Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001
Heidemarie Ehlert
19218
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Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19219
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(D)
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(B)
Andres, Gerd SPD 19.10.2001
Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 19.10.2001
Bohl, Friedrich CDU/CSU 19.10.2001
Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 19.10.2001*
Klaus
Carstensen CDU/CSU 19.10.2001
(Nordstrand), Peter H.
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 19.10.2001
DIE GRÜNEN
Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 19.10.2001
Joseph DIE GRÜNEN
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 19.10.2001
Friedrich (Altenburg), SPD 19.10.2001
Peter
Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 19.10.2001
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 19.10.2001
Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ 19.10.2001
DIE GRÜNEN
Grund, Manfred CDU/CSU 19.10.2001
Hartnagel, Anke SPD 19.10.2001
Helias, Siegfried CDU/CSU 19.10.2001
Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 19.10.2001
DIE GRÜNEN
Hofbauer, Klaus CDU/CSU 19.10.2001
Janssen, Jann-Peter SPD 19.10.2001
Kramme, Anette SPD 19.10.2001
Lippmann, Heidi PDS 19.10.2001
Louven, Julius CDU/CSU 19.10.2001
Mogg, Ursula SPD 19.10.2001
Müller (Düsseldorf), SPD 19.10.2001
Michael
Neumann (Bramsche), SPD 19.10.2001
Volker
Nietan, Dietmar SPD 19.10.2001
Nooke, Günter CDU/CSU 19.10.2001
Ostrowski, Christine PDS 19.10.2001
Pofalla, Ronald CDU/CSU 19.10.2001
Raidel, Hans CDU/CSU 19.10.2001
Rübenkönig, Gerhard SPD 19.10.2001
Schemken, Heinz CDU/CSU 19.10.2001
Schily, Otto SPD 19.10.2001
Schlee, Dietmar CDU/CSU 19.10.2001
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 19.10.2001
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 19.10.2001
Schösser, Fritz SPD 19.10.2001
Sehn, Marita FDP 19.10.2001
Simm, Erika SPD 19.10.2001
Dr. Spielmann, Margrit SPD 19.10.2001
Dr. Freiherr von CDU/CSU 19.10.2001
Stetten, Wolfgang
Strebl, Matthäus CDU/CSU 19.10.2001
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 19.10.2001
Dr. Thomae, Dieter FDP 19.10.2001
Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 19.10.2001
Türk, Jürgen FDP 19.10.2001
Uldall, Gunnar CDU/CSU 19.10.2001
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 19.10.2001
Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 19.10.2001
Wissmann, Matthias CDU/CSU 19.10.2001
Zierer, Benno CDU/CSU 19.10.2001*
* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur
Änderung des Bewertungsgesetzes (Zusatztages-
ordnungspunkt 7)
Nicolette Kressl (SPD): Vor wenigen Tagen haben
wir in diesem Haus bereits unsere Argumente zu einer
Verlängerung oder Änderung des Bewertungsgesetzes
ausgetauscht oder jedenfalls wir von der SPD-Fraktion
sind auf diesen Tagesordnungspunkt eingegangen,
während die Redner der CDU/CSU- und FDP-Fraktion
eher bemüht waren, die eigene steuerpolitische Fehl-
steuerung, die uns bei der Regierungsübernahme einen
hoch verschuldeten Haushalt bescherte, der derzeitigen
Regierung anzulasten. Der Versuch der Vertreter der
CDU/CSU- und FDP-Fraktion, die Verlängerung des
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
entschuldigt bis
Abgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Bewertungsgesetzes als eigenen Erfolg zu verkaufen, wa-
ren dabei ebenso unglaubwürdig wie die gleichzeitige
Unterstellung, wir wollten die Erbschaftsteuer insgeheim
erhöhen.
Der Gesetzentwurf des Bundesrates ist keineswegs,
wie die FDP irrig glaubt, mit dem FDP-Antrag wort-
gleich. Vielmehr geht er im Gegensatz zu dem FDP-An-
trag vom Februar von einer Grundlage aus, die auch künf-
tigen Entwicklungen standhält. Während die FDP in
ihrem Antrag einfach aus einer fünfjährigen scheinbaren
Stabilität der Immobilienpreise auf eine weitere stabile
Lage für die kommenden fünf Jahre schlussfolgert, haben
wir leider nicht die prophetische Gabe der FDP-Fraktion.
Wie hoch allerdings die Wahrscheinlichkeit der Verwirk-
lichung von Prophezeiungen aus dem FDP-Lager ist, lässt
sich angesichts der von der FDP getätigten 18-Prozent-
Prognosen nur vermuten.
Wir von der SPD-Fraktion verlassen uns lieber auf Tat-
sachen und seriöse Prognosen und halten eine Verlänge-
rung bis zum Jahre 2006 deshalb aus offensichtlichen und
nachvollziehbaren Gründen derzeit für erforderlich. Die
Beruhigung der Immobilienpreise während der vergange-
nen Jahre halten wir dabei nicht wie die FDP-Fraktion für
eine garantiert langfristige Entwicklung. Eine Änderung
dieser Entwicklung ist möglich. Angesichts der derzeit
wieder steigenden Mietpreise ist auch eine Veränderung
des Immobilienmarktes und damit der Immobilienpreise
nicht auszuschließen. Um aber Rechtssicherheit und eine
zuverlässige Rechengrundlage für die steuerpflichtigen
Bürger und die steuerberechtigten Länder zu garantieren,
findet eine erneute Befristung auf fünf Jahre unsere Zu-
stimmung.
Mit Interesse haben wir auch den Entschließungsan-
trag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Frak-
tion gelesen, die ihre Hausaufgaben dann auch noch ab-
liefern wollten. Wer glaubt, etwas ganz Neues liefern zu
müssen, schafft damit nicht unbedingt einen krönenden
Abschluss. Die Begründungsvorschläge der CDU/CSU-
Fraktion enthalten nicht wirklich Neues. Auch die Fehlin-
terpretation rechtlicher Vorgaben wie hier des Bundes-
verfassungsgerichtentscheids, der dem § 138 des
Bewertungsgesetzes zugrunde liegt ist bei der
CDU/CSU nicht wirklich neu. Entgegen der Auffassung
der CDU/CSU-Fraktion hat das Bundesverfassungsge-
richt in seinen Beschlüssen im Jahre 1995 gerade nicht
eine unterschiedliche Bewertung von Grundbesitz und
sonstigem Vermögen für grundsätzlich zulässig gehalten,
sondern im Gegenteil dem Gesetzgeber aufgegeben, die
Ungleichbehandlung zwischen Grundbesitz und anderem
Vermögen zu beseitigen.
Eine unterschiedliche Behandlung setzt übrigens laut
Bundesverfassungsgericht nicht irgendeine Begründung
voraus wie uns die CDU/CSU-Fraktion glauben machen
will vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen gesetzge-
berischen Entscheidung, dass der Gesetzgeber dadurch
das wirtschaftliche und sonstige Verhalten der Steuer-
pflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern und
lenken will.
Aus einer zusätzlichen Belastung des Grundvermö-
gens gegenüber dem sonstigen Vermögen gleich eine Un-
gleichbehandlung als selbstverständlich zu erachten,
zeugt von einer seltsamen Auffassung der Steuergerech-
tigkeit. Hinzu kommt dann noch, dass Anliegergebühren,
die ja wie alle Gebühren für eine konkrete Leistung zu
zahlen sind, von der CDU/CSU als Belastung des Grund-
stücks dargestellt werden. Dies führe, so der CDU/CSU-
Entwurf, ebenso wie die mangelnde Fungibilität also die
fehlende Austauschbarkeit zu einer Belastung von
Grundvermögen, die so unerträglich sei, dass eine Un-
gleichbehandlung erforderlich sei. Bemerkenswert ist ins-
besondere, dass die Beständigkeit von Grundbesitz, die
sonst als der entscheidende Vorteil von Grundbesitz ge-
genüber unbeständigeren Werten gesehen wird, von der
CDU/CSU plötzlich als belastendes Merkmal hingestellt
wird.
Für uns von der SPD-Fraktion gibt es das von der
CDU/CSU vorgeschlagene Abrücken von verfassungs-
rechtlichen Vorgaben an dieser Stelle nicht. Die Verlänge-
rung des § 138 des Bewertungsgesetzes ist für uns eine
Möglichkeit, für einen überschaubaren Zeitraum Rechts-
klarheit zu schaffen. Eine dauerhafte Lösung zur Anglei-
chung der unterschiedlichen Maßstäbe und Verfahren für
die Bewertung von Grundbesitz einerseits sowie von son-
stigem Vermögen andererseits ist weiterhin erforderlich,
um den Anforderungen zu entsprechen, die das Bundes-
verfassungsgericht im Jahre 1995 vorgegeben hat.
Gleichzeitig verfolgen wir von der SPD-Fraktion weiter-
hin unser Steuerentlastungsprogramm und werden des-
halb die Steuerbasis der Erbschaft- und Schenkungsteuer
sichern, indem wir einer neuen Befristung des § 138 des
Bewertungsgesetzes bis zum Jahre 2006 zustimmen.
Entgegen den Vorwürfen der CDU/CSU-Fraktion gilt:
Omas Häuschen ist und wird durch die Steuerpolitik der
SPD keineswegs zum Haus ohne Hüter. Denn Omas
Häuschen bedeutet für die Erben nicht Last statt Gewinn,
sondern steht gerade im Blickpunkt unserer familien-
freundlichen und mittelstandsfördernden Steuerpolitik.
