementspre- chend wird die Lohn- und Preisentwicklung noch stärker angeheizt und es bleibt nach der kalten Progression für den Arbeitnehmer nichts mehr übrig. Ich will in diesem Zusammenhang noch einmal ver- deutlichen, dass die von der Koalition vorgelegten Vor- stellungen im Wesentlichen Menschen mit höherem Ein- kommen und die großen Kapitalgesellschaften entlasten. Handwerkern, Facharbeitern und insbesondere dem Mit- telstand haben Ihre Vorstellungen wenig Entlastung ge- bracht. Der Mittelstand wurde zunächst einmal belastet und seine Entlastung tritt dann am Sankt-Nimmerleins- Tag oder im Jahre 2005 ein. Die wenigen Verbesserungen, die noch lange keine gute Reform ausmachen, sind aus- schließlich unserem harten Widerstand im Bundestag zu verdanken. Wir haben uns bei Gegenfinanzierungsmaß- nahmen immer um einen Gleichschritt mit den Entlas- tungsmaßnahmen bemüht. Davon kann hier keine Rede sein: Belastungen ab 1. Januar 2000 und Entlastungen ab 2005. Das ist der Unterschied zwischen der Koalitionspo- litik und einer Telefonzelle: Bei der Telekom müssen Sie erst bezahlen und können dann wählen. Bei Schröder wählen Sie erst und bezahlen dann. Auch das Märchen von der Mittelstandsentlastung erweist sich als solches. Im Rahmen der verschie- denen Steuergesetze wird die Mittelstandsentlastung mit 29,8 Milliarden DM bezeichnet. Allerdings kommen erst die Belastungen und dann 2005 die Entlastungen. In der Großen Anfrage, Drucksache 14/4603, bestätigen sie, dass bis jetzt allenfalls eine Entlastung von 4,5 Milliarden DM erfolgte. Dies wird auch bei den Abschreibungen deutlich. Der Mittelstand schreibt überwiegend nach den Allgemeinen Tabellen ab, diese wurden zum 1. Januar 2001 verändert – verschlechtert. Als nun die Branchentabellen, nach denen überwiegend die großen Gesellschaften abschreiben, geändert werden sollten, wird das Verfahren ausgesetzt. Eine erhebliche Benachteiligung des Mittelstandes durch eine massive Wettbewerbsverzerrung. Sie sind und bleiben die Koalition der Steuererhöhun- gen. Ein Blick auf die Steuerquote macht dies deutlich. Sie betrug 1982 24,9 Prozent, 1993 24,4 Prozent, 1998 22,0 Prozent und wird voraussichtlich 1999 22,85 Pro- zent, 2000 22,98 Prozent und 2001 23 Prozent betragen. Also ein Anstieg. Dies wird auch nicht durch die infolge der Ökosteuer gesunkenen Rentenbeiträge wettgemacht. Auch wenn Sie mit Ihrer ständig wiederholten Floskel, es handle sich um die größte Steuerreform in der Ge- schichte Deutschlands, den Menschen etwas anderes weismachen wollen: Die Fakten sind andere. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19477 (C) (D) (A) (B) Ihre Politik senkt die Binnenkaufkraft. Die Ökosteuer brachte im Jahr 2000 zusätzlich 7,8 Milliarden DM mehr in die Steuerkassen. In dieser Höhe haben sie die Mehr- leistungen an die Rentenversicherung in der Antwort auf die Kleine Anfrage, Drucksache 14/4410, bezeichnet. Das hätte rechnerisch zu einer Absenkung der Rentenversi- cherungsbeiträge um 0,5 Beitragspunkte reichen müssen. Gesenkt haben sie aber nur 0,2, das heißt, Sie haben 3,32 Milliarden DM zurückgegeben und 7,8 Mil- liarden DM eingenommen. Also unter dem Strich 4,4 Mil- liarden DM abkassiert. Alles andere ist Augenwischerei. Sie haben den Eindruck erzeugt, dass durch Rasen für die Rente etwas Gutes für die Rentenversicherung getan wird. Sie haben den Eindruck erzeugt, die Ökosteuer würde 1 : 1 zur Beitragssenkung eingesetzt, deshalb belaste sie die Menschen nicht. Im Gegenteil, Sie haben sogar von einer doppelten Dividende gesprochen. Das ist angesichts der Fakten ein Betrug der Menschen. Sie setzen weniger als die Hälfte zur Beitragssenkung ein. Ich nenne das mo- derne Wegelagerei an der Tankstelle, beim Heizöl und beim Strom. Dies hat Finanzminister Eichel auch in der Regie- rungsbefragung vom 20. Juni 2001 bestätigt, indem er einräumte, dass eigentlich eine Erhöhung des Rentenbei- trages um 0,2 oder 0,3 Punkte notwendig gewesen wäre, und dass deshalb die Ökosteuer nur ausgereicht habe, um eine geringere Erhöhung zu machen. Damit ist klar, dass eben das gerade nicht 1 : 1 wieder zurückgegeben worden ist. Dies ist der falsche Weg. Diesen Kurs wollen Sie mit der Erhöhung der Tabak- und Versicherungsteuer weiter vorantreiben. „Nachdem Sie die Richtung endgültig ver- loren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen“ fällt mir dazu nur ein. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass einzelne Gruppen zur Finanzierung dieses gesellschafts- politischen Problems herangezogen werden. Richtiger wäre es, durch Umschichtungen im Haushalt die erfor- derlichen Mittel freizumachen. Man darf das Ziel der langfristigen Senkung der Staatsquote nicht aus dem Auge verlieren. Dies ist wieder einmal ein Schritt in die falsche Richtung. Ebenso wenig wie man dem Energieverbrauch faktisch ausweichen kann, gibt es praktisch keine Möglichkeit, der Tabak- und Versicherungsteuer auszuweichen. Verträge sind geschlossen und in der Regel nur langfristig änder- bar. Auch können Raucher ihr Verhalten ohne psychische Folgen kaum kurzfristig abändern. Deshalb wird die für die Terrorismusbekämpfung geplante Steuererhöhung di- rekt die Konsumkraft beeinträchtigen. Wie bei der Öko- steuer muss für dieselbe Leistung mehr Geld aufgewandt werden. Da die Verbraucher nicht über zusätzliche Einanhmen verfügen, wird dieses zulasten anderer Aus- gaben gehen. Dies wiederum wird direkte Folgen für die Konjunktur haben. Im Verbund mit der gegenwärtig lau- fenden Benzinpreiserhöhung wird sich diese Entwicklung noch verstärken. Der private Verbrauch als wichtiger Fak- tor für die Konjunktur wird durch den Staat erneut belas- tet und damit wird ein negatives Konjunktursignal ge- setzt. Bei dieser Gelegenheit wollen Sie sich auch noch eine „Sparkasse“ schaffen. Der Eichel will sich wie ein Eich- hörnchen einen „Wahlvorrat“ anlegen, aus dem dann Wahlgeschenke oder Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur „wahlwerbewirksam“ finanziert werden sol- len. Sie weisen wegen angeblicher Verhaltensänderungen die durch die Erhöhung der Tabaksteuer zu erwartenden Einnahmen viel zu niedrig aus. Sie rechnen sich künstlich arm, weil sich in der Vergangenheit gezeigt hat, das sich dieses Verhalten nach einer gewissen Zeit wieder aus- gleicht. Es werden 5,6 Milliarden DM Mehreinnahmen statt der ausgewiesenen 3 Milliarden DM. Am Beispiel der Ökosteuer wird die Politikmethode der rot-grünen Bundesregierung und ihres Kanzlers be- sonders deutlich. Nimm dir ein sympathisches Thema: „Ich tue etwas für die Umwelt und die Rente.“ Vergiss deine Versprechen von gestern: „6 Pfennig sind genug, es bleibt bei der nettolohnbezogenen Rente, weitere Stufen der Ökosteuer gibt es nur im Rahmen der Europäischen Union.“ Gib einigen Menschen ein kleines Stück, zum Beispiel die Senkung der Lohnnebenkosten, gib ihnen das Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun. Nimm vielen gleichzeitig ein Mehrfaches von dem, was du gegeben hast, unter einer anderen Überschrift, damit die Menschen nichts merken, zum Beispiel Steuersenkung und Er- höhung der Bemessungsgrundlage. Das ist „linke Ta- sche“, „rechte Tasche“. Auf der einen Seite gibt der Bundesfinanzminister mit dem Steuersenkungs- und dem Steuersenkungsergän- zungsgesetz, der Erhöhung der Kilometerpauschale und Heizkostenzuschüsse und auf der anderen Seite nimmt er ein Vielfaches davon über Abschreibungen und Ökosteuer wieder weg. Aus der linken Tasche nimmt er mehr als das, was er vorher in die rechte Tasche hineingetan hat. Ich nenne das „Eicheln“. Unter dem Strich macht der Staat immer ein gutes Geschäft dabei. Dieses „Eicheln“ scheint sich zu einer Regierungsmethode zu entwickeln. Ganz nebenbei wird der Staatskuchen immer größer, was ja auch sozialistischer Ideologie entspricht. Im Ergebnis bedeutet dies immer mehr Bevormundung der Menschen, weil sie anstelle der eigenen Entscheidung sich mit der kollektiven Wertschätzung abfinden müssen. Dazu wächst die Bürokratie, weil natürlich für die Verteilung auch Auf- wand entsteht. Für den Bürger bedeutet das im Endeffekt weniger Entscheidungsfreiheit und damit auch weniger Verantwortung; für mich heißt das Entmündigung und für die Verteilungskosten geht immer mehr von der Substanz verloren. Wenn durch die Ökosteuer rund 5 Milliarden DM ein- genommen und 3,2 Milliarden allein für die Wiedergut- machung von sozialen Folgen in Form von Kilometer- pauschale und Heizkostenpauschale ausgegeben werden, dann wird der Unsinn hier besonders deutlich. Wer misst eigentlich die Bürokratiekosten? Wenn man hier einmal ehrlich wäre, müsste man feststellen, dass sich die Öko- steuer aus der Sicht des Fiskus als Nullsummenspiel er- weist. Dafür werden die Bürger mit viel Ärger überzogen und es gibt Verzerrungen, weil die Reparaturmaßnahmen natürlich nicht unbedingt bei denen ankommen, die be- lastet werden. Trotz aller Bürokratie wird dies nie richtig möglich sein. Deshalb: Sinnvoll ist nur, den Unsinn mit Stumpf und Stiel auszurotten und die Ökosteuer abzu- schaffen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119478 (C) (D) (A) (B) Ein anderes Beispiel für die Regierungsmethoden: Ver- sprich den Menschen etwas und lass es andere bezahlen. Ein beredtes Beispiel für diese Politik ist das Kindergeld. Es wird zu zwei Dritteln von Ländern und Gemeinden fi- nanziert, während sich der Bund als „Spender“ abfeiern lässt. Das nenne ich „Schrödern“. Zum Schrödern gehört auch, den Menschen etwas wegzunehmen und sich dafür noch als Held abfeiern zu lassen. Den Bürgern wird ange- droht, ihnen etwas zu nehmen, was sie nicht entbehren wollen oder notwendig brauchen, wie zum Beispiel im Rahmen der Steuerreform bei den Abschreibungen. Wenn der Widerstand dann groß wird, stellt sich der Kanzler hin, nimmt ein kleines Stück davon zurück und lässt sich dafür feiern. Die Verbände reden nur über das Zurückgenom- mene, weil sie ja ihre Leistung gegenüber ihrer Mitglied- schaft rechtfertigen müssen. Im Ergebnis merken die Menschen aber gar nicht, dass unter dem Strich ihnen durch die Regierung etwas genommen ist. Symbolhaft: Durch ein Kabinettsmitglied lässt der Kanzler androhen: Wir hauen euch den Arm ab. – Der Kanzler sorgt dann dafür, dass es nur die Hand ist. Die Menschen meinen, weil sie den Arm behalten haben, sei ihnen etwas Gutes geschehen, und übersehen dabei, dass am Ende die Hand fehlt. Langsam, aber sicher verstehen die Bürger Ihre Me- thode und kommen Ihnen auf die Schliche. Ihre Politik besteht aus „Schrödern“ und „Eicheln“. Aber sie dient nicht den Menschen. Die Früchte Ihrer falschen Politik können Sie jetzt am Arbeitsmarkt ernten. Wir haben nun 3,73 Millionen Ar- beitslose. Die normalerweise übliche Herbstbelebung bleibt aus. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote stieg im Oktober auf 9,5 Prozent. Dies können Sie nun nicht auf die Folgen der Ereignisse vom 11. September 2001 abschieben. Die Bundesanstalt für Arbeit hat laut „Frank- furter Allgemeine Zeitung“ vom 7. November 2001 deut- lich gemacht, dass der Arbeitsmarkt kaum vom Terror be- lastet sei. Wenn der Aufschwung im Wahljahr ein Aufschwung des kommenden Kanzlers Schröders war, dann hat der Abschwung auch einen Namen: Gerhard Schröder. Wer wirklich etwas für die Menschen tun will, der muss für eine bessere Konjunktur sorgen. Dazu wäre eine richtige Steuerreform notwendig. Nur das hilft auch den Arbeitnehmern nachhaltig. Teilanträge wie die Vor- schläge der PDS tun dies nicht, deshalb lehnen wir diese Anträge ab. An die Koalition richten wir den Appell: Tun Sie endlich etwas, sorgen Sie dafür, dass die „ruhige Hand“ des Kanzlers sich endlich bewegt und richtige Maßnahmen vorschlägt. Sie brauchen sich nur an unseren Anträgen zu orientieren, die Sie heute und morgen ableh- nen. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich teile nicht die Ansicht der PDS, dass die Freibeträge für Abfindungen generell erhöht werden sollten. Freibeträge sind steuerliche Subventionen und müssen inhaltlich ge- rechtfertigt und angemessen sein. Der derzeitige Freibe- trag beträgt grundsätzlich 16 000 DM. Für ältere Arbeit- nehmer mit langjähriger Betriebszugehörigkeit gelten darüber hinaus noch höhere Freibeträge, so dass bis zu 24 000 DM steuerfrei bleiben können. Außerdem haben wir im Steuerentlastungsgesetz die Fünftelungsregelung eingeführt. Damit wird auch bei Abfindungen, die diese Freibeträge übersteigen, die Steuerprogression nicht übermäßig stark wirksam. Auch das sind Subventionen, aber maßvolle und des- halb gerechtfertigt. Denn letztendlich sollen Abfindungen ja einen Zweck erfüllen. Sie entschädigen den Arbeitneh- mer für den Verzicht auf Zukunftseinkommen, das ja we- sentlich auf seinem im Laufe der Betriebszugehörigkeit angesammelten Wissen und seinen Erfahrungen beruht. Es ist deshalb durchaus gerechtfertigt, ja sogar notwendig, Abfindungen günstiger zu besteuern als andere Einkünfte. Bei den älteren Arbeitnehmern kommt aber noch ein Argument hinzu: Für sie ist die Abfindung nicht nur eine Entschädigung für entgangenes Einkommen, sondern sie finanziert häufig den Einkommensausfall bis zum Über- gang in die Rente, ist also eine Altersvorsorge. Aus die- sem Grunde sollten Abfindungen, die der Altersvorsorge dienen, zukünftig stärker steuerlich begünstigt werden. Für die Inhaber von kleinen und mittelständischen Un- ternehmen haben wir im Steuersenkungsgesetz den Frei- betrag für Gewinne aus Betriebsveräußerung und -auf- gabe von bisher 60 000 DM auf jetzt 100 000 DM erhöht. Auch diese steuerliche Begünstigung von Veräußerungs- gewinnen soll einer besseren Altersvorsorge – hier des be- troffenen Unternehmers – dienen. Schon aus Gründen der Gleichbehandlung darf diese Begünstigung aber nicht auf Unternehmer beschränkt bleiben. Vielmehr muss eine vergleichbare Steuerbegünstigung auch für Arbeitnehmer geregelt werden. Die Fraktionen des Bündnisses 90/Die Grünen setzt sich deshalb schon seit dem letzten Jahr dafür ein, dass auch für Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr oder bei Berufsunfähigkeit einmal im Leben ein erhöhter Freibe- trag auf Abfindungen gewährt wird. Ich habe bislang eine Freibetragshöhe von 100 000 DM in die Debatte einge- bracht. Grundsätzlich sollte die steuerliche Behandlung von Abfindungen sobald wie möglich neu geregelt werden. Das ist zwischen den Koalitionsfraktionen unstrittig und das haben wir übereinstimmend im Ausschuss erklärt. Al- lerdings wird eine Neuregelung der Abfindungen sicher- lich nicht billig. Gerade vor dem Hintergrund der morgi- gen Steuerschätzung müssen wir genau prüfen, was die öffentlichen Haushalte insbesondere im nächsten Jahr noch an Steuerausfällen verkraften können, bevor hier eine positive Entscheidung fallen kann. Unsere Arbeitswelt fordert in immer höherem Maße den flexiblen und mobilen Arbeitnehmer. Das ist eine ganz unbestreitbare Tatsache. Das Steuerrecht muss dem natürlich Rechnung tragen. Und das tut es auch. Die Kos- ten der Mobilität können als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden: zum einen über die Entfer- nungspauschale, zum anderen über die auf zwei Jahre begrenzte steuerliche Anerkennung von doppelter Haus- haltsführung und konsequenterweise über die steuerliche Anerkennung von arbeitsplatzbedingten Umzugskosten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19479 (C) (D) (A) (B) Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat im August dieses Jahres die Ergebnisse ei- ner Studie der Universität Mainz zum Thema Mobilität vorgelegt. Eine wichtige Erkenntnis aus der Studie über- rascht nun sicherlich nicht übermäßig, andererseits wis- sen wir es nun auch wissenschaftlich abgesichert: Die meisten mobilen Lebensformen gibt es nur deshalb, weil eine ganz bestimmte Form von Mobilität, nämlich ein Umzug, vermieden werden soll. Man entscheidet sich also bewusst für eine bestimmte Form, mobil zu sein. Und das ist richtig so, denn natürlich soll jeder und jede selbst entscheiden können, wo und wie er oder sie wohnen und arbeiten will. Aber, ab einem bestimmten Punkt ist diese Entscheidung dann Privatsache und es ist nicht mehr ge- rechtfertigt, die Kosten dieser privaten Entscheidung der Allgemeinheit aufzubürden. Meiner Ansicht nach sind zwei Jahre hinreichend lang, um sich für einen neuen Wohnort zu entscheiden. Dass ein doppelter Haushalt da- nach nur noch als Privatangelegenheit angesehen wird, ist absolut gerechtfertigt. Ich lehne es deshalb ab, diese Be- fristung wieder aufzuheben. Gerhard Schüßler (FDP): Die von der PDS einge- brachten Gesetzentwürfe enthalten Anliegen, über die man durchaus diskutieren kann. Das gilt insbesondere für die Begrenzung der Anerkennung der Kosten für die dop- pelte Haushaltsführung. Diese Befristung hat im Jahre 1995 die SPD im Vermittlungsverfahren zum Jahressteu- ergesetz 1996 durchgesetzt. In einer Zeit, in der immer mehr Mobilität gefordert wird, ist die Beschränkung der Mobilitätskosten beim Werbungskostenabzug eigentlich widersinnig. Auf der anderen Seite ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass eine länger als zwei Jahre dauernde doppelte Haushaltsführung auch privat veran- lasst ist. Nach geltendem Recht dürfen gemischt veran- lasste Kosten in diesem Fall nicht als Werbungskosten ab- gezogen werden. Die FDP wird sich bei diesem Gesetz enthalten. Wir sind der Auffassung, dass privat und beruflich veranlasste Kosten aufzuteilen sind. Der beruflich veranlasste Teil sollte abzugsfähig sein. Das gilt auch für die doppelte Haushaltsführung. Ablehnen werden wir den zweiten Gesetzentwurf der PDS. Zwar ist auch hier die Begründung nachvollziehbar. Die Ausweitung der Steuerfreiheit für Abfindungen und Übergangsgelder passt allerdings nicht zu einer durch- greifenden Steuerreform mit niedrigen Tarifen und mög- lichst keinen Sondertatbeständen, wie sie der FDP vor- schwebt. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zum Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisie- rung im Steinkohlenbergbau (Zusatztagesord- nungspunkt 9) Norbert Formanski (SPD):Anfang der 60er-Jahre er- wies es sich als notwendig, den deutschen Steinkohlen- bergbau an die grundlegend veränderte energiewirtschaft- liche Situation anzupassen und hierfür unterstützende staatliche Regelungen zu ergreifen. Sie zielten darauf ab, die Bemühungen des Bergbaus um eine verbesserte Pro- duktivität und um geringere Kosten zu fördern, durch Ka- pazitätsanpassungen die Förderung zu drosseln und durch Zusammenschlüsse wirtschaftlicher arbeitenden Schacht- anlagen zu schaffen. Das Gesetz zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau schuf daher zum 1. September 1963 den Rationalisierungsverband des Steinkohlenbergbaus, RatV, als bundesunmittelbare Körperschaft des öf- fentlichen Rechts und übertrug ihm im Wesentlichen Finanzierungsaufgaben. Mitglieder des Rationalisierungsverbandes mussten damals alle Gesellschaften werden, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Verbandes mindestens ein Steinkohlen- bergwerk – mit einer verwertbaren Förderung von 100 000 Tonnen pro Jahr – betrieben. Mit der Stilllegung von Zechen und der Bildung von bergbaulichen Großein- heiten in allen Revieren ging jedoch die Zahl der Mit- glieder fortlaufend – bis auf fünf Gesellschaften Ende 2000, von denen lediglich zwei noch Schachtanlagen be- trieben – zurück. Der Rationalisierungsverband kann mithin als eine frühe Antwort auf die strukturellen und finanziellen Pro- bleme des heimischen Steinkohlenbergbaus verstanden werden, indem er dank öffentlicher Körperschaft die Fi- nanzierung privater Investitionen in einem wichtigen Sek- tor der Gesamtwirtschaft ermöglichte. Nach einer Zeit von rund 38 Jahren hat sich nicht nur die gesellschaftsrechtliche Situation des Steinkohlenberg- baus durch die Zusammenfassung aller deutschen Zechen in der Deutschen Steinkohle AG, DSK, geändert, auch die Finanzmarktverhältnisse sowie die strategische ener- giewirtschaftliche Lage machen es nicht länger erforder- lich, ein Sonderfinanzierungsinstitut aufrechtzuerhalten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist somit die logische Konsequenz aus der faktischen Entwicklung. Der Rationalisierungsverband des Steinkohlenbergbaus hat seine Tätigkeit zum 31. Dezember 2000 eingestellt. Der Rechnungsabschluss des Verbandes fand den un- eingeschränkten Bestätigungsvermerk einer Wirtschafts- prüfungsgesellschaft. Der Verwaltungsrat und die Ver- bandsversammlung haben dem Vorstand Entlastung erteilt. Der Rationalisierungsverband des deutschen Steinkohlenbergbaus besteht somit seit dem 31. Dezem- ber 2000 nicht mehr. Über diese Fakten kann nicht ernsthaft kontrovers disku- tiert werden, da das Gesetz nur den Ist-Zustand nachvoll- zieht. Es hat keine Auswirkungen auf die gegenwärtige und zukünftige Kohlepolitik. Sollte sich die Opposition jedoch Sorgen über den Fortgang der Rationalisierung im Bergbau machen, kann ich Ihnen versichern: Diese Sorgen sind un- berechtigt. Der deutsche Steinkohlenbergbau arbeitet auf High-Tech-Niveau und wird es auch zukünftig weiter unter dem Dach der DSK tun. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119480 (C) (D) (A) (B) Sollte es Ihnen darüber hinaus generell um die Zukunft des Steinkohlenbergbaus gehen, kann ich auch hier Ihre Sorgen entkräften. Die SPD-Bundestagfraktion hat im Juli 2001 in einem Entschließungsantrag klar Position für die deutsche Steinkohle bezogen. Der Antrag ist ein klares Signal nach Brüssel, um in der Diskussion über die Nach- folge des EGKS-Vertrages, der am 23. Juli 2002 ausläuft, die deutsche Position zu markieren. Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt die Auffas- sung der Bundesregierung, dass ein nationales Steinkohlenkonzept erforderlich ist. Sie unterstützt in diesem Zusammenhang auch die Forderung der Bun- desregierung gegenüber der Europäischen Kommission nach einem nationalen Energiesockel, in eigener na- tionaler Zuständigkeit. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist als wichtiger Be- standteil des Energiemixes zu erhalten und die rechtlichen und finanziellen Grundlagen für ein nationales Stein- kohlenkonzept sind zu schaffen. Drei weitere Kernforderungen müssen erfüllt werden: Die nationale Kohlevereinbarung zum sozialverträg- lichen Abbau der Steinkohlenförderung bis 2005 muss gesichert sein. Aus Gründen der langfristigen Planungs- sicherheit muss die Fortführung dieser Vereinbarung bis 2015 ermöglicht werden. Das Fördervolumen muss auch über diesen Zeitraum hinaus einen lebens- und leistungs- fähigen Steinkohlenbergbau in Deutschland sowie den Zugang zu den heimischen Lagerstätten gewährleisten. Als Bergmann und Gewerkschafter sind für mich zwei weitere Punkte unverzichtbar: Erstens. Die uneingeschränkte Sozialverträglichkeit der Anpassung bleibt unverzichtbar. Betriebsbedingte Kündigungen darf es im Steinkohlenbergbau auch zu- künftig nicht geben. Trotz der Nutzung innovativer per- sonalpolitischer Instrumente bleibt die Anpassungsgeld- regelung unverzichtbar. Sie muss deshalb verlängert werden. Ein lebens- und leistungsfähiger Bergbau erfordert, dass die Belegschaftsentwicklung der DSK wieder ein ausgewogenes Maß findet. Der ausschließlich haushalts- politisch erzwungene Vorrang des Personalabbaus vor einer langfristigen Belegschaftsentwicklung hat zu einem wachsenden Know-how-Verlust und zur Ausdünnung in den jüngeren Jahrgängen geführt. Zu den erforderlichen Maßnahmen gehört deshalb nicht nur die Einstellung und Übernahme von Auszubildenden für Untertage-Berufe, sondern auch die Neueinstellung junger Facharbeiter. Nur dann können die Voraussetzungen für einen langfristig lebens- und leistungsfähigen Bergbau geschaffen werden. Auf dem Kongress der IGBCE am 24. Oktober 2001 in Frankfurt hat unser Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bergleuten noch einmal ausdrücklich versichert, dass der deutsche Steinkohlenbergbau, auch vor dem Hintergrund des 11. September, für die Versorgungssicherheit in unse- rem Land unverzichtbar ist. Bei der Nachfolge des EGKS-Vertrages geht es nun darum, der heimischen Steinkohle ihren Platz in der Ener- gieversorgung zu sichern. Sie ist als heimischer Ener- gieträger angesichts unserer weitreichenden Importab- hängigkeit, aber auch als Kern der bergbau- und maschi- nenbautechnischen Industrie unverzichtbar. Sie steht aus geologischen Gründen außerhalb des Wettbewerbs und ist deshalb auch weiterhin auf staatliche Subventionen ange- wiesen. Wir bringen diese Subventionen weiterhin auf, weil die Entscheidung über den Primärenergieträger-Mix – bei der Kernenergie wie bei den erneuerbaren Energien und ebenso bei der Steinkohle – weiterhin unserer politischen Verantwortung unterliegt. Wir können diese Entschei- dung weder dem Wettbewerb anheim stellen, noch an die Europäische Kommission delegieren. Der bisherige Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen für den Steinkohlenbergbau beinhaltet noch viele Ungereimthei- ten und muss nachgebessert werden. Positiv ist sicherlich, dass die EU-Kommission einen Sockel heimischer Primärenergieträger als „strategisches Instrument ... zur Sicherung der Energieversorgung“ zulassen will. Durch die Bezugsgröße Produktionseinheit müssten die Kosten und Beihilfen für jede Schachtanlage allerdings differen- ziert ausgewiesen werden und die EU-Kommission könnte sich vorbehalten, über die Verwendung der Beihil- fen pro Schachtanlage zu entscheiden. Der geforderte Stilllegungsplan ist nicht akzeptabel, besser wäre die Dis- kussion über die Fördermenge und daraus abgeleitet dann der Beschluss über stillzulegende Bergwerke, wobei so- ziale und regionale Belange natürlich berücksichtigt wer- den müssen. Der geforderte „kontinuierliche und nennenswerte Ab- bau“ der Beihilfen für die laufende Förderung und die Auslaufbergwerke ist ein klarer Widerspruch zum lang- fristigen nationalen Energiesockel in der eigenen Ent- scheidungskompetenz der EU-Mitgliedstaaten. Bis spätestens 31. Dezember 2006 will die Kommis- sion zusätzlich einen Bericht über die Erfahrungen mit dieser Verordnung vorlegen. Aufgrund dieses Berichtes und unter Berücksichtigung der Entwicklung der erneuer- baren Energieträger soll dann der Anteil der Kohle am Sockel der heimischen Energieträger bestimmt werden. Hier wird ein künstlicher Konflikt zwischen Kohle und erneuerbaren Energieträgern konstruiert und in unzulässi- ger Weise in die nationalen Zuständigkeiten der Mit- gliedsländer eingegriffen. Gestützt auf das Wort des Bundeskanzlers und den Ent- schließungsantrag der SPD-Bundestagsfraktion können die Beschäftigten des Steinkohlenbergbaus den anstehen- den Verhandlungen mit der EU-Kommission mit Opti- mismus entgegensehen. Wolfgang Weiermann (SPD): Der Rationalisie- rungsverband wurde am 1. September 1963 durch das Gesetz zur Förderung der Rationalisierung im Steinkoh- lenbergbau als bundesunmittelbare Körperschaft des öf- fentlichen Rechts errichtet. Zum Zeitpunkt seiner Errich- tung zählte er 39 Mitglieder; seine Tätigkeit wurde wiederholt verlängert, zuletzt durch das sechste Ände- rungsgesetz vom 15. Dezember 1995. Ende des Jahres Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19481 (C) (D) (A) (B) 2000 waren nur noch zwei Bergbauunternehmen unter dem Dach der RAG AG aktiv. Der Rationalisierungsverband hatte den gesetzlichen Auftrag, durch Bewährung von Darlehen und Bürgschaf- ten an seine Mitglieder die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Steinkohlenbergbaus zu steigern, seine Pro- duktionsseinrichtungen und Produktionsverfahren zu ver- bessern, zur Anpassung der Absatzmöglichkeiten beizu- tragen und dazu Rationalisierungsinvestitionen finanziell zu sichern. Die vom Rationalisierungsverband durchgeführten Maßnahmen beinhalteten die Finanzierung der Rationali- sierungsinvestitionen im Umfang von 3,4 Milliarden DM, von Lagerbeständen an Steinkohle und Koks mit 1,3 Mil- liarden DM, die Finanzierung der nationalen Steinkoh- lenreserve mit 1,4 Milliarden DM und die Mobilisierung der Einbringungsforderungen nach Gründung der Ruhr- kohle AG im Jahr 1968 mit l,1 Milliarden DM für die langfristige Finanzierung von Investitionen, zu denen die Bergbaugesellschaften bis 1973 verpflichtet waren. Der Geschäftsumfang des Rationalisierungsverbandes belief sich im Zeitraum seines Bestehens auf 7,2 Milli- arden DM. Seit 1995 hatten die Mitglieder des Verbandes keine neuen Kredite beantragt. Gemäß Verordnung über die Auflösung des Rationali- sierungsverbandes des Steinkohlenbergbaus vom 6. Ok- tober 2000 hat der Verband am 31. Dezember 2000 seine aktive Tätigkeit beendet und wurde zum gleichen Zeit- punkt aufgelöst. Der Vorstand hat die Abwicklung durch- geführt und zum 31. Mai 2001 abgeschlossen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C & L Deutsche Revision AG hat dem Rechungsabschluss zum 31. Mai 2001 und dem Jahresbericht für das Rumpf-Haushalts- jahr vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2001 den uneinge- schränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Verwaltungsrat und Verbandsversammlung haben den Vorstand entlastet. Damit können die Rechtsvorschriften zum Rationalisie- rungsverband des Steinkohlenbergbaus aufgehoben wer- den. Die beteiligten Bundesressorts und Länderministerien haben dem Gesetzentwurf zugestimmt. Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Aufhebung von Rechtsvor- schriften nicht mit Kosten belastet. Auswirkungen auf Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbrau- cherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Eine Befristung des Gesetzes entfällt. Der Gesetzent- wurf ist mit dem Recht der Europäischen Union verein- bar. Ich möchte noch einmal festhalten: Es geht bei diesem Gesetzentwurf nicht um die zukünftige Kohlepolitik und es geht bei diesem Gesetzentwurf nicht um die 1997 ab- gestimmte Kohlefinanzierungsregelung, den so genann- ten Kohlekompromiss. Von der eigentlichen Entschei- dung, die mit diesem Gesetzentwurf zu treffen ist, ist die Auseinandersetzung und die Entwicklung um die Zu- kunft, das heißt die Planungssicherheit der Kohle nicht berührt. Dies sind Fragen, die im Rahmen der Gemeinschafts- regelungen der EU-Staaten zugunsten des Steinkohlen- bergbaus beantwortet werden müssten. Stichworte hierzu sind unter anderem: nationaler Energiesockel, EGKS- Nachfolgeregelungen und Referenzbergbau. Aus Gründen der Versorgungssicherheit, sofern so be- schieden, müsste eine Steinkohleförderung auch nach 2005 staatlich unterstützt werden. Ein nationalen Ver- sorgungssockel, dessen wesentlicher Bestandteil für Deutschland die einheimische Steinkohle ist, könnte durch die Mitgliedstaaten in eigener Verantwortung fest- gelegt und von einer beihilferechtlichen Kontrolle durch die Kommission freigestellt werden. Die nationale Stein- kohleförderung könnte dann bis auf das – noch zu defi- nierende – Sockelniveau zurückgeführt werden. In dem im November 2000 vorgelegten Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversor- gungssicherheit“ hat die Kommission dank der intensiven Bemühungen der Bundesregierung diese Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines Sockelbergbaus zur Absiche- rung gegen Import- und Preisrisiken anerkannt. Als Nachfolgeregelung zum EGKS-Vertrag, dessen völliges Auslaufen wir bedauern, hat die Kommission mit dem Vorschlag vom 25. Juli 2001 Vorschriften für die Ge- währung staatlicher Beihilfen zugunsten des Steinkohle- bergbaus empfohlen. Der Vorschlag hat eine Laufzeit bis 2010; die Anwendung der konkreten Regelungen für die Beihilfegewährung ist aber nur bis 2007 gesichert. Kri- tisch ist, dass Planungssicherheit nur bis zum Jahr 2007 besteht, weil die Regelungen für die Zeit danach erst 2007 getroffen werden sollen. Dies schafft keine sichere Per- spektive für die Steinkohleindustrie und ihre Mitarbeiter. Die deutsche Bergbauindustrie ist weltweit technisch führend in Bereich der Förder-, Umwelt-, Sicherheits- und Kraftwerktechnik. Gerade diese Kombination macht einen erheblichen Teil ihrer Stärke aus. Um diesen Standard hal- ten und verbessern zu können, ist jedoch eine einheimische Kohleförderung vonnöten. In dem schon erwähnten Grün- buch hat die EU-Kommission unter anderem auch die Not- wendigkeit zur Bewahrung und Förderung des techni- schen Know-hows im Steinkohlebergbau und damit die Notwendigkeit von Referenzbergwerken anerkannt. Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU): Der Gesetzentwurf ist ein Beitrag dazu, überflüssige und überholte Gesetze ab- zuschaffen. Der Rationalisierungsverband des Steinkoh- lenbergbaus wurde 1963 mit einer klaren und richtigen Zielsetzung sowie in einer entsprechend angemessenen Struktur eingerichtet. Entgegen der ursprünglichen Idee, diese Körperschaft des öffentlichen Rechts – in letzter Zeit bestand sie nur noch aus einem Mitglied – nur für kürzere Zeit einzusetzen, hat der Rationalisierungsver- band zum 31. Dezember des letzten Jahres seine unter- stützenswerte Tätigkeit auf dem Gebiet der Finanzierung von Investitionen und weiteren Maßnahmen der Bergbau- unternehmen beendet. Diese Tätigkeit wurde in den letz- ten Jahren ohnehin durch die Rückführung der Subven- tionen im deutschen Steinkohlebergbau zumindest flankiert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt da- her dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119482 (C) (D) (A) (B) Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Situation des deutschen Steinkohlenbergbaues ist ge- prägt von der Verringerung der Förderkapazitäten, dem Abbau der Beschäftigungszahlen und den immer geringer werdenden Subventionen. Während 1996 noch 10,4 Mil- liarden DM an öffentlichen Hilfen für die Steinkohle be- zahlt wurden, waren es 1998 nur noch 8,5 Milliarden DM. Bis 2005 werden diese Zahlungen bis 5,3 Milliarden DM weiter verringert werden. 1970 gab es noch 69 Stein- kohlebergwerke in Deutschland, heute sind noch 12 in Betrieb. Das hat einen schwierigen Strukturwandel in den Bergbauregionen zur Folge gehabt. Die betroffenen Regionen haben große Anstrengungen unternommen, andere beschäftigungspolitische Schwer- punkte zu setzen. Dieser Strukturwandel ist auch noch nicht an seinem Ende angekommen. Der Grund dafür ist bekannt: Die heimische Steinkohle ist im internationalen Wettbewerb nicht konkurrenzfähig. Steinkohle, die im Ta- gebau gewonnen wird, ist immer günstiger als die unter- tage abgebaute deutsche Steinkohle. Wir können mit Kohlepreisen von 250 DM pro Tonne nicht gegen 70 DM pro Tonne konkurrieren. Diese Tatsache führte zu dem Steinkohlekompromiss von 1997 zwischen dem Bund, den Ländern und den be- troffenen Unternehmen und Gewerkschaften. Durch ihn wurde der Weg für die Förderung der deutschen Stein- kohle bis 2005 vorgezeichnet. Damit haben sowohl die Beschäftigten als auch die Unternehmen einen verlässli- chen Plan für die nähere Zukunft in der Hand. Wir werden an diesem Kompromiss festhalten. Ein gezieltes Herun- terfahren der deutschen Steinkohleförderung verringert die eingesetzten Subventionen und lässt den betroffenen Menschen die Zeit, sich umzuorientieren. Wir werden uns auch auf der EU-Ebene dafür einsetzen, dass der Kom- promiss bis 2005 umgesetzt wird. Das Auslaufen des Eu- ropäischen Kohle- und Stahlvertrages im nächsten Jahr darf nicht dazu führen, dass die Zechen von einem Tag auf den anderen geschlossen werden und Zehntausende Men- schen auf einen Schlag arbeitslos werden. Der Abbau der Kohlesubventionen muss auf jeden Fall sozialverträglich erfolgen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer Hin- weis auf die schwindende Bedeutung des deutschen Stein- kohlenbergbaues. Der 1963 errichtete Rationalisierungs- verband des Steinkohlenbergbaues hatte zu Beginn 39 Mitglieder und zwischenzeitlich einen Geschäftsum- fang von 7,2 Milliarden DM. Im letzten Jahr waren es nur noch zwei Bergbauunternehmen und drei Bergbau-Altge- sellschaften, die in diesem Verband organisiert waren. Seit 1995 hat kein Mitglied des Rationalisierungsverban- des mehr neue Kredite beantragt. Folgerichtig wurde der Rationalisierungsverband zum 31. Dezember 2000 aufge- löst. Der vorliegende Gesetzentwurf dient nun der Aufhe- bung der gesetzlichen Grundlagen dieses Verbandes. Es ist nun an der Zeit, den Blick nach vorne zu richten und neue Wege für die betroffenen Regionen zu ebnen. Es geht darum, den Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien zu bekommen. Die Regionen müssen sich aus den alten Strukturen lösen und neue Wege beschreiten. Dies wurde bereits in Nord- rhein-Westfalen erfolgreich in Angriff genommen. Industriezweige wie die chemische Industrie, der Ma- schinenbau, die Nahrungsmittelindustrie, die Elektro- industrie, der Fahrzeugbau und vor allem die Umwelt- industrie rangieren längst vor der immer stärker schrumpfenden Montanindustrie. Auch der Dienstleis- tungssektor ist in NRW deutlich gewachsen und liegt mit 62,7 Prozent der Erwerbstätigen über dem Durchschnitt in Deutschland. In den vergangenen Jahren hat sich das Land NRW immer stärker zu einem internationalen Me- dienstandort entwickelt. Unter den zahlreichen Zeitungs- und Buchverlagen befindet sich mit dem Gütersloher Ber- telsmann-Konzern auch eines der weltgrößten Medienun- ternehmen. Die Grünen in NRW haben schon in den vergangenen Jahren mit der Gründungsoffensive „GO!“ die Förderung von Existenzgründungen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen äußerst effektiv vorangetrieben. Auf Antrag der Grünen und der SPD wurde die Mittelstandsoffensive NRW, die Initiative für mehr Beschäftigung und Innova- tion, in den Landtag eingebracht und beschlossen. Eine weitere innovative Branche, die genauere Be- trachtung verdient, ist der Anlagenbau. In Deutschland werden effiziente und technisch hochwertige Anlagen hergestellt, die sich auch im Export gut behaupten. Effizi- ente Kohlekraftwerke sind für die Länder wie China, die noch lange auf Kohle setzen werden, ein begehrtes Im- portgut. Auch diese Kraftwerkstechnologien haben eine Zukunft, unabhängig davon, in welchem Maße in Deutschland Kohle abgebaut wird. Auch die erfolgreiche Förderung der erneuerbaren Energien durch die rot-grüne Bundesregierung bietet neue Möglichkeiten für den Strukturwandel. Zurzeit arbeiten 120 000 Menschen in der Erneuerbaren-Energien-Bran- che. Jedes Jahr kommen 10 000 Arbeitsplätze hinzu. Die- ser Boom wurde möglich durch die umfangreiche Förde- rung der erneuerbaren Energien. Hier ist vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu nennen. Die festen Ein- speisevergütungen für Wind, Sonne, Wasser und Bio- masse haben zu einem Boom in den verschiedenen Bran- chen geführt und einen Innovationsschub ausgelöst. In diesen Branchen wird nicht nur der Bedarf an Anlagen in Deutschland gedeckt, sondern auch die Grundlagen für den Export von morgen gelegt. Beispielhaft für den enormen Erfolg des EEG ist das rasante Wachstum der Windenergie. Mit einer Gesamt- leistung von fast 7 000 Megawatt, Mitte 2001, hat Deutschland seinen Spitzenplatz weltweit ausgebaut. Mehr als die Hälfte des europäischen Windstroms und über ein Drittel der Weltproduktion werden in Deutsch- land erzeugt. Die Windenergie trägt mittlerweile 2,5 Pro- zent zur Stromerzeugung in Deutschland bei und hat über 30 000 Arbeitsplätze geschaffen. Ähnliche Entwicklungschancen bietet der Bereich der Bioenergien, in dem wir mit der Biomasse-Verordnung die richtigen Weichen gestellt haben. Bioenergien wie Holz, Pflanzenabfälle oder Gülle stehen in ausreichender Form zur Verfügung und sind äußerst vielseitig verwendbar. Mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19483 (C) (D) (A) (B) der neuen Regelung wird endlich der Investitionsstau in diesem Bereich aufgelöst; Arbeitsplätze vor allem im ländlichen Raum werden geschaffen. Dazu kommen noch das 100 000-Dächer-Programm für Photovoltaik und das Marktanreizprogramm für er- neuerbare Energien. Hier entstehen Arbeitsplätze. Die vom Strukturwandel betroffenen Regionen sind gut bera- ten, diese für Umwelt und Wirtschaft vorteilhaften Alter- nativen weiter auszubauen. Wer heute einen Schwerpunkt in dieser Branche setzt, sichert sich Arbeitsplätze auf lange Sicht. Walter Hirche (FDP): Das Gesetz hat seinen Zweck verloren und soll aufgehoben werden. Dazu kann man nur dreimal Ja sagen – in der ersten, der zweiten und der drit- ten Lesung. Die Chance, derartig überflüssig gewordene Gesetze aufzuheben, würden wir gern öfter nutzen. Rolf Kutzmutz (PDS): Mit der heutigen Debatte wird ein zweifellos wichtiges Kapitel westdeutscher Energie- und Strukturpolitik geschlossen. Allein schon die in der Gesetzesbegründung genannten, vom Rationalisierungs- verband bewegten Milliardenbeträge signalisieren seine Bedeutung für Struktur- und Regionalentwicklung, insbe- sondere in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Allein in den 60er-Jahren, als der Verband das Hauptinstrument einer auch sozial abgefederten Rückführung der Stein- kohleförderung war, wurden auf diesem Wege 39 Großschachtanlagen