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ID1419605300

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14196

  • date_rangeDatum: 19. Oktober 2001

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    Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Lebenslagen in Deutsch- land; erster Armuts- und Reichtums- bericht – zu dem Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Dr. Klaus Grehn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ziehen – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und so- zialer Ausgrenzung 2001 bis 2003 (Drucksachen 14/5990, 14/6171, 14/6134, 14/6628) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19149 A Konrad Gilges SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19149 B Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 19152 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19154 C Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 19156 B Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19158 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 19159 D Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19160 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 19162 D Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Wolfgang Bosbach, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten (Drucksache 14/6709) . . . . . . . . . . . . . . . 19165 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19166 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 19168 A Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19169 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19169 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19171 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 19173 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19174 B Dr. Rupert Scholz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 19176 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19178 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 19180 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19180 B Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Begrenzung der Arzneimittel- ausgaben der gesetzlichen Kranken- versicherung (Arzneimittelausgaben-Be- grenzungsgesetz) (Drucksache 14/7144) . . . . . . . . . . . . . . . 19180 D Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . . 19180 D Dr. Wolf Bauer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19182 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19185 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19186 B Plenarprotokoll 14/196 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 196. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 I n h a l t : Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19188 C Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 19189 D Dr. Sabine Bergmann-Pohl CDU/CSU . . . . . 19191 D Tagesordnungspunkt 20: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Anni Brandt-Elsweier, Christel Riemann-Hanewinckel, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Drucksachen 14/5958, 14/7174) . . . . 19193 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Evelyn Kenzler, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion der PDS einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur beruflichen Gleichstellung von Pros- tituierten und anderer sexuell Dienst- leistender (Drucksachen 14/4456, 14/7174) . . . . 19193 B Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 19193 C Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 19195 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19197 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19199 A Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19200 B Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . . 19201 B Christel Riemann-Hanewinckel SPD . . . . . . . 19202 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19203 C Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur För- derung der ambulanten Hospizarbeit (Drucksache 14/6754) . . . . . . . . . . . . . . . 19204 C Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . . 19204 C Dr. Friedhelm Repnik, Minister (Baden-Würt- temberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19206 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19208 D Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19209 D Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19211 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 19211 D Zusatztagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Be- wertungsgesetzes (Drucksachen 14/6718, 14/7171) . . . . 19213 A – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes (Drucksachen 14/5345, 14/7171) . . . . 19213 B Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung rehabilitie- rungsrechtlicher Vorschriften (Rehabilitie- rungsgesetzeänderungsgesetz) (Drucksache 14/6189) . . . . . . . . . . . . . . . 19213 C Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der PDS: Steuerhinterziehung wirk- sam bekämpfen (Drucksachen 14/4882, 14/6438) . . . . . . . 19213 D Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . . 19214 A Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 19214 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19215 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 19216 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 19217 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19218 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 19219 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Be- wertungsgesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 7) 19219 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19219 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 19221 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19223 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001II Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 19224 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19225 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung rehabi- litierungsrechtlicher Vorschriften (Rehabilitie- rungsgesetzeänderungsgesetz – RehaÄndG) (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 19225 D Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 19225 D Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 19227 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19227 C Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19228 B Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19229 B Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19229 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 Heidemarie Ehlert 19218 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19219 (C) (D) (A) (B) Andres, Gerd SPD 19.10.2001 Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 19.10.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 19.10.2001 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 19.10.2001* Klaus Carstensen CDU/CSU 19.10.2001 (Nordstrand), Peter H. Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 19.10.2001 DIE GRÜNEN Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 19.10.2001 Joseph DIE GRÜNEN Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 19.10.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 19.10.2001 Peter Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 19.10.2001 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 19.10.2001 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ 19.10.2001 DIE GRÜNEN Grund, Manfred CDU/CSU 19.10.2001 Hartnagel, Anke SPD 19.10.2001 Helias, Siegfried CDU/CSU 19.10.2001 Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 19.10.2001 DIE GRÜNEN Hofbauer, Klaus CDU/CSU 19.10.2001 Janssen, Jann-Peter SPD 19.10.2001 Kramme, Anette SPD 19.10.2001 Lippmann, Heidi PDS 19.10.2001 Louven, Julius CDU/CSU 19.10.2001 Mogg, Ursula SPD 19.10.2001 Müller (Düsseldorf), SPD 19.10.2001 Michael Neumann (Bramsche), SPD 19.10.2001 Volker Nietan, Dietmar SPD 19.10.2001 Nooke, Günter CDU/CSU 19.10.2001 Ostrowski, Christine PDS 19.10.2001 Pofalla, Ronald CDU/CSU 19.10.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 19.10.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 19.10.2001 Schemken, Heinz CDU/CSU 19.10.2001 Schily, Otto SPD 19.10.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 19.10.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 19.10.2001 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 19.10.2001 Schösser, Fritz SPD 19.10.2001 Sehn, Marita FDP 19.10.2001 Simm, Erika SPD 19.10.2001 Dr. Spielmann, Margrit SPD 19.10.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 19.10.2001 Stetten, Wolfgang Strebl, Matthäus CDU/CSU 19.10.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 19.10.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 19.10.2001 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 19.10.2001 Türk, Jürgen FDP 19.10.2001 Uldall, Gunnar CDU/CSU 19.10.2001 Dr. Wieczorek, Norbert SPD 19.10.2001 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 19.10.2001 Wissmann, Matthias CDU/CSU 19.10.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 19.10.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes (Zusatztages- ordnungspunkt 7) Nicolette Kressl (SPD): Vor wenigen Tagen haben wir in diesem Haus bereits unsere Argumente zu einer Verlängerung oder Änderung des Bewertungsgesetzes ausgetauscht – oder jedenfalls wir von der SPD-Fraktion sind auf diesen Tagesordnungspunkt eingegangen, während die Redner der CDU/CSU- und FDP-Fraktion eher bemüht waren, die eigene steuerpolitische Fehl- steuerung, die uns bei der Regierungsübernahme einen hoch verschuldeten Haushalt bescherte, der derzeitigen Regierung anzulasten. Der Versuch der Vertreter der CDU/CSU- und FDP-Fraktion, die Verlängerung des entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Bewertungsgesetzes als eigenen Erfolg zu verkaufen, wa- ren dabei ebenso unglaubwürdig wie die gleichzeitige Unterstellung, wir wollten die Erbschaftsteuer insgeheim erhöhen. Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist keineswegs, wie die FDP irrig glaubt, mit dem FDP-Antrag „wort- gleich“. Vielmehr geht er im Gegensatz zu dem FDP-An- trag vom Februar von einer Grundlage aus, die auch künf- tigen Entwicklungen standhält. Während die FDP in ihrem Antrag einfach aus einer fünfjährigen scheinbaren Stabilität der Immobilienpreise auf eine weitere stabile Lage für die kommenden fünf Jahre schlussfolgert, haben wir leider nicht die prophetische Gabe der FDP-Fraktion. Wie hoch allerdings die Wahrscheinlichkeit der Verwirk- lichung von Prophezeiungen aus dem FDP-Lager ist, lässt sich angesichts der von der FDP getätigten 18-Prozent- Prognosen nur vermuten. Wir von der SPD-Fraktion verlassen uns lieber auf Tat- sachen und seriöse Prognosen und halten eine Verlänge- rung bis zum Jahre 2006 deshalb aus offensichtlichen und nachvollziehbaren Gründen derzeit für erforderlich. Die Beruhigung der Immobilienpreise während der vergange- nen Jahre halten wir dabei nicht wie die FDP-Fraktion für eine garantiert langfristige Entwicklung. Eine Änderung dieser Entwicklung ist möglich. Angesichts der derzeit wieder steigenden Mietpreise ist auch eine Veränderung des Immobilienmarktes und damit der Immobilienpreise nicht auszuschließen. Um aber Rechtssicherheit und eine zuverlässige Rechengrundlage für die steuerpflichtigen Bürger und die steuerberechtigten Länder zu garantieren, findet eine erneute Befristung auf fünf Jahre unsere Zu- stimmung. Mit Interesse haben wir auch den Entschließungsan- trag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Frak- tion gelesen, die ihre Hausaufgaben dann auch noch ab- liefern wollten. Wer glaubt, etwas ganz Neues liefern zu müssen, schafft damit nicht unbedingt einen krönenden Abschluss. Die Begründungsvorschläge der CDU/CSU- Fraktion enthalten nicht wirklich Neues. Auch die Fehlin- terpretation rechtlicher Vorgaben – wie hier des Bundes- verfassungsgerichtentscheids, der dem § 138 des Bewertungsgesetzes zugrunde liegt – ist bei der CDU/CSU nicht wirklich neu. Entgegen der Auffassung der CDU/CSU-Fraktion hat das Bundesverfassungsge- richt in seinen Beschlüssen im Jahre 1995 gerade nicht eine unterschiedliche Bewertung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen für grundsätzlich zulässig gehalten, sondern im Gegenteil dem Gesetzgeber aufgegeben, die Ungleichbehandlung zwischen Grundbesitz und anderem Vermögen zu beseitigen. Eine unterschiedliche Behandlung setzt übrigens laut Bundesverfassungsgericht nicht irgendeine Begründung voraus – wie uns die CDU/CSU-Fraktion glauben machen will – vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen gesetzge- berischen Entscheidung, dass „der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche und sonstige Verhalten der Steuer- pflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern und lenken will“. Aus einer zusätzlichen Belastung des Grundvermö- gens gegenüber dem sonstigen Vermögen gleich eine Un- gleichbehandlung als selbstverständlich zu erachten, zeugt von einer seltsamen Auffassung der Steuergerech- tigkeit. Hinzu kommt dann noch, dass Anliegergebühren, die ja wie alle Gebühren für eine konkrete Leistung zu zahlen sind, von der CDU/CSU als „Belastung des Grund- stücks“ dargestellt werden. Dies führe, so der CDU/CSU- Entwurf, ebenso wie die mangelnde Fungibilität – also die fehlende Austauschbarkeit – zu einer Belastung von Grundvermögen, die so unerträglich sei, dass eine Un- gleichbehandlung erforderlich sei. Bemerkenswert ist ins- besondere, dass die Beständigkeit von Grundbesitz, die sonst als der entscheidende Vorteil von Grundbesitz ge- genüber unbeständigeren Werten gesehen wird, von der CDU/CSU plötzlich als belastendes Merkmal hingestellt wird. Für uns von der SPD-Fraktion gibt es das von der CDU/CSU vorgeschlagene Abrücken von verfassungs- rechtlichen Vorgaben an dieser Stelle nicht. Die Verlänge- rung des § 138 des Bewertungsgesetzes ist für uns eine Möglichkeit, für einen überschaubaren Zeitraum Rechts- klarheit zu schaffen. Eine dauerhafte Lösung zur Anglei- chung der unterschiedlichen Maßstäbe und Verfahren für die Bewertung von Grundbesitz einerseits sowie von son- stigem Vermögen andererseits ist weiterhin erforderlich, um den Anforderungen zu entsprechen, die das Bundes- verfassungsgericht im Jahre 1995 vorgegeben hat. Gleichzeitig verfolgen wir von der SPD-Fraktion weiter- hin unser Steuerentlastungsprogramm und werden des- halb die Steuerbasis der Erbschaft- und Schenkungsteuer sichern, indem wir einer neuen Befristung des § 138 des Bewertungsgesetzes bis zum Jahre 2006 zustimmen. Entgegen den Vorwürfen der CDU/CSU-Fraktion gilt: Omas Häuschen ist und wird durch die Steuerpolitik der SPD keineswegs zum „Haus ohne Hüter“. Denn Omas Häuschen bedeutet für die Erben nicht Last statt Gewinn, sondern steht gerade im Blickpunkt unserer familien- freundlichen und mittelstandsfördernden Steuerpolitik. Entgegen der ewigen und langsam unerträglichen Schwarzmalerei der CDU/CSU-Fraktion ist unser Anlie- gen die stetige und auf mehr Steuergerechtigkeit abzie- lende Steuersenkung. Genau dies verwirklichen wir auch seit dem Regierungswechsel im Jahre 1998. Im Jahre 1999 wurden die Arbeitnehmer bereits um 9,7 Milliarden DM entlastet, 2000 waren es rund 8 Milli- arden DM und für dieses Jahr ist aufgrund des Steuerent- lastungsgesetzes mit einer Steuerentlastung der Privat- haushalte von beinahe 20 Milliarden DM zu rechnen. Um Familien zu fördern, halten wir auch im Rahmen des Be- wertungsgesetzes daran fest, dass das Familienge- brauchsvermögen stets so zu stellen ist, dass normale Ein- familienhäuser durch entsprechende Gestaltung der Freibeträge steuerfrei an die Kinder und Ehepartner ver- erbt werden können. Wir erhöhen nicht nur das Kinder- geld und die Freibetragsgrenzen, um die heranwachsende Generation zu fördern. Wir von der SPD-Fraktion sichern auch das Familienvermögen für die Zukunft, indem wir die Erbschaftsteuer durch die Verlängerung des § 138 des Bewertungsgesetzes bis zum Jahre 2006 ihrer Höhe nach festlegen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119220 (C) (D) (A) (B) Aber nicht nur die Familien werden durch unser Steu- erkonzept spürbar besser gestellt als noch zu Zeiten der al- ten Regierung. Auch in anderen Bereichen schaffen wir Steuererleichterungen. So haben wir beispielsweise zur Förderung der Unternehmen die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent abgesenkt und dadurch neue Mittel für zusätz- liche Investitionen frei gemacht. Dass im Hinblick auf die Erbschaftsteuer auch der Mittelstand als Rückgrat unserer Wirtschaft weiterhin gefördert wird, versteht sich auf- grund unserer mittelstandsfördernden Politik von selbst. Deshalb unterstützen wir die steuerlich schonende Über- tragung von mittelständischen Betrieben und den damit zusammenhängenden Vermögenswerten von einer Gene- ration auf die nachfolgenden Generationen. Damit wird einerseits der Fortbestand von Unternehmen gesichert, gleichzeitig werden wichtige Innovationen durch eine neue Unternehmergeneration ermöglicht. Abschließend möchte ich festhalten, dass wir weiterhin unseren Kurs der steuerlichen Entlastung der Arbeitneh- mer und der Familien verfolgen. Dazu zählt auch eine fa- miliengerechte Erbschaftsteuer, um die Vererbung inner- halb von Familien nicht unnötig zu belasten. Wir stimmen dem Antrag des Bundesrats daher zu, die Bewertung des Grundbesitzes für die kommenden fünf Jahre unverändert zu lassen. Gleichwohl dürfen wir nicht den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts außer Acht lassen und müssen uns daher mit der Beseitigung bestehender Ungleichbe- handlungen befassen, bevor die Befristung im Jahre 2006 ausläuft. Aber wie schon heute gilt auch im Jahre 2006: Die SPD steht für eine familienfördernde und investiti- onsfreundliche Steuerpolitik. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Die SPD wird heute der Fortschreibung der Einheitswerte für die nächsten fünf Jahre zustimmen. Es ist erfreulich, dass auch sie zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Steuerer- höhungen in diesem Bereich, sei es direkt oder sei es in- direkt über eine höhere Bewertung, fehl am Platze sind. Die SPD ist und bleibt die Partei der Steuererhöhun- gen: Die Steuerquote betrug 1998 23,9 Prozent. Sie stieg 1999 auf 25,0 und 2000 auf 25,4 Prozent. Trotz Zuwei- sung an die Rentenversicherung aus der Ökosteuer stieg die Abgabenquote von 43,2 Prozent im Jahre 1998 über 44,0 Prozent im Jahre 1999 auf 44,1 Prozent im Jah- re 2000. Ein Blick auf die Staatsquote belegt das eben- falls: 1982 betrug sie 50,1 Prozent, 1990 nur noch 46,1 Prozent. Sie stieg durch die Wiedervereinigung 1993 auf 50,6 Prozent an und betrug 1998 48 Prozent, mittler- weile stehen wir wieder bei 47,5 Prozent – und dies nach der angeblich größten Steuerreform mit „Milliarden-Ent- lastungen“ für Bürger und Wirtschaft. Davon ist nichts zu spüren. Steuererhöhungen in dieser Zeit sind ein falsches Si- gnal und wirken verheerend, weil sie den Bürgern weitere Kaufkraft nehmen. Wenn diese für ein und dasselbe Gut mehr aufwenden müssen, dann müssen sie dieses an an- derer Stelle einsparen und können dafür keine Waren kau- fen. Insoweit schwächt jede Erhöhung von Abgaben die Konsumkraft und wirkt damit negativ auf die Konjunktur. Die Früchte Ihrer falschen Politik können Sie dieser Tage „ernten“. Gestern nahmen die Institute die Wachstumserwartun- gen für das laufende Jahr auf 0,7 Prozent zurück. Auch der Finanzminister musste die Realitäten zur Kenntnis neh- men und seine Erwartungen auf 0,75 Prozent zurück- schrauben. Noch vor kurzem hatte er auf 2 Prozent Wachstum „bestanden“. Auch wenn sie heute Vormittag das Thema „Erhöhung der Tabak- und Versicherungsteuer“ von der Tagesord- nung absetzen musste, handele es sich nicht um eine bes- sere Einsicht, sondern schlicht und einfach um die techni- sche Unfähigkeit, einen praktikablen Gesetzentwurf vorzulegen. Eine Blamage für Bundesfinanzminister Hans Eichel, der gerade in dieser Frage persönlich Hand angelegt hatte! Auch an diesem Punkt wurde die Doppelzüngigkeit der SPD wieder einmal deutlich. Das Finanztableau des Ge- setzentwurfs weist in der Drucksache 14/7062 Steuer- mehreinnahmen von 1,55 Milliarden Euro (3,03 Milliar- den DM) im Jahre 2002 aus, die sich