Entgegen der ewigen und langsam unerträglichen
Schwarzmalerei der CDU/CSU-Fraktion ist unser Anlie-
gen die stetige und auf mehr Steuergerechtigkeit abzie-
lende Steuersenkung. Genau dies verwirklichen wir auch
seit dem Regierungswechsel im Jahre 1998.
Im Jahre 1999 wurden die Arbeitnehmer bereits um
9,7 Milliarden DM entlastet, 2000 waren es rund 8 Milli-
arden DM und für dieses Jahr ist aufgrund des Steuerent-
lastungsgesetzes mit einer Steuerentlastung der Privat-
haushalte von beinahe 20 Milliarden DM zu rechnen. Um
Familien zu fördern, halten wir auch im Rahmen des Be-
wertungsgesetzes daran fest, dass das Familienge-
brauchsvermögen stets so zu stellen ist, dass normale Ein-
familienhäuser durch entsprechende Gestaltung der
Freibeträge steuerfrei an die Kinder und Ehepartner ver-
erbt werden können. Wir erhöhen nicht nur das Kinder-
geld und die Freibetragsgrenzen, um die heranwachsende
Generation zu fördern. Wir von der SPD-Fraktion sichern
auch das Familienvermögen für die Zukunft, indem wir
die Erbschaftsteuer durch die Verlängerung des § 138 des
Bewertungsgesetzes bis zum Jahre 2006 ihrer Höhe nach
festlegen.
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Aber nicht nur die Familien werden durch unser Steu-
erkonzept spürbar besser gestellt als noch zu Zeiten der al-
ten Regierung. Auch in anderen Bereichen schaffen wir
Steuererleichterungen. So haben wir beispielsweise zur
Förderung der Unternehmen die Körperschaftsteuer auf
25 Prozent abgesenkt und dadurch neue Mittel für zusätz-
liche Investitionen frei gemacht. Dass im Hinblick auf die
Erbschaftsteuer auch der Mittelstand als Rückgrat unserer
Wirtschaft weiterhin gefördert wird, versteht sich auf-
grund unserer mittelstandsfördernden Politik von selbst.
Deshalb unterstützen wir die steuerlich schonende Über-
tragung von mittelständischen Betrieben und den damit
zusammenhängenden Vermögenswerten von einer Gene-
ration auf die nachfolgenden Generationen. Damit wird
einerseits der Fortbestand von Unternehmen gesichert,
gleichzeitig werden wichtige Innovationen durch eine
neue Unternehmergeneration ermöglicht.
Abschließend möchte ich festhalten, dass wir weiterhin
unseren Kurs der steuerlichen Entlastung der Arbeitneh-
mer und der Familien verfolgen. Dazu zählt auch eine fa-
miliengerechte Erbschaftsteuer, um die Vererbung inner-
halb von Familien nicht unnötig zu belasten. Wir stimmen
dem Antrag des Bundesrats daher zu, die Bewertung des
Grundbesitzes für die kommenden fünf Jahre unverändert
zu lassen. Gleichwohl dürfen wir nicht den Auftrag des
Bundesverfassungsgerichts außer Acht lassen und müssen
uns daher mit der Beseitigung bestehender Ungleichbe-
handlungen befassen, bevor die Befristung im Jahre 2006
ausläuft. Aber wie schon heute gilt auch im Jahre 2006:
Die SPD steht für eine familienfördernde und investiti-
onsfreundliche Steuerpolitik.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Die SPD
wird heute der Fortschreibung der Einheitswerte für die
nächsten fünf Jahre zustimmen. Es ist erfreulich, dass
auch sie zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Steuerer-
höhungen in diesem Bereich, sei es direkt oder sei es in-
direkt über eine höhere Bewertung, fehl am Platze sind.
Die SPD ist und bleibt die Partei der Steuererhöhun-
gen: Die Steuerquote betrug 1998 23,9 Prozent. Sie stieg
1999 auf 25,0 und 2000 auf 25,4 Prozent. Trotz Zuwei-
sung an die Rentenversicherung aus der Ökosteuer stieg
die Abgabenquote von 43,2 Prozent im Jahre 1998 über
44,0 Prozent im Jahre 1999 auf 44,1 Prozent im Jah-
re 2000. Ein Blick auf die Staatsquote belegt das eben-
falls: 1982 betrug sie 50,1 Prozent, 1990 nur noch
46,1 Prozent. Sie stieg durch die Wiedervereinigung 1993
auf 50,6 Prozent an und betrug 1998 48 Prozent, mittler-
weile stehen wir wieder bei 47,5 Prozent und dies nach
der angeblich größten Steuerreform mit Milliarden-Ent-
lastungen für Bürger und Wirtschaft. Davon ist nichts zu
spüren.
Steuererhöhungen in dieser Zeit sind ein falsches Si-
gnal und wirken verheerend, weil sie den Bürgern weitere
Kaufkraft nehmen. Wenn diese für ein und dasselbe Gut
mehr aufwenden müssen, dann müssen sie dieses an an-
derer Stelle einsparen und können dafür keine Waren kau-
fen. Insoweit schwächt jede Erhöhung von Abgaben die
Konsumkraft und wirkt damit negativ auf die Konjunktur.
Die Früchte Ihrer falschen Politik können Sie dieser Tage
ernten.
Gestern nahmen die Institute die Wachstumserwartun-
gen für das laufende Jahr auf 0,7 Prozent zurück. Auch der
Finanzminister musste die Realitäten zur Kenntnis neh-
men und seine Erwartungen auf 0,75 Prozent zurück-
schrauben. Noch vor kurzem hatte er auf 2 Prozent
Wachstum bestanden.
Auch wenn sie heute Vormittag das Thema Erhöhung
der Tabak- und Versicherungsteuer von der Tagesord-
nung absetzen musste, handele es sich nicht um eine bes-
sere Einsicht, sondern schlicht und einfach um die techni-
sche Unfähigkeit, einen praktikablen Gesetzentwurf
vorzulegen. Eine Blamage für Bundesfinanzminister
Hans Eichel, der gerade in dieser Frage persönlich Hand
angelegt hatte!
Auch an diesem Punkt wurde die Doppelzüngigkeit der
SPD wieder einmal deutlich. Das Finanztableau des Ge-
setzentwurfs weist in der Drucksache 14/7062 Steuer-
mehreinnahmen von 1,55 Milliarden Euro (3,03 Milliar-
den DM) im Jahre 2002 aus, die sich auf 1,975 (3,863),
2,040 (3,988) und 2,105 (4,117) im Jahre 2005 steigern
sollen. In Wahrheit ist das zu erwartende Aufkommen viel
höher; es beträgt 5,6 Milliarden DM. Weil nach der Er-
fahrung aus der Vergangenheit der auf eine Steuererhö-
hung folgende Konsumverzicht sich schnell wieder aus-
gleicht und eine weitere Steigerung des Konsums zu
erwarten ist, werden wir ganz schnell wieder bei 140 Mil-
liarden Zigaretten oder 2,8 Milliarden Euro (5,6 Milliar-
den DM) Steuererhöhung sein. Dazu kommt noch die
Mehrwertsteuer von fast 460 Millionen Euro (900 Milli-
onen DM). Hier will sich die Bundesregierung durch ei-
nen so genannten Verhaltensabschlag eine zusätzliche
Sparkasse in Milliardenhöhe zulegen.
Ihre Politik senkt die Binnenkaufkraft. Die Ökosteuer
brachte im Jahre 2000 zusätzlich 7,8 Milliarden DM mehr
als 1999. In dieser Höhe haben Sie die Mehrleistungen an
die Rentenversicherung in der Antwort auf die Kleine An-
frage, Drucksache 14/4410, beziffert. Das hätte rechne-
risch zu einer Senkung der Rentenversicherungsbeiträge
um 0,5 Beitragspunkte reichen müssen. Gesenkt haben
Sie nur um 0,2, das heißt, Sie haben 3,3 Milliarden DM
zurückgegeben und 7,8 Milliarden DM eingenommen,
also 4,5 Milliarden DM abkassiert. Alles andere ist Au-
genwischerei.