und 28 Kleinzechen mit einem jährlichen Fördervolumen von 30 Millionen Tonnen still- gelegt. Dafür flossen damals knapp 350 Millionen DM an öffentlichen Mitteln. Rund 270 000 Arbeitsplätze ver- schwanden seinerzeit durch Stilllegung und forcierte Ra- tionalisierung. In den folgenden Jahrzehnten traten andere Instru- mente zur Bewältigung der weltwirtschaftlich und tech- nologisch bedingten „Kohlenkrise“ in den Vordergrund. Strukturpolitische Erwägungen, auf die mit dem Rationa- lisierungsverband 1963 eine durchaus zeitgemäße Ant- wort gegeben wurde, spielen heute gewiss nicht mehr eine solche Rolle wie vor vier Jahrzehnten. Die energiepoliti- sche Frage von damals ist aber auch heute nach wie vor aktuell: Wie viel können und müssen uns die deutschen Steinkohlevorräte und ihre Förderung wert sein? Zwar ist Steinkohle – wegen ihrer Emissionen und zu- mindest die deutsche wegen ihrer Kosten – energiepoli- tisch nicht mehr die erste Wahl. Anders als Atomkraft- werke bleibt sie aber als Option für die kommenden Generationen unverzichtbar. Ich meine: Wir dürfen arbei- tende Kohlegruben nicht unwiederbringlich absaufen las- sen, nur weil deren Förderung anderswo zu einem Drittel des Preises zu kaufen wäre. Natürlich brauchen wir heute nicht – wie nach der ersten Energiekrise 1974 – wieder eine unter Trägerschaft eines Rationalisierungsverbandes stehende nationale Steinkohlereserve auf Halde fahren zu lassen. Aber gerade Zeiten wie die heutigen beweisen, dass die Fähigkeit zu autarker Energieversorgung lebens- wichtig bleibt. Wie viel wir aus diesen lebenden Gruben jedoch tatsächlich fördern, dass sollte in erster Linie eine finan- zielle und in zweiter eine regionalpolitische Frage sein. Auch der bloße Erhalt bestehender Förderfähigkeiten wird jedes Jahr noch Milliarden kosten. Und klar muss meines Erachtens sein, dass diese Aufgabe keine regio- nale, sondern eine nationale ist. Denn es ist eine Fähigkeit, die dem Saarland ebenso wie Baden-Württemberg zugute kommt. Dass damit in den Kohleländern auch noch Arbeitsplätze gesichert werden, wäre wichtig, aber eben nur ein Nebeneffekt, der nicht rechtfertigt, ihnen allein oder auch nur überwiegend diese finanziellen Lasten auf- zubürden. Ich glaube, unter solchen Prämissen ließe sich auch ge- genüber der EU ein neues Kapitel Kohlepolitik schreiben. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitie- rungsgesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 10) Hans-Joachim Hacker (SPD): Am 19. Oktober 2001 hat der Deutsche Bundestag in erster Lesung den FDP- Entwurf eines Rehabilitierungsänderungsgesetzes bera- ten. In meiner Rede bin ich bei dieser Gelegenheit aus- führlich auf die Erfordernisse eingegangen, die sich auf dem Gebiet der Wiedergutmachung von SED-Unrecht er- geben haben und die vom deutschen Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung zu leisten waren. Hierbei habe ich so- wohl das Erreichte dargestellt – hierzu zähle ich insbe- sondere die Rehabilitierung, die den Betroffenen Ehre zurückgibt – als auch die materiellen Entschädigungsleis- tungen. Erneuern muss ich meine kritische Bewertung der Leistungen von CDU/CSU und FDP in ihrer damaligen Regierungsverantwortung. Das Gesetzgebungswerk war Stückwerk und hatte schwere Schieflagen. Erst mit dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtli- cher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR im Jahre 1999 hat die rot-grüne Ko- alition die Schieflagen beseitigt und damit zentrale Wahl- versprechen der SPD gegenüber den Opferverbänden ein- gelöst. An dieser Stelle möchte ich auf eine Wiederholung der einzelnen Regelungen verzichten, da dies meiner Rede vom 19. Oktober 2001 entnommen werden kann. In meiner Stellungnahme zum FDP-Gesetzentwurf habe ich zugesagt, dass die Koalition den bestehenden Handlungsrahmen ernsthaft prüfen und dafür sorgen wird, dass eine notwendige Novellierung rechtzeitig er- folgt. Mit dem heute diskutierten Gesetzentwurf wird diese Zusage eingelöst. Nach Prüfung des Sachverhaltes kommen wir zu dem Ergebnis, dass die Antragsfrist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 des Strafrechtlichen Rehabilitie- rungsgesetzes erneut um zwei Jahre, nunmehr bis zum 31. Dezember 2003, verlängert werden muss. Nach Rück- fragen bei den neuen Ländern steht fest, dass immer noch eine gleich bleibend hohe Zahl von Rehabilitierungsan- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119484 (C) (D) (A) (B) trägen eingeht. Wir müssen davon ausgehen, dass auch im nächsten und übernächsten Jahr mit einer nicht unbedeu- tenden Zahl von Anträgen auf Rehabilitierung zu rechnen ist. Hierbei handelt es sich um einen erheblichen Antrags- rückstau und wir wollen nicht, dass die Opfer von rechts- staatswidrigen Verfolgungsmaßnahmen wegen des Ab- laufens der bislang geltenden Antragsfrist Rechtsverlust erleiden. Das heißt, es würde nicht nur die Rehabilitierung formal unmöglich werden, sondern auch Ansprüche auf Kapitalentschädigung und Unterstützungsleistungen wür- den entfallen. Das wäre eine unvertretbare Härte für die Opfer der zweiten deutschen Diktatur. Wir sorgen mit un- serem Gesetzentwurf dafür, dass diese Folge nicht eintritt. Ich rufe an dieser Stelle auch die zuständigen Landes- behörden auf, alle Möglichkeiten zu nutzen, um in der Öf- fentlichkeit die neue Rechtslage nach Verabschiedung des Gesetzes darzustellen. Damit wollen wir erreichen, dass alle Antragsberechtigten ihre Rechte wahrnehmen. Ein gleicher Appell geht an die Opferverbände. An die Bun- desregierung, konkret an das Bundesjustizministerium, muss ich diesen Appell nicht richten; denn ich weiß, dass die Öffentlichkeitsarbeit des BMJ auf diese Problematik eingestellt ist. Im Vergleich zum Inhalt des FDP-Gesetzentwurfes muss ich feststellen, dass wir einen so weit gehenden Re- gelungsbedarf, wie ihn die FDP-Fraktion sieht, nicht se- hen, weder im Beruflichen noch im Verwaltungsrechtli- chen Rehabilitierungsgesetz. Die Regelungsmethodik dieser beiden Gesetze ist so angelegt, dass eine auffal- lende Zahl von Antragstellungen nach dem 31. Dezember 2001 nicht erwartet wird. Vielmehr gehe ich davon aus, dass Verwaltungsunrecht – oftmals in Verbindung mit Vermögenseingriffen – abgearbeitet wurde und auch die beruflichen Fördermaßnahmen nach der Wiedervereini- gung durch die Opfer politischer Verfolgung genutzt wor- den sind. Da diese Frage in der öffentlichen Diskussion bereits angesprochen wurde, will ich auf folgende Regelung ver- weisen: Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz regelt in § 20 Abs. 2 unter Buchstabe b, dass nach Ablauf der An- tragsfrist in diesem Gesetz – 31. Dezember 2001 – der An- trag nach § 17 Abs. 1 auf Ausstellung einer Bescheinigung über das Vorliegen politischer Verfolgung bis zum 31. De- zember 2006 vom Rentenversicherungsträger gestellt werden kann, soweit dies zum Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung erforderlich ist. Auch in dieser Sache sollte seitens der Verfolgten rechtzeitig mit den Rentenversicherungsträgern Kontakt aufgenommen wer- den. Ich fordere die Mitglieder des federführenden Rechts- ausschusses sowie der mitberatenden Ausschüsse auf, die Beratungen des Gesetzentwurfes zügig durchzuführen, damit das Gesetz, wie beabsichtigt, am 1. Januar 2002 in Kraft treten kann. Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Die Lan- desbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheits- dienstes der ehemaligen DDR hatten allen Mitgliedern des Bundestages bereits im Februar diesen Jahres einen interessanten Vorschlag zugeleitet. Die fünf Landesbeauf- tragten von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen und Sachsen regten an, die am 31. De- zember dieses Jahres auslaufende Frist zur Antragstellung für die beiden SED-Unrechtsbereinigungsgesetze unbe- fristet zu verlängern. Als Begründung wurde genannt, dass noch breite Kreise von Berechtigten von den recht- lichen Möglichkeiten der Rehabilitierung nichts erfahren hätten. Als Beleg wurden Aktionen der Landesbeauf- tragten in Thüringen und Sachsen-Anhalt genannt, nach denen zahlreiche Personen erstmals Anträge nach Vor- Ort-Beratungen gestellt hätten. Die Landesbeauftragten waren selbst überrascht über das plötzliche zahlenmäßige Ansteigen der Antragstellungen nach den Informations- aktionen. Auch elf Jahre nach der Wiedervereinigung be- steht offensichtlich immer noch ein Beratungsbedarf und wir haben viele ehemaligen Opfer noch nicht erreichen können. Im Oktober hatten die Landesbeauftragten einen er- neuten Vorstoß unternommen, um zu einer Entfristung oder zumindest einer Fristverlängerung zu kommen. Am schnellsten haben die Kollegen der FDP darauf reagiert und uns einen Gesetzentwurf zur Verlängerung der An- tragsfristen um zwei Jahre vorgelegt. Diesen Gesetzent- wurf hatten wir in der letzten Sitzung in erster Lesung be- raten. Von der Bundesregierung und die sie tragenden Parteien war monatelang in dieser Frage gar keine Reak- tion zu vernehmen gewesen, geschweige denn ein Ge- setzentwurf vorgelegt worden. Nachdem sich meine Frak- tion für eine Verlängerung um fünf Jahre ausgesprochen hatte, habe ich mit viel Interesse die Beiträge aus der Sit- zung vom 19. Oktober des Redners der Grünen und des Redners der SPD nachgelesen. Hören konnte bekanntlich diese Reden niemand, wurden sie doch alle zu Protokoll gegeben. Der Grund hierfür verdeutlicht leider auch, welchen Stellenwert die Probleme der Opfer der SED-Diktatur mittlerweile in diesem Hohen Haus haben. Die Debatte sollte am späten Freitagnachmittag stattfinden. Der heuti- gen Debatte wird es vermutlich nicht besser ergehen: letz- ter Punkt der Tagesordnung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag von 2 Uhr 10 bis 2 Uhr 45. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, die zweite und dritte Lesung der Gesetzentwürfe zu einer etwas interessanteren Zeit statt- finden zu lassen. Ansonsten dokumentieren wir den SED- Opfern, dass auch der Deutsche Bundestag sie nur als lästige Übung am Rande des parlamentarischen Gesche- hens empfindet. Hans-Christian Ströbele, der Redner der Grünen, mit dem ich in den meisten politischen Fragen nicht überein- stimme, hatte diesmal sehr richtig ausgeführt, dass Opfer von Verfolgungen nicht im Takt der bundesdeutschen Bürokratie denken und handeln. Diese Menschen seien durch das Leben gezeichnet und sie hätten oft traumati- sche Erfahrungen mit dem Staat gehabt. Deshalb spreche er sich gegen zu enge Befristungen bei Entschädigungs- gesetzen von Opfern aus. Er äußerte auch die Hoffnung, sich in den Ausschussberatungen auf praktikable gemein- same Verlängerungsregelungen zu einigen. Umso enttäuschter war ich vom Debattenbeitrag des von mir ansonsten geschätzten SPD-Kollegen Hans- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19485 (C) (D) (A) (B) Joachim Hacker. Er schlug tatsächlich allen Ernstes nur eine Verlängerung der strafrechtlichen Rehabilitierung um zwei Jahre vor. Für Leistungen nach den verwal- tungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsgeset- zen sah Herr Hacker keine Verlängerungsnotwendigkeit. Herr Hacker erläuterte mit keinem Satz der Begründung solch eine gespaltene und zwiespältige Haltung. Heute liegt uns nun ein Gesetzentwurf der Koalitions- fraktionen vor. Dieser Gesetzentwurf entspricht auch nur dem unzureichenden und dürftigen Verlängerungsvor- schlag des Kollegen Hacker. Die Verlängerung allein nur für Leistungen nach dem strafrechtlichen Reha-Gesetz würde außer den direkten Haftopfern alle anderen Opfer- gruppen außer Acht lassen. Nach den Enttäuschungen der Opfer über die Weige- rung der Bundesregierung, eine Ehrenpension von mo- natlich 1 000 DM für die Haft- und Zersetzungsopfer des SED-Regimes zu zahlen, sollte man den Opfern keinen neuen Grund geben, über die Prioritätensetzung im ge- einten Deutschland zu Recht entsetzt zu sein. Deshalb kann ich nur anregen, einmal auf Berichterstatterebene zusammenzukommen, um möglichst zu einer gemeinsa- men Haltung der Bundestagsfraktionen zu kommen. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf beweist die Koalition, dass die Opfer der Verfolgung aus der DDR nicht befürchten müssen, dass ihr Schicksal in Vergessen- heit gerät. Insofern schließt sich diese Aussprache gut an die Diskussion vom Nachmittag zu zehn Jahren Stasi-Un- terlagen-Gesetz an. Es ist an der Zeit, diesen Gesetzentwurf einzubringen. Bundestag und Bundesrat werden jetzt zügig arbeiten müssen, um bis zum Jahresende die nötige Gesetzesände- rung herbeizuführen. Ich bin froh darüber, dass die zu Un- recht Inhaftierten über das Jahresende hinaus die Mög- lichkeit haben, ihre berechtigten Ansprüche auf Haftentschädigung anzumelden. Das gilt auch für jene, die von den russischen Behörden erst jetzt rehabilitiert werden und von daher erst jetzt oder noch später Anträge stellen können. Wenn ich zu Beginn meiner Ausführungen von „den“ Opfern des staatlichen Verfolgung in der DDR spreche, dann beschränke ich mich absichtlich nicht nur auf die Opfer strafrechtlicher Verfolgung in der früheren DDR. Nicht ohne Grund haben wir nicht nur das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz unter dem Dach des Unrechtsbe- reinigungsgesetzes, sondern auch das Berufliche, und das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz. Wir soll- ten die anstehenden Beratungen in den Ausschüssen nut- zen, um sehr sorgfältig darüber zu beraten, ob das Ablau- fen der Antragsfristen, insbesondere des im Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes, möglicherweise Härten zur Folge hat, die wir alle nicht in Kauf nehmen wollen. Bei den Rentenregelungen im Beruflichen Rehabilitierungs- gesetz wird die Härte des Ablaufs der individuellen An- tragsfrist dadurch gemildert, dass bis 2006 die BfA von sich aus die Ansprüche der Betroffenen überprüft. An die- ser Stelle mag der Fristablauf hinnehmbar sein. Sorgen macht mir aber etwas anderes: Der § 8 des Be- ruflichen Rehabilitierungsgesetzes regelt beispielsweise auch Ausgleichsleistungen für besonders Bedürftige. Würden die Antragsfristen nach dem BerRehaG auslau- fen, könnte es passieren, dass sozial besonders Benach- teiligte Ansprüche verlieren würden. Wir müssen sorgsam prüfen, ob die HHG-Stiftung in der Lage wäre, das alles aufzufangen. Ich habe offen gestanden Zweifel, ob die Verbände der Betroffenen in den wenigen verbleibenden Wochen des zu Ende gehenden Jahres noch in der Lage sein werden, mögliche Anspruchsberechtigte noch recht- zeitig dazu zu bewegen, Anträge zu stellen. Einen ge- naueren Überblick müssen wir uns auch noch über die Personen machen, die in der Vergangenheit rehabilitiert worden sind, aber noch keinen Antrag auf Kapitalent- schädigung gestellt haben. Das sind auch jene, die schon vor Inkrafttreten der Unrechtsbereinigungsgesetze die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegeset- zes erhalten, aber noch immer keinen Entschädigungsan- trag gestellt haben. Es muss aber in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen werden, dass der Zugang zur Stiftung für ehe- malige politische Häftlinge für alle erhalten bleibt. Es geht – um dies deutlich herauszustellen – nur um die Ka- pitalentschädigung für die erlittene Haft, nicht um fort- laufende Leistungen zum Lebensunterhalt. Beim Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz haben wir es hauptsächlich mit Enteigneten aus den Grenzbezirken zu tun, deren Verfahren bereits abge- schlossen ist. Allem Anschein nach versuchen zurzeit eine Reihe der Bodenreformopfer (1945 bis 1949) ihr Glück auf diesem Wege. Nach meiner Übersicht entstünde durch einen Fristablauf zum Jahresende keine unvertretbare Re- gelungslücke. Lassen Sie mich zum Abschluss noch Dank sagen dem für die Unrechtsbereinigung zuständigen Referatsleiter des Bundesjustizministeriums, Herrn Jürgen Lehman, der in diesen Tagen in den Ruhestand tritt. Herr Lehmann hat mit großem Engagement über Jahre hinweg dieses Rechtsgebiet geprägt und – nicht nur meiner Fraktion – immer wieder als überaus sachkundiger Berater zur Ver- fügung gestanden. Ich möchte ihm im Namen meiner Fraktion für seine Arbeit herzlich danken und für den neuen Lebensabschnitt alles Gute wünschen. Rainer Funke (FDP): Zum Gesetzentwurf der Koali- tionsfraktionen zur Änderung des strafrechtlichen Reha- bilitierungsgesetzes kann man mit den Worten Schillers sagen: „Spät kommt ihr, doch ihr kommt. Der lange Schlaf entschuldigt euer Säumen nicht.“ Mit den beiden Unrechtsbereinigungsgesetzen von 1992 und 1994 beabsichtigte der Gesetzgeber diejenigen Personen zu rehabilitieren, die in der damaligen DDR un- ter rechtsstaatswidrigen Maßnahmen gelitten haben. Dazu zählt die strafrechtliche, aber auch die verwaltungs- und berufsrechtliche Rehabilitierung. In beiden Rehabili- tierungsgesetzen ist die Antragstellung bis zum 31. De- zember 2001 befristet. Es hat sich herausgestellt, dass die möglicherweise von den Rehabilitierungsgesetzen Be- troffenen noch nicht in dem Umfang von den Möglich- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119486 (C) (D) (A) (B) keiten Gebrauch gemacht haben, die die Rehabilitie- rungsgesetze einräumen. Das mag vor allem mit der man- gelnden Aufklärung in manchen Bundesländern zusam- menhängen. Deswegen hat die FDP-Fraktion schon am 30. Mai 2001 einen Gesetzentwurf eingebracht, der eine Verlän- gerung der Antragsfrist bis zum 31. Dezember 2003 so- wohl für die strafrechtliche als auch für die verwaltungs- rechtliche Rehabilitierung vorsieht. Mit dem Entwurf der FDP-Fraktion ist man sehr sorglos umgegangen mit dem Hinweis, irgendwann käme auch ein Regierungsentwurf. Dieser kommt nun am Jahresende in großer Hast auf den letzten Drücker und dann auch nur noch in abgespeckter Form: nämlich nur bezogen auf die strafrechtliche Reha- bilitierung. Dabei ist häufig das Unrecht durch verwal- tungsrechtliches Handeln der DDR nicht geringer zu ach- ten als die strafrechtliche Verfolgung. Bei der abgespeckten Version der Koalitionsfraktionen haben die Finanzminister von Bund und Ländern die Hand geführt. Das werden die Opfer aber zu Recht nicht verstehen. Mangelnde Aufklärung, die ja zu einer Verlän- gerung der Fristen führen soll, kann nicht in strafrechtli- ches und verwaltungsrechtliches Handeln aufgespalten werden. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist ein schlechtes Gesetz und muss unbedingt in den Ausschus- sberatungen nachgebessert werden. Petra Pau (PDS): Die Koalitionsfraktionen legen kurz vor dem Verfall der Antragsfristen zur strafrechtlichen Rehabilitierung von Menschen, welche in der DDR Un- recht erlitten haben, einen Verlängerungsantrag vor. So- viel ich weiß, sind die Bundesländer Thüringen und Sach- sen im Bundesrat aktiv geworden. Am 19. Oktober dieses Jahres haben wir einen ähnlichen Antrag der FDP beraten. Sie alle wollen, dass die Antragsfrist verlängert wird, die SED-Opfer haben, um rehabilitiert zu werden. Das unterstütze ich grundsätzlich, weil Betroffene er- fahrungsgemäß immer in einer schwächeren Situation sind, nicht nur SED-Opfer. Außerdem würde eine solche Fristverlängerung gegen keinerlei rechtsstaatliche Prinzi- pien verstoßen. Das unterstütze ich konkret, weil ich aus zahlreichen Gesprächen weiß, dass viele Betroffene bislang nicht ein- mal wissen, dass sie rehabilitiert werden können, und was sie dafür tun müssen, womit ich bei meinem ersten Ein- wand wäre. Die Fristverlängerung wird wenig helfen, wenn sie nicht zugleich so verkündet wird, dass die Betroffenen sie auch erfahren. Ich fordere also von der Bundesregierung eine begleitende Öffentlichkeitskampagne. Eine Fristver- längerung um zwei Jahre könnte so sinnvoll und ausrei- chend sein. Zweitens erinnere ich daran, dass die PDS-Fraktion be- antragt hatte, weitere bürokratische Hürden abzubauen, etwa für politisch Verfolgte, die in DDR-Haftanstalten ge- sundheitlich Schaden nahmen, ohne dies nun mit einem amtlichen Attest und Siegel nachweisen zu können. Lei- der fanden sich dafür bislang keine parlamentarischen Mehrheiten. Auch die Nachzahlung der erhöhten Entschädigungen von Amts wegen fand bisher keine parlamentarische Mehrheit. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2001 19487 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Burgbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Abgeordneter
    Mosdorf, wenn das so ist, dann begrüße ich das aus-
    drücklich.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ich nehme das sehr gern zur Kenntnis.