auf 1,975 (3,863), 2,040 (3,988) und 2,105 (4,117) im Jahre 2005 steigern sollen. In Wahrheit ist das zu erwartende Aufkommen viel höher; es beträgt 5,6 Milliarden DM. Weil nach der Er- fahrung aus der Vergangenheit der auf eine Steuererhö- hung folgende Konsumverzicht sich schnell wieder aus- gleicht und eine weitere Steigerung des Konsums zu erwarten ist, werden wir ganz schnell wieder bei 140 Mil- liarden Zigaretten oder 2,8 Milliarden Euro (5,6 Milliar- den DM) Steuererhöhung sein. Dazu kommt noch die Mehrwertsteuer von fast 460 Millionen Euro (900 Milli- onen DM). Hier will sich die Bundesregierung durch ei- nen so genannten „Verhaltensabschlag“ eine „zusätzliche Sparkasse“ in Milliardenhöhe zulegen. Ihre Politik senkt die Binnenkaufkraft. Die Ökosteuer brachte im Jahre 2000 zusätzlich 7,8 Milliarden DM mehr als 1999. In dieser Höhe haben Sie die Mehrleistungen an die Rentenversicherung in der Antwort auf die Kleine An- frage, Drucksache 14/4410, beziffert. Das hätte rechne- risch zu einer Senkung der Rentenversicherungsbeiträge um 0,5 Beitragspunkte reichen müssen. Gesenkt haben Sie nur um 0,2, das heißt, Sie haben 3,3 Milliarden DM zurückgegeben und 7,8 Milliarden DM eingenommen, also 4,5 Milliarden DM abkassiert. Alles andere ist Au- genwischerei. Sie haben den Eindruck erzeugt, die Ökosteuer werde 1:1 zur Beitragssenkung eingesetzt; deshalb belaste sie die Menschen nicht. Im Gegenteil: Die Menschen täten et- was Gutes, indem sie an der Tankstelle einen Beitrag zur Rentenfinanzierung erbringen. Das ist angesichts der Fak- ten ein Betrug an den Menschen. Sie setzen weniger als die Hälfte zur Beitragssenkung ein. Das bezeichne ich als „moderne Wegelagerei“ an der Tankstelle und beim Heiz- öl. Dass die Rentenversicherungsbeiträge nicht in der vollen Höhe der Ökosteuer gesenkt werden, hat Finanz- minister Eichel im Übrigen in der Regierungsbefragung vom 20. Juni 2001 eingeräumt, indem er ausführte: „Der Bürger bekommt das vollständig zurück, denn andernfalls müssten wir eine Erhöhung des Rentenversicherungsbei- trages um 0,2 oder 0,3 Punkte zusätzlich machen“. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19221 (C) (D) (A) (B) Sie haben von uns im Jahre 1998 eine Steuerquote von 23,9 Prozent übernommen. Diese stieg laut Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahre 1999 auf 25 Prozent und im Jahre 2000 auf 25,4 Prozent. 3 Milliarden DM sind rund 0,07 Prozent des Bruttosozialproduktes des Jahres 2002, wenn man die Zahlen der Steuerschätzung vom Mai 2001 zugrunde legt. Das heißt, die Staatsquote wird allein durch diese Maßnahme um 0,07 Prozent steigen. Geht man von der realistischen Einnahmeerwartung aus, die wesentlich höher liegt, so ergibt sich eine Steigerung um 0,1 Prozentpunkte. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal mit dem Märchen aufräumen, dass Sie diejenigen seien, die die Staatsquote gesenkt haben, und wir diejenigen, die sie erhöht haben. Die Staatsquote betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1969 39,1 Prozent, 1982 ha- ben wir von der SPD übernommen 50,1 Prozent, 1989 45,8 Prozent und stieg einigungsbedingt 1990 wieder auf 46,1 Prozent an. Damit wird deutlich, dass unsere Refor- men in den Jahren 1982 bis 1989 dazu beigetragen haben, dass die Staatsquote um 4,3 Prozent gesunken ist. Die Wirkungen auf die Konjunktur werden verheerend sein. Zu der Steuererhöhung um 3 Milliarden DM kom- men noch 7 Milliarden DM aus der Ökosteuer hinzu, so- dass allein der Konsum 2002 um 10 Milliarden DM zu- züglich Mehrwertsteuer von 1,6 Milliarden DM niedriger ausfallen müsste, weil den Bürgerinnen und Bürgern die entsprechende Kaufkraft entzogen ist. Allein durch die geplante Erhöhung bei der Versiche- rung- und Tabaksteuer wird die Inflation um 0,3 bis 0,5 Pro- zent steigen. Inflation ist Diebstahl am kleinen Mann, weil sie die Bevölkerung am härtesten trifft. Sie wurde von der Bundesregierung willig durch die Ökosteuer an- geheizt und setzt sich jetzt in diesem Punkte fort. Was der heutige Verzicht auf die Erhöhung der Grundsteuer aller- dings wert ist, wird erst die Zukunft beweisen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass man nur vor der Berlinwahl und der Bundestagswahl keine Entscheidung treffen will, die den Bürger verärgern könnte. Dass dies keine endgültige Einsicht ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die SPD eine eindeutige Festlegung auf Dauer und damit eine Festschreibung der Erbschaftsteuer im Finanzausschuss abgelehnt hat. Wir als CDU/CSU-Fraktion hatten einen entsprechenden Ent- schließungsantrag eingebracht, um den Bürgern schon vor anstehenden Wahlen ganz eindeutig unsere Auffas- sung zu sagen. Dass die SPD eine derartige Festlegung scheut wie der Teufel das Weihwasser, ist vor dem Hin- tergrund ihrer wahren Auffassung nur allzu verständlich und muss hier vor den Augen der Öffentlichkeit noch ein- mal deutlich gemacht werden. In Ihrem Bundestagswahlprogramm von 1998 unter der Überschrift „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ heißt es: „Hohe Privatvermögen an der Finanzierung der Bildung beteiligen. Im Sinne eines gerechten Lastenaus- gleichs werden wir dafür sorgen, dass auch die sehr hohen Privatvermögen wieder einen gerechten Beitrag leisten, um Bildung und andere öffentliche Dienstleistungen fi- nanzieren zu können. Dazu werden wir für eine verfas- sungskonforme Besteuerung dieser sehr hohen Privatver- mögen sorgen. Es bleibt aber dabei: Das Betriebsvermö- gen der Unternehmen werden wir freistellen. Mit hohen Freibeträgen werden wir sicherstellen, dass Normalver- diener von der privaten Vermögensteuer nicht betroffen werden. Normale Einfamilienhäuser werden nicht besteu- ert: Der vorgesehene Freibetrag von zum Beispiel 1 Mil- lion Mark für eine Familie mit zwei Kindern liegt deutlich über dem steuerlichen Wert normaler Einfamilienhäuser.“ Als Bundeskanzler Schröder die Steuerfreiheit für Be- triebsveräußerung bei Kapitalgesellschaften durchsetzen wollte, befand er sich gegenüber den linken Gruppierun- gen in seiner Partei in großer Erklärungsnot. Um diese auf einem der Tiefpunkte seiner Popularität im Dezember 1999 zur Zustimmung zu bewegen, versprach er ihnen Erhöhungen bei der Besteuerung des Grundvermögens und machte dies in einem Parteitagsbeschluss [vom 7. bis 9. Dezember 1999 unter Beschlüsse – Antragsbereich Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzpolitik, Antrag W 1 (Beschluss des Parteitages): Innovation und Gerech- tigkeit Perspektiven sozialdemokratischer Regierungspo- litik. III. Innovation und Gerechtigkeit – Brücken in die Zukunft – Wachstum und Beschäftigung fördern] wie folgt fest: „Eine Reform der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes. Dabei ist einzubeziehen das Ergebnis der Expertenkommission, die von der Bundesregierung auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung eingerichtet wurde. Hier müssen Lösungen erarbeitet werden, die mögliche Probleme beim Generationenwechsel in der mittelständischen Wirtschaft berücksichtigen. Außerdem wird es bei der Vererbung von Grundvermögen an nahe Angehörige ausreichende Freibeträge geben“. Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, plädiert of- fensichtlich für eine Erhöhung der Erbschaftsteuer. Bei der Maikundgebung vertrat er laut „Wolfenbütteler Zei- tung“ vom 2. Mai 2001 die Auffassung, dass zur Verbes- serung der Situation von Familien und Beziehern kleiner Einkommen die Einnahmesituation des Staates verbessert werden müsste. Wörtlich: „Dazu seien aber auch Einnah- meverbesserungen erforderlich. Über die Vermögensteuer sei dies nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht mehr möglich, aber es gebe noch andere Wege (er nannte zum Beispiel die Erbschaftsteuer), um von den Reichen mehr Geld für die Allgemeinheit zu bekommen.“ – Soweit das wörtliche Zitat aus der Zeitung. Daraus spricht purer Neid. Nicht zu vergessen ist auch die Initiative der SPD-ge- führten Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Niedersachen und Sachsen-Anhalt vom 22. März 2001 im Bundesrat (Bundesratsdrucksache 229/01), mit der die Bewertung des Grundbesitzes für die Zwecke der Erbschaftsteuer auf aktuelle Wertverhältnisse angehoben und damit auf diesem Umweg eine Erhöhung der Erbschaftsteuer durchgeführt werden sollte. Dabei war der Bund nicht unbeteiligt. Wie man einer Pressemeldung des niedersächsischen Finanzministers vom 29. März 2001 entnehmen kann, hat der Bund die entsprechende Formulierungshilfe für die Länder geleis- tet. Aller wies die Kritik von Bundeskanzler Schröder und Bundesfinanzminister Eichel zurück, indem er ausführte: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119222 (C) (D) (A) (B) „Dass sich der Bund jetzt so positioniert (Anmerkung: ab- lehnt), ist für die Beteiligten überraschend: Er sei sogar an der Formulierungshilfe dieses Gesetzentwurfes einer Ländergruppe unter Federführung von Schleswig-Hol- stein beteiligt gewesen“. Deshalb ist es scheinheilig, wenn der Bundeskanzler und der Finanzminister Ende März 2001 plötzlich jegliche Erhöhung der Erb- schaftsteuer abgelehnt haben. Um es noch einmal deutlich zu machen: Die Bundes- regierung lässt nicht von ihren Plänen, die Erbschaftsteuer erhöhen zu wollen. Es geht ihr nicht um die sachgerechte Bewertung von Vermögen, sondern allein um Ideologie. Anders lässt sich doch die gleichmacherische Auslegung des Art. 3 Grundgesetz in der Regierungsstellungnahme in der Bundestagsdrucksache 14/6718, Seite 7 nicht lesen. Dort steht wörtlich: „... dass eine dauerhafte Lösung eine Angleichung der unterschiedlichen Maßstäbe und Verfah- ren für die Bewertung von Grundbesitz einerseits sowie von sonstigem Vermögen andererseits enthalten muss, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen weiterhin zu entsprechen.