Sie haben den Eindruck erzeugt, die Ökosteuer werde
1:1 zur Beitragssenkung eingesetzt; deshalb belaste sie
die Menschen nicht. Im Gegenteil: Die Menschen täten et-
was Gutes, indem sie an der Tankstelle einen Beitrag zur
Rentenfinanzierung erbringen. Das ist angesichts der Fak-
ten ein Betrug an den Menschen. Sie setzen weniger als
die Hälfte zur Beitragssenkung ein. Das bezeichne ich als
moderne Wegelagerei an der Tankstelle und beim Heiz-
öl. Dass die Rentenversicherungsbeiträge nicht in der
vollen Höhe der Ökosteuer gesenkt werden, hat Finanz-
minister Eichel im Übrigen in der Regierungsbefragung
vom 20. Juni 2001 eingeräumt, indem er ausführte: Der
Bürger bekommt das vollständig zurück, denn andernfalls
müssten wir eine Erhöhung des Rentenversicherungsbei-
trages um 0,2 oder 0,3 Punkte zusätzlich machen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19221
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Sie haben von uns im Jahre 1998 eine Steuerquote von
23,9 Prozent übernommen. Diese stieg laut Angaben des
Statistischen Bundesamtes im Jahre 1999 auf 25 Prozent
und im Jahre 2000 auf 25,4 Prozent. 3 Milliarden DM sind
rund 0,07 Prozent des Bruttosozialproduktes des Jahres
2002, wenn man die Zahlen der Steuerschätzung vom Mai
2001 zugrunde legt. Das heißt, die Staatsquote wird allein
durch diese Maßnahme um 0,07 Prozent steigen. Geht
man von der realistischen Einnahmeerwartung aus, die
wesentlich höher liegt, so ergibt sich eine Steigerung um
0,1 Prozentpunkte.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal mit
dem Märchen aufräumen, dass Sie diejenigen seien, die
die Staatsquote gesenkt haben, und wir diejenigen, die sie
erhöht haben. Die Staatsquote betrug nach Angaben des
Statistischen Bundesamtes 1969 39,1 Prozent, 1982 ha-
ben wir von der SPD übernommen 50,1 Prozent, 1989
45,8 Prozent und stieg einigungsbedingt 1990 wieder auf
46,1 Prozent an. Damit wird deutlich, dass unsere Refor-
men in den Jahren 1982 bis 1989 dazu beigetragen haben,
dass die Staatsquote um 4,3 Prozent gesunken ist.
Die Wirkungen auf die Konjunktur werden verheerend
sein. Zu der Steuererhöhung um 3 Milliarden DM kom-
men noch 7 Milliarden DM aus der Ökosteuer hinzu, so-
dass allein der Konsum 2002 um 10 Milliarden DM zu-
züglich Mehrwertsteuer von 1,6 Milliarden DM niedriger
ausfallen müsste, weil den Bürgerinnen und Bürgern die
entsprechende Kaufkraft entzogen ist.
Allein durch die geplante Erhöhung bei der Versiche-
rung- und Tabaksteuer wird die Inflation um 0,3 bis 0,5 Pro-
zent steigen. Inflation ist Diebstahl am kleinen Mann,
weil sie die Bevölkerung am härtesten trifft. Sie wurde
von der Bundesregierung willig durch die Ökosteuer an-
geheizt und setzt sich jetzt in diesem Punkte fort. Was der
heutige Verzicht auf die Erhöhung der Grundsteuer aller-
dings wert ist, wird erst die Zukunft beweisen. Es drängt
sich der Verdacht auf, dass man nur vor der Berlinwahl
und der Bundestagswahl keine Entscheidung treffen will,
die den Bürger verärgern könnte.
Dass dies keine endgültige Einsicht ist, ergibt sich
schon aus der Tatsache, dass die SPD eine eindeutige
Festlegung auf Dauer und damit eine Festschreibung der
Erbschaftsteuer im Finanzausschuss abgelehnt hat. Wir
als CDU/CSU-Fraktion hatten einen entsprechenden Ent-
schließungsantrag eingebracht, um den Bürgern schon
vor anstehenden Wahlen ganz eindeutig unsere Auffas-
sung zu sagen. Dass die SPD eine derartige Festlegung
scheut wie der Teufel das Weihwasser, ist vor dem Hin-
tergrund ihrer wahren Auffassung nur allzu verständlich
und muss hier vor den Augen der Öffentlichkeit noch ein-
mal deutlich gemacht werden.
In Ihrem Bundestagswahlprogramm von 1998 unter
der Überschrift Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit
heißt es: Hohe Privatvermögen an der Finanzierung der
Bildung beteiligen. Im Sinne eines gerechten Lastenaus-
gleichs werden wir dafür sorgen, dass auch die sehr hohen
Privatvermögen wieder einen gerechten Beitrag leisten,
um Bildung und andere öffentliche Dienstleistungen fi-
nanzieren zu können. Dazu werden wir für eine verfas-
sungskonforme Besteuerung dieser sehr hohen Privatver-
mögen sorgen. Es bleibt aber dabei: Das Betriebsvermö-
gen der Unternehmen werden wir freistellen. Mit hohen
Freibeträgen werden wir sicherstellen, dass Normalver-
diener von der privaten Vermögensteuer nicht betroffen
werden. Normale Einfamilienhäuser werden nicht besteu-
ert: Der vorgesehene Freibetrag von zum Beispiel 1 Mil-
lion Mark für eine Familie mit zwei Kindern liegt deutlich
über dem steuerlichen Wert normaler Einfamilienhäuser.
Als Bundeskanzler Schröder die Steuerfreiheit für Be-
triebsveräußerung bei Kapitalgesellschaften durchsetzen
wollte, befand er sich gegenüber den linken Gruppierun-
gen in seiner Partei in großer Erklärungsnot. Um diese auf
einem der Tiefpunkte seiner Popularität im Dezember
1999 zur Zustimmung zu bewegen, versprach er ihnen
Erhöhungen bei der Besteuerung des Grundvermögens
und machte dies in einem Parteitagsbeschluss [vom 7. bis
9. Dezember 1999 unter Beschlüsse Antragsbereich
Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Finanzpolitik, Antrag
W 1 (Beschluss des Parteitages): Innovation und Gerech-
tigkeit Perspektiven sozialdemokratischer Regierungspo-
litik. III. Innovation und Gerechtigkeit Brücken in die
Zukunft Wachstum und Beschäftigung fördern] wie
folgt fest: Eine Reform der steuerlichen Bewertung des
Grundbesitzes. Dabei ist einzubeziehen das Ergebnis der
Expertenkommission, die von der Bundesregierung auf
der Grundlage der Koalitionsvereinbarung eingerichtet
wurde. Hier müssen Lösungen erarbeitet werden, die
mögliche Probleme beim Generationenwechsel in der
mittelständischen Wirtschaft berücksichtigen. Außerdem
wird es bei der Vererbung von Grundvermögen an nahe
Angehörige ausreichende Freibeträge geben.
Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der
SPD-Bundestagsfraktion, Wilhelm Schmidt, plädiert of-
fensichtlich für eine Erhöhung der Erbschaftsteuer. Bei
der Maikundgebung vertrat er laut Wolfenbütteler Zei-
tung vom 2. Mai 2001 die Auffassung, dass zur Verbes-
serung der Situation von Familien und Beziehern kleiner
Einkommen die Einnahmesituation des Staates verbessert
werden müsste. Wörtlich: Dazu seien aber auch Einnah-
meverbesserungen erforderlich. Über die Vermögensteuer
sei dies nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil
nicht mehr möglich, aber es gebe noch andere Wege (er
nannte zum Beispiel die Erbschaftsteuer), um von den
Reichen mehr Geld für die Allgemeinheit zu bekommen.
Soweit das wörtliche Zitat aus der Zeitung. Daraus spricht
purer Neid.
Nicht zu vergessen ist auch die Initiative der SPD-ge-
führten Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklen-
burg-Vorpommern, Niedersachen und Sachsen-Anhalt
vom 22. März 2001 im Bundesrat (Bundesratsdrucksache
229/01), mit der die Bewertung des Grundbesitzes für die
Zwecke der Erbschaftsteuer auf aktuelle Wertverhältnisse
angehoben und damit auf diesem Umweg eine Erhöhung
der Erbschaftsteuer durchgeführt werden sollte.
Dabei war der Bund nicht unbeteiligt. Wie man einer
Pressemeldung des niedersächsischen Finanzministers
vom 29. März 2001 entnehmen kann, hat der Bund die
entsprechende Formulierungshilfe für die Länder geleis-
tet. Aller wies die Kritik von Bundeskanzler Schröder und
Bundesfinanzminister Eichel zurück, indem er ausführte:
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Dass sich der Bund jetzt so positioniert (Anmerkung: ab-
lehnt), ist für die Beteiligten überraschend: Er sei sogar an
der Formulierungshilfe dieses Gesetzentwurfes einer
Ländergruppe unter Federführung von Schleswig-Hol-
stein beteiligt gewesen. Deshalb ist es scheinheilig,
wenn der Bundeskanzler und der Finanzminister Ende
März 2001 plötzlich jegliche Erhöhung der Erb-
schaftsteuer abgelehnt haben.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Die Bundes-
regierung lässt nicht von ihren Plänen, die Erbschaftsteuer
erhöhen zu wollen. Es geht ihr nicht um die sachgerechte
Bewertung von Vermögen, sondern allein um Ideologie.
Anders lässt sich doch die gleichmacherische Auslegung
des Art. 3 Grundgesetz in der Regierungsstellungnahme
in der Bundestagsdrucksache 14/6718, Seite 7 nicht lesen.
Dort steht wörtlich: ... dass eine dauerhafte Lösung eine
Angleichung der unterschiedlichen Maßstäbe und Verfah-
ren für die Bewertung von Grundbesitz einerseits sowie
von sonstigem Vermögen andererseits enthalten muss, um
den verfassungsrechtlichen Anforderungen weiterhin zu
entsprechen.
Dabei meint doch der Gleichheitssatz des Art. 3 Grund-
gesetz etwas ganz anderes. Die Gleichheit des Grundge-
setzes geht von Sachgesichtspunkten aus. Demnach sol-
len im Wesentlichen gleich gelagerte Sachverhalte gleich
bewertet und im Wesentlichen ungleich gelagerte Sach-
verhalte ungleich bewertet werden. Es handelt sich also
um eine abgestufte Gleichheit und nicht um die rot-grüne
Einheits-Gleichheit.