    (Zuruf von der SPD: Eine gute Regierung!)


    Wir diskutieren hier allerdings über Rahmenbedingun-
    gen. Ich bitte Sie wirklich, dieses Anliegen zu verfolgen;
    denn die jetzige Situation ist für unsere privaten Unter-
    nehmer ein riesiges Problem.


    (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])


    Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen. In
    allen 15 Mitgliedsländern der Europäischen Union wird
    theoretisch das Trinkgeld besteuert. Faktisch findet diese
    Besteuerung aber in 10 von 15 EU-Ländern überhaupt
    nicht statt. Ich finde die entsprechende Antwort der Bun-
    desregierung interessant; denn auf meine Anfrage vor
    zwei Jahren hat die Bundesregierung noch etwas ganz an-
    deres gesagt.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: So ist es gewesen!)


    Was bedeutet die unterschiedliche Steuerpraxis für die
    heimische Wirtschaft? Bei uns bekommt ein Kellner ei-
    nen Steuerbescheid – ich habe das neulich in Berlin wie-
    der erfahren –, der ihn zu einer Nachzahlung in Höhe von
    7 000 DM verpflichtet. Ein anderes Beispiel: Ein Hotel
    mit Restaurantbetrieb am Rhein hat einen Bescheid über
    eine Nachzahlung in Höhe von 26 000 DM Sozialbeiträge
    plus 11 000 DM Säumniszuschlag bekommen, beruhend
    auf Schätzungen über die Höhe von Trinkgeld. In den an-
    deren Ländern lacht man darüber, weil dergleichen bei ih-
    nen überhaupt nicht kontrolliert wird.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Lachhaft!)


    Das geht nicht. Deshalb sage ich: Die Trinkgeldbesteue-
    rung muss weg, und zwar lieber heute als morgen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Richtig!)


    Den Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU muss
    ich sagen: Ich bitte Sie wirklich, endlich über Ihren Schat-
    ten zu springen und dem FDP-Antrag zuzustimmen.


    (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Jetzt stimmt einmal zu! – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nützt doch gar nichts!)


    Es gibt ein weiteres Problem. Es gibt in der Euro-
    päischen Union sehr viele unterschiedliche Auflagen,
    Standards und Normen, unter denen gerade kleine und
    mittlere Betriebe sehr leiden. Fragen Sie einmal in einem
    deutschen Hotel oder in einem Restaurant am Rhein, was
    kontrolliert wird, und dann tun Sie dasselbe im angren-
    zenden Ausland. Wir müssen ganz einfach zur Kenntnis
    nehmen, dass es für die Betriebe um unterschiedliche
    Kosten geht. Dieses Problem muss untersucht und Ände-
    rungen müssen vorgenommen werden.

    Selbstverständlich muss auch noch anderes getan wer-
    den. Herr Staatssekretär Mosdorf, Sie haben darauf hin-
    gewiesen. Wir müssen die Strukturen beim Deutschland-
    tourismus verändern. Wir müssen auch mehr Geld für die
    Deutsche Zentrale für Tourismus aufbringen.

    Noch eines sei zu diesem Thema gesagt: Ich möchte
    nicht, dass ein Einstieg in eine europäische Tourismus-
    politik stattfindet. Ich bin sehr wohl dafür, einheitliche
    Daten zu erheben und aussagefähige Statistiken zu erstel-
    len. Ich wende mich aber dagegen, etwa Kompetenzen an
    Brüssel abzugeben.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das machen wir nicht!)


    Die entsprechenden Aufgaben können wir sehr gut alleine
    und im internationalen Wettbewerb bewältigen.

    Ich komme zum Schluss. Die FDP hat im Zusammen-
    hang mit der Beratung der Beantwortung der Großen An-
    frage einen Entschließungsantrag vorgelegt. Er beinhal-
    tet, Herr Staatssekretär, eine ganz konkrete Auflistung
    von Dingen, die jetzt zu tun sind und auch in der Debatte
    angesprochen wurden, um unsere kleinen und mittelstän-
    dischen Unternehmen fit für den Euro zu machen. Ich
    bitte Sie sehr herzlich, das aufzugreifen, und Sie, liebe
    Kolleginnen und Kollegen, diesem Antrag zuzustimmen.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Kollegin
Sylvia Voß hat gebeten, Ihre Rede zu Protokoll geben zu
können.1) Sind Sie damit einverstanden? – Dann verfah-
ren wir so.

Jetzt hat das Wort die Abgeordnete Rosel Neuhäuser.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rosel Neuhäuser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon oft gesagt wor-
    den, dass wir heute über die Antwort der Bundesregierung
    auf die Große Anfrage „Rahmenbedingungen für die Tou-
    rismuswirtschaft innerhalb der Europäischen Union“ und
    einen Entschließungsantrag der FDP diskutieren. Ich kann
    vorneweg sagen, dass wir die Antwort zur Kenntnis neh-
    men, den Antrag der FDP aber leider aus verschiedenen
    Gründen ablehnen werden.

    Beim Durchlesen der Großen Anfrage haben wir oft
    darüber nachgedacht, ob wir die Antworten kommen-

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 198. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 200119390


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    1) Anlage 2

    tieren sollen oder ob wir nicht lieber überlegen sollten,
    inwieweit wir die Rahmenbedingungen für die Tou-
    rismuswirtschaft innerhalb der EU verbessern und die
    Tourismuswirtschaft unterstützen können. Wir sind uns
    sicherlich darüber einig, dass, obwohl sich die Tou-
    rismuswirtschaft in den letzten Jahren als sehr krisenfest
    erwiesen hat, nach dem 11. September nichts mehr ist,
    wie es einmal war, denn die Tourismusbranche wurde von
    diesen Ereignissen besonders betroffen. Viele Desti-
    nationen auf allen fünf Kontinenten verzeichnen riesige
    Einbrüche. Einige Zahlen hat Herr Mosdorf hier darge-
    stellt.

    Fluggesellschaften, Reiseveranstalter, die Hotellerie
    und weitere nachfolgende bzw. angegliederte Dienstleis-
    tungsunternehmen sehen sich einer schwierigen Situation
    gegenüber. Diese Situation macht es notwendig, dass die
    für den Tourismus zuständigen nationalen und europä-
    ischen Institutionen einen wirksamen Beitrag zur Ent-
    wicklung des Tourismus leisten. Das heißt, dass sich die
    europäischen Länder möglichst an gemeinsamen Zielen
    bei der Entwicklung des Tourismus orientieren. Das be-
    deutet aber auch, dass man sich darüber klar werden muss,
    wie die Akteure aller Ebenen des europäischen Tourismus
    die nachhaltige Entwicklung der Branche durch Verbes-
    serung der föderalen Zusammenarbeit unterstützen kön-
    nen. Obwohl die wirtschaftlichen und sozialen Auswir-
    kungen des Tourismus, die Chancen, die er bietet, und
    seine zunehmend grenzüberschreitenden Verflechtungen
    analysiert wurden, bleibt sein Potenzial oft noch unge-
    nutzt.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wussten Sie eigent-
    lich, dass innerhalb der Europäischen Union die techni-
    schen Standards – Herr Burgbacher hat darauf hinge-
    wiesen – und nicht nur diese so weit auseinander driften,
    dass beispielsweise im grenzüberschreitenden Schienen-
    verkehr zwischendurch die Loks gewechselt werden müs-
    sen, weil die nationalen Eisenbahnsysteme untereinander
    nicht kompatibel sind? Wissen Sie auch, wie oft ich um-
    steigen muss, um von meinem Heimatort Seebach oder
    aus Eisenach nach Bordeaux zu kommen, um vielleicht
    einmal einen guten Rotwein zu trinken? Das gilt auch für
    andere Richtungen, zum Beispiel für die Verbindung nach
    Oslo. Wussten Sie, dass die Qualifikationsmerkmale sehr
    unterschiedlich und die sozialpolitischen Bedingungen
    sowie Gesundheits- und Arbeitsschutzbestimmungen für
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überall anders
    sind?

    Genau diese Details stehen aber nicht im Vordergrund,
    wenn man Europa nur als Reiseland sieht, an dessen in-
    neren Grenzen man keinen Pass mehr zeigen muss und in
    dem es ein einheitliches Zahlungsmittel gibt. Offensicht-
    lich geht es aber in der europäischen Politik um weit mehr.

    Wohin soll also die Reise gehen? Wenn man über Rah-
    menbedingungen und über Wettbewerbsbedingungen im
    Euroland spricht, dann können wir nicht nur an betriebs-
    wirtschaftliche Probleme wie höchste Qualität der Pro-
    dukte, gleiche Marktzugangsbedingungen für alle Unter-
    nehmen oder umweltfreundliche Produkte denken. Es
    geht nämlich in diesem Bereich um mehr. Es muss auch
    um den Wettbewerb um die geringste Arbeitslosigkeit und

    um hohe soziale Standards gehen. Nur in dieser Kopplung
    sehe ich eine Chance, in den unterschiedlich entwickelten
    Regionen regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen,
    die dazu führen, dass die Menschen sozial abgesichert
    werden und dadurch natürlich auch die Kaufkraft gestärkt
    wird.

    Wenn wir über die Rahmenbedingungen der Touris-
    muswirtschaft in einem gemeinsamen Europa reden, dann
    ist es sicherlich auch notwendig, über eine Harmonisie-
    rung der Steuern nachzudenken. Entsprechend einer Ini-
    tiative des Europaparlaments war es möglich, unter ande-
    rem arbeitsintensive Leistungen mit einem ermäßigten
    Mehrwertsteuersatz zu belegen. Tatsächlich entschied
    sich ein Großteil der europäischen Länder – darunter al-
    lerdings nicht Deutschland –, diese Möglichkeit mit ihren
    eventuellen positiven Auswirkungen auf den Arbeits-
    markt wenigstens zu testen. Selbstverständlich könnten
    wir einer Erhöhung des Freibetrags für freiwillig gege-
    bene Trinkgelder zustimmen.

    Es müssen aber durchgängige Regelungen für alle be-
    troffenen Branchen getroffen werden. Das Gastgewerbe
    darf nicht bevorteilt werden. Es gibt auch noch andere
    Branchen in diesem Dienstleistungsgewerbe.


    (Beifall bei der PDS)


    Wir plädieren für eine Anhebung der bisherigen Nied-
    riglöhne, die gerade in diesem Bereich geläufig sind. Wir
    sind für gesicherte Einkünfte der Beschäftigten statt steu-
    erfreier Trinkgeldgeschenke.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)