“ Dabei meint doch der Gleichheitssatz des Art. 3 Grund- gesetz etwas ganz anderes. Die Gleichheit des Grundge- setzes geht von Sachgesichtspunkten aus. Demnach sol- len im Wesentlichen gleich gelagerte Sachverhalte gleich bewertet und im Wesentlichen ungleich gelagerte Sach- verhalte ungleich bewertet werden. Es handelt sich also um eine abgestufte Gleichheit und nicht um die rot-grüne Einheits-Gleichheit. Gerade dieser – vom Grundgesetz gewollten – abge- stuften Gleichheit wird die jetzt bestehende Regelung, die von der CDU/CSU/FDP-Koalition 1997 verabschiedet worden ist, in besonderem Maß gerecht. Wurde bis dahin Grundvermögen nach dem Einheitswert bewertet, hat die damalige Koalition in Umsetzung des Verfassungsge- richtsurteils von 1995 das sachgerechte Prinzip des Er- tragswertverfahrens eingeführt. So wird ein Bewertungs- niveau von 50 bis 70 Prozent der Verkehrswerte erreicht und das Grundvermögen gegenüber Kapitalvermögen an- gemessen niedriger bewertet. Warum angemessen? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge- richts ist es sachgerecht, Grundvermögen niedriger zu besteuern als Kapitalvermögen, um der geringeren Fungi- bilität, der höheren Sozialbindung, Mieterschutzbestim- mungen, öffentlich-rechtlichen Auflagen und zusätzli- chen Belastungen durch die Grundsteuern gerecht werden zu können. Das alles interessiert die rot-grüne Bundesregierung aber nur vor Wahlen. Dann nämlich wollen die Mieter wissen, ob durch eine höhere Besteuerung des Grundver- mögens die Mieten in die Höhe getrieben werden. Somit können wir auch hier wieder ein Beispiel von Schröders Vernebelungstaktik erleben. Warum sonst wird die Ver- längerung des Ertragswertverfahrens bis 2006 unter den Vorbehalt einer allgemeinen Neuregelung gestellt? Der schon vorher eingebrachte FDP-Antrag liest sich dagegen anders: Der Zeitraum wird nach diesem Vor- schlag zwar ebenfalls bis 2006 verlängert; jedoch wird am sachgerechten Prinzip des Ertragswertverfahrens festge- halten. Wir von der CDU/CSU haben für die kleinen Haus- eigentümer die klarste Lösung: Wir halten ohne Zeitbe- grenzung am bewährten Ertragswertverfahren fest. Wir halten es mit dem Deutschen Siedlerbund, der seine Pres- semitteilung vom 8. Mai 2000 unter der Überschrift ver- öffentlichte: „Einfamilienhaus vor dem Fiskus retten“. Recht haben die Siedler! Die ständige Unsicherheit über den Kurs des Bundes- kanzlers in dieser Frage ist mittlerweile für alle Haus- eigentümer unzumutbar. Die Bundesregierung hat kein klares Konzept. Sie will nach wie vor Grundvermögen neu bewerten. Schröders Beteuerungen in der „Welt“ vom 2. Dezem- ber 1999, „dass ich nicht an Omas Häuschen ran will“ sind doch so viel wert, wie seine damaligen Versprechungen vor der Bundestagswahl, bei 6 Pfennigen Benzinpreiserhöhung für die Ökosteuer, sei für ihn „das Ende der Fahnenstange erreicht“. Mittlerweile haben wir nicht 6 Pfennig Benzin- preiserhöhung für die Ökosteuer insgesamt, sondern 6 Pfennig jedes Jahr! Nein: Wer einmal nicht die Wahrheit spricht, dem glaubt man nicht. Dieses Sprichwort sollen alle Hauseigentümer sorgfältig bedenken, wenn es um die Pläne der Bundesregierung zur Erbschaftsteuer geht. Wir von der Union sagen dagegen: Hände weg von ei- nem neuen Bewertungsniveau beim Grundvermögen! Hände weg von der Erbschaftsteuer! Hände weg von Omas Häuschen! Ich fordere die SPD deshalb noch einmal auf, eine ein- deutige Erklärung dahin gehend abzugeben, dass sie künf- tig keine Erhöhungen der Erbschaftsteuern – weder direkt noch indirekt – plant, um den Menschen tatsächlich Si- cherheit zu geben. Der Bevölkerung rate ich, dieses Ver- halten zu beobachten, damit die Erbschaftsteuer nicht den üblichen Gang einer Chefsache geht nach dem Motto: „Es gilt das gebrochene Wort“. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der heutigen zweiten und dritten Lesung des Bewertungs- gesetzes auf Vorschlag des Bundesrates wird sicherge- stellt, dass die Länder auch nach dem 31. Dezember 2001 über die erwarteten Einnahmen aus der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer verfügen können. Die Bemessungs- grundlage nach dem Ertragswertverfahren für die beiden Steuerarten wird verlängert. Mit diesem notwendigen Schritt werden aber die of- fensichtlichen Mängel des Ertragswertverfahrens nicht aufgehoben. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Be- steuerung aller Vermögensarten wird weiterhin verletzt, sodass nur vorübergehend mit der Methode der Verlänge- rung der Anwendung des Ertragswertverfahrens gearbei- tet werden kann. Laut Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vom 31. Mai 2001 – Wochenbericht Nr. 22/2001 – ergab eine Kaufpreisuntersuchung der Fi- nanzbehörden für das Jahr 1998, dass die steuerlichen Grundstückswerte bei bebauten Grundstücken durch- schnittlich nur 51 Prozent der tatsächlichen Verkehrs- werte und bei unbebauten Grundstücken 72 Prozent der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19223 (C) (D) (A) (B) Verkehrswerte erreichten. Die Auswertung der Stichprobe von 7 000 Fällen ergab, dass die Wertrelationen nach Re- gionen und nach dem Alter der Gebäude erheblich streuen. Diese Tatsache kann die Opposition nicht einfach negieren, wie die CDU/CSU-Fraktion es mit ihrem Ent- schließungsantrag tut. Eine gleichmäßige Besteuerung aller Vermögensarten im Erbschafts- und Schenkungsfall ist mit rund der Hälfte bei bebauten Grundstücken einfach nicht gegeben. Ihr Hinweis auf die Grundsteuer, Anlie- gergebühren oder mangelnde Fungibilität ist einfach ein Vorwand für das Leugnen von Änderungsbedarf. Bereits im Mai 2000 hat eine Sachverständigenkommission, ein- gesetzt vom Bundesministerium der Finanzen, Vor- schläge für ein verbessertes Bewertungsverfahren vorge- legt. Auch der Gesetzentwurf der fünf Bundesländer von Schleswig-Holstein bis Sachsen-Anhalt zeigt mit seinem Vorschlag zur Änderung des Bewertungsgesetzes die Not- wendigkeit, den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Be- steuerung wenigstens annäherungsweise herzustellen. Bei all diesen Vorschlägen wurde Rücksicht darauf ge- nommen, dass der Grundbesitz eine andere Vermögensart ist, als zum Beispiel das Geldvermögen. Außerdem wurde genau differenziert nach bebauten und unbebauten Grundstücken sowie nach Landwirtschaftsflächen. Ich richte deshalb die Aufforderung an die Oppositionspar- teien von CDU und FDP, sich für eine differenzierte und gerechte Ausgestaltung des Bewertungsgesetzes einzuset- zen und nicht den Status quo auf immer zu fordern. Die Bundesregierung schreibt in Ihrer Stellungnahme zur Ver- längerung des Bewertungsgesetzes, „dass eine dauerhafte Lösung eine Angleichung der unterschiedlichen Maß- stäbe und Verfahren für die Bewertung von Grundbesitz einerseits sowie von sonstigem Vermögen andererseits enthalten muss, um den verfassungsrechtlichen Anfor- derungen weiterhin zu entsprechen“; vgl. Drucksache 14/6718, Anlage 2. Ich setze mich dafür ein, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Neuregelung angepackt wird, weil der Zustand der ungleichmäßigen Besteuerung auf Dauer nicht hingenommen werden kann. Steuersparen mithilfe der Wahl der Vermögensanlage vor dem Erbschaftsfall ist eine Kultur, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Die Freibeträge im Erbschaftsteuerrecht werden so bleiben, dass selbstgenutztes Wohnungseigen- tum grundsätzlich steuerfrei weitervererbt werden kann. Omas Häuschen bleibt selbstverständlich steuerfrei. Auch für Fälle der Betriebsübergabe sieht das Gesetz umfang- reiche Ermäßigungstatbestände vor. Grundsätzlich gilt es das Verfassungsgerichtsurteil ernst zu nehmen und den vorgegebenen Rahmen zur Anwendung zu bringen. Für uns ist im Gegensatz zu FDP und CDU Steuergerechtig- keit ein anzustrebendes Ziel und Steuersparen kein zu kul- tivierender Lebensstil. Wer finanziell leistungsfähig ist, der kann auch einen größeren Beitrag für die Gesellschaft leisten. Dies gilt insbesondere auch für die Vermögenden. Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Die Bewertungsre- geln für Immobilien laufen Ende dieses Jahres aus. Wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird, könnte im nächsten Jahr keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden. Die FDP hat die Initiative ergriffen und als erste Partei – unser Gesetz- entwurf datiert vom 13. Februar 2001 – vorgeschlagen, das geltende Bewertungsrecht zu verlängern. Damit wol- len wir Klarheit und Planungssicherheit für die Bürger schaffen. Ich begrüße es für die FDP ausdrücklich, dass der Bundesrat mit seinem Gesetzentwurf vom 1. Juni 2001 unserem Vorschlag wortgleich gefolgt ist. FDP und Bundesrat stimmen darin überein, dass eine Festschreibung der Wertverhältnisse beim Grundbesitz für fünf weitere Jahre gerechtfertigt ist. Der durchschnitt- liche Preisanstieg auf dem Grundstückmarkt führt weder zu inakzeptablen Wertverzerrungen innerhalb des Grund- besitzes noch im Vergleich zur anderen Vermögensarten. Dass die rot-grüne Koalition dieser Auffassung nun- mehr folgt, ist immerhin zu begrüßen. Dass Sie den zuerst eingebrachten Gesetzentwurf der FDP ablehnen, dem gleich lautenden und wohl von der FDP abgeschriebenen Gesetzentwurf des Bundesrates aber zustimmen wollen, ist ein Beispiel für den unfairen Stil der Regierungsmehr- heit im Umgang mit der parlamentarischen Minderheit. Außerhalb der Politik wäre dies eine Verletzung des Ur- heberrechts. Gleichwohl hält die Bundesregierung daran fest, nach Ablauf der Frist die Bewertungsgrundsätze für Immobi- lien zu ändern. Welche Folgen hätte das für die Bürger? Ich darf daran erinnern, dass es im Frühjahr Pläne gab und wohl auch noch gibt, die Erbschaftsteuer massiv zu erhöhen. Einige sozialdemokratische Ministerpräsidenten und auch SPD-Politiker im Bund waren noch im Frühjahr dafür, durch Änderungen des Bewertungsrechts zum 1. Januar 2002 den Bürgern abermals tief in die Tasche zu greifen. Das zeigt, dass weite Teile der SPD in keiner Weise daran interessiert sind, die viel zu hohe Steuerbelas- tung zu senken. Staatsgläubigkeit und Dirigismus herr- schen weiterhin vor. Der Glaube ist weit verbreitet, dass der Staat zugreifen und den Erfolg abschöpfen muss, wo Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zum Erfolg führen. Kurz nach der Verabschiedung der halbherzigen Steu- erreform sollen bis zum Jahresende die gröbsten Fehler dieser Politik korrigiert werden. Trotzdem können Sie sich bis heute nicht dazu entschließen, den zentralen Feh- ler, nämlich die Benachteiligung von Mittelstand und Ar- beitnehmern gegenüber den Kapitalgesellschaften, zu be- seitigen. Nur durch eine konsequente und gerechte Steuersenkungspolitik kann die Grundlage für mehr In- vestitionen, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuereinnah- men gelegt werden. Das bleibt die rot-grüne Bundesre- gierung bis heute schuldig. In dieses Bild passt die bereits beschlossene Erhöhung der Ökosteuer zum 1. Januar. Auch die anstehende Er- höhung der Tabaksteuer sowie der Versicherungsteuer be- legt, dass die SPD und auch die Grünen weder den Willen noch die Kraft haben, wirkliche Steuersenkungen durch- zusetzen. Für die FDP steht fest: Die Politik dieser Regie- rung ist schädlich für Deutschland. Daran ändert auch der Verzicht auf die Erhöhung der Erbschaftsteuer nichts. Der Grund hierfür liegt einzig darin, dass 2002 ein Wahljahr ist. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119224 (C) (D) (A) (B) Dr. Barbara Höll (PDS): Die PDS stimmt der vorlie- genden Bundesratsinitiative zur Verlängerung des Bewer- tungsverfahrens von Immobilien im Rahmen der Erb- schaftsteuer zu, da ohne den vorliegenden Gesetzentwurf die Erbschaftsteuer ab Januar 2002 nicht mehr erhoben werden könnte. Damit würden den Ländern fast 6 Milli- arden DM an Steuereinnahmen verloren gehen – und da- rüber hinaus ein wesentliches Instrument zur Finanzie- rung gesellschaftlicher Aufgaben sowie des sozialen Ausgleichs in dieser Gesellschaft. Das Festschreiben der Wertverhältnisse von Immobi- lien für weitere fünf Jahre darf aber nicht eine Absage an die notwendige Reform der Erbschaftsbesteuerung sein. Wir lehnen deshalb alle diesbezüglichen Versuche seitens der FDP und der CDU/CSU ab. So behauptet die CDU/CSU immer wieder, dass das Bundesverfassungs- gericht eine erbschaftssteuerliche Sonderbehandlung des Grundvermögens aufgrund seiner geringeren Fungibilität und stärkeren Sozialbindung geboten hat. Dies ist falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1995 klar festgestellt, dass die Werte der wirtschaftlichen Einheiten in ihrer Relation realitätsgerecht abgebildet sein müssen. Weiterhin förderte das Bundesverfassungs- gericht, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung von Frei- beträgen – des zur individuellen Lebensgestaltung not- wendigen Vermögens also – Grundeigentümer und Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Indi- vidualbedarf freistellen muss. Grundsätzlich hat das Bun- desverfassungsgericht also die Gleichbehandlung aller Vermögensarten verfügt. Das derzeitige Bewertungsverfahren von Grundbesitz kommt dem nicht einmal annähernd nach: Die nach dem derzeit geltenden Ertragswertverfahren ermittelten Grundstückswerte für bebaute Grundstücke erreichen ge- rade 51 Prozent, die Werte für unbebaute Grundstücke 72 Prozent der Verkehrswerte. Es muss also sowohl eine Ungleichbehandlung innerhalb des Grundvermögens als auch eine massive steuerliche Privilegierung des Grund- vermögens gegenüber allen anderen Vermögensarten fest- gestellt werden. Dies hält die CDU/CSU scheinbar für verfassungs- gemäß. Aber ihr geht es ja ohnehin nicht um die beson- dere soziale Funktion des Grundeigentums – das hat die Politik in ihrer Regierungszeit und haben alle seither statt- gefundenen Diskussionen bewiesen. Ihr geht es vielmehr darum, eine Reform der Erbschaftsteuer und eine mögli- che höhere Erbschaftsbesteuerung reicher Erben zu ver- hindern. Dies muss vor dem Hintergrund der heutigen Diskus- sion zum Armuts- und Reichtumsbericht gesehen werden. Gerade in diesem Bericht wurde ja festgestellt, dass die Polarisierung weiter zunimmt und Erbschaften eine we- sentliche Ursache dessen sind. Sie wollen also auf die Be- steuerung der hohen Erbschaften verzichten und eine Ver- erbung von sozialer Ungleichheit und die damit ver- bundene Polarisierung weiter zulassen. Tatsache ist doch: 100 bis 200 Milliarden DM an Geld- vermögen werden jährlich vererbt. Bei der Verteilung der Erbschaften herrscht eine erhebliche Schieflage. In ge- rade 4 Prozent aller Erbfälle ist der Nachlass höher als 1 Million DM, in der Hälfte der Fälle liegt er unter 100 000 DM. Die Chance einer Reform läge also gerade darin, diejenigen höher zu belasten, die große Vermögen erben, ohne gleichzeitig die kleinen Vermögen oder „Omas kleines Häuschen“ wegzubesteuern. Mit einer sol- chen Reform ließen sich 15 bis 20 Milliarden DM an Mehreinnahmen erzielen. Hinzu kommt, dass Erbschaften zunehmend die sozia- len Gegensätze innerhalb der Gesellschaft verschärfen. Schon immer lautete die Regel, dass vor allem Menschen aus höheren sozialen Schichten zahlreiche und hohe Erb- schaften erhalten, während die benachteiligt sind, die oh- nehin um ihre soziale Position kämpfen müssen. Dies ver- stärkt sich durch die wachsende Kinderlosigkeit. Immer mehr Menschen erben nicht mehr nur von den Eltern, son- dern zunehmend auch von anderen Verwandten. Eine im- mer geringere Zahl an Erben erhalten immer höhere Sum- men. Hier kann die Erbschaftsteuer ein zu unterschätzendes Korrektiv sein. Nicht zuletzt die SPD beschloss ja im Jahr 1999, die „Gerechtigkeitslücke“ durch ein Mehr an Erbschaftsteuer zu schließen. Also: Problem erkannt, wo bleibt die Lösung? Die zweifellos notwendige Reform der Erbschaftsteuer muss die Besteuerung aber auch strukturell verändern. Noch immer können überlebende Ehegatten einen zehn- mal höheren Freibetrag als überlebende Partner bei un- verheirateten Paaren in Anspruch nehmen und zahlen ent- sprechend weniger Steuern – und dies, obwohl sich die Lebensweise der Menschen bereits seit Jahren rapide ver- ändert. Hier muss endlich gehandelt werden, um die ekla- tante Benachteiligung von zum Beispiel unverheirateten Paaren aufzuheben. Die PDS fordert bereits seit Jahren eine Reform der Erbschaftsbesteuerung. Wir fordern einheitliche Freibe- träge, eine realitätsnahe Bewertung des Grundvermögens und einen einheitlichen progressiven Steuertarif. Eine solche Erbschaftsteuer wäre modern und entspräche ver- teilungspolitischen Erfordernissen. Ich fordere die Bun- desregierung auf, bei der Reform der Erbschaftsteuer nicht erst bis zum nächsten Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts zu warten. Legen Sie so schnell wie mög- lich ein Konzept auf den Tisch, das eine sozialgerechte so- wie verfassungsfeste Besteuerung sichert. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten (Rehabilitierungsgesetzeänderungsgesetz – RehaÄndG) (Tagesordnungspunkt 24) Hans-Joachim Hacker (SPD): Nach dem Sturz der SED-Diktatur durch die friedliche Revolution des Herbs- tes 1989 in der DDR waren die Voraussetzungen dafür ge- schaffen, Opfer politischer Verfolgung zu rehabilitieren. Die demokratisch gewählte Volkskammer hat sich dieser wichtigen Aufgabe gestellt. Ich kann mich noch gut an die Anhörung im Sommer 1990 erinnern, als erstmals Opfer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19225 (C) (D) (A) (B) des SED-Unrechts die Möglichkeit hatten, in der Volks- kammer der DDR über ihre Schicksale zu sprechen, und Parlamentarier fanden, die ihnen zuhörten. Es darf nicht vergessen werden, dass der Deutsche Bundestag in der Ehrenerklärung vom 17. Juni 1992 all jenen tiefen Respekt und Dank bezeugt hat, die durch ihr persönliches Opfer dazu beigetragen haben, nach über 40 Jahren das geteilte Deutschland in Freiheit wieder zu einen. Der Bundestag hatte damals festgestellt: Die Reha- bilitierung und Entschädigung der Menschen, die in der DDR und zuvor in der SBZ Opfer politischer Verfolgung geworden sind, ist eine Aufgabe von besonderem politi- schen Gewicht, ein wesentlicher Aspekt der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und unverzichtbar für die innere Einheit. Die damalige Bundesregierung hätte bei der Erarbei- tung der Rehabilitierungsgesetze schneller arbeiten müs- sen. Vor allem hätte sie vermeiden müssen, dass in den 1992 und 1994 verabschiedeten SED-Unrechtsbereini- gungsgesetzen schwere Schieflagen Eingang gefunden haben. Die Verantwortung für das Fachressort Justiz lag damals bei der FDP. Insofern wird man die FDP-Fraktion auch mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf für ein Rehabilitierungsgesetzeänderungsgesetz nicht als Vor- reiter bei der Wiedergutmachung von SED-Unrecht be- zeichnen können. Die gravierenden Defizite der beiden genannten Ge- setze waren die Ursache dafür, dass die Opfer und ihre Verbände Protest erhoben haben und auch die damalige Opposition Nachbesserungsvorschläge unterbreitet hat. Für die SPD-Bundestagsfraktion war dies ein wichtiges politisches, aber nicht zuletzt auch moralisches Anliegen. Es bleibt bis heute unerklärlich, warum die damalige Bun- desregierung diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat. Diese Tatsachen müssen immer wieder dargestellt wer- den, weil in jüngster Vergangenheit die CDU/CSU-Frak- tion mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten ist, die in das damals begründete Entschädigungskonzept nicht passen und weit über die soliden Vorschläge der SPD- Bundestagsfraktion aus den 90er-Jahren hinausgehen. Diese Vorschläge hatte damals die Union mit dem Hin- weis auf fehlende Finanzen abgelehnt. Die SPD hat 1998 vor der Bundestagswahl zu Forde- rungen aus den Opferverbänden Stellung genommen und im Falle einer Regierungsbeteiligung grundsätzliche Nachbesserungen zugesagt. Der damalige Kanzlerkandi- dat Gerhard Schröder hat die Kritik der Verbände auf- genommen und in fünf Punkten Verbesserungen zugesi- chert. Diese Zusagen waren keine Wahlkampfverspre- chen, sondern die SPD hat nach der Bundestagswahl 1998 in Regierungsverantwortung mit dem Zweiten Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR die Zusagen eingelöst. Die Kapitalentschädigung wurde auf einheitlich 600 DM je angefangenen Haftmonat erhöht. Die Hin- terbliebenen der Todesopfer erhalten von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge Leistungen ohne Prüfung der wirtschaftlichen Situation. Die Antragsfristen in den drei Rehabilitierungsgesetzen wurden um zwei Jahre ver- längert. Der Stiftungsfonds der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge wurde aufgestockt, um die Möglich- keiten zu