Gerade dieser vom Grundgesetz gewollten abge-
stuften Gleichheit wird die jetzt bestehende Regelung, die
von der CDU/CSU/FDP-Koalition 1997 verabschiedet
worden ist, in besonderem Maß gerecht. Wurde bis dahin
Grundvermögen nach dem Einheitswert bewertet, hat die
damalige Koalition in Umsetzung des Verfassungsge-
richtsurteils von 1995 das sachgerechte Prinzip des Er-
tragswertverfahrens eingeführt. So wird ein Bewertungs-
niveau von 50 bis 70 Prozent der Verkehrswerte erreicht
und das Grundvermögen gegenüber Kapitalvermögen an-
gemessen niedriger bewertet. Warum angemessen?
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts ist es sachgerecht, Grundvermögen niedriger zu
besteuern als Kapitalvermögen, um der geringeren Fungi-
bilität, der höheren Sozialbindung, Mieterschutzbestim-
mungen, öffentlich-rechtlichen Auflagen und zusätzli-
chen Belastungen durch die Grundsteuern gerecht werden
zu können.
Das alles interessiert die rot-grüne Bundesregierung
aber nur vor Wahlen. Dann nämlich wollen die Mieter
wissen, ob durch eine höhere Besteuerung des Grundver-
mögens die Mieten in die Höhe getrieben werden. Somit
können wir auch hier wieder ein Beispiel von Schröders
Vernebelungstaktik erleben. Warum sonst wird die Ver-
längerung des Ertragswertverfahrens bis 2006 unter den
Vorbehalt einer allgemeinen Neuregelung gestellt?
Der schon vorher eingebrachte FDP-Antrag liest sich
dagegen anders: Der Zeitraum wird nach diesem Vor-
schlag zwar ebenfalls bis 2006 verlängert; jedoch wird am
sachgerechten Prinzip des Ertragswertverfahrens festge-
halten.
Wir von der CDU/CSU haben für die kleinen Haus-
eigentümer die klarste Lösung: Wir halten ohne Zeitbe-
grenzung am bewährten Ertragswertverfahren fest. Wir
halten es mit dem Deutschen Siedlerbund, der seine Pres-
semitteilung vom 8. Mai 2000 unter der Überschrift ver-
öffentlichte: Einfamilienhaus vor dem Fiskus retten.
Recht haben die Siedler!
Die ständige Unsicherheit über den Kurs des Bundes-
kanzlers in dieser Frage ist mittlerweile für alle Haus-
eigentümer unzumutbar. Die Bundesregierung hat kein
klares Konzept. Sie will nach wie vor Grundvermögen
neu bewerten.
Schröders Beteuerungen in der Welt vom 2. Dezem-
ber 1999, dass ich nicht an Omas Häuschen ran will sind
doch so viel wert, wie seine damaligen Versprechungen vor
der Bundestagswahl, bei 6 Pfennigen Benzinpreiserhöhung
für die Ökosteuer, sei für ihn das Ende der Fahnenstange
erreicht. Mittlerweile haben wir nicht 6 Pfennig Benzin-
preiserhöhung für die Ökosteuer insgesamt, sondern
6 Pfennig jedes Jahr! Nein: Wer einmal nicht die Wahrheit
spricht, dem glaubt man nicht. Dieses Sprichwort sollen
alle Hauseigentümer sorgfältig bedenken, wenn es um die
Pläne der Bundesregierung zur Erbschaftsteuer geht.
Wir von der Union sagen dagegen: Hände weg von ei-
nem neuen Bewertungsniveau beim Grundvermögen!
Hände weg von der Erbschaftsteuer! Hände weg von
Omas Häuschen!
Ich fordere die SPD deshalb noch einmal auf, eine ein-
deutige Erklärung dahin gehend abzugeben, dass sie künf-
tig keine Erhöhungen der Erbschaftsteuern weder direkt
noch indirekt plant, um den Menschen tatsächlich Si-
cherheit zu geben. Der Bevölkerung rate ich, dieses Ver-
halten zu beobachten, damit die Erbschaftsteuer nicht den
üblichen Gang einer Chefsache geht nach dem Motto: Es
gilt das gebrochene Wort.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit
der heutigen zweiten und dritten Lesung des Bewertungs-
gesetzes auf Vorschlag des Bundesrates wird sicherge-
stellt, dass die Länder auch nach dem 31. Dezember 2001
über die erwarteten Einnahmen aus der Erbschaft- und
Grunderwerbsteuer verfügen können. Die Bemessungs-
grundlage nach dem Ertragswertverfahren für die beiden
Steuerarten wird verlängert.
Mit diesem notwendigen Schritt werden aber die of-
fensichtlichen Mängel des Ertragswertverfahrens nicht
aufgehoben. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Be-
steuerung aller Vermögensarten wird weiterhin verletzt,
sodass nur vorübergehend mit der Methode der Verlänge-
rung der Anwendung des Ertragswertverfahrens gearbei-
tet werden kann. Laut Bericht des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung vom 31. Mai 2001 Wochenbericht
Nr. 22/2001 ergab eine Kaufpreisuntersuchung der Fi-
nanzbehörden für das Jahr 1998, dass die steuerlichen
Grundstückswerte bei bebauten Grundstücken durch-
schnittlich nur 51 Prozent der tatsächlichen Verkehrs-
werte und bei unbebauten Grundstücken 72 Prozent der
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19223
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Verkehrswerte erreichten. Die Auswertung der Stichprobe
von 7 000 Fällen ergab, dass die Wertrelationen nach Re-
gionen und nach dem Alter der Gebäude erheblich
streuen. Diese Tatsache kann die Opposition nicht einfach
negieren, wie die CDU/CSU-Fraktion es mit ihrem Ent-
schließungsantrag tut. Eine gleichmäßige Besteuerung
aller Vermögensarten im Erbschafts- und Schenkungsfall
ist mit rund der Hälfte bei bebauten Grundstücken einfach
nicht gegeben. Ihr Hinweis auf die Grundsteuer, Anlie-
gergebühren oder mangelnde Fungibilität ist einfach ein
Vorwand für das Leugnen von Änderungsbedarf. Bereits
im Mai 2000 hat eine Sachverständigenkommission, ein-
gesetzt vom Bundesministerium der Finanzen, Vor-
schläge für ein verbessertes Bewertungsverfahren vorge-
legt. Auch der Gesetzentwurf der fünf Bundesländer von
Schleswig-Holstein bis Sachsen-Anhalt zeigt mit seinem
Vorschlag zur Änderung des Bewertungsgesetzes die Not-
wendigkeit, den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Be-
steuerung wenigstens annäherungsweise herzustellen.
Bei all diesen Vorschlägen wurde Rücksicht darauf ge-
nommen, dass der Grundbesitz eine andere Vermögensart
ist, als zum Beispiel das Geldvermögen. Außerdem wurde
genau differenziert nach bebauten und unbebauten
Grundstücken sowie nach Landwirtschaftsflächen. Ich
richte deshalb die Aufforderung an die Oppositionspar-
teien von CDU und FDP, sich für eine differenzierte und
gerechte Ausgestaltung des Bewertungsgesetzes einzuset-
zen und nicht den Status quo auf immer zu fordern. Die
Bundesregierung schreibt in Ihrer Stellungnahme zur Ver-
längerung des Bewertungsgesetzes, dass eine dauerhafte
Lösung eine Angleichung der unterschiedlichen Maß-
stäbe und Verfahren für die Bewertung von Grundbesitz
einerseits sowie von sonstigem Vermögen andererseits
enthalten muss, um den verfassungsrechtlichen Anfor-
derungen weiterhin zu entsprechen; vgl. Drucksache
14/6718, Anlage 2. Ich setze mich dafür ein, dass in der
nächsten Legislaturperiode eine Neuregelung angepackt
wird, weil der Zustand der ungleichmäßigen Besteuerung
auf Dauer nicht hingenommen werden kann.
Steuersparen mithilfe der Wahl der Vermögensanlage
vor dem Erbschaftsfall ist eine Kultur, die durch nichts zu
rechtfertigen ist. Die Freibeträge im Erbschaftsteuerrecht
werden so bleiben, dass selbstgenutztes Wohnungseigen-
tum grundsätzlich steuerfrei weitervererbt werden kann.
Omas Häuschen bleibt selbstverständlich steuerfrei. Auch
für Fälle der Betriebsübergabe sieht das Gesetz umfang-
reiche Ermäßigungstatbestände vor. Grundsätzlich gilt es
das Verfassungsgerichtsurteil ernst zu nehmen und den
vorgegebenen Rahmen zur Anwendung zu bringen. Für
uns ist im Gegensatz zu FDP und CDU Steuergerechtig-
keit ein anzustrebendes Ziel und Steuersparen kein zu kul-
tivierender Lebensstil. Wer finanziell leistungsfähig ist,
der kann auch einen größeren Beitrag für die Gesellschaft
leisten. Dies gilt insbesondere auch für die Vermögenden.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Die Bewertungsre-
geln für Immobilien laufen Ende dieses Jahres aus. Wenn
der Gesetzgeber nicht tätig wird, könnte im nächsten Jahr
keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden. Die FDP hat
die Initiative ergriffen und als erste Partei unser Gesetz-
entwurf datiert vom 13. Februar 2001 vorgeschlagen,
das geltende Bewertungsrecht zu verlängern. Damit wol-
len wir Klarheit und Planungssicherheit für die Bürger
schaffen. Ich begrüße es für die FDP ausdrücklich, dass
der Bundesrat mit seinem Gesetzentwurf vom 1. Juni
2001 unserem Vorschlag wortgleich gefolgt ist.
FDP und Bundesrat stimmen darin überein, dass eine
Festschreibung der Wertverhältnisse beim Grundbesitz
für fünf weitere Jahre gerechtfertigt ist. Der durchschnitt-
liche Preisanstieg auf dem Grundstückmarkt führt weder
zu inakzeptablen Wertverzerrungen innerhalb des Grund-
besitzes noch im Vergleich zur anderen Vermögensarten.
Dass die rot-grüne Koalition dieser Auffassung nun-
mehr folgt, ist immerhin zu begrüßen. Dass Sie den zuerst
eingebrachten Gesetzentwurf der FDP ablehnen, dem
gleich lautenden und wohl von der FDP abgeschriebenen
Gesetzentwurf des Bundesrates aber zustimmen wollen,
ist ein Beispiel für den unfairen Stil der Regierungsmehr-
heit im Umgang mit der parlamentarischen Minderheit.
Außerhalb der Politik wäre dies eine Verletzung des Ur-
heberrechts.
Gleichwohl hält die Bundesregierung daran fest, nach
Ablauf der Frist die Bewertungsgrundsätze für Immobi-
lien zu ändern. Welche Folgen hätte das für die Bürger?
Ich darf daran erinnern, dass es im Frühjahr Pläne gab
und wohl auch noch gibt, die Erbschaftsteuer massiv zu
erhöhen. Einige sozialdemokratische Ministerpräsidenten
und auch SPD-Politiker im Bund waren noch im Frühjahr
dafür, durch Änderungen des Bewertungsrechts zum
1. Januar 2002 den Bürgern abermals tief in die Tasche zu
greifen. Das zeigt, dass weite Teile der SPD in keiner
Weise daran interessiert sind, die viel zu hohe Steuerbelas-
tung zu senken. Staatsgläubigkeit und Dirigismus herr-
schen weiterhin vor. Der Glaube ist weit verbreitet, dass
der Staat zugreifen und den Erfolg abschöpfen muss, wo
Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zum Erfolg
führen.
Kurz nach der Verabschiedung der halbherzigen Steu-
erreform sollen bis zum Jahresende die gröbsten Fehler
dieser Politik korrigiert werden. Trotzdem können Sie
sich bis heute nicht dazu entschließen, den zentralen Feh-
ler, nämlich die Benachteiligung von Mittelstand und Ar-
beitnehmern gegenüber den Kapitalgesellschaften, zu be-
seitigen. Nur durch eine konsequente und gerechte
Steuersenkungspolitik kann die Grundlage für mehr In-
vestitionen, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuereinnah-
men gelegt werden. Das bleibt die rot-grüne Bundesre-
gierung bis heute schuldig.
In dieses Bild passt die bereits beschlossene Erhöhung
der Ökosteuer zum 1. Januar. Auch die anstehende Er-
höhung der Tabaksteuer sowie der Versicherungsteuer be-
legt, dass die SPD und auch die Grünen weder den Willen
noch die Kraft haben, wirkliche Steuersenkungen durch-
zusetzen. Für die FDP steht fest: Die Politik dieser Regie-
rung ist schädlich für Deutschland. Daran ändert auch der
Verzicht auf die Erhöhung der Erbschaftsteuer nichts. Der
Grund hierfür liegt einzig darin, dass 2002 ein Wahljahr
ist.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119224
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Dr. Barbara Höll (PDS): Die PDS stimmt der vorlie-
genden Bundesratsinitiative zur Verlängerung des Bewer-
tungsverfahrens von Immobilien im Rahmen der Erb-
schaftsteuer zu, da ohne den vorliegenden Gesetzentwurf
die Erbschaftsteuer ab Januar 2002 nicht mehr erhoben
werden könnte. Damit würden den Ländern fast 6 Milli-
arden DM an Steuereinnahmen verloren gehen und da-
rüber hinaus ein wesentliches Instrument zur Finanzie-
rung gesellschaftlicher Aufgaben sowie des sozialen
Ausgleichs in dieser Gesellschaft.
Das Festschreiben der Wertverhältnisse von Immobi-
lien für weitere fünf Jahre darf aber nicht eine Absage an
die notwendige Reform der Erbschaftsbesteuerung sein.
Wir lehnen deshalb alle diesbezüglichen Versuche seitens
der FDP und der CDU/CSU ab. So behauptet die
CDU/CSU immer wieder, dass das Bundesverfassungs-
gericht eine erbschaftssteuerliche Sonderbehandlung des
Grundvermögens aufgrund seiner geringeren Fungibilität
und stärkeren Sozialbindung geboten hat. Dies ist falsch.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von
1995 klar festgestellt, dass die Werte der wirtschaftlichen
Einheiten in ihrer Relation realitätsgerecht abgebildet
sein müssen. Weiterhin förderte das Bundesverfassungs-
gericht, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung von Frei-
beträgen des zur individuellen Lebensgestaltung not-
wendigen Vermögens also Grundeigentümer und
Inhaber anderer Vermögenswerte in einem gleichen Indi-
vidualbedarf freistellen muss. Grundsätzlich hat das Bun-
desverfassungsgericht also die Gleichbehandlung aller
Vermögensarten verfügt.
Das derzeitige Bewertungsverfahren von Grundbesitz
kommt dem nicht einmal annähernd nach: Die nach dem
derzeit geltenden Ertragswertverfahren ermittelten
Grundstückswerte für bebaute Grundstücke erreichen ge-
rade 51 Prozent, die Werte für unbebaute Grundstücke
72 Prozent der Verkehrswerte. Es muss also sowohl eine
Ungleichbehandlung innerhalb des Grundvermögens als
auch eine massive steuerliche Privilegierung des Grund-
vermögens gegenüber allen anderen Vermögensarten fest-
gestellt werden.
Dies hält die CDU/CSU scheinbar für verfassungs-
gemäß. Aber ihr geht es ja ohnehin nicht um die beson-
dere soziale Funktion des Grundeigentums das hat die
Politik in ihrer Regierungszeit und haben alle seither statt-
gefundenen Diskussionen bewiesen. Ihr geht es vielmehr
darum, eine Reform der Erbschaftsteuer und eine mögli-
che höhere Erbschaftsbesteuerung reicher Erben zu ver-
hindern.
Dies muss vor dem Hintergrund der heutigen Diskus-
sion zum Armuts- und Reichtumsbericht gesehen werden.
Gerade in diesem Bericht wurde ja festgestellt, dass die
Polarisierung weiter zunimmt und Erbschaften eine we-
sentliche Ursache dessen sind. Sie wollen also auf die Be-
steuerung der hohen Erbschaften verzichten und eine Ver-
erbung von sozialer Ungleichheit und die damit ver-
bundene Polarisierung weiter zulassen.
Tatsache ist doch: 100 bis 200 Milliarden DM an Geld-
vermögen werden jährlich vererbt. Bei der Verteilung der
Erbschaften herrscht eine erhebliche Schieflage. In ge-
rade 4 Prozent aller Erbfälle ist der Nachlass höher als
1 Million DM, in der Hälfte der Fälle liegt er unter
100 000 DM. Die Chance einer Reform läge also gerade
darin, diejenigen höher zu belasten, die große Vermögen
erben, ohne gleichzeitig die kleinen Vermögen oder
Omas kleines Häuschen wegzubesteuern. Mit einer sol-
chen Reform ließen sich 15 bis 20 Milliarden DM an
Mehreinnahmen erzielen.
Hinzu kommt, dass Erbschaften zunehmend die sozia-
len Gegensätze innerhalb der Gesellschaft verschärfen.
Schon immer lautete die Regel, dass vor allem Menschen
aus höheren sozialen Schichten zahlreiche und hohe Erb-
schaften erhalten, während die benachteiligt sind, die oh-
nehin um ihre soziale Position kämpfen müssen. Dies ver-
stärkt sich durch die wachsende Kinderlosigkeit. Immer
mehr Menschen erben nicht mehr nur von den Eltern, son-
dern zunehmend auch von anderen Verwandten. Eine im-
mer geringere Zahl an Erben erhalten immer höhere Sum-
men. Hier kann die Erbschaftsteuer ein zu
unterschätzendes Korrektiv sein. Nicht zuletzt die SPD
beschloss ja im Jahr 1999, die Gerechtigkeitslücke
durch ein Mehr an Erbschaftsteuer zu schließen. Also:
Problem erkannt, wo bleibt die Lösung?
Die zweifellos notwendige Reform der Erbschaftsteuer
muss die Besteuerung aber auch strukturell verändern.
Noch immer können überlebende Ehegatten einen zehn-
mal höheren Freibetrag als überlebende Partner bei un-
verheirateten Paaren in Anspruch nehmen und zahlen ent-
sprechend weniger Steuern und dies, obwohl sich die
Lebensweise der Menschen bereits seit Jahren rapide ver-
ändert. Hier muss endlich gehandelt werden, um die ekla-
tante Benachteiligung von zum Beispiel unverheirateten
Paaren aufzuheben.