verbessern, den aus den Gebieten jenseits von Oder und Neiße Zivildeportierten bzw. -internierten Un- terstützungsleistungen zu gewähren. Die Länder wurden aufgefordert, eine nochmalige Überprüfung bei der Aner- kennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden vor- zunehmen. Der finanzielle Kostenrahmen dieses Gesamtpaketes umfasste rund 400 Millionen DM. Er war anteilig vom Bund und den ausführenden Ländern zu tragen. Bei den Haushaltsberatungen für das Jahr 2001 hat die SPD-Bun- destagsfraktion durchgesetzt, dass die Stiftung für ehe- malige politische Häftlinge einen weiteren zusätzlichen Betrag in Höhe von 5 Millionen DM erhält, um die Un- terstützung für die Zivildeportierten bzw. -internierten von jenseits der Oder und Neiße noch weiter zu verbes- sern. Zahlreiche Anfragen und Zuschriften aus den letzten Monaten sind für mich ein Beweis, dass diese massiven und notwendigen Verbesserungen der Rechtsstellung der Opfer der SED-Diktatur und der stalinistischen Verfol- gung bei den Opfern die Entscheidung beflügelt hat, nun- mehr Rehabilitierungsanträge zu stellen. Sicherlich kann man sich fragen, warum die Betroffenen nicht bereits früher Anträge gestellt haben. Das ist jedoch für mich nicht die Kernfrage. Die Kernfrage ist: Wie können wir den Opfern helfen, damit sie zu ihrem Recht kommen? Und: Wie können wir gewährleisten, dass sie in den Ge- nuss gesetzlicher Leistungen kommen? Wenn es richtig ist – davon gehen die Landesbehörden aus –, dass eine nicht unbedeutende Zahl von Verfol- gungsopfern mit Sicherheit auch im nächsten Jahr noch Anträge auf Rehabilitierung stellen werden, dann droht Verfolgungsopfern Rechtsverlust; denn die gesetzliche Antragsfrist nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungs- gesetz wäre abgelaufen, wenn wir jetzt nicht handeln. Nach bereits erfolgter Verlängerung können gemäß § 7 des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes Anträge auf Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen erfolg- reich nur noch bis zum 31. Dezember 2001 gestellt wer- den. Von der termingerechten Antragstellung ist der Aus- spruch der Rehabilitierung, jedoch auch die Gewährung der sozialen Ausgleichsleistungen – Kapitalentschädi- gung, Unterstützungsleistungen – abhängig. Die SPD-Bundestagsfraktion würde es als eine unver- tretbare Härte für die Opfer von SED-Diktatur ansehen, wenn in Kenntnis der Tatsache, dass weiterhin Anträge eingehen, die gesetzliche Antragsfrist auslaufen würde. Wir greifen daher die Initiative der FDP-Fraktion auf und unterstützen eine nochmalige Verlängerung der Antrags- frist gemäß § 7 des Strafrechtlichen Rehabilitierungs- gesetzes um zwei Jahre, das heißt bis zum 31. Dezember 2003. Einen solchen Regelungsbedarf sehe ich dagegen bei der Fristverlängerung für das Verwaltungsrechtliche Re- habilitierungsgesetz sowie das Berufliche Rehabilitie- rungsgesetz nicht. Ich plädiere dafür, dass wir die Bera- tungen im Rechtsausschuss zügig beginnen, damit die Fristverlängerung für das Strafrechtliche Rehabilitie- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119226 (C) (D) (A) (B) rungsgesetz gesichert wird. Über die weiteren Fragen aus dem FDP-Antrag werden wir dann ebenfalls sprechen können. Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag hat mit zahlreichen Initiativen und Gesetzen versucht, das von der SED-Diktatur zu verant- wortende schreiende Unrecht aufzuarbeiten und, wo es noch möglich war, die Folgen zumindest etwas zu mil- dern. Kernstücke waren die beiden SED-Unrechtsbereini- gungsgesetze vom 29. Oktober 1992 und 23. Juni 1994. Diese Gesetze sind in den Folgejahren weiter verbessert worden. Gerade wir Abgeordnete, die wir uns seit Jahren immer wieder für die Opfer der zweiten Diktatur auf deutschem Boden einsetzen und engagieren, haben es als bitteren Schlag empfunden, dass ausgerechnet die ehemals sys- temnahen Personen – einschließlich der Stasimitarbeiter – rentenrechtlich durch ein Urteil besser gestellt werden mussten. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsge- richts war vom Deutschen Bundestag umzusetzen. Der Gesetzgeber war aber frei in seinen Handlungsmöglich- keiten, auch den Rentenbezug der Opfer des SED-Regi- mes zu verbessern. Die Fraktionen vorn SPD und Grünen in diesem Haus haben es zu verantworten, dass die Schere zwischen Tä- tern und Opfern jetzt weiter denn je auseinander klafft. Unser Antrag, für die Haft- und Zersetzungsopfer eine monatliche Ehrenpension von 1 000 DM zu zahlen, wurde alternativlos abgelehnt. Damit wird das Gefühl der SED- Opfer und ihrer Verbände verstärkt, erneut zu den Verlie- rern der deutschen Geschichte zu gehören. Wir sollten auch aus diesen Erfahrungen heraus einen Vorschlag aufgreifen, der uns von den Landesbeauftrag- ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR bereits im Februar erreichte. Die fünf Landesbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen und Sachsen regten an, die am 31. Dezember dieses Jahres auslaufende Frist zur Antragstellung für die beiden SED-Unrechtsbereini- gungsgesetze unbefristet zu verlängern. Als Begründung wurde genannt, dass noch breite Kreise von Berechtig- ten von den rechtlichen Möglichkeiten der Rehabilitie- rung nichts erfahren hätten. Als Beleg wurden Aktionen der Landesbeauftragten in Thüringen und Sachsen-An- halt genannt, nach denen zahlreiche Personen erstmals Anträge nach Vor-Ort-Beratungen gestellt haben. Die Landesbeauftragten waren selbst überrascht über das plötzliche zahlenmäßige Ansteigen der Antragstellun- gen nach den Aktionen. Auch elf Jahre nach der Wieder- vereinigung besteht immer noch ein Beratungsbedarf. Damit SED-Opfer am 2. Januar 2002 ihren Erfahrun- gen mit dem demokratischen Deutschland nicht eine wei- tere Enttäuschung hinzufügen müssen, sollte der Deut- sche Bundestag die Frist für die Antragstellung beider Gesetze verlängern. Die Landesbeauftragten hatten sogar angeregt, die Fristen aus den Rehabilitierungsgesetzen ganz zu streichen. Die FDP-Fraktion schlägt eine Verlän- gerung um zwei Jahre vor. Von der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien hört man überhaupt nichts zu diesem Thema. Obwohl alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zweimal im Februar und Oktober von den Landesbeauftragten und auch von den Opferverbänden VOS, BSVL und Bürgerbüro im Juni angeschrieben wor- den sind, gab es von der Koalition bisher keinerlei Reak- tion. Sie, meine Damen und Herren, sollten die Gelegenheit jetzt nutzen, sich in den Ausschüssen des Deutschen Bun- destages unseren Antrag zu eigen zu machen. Wir werden in den Ausschüssen den Antrag stellen, die Antragsfrist für Leistungen nach dem strafrechtlichen, verwaltungs- rechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsgesetz bis zum 31. Dezember 2006 zu verlängern. Wir verbinden diesen Verlängerungsantrag mit dem Wunsch und der Aufforderung, dass diese fünf Jahre von allen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen, die sich mit der SED-Op- fer-Thematik befassen, genutzt werden müssen, um die Betroffenen über die Rehabilitierungsmöglichkeiten zu beraten. Neben den Opferverbänden sollten vor allem die Landesbeauftragten für die Stasiakten ihre Aktionen auch über die anderen Länder ausdehnen. Damit hätten wir ei- nen Beitrag für mehr Rechtsfrieden und mehr Gerechtig- keit in Deutschland geleistet. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich könnte dem Kollegen Professor Schmidt- Jortzig fast meine Anerkennung aussprechen. Er hat aus seiner Zeit als Justizminister offensichtlich seine Wieder- vorlagemappe für ablaufende Gesetze bei sich behalten. In der Tat stehen die Änderungen der Fristen in den drei genannten Rehabilitierungsgesetzen auf der Tagesord- nung. Es gibt dazu auch die Grundsatzabsprache inner- halb der Koalition über eine Verlängerung, zumindest der Fristen des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes. Lassen Sie mich zu diesem leidigen Thema der Fristen ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Ich habe insgesamt immer große Probleme mit den Befristungen von Rehabilitierungsleistungen und Rentenansprüchen. Ich kenne zu gut das elende Gewürge bei der Verlänge- rung der Fristen beim Bundesentschädigungsgesetz. Auch hier folgten immer wieder neue Verlängerungen. Es ist ein grundlegender Irrtum zu glauben, Geschichte durch Be- fristungen abhandeln zu können. Je ungeduldiger und drängender man das versucht, umso heftiger wird einen die Geschichte einholen. Die Geschichte hat auch gerade in ihren tragischen Teilen ein Gesicht: Das sind die Opfer von Verfolgung. Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Op- fer von Verfolgung nicht im Takt bundesdeutscher Büro- kratie denken und handeln. Wir haben es oft mit Men- schen zu tun, die für ihr Leben gezeichnet sind durch das, was ihnen widerfahren ist. Sie haben alle traumatische Er- fahrungen mit dem Staat gemacht. Wenn ich mir das Elend bei der Anerkennung von Gesundheitsschäden durch so genannte Sachverständige ansehe, kann ich das Misstrauen der Betroffenen sogar verstehen. Diese Probleme bei der Befristung waren schon von Anfang an klar. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie einmal in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19227 (C) (D) (A) (B) den alten Protokollen nach, was Wolfgang Ullmann schon bei der Verabschiedung des ersten Unrechtsbereinigungs- gesetzes im Oktober 1992 dazu gesagt hat. Immer wieder hat er den damaligen Gesetzgeber vor zu engen Befris- tungen gewarnt. Die Karriere der Rehabilitierungsgesetze hat ihm voll Recht gegeben. Es waren aber die Justizminister der FDP, namentlich Herr Kinkel, Frau Leutheusser-Schnarrenberger und zu- letzt Herr Schmidt-Jortzig, die seit nunmehr neun Jahren die Praxis der kurzen Fristen begründet haben. Alle Jahre wieder sitzen wir seitdem zusammen und verlängern vor uns hin. Dabei wissen wir alle genau, dass sich die Opfer von Verfolgung und staatlicher Gewalt nicht allein an- hand abstrakter Normen an den Staat wenden, sondern wenn es ihre persönliche Aufarbeitung der Leidensge- schichte zulässt. Wer erst nach Jahren die Kraft hat, einen Antrag auf Einblick in die Unterlagen der Bundesbeauf- tragten für die Stasiunterlagen zu nehmen und auf diese Erkenntnisse sein Rehabilitierungsverfahren – etwa für berufliche Benachteiligungen – aufzubauen, sollte dafür nicht bestraft werden. Das Gleiche gilt auch für einen Be- rufstätigen, der erst beim Eintritt in die Rente so weit ist, einen Ausgleich für die Verfolgung zu beantragen. Daraus sollte man den Menschen keinen Vorwurf machen und schon gar keinen Nachteil entstehen lassen. Dieses ewige Hin und Her bei den Antragsfristen ist aus drei Gründen ein rechtspolitisches Ärgernis. Zum ei- nen wissen die Opfer, um die es uns geht, nicht, woran sie sind. Diese Praxis trägt nicht zur Beruhigung und zur Si- cherheit, sondern zu Misstrauen und Verwirrung bei. Zweitens. Der Staat selbst macht sich nicht glaubwürdi- ger, wenn er mal so, mal so agiert. Jeder Frist ist willkür- lich – die Verlängerung ist es letztlich auch. Warum drei Jahre, warum nicht fünf oder zehn Jahre? Drittens. In Er- wartung der ablaufenden Fristen haben die Länder mitt- lerweile ihre Rehabilitierungsbehörden abgebaut. Das heißt natürlich auch, dass immer weniger kompetente Stellen für die Betroffenen zuständig sind. Das ist auch der Grund, warum wir im Ergebnis nicht zu der von mir gewünschten völligen Aufhebung der Fristen gelangen, sondern wieder nur zu einer befristeten Verlängerung. Ich denke, wir werden im Ausschuss keine Mühe ha- ben, uns zügig zu verständigen und eine einvernehmliche Lösung im Interesse der Betroffenen zu finden. Cornelia Pieper (FDP): Der heute von uns in erster Lesung zu beratende Gesetzesentwurf zur Verlängerung der Antragsfristen in den Rehabilitierungsgesetzen sollte eigentlich in diesem Hause allenthalben Zustimmung fin- den können. Denn mit ihm wird einem Problem Rechnung getragen, das ganz grundsätzlich mit dem Rechtsfrieden in unserem Land zusammenhängt: der rechtlichen Aufar- beitung von 40 Jahren DDR-Unrecht zugunsten der Op- fer. Viele Bürger in der ehemaligen DDR haben in unter- schiedlicher Weise unter dem Zwangsregime gelitten: Die einen wurden als missliebige Dissidenten verhaftet, eini- gen wurden grundlos ihr Vermögen und ihre Existenz ent- zogen, andere wiederum wurden in ihren beruflichen Zu- kunftschancen nachhaltig behindert. Diese Bürger, die teilweise bis heute an den unbestritten rechtsstaatswidri- gen Maßnahmen leiden, sollten mit den SED-Unrechts- bereinigungsgesetzen, soweit es im Nachhinein möglich ist, rehabilitiert werden. Daher sehen die betreffenden Ge- setze vor, auf Antrag der Betroffenen die rechtsstaatswid- rigen Maßnahmen aufzuheben und je nach Fallkonstella- tion eine entsprechende Entschädigung zu gewähren. Allerdings existiert in allen drei Fällen für die Opfer eine Ausschlussfrist für die Antragstellung. Wer als Be- troffener nicht spätestens bis zum 31. Dezember dieses Jahres, also in rund zehn Wochen, einen Antrag auf Reha- bilitierung bei dem zuständigen Amt gestellt hat, hat kei- nerlei Möglichkeit mehr, berechtigte Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht zu erhalten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ebenfalls nicht möglich. Man stelle sich dies vor: Wer beispielsweise zwei Jahre lang in Bautzen eingekerkert worden war, weil er sich weigerte, seinen Freund für die Stasi auszuspionieren, und nun nach der Wiedervereinigung hoffte, endlich für dieses Leiden entschädigt zu werden, dem müsste am 2. Januar 2002 vom Staat beschieden werden, dass sein Anspruch zwar berechtigt wäre, aber leider nicht fristgerecht eingereicht wurde. Malen Sie sich bitte aus, verehrte Kolleginnen und Kollegen, welche Verbitterung dies über die subjektiv so empfundene erneute Rechtsversagung verursachen würde. Ich jedenfalls wollte diese Entscheidung nicht fäl- len müssen. Es wird eingewandt werden, die Betroffenen hätten seit 1994 genug Zeit gehabt, sich um ihr Recht zu kümmern, irgendwann müsse Schluss sein. Dem möchte ich nach- drücklich zwei Gesichtspunkte entgegenhalten. Erstens. Zwar ist es völlig richtig, dass zur Herstellung von Rechtsfrieden auch gehört, Anspruchsausschlussfris- ten gesetzlich festzulegen, um einen überschaubaren Zeit- rahmen für die Rechtsgemeinschaft herzustellen, insbe- sondere den Finanzierungsbedarf verlässlich abschätzen zu können. Dieser Gesichtspunkt sollte aber nicht zur Folge haben, dass eine große Anzahl von berechtigten An- sprüchen von Opfern überhaupt nicht mehr durchdringen kann. Vor dem Gedanken des Anspruchs der Rechtsge- meinschaft auf Rechtssicherheit und -klarheit muss im- mer noch die Herstellung von materiellem Rechtsfrieden stehen. Und den, ich wiederhole es, erlangt man eben nicht durch die endgültige Versagung zu vieler Ansprüche durch Verfristung. Dieses gilt insbesondere dann, wenn der Anspruchsgegner nicht eine Privatperson ist, sondern eben die öffentliche Hand, zudem noch als Rechtsnach- folger eines Unrechtsstaates. Die Praxis zeigt außerdem, dass immer noch nicht alle Betroffenen ausreichend Kenntnis von den Möglichkeiten zur Rehabilitation erlangt haben. Das fängt an bei der an- scheinend verbreiteten Unkenntnis über die Gesetzeslage, geht über Schwierigkeiten, die richtige Behörde zu fin- den, bis hin zu praktischen Problemen bei der Antragstel- lung. Das jedenfalls tragen immer wieder Opferverbände vor und auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: So sind die Antragszahlen höchst unterschiedlich verteilt, obwohl doch eine zumindest ungefähr gleichförmige Ver- teilung zu erwarten gewesen wäre. Dass nach wie vor großer Bedarf besteht, lässt sich auch daran festmachen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119228 (C) (D) (A) (B) dass regelmäßig nach Beratungstagen in den neuen Bun- desländern oder ausführlicheren Zeitungsartikeln die An- tragszahlen sprunghaft und signifikant ansteigen. Es braucht also schlicht noch mehr Zeit, um all diesen Men- schen, die Opfer eines Unrechtsstaates waren, Gerechtig- keit widerfahren zu lassen. Zweitens. Auch die Konferenz der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen haben in dem Schreiben an die Vorsitzende des Innenausschusses deutlich gemacht, dass sie eine Verlängerung der Frist um eine Spanne von noch zwei Jahren für erforderlich halten. Es gibt eben noch zu viele nicht rehabilitierte Bürger in unserem Land! So sieht das im übrigen auch das in diesen Fragen besonders ak- tive und über jeden Zweifel erhabene Bürgerbüro von Bärbel Bohley. Wer wollte also ernsthaft behaupten, dass es diesen Be- darf in den neuen Ländern nicht gibt? Wer wollte ernsthaft den Bürgern ihr Recht versagen, nämlich das Recht auf vollständige Rehabilitierung und Anerkennung ihres Le- benswegs? Meine Fraktion und ich meinen, dass eine Verlänge- rung der Antragsfristen um zwei Jahre eine ebenso sinn- volle, berechtigte, ja notwendige, aber auch maßvolle Maßnahme ist, um dem Rechtsfrieden in unserem nun vereinigten Land zu dienen. Ich werbe, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, um ihre Unterstützung in den nun folgenden, zügig durch- zuführenden Beratungen und hoffe, dass Sie genauso wie wir Liberalen willens und entschlossen sind, den Opfern von damals auch heute zu helfen, denn gerade in der Güte gegenüber Opfern zeigt sich die Größe einer Bürgerge- sellschaft. Petra Pau (PDS): Der Vorschlag, der uns heute hier vorliegt, ist offensichtlich notwendig geworden. Auch in meine Sprechstunde kommen immer mehr Menschen, welche in der DDR Repressionen erlitten haben, denen aber bis heute nicht klar ist, welche Ansprüche auf mora- lische wie auch materielle Wiedergutmachung bzw. auch Anerkennung ihrer Leiden ihnen zustehen. Deshalb wer- den wir den Vorschlag der FDP in den Ausschussberatun- gen nicht nur wohlwollend prüfen, sondern wir denken auch über diesen uns nun vorliegenden Antrag hinaus da- rüber nach, auf welche Art und Weise betroffenen Frauen und Männern ihre Ansprüche bekannt gemacht werden können und wie man die offensichtlich vorhandene emo- tionale Hürde vor entsprechender Antragstellung noch weiter absenken kann. Dies ist auch eine Frage, welche ich der Bundesregierung und den Regierungen der Länder in diesem Zusammenhang vorlegen möchte. Nun werden viele von Ihnen einwenden, dass sich die Volkskammer und auch der Bundestag bei der ersten Ver- längerung etwas dabei gedacht haben, und es im Wesen solcher Gesetze liegt, dass auch für alle durchschaubare Fristen zur Antragstellung gesetzt werden Wir haben es aber hier offensichtlich mit einem komplizierteren Sach- verhalt zu tun. Wir versuchen einerseits, Geschichte auf- zuarbeiten und so etwas wie Schuld abzutragen, und gleichzeitig, Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu las- sen – und das nach einem historisch ausgesprochen kur- zen Zeitraum, der für die Betroffenen aber wahrscheinlich unendlich lang ist. Auch deshalb sollten wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir in dieser Bundesrepublik nicht nur zusammen leben, sondern uns mit unserer sehr unterschiedlichen Geschichte und dem, was Menschen im Namen einer Idee angetan wurde, umgehen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitge- teilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge- schäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nach- stehenden Vorlage absieht: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2001 Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 02 Titel 540 01 – Münzausgaben – – Drucksachen 14/6925, 14/6995 Nr. 4 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Haushaltsausschuss Drucksache 14/6214 Nr. 2.1 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/6395 Nr. 2.2 Drucksache 14/6395 Nr. 2.3 Drucksache 14/6395 Nr. 2.4 Drucksache 14/6395 Nr. 2.5 Drucksache 14/6395 Nr. 2.6 Drucksache 14/6395 Nr. 2.7 Drucksache 14/6395 Nr. 2.8 Drucksache 14/6395 Nr. 2.9 Drucksache 14/6395 Nr. 2.10 Drucksache 14/6395 Nr. 2.11 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19229 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Margot von Renesse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Geis, ich habe
    nicht mehr so viel Zeit. Ich möchte im Augenblick mei-
    nen Redefluss nicht verlieren.