Die PDS fordert bereits seit Jahren eine Reform der
Erbschaftsbesteuerung. Wir fordern einheitliche Freibe-
träge, eine realitätsnahe Bewertung des Grundvermögens
und einen einheitlichen progressiven Steuertarif. Eine
solche Erbschaftsteuer wäre modern und entspräche ver-
teilungspolitischen Erfordernissen. Ich fordere die Bun-
desregierung auf, bei der Reform der Erbschaftsteuer
nicht erst bis zum nächsten Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts zu warten. Legen Sie so schnell wie mög-
lich ein Konzept auf den Tisch, das eine sozialgerechte so-
wie verfassungsfeste Besteuerung sichert.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif-
ten (Rehabilitierungsgesetzeänderungsgesetz
RehaÄndG) (Tagesordnungspunkt 24)
Hans-Joachim Hacker (SPD): Nach dem Sturz der
SED-Diktatur durch die friedliche Revolution des Herbs-
tes 1989 in der DDR waren die Voraussetzungen dafür ge-
schaffen, Opfer politischer Verfolgung zu rehabilitieren.
Die demokratisch gewählte Volkskammer hat sich dieser
wichtigen Aufgabe gestellt. Ich kann mich noch gut an die
Anhörung im Sommer 1990 erinnern, als erstmals Opfer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19225
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(B)
des SED-Unrechts die Möglichkeit hatten, in der Volks-
kammer der DDR über ihre Schicksale zu sprechen, und
Parlamentarier fanden, die ihnen zuhörten.
Es darf nicht vergessen werden, dass der Deutsche
Bundestag in der Ehrenerklärung vom 17. Juni 1992 all
jenen tiefen Respekt und Dank bezeugt hat, die durch ihr
persönliches Opfer dazu beigetragen haben, nach über
40 Jahren das geteilte Deutschland in Freiheit wieder zu
einen. Der Bundestag hatte damals festgestellt: Die Reha-
bilitierung und Entschädigung der Menschen, die in der
DDR und zuvor in der SBZ Opfer politischer Verfolgung
geworden sind, ist eine Aufgabe von besonderem politi-
schen Gewicht, ein wesentlicher Aspekt der Aufarbeitung
der DDR-Vergangenheit und unverzichtbar für die innere
Einheit.
Die damalige Bundesregierung hätte bei der Erarbei-
tung der Rehabilitierungsgesetze schneller arbeiten müs-
sen. Vor allem hätte sie vermeiden müssen, dass in den
1992 und 1994 verabschiedeten SED-Unrechtsbereini-
gungsgesetzen schwere Schieflagen Eingang gefunden
haben. Die Verantwortung für das Fachressort Justiz lag
damals bei der FDP. Insofern wird man die FDP-Fraktion
auch mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf für ein
Rehabilitierungsgesetzeänderungsgesetz nicht als Vor-
reiter bei der Wiedergutmachung von SED-Unrecht be-
zeichnen können.
Die gravierenden Defizite der beiden genannten Ge-
setze waren die Ursache dafür, dass die Opfer und ihre
Verbände Protest erhoben haben und auch die damalige
Opposition Nachbesserungsvorschläge unterbreitet hat.
Für die SPD-Bundestagsfraktion war dies ein wichtiges
politisches, aber nicht zuletzt auch moralisches Anliegen.
Es bleibt bis heute unerklärlich, warum die damalige Bun-
desregierung diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat.
Diese Tatsachen müssen immer wieder dargestellt wer-
den, weil in jüngster Vergangenheit die CDU/CSU-Frak-
tion mit Vorschlägen an die Öffentlichkeit getreten ist, die
in das damals begründete Entschädigungskonzept nicht
passen und weit über die soliden Vorschläge der SPD-
Bundestagsfraktion aus den 90er-Jahren hinausgehen.
Diese Vorschläge hatte damals die Union mit dem Hin-
weis auf fehlende Finanzen abgelehnt.
Die SPD hat 1998 vor der Bundestagswahl zu Forde-
rungen aus den Opferverbänden Stellung genommen und
im Falle einer Regierungsbeteiligung grundsätzliche
Nachbesserungen zugesagt. Der damalige Kanzlerkandi-
dat Gerhard Schröder hat die Kritik der Verbände auf-
genommen und in fünf Punkten Verbesserungen zugesi-
chert. Diese Zusagen waren keine Wahlkampfverspre-
chen, sondern die SPD hat nach der Bundestagswahl 1998
in Regierungsverantwortung mit dem Zweiten Gesetz zur
Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für
Opfer der politischen Verfolgung in der DDR die Zusagen
eingelöst.
Die Kapitalentschädigung wurde auf einheitlich
600 DM je angefangenen Haftmonat erhöht. Die Hin-
terbliebenen der Todesopfer erhalten von der Stiftung für
ehemalige politische Häftlinge Leistungen ohne Prüfung
der wirtschaftlichen Situation. Die Antragsfristen in den
drei Rehabilitierungsgesetzen wurden um zwei Jahre ver-
längert. Der Stiftungsfonds der Stiftung für ehemalige
politische Häftlinge wurde aufgestockt, um die Möglich-
keiten zu verbessern, den aus den Gebieten jenseits von
Oder und Neiße Zivildeportierten bzw. -internierten Un-
terstützungsleistungen zu gewähren. Die Länder wurden
aufgefordert, eine nochmalige Überprüfung bei der Aner-
kennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden vor-
zunehmen.
Der finanzielle Kostenrahmen dieses Gesamtpaketes
umfasste rund 400 Millionen DM. Er war anteilig vom
Bund und den ausführenden Ländern zu tragen. Bei den
Haushaltsberatungen für das Jahr 2001 hat die SPD-Bun-
destagsfraktion durchgesetzt, dass die Stiftung für ehe-
malige politische Häftlinge einen weiteren zusätzlichen
Betrag in Höhe von 5 Millionen DM erhält, um die Un-
terstützung für die Zivildeportierten bzw. -internierten
von jenseits der Oder und Neiße noch weiter zu verbes-
sern.
Zahlreiche Anfragen und Zuschriften aus den letzten
Monaten sind für mich ein Beweis, dass diese massiven
und notwendigen Verbesserungen der Rechtsstellung der
Opfer der SED-Diktatur und der stalinistischen Verfol-
gung bei den Opfern die Entscheidung beflügelt hat, nun-
mehr Rehabilitierungsanträge zu stellen. Sicherlich kann
man sich fragen, warum die Betroffenen nicht bereits
früher Anträge gestellt haben. Das ist jedoch für mich
nicht die Kernfrage. Die Kernfrage ist: Wie können wir
den Opfern helfen, damit sie zu ihrem Recht kommen?
Und: Wie können wir gewährleisten, dass sie in den Ge-
nuss gesetzlicher Leistungen kommen?
Wenn es richtig ist davon gehen die Landesbehörden
aus , dass eine nicht unbedeutende Zahl von Verfol-
gungsopfern mit Sicherheit auch im nächsten Jahr noch
Anträge auf Rehabilitierung stellen werden, dann droht
Verfolgungsopfern Rechtsverlust; denn die gesetzliche
Antragsfrist nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungs-
gesetz wäre abgelaufen, wenn wir jetzt nicht handeln.
Nach bereits erfolgter Verlängerung können gemäß § 7
des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes Anträge auf
Aufhebung rechtsstaatswidriger Entscheidungen erfolg-
reich nur noch bis zum 31. Dezember 2001 gestellt wer-
den. Von der termingerechten Antragstellung ist der Aus-
spruch der Rehabilitierung, jedoch auch die Gewährung
der sozialen Ausgleichsleistungen Kapitalentschädi-
gung, Unterstützungsleistungen abhängig.
Die SPD-Bundestagsfraktion würde es als eine unver-
tretbare Härte für die Opfer von SED-Diktatur ansehen,
wenn in Kenntnis der Tatsache, dass weiterhin Anträge
eingehen, die gesetzliche Antragsfrist auslaufen würde.
Wir greifen daher die Initiative der FDP-Fraktion auf und
unterstützen eine nochmalige Verlängerung der Antrags-
frist gemäß § 7 des Strafrechtlichen Rehabilitierungs-
gesetzes um zwei Jahre, das heißt bis zum 31. Dezember
2003.
Einen solchen Regelungsbedarf sehe ich dagegen bei
der Fristverlängerung für das Verwaltungsrechtliche Re-
habilitierungsgesetz sowie das Berufliche Rehabilitie-
rungsgesetz nicht. Ich plädiere dafür, dass wir die Bera-
tungen im Rechtsausschuss zügig beginnen, damit die
Fristverlängerung für das Strafrechtliche Rehabilitie-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119226
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rungsgesetz gesichert wird. Über die weiteren Fragen aus
dem FDP-Antrag werden wir dann ebenfalls sprechen
können.
Hartmut Büttner (Schönebeck) (CDU/CSU): Der
Deutsche Bundestag hat mit zahlreichen Initiativen und
Gesetzen versucht, das von der SED-Diktatur zu verant-
wortende schreiende Unrecht aufzuarbeiten und, wo es
noch möglich war, die Folgen zumindest etwas zu mil-
dern. Kernstücke waren die beiden SED-Unrechtsbereini-
gungsgesetze vom 29. Oktober 1992 und 23. Juni 1994.
Diese Gesetze sind in den Folgejahren weiter verbessert
worden.
Gerade wir Abgeordnete, die wir uns seit Jahren immer
wieder für die Opfer der zweiten Diktatur auf deutschem
Boden einsetzen und engagieren, haben es als bitteren
Schlag empfunden, dass ausgerechnet die ehemals sys-
temnahen Personen einschließlich der Stasimitarbeiter
rentenrechtlich durch ein Urteil besser gestellt werden
mussten. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsge-
richts war vom Deutschen Bundestag umzusetzen. Der
Gesetzgeber war aber frei in seinen Handlungsmöglich-
keiten, auch den Rentenbezug der Opfer des SED-Regi-
mes zu verbessern.
Die Fraktionen vorn SPD und Grünen in diesem Haus
haben es zu verantworten, dass die Schere zwischen Tä-
tern und Opfern jetzt weiter denn je auseinander klafft.
Unser Antrag, für die Haft- und Zersetzungsopfer eine
monatliche Ehrenpension von 1 000 DM zu zahlen, wurde
alternativlos abgelehnt. Damit wird das Gefühl der SED-
Opfer und ihrer Verbände verstärkt, erneut zu den Verlie-
rern der deutschen Geschichte zu gehören.
Wir sollten auch aus diesen Erfahrungen heraus einen
Vorschlag aufgreifen, der uns von den Landesbeauftrag-
ten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR bereits im Februar erreichte. Die fünf
Landesbeauftragten von Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen und Sachsen regten
an, die am 31. Dezember dieses Jahres auslaufende Frist
zur Antragstellung für die beiden SED-Unrechtsbereini-
gungsgesetze unbefristet zu verlängern. Als Begründung
wurde genannt, dass noch breite Kreise von Berechtig-
ten von den rechtlichen Möglichkeiten der Rehabilitie-
rung nichts erfahren hätten. Als Beleg wurden Aktionen
der Landesbeauftragten in Thüringen und Sachsen-An-
halt genannt, nach denen zahlreiche Personen erstmals
Anträge nach Vor-Ort-Beratungen gestellt haben. Die
Landesbeauftragten waren selbst überrascht über das
plötzliche zahlenmäßige Ansteigen der Antragstellun-
gen nach den Aktionen. Auch elf Jahre nach der Wieder-
vereinigung besteht immer noch ein Beratungsbedarf.
Damit SED-Opfer am 2. Januar 2002 ihren Erfahrun-
gen mit dem demokratischen Deutschland nicht eine wei-
tere Enttäuschung hinzufügen müssen, sollte der Deut-
sche Bundestag die Frist für die Antragstellung beider
Gesetze verlängern. Die Landesbeauftragten hatten sogar
angeregt, die Fristen aus den Rehabilitierungsgesetzen
ganz zu streichen. Die FDP-Fraktion schlägt eine Verlän-
gerung um zwei Jahre vor. Von der Bundesregierung und
den sie tragenden Parteien hört man überhaupt nichts zu
diesem Thema. Obwohl alle Fraktionen des Deutschen
Bundestages zweimal im Februar und Oktober von den
Landesbeauftragten und auch von den Opferverbänden
VOS, BSVL und Bürgerbüro im Juni angeschrieben wor-
den sind, gab es von der Koalition bisher keinerlei Reak-
tion.
Sie, meine Damen und Herren, sollten die Gelegenheit
jetzt nutzen, sich in den Ausschüssen des Deutschen Bun-
destages unseren Antrag zu eigen zu machen. Wir werden
in den Ausschüssen den Antrag stellen, die Antragsfrist
für Leistungen nach dem strafrechtlichen, verwaltungs-
rechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsgesetz bis
zum 31. Dezember 2006 zu verlängern. Wir verbinden
diesen Verlängerungsantrag mit dem Wunsch und der
Aufforderung, dass diese fünf Jahre von allen öffentlichen
und nicht öffentlichen Stellen, die sich mit der SED-Op-
fer-Thematik befassen, genutzt werden müssen, um die
Betroffenen über die Rehabilitierungsmöglichkeiten zu
beraten. Neben den Opferverbänden sollten vor allem die
Landesbeauftragten für die Stasiakten ihre Aktionen auch
über die anderen Länder ausdehnen. Damit hätten wir ei-
nen Beitrag für mehr Rechtsfrieden und mehr Gerechtig-
keit in Deutschland geleistet.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich könnte dem Kollegen Professor Schmidt-
Jortzig fast meine Anerkennung aussprechen. Er hat aus
seiner Zeit als Justizminister offensichtlich seine Wieder-
vorlagemappe für ablaufende Gesetze bei sich behalten.
In der Tat stehen die Änderungen der Fristen in den drei
genannten Rehabilitierungsgesetzen auf der Tagesord-
nung. Es gibt dazu auch die Grundsatzabsprache inner-
halb der Koalition über eine Verlängerung, zumindest der
Fristen des strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes.
Lassen Sie mich zu diesem leidigen Thema der Fristen
ein paar grundsätzliche Anmerkungen machen. Ich habe
insgesamt immer große Probleme mit den Befristungen
von Rehabilitierungsleistungen und Rentenansprüchen.
Ich kenne zu gut das elende Gewürge bei der Verlänge-
rung der Fristen beim Bundesentschädigungsgesetz. Auch
hier folgten immer wieder neue Verlängerungen. Es ist ein
grundlegender Irrtum zu glauben, Geschichte durch Be-
fristungen abhandeln zu können. Je ungeduldiger und
drängender man das versucht, umso heftiger wird einen
die Geschichte einholen. Die Geschichte hat auch gerade
in ihren tragischen Teilen ein Gesicht: Das sind die Opfer
von Verfolgung.
Wir müssen uns immer wieder klar machen, dass Op-
fer von Verfolgung nicht im Takt bundesdeutscher Büro-
kratie denken und handeln. Wir haben es oft mit Men-
schen zu tun, die für ihr Leben gezeichnet sind durch das,
was ihnen widerfahren ist. Sie haben alle traumatische Er-
fahrungen mit dem Staat gemacht. Wenn ich mir das
Elend bei der Anerkennung von Gesundheitsschäden
durch so genannte Sachverständige ansehe, kann ich das
Misstrauen der Betroffenen sogar verstehen.
Diese Probleme bei der Befristung waren schon von
Anfang an klar. Ich empfehle Ihnen: Lesen Sie einmal in
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 2001 19227
(C)
(D)
(A)
(B)
den alten Protokollen nach, was Wolfgang Ullmann schon
bei der Verabschiedung des ersten Unrechtsbereinigungs-
gesetzes im Oktober 1992 dazu gesagt hat. Immer wieder
hat er den damaligen Gesetzgeber vor zu engen Befris-
tungen gewarnt. Die Karriere der Rehabilitierungsgesetze
hat ihm voll Recht gegeben.
Es waren aber die Justizminister der FDP, namentlich
Herr Kinkel, Frau Leutheusser-Schnarrenberger und zu-
letzt Herr Schmidt-Jortzig, die seit nunmehr neun Jahren
die Praxis der kurzen Fristen begründet haben. Alle Jahre
wieder sitzen wir seitdem zusammen und verlängern vor
uns hin. Dabei wissen wir alle genau, dass sich die Opfer
von Verfolgung und staatlicher Gewalt nicht allein an-
hand abstrakter Normen an den Staat wenden, sondern
wenn es ihre persönliche Aufarbeitung der Leidensge-
schichte zulässt. Wer erst nach Jahren die Kraft hat, einen
Antrag auf Einblick in die Unterlagen der Bundesbeauf-
tragten für die Stasiunterlagen zu nehmen und auf diese
Erkenntnisse sein Rehabilitierungsverfahren etwa für
berufliche Benachteiligungen aufzubauen, sollte dafür
nicht bestraft werden. Das Gleiche gilt auch für einen Be-
rufstätigen, der erst beim Eintritt in die Rente so weit ist,
einen Ausgleich für die Verfolgung zu beantragen. Daraus
sollte man den Menschen keinen Vorwurf machen und
schon gar keinen Nachteil entstehen lassen.
Dieses ewige Hin und Her bei den Antragsfristen ist
aus drei Gründen ein rechtspolitisches Ärgernis. Zum ei-
nen wissen die Opfer, um die es uns geht, nicht, woran sie
sind. Diese Praxis trägt nicht zur Beruhigung und zur Si-
cherheit, sondern zu Misstrauen und Verwirrung bei.
Zweitens. Der Staat selbst macht sich nicht glaubwürdi-
ger, wenn er mal so, mal so agiert. Jeder Frist ist willkür-
lich die Verlängerung ist es letztlich auch. Warum drei
Jahre, warum nicht fünf oder zehn Jahre? Drittens. In Er-
wartung der ablaufenden Fristen haben die Länder mitt-
lerweile ihre Rehabilitierungsbehörden abgebaut. Das
heißt natürlich auch, dass immer weniger kompetente
Stellen für die Betroffenen zuständig sind. Das ist auch
der Grund, warum wir im Ergebnis nicht zu der von mir
gewünschten völligen Aufhebung der Fristen gelangen,
sondern wieder nur zu einer befristeten Verlängerung.
Ich denke, wir werden im Ausschuss keine Mühe ha-
ben, uns zügig zu verständigen und eine einvernehmliche
Lösung im Interesse der Betroffenen zu finden.
Cornelia Pieper (FDP): Der heute von uns in erster
Lesung zu beratende Gesetzesentwurf zur Verlängerung
der Antragsfristen in den Rehabilitierungsgesetzen sollte
eigentlich in diesem Hause allenthalben Zustimmung fin-
den können. Denn mit ihm wird einem Problem Rechnung
getragen, das ganz grundsätzlich mit dem Rechtsfrieden
in unserem Land zusammenhängt: der rechtlichen Aufar-
beitung von 40 Jahren DDR-Unrecht zugunsten der Op-
fer.