    Die strafrechtliche Behandlung einer Tat ist etwas an-
    deres als die Ermittlung einer Gefährlichkeit; denn dem
    Anlass einer Straftat, der in der Vergangenheit lag, könnte
    man auch mit einer Vollverbüßung gerecht werden. Mir
    scheint eine Sicherungsverwahrung im Nachhinein nicht
    der richtige Weg zu sein. Der Kollege Stünker – er besitzt
    die Erfahrung eines Richters – hat mit Recht auf die pro-
    zessualen Probleme hingewiesen.

    In diesem Zusammenhang liebe ich das Wort Therapie
    nicht. Vielfach handelt es sich nicht um Kranke im Sinne
    medizinischer Behandlungsbedürftigkeit, sondern um
    Fehlhaltungen. Die entscheidenden Fehlhaltungen, die
    mir immer wieder begegnen, sind, lieber Kollege Stünker,
    die mangelnde Verantwortungsübernahme, mangelnde

    Empathie und das Wegdrängen der Straftaten nach dem
    Motto „Das Kind hat es ja gewollt“, „Es hat mich provo-
    ziert“ oder irgendetwas dergleichen.

    Menschen neigen heute zunehmend dazu, andere für
    das verantwortlich zu machen, was Straftäter heute häufig
    „die Tat“ nennen, als hätten sie mit ihr nichts zu tun. Das
    ist nicht ein Problem der Strafgesetzgebung, sondern ein
    Problem unserer allgemeinen gesellschaftlichen Vorstel-
    lungen. Darüber nachzudenken, wie man Menschen dazu
    bringt, die Verantwortung zu übernehmen und diese Em-
    pathie zu empfinden, scheint mir eine gesellschaftliche
    Aufgabe ersten Ranges zu sein. Dazu würde ich gerne
    Sachverständige anhören.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU])


    Ich komme zu Ihnen, Herr Scholz. Das, was Sie hier als
    Mitglied einer C-Partei geleistet haben, ist ein Verstoß ge-
    gen das achte Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden
    wider deinen Nächsten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie wissen ganz genau, dass sich der von ihnen genannte
    Cohn-Bendit und die anderen, die diese Unsäglichkeiten
    vor zwanzig Jahren von sich gegeben haben, längst davon
    distanziert haben. Ihr Aufruf, sie sollten sich davon
    distanzieren, bedeutet die Unterstellung, dass sie es
    – nachdem sie zunehmend reifer wurden; dies steht jedem
    zu – nicht getan haben.


    (Dr. Rupert Scholz [CDU/CSU]: Ich möchte die Distanzierung sehen!)


    Ich halte so etwas von einem Menschen Ihrer Qualität, Ih-
    res Intellekts und Ihrer Partei für unmöglich. Das ist nicht
    angemessen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, den Opfern – neben den
    kindlichen Opfern zähle ich auch die Eltern dazu – gehört
    unser ganzes Mitgefühl. Wir tun alles, was wir können.
    Sollte sich in Ihrem Vorschlag – einiges ist ja wirklich
    nachdenkenswert – das eine oder andere gute Körnchen
    befinden, werden Sie uns dazu bereit finden. Herr Stünker
    hat bereits darauf hingewiesen, dass es diese Bereitschaft
    gibt. Ich denke zum Beispiel an Ihre Vorschläge bezüglich
    des Internets. Darüber muss nachgedacht werden, weil es
    neue Sachverhalte sind, mit denen wir umgehen müssen.
    Bezogen auf die DNA-Analyse sage ich: Ich möchte
    nicht, dass noch nicht abgeschlossene Verfahren – einige
    Möglichkeiten zur Durchführung haben wir bereits be-
    schlossen – dadurch verstopft werden, dass weitere Mög-
    lichkeiten geschaffen werden, eine DNA-Analyse durch-
    zuführen. Allein das ist schon ein Grund für mich, dabei
    jetzt nicht weiterzugehen.

    Ich bin auf die Diskussionen gespannt und hoffe, dass
    wir sie sachlich führen. Das Problem ist dabei nicht der
    Populismus. Bei einer Vernebelung unseres Verstandes

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001

    Margot von Renesse

    19179


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    würden wir es nicht schaffen. Gefordert ist, eine ver-
    nünftige Kriminalprävention zu betreiben.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bevor ich die Aus-
sprache schließe, erteile ich jetzt dem Kollegen Norbert
Geis zu einer Kurzintervention das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Norbert Geis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Verehrte Frau Kollegin
    von Renesse, ich glaube, dass Sie bei Ihren Überlegungen
    zur nachträglichen Sicherungsverwahrung immer überse-
    hen, dass es sich um einen Zusammenhang zwischen Er-
    kenntnisverfahren, Urteil und Strafvollzug handelt. Der
    Täter befindet sich nach wie vor im Strafvollzug. Der Zu-
    sammenhang wird durch die Tat, aufgrund derer er sich im
    Strafvollzug befindet, hergestellt.

    Wir sehen für den Täter die Möglichkeit vor, dass der
    Ausspruch der Sicherungsverwahrung rückgängig ge-
    macht und gelöscht wird, wenn sich, nachdem die Siche-
    rungsverwahrung ausgesprochen wurde, nachträglich,
    also während des Strafvollzugs, herausstellt, dass die
    Feststellungen, die das Gericht getroffen hatte, nicht rich-
    tig waren. Wenn wir dies vorsehen, müssen und sollten
    wir uns auch überlegen, die Möglichkeit in Betracht zu
    ziehen, die Sicherheitsverwahrung nachträglich anzuord-
    nen, nämlich dann, wenn sich Tatsachen herausstellen, die
    dem Gericht vorher so nicht bekannt gewesen sind, weil
    es keine Möglichkeit gab, den Täter so genau zu be-
    obachten.

    Den Vorwurf, es fehle die Tat, weise ich zurück. Die Tat
    ist vorhanden. Es liegt ein rechtskräftiges Urteil vor. Der
    Zusammenhang mit der Tat ist durch den Strafvollzug ge-
    geben. Deswegen können Sie nicht sagen, dass wir jeden
    Täter, auch einen, der sich außerhalb des Strafvollzuges
    befindet, festnehmen und bei ihm die Sicherungsverwah-
    rung nachträglich anordnen müssten.


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Unterschied?)


    Das wäre eine Frage des Polizeirechtes. Wenn Sie das,
    was wir vorschlagen, die Sicherungsverwahrung über den
    prozessualen Bereich hinaus, also durch das Voll-
    streckungsgericht, gar nicht wollen, was sagen Sie denn
    dann zur Sicherungsverwahrung über das Polizeirecht?
    Oder wollen Sie überhaupt keine Sicherungsverwahrung
    vorsehen, auch dann nicht, wenn Sie wissen, dass es sich
    um einen potenziell ganz gefährlichen Wiederholungstä-
    ter handelt?