Viele Bürger in der ehemaligen DDR haben in unter-
schiedlicher Weise unter dem Zwangsregime gelitten: Die
einen wurden als missliebige Dissidenten verhaftet, eini-
gen wurden grundlos ihr Vermögen und ihre Existenz ent-
zogen, andere wiederum wurden in ihren beruflichen Zu-
kunftschancen nachhaltig behindert. Diese Bürger, die
teilweise bis heute an den unbestritten rechtsstaatswidri-
gen Maßnahmen leiden, sollten mit den SED-Unrechts-
bereinigungsgesetzen, soweit es im Nachhinein möglich
ist, rehabilitiert werden. Daher sehen die betreffenden Ge-
setze vor, auf Antrag der Betroffenen die rechtsstaatswid-
rigen Maßnahmen aufzuheben und je nach Fallkonstella-
tion eine entsprechende Entschädigung zu gewähren.
Allerdings existiert in allen drei Fällen für die Opfer
eine Ausschlussfrist für die Antragstellung. Wer als Be-
troffener nicht spätestens bis zum 31. Dezember dieses
Jahres, also in rund zehn Wochen, einen Antrag auf Reha-
bilitierung bei dem zuständigen Amt gestellt hat, hat kei-
nerlei Möglichkeit mehr, berechtigte Wiedergutmachung
für erlittenes Unrecht zu erhalten. Eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand ist ebenfalls nicht möglich. Man
stelle sich dies vor: Wer beispielsweise zwei Jahre lang in
Bautzen eingekerkert worden war, weil er sich weigerte,
seinen Freund für die Stasi auszuspionieren, und nun nach
der Wiedervereinigung hoffte, endlich für dieses Leiden
entschädigt zu werden, dem müsste am 2. Januar 2002
vom Staat beschieden werden, dass sein Anspruch zwar
berechtigt wäre, aber leider nicht fristgerecht eingereicht
wurde. Malen Sie sich bitte aus, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, welche Verbitterung dies über die subjektiv so
empfundene erneute Rechtsversagung verursachen
würde. Ich jedenfalls wollte diese Entscheidung nicht fäl-
len müssen.
Es wird eingewandt werden, die Betroffenen hätten seit
1994 genug Zeit gehabt, sich um ihr Recht zu kümmern,
irgendwann müsse Schluss sein. Dem möchte ich nach-
drücklich zwei Gesichtspunkte entgegenhalten.
Erstens. Zwar ist es völlig richtig, dass zur Herstellung
von Rechtsfrieden auch gehört, Anspruchsausschlussfris-
ten gesetzlich festzulegen, um einen überschaubaren Zeit-
rahmen für die Rechtsgemeinschaft herzustellen, insbe-
sondere den Finanzierungsbedarf verlässlich abschätzen
zu können. Dieser Gesichtspunkt sollte aber nicht zur
Folge haben, dass eine große Anzahl von berechtigten An-
sprüchen von Opfern überhaupt nicht mehr durchdringen
kann. Vor dem Gedanken des Anspruchs der Rechtsge-
meinschaft auf Rechtssicherheit und -klarheit muss im-
mer noch die Herstellung von materiellem Rechtsfrieden
stehen. Und den, ich wiederhole es, erlangt man eben
nicht durch die endgültige Versagung zu vieler Ansprüche
durch Verfristung. Dieses gilt insbesondere dann, wenn
der Anspruchsgegner nicht eine Privatperson ist, sondern
eben die öffentliche Hand, zudem noch als Rechtsnach-
folger eines Unrechtsstaates.
Die Praxis zeigt außerdem, dass immer noch nicht alle
Betroffenen ausreichend Kenntnis von den Möglichkeiten
zur Rehabilitation erlangt haben. Das fängt an bei der an-
scheinend verbreiteten Unkenntnis über die Gesetzeslage,
geht über Schwierigkeiten, die richtige Behörde zu fin-
den, bis hin zu praktischen Problemen bei der Antragstel-
lung. Das jedenfalls tragen immer wieder Opferverbände
vor und auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:
So sind die Antragszahlen höchst unterschiedlich verteilt,
obwohl doch eine zumindest ungefähr gleichförmige Ver-
teilung zu erwarten gewesen wäre. Dass nach wie vor
großer Bedarf besteht, lässt sich auch daran festmachen,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 196. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Oktober 200119228
(C)
(D)
(A)
(B)
dass regelmäßig nach Beratungstagen in den neuen Bun-
desländern oder ausführlicheren Zeitungsartikeln die An-
tragszahlen sprunghaft und signifikant ansteigen. Es
braucht also schlicht noch mehr Zeit, um all diesen Men-
schen, die Opfer eines Unrechtsstaates waren, Gerechtig-
keit widerfahren zu lassen.
Zweitens. Auch die Konferenz der Landesbeauftragten
für die Stasi-Unterlagen haben in dem Schreiben an die
Vorsitzende des Innenausschusses deutlich gemacht, dass
sie eine Verlängerung der Frist um eine Spanne von noch
zwei Jahren für erforderlich halten. Es gibt eben noch zu
viele nicht rehabilitierte Bürger in unserem Land! So sieht
das im übrigen auch das in diesen Fragen besonders ak-
tive und über jeden Zweifel erhabene Bürgerbüro von
Bärbel Bohley.
Wer wollte also ernsthaft behaupten, dass es diesen Be-
darf in den neuen Ländern nicht gibt? Wer wollte ernsthaft
den Bürgern ihr Recht versagen, nämlich das Recht auf
vollständige Rehabilitierung und Anerkennung ihres Le-
benswegs?
Meine Fraktion und ich meinen, dass eine Verlänge-
rung der Antragsfristen um zwei Jahre eine ebenso sinn-
volle, berechtigte, ja notwendige, aber auch maßvolle
Maßnahme ist, um dem Rechtsfrieden in unserem nun
vereinigten Land zu dienen.
Ich werbe, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,
um ihre Unterstützung in den nun folgenden, zügig durch-
zuführenden Beratungen und hoffe, dass Sie genauso wie
wir Liberalen willens und entschlossen sind, den Opfern
von damals auch heute zu helfen, denn gerade in der Güte
gegenüber Opfern zeigt sich die Größe einer Bürgerge-
sellschaft.
Petra Pau (PDS): Der Vorschlag, der uns heute hier
vorliegt, ist offensichtlich notwendig geworden. Auch in
meine Sprechstunde kommen immer mehr Menschen,
welche in der DDR Repressionen erlitten haben, denen
aber bis heute nicht klar ist, welche Ansprüche auf mora-
lische wie auch materielle Wiedergutmachung bzw. auch
Anerkennung ihrer Leiden ihnen zustehen. Deshalb wer-
den wir den Vorschlag der FDP in den Ausschussberatun-
gen nicht nur wohlwollend prüfen, sondern wir denken
auch über diesen uns nun vorliegenden Antrag hinaus da-
rüber nach, auf welche Art und Weise betroffenen Frauen
und Männern ihre Ansprüche bekannt gemacht werden
können und wie man die offensichtlich vorhandene emo-
tionale Hürde vor entsprechender Antragstellung noch
weiter absenken kann. Dies ist auch eine Frage, welche
ich der Bundesregierung und den Regierungen der Länder
in diesem Zusammenhang vorlegen möchte.
Nun werden viele von Ihnen einwenden, dass sich die
Volkskammer und auch der Bundestag bei der ersten Ver-
längerung etwas dabei gedacht haben, und es im Wesen
solcher Gesetze liegt, dass auch für alle durchschaubare
Fristen zur Antragstellung gesetzt werden Wir haben es
aber hier offensichtlich mit einem komplizierteren Sach-
verhalt zu tun. Wir versuchen einerseits, Geschichte auf-
zuarbeiten und so etwas wie Schuld abzutragen, und
gleichzeitig, Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu las-
sen und das nach einem historisch ausgesprochen kur-
zen Zeitraum, der für die Betroffenen aber wahrscheinlich
unendlich lang ist. Auch deshalb sollten wir gemeinsam
darüber nachdenken, wie wir in dieser Bundesrepublik
nicht nur zusammen leben, sondern uns mit unserer sehr
unterschiedlichen Geschichte und dem, was Menschen im
Namen einer Idee angetan wurde, umgehen.
Anlage 4
Amtliche Mitteilungen
Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mitge-
teilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Ge-
schäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nach-
stehenden Vorlage absieht:
Haushaltsausschuss
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 60 02 Titel 540 01
Münzausgaben
Drucksachen 14/6925, 14/6995 Nr. 4
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Haushaltsausschuss
Drucksache 14/6214 Nr. 2.1
Ausschuss für Kultur und Medien
Drucksache 14/6395 Nr. 2.2
Drucksache 14/6395 Nr. 2.3
Drucksache 14/6395 Nr. 2.4
Drucksache 14/6395 Nr. 2.5
Drucksache 14/6395 Nr. 2.6
Drucksache 14/6395 Nr. 2.7
Drucksache 14/6395 Nr. 2.8
Drucksache 14/6395 Nr. 2.9
Drucksache 14/6395 Nr. 2.10
Drucksache 14/6395 Nr. 2.11
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Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin