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    Begrüßung des Parlamentspräsidenten Radi aus Marokko und seiner Delegation . . . . . . . 17865 A Glückwünsche zum Geburtstag der Abge- ordneten Robert Leidinger und Wolfgang Zeitlmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17865 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 17865 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 7, 24, 27 und 30 i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17866 C Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 17866 C Begrüßung des peruanischen Staatspräsiden- ten Dr. Alejandro Toledo . . . . . . . . . . . . . . . 17895 B Begrüßung des Vorsitzenden der Koreanisch- Deutschen Parlamentariergruppe der Natio- nalversammlung der Republik Korea, Herrn Hwa-Kap Hahn, und seiner Delegation 17983 D Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über verfassungs- konkretisierende allgemeine Maß- stäbe für die Verteilung des Umsatz- steueraufkommens, für den Finanz- ausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundes- ergänzungszuweisungen (Maßstäbe- gesetz – MaßstG) (Drucksachen 14/5951, 14/5971, 14/6533, 14/6535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17866 C b) Antrag der Fraktion der PDS: Verläss- liche Perspektiven für Ostdeutsch- land und auch für die westdeutschen Steuerzahlenden sichern (Drucksache 14/6492) . . . . . . . . . . . . . 17867 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 17867 A Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 17870 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17872 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 17874 D Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17876 B Ortwin Runde, Erster Bürgermeister (Hamburg) 17877 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 17879 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17881 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . 17882 B Gisela Frick F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17883 A Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17883 D Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17885 C Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17886 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17888 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17888 C Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 17889 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 17889 D Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17892 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 17894 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17900 A Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Norbert Geis, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kriminalität wirksamer bekämpfen – innere Sicherheit gewährleisten (Drucksache 14/6539) . . . . . . . . . . . . . 17895 A Plenarprotokoll 14/182 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 182. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 I n h a l t : b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Roland Pofalla, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüber Kinder- und Jugenddelin- quenz (Drucksachen 14/3189, 14/6546) . . . . 17895 A c) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Zuständigkeit für die Anordnung einer DNA-Untersu- chung bei Spuren (Drucksache 14/5264) . . . . . . . . . . . . . 17895 C Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 17895 B Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17896 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17899 B Wolfgang Wieland, Senator (Berlin) . . . . . . . 17902 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17902 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17904 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17905 D Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . . . . . . . . . . 17907 A Jörg Schönbohm, Minister (Brandenburg) . . . 17908 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . 17910 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17911 C Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17912 D Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 17913 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 17914 D Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . . . . . . . . . . 17916 C Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . . 17917 A Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17918 B Tagesordnungspunkt 29: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts- mittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) (Drucksache 14/6393) . . . . . . . . . . . . . 17919 C b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung bilanzrecht- licher Bestimmungen an die Ein- führung des Euro, zur Erleichterung der Publizität für Zweigniederlas- sungen ausländischer Unternehmen sowie zur Einführung einer Qua- litätskontrolle für genossenschaftli- che Prüfungsverbände (Euro-Bilanz- gesetz – EuroBilG) (Drucksache 14/6456) . . . . . . . . . . . . . 17919 C c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Euro im Berufsrecht der Rechtspflege, in Rechtspflegegesetzen der ordentli- chen Gerichtsbarkeit und in Geset- zen des Straf- und Ordnungswidrig- keitenrechts (Drucksache 14/6371) . . . . . . . . . . . . . 17919 D d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Statis- tik über die Berherbergung im Reise- verkehr (Beherbergungsstatistik gesetz – BeherbStatG) (Drucksache 14/6392) . . . . . . . . . . . . . 17919 D e) Antrag der Abgeordneten Rudolf Bindig, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Prävention und Bekämpfung von Frauenhandel (Drucksache 14/6540) . . . . . . . . . . . . . 17920 A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren (Ergänzung zu TOP 29) a) Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Ressort- forschung überprüfen -– Effizienz der Forschung steigern (Drucksache 14/5329) . . . . . . . . . . . . . 17920 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Ge- setzes zur Änderung des Wahlstatis- tikgesetzes (Drucksache 14/6538) . . . . . . . . . . . . . 17920 B Tagesordnungspunkt 30: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001II dem Europäischen Übereinkommen vom 25. Januar 1996 über die Aus- übung von Kinderrechten (Drucksachen 14/5438, 14/6526) . . . . 17920 B b) – Zweite Beratung und Schlussab- stimmung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Überein- kommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (Drucksachen 14/5437, 14/6583) 17920 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rege- lung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adop- tion und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts (Drucksachen 14/6011, 14/6583) 17920 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Norbert Geis, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ratifizierung des Haager Adoptionsabkommens (Drucksachen 14/4932, 14/6583) . . . . 17921 A d) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Tsche- chischen Republik vom 2. Februar 2000 zur weiteren Erleichterung des Rechtshilfeverkehrs (Drucksachen 14/6101, 14/6534) . . . . 17921 B e) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS eingebrachten Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeord- netengesetzes (Drucksachen 14/6311, 14/6507) . . . . 17921 C f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Vorschriften des Dienst-, all- gemeinen Verwaltungs-, Sicherheits-, Ausländer- und Staatsangehörigkeits- rechts auf Euro (Sechstes Euro-Ein- führungsgesetz) (Drucksachen 14/6096, 14/6536) . . . . 17921 D g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesmi- nisteriums für Wirtschaft und Tech- nologie sowie des Bundesministe- riums für Bildung und Forschung auf Euro (Neuntes Euro-Einführungs- gesetz) (Drucksachen 14/5937, 14/6552) . . . . 17922 A h) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkom- men vom 22. September 2000 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und dem Großherzogtum Lu- xemburg über Zusammenarbeit im Bereich der Insolvenzsicherung be- trieblicher Altersversorgung (Drucksachen 14/5439, 14/6447) . . . . 17922 B j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Rolf Kutzmutz, Gerhard Jüttemann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Fertigung des Airbus A 3xx struktur- und umweltpolitisch sinn- voll organisieren (Drucksachen 14/3677, 14/4690) . . . . 17922 C k) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 9 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 14/6494) . . . . . . . . . . . . 17922 C l) – p) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 280, 281, 282, 283, 284 zu Petitionen (Drucksachen 14/6471, 14/6472, 14/6474, 14/6475, 14/6476) . . . . . . . . . . . . . . . 17922 D Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 30) a) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Drucksachen 14/6107, 14/6574) . . . . 17923 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 III Abgeordneten Christine Ostrowski, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Vor- lage einer Verordnung zur Umset- zung des § 6 a des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe- Gesetzes (Drucksachen 14/4399, 14/4692) . . . . 17923 C c) – i) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291 zu Peti- tionen (Drucksachen 14/6556, 14/6557, 14/6558, 14/6559, 14/6560, 14/6561, 14/6562) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17923 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur steigenden Arbeitslo- sigkeit im vierten Monat in Folge . . . . . 17924 B Hansjürgen Doss CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17924 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17925 C Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17927 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17928 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17929 C Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 17930 D Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 17933 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17934 D Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 17936 A Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17937 B Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 17938 D Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17940 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 17941 B Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17942 B Tagesordnungspunkt 5: a) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Das Kioto-Protokoll ratifizieren und um- setzen (Drucksache 14/6542) . . . . . . . . . . . . . 17943 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Cajus Caesar, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung 6. Weltklima- konferenz – Chancen für mehr Klimaschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Agenda für eine Initiative Deutschlands zum internationalen Klimaschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Birgit Homburger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Solarbericht (Drucksachen 14/4887, 14/4890, 14/1234, 14/6187) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17943 C c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Nationales Klimaschutzprogramm Fünfter Bericht der Interministeriel- len Arbeitsgruppe „CO2-Reduktion“ (Drucksache 14/4729) . . . . . . . . . . . . . 17943 D d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Börsen- handel mit Emissionszertifikaten in Deutschland konkret vorbereiten (Drucksachen 14/4395, 14/5588) . . . . 17943 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bay- reuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: CO2-Ausstoß im Gebäude- bereich senken (Drucksachen 14/660, 14/5302) . . . . . 17944 A f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Peter Paziorek, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Of- fensive zur Reduktion von CO2-Emis- sionen im Gebäudebestand starten (Drucksachen 14/4379, 14/5596) . . . . 17944 A g) Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die 6. Vertragsstaaten- konferenz (VSK) muss zum Erfolg führen – Für eine nachhaltige Ent- wicklungs- und Klimapolitik (Drucksache 14/6439) . . . . . . . . . . . . . 17944 B in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001IV Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Initiative Deutschlands für einen Durchbruch beim internationa- len Klimaschutz (Drucksache 14/6547) . . . . . . . . . . . . . . . 17944 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Winfried Wolf, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der PDS: Kli- mapolitik international und national auf eine neue Grundlage stellen (Drucksache 14/6570) . . . . . . . . . . . . . . . 17944 B Hans Martin Bury, Staatsminister BK . . . . . . 17944 C Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17945 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 17948 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 17949 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 17951 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 17952 C Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17954 A Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17955 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17957 B Monika Ganseforth SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 17959 A Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Norbert Barthle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Kein Import von und keine Forschung an embryonalen Stammzellen in Deutsch- land bis zu einer Entscheidung des Deut- schen Bundestages (Drucksache 14/6314 [neu]) . . . . . . . . . . . 17961 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine sorgfältige und umfassende Prü- fung des Imports und der Forschung mit embryonalen Stammzellen (Drucksache 14/6551) . . . . . . . . . . . . . . . 17961 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Kein Verbot und kein Moratorium für den Import embryonaler Stammzellen (Drucksache 14/6550) . . . . . . . . . . . . . . . 17962 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17962 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . 17964 B Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 17966 A Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17966 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17967 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17969 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 17970 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 17972 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17972 D René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17974 B Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt er- halten und sichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Wasserstraßen ausbauen und Nachteile der Deut- schen Flagge im EU-weiten Wettbe- werb der Binnenschifffahrt beseitigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Faße, Hans-Günter Bruckmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Helmut Wilhelm (Amberg), Albert Schmidt (Hitzhofen), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Potenziale im Wasserstraßentransport umwelt- und naturverträglich nutzen – Intermoda- lität stärken (Drucksachen 14/4387, 14/4602, 14/5667, 14/6503) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17976 C Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17977 A Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 17978 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 V Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17979 D Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . . 17980 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17981 C Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17982 A Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.: Frieden, Stabilität und Ein- heit auf der koreanischen Halbinsel (Drucksache 14/6210) . . . . . . . . . . . . . . . 17983 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17984 A Johannes Pflug SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17985 D Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17987 B Dr. Ludger Volmer, Staatsminister AA . . . . . . 17988 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17989 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Karlheinz Guttmacher, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Mehr Eigentum, mehr private Anbieter und zielgenaue Hilfen zum Strukturwandel am Wohnungsmarkt in den neuen Bundesländern (Drucksache 14/6055) . . . . . . . . . . . . . . . 17990 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Gerhard Jüttemann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Maßnahme-Programm zum woh- nungswirtschaftlichen Strukturwandel in den neuen Ländern vorlegen (Drucksachen 14/6051, 14/6565) . . . . . . . 17990 D Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . . . . . . . . 17990 D Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17992 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 17993 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17995 A Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 17996 B Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Ma- gnetschwebebahnbedarfsgesetzes (Drucksachen 14/5067, 14/6500) . . . . . . . 17997 C Reinhold Hiller (Lübeck) SPD . . . . . . . . . . . . 17997 D Georg Brunnhuber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 18000 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . 18002 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18002 C Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 18003 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18004 A Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . . 18004 B Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 18005 C Tagesordnungspunkt 11: a) Große Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Verkehrssicherheitslage 2000 für eine nationale Verkehrssicherheits- kampagne (Drucksachen 14/3871, 14/5583) . . . . 18006 B b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Frontpar- tien von Fahrzeugen europaweit fußgängersicher gestalten (Drucksache 14/6316) . . . . . . . . . . . . . 18006 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Eduard Lintner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Natio- nale Verkehrssicherheitskampagne – Sonderprogramm für junge Autofah- rerinnen und Autofahrer zur Verhin- derung von alkohol- und drogenbe- dingten Verkehrsunfällen (Drucksachen 14/659, 14/6569) . . . . . 18006 C d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Überprüfung von Kraftfahr- zeugen nach Unfallreparaturen (Drucksachen 14/1207, 14/6553) . . . . 18006 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001VI Abgeordneten Dirk Fischer (Ham- burg), Dr.-Ing. Dietmar Kansy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Privatisierung öffent- licher Dienstleistungen im Fahr- erlaubniswesen (Drucksachen 14/1209, 14/2187) . . . . 18006 C Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 18006 D Rita Streb-Hesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18008 C Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 18010 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18011 A Stephan Hilsberg, Parl. Staatssekretär BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18012 B Norbert Königshofen CDU/CSU . . . . . . . . . . 18014 A Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 18014 D Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Bodo Seidenthal, Klaus Barthel (Starnberg), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: 6. Forschungsrahmen- programm 2002–2006 (6. FRP) – Euro- päische Forschung stärken (Drucksache 14/6541) . . . . . . . . . . . . . . . 18016 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: 6. Forschungsrah- menprogramm 2002–2006 (6. FRP) – Transparenter und unbürokratischer ge- stalten – KMU besser einbeziehen – Europäische Energieforschung weiter ausbauen (Drucksache 14/6549) . . . . . . . . . . . . . . . 18016 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Feste Fehmarnbelt- Querung – Klarheit und Konkretisie- rung – ökonomisch geboten, ökologisch sinnvoll (Drucksache 14/6313) . . . . . . . . . . . . . . . 18016 D Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Kulturföderalismus in Deutschland er- halten (Drucksache 14/4911 [neu]) . . . . . . . . . . . 18017 A Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Blüm, Klaus-Jürgen Hedrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: RUGMARK bei geplan- ter Fusion mit Care&Fair unterstüt- zen und gleichzeitig Vorsorge für ein mögliches Scheitern der Verhandlun- gen treffen (Drucksache 14/6317) . . . . . . . . . . . . 18017 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Erika Reinhardt, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten (Drucksachen 14/2243, 14/6289) . . . . 18017 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 18017 C Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18019 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 18021 C Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18021 D Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . 18022 A Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Wiedererhe- bung der Vermögensteuer (Drucksache 14/6112) . . . . . . . . . . . . . . . 18023 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18023 B Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Monika Griefahn, Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Kerstin Müller (Köln), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN : Digi- tale Spaltung der Gesellschaft überwin- den – Eine Informationsgesellschaft für alle schaffen (Drucksache 14/6374) . . . . . . . . . . . . . . . 18024 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 VII Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Anpassung bestimmter Bedingun- gen in der Seeschifffahrt an den internatio- nalen Standard (Zweites Seeschifffahrts- anpassungsgesetz – SchAnpG 2 –) (Drucksache 14/6455) . . . . . . . . . . . . . . . 18024 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18024 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 18025 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Kröning (SPD) zur Abstimmung über den Änderungsantrag zur Beratung des Ent- wurfs eines Gesetzes über verfassungskonkre- tisierende allgemeine Maßstäbe für die Vertei- lung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuwei- sungen (Maßstäbegesetz-MaßstG) in der Aus- schussfassung (Drucksache 14/6581) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18025 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteuer- aufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen (Maßstäbege- setz-MaßstG) in der Ausschussfassung (Drucksache 14/5951, 14/6533) . . . . . . . . . . . 18026 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Großen Anfrage: Verkehrssicherheitslage 2000 für eine na- tionale Verkehrssicherheitskampagne der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Frontpartien von Fahrzeugen europaweit fußgängersicher gestalten – Nationale Verkehrssicherheitskampagne – Sonderprogramm für junge Autofahrerinnen und Autofahrer zur Verhinderung von alko- hol- und drogenbedingten Verkehrsunfällen – Überprüfung von Kraftfahrzeugen nach Unfallreparaturen – Privatisierung öffentlicher Dienstleistun- gen im Fahrzeugerlaubniswesen (Tagesordnungspunkt 11 a bis e) . . . . . . . . . . . 18026 D Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18026 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – 6. Forschungsrahmenprogramm 2002 – 2006 (6. FRP) – Europäische Forschung stärken – 6. Forschungsrahmenprogramm 2002 – 2006 (6. FRP) – transparenter und unbüro- kratischer gestalten – KMU besser einbe- ziehen – Europäische Energieforschung weiter ausbauen (Tagesordnungspunkt 12, Zusatztagesord- nungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18027 D Bodo Seidenthal SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18027 D Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU . . . . 18028 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18029 B Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18030 B Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18030 D Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekre- tär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18031 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Feste Fehmarnbelt-Querung – Klar- heit und Konkretisierung – ökonomisch gebo- ten, ökologisch sinnvoll (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18032 D Dr. Christine Lucyga SPD . . . . . . . . . . . . . . . 18032 D Reinhold Hiller (Lübeck) SPD . . . . . . . . . . . . 18033 D Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 18034 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18036 B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 18037 A Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18037 B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kulturförderalismus in Deutsch- land erhalten (Tagesordnungspunkt 14) 18038 A Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . 18038 A Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 18039 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18039 C Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 18040 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001VIII Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 18041 A Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 18041 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: – RUGMARK bei geplanter Fusion mit Care&Fair unterstützen und gleichzeitig Vorsorge für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen treffen – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten (Tagesordnungspunkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . 18043 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 18043 D Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18044 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wiedererhebung der Vermögen- steuer (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . 18045 B Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18045 B Gerhard Schulz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 18046 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18047 A Gisela Frick F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18047 D Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Digitale Spaltung der Gesellschaft überwinden – eine Informationsgesellschaft für alle schaffen (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . 18048 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18048 B Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18049 D Dr. Martina Krogmann CDU/CSU . . . . . . . . 18051 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 18052 C Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 18053 B Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 18054 B Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 18054 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur An- passung bestimmter Bedingungen in der See- schifffahrt an den internationalen Standard (Zweites Seeschifffahrtanpassungsgesetz – SchAnpG2 – ) (Tagesordnungspunkt 19) . . . 18056 A Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18056 A Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 18057 A Gila Altmann (Aurich) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18059 A Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . 18059 D Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18060 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 IX Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 Dr. Barbara Höll 18024 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 10 2) Anlage 11 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18025 (C) (D) (A) (B) Berninger, Matthias BÜNDNIS 90/ 05.07.2001 DIE GRÜNEN Dr. Blens, Heribert CDU/CSU 05.07.2001 Bleser, Peter CDU/CSU 05.07.2001 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 05.07.2001 Deß, Albert CDU/CSU 05.07.2001 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 05.07.2001 Freitag, Dagmar SPD 05.07.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 05.07.2001 Peter Glos, Michael CDU/CSU 05.07.2001 Gloser, Günter SPD 05.07.2001 Götz, Peter CDU/CSU 05.07.2001 Grießhaber, Rita BÜNDNIS 90/ 05.07.2001 DIE GRÜNEN Günther (Plauen), F.D.P. 05.07.2001 Joachim Hintze, Peter CDU/CSU 05.07.2001 Kampeter, Steffen CDU/CSU 05.07.2001 Kasparick, Ulrich SPD 05.07.2001 Klappert, Marianne SPD 05.07.2001 Dr. Lamers (Heidelberg), CDU/CSU 05.07.2001 Karl A. Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 05.07.2001 Pieper, Cornelia F.D.P. 05.07.2001 Ronsöhr, CDU/CSU 05.07.2001 Heinrich-Wilhelm Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 05.07.2001 Schindler, Norbert CDU/CSU 05.07.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 05.07.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 05.07.2001 Hans Peter Schultz (Everswinkel), SPD 05.07.2001 Reinhard Sorge, Wieland SPD 05.07.2001 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 05.07.2001 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 05.07.2001 Wiese (Hannover), SPD 05.07.2001 Heino Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 05.07.2001 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Kröning (SPD) zur Ab- stimmung über den Änderungsantrag zur Bera- tung des Entwurfs eines Gesetzes über verfas- sungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzausgleich unter den Ländern so- wie für die Gewährung von Bundesergänzungs- zuweisungen (Maßstäbegesetz – MaßstG) in der Ausschussfassung (Drucksachen 14/6581) Die Befristung des Maßstäbegesetzes, das die Verfas- sung konkretisieren und abstrakte, langfristige Vorausset- zungen für konkrete, auf Sicht änderbare Folgen im Fi- nanzausgleichsgesetz regeln soll, steht im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. No- vember 1999, das der Gesetzgeber umzusetzen hatte. Der Befristungsantrag entbehrt jeder Begründung, die den Vorgaben des Gerichts standhalten könnte; seine Entste- hung konterkariert die Sorgfalt, mit der der Sonderaus- schuss beraten hat. Damit wird im Streit um den bundesstaatlichen Finanz- ausgleich kein Rechtsfrieden geschaffen und das Gesetz seiner Ordnungsfunktion für nächste Reformschritte be- raubt. Dies ist bedauerlich, da das Maßstäbegesetz im- merhin ein Schritt in Richtung auf mehr Transparenz und Rationalität der Finanzausgleichsgesetzgebung ist, die Bemessungsbasis und die Leistungs- und Anreizorientie- rung des Ausgleichssystems erhöht, eine konsistente Me- thode der Ermittlung des Finanzbedarfs von Gemeinden und Ländern einführt, die innerstaatliche Verbindlichkeit der Stabilitätskriterien der Europäischen Union garantiert und die in der Finanzverfassung nicht vorgesehene Auf- gabe der vollen finanzwirtschaftlichen Integration von Ost- und Westdeutschland löst. Vor diesem Hintergrund ist sogar der Verzicht auf kon- kretisierende Regelungen zur vertikalen Umsatzsteuer- verteilung, die das Bundesverfassungsgericht verlangt hat, vertretbar, jedenfalls wenn und soweit in Bundestag und Bundesrat der politische Wille besteht, den Kern des Konflikts – nämlich das Deckungsquotenverfahren und entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht die föderale Lastenverteilung für die Familienförderung – noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich zu regeln. Dass eine parallele Entschließung nicht von CDU/CSU mitgetragen wird, ist ein Fanal. Es muss der Zukunft über- lassen bleiben, ob der Gesetzgeber seiner Aufgabe als „Erstinterpret der Verfassung“ gerecht geworden ist. Der Widerspruch, dass die Länder in Kernfragen finanzstaat- licher Politik nur zulasten des Bundesgesetz- und -budgetgebers einig sind, aber nicht die Kraft zu einer Än- derung der Finanzverfassung aufbringen, ist kein Ruh- mesblatt für Föderalismus und Parlamentarismus. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über verfassungskonkretisierende allgemeine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Finanzaus- gleich unter den Ländern sowie für die Gewäh- rung von Bundesergänzungszuweisungen (Maß- stäbegesetz – MaßstG) in der Ausschussfassung (Drucksachen 14/5951 und 14/6533) Ich stimme dem Gesetz zu, weil es kleine Fortschritte in Richtung auf Anreiz zur eigenen Strukturverbesserung enthält. Allerdings wurden bedauerlicherweise ebenso wich- tige Ziele nicht erreicht. Die 126 erforderlichen Rechen- schritte wurden nicht etwa – im Hinblick auf Vereinfa- chung und Transparenz – weniger, sondern am Ende steht ein Mehr an Rechenaufwand und damit ein Weniger an Transparenz. Die wichtige Frage der Ermittlung der Deckungsquote wurde überhaupt nicht vorangebracht. Bedauerlicherweise wurden dem Ausschuss, entgegen seinem Begehren, nicht die unterschiedlichen Standpunkte zu den Deckungs- quoten anhand konkreter Beispiele vorgelegt, sodass sich der Ausschuss ein Urteil über die Richtigkeit des Stand- punktes von Bund und Ländern hätte bilden können. Ent- gegen dem eindeutigen Ergebnis der Anhörung erkennen die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen den von den SPD-Ländern 1996 gegen den Willen der CDU er- zwungenen Sonderlastenausgleich bei der Familienförde- rung nicht an. Im Hinblick auf die langfristige Vertrauens- zerstörung, die dadurch im Verhältnis zu den Kommunen stattgefunden hat, halte ich dies nicht für vertretbar. Wer in Zukunft, wie wohl die Mehrheit des Deutschen Bundes- tages, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenfügen will, benötigt dazu das Vertrauen der Kommunen. Wer aber die geltende Geschäftsgrundlage in einer so wichti- gen Finanzbeziehung zerstört, der verhält sich im Blick auf die künftigen Einigungsnotwendigkeiten fahrlässig. Zu einer grundsätzlich notwendigen Föderalismusreform gehört auch eine Gemeindefinanzreform. Die Chance dazu wurde verpasst. Stark mit Sorge erfüllt mich die Tatsache, dass die an- geblichen „Erfolge“, die alle von diesem Kompromiss profitieren lassen, durch eine Tilgungsstreckung beim Fonds „Deutsche Einheit“ erreicht wurden. Der Bund streckt die Tilgung für den Fonds „Deutsche Einheit“ und kann so den Ländern ihre Tilgungsrate erlassen. Dadurch gewinnen die einzelnen Bundesländer zusätzlich Liqui- dität, die möglicherweise zur Ausweitung der Haushalte benutzt wird und im Ergebnis eine Ausweitung der Staats- quote darstellt. Dies ist eine falsche Entwicklung. Da praktisch alle Länder die Kommunen bei der Til- gung des Fonds „Deutsche Einheit“ im Rahmen des Soli- darpaktes I im Verhältnis der Quoten der Steuerein- nahmen von Ländern und Kommunen beteiligt haben, erwarte ich, dass die Länder dieses nun zurückgeben und die Liquidität an die Kommunen abtreten. Dadurch, dass der Bund den Fonds „Deutsche Einheit“ allein tilgt, hat er auch das alleinige Bestimmungsrecht. Ich sehe die Gefahr, dass er in Zukunft sich weitere Li- quidität und damit politischen Finanzspielraum erschließt und dass er die Tilgung aussetzt, indem der Fonds „Deut- sche Einheit“ aus dem Sondervermögen in die allgemeine Bundesschuld, die ja bekanntlich nicht getilgt wird, über- führt wird. Die Beratungsunterlagen für die Endphase hatten mir nicht rechtzeitig vorgelegen, sodass ich Schwierigkeiten hatte, an einer qualifizierten Diskussion teilzunehmen. Die Umdrucke gingen mir erst unmittelbar vor Beginn der abschließenden Sitzung zu. Damit fühle ich mich als Oppositionsabgeordneter erheblich benachteiligt. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der großen Anfrage: – Verkehrsicherheitslage 2000 für eine nationale Verkehrssicherheitskampagne der Beschlussempfehlungen und Berichte: – Frontpartien von Fahrzeugen europaweit fußgängersicher gestalten – Nationale Verkehrssicherheitskampagne – Sonderprogramm für junge Autofahrerinnen und Autofahrer zur Verhinderung von alkohol- und drogenbedingten Verkehrsunfällen – Überprüfung von Kraftfahrzeugen nach Unfall- reparaturen – Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen im Fahrzeugerlaubniswesen (Tagesordnungspunkt 11 a bis e) Dr. Winfried Wolf (PDS): Die hier zur Debatte ste- henden Anträge und die Beratung der Großen Anfrage ha- ben alle die Sicherheit im Straßenverkehr im weiteren Sinn zum Thema. Real geht es um jährlich rund 7 700 Menschen, die im Straßenverkehr getötet werden, um mehr als 500 000 Verletzte jährlich, darunter um rund 100 000 Menschen, die in diesem Straßenverkehr schwer verletzt werden. Seit der deutschen Einheit und einschließlich dieses Jahres 2001 wurden knapp 100 000 Menschen in diesem Straßenverkehr getötet und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118026 (C) (D) (A) (B) rund eine Million Menschen schwer verletzt. Von den Letztgenannten haben viele körperliche und psychische Schäden bis zum heutigen Tag. Die Anträge und die Große Anfrage zielen damit auf ei- nen Bereich, von dem der Wissenschaftler und ehemalige Hamburger Wissenschaftssenator Klaus Meyer-Abich sagte: „Die mörderischste zivile Technik, die es je gege- ben hat, ist das Auto.“ Anträge wie derjenige der CDU/CSU, wonach „die Frontpartien von Fahrzeugen europaweit fußgängerge- recht gestaltet“ werden sollen, wirken vor dem Hinter- grund dieser Straßenverkehrsrealität eher makaber, erle- ben wir doch gerade bei der PKW-Modellentwicklung den entgegengesetzten Trend: In der zunehmenden Zahl von Geländewagen, oft mit „Rammschutz“ ausgestattet, steckt ein menschenverachtender Zug. Einige dieser Wa- gen – so das US-Modell „Hummer“ – haben inzwischen eine Bodenfreiheit, bei der kleine Kinder buchstäblich komplett unter die Räder geraten können; die Person am Steuer hat einen derart eingeschränkten Blickwinkel und -horizont, dass direkt vor dem Auto befindliche oder in den PKW „hineinlaufende“ junge Menschen kaum wahr- zunehmen sind. Doch all das hat den Zulassungsstempel des TÜV. Nun wird zu Recht darauf verwiesen, dass wir Zeugin- nen und Zeugen eines rückläufigen Trends der Verkehrs- opfer seien. Richtig ist: Die Zahl der Straßenverkehrstoten und -verletzten hat in den letzten fünf Jahren erheblich ab- genommen. Und das ist natürlich erfreulich. Dabei sollten allerdings die folgenden Momente beachtet werden: Erstens. Diese Entwicklung erwies sich nur vor dem Hintergrund der schrecklichen Steigerungen der Ver- kehrsopferzahlen nach 1990 als rückläufig. Das war aber eine außergewöhnliche Verzerrung zum Schlechteren. Zweitens. Im Jahr 1999 ging die Zahl der Getöteten nur noch um 0,6 Prozent zurück; die Zahl der Unfälle und die Zahl der Verletzten stieg jedoch (um 4,8 Prozent bei den Unfällen mit Personenschaden). Von daher könnte es sein, dass wir im Augenblick eine Trendwende erleben und dass der erfreulich rückläufige Prozess ausläuft. Drittens. Wir sollten weiterhin im Auge behalten, dass die Zahl der Verkehrsopfer weiterhin nach einer spezifi- schen Definition ermittelt wird, die teilweise die Realität beschönigt. Danach gilt ein Getöteter nur dann als Straßenverkehrsopfer, wenn er binnen eines Monats an den Unfallfolgen stirbt. Die moderne und ständig verbes- serte Unfallmedizin hat aber dazu geführt, dass eine größere Zahl von Menschen, die im Straßenverkehr ver- unglücken, erst nach dieser Frist stirbt und dann nicht mehr als Straßenverkehrsopfer registriert wird. Andere Staaten – so die USA – haben hier weiter greifende Defi- nitionen vorgenommen und gelangen daher bereits aus statistischen Gründen zu einem höheren Blutzoll im Straßenverkehr. Ein besonderes Augenmerk muss nach Auffassung der PDS der länderspezifischen Entwicklung gelten. Leider geht darauf die Große Anfrage nicht ein. Weiterhin gibt es ein extremes Gefälle zwischen zwei neuen Bundesländern und den übrigen Bundesländern: In Mecklenburg-Vor- pommern und Brandenburg lag 1999 die Zahl der Getöte- ten je 1 Million Einwohner beim Doppelten der Zahl, die für andere Flächenstaaten gilt. Da der Flächenstaat Sach- sen im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern nur halb so viele Verkehrstote aufweist, handelt es sich nicht oder nicht primär um ein Phänomen, das mit einem Ost-West- Vergleich zu beantworten ist. Auch erscheint es mir frag- lich, dass es allein die Alleebäume sind, die für den hohen Blutzoll in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verantwortlich sein sollen. Hier sollte in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern, die bereits spezielle Pro- gramme zur Verkehrssicherheit durchführen, angesetzt werden, um die Verkehrsopferzahlen massiv zu senken. Und ein Fällen der Alleebäume ist hier aus unserer Sicht keine Lösung. Ein Blick über die Grenzen zeigt: Die Zahl der im Straßenverkehr Verletzten und Getöteten kann noch mas- siv gesenkt werden. In Schweden und Großbritannien liegt beispielsweise die Zahl der Straßenverkehrstoten bei 60 Prozent dessen, was wir in unserem Land zu beklagen haben. Die Unfälle mit Personenschäden machen in Dä- nemark nur ein Drittel des bundesdeutschen Niveaus aus. Zweifellos gibt es unterschiedliche Gründe für diese Differenzen. Sicher ist, dass eine allgemeine Verkehrsbe- ruhigung und eine allgemeine Verlangsamung des Ge- schehens im Straßenverkehr in jedem Jahr Hunderten Menschen das Leben retten und Zehntausenden Men- schen Verletzungen ersparen würde. Bei der Beantwortung der Großen Anfrage von CDU/CSU fällt ein Aspekt auf: Die Bundesregierung meidet das Thema Tempolimit, insoweit es um eine allge- meine Geschwindigkeitsbegrenzung geht. Selbst bei der konkreten Frage zur Europäischen Union und deren Vor- schlägen in Sachen Verkehrssicherheit taucht das Thema Tempolimit nicht auf. Tatsächlich schlägt die EU vor, die Tempolimits zu verallgemeinern und weiter zu senken. In unserem Land stünde hier als erster Schritt an, ein allge- meines Tempolimit auf Autobahnen durchzusetzen. Dabei geht es nicht allein um die Autobahnen. Ein solcher Schritt wäre auch ein Signal für den gesamten Straßen- verkehr und würde verkehrsberuhigend, also Menschen- leben schonend, wirken. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – 6. Forschungsrahmenprogramm 2002–2006 (6. FRP) – Europäische Forschung stärken – 6. Forschungsrahmenprogramm 2002–2006 (6. FRP) Transparenter und unbürokratischer gestalten – KMU besser einbeziehen – Europä- ische Energieforschung weiter ausbauen (Tagesordnungspunkt 12, Zusatztagesordnungs- punkt 10) Bodo Seidenthal (SPD): Philippe Busquin, For- schungskommissar der Europäischen Union hat Recht, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18027 (C) (D) (A) (B) wenn er fordert, dass die Forschungs- und Wissenschafts- politik in allen EU-Staaten zur politischen Priorität wird. Er stellt weiter fest: In Deutschland und Großbritannien ist dies in den letzten beiden Jahren deutlich zu beobach- ten. Recht hat er, der Forschungskommissar, denn die Bil- dungs- und Forschungspolitik hat unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und der zuständigen Ministerin Edelgard Bulmahn wieder den Stellenwert erhalten, der ihr zusteht. Damit die Bilanz Europas zu den Vereinigten Staaten und Japan verbessert wird, bedarf es weiterer Antrengun- gen der EU-Mitgliedstaaten. Das 6. Forschungsrahmen- programm sieht deshalb für den Zeitraum 2002 bis 2006 17,5 Milliarden Euro vor. Festzuhalten ist, dass der For- schungsministerrat am 26. Juni 2001 ein Erfolg für die Mitgliedstaaten war. Die SPD-Bundestagsfraktion unter- stützt ausdrücklich die von der Bundesregierung vorge- nommene Schwerpunktsetzung; die von Staatssekretär Catenhusen vorgetragenen sieben Punkte sind ein Schritt in die richtige Richtung. Wegen der Kürze der Zeit möchte ich zu folgendem Stellung nehmen: Mobilität und Verkehr; Fusionsfor- schung; Zusammenführung nuklearer/nichtnuklearer Teil; Raumfahrt und sozioökonomische Begleitforschung. Insbesondere den Fragen von Mobilität und Verkehr wird eine Schlüsselrolle für die zukünftige Entwicklung der EU zukommen. Vorrangiger Handlungsbedarf für die Integration des (erweiterten) Europa hat deshalb die Verknüpfung der Verkehrsträger und nationalen Systeme zu einem integrierten nachhaltigen Verkehrssystem höchs- ter Effizienz. Dabei misst die SPD-Fraktion der Nach- haltigkeit des Verkehrs eine große Bedeutung zu. Deshalb setzt sie sich ein für: Forschung und Entwicklung zur Minderung von Energieverbrauch und Schadstoffausstoß einschließlich der Nutzung alternativer Energien im Sinne der Erfüllung des Kioto-Protokolls; Reduktion von Lärm und Erschütterungen; Sicherheit im Verkehr; neue Mate- rialien, Leichtbau und Ultraleichtbau einschließlich Strategien für umweltgerechte Entsorgungskonzepte bei allen Verkehrsmitteln; Nanotechnologien und Mecha- tronik und Verkehrsnachfrage und Verkehrsbeeinflussung und sozioökonomische Fragestellungen. Zur Fusionsforschung möchte ich die Ausführungen des Staatssekretärs noch einmal bestätigen: Die Budget- absenkung im jetzigen Kommissionsvorschlag und die damit verbundene Konzentration auf ITER darf nicht dazu führen, dass die Finanzierung Erfolg versprechender Forschungsarbeiten wie des Wendelstein 7-X reduziert wird. Wir wissen auch, dass der Verhandlungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Ich bin davon überzeugt, dass die Kontinuität aller Erfolg versprechender Optionen der Fusionsforschung gewährleistet bleiben muss. Der Vorschlag der Kommission zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums ist zweigeteilt, weil nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atom- gemeinschaft nur der Rat über das Forschungsprogramm zu befinden hat und keine Beteiligung des Europäischen Parlaments vorgesehen ist, während über den nichtnu- klearen Teil des Rahmenprogramms sowohl das Europä- ische Parlament als auch der Rat beschließen müssen. Nach Art. 7 EAGV gilt Einstimmigkeit, während nach EG-Vertrag das Mehrheitsprinzip und Mitentscheidungs- verfahren auf den nichtnuklearen Teil des Programms an- gewendet werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, bei zukünftigen Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass dieses zusammengeführt wird. Wir freuen uns, dass im Bereich Raumfahrt die Vernet- zung mit der ESA weitergeführt und die Umsetzung der beschlossenen gemeinsamen europäischen Raumfahrt- strategie auf dem nächsten Ministerrat thematisiert wird. Auch wir halten, wie die Ministerin, GMES-Initiative für „Global Monitoring for Enviroment and Security“ für ein zentrales Element der gemeinsamen europäischen Welt- raumstrategie. Eine zügige Umsetzung und Fortentwick- lung ist von großer Bedeutung. Angesichts der rasanten Fortschritte auf den Gebieten der Biotechnologie und der Informations- und Kommuni- kationstechnologien muss der sozioökonomischen Be- gleitforschung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Für Forschungen im Bereich Ethik und für den öffentli- chen Diskurs zu den ethischen Fragen vor allem der Bio- medizin sollten ausreichend Mittel in das Programm ein- gestellt werden. Für uns ist die Verwirklichung des Europäischen For- schungsraumes notwendiger und dringlicher denn je. Er ist die zentrale Komponente beim unionsweiten Aufbau der Wissensgesellschaft im Hinblick auf die Förderung von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäfti- gung, eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums und des sozialen Zusammenhalts. Dabei geht es nicht allein da- rum, die wissenschaftliche Zusammenarbeit und die Ko- ordinierung der Forschung zu fördern, sondern auch den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Beteiligten in Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie den Verbrauchern voranzutreiben. Besonders erfreulich ist es, dass sich in den letzten Jahren ein breiter Konsens auf den europäischen Räten herausgebildet hat. Mit ihrem Antrag möchte die SPD-Bundestagsfraktion die bislang erfolgreichen Verhandlungen der Bundesre- gierung unterstützen und unseren Beitrag für einen erfolg- reichen Abschluss des 6. Forschungsrahmenprogramms leisten. Erich Maaß (Wilhelmshaven) (CDU/CSU): Vom Grundsatz ist der 6. Europäische Forschungsrahmenplan zu begrüßen, stellt er doch eine thematische Konzentra- tion auf die prioritären Bereiche der Forschung dar. Den- noch besteht erheblicher Klärungsbedarf hinsichtlich der unpräzisen und teilweise schwammig formulierten Absichtserklärungen in diesem 6. Rahmenplan. Dazu ei- nige Beispiele: Erstens die Überschneidung der EU-Forschungsför- derung mit den Strukturfonds. Wie soll zweitens die ge- meinsame Forschungsstelle aussehen? Drittens das Ver- hältnis der Beitrittsländer zum europäischen Mehrwert. Viertens die Frage, wie eine höhere Marktrelevanz er- reicht werden kann und fünftens, wie der Übergang der Verwaltungspraxis vom 5. zum 6. Rahmenplan gestaltet werden soll, also kein abrupter Umstieg von bisherigen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118028 (C) (D) (A) (B) Förderinstrumenten zu völlig neuen Instrumenten; um nun einige Beispiele zu nennen. Die Konzentration im vorliegenden Plan auf wenige Kernbereiche der Forschung ist ausdrücklich zu be- grüßen. Das Ziel muss aber sein, nationale Politik besser als bisher mit der Europäischen Union zu koordinieren. Beim vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion kommt einem allerdings der Verdacht, dass es sich um eine Wunschliste handelt: schnell formuliert und die Frage der Durchsetzbarkeit wird später behandelt. Was fehlt, ist vor allem, die schon vorhandenen Über- lappungen zwischen nationalen und EU-Programmen zu beseitigen und zusätzliche deutsche Wünsche strategisch geschickt einzuarbeiten. Eines darf dabei nicht außer Acht gelassen werden – und die SPD scheint dieses hier wieder zu vergessen –: Wir sind nur einer von 16 Mitgliedstaaten. Ich fordere daher die Bundesregierung auf, den Dis- kussionsverlauf sowohl im Ministerrat, in der Kommis- sion als auch im Europäischen Parlament eng mit den Be- ratungen hier im Deutschen Bundestag zu verzahnen. Drei grundsätzliche Fragen bedürfen einer Antwort: Erstens: Will sich Frau Bulmahn wie Frau Künast ver- halten und starre deutsche Positionen im Ministerrat ver- treten? Deutsche Alleingänge haben sich bisher nie aus- gezahlt, zum Beispiel im Bereich der Kernenergie. Die Bundesregierung schreibt dazu: „Im so genannten Grün- buch kommt die Kommission in diesem Kontext zu dem Schluss, dass Kernenergie zur Stromerzeugung unerläss- lich sei. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht!“ Wie wirkt sich diese starre Haltung der Regierung auf das europäische Kernfusionsprogramm – ITER – aus und wie will man zum Beispiel künftig Freunde für er- neuerbare Energien finden? Zweitens: Von der Bundesregierung wird eine inhalts- arme Darstellung des 6. Forschungsrahmenprogramms beklagt. Das reicht nicht aus. Wichtig ist, wie die weitere Vorgehensweise aussieht? Haben wir entsprechende Be- amte an den richtigen Stellen in der Kommission, die ein- flussreich sind, die formulieren und auch rückkoppeln, um die deutschen Positionen dort nachhaltig zu vertreten? Drittens: Was völlig in der Diskussion fehlt, ist der Hilfeschrei des Kommissars Philippe Busquin. Demnach fehlen der EU 500 000 Forscher! Welche Lösungsansätze haben wir für dieses Problem, können oder wollen wir uns an die Spitze der Bewegung setzen? Die bisherigen Vor- schläge wie zum Beispiel Rückkehrprämien für Wissen- schaftler aus den USA stellen kein adäquates Mittel dar. Die Green Card ist auch keine Lösung für dieses riesige Problem. Mobilitätsprämien treffen ebenso wenig den Kern der Sache, wie die im SPD-Antrag vorgesehene Frauenquote ganz sicherlich nicht dazu beiträgt, das Pro- blem auch nur ansatzweise zu lösen. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen und ma- chen deutlich, dass der Antrag der SPD-Fraktion ein voll- kommen überhasteter Schnellschuss ist. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir begrüßen den Ansatz der Europäischen Kommission, ei- nen europäischen Forschungsraum zu schaffen. Daher ist es nur folgerichtig, dass das 6. Forschungsrahmenpro- gramm hierzu dienen soll. Obwohl wir die von Busquin vorgeschlagenen drei neuen Instrumente für richtig hal- ten, wäre es verkehrt, die bewährten Instrumente des 5. Forschungsrahmenprogramms einfach wegfallen zu lassen. Wir unterstützen daher den Vorschlag der Ministe- rin Edelgard Bulmahn, zwei Drittel der Mittel gemäß den alten und ein Drittel gemäß den neuen Instrumenten zu verteilen. Der Vorschlag der EU-Kommission enthält eine Reihe weiterer Defizite: Themenübergreifend ersetzt der Entwurf den problemorientierten Ansatz des 5. For- schungsrahmenprogramms und kehrt zu technokrati- schen Ansätzen früherer Programme zurück. Sozial- und geisteswissenschaftliche Forschungsansätze finden nur am Rande Berücksichtigung. Auch inhaltlich gibt es einiges zu kritisieren: Vor allem die Energieforschungspolitik der Europäischen Kommis- sion steht im Widerspruch zu den Zielsetzungen der Mehrzahl ihrer Mitgliedstaaten. Die traditionell atom- freundliche Kommission setzt einen starken Akzent auf die Renaissance der Kernenergie. So sollen neue Atom- reaktoren erforscht und die Kernfusion vorangetrieben werden. Dies kann von uns nicht hingenommen werden! In den letzten Jahrzehnten wurden etwa zehnmal mehr Mittel für die Nuklearforschung ausgegeben als für nicht nukleare Energien. Dennoch ist die Atomenergie global nicht über einen Anteil von 5 Prozent an der Primärener- gie hinausgekommen. Die Atomforschung ist damit ein Forschungsflop. Diesen Flop will die Kommission bei der Kernfusion wiederholen. Bei der Fusion wird, wie seit Jahrzehnten, frühestens in 50 Jahren mit einer Nutzung gerechnet. Der Primärenergieanteil der Kernfusion soll in 100 Jahren etwa bei 5 Prozent liegen. Diese Geldverschwendung darf nicht fortgesetzt werden. Dem Steuerzahler sind weder Forschungsmittel für neue Atomreaktoren noch für den Kernforschungsreaktor ITER zuzumuten. Die Sonderbe- handlung der Atomenergie in Euratom muss beendet werden. An die Stelle von Euratom muss ein neuer Ener- gievertrag für erneuerbare Energien, nämlich Eurenew, treten. Doch leider scheint die Kommission ihre eigenen Ziele im Bereich erneuerbarer Energien nicht zu kennen, die vor allem im Weißbuch niedergeschrieben sind. lm Kom- missionsentwurf sind offensichtlich weniger Mittel für er- neuerbare Energien und Energieeffizienztechnologien vorgesehen, als dies in früheren Programmen der Fall war. Schlimmer noch: Es wird sogar versucht, gleich mehrere Technologien der erneuerbaren Energien, wie zum Bei- spiel die Windenergie und die solarthermische Stromer- zeugung sowie den gesamten Bereich des Energiesparens, aus der Förderung zu streichen. Einem Missverständniss ist offensichtlich die F.D.P. unterlegen, die nicht nur weiterhin Steuermittel für die Kernforschung verschwenden will, sondern auch die fos- silen Energieträger erforscht sehen will. Die F.D.P. über- sieht, dass dies mit dem Forschungsschwerpunkt der Brennstoffzelle geschieht. Die Brennstoffzelle hat we- sentlich bessere Potenziale und einen wesentlich höheren Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18029 (C) (D) (A) (B) Forschungsbedarf als die Kraftwerkstechnologie. Die F.D.P. begrüßt in ihrem Antrag „die Konzentration auf wenige prioritäre Bereiche“. Warum sie in der konventio- nellen Kraftwerkstechnologie eine Priorität für staatliche Forschungsförderung sieht, ist nicht nachvollziehbar. Aber auch außerhalb der Energieforschung weist der Kommissionsvorschlag Defizite auf: Bei der Gesund- heitsforschung wird zu einseitig auf die Gentechnik ge- setzt. Alle übrigen Forschungsansätze in der Gesundheits- forschung sollen nur bei wenigen Krankheitsbildern Berücksichtigung finden. Für die Agrarwende und die Le- bensmittelsicherheit werden nur unzureichend For- schungsmittel zur Verfügung gestellt. Es besteht somit noch in einer Reihe von Punkten Än- derungsbedarf beim 6. Forschungsrahmenprogramm. Ge- meinsam mit der SPD fordern wir die Bundesregierung daher in unserem Antrag auf, im Sinne der rot-grünen For- schungspolitik dafür einzutreten, dass die Mittel für Atomforschung gesenkt werden und die Forschung für neue Reaktorlinien eingestellt wird, dass deutlich mehr Mittel für erneuerbare Energien und Energieeffizienz als für die Atomforschung ausgegeben werden und hierzu die Mittel für den Bereich „Nachhaltige Entwicklung“ aufge- stockt werden, dass neben den bereits laut Entwurf för- derfähigen Brennstoffzellen, der Photovoltaik und der Biomasse auch solarthermische Kraftwerke, geothermi- sche Kraftwerke, Windenergie, Kleinwasserkraft und Meeresenergie gefördert werden, dass Universitäten und kleinere Forschungsinstitute sowie Unternehmen in ange- messener Form partizipieren können, dass der Ansatz der Gesundheitsforschung über die Genomforschung hinaus- geht und unter anderem um die Gesundheitsvorsorgefor- schung verbreitert wird, dass die Mittel für Lebensmittel- sicherheit und ökologischen Anbau zu erhöhen sind, dass die Forschung im Bereich „Nachwachsende Rohstoffe“ aufgenommen wird, dass die sozioökonomische For- schung gestärkt und die Forschung auf den Gebieten der Geistes- und Sozialwissenschaften stärker berücksichtigt wird und dass der problemorientierte Ansatz des 5. For- schungsrahmenprogramms beibehalten wird. Ulrike Flach (F.D.P.): Europa wächst zusammen – das gilt immer mehr auch im Bereich der Forschung. Es entsteht ein europäischer Forschungsraum mit grenzüberschreiten- der Kooperation, in dem mit Hochgeschwindigkeit an den aktuellen Fragen der Zeit gearbeitet werden kann. Das sechste Europäische Forschungsrahmenpro- gramm für die Zeit von 2002 bis 2006 ist mit einem Vo- lumen von 17,5 Milliarden Euro gut ausgestattet. Die Konzentration auf wenige prioritäre Felder vermeidet die Fehler des Vorgängerprogramms. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist auf den ersten drei Seiten eine reine Nacherzählung des Programms. Den nachfolgenden Kritikpunkten können wir im We- sentlichen zustimmen und haben selbst in unserem An- trag folgende Wünsche an die Bundesregierung formu- liert: stärkere Transparenz und Entbürokratisierung des Programms, verbesserter Zugang von KMU zu den För- derinstrumenten, eine klare Definition der Rolle und der Organisation der gemeinsamen Forschungsstelle – die Kritik findet sich auch bei Ihnen wieder, aber ich be- zweifle, dass eine Verselbständigung viel zur Problemlö- sung beiträgt –, Vereinfachung und Präzisierung der För- derinstrumente – was sollen die Kleinunternehmen und kleinen Forschungsinstitute mit der Vorgabe anfangen, dass eine „kritische Masse von Institutionen“ zusam- menkommen muss –, Definition des Begriffes „risikorei- che“ Forschung und Beibehaltung auch der alten Förder- instrumente. Wettbewerb schaffen wir auch durch unterschiedliche Förderungen. Dem Koalitionsantrag können wir leider nicht zustim- men und zwar aus folgenden Gründen: Sie wollen die Mittel für das Euratom-Programm kürzen und die For- schung für neue Reaktorlinien einstellen. Bei der Fusi- onsforschung wollen Sie Szenarien mit und ohne ITER prüfen lassen. Sie bereiten sich auf einen Ausstieg vor und Herr Fell würde dies sicher mit großer Freude sehen. Wir halten an der Kernfusion als einem wichtigen Element im Energiemix der Zukunft fest. Wir stehen zur europäischen Bewerbung um ITER und zu den Verpflichtungen bei Wendelstein 7-X. Uns fehlt in Ihrem Antrag auch eine Forderung nach Klärung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Nationalstaa- ten. In der Stellungnahme der Bundesregierung, die wir im Ausschuss beraten haben, steht dies explizit drin und wir unterstützen die Bundesregierung hierbei, denn die nationale Ebene scheint mir zu wenig in die Förderwege eingebunden zu sein. Trotz aller Kritik ist das sechste Forschungsrahmen- programm auch ein Beispiel für die „lernende Region“ Europa, denn die zum Teil gravierenden Fehler des fünf- ten Programmes wurden größtenteils vermieden. Ich hoffe, dass hier in der Sommerpause noch Gespräche ge- führt werden können, um offene Fragen zu klären und die deutschen Interessen im europäischen Forschungsraum besser zu vertreten. Maritta Böttcher (PDS): Die Koalitionsfraktionen haben in großer Eile kurz vor der Sommerpause einen An- trag zum 6. Forschungsrahmenprogramm der EU einge- bracht. Über diesen Antrag kann man nur staunen. Nicht nur aufgrund der großen Dringlichkeit der Stellungnahme zu einem Dokument, das seit Anfang des Jahres vorliegt. Auch die Inhalte des Antrages sind bemerkenswert. Der Antrag stellt eine umfassende Kritik des bisherigen Ent- wurfs für ein Forschungsrahmenprogramm dar, die in weiten Teilen auch von der PDS geteilt wird. Wir sind der Auffassung: Das vorliegende 6. Rahmen- programm stellt einen Rückschritt gegenüber den im 5. Rahmenprogramm erreichten Fortschritte dar. Das neue Rahmenprogramm ist wieder fast ausschließlich technologieorientiert und vernachlässigt sozialökonomi- sche Forschungsansätze sowie den Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Problemorientierte und interdisziplinäre Ansätze werden zugunsten technologieorientierter Res- sortforschung aufgegeben. Die neu vorgesehenen for- schungspolitischen Instrumente benachteiligen struk- turell sowohl kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen und außeruniversitäre öffentliche For- schungseinrichtungen gegenüber der Industrie als auch kleinere Mitgliedstaaten gegenüber größeren Mitglied- staaten der Europäischen Union. Mit der Forschung im Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118030 (C) (D) (A) (B) Rahmen von EURATOM werden weiterhin beträchtliche öffentliche Mittel – im Umfang von über 1,2 Milliarden Euro – für den erklärten Zweck der Förderung der Atom- energie ausgegeben. Hoffnungsvolle forschungspoliti- sche Ansätze des 5. Forschungsrahmenprogramms wer- den aufgegeben – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem in den meisten Mitgliedstaaten der Union sozialisti- sche und sozialdemokratische Parteien regieren. Diese Kritik ist leider weder glaubwürdig, noch ver- sprechen wir uns davon eine große Wirkung, nicht nur weil sie auch inhaltlich in Ansätzen stecken bleibt und in mancherlei Hinsicht gegenüber der kritischen Stellung- nahme des Bundesrats zum Forschungsrahmenprogramm zurückbleibt, sondern auch, weil SPD und Bündnis 90/ Die Grünen mit ihrer parlamentarischen Initiative offen- sichtlich davon ablenken wollen, dass sich die von beiden Parteien getragene Bundesregierung auf europäischer Ebene – in der Europäischen Kommission und im For- schungsministerrat – nicht von entsprechenden inhaltli- chen Vorstellungen hat leiten lassen. Den ahnungslosen Bürgerinnen und Bürgern soll suggeriert werden, dass die Koalition mit der Formulierung von Inhalt, Schwerpunk- ten und neuer Struktur des 6. Forschungsrahmenpro- gramms nichts zu tun hatte und nun gewissermaßen erst- mals mit den Ergebnissen aus Brüssel konfrontiert wird. Das ist ein leicht durchschaubares Täuschungs- manöver, dem wir nicht auf den Leim gehen werden. Wer die politischen Prozesse im Vorfeld der Vorlage des 6. Forschungsrahmenprogramms einigermaßen beobach- tet hat, dem ist nicht entgangen, dass die deutschen Ver- treterinnen und Vertreter in der Europäischen Kommis- sion sehr wohl und mit Nachdruck ihre Vorstellungen zur Ausgestaltung eines europäischen Forschungsraums ein- gebracht haben: Sie haben beispielsweise für eine euro- päische Raumfahrtstrategie Druck gemacht oder darauf gedrängt, die europäische Forschung zu IuK-Technolo- gien neu zu strukturieren. Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Formu- lierung des 6. Forschungsrahmenprogramms mit ihren In- teressen recht gut durchgesetzt hat. Denn die technologi- schen Hauptrichtungen Postgenomics, IuK-Forschung, Luft- und Weltraumforschung und Nanotechnologien wa- ren gewiss nicht Hauptgegenstand des Interesses der klei- neren Mitgliedstaaten. In diesem Lichte stellt der Antrag von SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen nichts anderes als eine offene Kritik der Koalitionsfraktionen an der europäischen For- schungspolitik der Bundesregierung dar. Dagegen können wir nichts haben; dies unterstützen wir im Gegenteil aus- drücklich – auch wenn wir uns eine deutlichere Sprache gewünscht hätten und diese in den Ausschussberatungen einfordern werden. Vermutlich handelt es sich bei dem Antrag der Koalitionsfraktionen auch um ein kleines som- merliches Wahlkampfgeschenk an die Grünen, die dieses zur Linderung von infolge politischer Verrenkungen erlit- tener Muskelschmerzen erhalten. Die Grünen möchten ihrem Klientel endlich Erfolge in der Wissenschaftspoli- tik präsentieren können. Mit dem Koalitionsantrag, der die Handschrift des jüngsten Beschlusses des Länderrats von Bündnis 90/Die Grünen zum Forschungsrahmenpro- gramm trägt, haben sie einen Erfolg schwarz auf weiß do- kumentiert. Und ab damit zu den Akten; denn die zum Teil richtigen Vorschläge des Koalitionsantrages werden ver- mutlich aufgrund der bisher noch unklaren finanziellen Deckung einzelner Schwerpunkte des Forschungsrah- menprogramms zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr unter- zubringen sein. Gleichwohl unterstützen wir es, dass sich der Deutsche Bundestag mit möglichst klaren Worten für eine sozial- ökologische Umorientierung der europäischen For- schungspolitik ausspricht und die Bundesregierung dazu anhält, den von ihr in den Dreck gefahrenen Karren na- mens Forschungsrahmenprogramm wieder in fortschritt- liche Bahnen zu lenken. Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Bedeutung der Forschung für die Entwicklung unserer Gesellschaft und Wirtschaft ist im nationalen Rahmen an- erkannt. Die Bundesregierung hat entsprechend in den letzten Jahren ihre Aufwendungen für Forschung sub- stanziell erhöht. Umso mehr ist zu begrüßen, dass auch vom Europäischen Rat in Lissabon im Frühjahr 2000 ein Impuls für die Stärkung der Europäischen Forschung aus- gegangen ist. In diesem Sinne ist der Diskussionsprozess zu be- grüßen, der mit verschiedenen Mitteilungen der Kommis- sion im letzten Jahr über das Leitbild eines „Europäischen Forschungsraumes“ geführt worden ist. Dabei ist es be- sonders erfreulich, dass sich ein breiter Konsens innerhalb der Europäischen Union für eine starke Forschung auch auf der europäischen Ebene gezeigt hat. Wir haben ein ausdrückliches Interesse an einer starken Forschung in Europa. Denn nur so kann die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf dem globalen Markt gesichert werden; können globale Probleme wie Aids, Malaria, Tuberkulose – die Geißeln der Menschheit – und auch globale Umweltprobleme wie die Erwärmung der Erde und die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen in Umsetzung des Kioto-Protokolls in einer weltweiten Zusammenarbeit angegangen werden; erreichen wir eine gemeinsame europäische Forschungsidentität, die wir brauchen, um weltweit offen und attraktiv für die besten Forscher zu sein, damit sie zu uns kommen und hier ar- beiten. Wir stehen jetzt am Beginn der Halbzeit des 5. EU- Rahmenprogramms. Mit einem Gesamtbudget von knapp 15 Milliarden Euro und einer Fördersumme von circa 1 Milliarde DM, die pro Jahr von deutschen Antragstel- lern eingeworben werden, ist dieses laufende Programm schon quantitativ betrachtet ein gewichtiger Faktor in der Forschungsförderung. Aber wichtiger als eine rein quan- titative Betrachtung ist, dass das Rahmenprogramm in- zwischen ein fester Bestandteil der Forschungsförderung in Deutschland und in anderen Ländern geworden ist, seine Bedeutung deutlich über die bloße Vergabe von Fördermitteln hinausgeht, in dem es insbesondere der zentrale Kristallisationspunkt zu einer Vernetzung der europäischen Forschung und zur Schaffung grenzüber- schreitender Zusammenarbeit geworden ist, die konkre- ten Förderaktivitäten in den spezifischen Programmen insgesamt besser sind als ihr Ruf und insgesamt als eine europäische Erfolgsgeschichte bezeichnet werden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18031 (C) (D) (A) (B) können. Wir wissen natürlich, dass weitere Verbesserun- gen nötig sind, auch im Hinblick auf die zum Teil ab- schreckend geringe Erfolgsquote für die Antragsteller. Wir sind jetzt mitten in der Vorbereitung des nächsten, des 6. Rahmenprogramms 2002 bis 2006 und führen eine intensive Diskussion, national und auch auf europäischer Ebene. Wir haben einen breiten Konsultationsprozess mit allen Beteiligten aus Wissenschaft, Wirtschaft und den Ländern begonnen. Auch der Forschungsministerrat am 26. Juni hat sich schwerpunktmäßig mit den vorliegenden Vorschlägen der Kommission für das 6. Rahmenpro- gramm beschäftigt. Wir wollen mit dem sechsten Rahmenprogramm vor allem an den bisherigen Erfolgen anknüpfen und sicher- stellen, dass dieses neue Programm einen Beitrag zur schrittweisen Umsetzung des Leitbildes des Europäischen Forschungsraumes leistet. Unsere Haltung in den laufen- den Verhandlungen konkretisiert sich in folgenden sieben Punkten. Erstens. Wir stehen zu dem politischen Anspruch, die EU-Forschungsförderung in ihrer Wirksamkeit und in ih- rer strukturbildenden Wirkung in Europa zu erhöhen. Es kommt darauf an, die europäische Position im Wettbe- werb auf den Weltmärkten zu verbessern, gerade auch auf innovativen Zukunftsmärkten in der Informations- und Nanotechnologie sowie der Genomik einschließlich der Pflanzenwissenschaften. Zweitens. Die thematischen Prioritäten sind im Großen und Ganzen richtig gewählt. Allerdings sind wir wie auch andere Mitgliedstaaten der Auffassung, dass der Bereich Nachhaltigkeit, insbesondere die erneuerbaren Energien, die Umsetzung des Prinzips des nachhaltigen Wirtschaf- tens und die Verkehrsforschung noch stärkere Berück- sichtigung finden müssen. Es geht in den Verhandlungen auch um das Euratom-Programm. Die Bundesregierung wendet sich gegen die Forschung an neuen Reaktorlinien. Bei der Fusionsforschung ist für uns klar, dass das Fusi- onsexperiment Wendelstein 7 mit EU-Beiträgen in unver- änderter Höhe fertig gestellt werden muss. Drittens. Neuen Instrumenten der Förderung stehen wir aufgeschlossen gegenüber. Sie sollten – nach Erpro- bung – desto stärker eingesetzt werden, je mehr auch die Forscher sie kennen gelernt und akzeptiert haben. Wir müssen aber sicherstellen, dass ein nahtloser Übergang vom 5. zum 6. Rahmenprogramm erfolgt. Hier sehen wir jedoch – in Übereinstimmung mit der Bewertung aus der Wissenschaft, dem BDI, dem Bundesrat und auch unseren europäischen Partnern – noch erheblich Klärungsbedarf. Bei der Wahl der Förderinstrumente sollte zudem aus- schlaggebend sein, welche spezifischen thematischen Rahmenbedingungen in den jeweiligen prioritären Berei- chen vorliegen. Eine Vorab-Festlegung auf eine aus- schließliche Nutzung von Instrumenten wäre aus unserer Sicht kontraproduktiv. Dieser Auffassung hat sich die Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten angeschlossen. Viertens. Die Stärkung der Mobilität unserer Forscher ist eine wesentliche Zielsetzung. Wir haben vorgeschla- gen, innerhalb der Mobilitätsaktivitäten eine besondere Unterstützung für herausragende Nachwuchswissen- schaftler vorzusehen, damit sie frühzeitig eigene europä- ische Arbeitsgruppen aufbauen können. Mit einem sol- chen Instrumentarium, dem „Emmy-Noether-Programm“, haben wir national bereits gute Erfahrungen gemacht. Fünftens. Die Beteiligung der KMU ist uns ein wichti- ges Anliegen. 15 Prozent der Finanzmittel sollen an KMU vergeben werden und dies unterstützen wir. Damit dies er- reicht werden kann, müssen die neuen Instrumente der Förderung auch so ausgestaltet werden, dass KMU eine faire Chance zur Beteiligung haben. Darüber hinaus hal- ten wir die themenunabhängigen Maßnahmen zur Kol- lektiv- und Kooperationsforschung bei KMU für eine wichtige Aufgabe. Und hier ist es besonders erfreulich, dass die Erfahrungen, die wir national mit der KMU-Ge- meinschaftsforschung gemacht haben, nun auch auf euro- päischer Ebene übernommen werden. Sechstens. Die Beitrittsländer sind derzeit bereits alle dem 5. Rahmenprogramm assoziiert und nehmen auf glei- cher Basis wie die EU-Mitgliedstaaten an diesen Pro- grammen teil. Damit ist die Forschung Schrittmacher für eine Integration der Beitrittsländer in die Europäische Union. Wir wollen deshalb, dass die Beitrittsländer auch ihre Erfahrungen aus dem 5. Rahmenprogramm und ihre Vorstellung über die Gestaltung des 6. Rahmenprogramms in die laufenden Vorbereitungen einbringen können. Siebtens. Wir wollen, dass integriert in die jeweiligen thematischen Prioritäten Aktivitäten unterstützt werden, die über die Entwicklung gemeinsamer ethischer Stan- dards zu einem „Europäischen Werteraum“ führen. So- zial-, Geistes- und Humanwissenschaften einschließlich der Technikfolgenabschätzung sind dabei eine wesentli- che Aufgabe. Das von der Kommission vorgeschlagene Gesamtbud- get von 17,5 Milliarden Euro ist ein plausibler Ausgangs- punkt für die Diskussionen. Einvernehmen besteht da- rüber, dass die Verteilung innerhalb des Gesamtbudgets auf die einzelnen prioritären Bereiche noch eingehender Beratung bedarf. Die Aussprache unter den Mitgliedstaa- ten hat gezeigt, dass bereits ein großes Maß an Überein- stimmung in grundsätzlichen Fragen zwischen ihnen be- steht. Ich sehe auch viele Gemeinsamkeiten mit den Überlegungen, die im Europäischen Parlament diskutiert werden. Wir werden dies aufmerksam beobachten und die für Herbst erwartete Stellungnahme des Parlaments in die Vorbereitungen für unseren „Gemeinsamen Standpunkt“ einbeziehen. Ich sehe eine gute Grundlage dafür, ihn im Rat im Herbst dieses Jahres beschließen und die Ent- scheidung über das 6. Rahmenprogramm zügig im kom- menden Jahr herbeizuführen zu können. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Feste Fehmarnbelt- Querung – Klarheit und Konkretisierung – öko- nomisch geboten, ökologisch sinnvoll (Tagesord- nungspunkt 13) Dr. Christine Lucyga (SPD): Vor wenigen Wochen haben wir in diesem Hause eine Debatte über die Per- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118032 (C) (D) (A) (B) spektiven des Ostseeraums als eine der wachstumsstärks- ten Regionen Europas geführt. Einig waren wir uns – par- teiübergreifend – darin, dass der Ostseeraum mit dem Fall des Eisernen Vorhangs eine einmalige Entwick- lungschance bekommen hat. Nach 50 Jahren „Funkstille“ und politischer Blockade finden die Ostseeländer wieder als Partner zueinander, sei es in den Bereichen Kommu- nikation und gemeinsame Umweltpolitik, sei es bei der Planung gemeinsamer Verkehrsnetze, bei Jugendbegeg- nungen oder bei institutioneller und kultureller Zusam- menarbeit. Und bei alledem stehen wir eher am Anfang einer aus- sichtsreichen Entwicklung; denn die EU-Osterweiterung wird aller Voraussicht nach weitere Wachstumschancen für die Ostseeregion bringen. Wichtig wird im vereinten Europa deshalb auch sein, dass die Ostseeregion in hand- lungsfähigen Großregionen und mit gemeinsamen, län- derübergreifenden Projekten erkennbar ist, um so – wie es der Mittelmeerraum erfolgreich vormacht – gemeinsame Interessen auch gemeinsam zu vertreten. Das alles heißt: Es sind Brücken zu schlagen, Brücken im Sinne funktionierender Verkehrsverbindungen. Grund- sätzliche Überlegungen dazu gibt es durch die europä- ische Verkehrsnetzplanung bereits. Ein wichtiger Ge- sichtspunkt dabei muss aber immer sein, dass die Regio- nen gleichberechtigte Chancen erhalten. Deshalb möchte ich die Aufmerksamkeit auf den ver- kehrsgeographisch optimalen Weg von Nord nach Süd – oder umgekehrt – über die deutschen Ostseehäfen rich- ten. Dieser Weg ist erst im Ergebnis der deutschen Teilung de facto abgeschnitten worden. Die Teilung Europas in zwei einander feindlich gegenüberstehende Blöcke hatte dazu geführt, dass veränderte verkehrsgeographische Überlegungen Lenkungswirkung entwickelten; denn es mussten Grenzen umgangen oder überwunden werden. Infrastrukturlücken wurden immer größer, Handelsbezie- hungen immer spärlicher. Überlegungen zu einer festen Fehmarnbelt-Querung, mit der die damals bestehenden Infrastrukturengpässe überwunden werden sollten, rühren aus genau jener Zeit, mit all ihren politischen und geographischen Beschrän- kungen. Erst die Änderung der politischen Vorzeichen seit dem Herbst 1989 ermöglichte eine Rückbesinnung auf die optimalen natürlichen Verkehrswege von Skandinavien nach Mittel- und Osteuropa: den Weg über die Ostsee und die deutschen Ostseehäfen. Mit leistungsfähigen Hinterlandanbindungen und mit der gleichberechtigten Einbeziehung der ostdeutschen Länder in die verkehrsgeographische Landkarte können die Vorzüge der Regionen tatsächlich genutzt werden; denn logistische Stärken setzen sich nicht im Selbstlauf durch, sie müssen beweisfähig gemacht werden. Wenn also eine Fehmarnbelt-Querung ernsthaft gewollt ist, dann muss – schon aus Gründen der Chancengleichheit auch eine Stärkung der Nord-Süd-Achse auf direktem Wege über die Ostseehäfen erfolgen; denn sonst würde die ganze östliche Region Deutschlands verkehrsseitig von der europäischen Entwicklung abgekoppelt. Das bedeutet für uns: Verkehrskorridore über die Ost- see müssen wieder belebt oder neu erschlossen werden. Nachdem seit dem Sommer 2000 die Öresund-Querung Skandinavien ein Stück weit ins künftige Zentrum Euro- pas bringt, bietet es sich geradezu an, bei der anstehen- den Neubewertung der transeuropäischen Netze auch im Interesse des süd- und südosteuropäischen Hinderlands die Nord-Süd-Achse über die deutschen Seehäfen zu stärken. Eine Achse Kopenhagen–Berlin–Prag über den See- hafen Rostock ist nun einmal die kürzeste und schnellste Verbindung auf dieser Route, wenn bewährte, traditio- nelle Verkehrswege über die Ostsee ihren Stellenwert zurückerhalten. Ebenso wäre es denkbar, von Kopenha- gen über Rostock–Trier–Luxemburg und weiter eine op- timierte Verkehrsachse von Nord nach Südwest und um- gekehrt zu schaffen. Dazu müssen der Seeverkehr und insbesondere die Fährverkehre auf der Ostsee ihren Stel- lenwert behalten. Dass die Fährverkehre über die Ostsee nicht nur Sinn machen, sondern ihre Attraktivität ganz of- fensichtlich auch gegen die Konkurrenz fester Querun- gen behaupten können, zeigt übrigens deutlich das Bei- spiel der Öresund-Querung, deren Gewinnerwartungen inzwischen deutlich nach unten korrigiert werden muss- ten. Der Fährverkehr behauptet nach wie vor seinen Stel- lenwert. Das zeigt aber auch, dass die finanziellen Risiken für den Bau einer Fehmarnbelt-Querung nicht unterschätzt werden dürfen. Schon gar nicht dürfen sie dem Steuer- zahler überlassen werden, zumal es tragfähige Alternati- ven durch verbesserte, schnellere Fährangebote gibt. Fährreedereien – ich nenne hier vor allem das deutsch- dänische Unternehmen Scandlines – haben entsprechende Offerten veröffentlich und sind bereit, das Risiko zu tragen. Diese Risikobereitschaft muss auch die Voraus- setzung bei potenziellen Betreibern einer Fehmarnbelt- Querung sein; denn die öffentliche Hand wäre mit der Finanzierung sowie den Folgeinvestitionen bei wei- tem überfordert. Es geht hier um ausschließlich private Risiken. Es gilt also, Risiken, Chancen und Alternativen abzu- wägen. Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, für Chancengleichheit der Regionen zu sorgen und das Gleichgewicht der Infrastrukturplanung zu wahren, für gleichberechtigte Entwicklungschancen der Regionen zu sorgen und Möglichkeiten gleichberechtigt abzuwägen. In diesem Sinne möchte ich den Nord-Süd-Korridor als wichtige Verkehrsader mit in die Bewertung einbringen. Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Die SPD-Bundes- tagsfraktion lehnt den vorliegendenAntrag der CDU/CSU zu einer festen Fehmarn-Belt-Querung ab. Die Bundesregierung und die schleswig-holsteinische Landesregierung haben ein großes Interesse an einer wei- teren festen Querung zwischen Deutschland und Skandi- navien und treiben das Projekt deshalb entschieden voran. Festzuhalten bleibt für mich als Bundestagsabgeordneten aus Lübeck: Das Land Schleswig-Holstein hat deshalb bereits im Dezember 1999 eine positive Stellungnahme zu der von der Bundesrepublik Deutschland und dem König- reich Dänemark beschlossenen Machbarkeitsstudie abge- geben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18033 (C) (D) (A) (B) Nicht zu leugnen ist wegen der von CDU und CSU hin- terlassenen zerrütteten Staatsfinanzen auch: Das Projekt kann wegen der bekannten Haushaltsmisere nur dann er- folgreich umgesetzt werden, wenn privates Kapital im Rahmen von public private partnership zur Finanzierung des Projektes aktiviert werden kann. Die Suche nach ei- ner wirtschaftlich vernünftigen Finanzierung ist auf gutem Wege. Außer Acht bleiben kann dabei nicht, dass die zur Grundlage der Kalkulation der Wirtschaftlichkeit und der Finanzierung geschätzten Verkehrszahlen bei der Fehmarnsund-Querung bei weitem nicht eingehalten wor- den sind. Das deutsch-dänische Verkehrsvorhaben Fehmarnbelt- Querung ist exakt im verabredeten Zeitplan. Die Ver- kehrsminister beider Länder haben im Dezember vergan- genen Jahres ein Memorandum über eine gemeinsame positive Grundsatzentscheidung über die Fortführung der Untersuchungen und die zügige Einleitung eines Interes- senbekundungsverfahrens getroffen. Das durch Veröf- fentlichung im Bundesanzeiger in Gang gesetzte und inzwischen abgeschlossene Interessenbekundungsverfah- ren ist auf großes Interesse gestoßen. Mehr als 50 Kon- sortien und einzelne Unternehmen haben ihr Interesse an einer Durchführung des Projekts bekundet. Wichtiger als die nackte Zahl sind die Unternehmun- gen, die hinter den Anfragen stehen. Unter den Bewerbern finden sich führende Banken, große Bau- und Ingenieur- unternehmungen sowie Infrastrukturbetreiber aus ganz Europa. Nach den bisherigen Planungen werden die deutsche und die dänische Seite voraussichtlich im kommenden April ein Konzept zur Finanzierung des Baus und zum Betrieb einer festen Beltquerung erarbeiten. Bisherige Schätzungen gehen von Baukosten in Höhe von zwischen 2,9 und 4,1 Milliarden Euro aus. Aufgrund der bisherigen Resonanz bin ich der festen Überzeugung, dass sowohl genügend privates Geld zur Verfügung steht als auch Be- reitschaft besteht, dass sich privates Kapital im erforder- lichen Umfange an der Finanzierung beteiligen wird. Zu klären bleibt, unter welchen politischen und wirtschaftli- chen Rahmenbedingungen die private Wirtschaft bereit ist, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Bis Ende 2002 werden die beiden Regierungen eine endgültige Entscheidung über die Durchführung des Pro- jektes treffen. Sie sehen, die feste Belt-Querung ist im Zeitplan. Der in dem Antrag erhobene Vorwurf, dass das Projekt von der Bundesregierung und der schleswig- holsteinischen Landesregierung „abwartend und ohne Mut und Elan vorangetrieben wird“, hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Deshalb werden wir den Antrag der Union auf Drucksache 14/6313 ablehnen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Am 15. August 2001 findet wie jedes Jahr die Fehmarnbelt- Querung statt; nicht mit Auto oder Bahn, sondern schwimmend. Den Rekord von Maria Mato können die Regierungen in Kiel und Berlin nicht mehr brechen. Maria Mato benötigte 11 Stunden für diese Strecke, die Politik steht seit 11 Jahren an der Startlinie und kann sich immer noch nicht entscheiden, ob sie ins Wasser springt oder nicht. Startangst! Der Bundesverkehrswegeplan hätte 2001 – in diesem Jahr – fortgeschrieben werden müssen. Dazu ist die Bun- desregierung verpflichtet. Sie weigert sich, weil sie im Wahlkampf 2002 Konflikte vor Ort befürchtet. Pro-Entscheidungen für den Ausbau von Verkehrswe- gen hier würden von den Bündnisgrünen vor Ort vehe- ment bekämpft, Krach gäbe es in der Koalition. Deshalb soll der Bundesverkehrswegeplan gegen Recht und Ge- setz um drei bis vier Jahre verzögert werden. Verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Statt Investi- tionen zu forcieren, wird bundesweit gebremst; zum Nachteil von Arbeitsmarkt und der Modernisierung un- seres Landes. Das Beispiel Fehmarnbelt-Querung macht diese Konfliktvermeidungs-Strategie der Bundesregie- rung besonders deutlich. Man arbeitet pro forma an der Planung, schiebt dieses Projekt real jedoch auf die lange Bank. Berlin muss sich der Fehmarnbelt-Querung endlich an- nehmen. In dieser Frage sind Klarheit und Konkretisie- rung von nöten. Die Bevölkerung auf Fehmarn, die mög- lichen Betreiber dieser privat zu finanzierenden Strecke und auch die Fährreedereien müssen endlich wissen, woran sie sind. Das bereits 1992 in Auftrag gegebene Gut- achten belegt eindeutig, diese transeuropäische Verbin- dung ist wirtschaftlich geboten, geologisch machbar und ökologisch sinnvoll. Aber den Menschen vor Ort Pla- nungssicherheit für ihre Zukunftsentscheidungen zu ge- ben ist Aufgabe der Politik, ob es bei den Fährrouten bleibt oder die Querung kommt. Mit dem Ende der Ausschreibungsfrist am 22. Juni ist dieses Ostseeprojekt Nummer eins in eine neue Phase ge- treten. Jetzt müssen Kiel, Berlin und Kopenhagen ihre Karten auf den Tisch legen. Für die knapp 20 Kilometer lange Strecke ist ein Brücken-Tunnel-Bauwerk vorgese- hen. Es soll je nach Variante zwischen 5,5 und 8,6 Milli- arden DM kosten. Für Betrieb und Wartung ist eine Summe von circa 200 Millionen Mark jährlich angesetzt. Die Realverzinsung des Eigenkapitals soll 7 bis 9 Prozent pro Jahr betragen. Gut 30 Jahre wird, nach den Plänen von Rot-Grün Maut erhoben, danach fällt das Projekt an den Staat zurück. Da der Bau zum transeuropäischen Verkehrsnetz – TEN – gehört, wird er die Schleswig-Holstein-Quote beim Bundesverkehrswegeplan nicht belasten. Ob Rot- Grün in Berlin diesen Grundsatz anerkennt ist bis heute noch nicht geklärt. Keine Aussage von einem der bisher drei SPD-Verkehrsminister gibt es, ob der Bund bei die- ser Strecke von nationaler Bedeutung zu einem Sonder- beitrag bereit ist. Der Kieler Verkehrsminister, Bernd Rohwer, hat kürzlich eine bis zu 20 Prozent reichende An- schubfinanzierung des Bundes als möglich bezeichnet, sein grüner Koalitionspartner an der Förde hat das als un- möglich kritisiert mit dem Hinweis auf den Koalitions- vertrag, denn der sehe keine Staatsknete für die Beltque- rung vor. Während sich im Norden ein Koalitionskrach anbahnt, läuft uns die Zeit davon. Der Verkehrsstrom aus Skandi- navien nach Mitteleuropa, aber auch umgekehrt, nimmt rasant zu. In den nördlichen Ostseestaaten boomt die Wirtschaft. Bis zu 40 Prozent mehr Verkehr wird für die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118034 (C) (D) (A) (B) nächsten zehn Jahre prognostiziert. Da die Belt-Querung lahmt, muss der Landkorridor zwischen Hamburg und Kopenhagen ausgebaut werden. Vorrangig und zügig ist hier zu handeln, will man keine Entwicklungslücke zwi- schen Skandinavien und der Bundesrepublik riskieren. Wollen wir die imponierenden Wachstumskräfte in der Ostseeregion für unser Land nutzen, muss die Verkehrs- infrastruktur optimal sein. Engpässe bei der Bahn gibt es noch bei Kopenhagen, auf der Rendsburger Hochbrücke und vor Hamburg; ab- gesehen von den eingleisigen Streckenabschnitten im Kö- nigreich Dänemark. Notwendig ist darüber hinaus ein sechsstreifiger Ausbau der Autobahn zwischen der Me- tropole Dänemarks und der Hansestadt. Dänemark drängt auf eine Entscheidung, Deutschland verzögert sie. Die dänische Wirtschaft hat erst vor wenigen Tagen ei- nen Beginn der Belt-Querung bei ihrer Regierung ange- mahnt. Seit vielen Monaten wird dieses europäische Pro- jekt von der Bundesregierung defensiv betrieben, abwartend ohne Elan und Mut. Die drei bisher verantwortlichen SPD-Verkehrsminis- ter, Müntefering, Klimmt und Bodewig, engagierten sich in West und Ost, für den Norden hat es leider kein wirkli- ches Interesse gegeben. Dabei verkennt Rot-Grün, dass es sich hier um eine Maßnahme von gesamtstaatlicher Be- deutung handelt. Das muss anders werden! Annähernd zehn Prozent der deutschen Exportwirt- schaft gehen in Länder der Ostseeregion, über 100 Milli- arden Dollar. Mit den Anrainern des Mare Balticum wird mehr Handel betrieben als mit den USA und Japan zu- sammen. Für jeden dieser zehn Staaten sind wir der wich- tigste Wirtschaftspartner. Das Wachstum des Ostseehan- dels kann sich nach Aussage aller Institute, die sich mit dem Raum befassen, innerhalb der kommenden 10 bis 15 Jahr verdoppeln bis verdreifachen, wenn, ja wenn die infrastrukturellen Voraussetzungen gegeben sind. Eine feste Querung des Fehmarn-Belts gehört zu den Eckpfeilern einer solchen möglichen günstigen Perspek- tive. Für den Arbeitsmarkt verspricht dieses Handeln ebenso eine Stärkung und Erweiterung, wie auch der Ostseetourismus gut davon hat. Eine feste Querung des Fehmarn-Belts wäre die dritte große Ostsee-Verbindung neben der 1997 eröffneten Brücke über den Großen Belt zwischen den dänischen Inseln Fünen und Seeland und der Öresundquerung von Kopenhagen zum schwedi- schen Malmö. Diese Querung wurde am 1. Juli 2000 für den Verkehr freigegeben. Auch wenn deren Benutzung derzeit noch nicht ausreichend wirtschaftlich ist, weisen schwedische wie dänische Regierungskreise bereits jetzt auf die strukturellen Impulse hin, die diese Verbindung ausgelöst hat. Die von den Zwillingsstädten Kopenhagen und Malmø repräsentierte Öresundregion kennzeichnet heute mit das höchste Wachstum in Europa, bedingt auch durch eine neue Ansiedlungsbereitschaft von Be- trieben. Solche Impulse, wenn auch nicht in dem Ausmaße, sind auch für die Brückenköpfe der Meerenge zwischen Fehmarn und dem dänischen Lolland denkbar. Als Vo- raussetzung dafür muss die Hinterlandanbindung opti- miert werden. Nur 19 Kilometer fehlen, um Kopenhagen und Hamburg beinahe in Luftlinie zu verbinden. Statt 45 Minuten via Fähre würde das Königreich bei einer festen Querung in 20 Minuten direkt erreichbar sein. Ge- genüber dem Landweg lassen sich etwa 160 km Fahrt- strecke einsparen. Doch wenn Berlin und Kiel auch das Großprojekt als ökologisch machbar erklären, folgenlos wird dieser gi- gantische Eingriff in die Natur nicht bleiben. Experten erwarten negative Auswirkungen auf die Strömungsver- hältnisse im Belt, zusätzliche Flughindernisse für die Vo- gelwelt. Gegenwärtig wird der Fehmarn-Belt durch eine Fähr- verbindung für Fahrzeuge und Personen überquert. Be- treiber ist eine deutsch-dänische Reederei. 1999 wurden auf den vier eingesetzten Schiffen 5,6 Millionen Passa- giere, über 990 000 Pkw sowie mehr als 31 000 Busse und 259 000 Lkw transportiert. Die Prognosen für das Verkehrsaufkommen für das Jahr 2010 zeigen, dass eine feste Querung zu einem Zu- wachs zwischen 25 und 46 Prozent im Personenverkehr gegenüber 1996 führen würde. Bei Beibehaltung des Fährbetriebes würde der Anteil nur vier Prozent betragen. Im Frachtgeschäft werden noch größere Raten vorausge- sagt. Mit fester Fehmarnbelt-Verbindung erhöht sich das Güterverkehrsaufkommen bis zum Jahr 2010 um etwa 129 Prozent auf circa. 16,3 Millionen Tonnen. In den Leitlinien für den Ausbau eines transeuropä- ischen Verkehrsnetzes –TEN – ist die Eisenbahnstrecke Hamburg–Kopenhagen als zukünftige Strecke für Hoch- geschwindigkeitszüge ausgewiesen. Der Bundesverkehrswegeplan sieht im vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 207 zwischen Oldenburg und Heiligenhafen „vordringlichen Bedarf“, für die Fortset- zung bis Puttgarden „weiteren Bedarf“. Weiterhin hat Dänemark im Vertrag mit Schweden von 1991 über die feste Öresundverbindung zugesagt, dass es sich für eine feste Fehmarnbelt-Querung nachhaltig ein- setzt. Das blau-gelbe Königreich hat ein erhebliches ökonomisches wie ökologisches Interesse, über feste Ver- bindungen den Kontinent zu erreichen. So plant bei- spielsweise die schwedische Reichsbahn Linien von Schweden nach Südwest-Europa und insbesondere nach Berlin. Doch um unsere Chancen zu nutzen, müssen wir unseren Blick verstärkt auf den Norden richten. Erkenn- bar ist, dass es sich bei dem Ostseeraum um eine Boom- region handelt, die durch die Querung Mitteleuropa näher rückt. Eine Fehmarnbelt-Brücke bedeutet für einen Lübecker zum Beispiel, dass er von seiner Stadt aus Kopenhagen und Hannover in der gleichen Zeit erreichen kann. Die 1992 in Auftrag gegebenen staatlichen Gutachten zum Bau einer festen Querung des Fehmarnbelts sind ab- geschlossen. Danach gibt es für den Bau und Betrieb ei- ner Brücken- oder Tunnelkonstruktion zwischen Fehmarn und Lolland keine unüberwindbaren technischen und fi- nanziellen Probleme. Laut Studie sind Bau und Betrieb voll über Nutzungsgebühren finanzierbar. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18035 (C) (D) (A) (B) Die derzeitige Bundesregierung wie auch die Landes- regierung in Schleswig-Holstein betreiben die Belt-Que- rung mit angezogener Bremse. Man wird den internatio- nalen Verpflichtungen nicht gerecht. Die Aussetzung des Bundesverkehrswegeplans unter- läuft die Realisierung dieser international gebotenen Maßnahme um bis zu weitere sieben bis zehn Jahre. Da- mit genügt die rot-grüne Regierung weder dem Interesse des Ostseeraumes noch denen der deutschen und speziell der norddeutschen Wirtschaft und damit der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Dieses Ostsee-Verkehrsprojekt Nummer eins sollte im Bundesverkehrswegeplan einen eigenen Stellenwert er- halten. Eine grundsätzliche Entscheidung zum Bau kann nur der Bund treffen. Doch der weigert sich und zaudert. Da hat die rot-grüne Landesregierung in Kiel doch mehr Courage in dieser Frage gezeigt. 1999 – neun Monate vor der Landtagswahl – werde Tempo bei dem Großprojekt gemacht, verkündete man. Der Verkehrsminister führte bereits Gespräche mit Baufirmen. Eine Entscheidung noch vor der Jahrhundertwende wurde angekündigt. Nichts ist aus alledem geworden. Die Beltquerung wurde als Wahlkampfthema missbraucht, um ein Modernisie- rungsimage zu erhalten. Nicht nur die Wirtschaft in Norddeutschland ist tief enttäuscht über eine solche Ankündigungspleite, sondern besonders auch unsere skandinavischen Nachbarstaaten zweifeln daran, ob der Zauderer Deutschland den neuen Weg über die Ostsee will. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Diskussion um die geplante feste Fehmarnbelt-Querung bewegt seit einigen Jahren die Menschen in Schleswig- Holstein. Gerade im nördlichen Ostholstein mit der Ferieninsel Fehmarn hegen viele Menschen Existenzängste, da durch den Bau einer festen Beltquerung und einer Verlängerung der A 1 quer über die Insel der Tourismus und die Umwelt zerstört würde. Ich bin in Ostholstein aufgewachsen und ich weiß, dass das Kapital dieses Kreises die Landschaft, die Erholungs- räume sind. Sie, meine Damen und Herren von der Union, wollen mit Ihrem Antrag dieses Kapital zerstören. Die Schäden für Flora und Fauna wären beim Bau einer festen Querung gravierend. Vor allem aber hätte eine Brücke verheerende Folgen für die 50 bis 60 Millionen Zugvögel, die den Vogelflugkorridor nutzen. Wie unbegründet die Erwartungen mit dem Bau einer festen Beltquerung sind, zeigen uns die Nutzungszahlen der Öresundbrücke in Dänemark: Die ersten Ergebnisse der Verkehrsentwicklung auf dieser festen Querung sind ernüchternd. Gerade mal ein Drittel der erwarteten PKW und LKW nutzt tatsächlich die Tunnel- und Brückenkom- bination und die preisgünstigere Fährverbindung verliert nur 10 Prozent des Aufkommens. Das ist eine wichtige Lehre für uns auch in Hinblick auf die umstrittene Fehmarn-Belt-Querung. Es kommt eben nicht auf mög- lichst viel Euphorie an, sondern auf harte wirtschaftliche Fakten. Im Gegensatz zum Fehmarnbelt befinden sich beiderseits des Öresunds tatsächlich dicht besiedelte Ge- biete mit hoher wirtschaftlicher Verflechtung und trotz- dem hat die Querung erhebliche Probleme, für die im End- effekt die Staatshaushalte gerade stehen müssen. Anstatt blind den angeblichen volkswirtschaftlichen Nutzen zu bejubeln, sollten Sie die real entstehenden ne- gativen Auswirkungen für Schleswig-Holstein und Meck- lenburg-Vorpommern, die negativen Auswirkungen für die Häfen in Lübeck, Kiel und Rostock, die negativen Auswirkungen für den Nord-Ostsee-Kanal und die katas- trophalen Auswirkungen für die Werftindustrie und die Region Fehmarn/Großenbrode bedenken. Als verantwortliche Politiker müssen wir immer über- prüfen, wie wir mit dem Geld der Steuerzahler umgehen. Anstatt viele Milliarden Mark für ein solches – unwirt- schaftliches – Prestigeobjekt zu verschleudern, müssen wir uns fragen: Was nützen uns Prestigeobjekte, wenn wir den täglichen Stau in den Städten nicht bewältigen kön- nen? Das Land, die Wirtschaft, die Bürger, die Umwelt – wir alle haben letztlich ein gemeinsames Interesse: effizi- ente, bequeme, schnelle, ressourcen- und energiesparende Verkehrsmittel. Die bekommen wir nur, wenn wir anfan- gen, unsere verfügbaren Mittel so intelligent und effizient wie möglich einzusetzen. Für die Kosten der Fehmarn- belt-Querung können wir sämtliche Straßenbauprojekte und Schienenprojekte in Schleswig-Holstein für die kom- menden 30 Jahre finanzieren. Die Bundesregierung und die Landesregierung von Schleswig-Holstein sollten auch weiterhin klare Aussa- gen treffen, dass es keine staatlichen Subventionen für die feste Fehmarnbelt-Querung geben wird. Die Finanzie- rung hat durch privates Kapital zu erfolgen und das pri- vate Kapital ist angemessen am Risiko zu beteiligen. Die- ser Beschluss ist bei der gemeinsamen Sitzung des Bundes- und Landeskabinett in Kiel bestätigt worden. Nur wer bereit ist, eigenes Geld zu investieren, der rech- net auch. Alles andere ist mafiöses Abkassieren auf Kos- ten der Steuerzahler. Deswegen bestehen wir Grüne auf der ausschließlichen privaten Finanzierung einer mögli- chen festen Querung – und dies ohne staatliche Kreditab- sicherung – und einem optimierten Fährschiffkonzept als wirtschaftliche Vergleichsbasis. Die Zukunft des Verkehrs liegt auf der Schiene und im Schiffsverkehr. Die laufende Bewertung des optimierten Fährkonzeptes, das die Firma Scandlines dem Bundes- verkehrsministerium vorgelegt hat, und der Vergleich die- ses Konzeptes mit einer festen Querung machen immer deutlicher, dass ein optimiertes Fährkonzept noch auf Jahrzehnte die Verkehrsnachfrage qualitativ gut befriedi- gen kann, dabei erheblich kostengünstiger ist und völlig ohne staatliche Mittel getragen wird. Wir begrüßen es, dass Bundesregierung und Landesregierung solchen Kos- ten-Nutzen-Rechnungen mehr Wert beimessen als politi- schen Glaubensbekenntnissen. Leider ist meine Redezeit zu Ende. Die Menschen in Schleswig-Holstein wollen die feste Fehmarnbelt-Que- rung nicht. Sie wollen sie nicht, weil ein solches Projekt die Arbeitsplätze, den Tourismus und die Umwelt zerstört. Meine Damen und Herren von der Union, kommen Sie zur Vernunft und lassen Sie uns gemeinsam dieses Geld- vernichtungsprojekt beerdigen! Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118036 (C) (D) (A) (B) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Um es im Ergebnis vor- wegzunehmen: Die F.D.P.-Fraktion stimmt dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu. Möglicherweise wird auch von der SPD der Sinn dieses Projektes gesehen, wenn auch die Antwort auf die Kleine Anfrage von CDU/CSU von Februar 2000 noch etwas zurückhaltend ausfiel. Was aber ist Haltung von Bündnis 90/Die Grünen? Die ehemalige Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteini- schen Landtag, Irene Fröhlich, hoffte von jeher, dass eine private Finanzierung nicht zustande kommen würde. Die Landesregierung gab Gutachten in Auftrag und unter- suchte. Sie lehnte mit ihrer Mehrheit im Parlament den F.D.P.-Antrag ab, die Fehmarnbelt-Querung in den vor- dringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplanes auf- zunehmen. Dies war im Juli 1999. Bereits drei Monate später pustete sie im Landtag vor Begeisterung für das Projekt die Backen auf. Im Dezember 1999 beschloss der rot-grüne Koalitionsausschuss in Schleswig-Holstein, die feste Querung sei technisch machbar, verkehrlich sinn- voll und habe voraussichtlich einen gemeinschaftlichen Nutzen. Intern jedoch macht der grüne Partner von Heide Simonis Stimmung gegen das Zukunftsprojekt: Im „För- derwind“, dem Rundbrief der schleswig-holsteinischen Landtagsfraktion schreibt der derzeitige Grünen-Frak- tionsvorsitzende sinngemäß, das Projekt rechne sich nicht, weder Fern- noch Regionalverkehr seien in der Lage, die Kosten einzuspielen. Er kommt zu der Schluss- folgerung, es sei zwar verständlich, dass sich die Schwe- den eine Fehmarnbeltbrücke wünschten. Aber da sie nicht bereit seien, etwas dafür zu zahlen, müssten wir das „nach unseren eigenen Notwendigkeiten entscheiden“. Die strukturpolitische Bewertung dieser Äußerungen über- lasse ich Ihnen. Ich befürchte jedoch, auch im Bundestag werden wir diese Spiel erleben: Die SPD wird das Projekt – mögli- cherweise verhalten – begrüßen. Die Grünen werden, wie meistens, nicht offen widersprechen, weil dafür ihre Kraft nicht mehr reicht. Was sie jedoch sicher tun werden – un- abhängig davon, wie sie sich gegenüber ihrem Koalitions- partner bekennen – ist, den Bau zu verschleppen. Unter diesen Gesichtspunkten: insgesamt ein Ja der F.D.P. zur Fehmarnbelt-Querung, aber dennoch im Mo- ment keine rosigen Aussichten. Dr. Winfried Wolf (PDS): Dort, wo sich die Natur der Globalisierung in den Weg stellt, entdecken einige stets einen erheblichen Bedarf für milliardenschwere Beton-, Stahl- und Erdbewegungen. Als Erstes wurde befunden, England bedürfe einer festen Anbindung an Kontinental-Europa. Prompt wurde der Eurotunnel gebaut. Sodann wurde festgestellt, die Py- renäen hemmten die Handelsfreiheit. Inzwischen wird dieses Gebirge zwischen Frankreich und Spanien unter- tunnelt. Sodann wurde der Spruch „Nieder mit den Alpen, freier Blick aufs Mittelmeer“ modifiziert. Der Sperrriegel, den diese Erhebungen zwischen Mittel- und Südeuropa bilden, wird mit gewaltigen Tunnelbohrungen gesprengt. Die Schweiz wurde zum Ja genötigt, unter dem Lötsch- berg und dem Gotthardt werden gigantische Alpentunnel gebaut. Dann taten die „Round-Table-Industriellen“ kund, dass sich die Ostsee – völlig regelwidrig – zwischen Dänemark und Schweden geschoben habe. Ergo wurde das Projekt Scanlink entwickelt und im Sommer 2000 war es so weit: Mit großem Tamtam wurde eine gigantische Brückenverbindung über die Insel Seeland eröffnet. Doch all dies ist nicht genug. Nun wollen einige Schweden und Dänemark direkt an Norddeutschland an- binden, und zwar mittels Tunnel, Brücken oder beidem, quer über die dänische Insel Falster, den Fehmarn-Belt direkt zur Insel Fehmarn. Halten wir uns an das Gutachten, das zur festen Fehmarn-Querung bereits vorliegt! Die Angaben dort be- nennen die Probleme klar. Sollte dieses Projekt realisiert werden, dann könnte es gut ein halbes Jahrhundert dau- ern, ehe der Nutzen dieses Projekts dessen Kosten über- steigt. Bis dahin aber würden neue Kosten entstehen, wenn die Haltbarkeitszeiten der Brücken- und Tunnel- bauwerke überschritten sind und wenn dann noch einmal kräftig in Erhaltung und Sanierung zu investieren wäre. Für eine direkte Querung des Fehmarnbelts sind bereits acht Varianten angedacht. Je nach Ausführung wird mit Planungs- und Baukosten zwischen 6 und 9 Milliar- den DM gerechnet. Interessant dabei ist, dass die billige- ren Ausführungen später deutlich erhöhte jährliche Be- triebskosten bedeuten können. Beispielsweise würde eine ungenügende Schienenlösung der Bahn jährlich zusätzli- che Betriebskosten von bis zu 150 Millionen DM besche- ren und ihr dauerhaft Wettbewerbsnachteile verpassen. Überhaupt würde ein solches Projekt zusätzliche Strecken- und Trassenausbauten auf deutscher wie däni- scher Seite notwendig machen, die in den geschätzten Baukosten noch gar nicht berücksichtigt sind. Das Projekt ist wirtschaftlich unsicher. Anders als es uns der Antragstext der Unionsfraktion weismachen will, läge die jährliche Rendite je nach Ausführungsvariante nur zwischen minus 0,2 und plus 7,8 Prozent. Deshalb wird es schwierig werden, dieses neue Milliardending zu finanzieren bzw. das Geld dafür am Kapitalmarkt zu besorgen. Bei den Zeitwertanalysen erreicht keine der acht Vari- anten hinreichende Nutzen-Kosten-Vorteile. Die Protago- nisten einer festen Belt-Querung helfen sich daher mit einem Griff in die „Trickkiste“: Sie unterstellen beson- dere Zeitwerte für Fehmarnbelt-Passagiere. Dies wäre eine offenbar „besser gestellte“ Benutzergruppe, mit ho- hen Zeitkosten, die etwa beim doppelten dessen liegen, was beim – veralteten – Bundesverkehrswegeplan zu- grunde gelegt wird. Unter dieser doppelten Zeitbewertung hätte übrigens der „Absenktunnel mit drei Autospuren und einem Gleis“ angeblich die besten Voraussetzungen. Zum Verkehrswert ist festzustellen: Die Scanlink-Ver- bindung, die letzten Sommer über Jütland nach Schweden eröffnet wurde, bedeutet nur rund 160 Kilometer Umweg, wenn man sie mit der Querung des Fehmarnbelts ver- gleicht. Auf ausgebauten Schienen- und Straßenwegen macht das einen zeitlichen Mehraufwand von weniger als zwei Stunden aus. Dies rechtfertigt keine zusätzlichen Euro-Milliarden für neue Brücken, neue Tunnel, neue Autobahnen und neue Hochgeschwindigkeits-Bahn- strecken quer über die Ostsee. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18037 (C) (D) (A) (B) Deshalb ist eine zusätzliche, „feste“ Ostseequerung ab- zulehnen. Sie würde die teure Scanlink über Jütland, die nur die Hälfte des erwarteten Verkehrs aufweist, allemal unwirtschaftlich machen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung des Antrags: Kulturföderalismus in Deutschland erhalten (Tagesordnungspunkt 14) Eckhardt Barthel (Berlin) (CDU/CSU): Der F.D.P.- Antrag suggeriert, dass es in dieser Bundesregierung und der sie tragenden Koalition jemanden gäbe, der den Kul- turföderalismus infrage stellt. Das ist schlichter Unsinn! Es ist doch gerade der Föderalismus, der die Vielfalt und den Reichtum der Kulturen Deutschlands mit befördert hat. Es gibt eben nicht die Kulturhauptstadt in Deutsch- land, es gibt – falls man diesen Begriff überhaupt be- mühen will – viele Kulturhauptstädte. Heißen sie Ham- burg oder Dresden, München oder Weimar, Frankfurt oder Berlin usw., usw. Und auch die häufig abwertend, ja bösartig mit dem Begriff „Provinz“ abgestempelten Kul- turräume präsentieren einen hohen Kulturstandard. Eine kurze Reise, etwa nach Cottbus, belehrt alle metropoli- tanen Hochnäsigen eines Besseren. Föderalismus setzt die Einsicht voraus, dass durch in- haltlich und institutionell abgestimmte Wahrnehmung von Aufgaben sachgerechter und effizienter gehandelt werden kann. Niemand bezweifelt dies! Strittig wird es bei der systematischen Abschichtung der jeweiligen Kompetenzen von Bund, Länder und Gemeinden. Ziel der Koalition ist es, bei der Lösung derartiger Abgrenzungs- problematiken die widerstreitenden Befindlichkeiten zu einem größtmöglichen Ausgleich zu führen. So ist es gerade beim Länderfinanzausgleich geschehen. Kultur entzieht sich vom Begriff her einer abschließenden Defi- nition. Somit gerät man normativ in das Dilemma, be- stimmen zu müssen, was staatliches Aufgabenfeld der Kulturpolitik ist, ohne die Kultur selbst definieren zu kön- nen. Da dies aber nichts Neues ist, hat die Verfassung in- haltliche Aufgabenbereiche und institutionelle Grund- strukturen der Kulturpolitik vorgegeben. Sie weist dem Bund zum Beispiel explizit das Urheber- und Verlagsrecht (Art. 73 Nr. 9 GG) oder etwa die auswärtige Kulturpolitik (Art. 73 Nr. 1 i. V. m. Art. 32 GG) zu. Ich möchte betonen: originäre Bereiche der Bundeskulturpolitik. Neben die geschriebenen Kompetenzen tritt das Recht des Bundes, aus der Natur der Sache heraus kulturpolitisch tätig zu werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn es sich um ge- samtstaatliche Repräsentation oder um Kulturgüter von national überragender Bedeutung dreht. Die Koalition hat mit der Berufung eines Beauftragten für Kultur und Medien, aber auch mit der Etablierung des Kulturausschusses die Bundeskulturpolitik gestärkt. Dies – und zugegebenermaßen auch einige Äußerungen zum Föderalismus – hat teilweise zu einer Verunsicherung bei einigen in den Ländern geführt. Aber ich sage: Die Bun- deskulturpolitik ist ein Teil des Kulturföderalismus! Sie hat ihren Platz nicht neben oder gar über, sondern im fö- deralen System unseres Landes. Die Föderalismusdiskus- sion ist verständlicherweise mit dem Regierungs- und Parlamentsumzug und der – ich will es einmal so nennen – „Hauptstadtwerdung“ Berlins verbunden. Dies beinhaltet auch eine Hauptstadtkulturförderung des Bundes – dies ist nicht originell und bestand zu Recht auch gegenüber Bonn. Aufgabe ist es, die gesamtstaatliche Repräsenta- tionsfunktion der Hauptstadt zu erhalten und zu erweitern und, ebenso, die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Hauptstadt zu vertiefen. Wenn dies über die Kultur ge- schieht – was wäre besser dazu geeignet? Das ist mit fi- nanziellen Aufwendungen verbunden. Aber nur Ignoran- ten, die die Geschichte und Probleme der Stadt und ihre heutige Funktion nicht kennen, den kulturellen Reichtum und seine Bedeutung für die Kulturnation Deutschland unterschätzen, sehen darin ein Föderalismusproblem. Ich bin froh, dass der Deutsche Bundestag die Förderung der Kultur in der Hauptstadt auch als eine nationale Aufgabe definiert hat. Bundeskulturpolitik ist vorrangig Ordnungspolitik. Unsere gesetzgeberische Arbeit in Bereichen wie zum Beispiel der Künstlersozialkasse, dem Urhebervertrags- recht und der Buchpreisbindung zeigt dies unmittelbar auf. Neben der Ordnungspolitik gibt es für den Bund – und zwar aus der Natur der Sache heraus – die Mög- lichkeit zur Durchführung von Projekten mit überragen- der, nationaler Bedeutung. Dies ist ein kleiner, aber ori- ginärer Gestaltungsspielraum der Bundeskulturpolitik! Es sei daran erinnert, dass der Bund lediglich zehn Prozent der gesamten staatlichen Kulturförderung leistet. Auch das zeigt die herauszustellende große Bedeutung der Län- der, vor allem aber der Kommunen in der Kulturpolitik. Manche Gralshüter eines falsch verstandenen Födera- lismus fordern locker Finanzierung von Bund, ohne ihm Gestaltungsmöglichkeiten zu lassen. Dies widerspräche dem Kulturföderalismus! Denn in ihm wurzelt verfas- sungsrechtlich nicht nur der Bestand der Kulturhoheit der Länder, sondern auch die Kompetenz der Bundeskultur- politik samt Gestaltungsauftrag. Der Bund hat auch die Aufgabe, ein positives Umfeld für Kunst und Kultur zu schaffen. Das große Engagement von Staatsminister Julian Nida-Rümelin und zuvor Michael Naumann hat die Kulturpolitik ungemein befördert. Über Kultur wird wie- der gesprochen. Kürzungen im Kultur-Etat sind nirgend- wo mehr so einfach vorzunehmen. Jüngstes Beispiel ist die neue rot-grüne Regierung Berlins, die trotz finanziel- lem Beinahe-Kollaps im Bereich der Kultur nicht sparen möchte. Die kulturpolitische Entwicklung ist auf allen Ebenen des föderalen Staates zu merken. Kurz: Die Bun- deskulturpolitik stärkt die Kultur vor Ort! Sie bewirkt kei- nen Kompetenzverlust der Länder, sondern einen Kultur- gewinn! Um am Ende nochmals auf den vorliegenden Antrag der F.D.P. zurückzukommen: Er gibt letztlich die Situa- tion der deutschen Kulturpolitik nach unserer Verfassung wieder. Die Koalition handelt entsprechend, damit ist der Antrag im Einklang mit der rot-grünen Kulturpolitik. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, zu beschließen, dass die Sonne im Osten aufgeht – aber nur dann, wenn jemand das Gegenteil behauptet. Statt uns Selbstverständlichkei- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118038 (C) (D) (A) (B) ten beschließen zu lassen, sollten auch Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., lieber den kulturpolitischen Kurs dieser Regierung unterstützen. Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Ob ein förmli- cher Antrag im Deutschen Bundestag zur Erhaltung des Kulturföderalismus in Deutschland nötig ist, darüber kann man streiten. Niemand bestreitet ernsthaft, dass die Länder und Gemeinden jeweils originäre Verantwortung zur Förderung von Kunst und Kultur haben, und niemand will ernsthaft – schon gar nicht mit Aussicht auf Erfolg – diese föderale Teilung von Zuständigkeiten im Grundsatz verändern oder gar aufkündigen. Gelegentliche Versu- chungen des ersten Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien in dieser Richtung sind spätestens mit seinem Ausscheiden aus diesem Amt erledigt. In der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist Kultur eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Der Streit zwischen Bund und Ländern um die vermeintliche „Kulturhoheit“ ist doppelt absurd: Zum einen finanzieren die Kommunen fast die Hälfte der öffentlichen Kulturausgaben und damit fast genau so viel wie Bund und Länder zusammen, zum anderen ist das Verhältnis der Politik zur Kultur kaum missverständlicher auszudrücken als durch den Begriff der „Kulturhoheit“. Ein Staat, der der Kultur mit hoheitli- cher Gebärde begegnet, ist sicher kein Kulturstaat. Unbeschadet der besonderen Verantwortung der Län- der für Bildung, Kunst und Kultur hat der Bund von Beginn an und unbestritten Aufgaben der auswärtigen Kulturpolitik, aber auch der institutionellen oder projek- torientierten Förderung kultureller Institutionen und Er- eignisse im Inland wahrgenommen. Seit Beginn der 80er- Jahre ist die Förderung bis heute im Gesamtvolumen etwa verdreifacht worden, besonders intensiv und auffällig im Zusammenhang mit der deutschen Einheit. Die unbestrittene Verantwortung der Länder und der Kommunen insbesondere in der Kulturförderung wird durch ein stärkeres kulturpolitisches Engagement des Bundes nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern im Ergeb- nis gestärkt. Der Bund ist zur Sicherung einer flächen- deckenden Versorgung mit Kultureinrichtungen – Thea- ter, Orchester, Museen, Volkshochschulen, Bibliotheken, Musikhochschulen usw. – weder verpflichtet noch legiti- miert; zur Sicherung des Erhalts von Denkmälern und Kultureinrichtungen von nationaler und internationaler Bedeutung ist er nicht nur legitimiert, sondern als Kultur- staat auch verpflichtet. Die Bundesrepublik Deutschland muss ihr Selbstver- ständnis als Kulturstaat in besonderer Weise in ihrer Hauptstadt deutlich machen, darf Kulturförderung des Bundes aber nicht auf Hauptstadtförderung reduzieren. Für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat nie im Zweifel gestanden, was die Antragsteller aus- drücklich vom Bundestag bestätigt haben wollen: die grundsätzlich festgelegte Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern; die in Folge der Wiedervereinigung Deutschlands gewachsene Verantwortung für die Erhal- tung herausragender deutscher Kulturgüter und -institu- tionen; die Verteidigung der Unterschiede nationaler und regionaler Kulturen gegenüber den europäischen Institu- tionen. Dabei darf allerdings weder die Pflege gemeinsa- mer europäischer Kulturtraditionen vernachlässigt noch deutsche auswärtige Kulturpolitik auf europäische Adres- saten verengt werden. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich würde den Antrag der geschätzten Kollegen von der F.D.P.-Fraktion verstehen, wenn er in etwa wie folgt hieße: Sie wollen die F.D.P. im Föderalismus erhalten. Das ist ja ein berechtigtes Ziel und damit haben Sie ja auch Probleme, aber Ihren Antrag verstehe ich nun wirk- lich nicht. Warum soll der Bundestag etwas bekräftigen, was allgemeiner Wille der Verfassungsväter war und von keiner Partei bislang bestritten worden ist? Es ist das be- liebte Spiel der F.D.P.-Fraktion: Sie bauen sich einen Pappkameraden und schlagen auf ihn ein, egal ob Inhalt darin ist oder nicht. Die rot-grüne Regierung hat den Hauptstadtkulturver- trag mit Berlin abgeschlossen. Diese Verpflichtung des Bundes gegenüber der Stadt Berlin sind wir im Bewusst- sein der rechtlichen Notwendigkeiten und der Verpflich- tung des Bundes gegenüber einem Land, in diesem Fall gegenüber dem Land Berlin, eingegangen. Diese Ver- handlungen haben Zeit gekostet und der desaströse Um- gang mit den Finanzen in Berlin zeigt deutlich, dass oberste Sorgfaltspflicht in dieser Frage notwendig war. Zu keiner Zeit hat die F.D.P. einsehen wollen, dass es mit Berlin so schwierig ist; zu keiner Zeit haben Sie nur im Ansatz erkannt, mit welchem Partner wir von Bundesseite es zu tun hatten. Offensichtlich hat uns die jüngste Berli- ner Krise weniger überrascht als Sie. Die jüngste politi- sche Entwicklung in der Bundeshauptstadt hat uns leider Recht gegeben. Sie wundert es doch noch immer, was hier in der Stadt geschehen ist. Wenn man aus dieser Sorg- faltspflicht gegenüber einem Bundesland und in der Ein- führung eines Kulturstaatsministers eine Gefährdung des Kulturföderalismus sieht, befindet man sich auf der glei- chen Stufe wie der bayerische Minister Zehetmair, der uns als üble Zentralisten und dann als Zerstörer des Kultur- standortes Deutschland tituliert. Dabei weiß heute jede und jeder: Wir brauchten unbe- dingt eine Zuständigkeit auf Bundesebene für die Angele- genheiten der Kultur und Medien. Wir haben durch die Einrichtung des Amtes des Staatsministers endlich eine zentrale Kommunikationsstelle für die Künste, die Kultur und die Medien. Schon in dieser Zeit ist unglaublich viel geschehen: Es sind nicht nur die Debatten im Feuilleton, die uns weiterbringen, es sind die vielen internationalen Beziehungen, die uns täglich als aktiven Kulturstandort erscheinen lassen. Wäre es möglich gewesen, in Brüssel die Buchpreisbindung zu verhandeln, wenn dauernd un- terschiedliche Vertreter der KMK dort hätten erscheinen müssen? Wird es möglich sein, dem deutschen Film Glanz zu verleihen, wenn die Bundesrepublik Deutschland da- rüber nur in der Gesamtheit der Länderkulturminister de- battieren kann? Deshalb ist Ihr Antrag weit hinter den Er- fordernissen der Zeit und entspricht auch nicht den europäischen Erfordernissen. Uns geht es um den Erhalt und Aufbau des Weltkultur- erbes Museumsinsel genauso wie um die Sicherung der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18039 (C) (D) (A) (B) Gedenkstätten in diesem Lande – dazu haben wir übrigens eine viel beachtete Gedenkstättenkonzeption erarbeitet und verabschiedet. Wir Bundeskulturpolitiker haben die Künstlersozialkasse reformiert und setzen uns für eine Reform der Besteuerung ausländischer Künstler ein. Wir votieren zusätzlich zu den eingestellten Finanzen für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Einrichtung ei- ner Bundeskulturstiftung, mit dem Ziel, den Künstlern und Künstlerinnen in der ganzen Republik mehr finanzi- elle Möglichkeiten zu geben. Ich kann nicht erkennen, dass die Regierung, die auch unter Federführung der Staatsminister Naumann und Nida-Rümelin hervorragende Arbeit leistet, in irgendei- ner Weise die Interessen der Bundesländer unterschied- lich bewertet oder gar außen vor gelassen hat. Sie wissen doch vermutlich selbst, dass circa 60 Prozent der Kultur- mittel aus den Kommunen, 30 Prozent aus den Ländern kommen und nur 10 Prozent Bundeskulturmittel sind. Wo wird da der Kulturföderalismus angegriffen? Ich kann Ihrem Antrag in keinem Punkte zustimmen. Er ist rea- litätsfern. Deswegen lehne ich ihn in der gebotenen Höf- lichkeit ab. Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.): Angesichts der jüngsten Diskussionen um die Errichtung einer Bun- deskulturstiftung und der kürzlich aus den Reihen der Koalitionsfraktionen erhobenen Forderung nach einem Bundesministerium für Kultur hat unser Antrag höchste Aktualität gewonnen. Die öffentliche Debatte um den Kulturföderalismus ist geprägt von Ängsten und War- nungen vor Kompetenzverlusten seitens der Länder, Ängsten vor einem „Berliner Zentralismus“ und be- schränkt sich oft auf den lapidaren und abschließenden Verweis auf die grundgesetzlich verankerte Kulturhoheit der Länder. Die verschiedenen Äußerungen gleichen eher der Diskussion um eine Chimäre als einer sachlichen Auseinandersetzung und sind vergleichbar einem Streit darüber, ob die Innenpolitik oder die Außenpolitik größe- res Gewicht verdiene. Für die F.D.P. ist die Kulturhoheit der Länder alles an- dere als Verfassungsfolklore, wie sie Michael Naumann in seiner autokratischen Art genannt hat. Sie ist für uns Grundlage der Kulturlandschaft in Deutschland und wird es bleiben. Dennoch müssen wir uns über die Aufgaben- verteilung und die finanzielle Lastenteilung im Bereich der Kultur zwischen Bund und Ländern Gedanken ma- chen, aber nicht in Form eines Grundsatzstreits zwischen Zentralisten und Föderalisten; denn das Schüren von Ressentiments schadet nur der Kultur. Die Kulturpolitik steht im 21. Jahrhundert vor neuen Aufgaben und es wäre falsch, hierauf nicht zu reagieren. Insbesondere die Folgen der deutschen Wiederverei- nigung und der fortschreitende europäische Einigungs- prozess werfen Fragen und Probleme auf, die nach neuen Lösungen rufen. Vor diesem Hintergrund sind auch Über- legungen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen zur Einrichtung eines Bundesministeriums für Kultur kein Tabuthema für uns, sondern eine Fragestellung, mit der wir uns sachlich auseinander setzen und uns fragen, ob eine solche Bündelung der Angelegenheiten der Kultur, die bisher über zahlreiche Ministerien verstreut sind, sinn- voll und geboten erscheint, aber vor allem auch verfas- sungsrechtlich zulässig ist. Bedauerlicherweise hat die Bundesregierung auf meine entsprechenden Fragen bisher jede Antwort ver- weigert. Das halte ich für parteipolitisches Scheuklappen- denken, zumal wir Liberalen uns – wie auch der vorlie- gende Antrag beweist – diesen Überlegungen unbefangen stellen. Klar ist für uns allerdings, dass es kein isoliertes Miniministerium mit einem Etat von wenigen Milli- arden DM geben und dass die Gesamtzahl der Ministerien nicht noch weiter steigen darf. Mit unseren Reformüberlegungen wollen wir keines- falls den Kulturföderalismus, die Grundlage des kultu- rellen Reichtums und der regionalen Vielfalt, infrage stel- len. Aber wir müssen auch sehen, dass eine starke Interessenvertretung und Finanzierung der Kultur durch den Bund sowie die vielfältige und lebendige Kunst- und Kulturförderung durch die Länder und Kommunen zwei Seiten einer Medaille sind. Seit bald drei Jahren gibt es im Deutschen Bundestag wieder einen eigenständigen Kul- turausschuss, welchen die F.D.P. schon in der vergange- nen Legislaturperiode gefordert hatte. Wir sind der Auf- fassung, dass es – über den parteipolitischen Streit hinausgehend – gut ist, dass es auf höchster Ebene wieder ein Gremium gibt, was sich mit Engagement und Sach- verstand der Kultur in unserem Lande widmet. Auch die Einrichtung des Amtes eines Beauftragten der Bundes- regierung für die Kulturpolitik und die Medien hat – un- abhängig von der Person des Amtsträgers – dazu geführt, dass die Kultur in Parlament und Gesellschaft stärker wahrgenommen und diskutiert wird. Auch die Errichtung einer großen Kulturstiftung der Bundesrepublik Deutschland wird – wenn auch nicht nach dem Konzept des Bundeskabinetts – dazu führen, dass die Kultur neue Impulse erfährt, befördert wird, ohne dass der Kulturföderalismus dabei Schaden nimmt. Wenn der Bund Verantwortung übernimmt, bestimmte, heraus- ragende kulturelle Denkmäler oder Einrichtungen in allen Regionen Deutschlands finanziell zu fördern und zu un- terstützen, soweit dies die zuständigen Kommunen oder Länder nicht können, ist dies doch eine Stärkung des Kul- turföderalismus, eine Stärkung eben jener Vielfalt, die das Ziel der Kulturhoheit der Länder ist. Auch die Zahlen belegen, dass die Gefahr vor einer Aushöhlung der Kulturhoheit der Länder und die Angst vor einer sich verselbstständigenden Kulturpolitik des Bundes unbegründet sind: Von den circa 15,7 Milli- arden DM, die in Deutschland im Jahr 2000 von staat- licher Seite für Kultur zur Verfügung gestellt wurde, machte der Etat des Staatsministers für Kultur und Me- dien gerade 1,7 Milliarden DM aus. Darin eingeschlossen sind bereits die Zuschüsse in Höhe von 580 Millionen DM an die „Deutsche Welle“ und von knapp 300 Milli- onen DM an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Generell sollte gelten, dass die Kulturpolitik des Bun- des erst dort einsetzen darf, und dann auch muss, wo es einem Land oder einer Kommune unmöglich ist, kultur- politische Interessen bzw. Verpflichtungen wahrzuneh- men. Dies gilt für die auswärtige Kulturpolitik ebenso wie für die Bezuschussung von Projekten übergeordneter Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118040 (C) (D) (A) (B) nationaler Bedeutung wie der Wiederherstellung der Berliner Museumsinsel oder dem „Aufbauprogramm Kultur in den neuen Ländern“. Die letzten beiden Bei- spiele stehen für die zahlreichen Fälle, in denen der kul- turelle Reichtum nicht mit der Wirtschaftskraft einer Re- gion übereinstimmt. Die F.D.P. bekräftigt also die grundgesetzlich fest- gelegte Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wir möchten mit unserem Antrag klarstellen, dass der Kulturföderalismus eine unantastbare und erfolg- reiche Grundlage der deutschen Kulturlandschaft dar- stellt. Gleichfalls möchten wir aber auch unterstreichen, dass Bundestag und Bundesregierung nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung haben, kulturpolitische Verantwortung dort zu übernehmen, wo dies den Ländern und Kommunen nicht möglich ist. Welche Bereiche dies im Einzelnen sein können, sollten wir in einer konstruk- tiven Diskussion sachbezogen und ohne parteipolitische Scheuklappen gemeinsam bestimmen. Hierzu soll unser Antrag dienen. Dr. Heinrich Fink (PDS): Der vorliegende äußerst all- gemein und kurz gehaltene Antrag der F.D.P. ist so inter- pretationsbedürftig, dass sich dazu schwerlich eine be- stimmte Position beziehen lässt. Allerdings würde ich den Kolleginnen und Kollegen der F.D.P. empfehlen, für den dritten Punkt eine weniger militante Form zu wählen. Es geht doch nicht in erster Linie um die Verteidigung von kulturellen Unterschieden, sondern um die Beförderung des Dialogs zwischen ihnen. Ich gehe aber ohnehin davon aus, dass es den Einbrin- gern des Antrags vor allem darauf ankommt, die an ver- schiedenen Punkten entflammte Debatte zum „Kulturfö- deralismus“ – Stichpunkte: Kulturstaatsklausel im Grund- gesetz, Aufnahme von Kultur in die Gemeinschaftsaufga- ben nach Art. 91 b Grundgesetz, Bundeskulturminister, Bundeskulturstiftung, Hauptstadtkulturförderung – nun endlich auch im Plenum des Bundestages zu führen. Die- ses Anliegen unterstütze ich. Meiner Meinung nach kann man sich über den „Kul- turföderalismus“ aber nur im Zusammenhang mit der noch breiteren Debatte verständigen, die seit geraumer Zeit zu Zustand und Perspektiven unseres föderalen Sys- tems überhaupt geführt wird. Die PDS hat diese Debatte aufgegriffen und wird im Spätherbst auf einer Konferenz in Saarbrücken ein erstes Zwischenfazit ziehen. Eines ist jetzt bereits klar: Wie wir uns zum „Kulturfö- deralismus“ stellen, hängt doch entscheidend davon ab, welche Potenzen wir dem föderalen System generell für die Bewältigung der Aufgaben zubilligen, vor denen un- sere Gesellschaft steht. Wenn wir zu der Auffassung kom- men, dass vor dem Hintergrund unserer historischen Er- fahrungen föderale Strukturen nach wie vor am besten geeignet sind, um Demokratie und Sozialstaatlichkeit zu sichern und weiter zu entwickeln, dann ist das zugleich ein starkes Argument für die Bewahrung und Ausgestal- tung des „Kulturföderalismus“. Denn eine wirkliche Ei- genstaatlichkeit der Länder ist ohne eine eigene Gesetz- gebungskompetenz nicht zu haben. Diese Gesetz- gebungskompetenz ist heute weitgehend auf die Bereiche reduziert, die wir mit dem „Kultus“-Begriff zusammen- fassen – also Bildung, Wissenschaft und Kultur in einem engeren Sinne. Nach jetziger Verfassungslage käme die Aushöhlung des „Kulturföderalismus“ einer Aushöhlung des föderalen Prinzips an sich gleich. An dieser faktischen Situation würde dann auch nichts die so genannte Ewig- keitsklausel in Art. 79 des Grundgesetzes ändern. Diese gegenwärtige Sachlage darf natürlich nicht da- ran hindern, darüber nachzudenken, ob das eigenständige Gewicht der Länder auf eine andere Grundlage gestellt werden sollte. So könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, dass solche „weichen“ und übergreifenden Innovations- potenziale wie Bildung und Wissenschaft stärker in eine rahmengesetzliche Gestaltung durch den Bund einbezo- gen werden könnten. Das beließe den Ländern immer noch genügend Spielraum für konkrete gesetzliche Aus- gestaltung entsprechend ihrer spezifischen Bedingungen und Entwicklungsperspektiven. Darüber hinaus könnten im Gegenzug bei den Ländern stärker als bisher die Kom- petenzen gebündelt werden, die für den Auf- und Ausbau regionaler Wirtschaftskreisläufe von besonderer Bedeu- tung sind. Bei allen denkbaren Veränderungen in unserem fö- deralen System steht eines allerdings für mich fest: Im en- geren Bereich von Kunst und Kultur sollten die entschei- denden Kompetenzen bei den Ländern bleiben. Hier weisen einfach die Dichte und Vielfalt des kulturellen Le- bens auch im internationalen Vergleich darauf hin, dass sich die so genannte Kulturhoheit der Länder bewährt hat. Zunehmende Schwierigkeiten auch auf diesem Gebiet sind nicht den föderalen Strukturen, sondern der Unter- grabung ihres materiellen Unterbaus geschuldet. Vor diesem Hintergrund betrachte ich die Pläne des Staatsministers zur Errichtung einer Bundeskulturstif- tung. An erster Stelle steht für mich die Sicherung des da- mit verfolgten Anliegens, nämlich vor allem kulturelle In- novation und zeitgenössische künstlerische Entwick- lungen besser als bisher zu fördern. Die Realisierung die- ses Anliegens darf am Ende nicht an Kompetenzstreitig- keiten zwischen Bund und Ländern scheitern. Es wäre al- lerdings sehr begrüßenswert, wenn die Länder in die Lage versetzt würden, ihre Aktivitäten auf diesem Gebiet in gleicher Weise auszubauen. Das böte dann auch eher die Möglichkeit, das Engagement des Bundes mit dem der Länder in einer solchen Weise zu verbinden, wie das bei der Bewahrung des kulturellen Erbes im Rahmen der Kul- turstiftung der Länder bereits geschieht. Die Erhaltung des Kulturföderalismus – in welcher konkreten Ausprägung auch immer – setzt voraus, dass die Länder und über sie vor allem die Kommunen über die finanziellen Mittel verfügen, die sie benötigen, um ihn mit Leben erfüllen zu können. Die Reform der Finanzverfas- sung, der Länderfinanzausgleich und der Solidarpakt II sind entscheidende Prüfsteine dafür, wie ernst wir es mit dem „Kulturföderalismus“ meinen. Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister beim Bun- deskanzler: Der Antrag der F.D.P. bekräftigt Selbstver- ständlichkeiten und adressiert eine Gefahr, die ich nicht als eine reale erkennen kann. Dennoch sollten wir diesen Antrag zum Anlass nehmen, um uns über die Perspekti- ven des Kulturföderalismus in Deutschland auszutau- schen, zumal die Diskussion um die Zukunft des Födera- lismus im Zusammenhang der Verhandlungen über den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18041 (C) (D) (A) (B) Bund-Länder-Finanzausgleich in den letzten Wochen und Monaten wieder intensiver geführt worden ist. Der Bundeskanzler hat das Ergebnis der Verhandlun- gen mit den Ministerpräsidenten mit den Worten gewür- digt, dass der „deutsche Föderalismus eine wirkliche Be- währungsprobe“ bestanden habe. Der Föderalismus in Deutschland ist seit über 50 Jahren eine der Säulen unse- res staatlichen Selbstverständnisses und unserer staat- lichen Wirklichkeit. Im Bereich der Kultur hat er eine im- posante Leistungsbilanz, um die wir in vielen Ländern der Welt beneidet werden. Die Aufforderung an den Deut- schen Bundestag, Geist und Buchstaben der Verfassung zum zentralen Gedanken des Föderalismus zu bekräfti- gen, darf nicht mit der Suggestion verbunden werden, dass, womöglich vom Bund, eine Gefährdung der födera- len Tradition unseres Staatswesens ausgehe. Ich bekenne mich als ein Kulturföderalist aus Überzeugung, und Über- zeugungen – wenn sie ernst gemeint sind und in einem größeren Begründungszusammenhang stehen – kann man nicht wechseln wie ein Hemd, je nach dem, welches Amt man bekleidet. Der Föderalismus in Deutschland hat eine große Tra- dition. Er ist keine Erfindung des Grundgesetzes. Föderale Elemente lassen sich über 1919 Weimarer Ver- fassung, 1871 Reichsverfassung, 1848 Paulskirchenver- fassung bis 1663 Ewiger Reichstag zurückverfolgen. Dies ist Ausdruck einer spezifischen Entwicklung des deut- schen Sprach- und Kulturraums in Mitteleuropa, der in seiner Konkurrenz der Völkerschaften, Fürstenfamilien, Regionen und Kommunen von jeher eine Vielfalt und Multipolarität hervorbrachte, die mit einem zentralistisch und unitaristisch gestalteten Nationalstaat unvereinbar sind. Kernstück des bundesrepublikanischen Föderalismus ist der Kulturföderalismus. Dabei sind die kulturstaatli- chen Kompetenzen, die das Grundgesetz ex negativo den Ländern zuweist, wesentlich für ihre Identität und Legiti- mation. Deutschland zerfällt allerdings nicht in Regionen. Deutschland ist keine Union selbstständiger Länder. Deutschland ist zweifellos – bei aller föderalen Charakte- ristik – ein Nationalstaat. Unserer gemeinsamen und für alle Deutschen geltenden politischen Verfassung korres- pondiert eine gewachsene, gemeinsame kulturelle Ver- fasstheit. Der gemeinsame politische Handlungsraum des Nationalstaates hat zweifellos auch eine kulturell Dimen- sion. Diese ist ganz wesentlich bestimmt von der gemein- samen Sprache, die seit dem späten Mittelalter zum kon- stituierenden Element einer deutschen Nationalkultur geworden ist. Die deutsche Sprache verbindet kulturell über staatliche Grenzen hinweg. Der gemeinsame Raum deutschsprachiger Literatur, deutschsprachiger Opern und Theatern umfasst mehrere Nationalstaaten in Mittel- europa. Die personellen und inhaltlichen Verbindungen sind eng, obwohl dem kein gemeinsamer kulturpolitischer Gestaltungsanspruch korrespondiert. Es ist kein Widerspruch, wenn einerseits im herder- schen Sinne deutsche Kultur über staatliche Grenzen aus- greift und andererseits innerhalb der gegebenen staat- lichen Grenzen eine spezifische kulturelle Dimension des deutschen Nationalstaates anerkannt und in der Praxis der Kulturpolitik des Bundes, der Länder und der Gemeinden berücksichtigt wird. Kultur ist in Deutschland seit Jahr- hunderten immer zugleich national und regional orien- tiert. Bach ist kein Thüringer Komponist, Goethe kein hessischer Dichter, Beuys kein rheinischer Künstler, wenn auch jeweils regionale Bezüge in ihrem Werk wirk- sam geworden sind. Diese Künstler und das, was sie ge- schaffen haben, bilden das kulturelle Erbe der ganzen Nation und nicht nur der Bayern, Sachsen oder Mecklen- burger. Ernst Gottfried Mahrenholz hat denn auch konsta- tiert, dass aus dem Begriff der Nation eben „logischer- weise“ folge, dass „die deutsche Nation wie jede andere eine Kultur“ habe. „Ich halte es für einen gewaltigen Fortschritt und auch seit Jahren überfällig, dass der Kulturstaat Deutschland sich in seinem Selbstverständnis und seiner operativen Verantwortung nicht hinter den Ländern versteckt. ... Der Bund hat eine originäre Verantwortung für diesen Kultur- staat.“ Dies hat ein profilierter Kulturpolitiker aus den Reihen der Opposition ein halbes Jahr nach der Bundes- tagswahl von 1998 gesagt und diese Bemerkung mit ei- nem Bekenntnis zum Kulturföderalismus verbunden. „Ich kann überhaupt nicht erkennen“, sagte damals Herr Lammert, dass der Bund dem „Bedürfnis der Länder, Kul- turarbeit zu einer ihrer politischen Schwerpunktaufgaben zu machen ... dabei in irgendeiner Weise im Wege stünde“. Ich möchte Ihnen darin ausdrücklich zustimmen. Wenn es eine Nationalkultur gibt, dann hat der Bund eine Mitverantwortung für sie, und zwar wie das Bundes- verfassungsgericht festgestellt hat „aus der Natur der Sa- che“. Es gibt eine gesamtstaatliche Kompetenz und Ver- antwortung für bestimmte kulturelle Angelegenheiten auch im Hinblick auf Ziffer 3 des Antrages. Es ist eine der kulturpolitischen Aufgaben des Bundes, sich gegenüber den europäischen Institutionen für die Erhaltung der kul- turellen Vielfalt einzusetzten. Allerdings sehe ich derzeit keine von Brüssel ausgehende Gefährdung der föderalen Strukturen und des kulturellen Pluralismus in Deutsch- land und in Europa. Gerade die Europäische Union unter- stützt ja regionale kulturelle Strukturen und Traditionen; ich erinnere nur an die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992. Es steht für mich zweifelsfrei fest, dass sich die weitere Entwicklung der europäischen Union, die zunehmend die Konturen eines historischen Europa nach dem Schisma des Ost-West- Konfliktes abbildet, nicht an den Vereinigten Staaten von Amerika orientieren darf, da für Europa die sprachliche und kulturelle Vereinheitlichung der USA kein Vorbild sein kann. Europa bleibt multilingual, multipolar, multi- kulturell – die Vielfalt macht die historische und kulturelle Substanz Europas aus. Jeder Versuch, Europa zu verein- heitlichen, ist in einer Katastrophe geendet, für den letz- ten Versuch war Nazideutschland verantwortlich. Einen europäischen Nationalstaat kann es nicht geben, ohne dass Europa seine Seele verliert. Eine wesentliche Bedingung für eine weiterhin gute Entwicklung des Kulturföderalismus ist eine fruchtbare Kooperation von Bund, Ländern und Gemeinden. Koope- ration ist im Einzelfall mit klarer Verantwortungsteilung nicht nur vereinbar, sondern verlangt diese geradezu. Da- bei liegen die Schwerpunkte der Kulturpolitik des Bundes nach meiner Auffassung im ordnungspolitischen Bereich. Qua Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist der Deut- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118042 (C) (D) (A) (B) sche Bundestag ein eminenter kulturpolitischer Akteur. Niemand kann vernünftigerweise leugnen, dass die Ge- staltung unseres Steuersystems – und dabei denke ich nicht nur an die Besteuerung ausländischer Künstler –, das Urheberrecht, die Künstlersozialversicherung, das Stiftungsrecht, die Buchpreisbindung, die Rahmenbedin- gungen der kulturellen Entwicklung in Deutschland we- sentlich prägt. Es gehört zum Amtsverständnis des Be- auftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, dass er unabhängig von der je- weiligen Federführung seinen kulturpolitischen Sachver- stand in die Beratungen der Bundesregierung zu all die- sen Themengebieten einbringt. Gegenwärtig macht der Etat meiner Behörde etwa 10 Prozent der gesamten staatlichen Kulturförderung aus. Auch wenn das Gewicht der Kulturpolitik im Bund größer geworden ist, so bedroht das doch die Gestaltungsmög- lichkeiten der Kommunen und der Länder in keiner Weise. Im Gegenteil, auch die Kommunen und die Län- der haben Interesse daran, dass der Bund die kulturelle Di- mension seiner Politik so ernst wie nur möglich nimmt. Die Kulturpolitik der Länder und Gemeinden kann von günstigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für die kul- turelle Entwicklung in Deutschland nur profitieren. Eine wesentliche Ausweitung der Kulturförderung des Bundes ist schon wegen des eingeschlagenen Konsolidierungs- kurses der Bundesregierung nicht zu erwarten. Wo es zu zusätzlichen Förderungen gekommen ist, wurden diese in keinem Fall gegen den Widerstand des jeweiligen Sitz- landes und der jeweiligen Kommune beschlossen. Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Allerdings strebe ich an, die Verantwortlichkeiten in Abstimmung mit den Ländern zu systematisieren. Auch das historisch Gewachsene muss sich die Überprüfung seiner Angemessenheit gefallen lassen. Wie gesagt, Ko- operation und klare Verantwortungsteilung schließen sich nicht aus. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat vor kurzem im Bundesrat festgestellt, dass der Föderalis- mus Vielfalt zulasse, ohne die Einheit zu gefährden. Das gilt in besonderem Maße auch für den Kulturföderalis- mus. Auch hier darf es nach über 50 Jahren kein Denk- verbot im Hinblick auf zeitgemäße Anpassungen und Mo- difizierungen geben. Ich bin sehr dafür, die Ver- antwortung zwischen Bund und Ländern präzise aufzu- teilen. Einen ersten Schritt haben wir in Berlin getan, wo wir eine diffuse gemeinsame Verantwortung des Landes und des Bundes im Rahmen des Hauptstadtkulturvertra- ges einvernehmlich mit dem Land Berlin abgelöst haben durch eine alleinige Trägerschaft des Bundes bei vier wichtigen Einrichtungen: bei dem Jüdischen Museum, den Festspielen, dem Haus der Kulturen der Welt und dem Gropius-Bau. Aber es gibt eben auch Bereiche, die in gemeinsamer Verantwortung wahrgenommen werden sollten, weil, wie Josef Isensee feststellt, unser Grundgesetz die „offene, kommunikative und kooperative Kompetenzwahrneh- mung“ fördert. Dies gilt zum Beispiel für Gedenkstätten von nationaler Bedeutung. Hier dürfen die Kommunen und die Länder nicht aus der gemeinsamen nationalen Verantwortung entlassen werden. Unser Gedenkstätten- konzept sieht dementsprechend vor, dass der Bund nur bis zur Hälfte fördern darf. Und so, wie Konsens darüber be- steht, dass auch in Zukunft wissenschaftliche Großfor- schungsanlagen in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern bleiben sollen, plädiere ich dafür, dass auch kulturelle Einrichtungen und Projekte von nationa- ler Bedeutung in der gemeinsamen Verantwortung blei- ben können. So war es der Wunsch der Kultusminister der Länder, dass die geplante Nationalstiftung keine reine Bundeseinrichtung wird, sondern von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird. Das von mir vorgelegte Kon- zept entspricht dieser Idee einer gemeinsamen Träger- schaft und steht insofern in der Logik eines kooperativen Kulturföderalismus, der einer Balance zwischen Konkur- renz und gemeinsamer Verantwortung verpflichtet ist. Auch das große Projekt, die kulturelle Infrastruktur in den neuen Ländern zu fördern und die Beschädigungen aus der Vergangenheit zu beseitigen, ist ein national be- deutsames Projekt der Kooperation des Bundes mit den neuen Ländern und den Kommunen in den neuen Län- dern. Dieses Gemeinschaftsprojekt hat großen Erfolg, und es ist in den Haushaltsverhandlungen gelungen, eine Verdoppelung des für 2002 in der mittelfristigen Finanz- planung vorgesehenen Betrages von 30 auf 60 Millionen DM zu erreichen. Auch hier plädiere ich für eine Fort- führung der kulturpolitischen Kooperation. „Wodurch ist Deutschland groߓ, notiert Eckermann 1828 einen Gedanken Goethes, „als durch eine bewunde- rungswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reiches gleichmäßig durchdrungen hat ... Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenz- städte Wien und Berlin oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände?“ Es gibt nicht nur Wien und Berlin, sondern auch Mün- chen und Dresden, Köln und Weimar, Hamburg und Stutt- gart, Frankfurt und Potsdam, es gibt Gotha, Eutin, Do- naueschingen und Bückeburg, um auch einige frühere Residenzen kleiner Duodez-Fürstentümer zu nennen. An diesen und vielen anderen Orten findet das kulturelle Le- ben in Deutschland statt. Die Vielfalt ist faszinierend, und wir sollten gemeinsam alles tun, um diese zu erhalten und zu fördern. Ohne das kommunale Engagement würde Deutschland kulturell verarmen. Wenn wir vom Kulturfö- deralismus reden, dürfen wir seine kommunale Basis nicht vergessen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Antrages: RUGMARK bei geplanter Fu- sion mit Care&Fair unterstützen und gleich- zeitig Vorsorge für ein mögliches Scheitern der Verhandlungen treffen – der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Gegen den Missbrauch von Kin- dern als Soldaten (Tagesordnungspunkt 15) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P): Nach Angaben der Internationalen Koalition zum Stopp Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18043 (C) (D) (A) (B) des Einsatzes von Kindersoldaten befinden sich gegen- wärtig mehr als 300 Kinder und Jugendliche unter 18 Jah- ren – sowohl Mädchen als auch Jungen – in mehr als 30 Ländern als Soldaten im Kampfeinsatz. Weitere Hundert- tausende werden in Regierungsstreitkräfte, Paramilitärs, Milizen und andere bewaffnete Gruppierungen in 85 Staa- ten rekrutiert. Täglich werden Kinder zum Militärdienst entführt, gefangen genommen, verwundet und getötet. Viele der heute erwachsenen Soldaten wurden als Kinder rekrutiert. Je länger sich ein bewaffneter Konflikt hin- zieht, um so wahrscheinlicher ist es, dass Kinder an ihm teilnehmen. Während viele Kinder direkt an der Front kämpfen müssen, werden andere als Spione, Boten, Wächter, Diener oder Sexsklaven missbraucht oder zum Verlegen oder Räumen von Minen eingesetzt. Oft werden sie systematisch zur Begehung von Grausamkeiten sogar gegen die eigene Familie gedrillt. Die meisten Kindersol- daten werden körperlich missbraucht und erleiden andere Entbehrungen. In Extremfällen werden sie in den Selbst- mord getrieben oder werden selbst zu Mördern. Es gibt aber auch Lichtblicke: Der Einsatz von Kin- dersoldaten in Lateinamerika, dem Nahen Osten und auf dem Balkan ist in letzter Zeit merklich zurückgegangen, nachdem Kriege beendet wurden, in denen eine große Zahl von Kindern kämpfte. Erst kürzlich wurden Kindersoldaten in Sierra Leone und im südlichen Sudan entlassen. Dies ist wohl nicht zu- letzt auch ein Ergebnis des im Mai letzten Jahres durch die UNO-Generalversammlung verabschiedeten Zusatzpro- tokolls zur UN-Kinderrechtskonvention über die Beteili- gung von Kindern an bewaffneten Konflikten. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung mit dem heute hier vorliegenden Antrag aufgefordert wird, sich weltweit für eine Schutzaltersgrenze von mindestens 18 Jahren einzu- setzen. Besser wäre es jedoch gewesen, wenn die Bun- desregierung mit dem Antrag darüber hinaus auch aufge- fordert worden wäre, die längst überfällige Ratifizierung dieses Zusatzprotokolls zu vollziehen. Der Einsatz von Kindersoldaten ist nämlich nicht auf Entwicklungsländer beschränkt, auch in Industrieländern wie Großbritannien und Amerika, aber auch in Deutschland ist die Rekrutie- rung Minderjähriger möglich. Die FDP-Bundestagsfrak- tion fordert die Bundesregierung daher auf, endlich eine Rechtsgrundlage zu schaffen, mit der der Dienst an der Waffe, auch auf der Basis der Freiwilligkeit, vor Errei- chung der Volljährigkeit strikt ausgeschlossen wird. Solange Deutschland hier nicht mit gutem Beispiel vorangeht, kann die Bundesregierung sich nicht weltweit überzeugend für eine schnelle Ratifizierung des Zusatz- protokolls zur UN-Konvention über die Rechte des Kin- des einsetzen. Wer von Dritte-Welt-Staaten fordert, keine Kinder zu „Tötungsmaschinen“ auszubilden, wie Außen- minister Fischer dies getan hat, macht sich moralisch un- glaubwürdig, wenn im eigenen Land Minderjährige zur Bundeswehr rekrutiert werden können. Unsere SPD-Kol- legin Frau Kortmann hat vollkommen recht, wenn sie die gescheiterten Bemühungen der Bundesregierung, die Re- krutierung von Minderjährigen zu verhindern, als „De- bakel“ bezeichnet und die Bundesregierung in dieser Frage einen „doppelten Menschenrechtsstandard“ vor- wirft. Daher muss jetzt dringend gehandelt werden. Aus die- sem Grunde und weil aus unserer Sicht die heute hier zur Debatte stehende Thematik in den weiteren Kontext der Gewalt gegen Kinder gehört, hat die FDP-Bundestags- fraktion einen eigenen Antrag „Für eine VN-Resolution zur Ächtung der Gewalt gegen Kinder auf dem Weltkin- dergipfel in New York“ vorgelegt, der sich mit den unter- schiedlichen Formen der Gewalt gegen Kinder wie Folter, Entführung, Vergewaltigung, Zwangsarbeit, Nahrungs- entzug, Schläge, Zwangsverheiratung und Zwangsrekru- tierung zum Kriegsdienst auseinander setzt und den wir in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause zeitnah zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen über die Rechte der Kinder vom 19. bis 21. September 2001 hier im Bundestag debattieren möchten. Eine der Kernforderungen unseres Antrages ist daher auch die Auf- forderung an die Bundesregierung, das Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention zügig zu ratifizieren. Mit welcher moralischen Legitimation will die Bundesregie- rung beim Kindergipfel in New York eigentlich auftreten, wenn es ihr nicht gelingt, in dieser wichtigen Frage die ei- genen Hausaufgaben zu machen? Dies gilt auch für die dringend nötige Ratifizierung des Zusatzprotokolls zu „Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderporno- grafie“. Die menschenrechtsverachtende Praxis vieler Staaten und Bürgerkriegsparteien im Umgang mit Kindern steht in eklatantem Widerspruch nicht nur zur VN-Konvention über die Rechte der Kinder, sondern zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen und zum VN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, de- ren Mitglieder die meisten der betroffenen Staaten sind. Zwar hat sich auch die diesjährige VN-Menschenrechts- kommission erneut dem weltweiten Schutz der Rechte von Kindern angenommen, es ist jedoch bedauerlich, dass es bei insgesamt 82 Resolutionen nicht gelungen ist, eine speziell dem gravierenden Menschenrechtsproblem der Gewalt gegen Kinder gewidmete Resolution zu verab- schieden. Nun sollten sich alle Kräfte darauf konzentrie- ren, diesem wichtigen Anliegen auf dem Weltkindergipfel einen zentralen Stellenwert einzuräumen. Mit unserem Antrag wollen wir hierfür werben und ich bitte alle Mit- glieder dieses Hohen Hauses schon jetzt darum, unsere Initiative zum Wohle der Kinder zu unterstützen. Carsten Hübner (PDS): Die Verhandlungen über ei- nen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen des Deutschen Bundestages gegen das Kindersoldatenunwesen in vielen Teilen der Welt gehörten zu den absurdesten Dingen, die ich in meiner kurzen Zeit als Bundestagsabgeordneter er- leben musste. Denn obwohl sich wirklich alle Fraktionen weitgehend einig sind, wie dieses Problem zu bewerten ist – bis hin zur Kleinwaffenproblematik –, ist es nicht ge- lungen, zu einem interfraktionellen Antrag zu kommen. Erst hat die Regierungskoalition ihren Antrag durchge- drückt und CDU/CSU mit ihrem Ausschuss verhungern lassen. Und nun schieben die Christdemokraten, einein- halb Jahre nach seiner Einbringung, ihren Antrag nach. Die PDS-Fraktion wurde zu keinem Zeitpunkt in einen überfraktionellen Erarbeitungsprozess einbezogen. Ein deutlicher Ausdruck dafür, wie sich selbst in moralisch schwerwiegenden Fragen das Faktum Fraktions- und Par- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118044 (C) (D) (A) (B) teiegoismus immer wieder Bahn bricht – trotz aller schö- ner Worte von gemeinsamer Verantwortung und unüber- sehbarer Signale. Ich frage ernsthaft: Wie kann man bloß in dieser Frage so kleinlich sein? Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung jeden- falls enthalten, weil die Punkte 3 und 9 in einem logischen Widerspruch zueinander stehen. Denn gerade da, wo Kin- dersoldaten im Einsatz sind, muss eine verantwortliche Entwicklungszusammenarbeit ansetzen und nicht etwa, wie vorgeschlagen, gekürzt oder sogar eingestellt werden. Es erschreckt mich jedes Mal aufs Neue, wie schnell die Entwicklungszusammenarbeit zur Verhandlungsmasse für Sanktionen wird, während etwa Exportverbote für Waffen, zumal Kleinwaffen, hier nicht mit einem Wort er- wähnt werden. Mir stehen leider nur drei Minuten zur Verfügung. Ge- statten Sie mir deshalb, zum Rugmark-Antrag vor den Ausschussberatungen nur Folgendes zu sagen: Erstens. Es muss alles unternommen werden, damit Strukturen des nachhaltigen und menschenrechtlich inspiriertem Labe- lings gesichert und ihre Arbeitsmöglichkeiten ausgewei- tet werden. Zweitens. Es muss zudem alles unternommen werden, damit es endlich chic wird, solche Produkte zu kaufen. Ich hatte das BMZ in diesem Zusammenhang be- reits um die Herstellung eines Konsumentenberaters ge- beten. Aber auch Modeschöpfer, Medien oder Handels- ketten müssen in einer konzertierten Aktion mit ins Boot. Nur so werden wir eine gesellschaftliche Breite erreichen, die solche Handelsstrukturen stabilisiert und stärkt und vom sogenannten Teesockenimage befreit. Die Botschaft ist klar: Nachhaltigkeit ist modern! Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Wiedererhebung der Vermögenssteuer (Tagesordnungspunkt 16) Lydia Westrich (SPD): Es wird Sie nicht überra- schen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, dass wir Ihren Antrag auf Wiedererhebung der Vermö- gensteuer wieder einmal ablehnen müssen, obwohl Sie sich diesmal sehr viel Mühe mit den Eckpunkten gemacht haben. Falls Sie es noch nicht gemerkt haben: Die rot- grüne Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben längst be- gonnen, auch große Vermögen stärker in die Verantwor- tung zur Finanzierung der Staatslasten einzubeziehen. Dazu brauchen wir kein neues kompliziertes Regelwerk. Wir schärfen die vorhandenen Instrumente. Wir haben beim Regierungswechsel nach 16 Jahren kohlscher und waigelscher Steuerpolitik eine große Ge- rechtigkeitslücke vorgefunden – das ist wahr – und des- halb haben wir dann mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 einen rasanten Kurswechsel eingeleitet. Grundsätzlich zulässige, aber ungerechtfertigte Steuer- schlupflöcher wurden geschlossen, die Bemessungs- grundlage zugunsten der breiten Mehrheit der Steuer- pflichtigen wurde auf eine breite Grundlage gestellt. Wir haben verhindert, dass man sich steuerlich arm rechnen kann durch künstliche oder bewusst herbeigeführteVerlus- te. Damit ist die eigentliche wirtschaftliche Leistungsfä- higkeit wieder in den Mittelpunkt gerückt. Das ist sozial gerechte Steuerpolitik. Dieses Jahr ist zum ersten Mal das Nettoeinkommen stärker gestiegen als das Bruttoeinkommen. Zusammen mit der Senkung der Lohnnebenkosten entlastet die Steu- erpolitik der Regierungskoalition gerade niedrige und mittlere Einkommen und bewirkt damit eine gerechtere Lastenverteilung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern. Auch die Unternehmenssteuerreform und natürlich das Steuersenkungsgesetz waren Beiträge zur sozialen Ge- rechtigkeit. Unternehmen fit und wettbewerbsfähig zu machen, ist unabdingbar für steigende Produktivität und den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Sie können die Steuerlasten auf dem Papier noch so fair verteilen wollen: Es wird nicht gerechter, wenn es immer weniger Menschen gibt, die Steuern bezahlen können, weil sie einen guten, dauerhaften Arbeitsplatz haben. Deshalb werden wir auch die Unternehmenssteuerreform weiter entwickeln, damit sich unsere Betriebe dem euro- päischen und globalen Wettbewerb stellen können. Natür- lich sollen auch große Vermögen ihren Beitrag zur Finan- zierung der Staatsaufgaben leisten. Und auch dazu hat die Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zusam- men mit der Regierung schon einiges auf den Weg ge- bracht. Ich erinnere an die Reform des Stiftungsrechtes, um insbesondere Bildung, Wissenschaft, Kultur, aber auch in- ternationale Entwicklungsarbeit stärker zu fördern. Wir haben auf dem Gebiet der Kapitaleinkommensbesteue- rung große Fortschritte im europäischen Konsens ge- macht. Daran werden wir weiter arbeiten. Die waigelsche Berichterstattung aus dem Ecofin bei der alten Bundesre- gierung hat immer gelautet: „Bei der Zinsbesteuerung wurde auf europäischer Ebene leider nichts erreicht.“ Da scheint der nötige Nachdruck gefehlt zu haben. Denn jetzt haben wir eine Vereinbarung. Auf nationaler Ebene be- stätigen die Finanzämter, dass der § 30 a Abgabenord- nung, das fälschlich so genannte Bankgeheimnis, ihre Ar- beit nicht behindere, sodass auch in diesem Bereich die Steuern effektiver eingezogen werden können. Gerade bei der Besteuerung von Kapitalerträgen wol- len wir Steuerhinterziehung und Steuerflucht nicht länger hinnehmen. Und Sie können sicher sein, dass diese Re- gierung das Ziel einer einheitlichen europäischen Kapita- lertragsbesteuerung nachdrücklich weiter befördert. Wir haben eine Reihe von verbesserten Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug durch inten- sive Betriebsprüfung und Steuerfahndung eingeleitet. Wir werden bereits im Herbst wieder einen Gesetzentwurf ha- ben, der gegen den Umatzsteuerbetrug zu Felde zieht. Das alles bedeutet, dass wir seit Beginn unserer Regierungs- zeit zurückgekehrt sind zu einer Besteuerung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Wir haben kleine und mittlere Einkommen entlastet, Steuerschlupflöcher ge- schlossen und sind bei der Bekämpfung von Steuerhinter- ziehung einen großen Schritt nach vorn gekommen. Be- reits jetzt tragen auch große Vermögen zur Finanzierung der Staatslasten bei. Und das ist auch gut so. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18045 (C) (D) (A) (B) Dass es noch mehr Möglichkeiten gibt, große Vermö- gen noch stärker in die Pflicht zu nehmen, ist unbestritten. Erbschaftsteuer und Vermögensteuer sind verfassungs- gemäße Instrumente dafür. Sie sind Ländersteuern. Falls die Länder eine Gesetzesinitiative starten würden mit dem Ziel, eine Neuregelung des Bewertungsgesetzes vorzu- nehmen, um das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer zu erhöhen, wird kaum eine Fraktion im Bundestag dagegen sein können. Aber so weit sind die Länder noch nicht. Deswegen nützt es auch nichts, wenn Sie Ihren jährlichen Antrag zur Wiedererhebung der Vermögensteuer hier stel- len. Sie können Ihre Vorstellungen durchaus dort, wo Sie Verantwortung tragen, voranbringen. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschafts- forschung hat errechnet, dass der Anteil von Vermögen- steuern im weiteren Sinn in Deutschland mit unter 1 Pro- zent am Sozialprodukt erheblich niedriger ist als in anderen großen OECD-Staaten. Deshalb war es unser An- liegen, die alte Steuerpolitik, die großen Vermögen und Einkommen viele Möglichkeiten des Steuersparens er- möglichte und damit auch noch immense Staatsschulden aufgehäuft hat, abzulösen. Wir haben der Steuerpolitik nach 16 Jahren wieder ein soziales Gesicht gegeben. In Richtung einer sozial gerechten Steuerpolitik haben die Koalitionsfraktionen bereits in der kurzen Zeit mit ih- rer Regierung vieles erreicht. Auf dem Gebiet der Er- tragsbesteuerung haben wir mit dem Steuerentlastungsge- setz einen großen Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit geleistet. Mit dem Stiftungsrecht haben wir ein gutes In- strument geschaffen, viele andere Bereiche unserer Ge- sellschaft wie Bildung, Wissenschaft, Kultur, Sport und anderes mit neuen Geldquellen zu versorgen. Bei der gleichmäßigeren Erfassung aller Zinseinkünfte, die sich alternativ für die stärkere Heranziehung großer Vermögen anbietet, sind wir einen guten Schritt vorwärts gekommen. Andere Instrumente, mit denen wir eine noch stärkere Beteiligung großer Vermögen an der Finanzierung staat- licher Zukunftsaufgaben erreichen können, sind im Kon- sens mit den Ländern durchaus möglich. Warten wir es ab. Gerhard Schulz (CDU/CSU): Wieder einmal führen wir in diesem Hohen Hause eine Gespensterdebatte. Ideo- logische Schlachten der Vergangenheit sollen erneut ge- schlagen werden. Der Antrag beweist, dass die PDS in ih- rer ideologischen Verblendung das Wesen von Vermögen nicht begriffen hat. Vermögen wird gebildet durch Sparen, durch wirtschaftlichen Erfolg oder durch Ererben bzw. Geschenktbekommen. Gleichgültig, woher das Vermögen stammt: Es wird – sofern es rechtmäßig erworben wurde – immer „nach Steuern“ gebildet. Es unterlag immer der Steuer. Wird es ererbt oder einem geschenkt, fallen Schen- kung- oder Erbschaftsteuer an. Erträge aus einem bestehenden Vermögen unterliegen selbstverständlich der Besteuerung. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Zinsertragsteuer müssen gezahlt werden. Das heißt, bei jedem Zugewinn, bei jedem wirt- schaftlichen Nutzen aus einem Vermögen, ist der Staat schon der große Profiteur. Je höher der Ertrag, desto höher die Besteuerung. Darum geht es Ihnen aber nicht. Sie kommen mit Ihrer Forderung aus der Mottenkiste Ihrer gescheiterten Ideo- logie und wollen die Vermögensteuer wieder einführen. Sie wollen bestehendes Vermögen ein zweites Mal be- steuern. Sie wollen aus dem Steuerrecht ein Strafrecht für Erfolg in der Marktwirtschaft machen. Sie wollen beste- hendes Vermögen so lange besteuern, bis es auf den je- weiligen Freibetrag reduziert ist. Sie wollen eine konfis- katorische Bestandsbesteuerung. Das ist kalte Enteignung. Vielleicht sind Sie ja allen Ernstes der Meinung, sie beglückten die Menschheit, wenn Sie dem Einzelnen nur das zugestehen, was Sie in Ihrer unendlichen Güte noch für statthaft halten. Nur: 40 Jahre DDR haben gezeigt, dass Gleichmacherei nicht zu gleich glücklich, sondern zu gleich unglücklich führt. Dass mit einem solchen verkommenen System im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen ist, zeigt die Tatsache, dass die Bürger dieses Staates ihn in den Or- kus geworfen haben. Nunmehr starten Sie einen erneuten Versuch der Menschheitsbeglückung – ein Verhalten, das Talleyrand mit den Worten umschrieb: „Nichts gelernt und nichts vergessen!“ Aber man muss Ihnen ja geradezu dankbar sein, dass Sie Ihre undemokratischen Ziele auch in der Steuerpolitik so offen benennen. Sie lassen uns über den Unrechtscharakter Ihrer Politik wenigstens nicht im Un- klaren. Und eine solche Partei meldet ihren Anspruch an, künftig auch in der Bundeshauptstadt mit regieren zu wol- len. Ich beglückwünsche die SPD zu ihrem neuen Partner. Aber ich frage Sie: Ist Ihnen wirklich bewusst, worauf Sie sich einlassen? Die PDS hat doch noch immer nicht be- griffen, wie ein freiheitliches Gemeinwesen funktioniert. Das zeigt der in ihrem Antrag formulierte Vorwurf, die Steuerreform habe zu größerer sozialer Ungerechtigkeit beigetragen, weil sie Unternehmen bevorteilt und die öffentlichen Haushalte belastet habe. Sie haben nicht ka- piert, dass diese Steuerreform – so miserabel sie auch konstruiert ist – das Ziel hat, zur Steigerung des Bruttoso- zialproduktes beizutragen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern und durch höhere wirtschaftliche Tätigkeit mehr Steuereinnahmen zu erzielen. Ich weiß, dass Fakten und Sachargumente keinen Ein- gang in Ihr hermetisches Weltbild finden. Ich versuche, es Ihnen trotzdem zu erklären. Der Mensch ist nicht das so- ziale Wesen, zudem Sie ihn in der Endphase des Kommu- nismus machen wollten. Selbst durch Genmanipulation wird das wohl kaum möglich sein, zumindest solange es sich um freie Menschen handelt. Der reale Mensch in der realen Welt fragt zuallererst: Was nützt mir? Und er hat Recht mit dieser Frage. Sie selbst sind doch das beste Bei- spiel für die Richtigkeit dieses Ansatzes: Ihr Antrag hat doch nicht das Ziel, die Deutschen zu beglücken, sondern möglichst viele der Unzufriedenen und nach eigenem Ge- fühl zu kurz Gekommenen dazu zu bewegen, Sie zu wählen. Das ist reines Nützlichkeitsdenken, Egoismus in seiner zynischsten Form. Der Mensch, der sich zuerst überlegt, wie er für sich selbst am besten sorgen kann, ist kein unsozialer Mensch. Ganz im Gegenteil: Er zeigt sich als besonders sozialer Mensch. Indem er für sich selbst Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118046 (C) (D) (A) (B) sorgt, beansprucht er nicht die Hilfe der Gesellschaft. Und über die von ihm geleisteten Steuern und Abgaben trägt er sogar dazu bei, dass sich die Gesellschaft um die sorgen kann, die selbst dazu nicht in der Lage sind. Unsere Ge- sellschaft ist so konstruiert, dass der Eigennutz der Men- schen zur Finanzierung solidarischer Leistungen genutzt wird. Eine solche blanke Selbstverständlichkeit zu ver- stehen, scheint Sie allerdings in jeder Hinsicht zu über- fordern. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt die Einführung einer Vermögenssteuer ab. Christine Scheel (BÜNNIS 90/DIE GRÜNEN): Die CDU/CSU-F.D.P.-Koalition hat nach dem Urteil des Bun- desverfassungsgerichtes vom Juni 1995 keine Neurege- lung der Vermögensteuer getroffen. Die Vermögensteuer wird deshalb seit 1997 nicht mehr erhoben. Die Vermögensteuer ist ausgesetzt, nicht abgeschafft, und natürlich wäre es rechtlich möglich, sie wieder zu er- heben. Deshalb will ich gar nicht juristische Haarspalterei betreiben, sondern gleich am Anfang klarstellen: Die rot- grüne Koalition beabsichtigt nicht, diese Steuer wieder zu erheben. Dafür haben wir gute Gründe: Zum einen sind alle Än- derungen bei der Vermögensteuer im Bundesrat zustim- mungspflichtig. Die Länder haben aber erst Ende 1999 ei- nem Antrag, die Vermögensteuer wieder zu erheben, nicht zugestimmt. Die Länderkammer würde einem solchen Antrag auch jetzt nicht zustimmen, denn die Länder ha- ben den Erhebungsaufwand, und der ist gerade bei der Vermögensteuer erheblich. Einige Untersuchungen zu den Erhebungskosten gehen von bis zu 40 Prozent Kosten aus. Das ist sicherlich ein extremer Wert. Auf jeden Fall liegen die Kosten definitiv über den Erhebungskosten für die Körperschaft- und Einkommensteuer. Diese ungün- stige Relation der Kosten zu den Einnahmen der Länder verwundert aber eigentlich nicht, wenn man sich allein die Probleme einer kontinuierlichen Bewertung des Grund- vermögens vor Augen hält. Aus einem Grund hätte eigentlich die Mehrheit der Länder 1999 für eine Wiedererhebung der Vermögen- steuer stimmen müssen: Das Aufkommen aus der Vermö- gensteuer fließt allein den Ländern zu. Im letzten Jahr der Erhebung, 1996, brachte die Vermögensteuer rund 9 Mil- liarden Mark in die öffentlichen Kassen. Allerdings wur- den als Kompensation für die Länder ja die Erbschaft- und die Grunderwerbsteuer erhöht und diese Einnahmen ha- ben so von 1996 bis 2000 um fast 50 Prozent zugenom- men. Und das sind ja auch Steuern auf Vermögen, wenn auch auf den Vermögensübergang. Zum anderen stünde es völlig im Widerspruch zu den Zielen unserer Unternehmensteuerreform, eine betriebli- che Vermögensteuer wieder zu erheben. Die Globalisie- rung schreitet voran. Wir stehen als Unternehmensstand- ort im Wettbewerb mit anderen Ländern. Dieser Realität können wir nicht ausweichen. Wir müssen den Unterneh- men deshalb attraktive Rahmenbedingungen bieten, wenn wir wollen, dass sie in Deutschland investieren und hier Arbeitsplätze sichern und schaffen. Diese Rahmenbedin- gungen haben wir durch die durchgreifende Senkung der Steuersätze geschaffen. Es wäre völlig unsinnig, wenn wir die Effekte dieser Reform jetzt mit neuen Steuererhöhun- gen wieder gefährden würden. Bliebe also nur eine Vermögensteuer auf das private Vermögen. In diesem Fall wäre aber das Kosten-Einnah- men-Verhältnis noch schlechter. Hinzu kämen noch er- hebliche Abgrenzungsprobleme zwischen betrieblichem und privatem Vermögen. Das sind einige Gründe, warum es politisch und öko- nomisch wenig Sinn macht, die Vermögensteuer wieder zu erheben. Ich finde es aber auch unter dem Aspekt einer gerechten Besteuerung von großen Vermögen viel effek- tiver, wenn wir die europäische Lösung für die Besteue- rung von Zinsen weiter voran bringen. Letztendlich spie- gelt sich in den Kapitalerträgen am besten wider, welchen finanziellen Nutzen ein Vermögen einbringt. Zum Abschluss möchte ich noch eine Bemerkung zur Antragsbegründung machen. Die PDS spricht hier von dem angeblich fehlenden sozialen Ausgleich bei der Ein- kommensteuerreform. Dem muss ich widersprechen. Wir haben die Entlastung bei der Einkommensteuerreform vor allem auf die unteren und mittleren Einkommen konzen- triert. So erhalten zu versteuernde Einkommen bis 40 000/80 000 Mark dieses Jahr fast 30 Prozent der Ge- samtentlastung. Ihr Anteil am Einkommensteueraufkom- men beträgt aber nur knapp 18 Prozent. Auch 2003 ist die Entlastung der unteren und mittleren Einkommen über- proportional. Sie erhalten mehr als 36 Prozent der Entlas- tung bei einem Anteil am Aufkommen der Einkommen- steuer von nur rund 14 Prozent. Sogar im Jahr 2005, dem Jahr, in dem der Spitzensteuersatz um fünf Prozent auf dann 42 Prozent sinkt, haben die kleinen Einkommen noch 17,5 Prozent Anteil an der Entlastung bei einem An- teil am Aufkommen von knapp 12 Prozent. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich: Die rot-grüne Koalition hat vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet. Gisela Frick (F.D.P.): Der Antrag der PDS, der die Wiedererhebung der Vermögensteuer verlangt, zeigt, dass es noch immer viel zu wenig Grundverständnis für die so- ziale Marktwirtschaft gibt. Beklagt werden die Entlastun- gen bei der Einkommensteuer, gefordert wird staatliche Umverteilung. Befürchtet wird der Rückgang staatlicher Leistungen. Um das zu verhindern, sollen Einkommen- und Ver- mögensteuer zusammen 60 Prozent der Summe der Ein- künfte betragen. Diese Forderung widerspricht nicht nur dem grundgesetzlich gesicherten Schutz des Eigentums; das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festge- legt, dass das Grundgesetz dem Staat nur erlaubt, etwa die Hälfte der Einnahmen wegzusteuern. Die Forderung be- legt darüber hinaus, dass sich die PDS weigert, einige Fakten zur Kenntnis zu nehmen: Unser Einkommen- steuersystem ist von dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Dem entspricht es, dass die 10 Prozent der Bürger mit den höchsten Einkom- men mehr als 50 Prozent des Einkommensteueraufkom- mens aufbringen. Die 50 Prozent der Bürger mit den ge- ringeren Einkommen, zu deren Schutzpatron sich die PDS Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18047 (C) (D) (A) (B) machen möchte, tragen weniger als 10 Prozent zum Steueraufkommen bei. Damit kann unser Einkommen- steuersystem alles in allem schlicht und einfach nur als gerecht bezeichnet werden. Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft ist auch die Freiheit des Einzelnen. Auch das will die PDS nicht wahr- haben, wenn sie meint, der Staat könne Geld besser als der Bürger investieren. Es ist doch aberwitzig zu unterstellen, wie die PDS es tut, dass erzielte Einkünfte in der privaten Schatulle bleiben. Tatsache ist vielmehr, dass Kapital wieder investiert wird, sei es in Unternehmen, sei es in den Wohnungsbau. Dadurch entsteht Wohnraum und – das sollte die PDS endlich einmal zur Kenntnis neh- men – Arbeitsplätze. Aufgabe des Staates in einer sozialen Marktwirtschaft ist die Absicherung des Existenzminimums und die Schaffung von Chancengleichheit für alle. Darunter ist al- lerdings nicht Gleichmacherei zu verstehen. Investitionen sollen sich rentieren, Risiko wird belohnt. Das geht aller- dings nur in einer freien Marktwirtschaft, in der der Staat nicht für alles zuständig ist und umverteilt. Zur Vermö- gensteuer. Ihre Wiedererhebung ist verfassungswidrig, weil sie dem so genannten Halbteilungsgrundsatz wider- spricht. Zudem muss auch die PDS zur Kenntnis nehmen, dass der Wegfall der Vermögensteuer durch eine Anhe- bung der Erbschaftsteuern und der Grunderwerbsteuern seinerzeit mehr als kompensiert wurde. Vermögen tragen also in erheblichem Umfang zum Steueraufkommen bei. Die F.D.P. ist aus diesem Grund gegen die Wiedererhe- bung der Vermögensteuer. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Digitale Spaltung der Gesellschaft überwinden – Eine Informati- onsgesellschaft für alle schaffen (Tagesordnungs- punkt 18) Jörg Tauss (SPD): Die Kernaussage des heute zur Beratung stehenden Antrages der Koalitionsfraktionen „Digitale Spaltung überwinden – eine Informationsge- sellschaft für alle schaffen“ kann kurz und prägnant in einem Satz zusammengefasst werden: Die digitale Spal- tung vorn heute kann die soziale und kulturelle Spaltung von morgen bedeuten. Der Antrag befasst sich mit den Herausforderungen, die zur Sicherung der Teilhabe aller Bevölkerungskreise an der Wissens- und Informationsge- sellschaft zu bewältigen sind. Die soziale Teilung („digi- tal divide“) in Teilnehmer und Nichtteilnehmer an neuen Informations- und Kommunikationstechnologien – in „haves“ und „have-nots“ – ist angesichts des umfassen- den Strukturwandels in allen modernen Gesellschaften hin zur Informations- und Wissensgesellschaft ein zentra- les Zukunftsproblem. Dabei nimmt der Antrag Bezug auf die wichtige Initia- tive „e-Europe“ der Europäischen Kommission, das Ak- tionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der In- formationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ und das Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung „Internet für alle“ zur Überwindung der digitalen Spaltung der Ge- sellschaft. All diese Aktivitäten enthalten wichtige Ziele und Maßnahmen zur Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft. Daher begrüßt der Antrag der Koaliti- onsfraktionen insbesondere die Zielsetzung dieser Initia- tiven, die Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen an diesem Gesamtprozess sicherzustellen und so den sozialen Zu- sammenhalt zu stärken. Dabei greift der Antrag der Koalitionsfraktionen fünf zentrale Schwerpunktthemen auf: den Zugang zu Infor- mations- und Kommunikationsmöglichkeiten, den Zu- gang zu Inhalten, die Sicherheit und den Schutz der Da- ten und Informationen sowie den Zugang durch Wissen und Bildung. Erstens: Zugang zu Informations- und Kommunikati- onsmöglichkeiten. Der Zugang zu den IuK-Technologien wird als die entscheidende Voraussetzung für die Ent- wicklung zur Informations- und Wissensgesellschaft an- gesehen. Als besonders entscheidend wird der Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur und eines flächendeckenden breitbandigen Zugangs (im Fest- und Mobilfunknetz) beschrieben. Doch entscheidend ist nicht nur der technische Zugang, sondern der Abbau von ver- schiedensten Zugangsbarrieren – bis hin zur Überwin- dung kultureller Barrieren – und die Entwicklung einer umfassenden Medienkompetenz. Zweitens: Zugang zu Inhalten. Der technische Zugang allein reicht nicht aus. Den zweiten Schwerpunkt richtet der Antrag dann auch konsequenterweise auf die Not- wendigkeit der Verfügbarkeit relevanter und hochwerti- ger Informationen und Inhalte im Internet. Hierzu wird mittelfristig auch die Sicherstellung der Archivierung, also die Sicherstellung des kulturellen Gedächtnisses, zählen. Wenn in der sich herausbildenden Wissens- und Informationsgesellschaft Inhalte oft nur noch in digitaler Form vorliegen, müssen hierfür neue Instrumente ent- wickelt werden, um auch in dieser Gesellschaftsformation die Kontinuität des kulturellen und gesellschaftlichen Gedächtnisses sicherstellen zu können. Neben oft un- überbrückbaren Hürden wie sich rasch ablösende Soft- wareversionen fehlen bis heute neue Institutionalisie- rungsprozesse und der Aufbau neuartiger Routineabläufe, wie sie heute bei der Archivierung in Bibliotheken selbst- verständlich sind. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal auf die Notwendigkeit eines Informations- freiheitsgesetzes angesprochen, wie dies in der Koaliti- onsvereinbarung vereinbart ist. Drittens: Sicherer Zugang. Angesichts der immer größeren Bedeutung, die die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten in allen gesellschaftli- chen Bereichen haben, kommt dem Schutz und der Si- cherheit von Informationen und Daten eine zentrale Rolle zu. Sie werden zu den zentralen Akzeptanzvoraussetzun- gen in der Wissens- und Informationsgesellschaft – und ohne einen derartigen Schutz und vor allem ohne eine der- artige Akzeptanz werden auch die vielen Geschäftsmo- delle der Net Economy schneller kollabieren, als der Kurs am Neuen Markt zu fallen vermag; von den Angeboten wie e-Demokratie oder e-Verwaltung ganz zu schweigen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118048 (C) (D) (A) (B) Angesprochen werden die neuen Gefährdungspoten- ziale, wobei hier festzuhalten bleibt, dass eine Debatte über die tatsächlichen Bedrohungen leider noch immer aussteht und dass wir uns datenmäßig auf sehr unsicherem Terrain bewegen. Die Novellierung des BDSG in der ers- ten Stufe, mit der die EG-Datenschutzrichtlinie umgesetzt und erste neue technikrechtliche Instrumente eingeführt wurden, ist ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung. Die zweite Stufe, in der eine umfassende Mo- dernisierung des Informationsrechtes auf der Agenda steht, ist zugleich eine wichtige Pilotphase in Sachen elek- tronischer Demokratie. Viertens: Zugang durch Wissen und Bildung. Dieser Abschnitt des Antrages der Koalitionsfraktionen stellt fest, dass Medienkompetenz die Grundvoraussetzung für die individuelle Teilhabe an der Wissens- und Informati- onsgesellschaft darstellt. Die Bundesregierung hat hierzu zahlreiche Projekte und Programme initiiert, die eben ge- nau diesen Schwerpunkt setzen. Dabei gilt es zunehmend auch darauf zu achten, dass die Vermittlung von Medien- kompetenz und informationstechnischer Kompetenz ver- stärkt auch in der Lehrerausbildung verankert werden muss. Fünftens: Zugang als demokratische Teilhabe. Dieses Kapitel widmet sich abschließend der gesamtgesell- schaftlichen Dimension eines möglichen „digital divide“ und stellt die erheblichen Partizipationspotenziale in den Mittelpunkt der Betrachtung. Es gibt inzwischen auf allen Ebenen zahlreiche e-Demokratie-, e-Government- und e-Verwaltung-Projekte, die diese Potenziale fruchtbar machen wollen. Der Deutsche Bundestag hat auf Initia- tive des Unterausschusses Neue Medien die umfassende Modernisierung des Informationsrechtes der Bürgerinnen und Bürger zum Anlass genommen, ein eigenes e-Demo- kratie-Pilotprojekt zu starten. Dieses Vorhaben dient vor allem der Auslotung der Chancen und Möglichkeiten eben dieser elektronischen Demokratie hinsichtlich einer verbesserten Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Heute Früh hat er das Projekt, das über die Homepage des Bun- destages oder aber www.elektronische-demokratie.de er- reichbar ist, offiziell gestartet. Zum ersten Mal kann somit ein Gesetz nicht nur im Parlament, sondern auch im In- ternet mit entstehen. So sollen im Rahmen der Moderni- sierung des Datenschutzrechtes und des Informationsfrei- heitsgesetzes nicht nur die Referentenentwürfe, sondern auch Ergebnisse der Expertengutachten, die Positionen der Bundestagsfraktionen und die von den Verbänden vor- gelegten Stellungnahmen im Internet veröffentlicht und vor allem zur Diskussion gestellt werden. Denn das ist der eigentliche Kern des e-Demokratie-Pilotprojektes – der interaktive Austausch: Potenziell jede Bürgerin und jeder Bürger kann sich an der Diskussion um die Ausgestaltung eines modernen Informationsrechtes für die Wissens- und Informationsgesellschaft beteiligen. Die Koalitionsfraktionen beziehen hier unter den Stichworten Teilhabe und Partizipation auch – im Unter- schied zu den Leitlinien der inneren Sicherheit der CDU, wie dies auch die Internet-Beauftragte der CDU/CSU- Bundestagsfraktion zu Recht feststellt – eine eindeutige und vor allem eine Internet-taugliche Position: Herausge- stellt wird, dass eine Zensur, die Verpflichtung zur auto- matischen Filterung von Inhalten oder eine generelle Überwachung elektronischer Kommunikation für demo- kratische Staaten nicht in Betracht kommen kann. Gerade deshalb ist die Entwicklung eines der neuen Medienwirk- lichkeit angepassten und effektiven Jugendmedien- schutzes notwendig. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal auf die Grundfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ver- wiesen. Die Koalitionsfraktionen fordern den Bund und die Länder auf, den Strukturwandel im Rundfunk-, Me- dien- und Telekommunikationsbereich aktiv zu gestalten. Die Fraktion der SPD und die Fraktion des Bündnis- ses 90/Die Grünen leiten aus dieser Analyse des Ist-Zu- standes zahlreiche Forderungen ab, wobei die wichtigsten Forderungen an die Bundesregierung lauten: rasche und entschlossene Umsetzung des Aktionsprogramms und die Unterstützung der europäischen e-Europe-Initiative; Maßnahmen zur Aufhebung der digitalen Spaltung in den Mittelpunkt einer modernen Informations- und Kommu- nikationspolitik stellen; Bestand und Weiterentwicklung (auch im Online-Bereich) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen; Informationsangebot der Bun- desregierung und Behörden verbessern und möglichst rasch das Informationsfreiheitsgesetz umsetzen; Initiati- ven zur Steigerung der Sicherheit und Stabilität von In- frastrukturen weiterführen („Kritische Infrastrukturen“); hohes Datenschutzniveau verwirklichen und Daten- schutzrecht modernisieren; die Integration der Neuen Me- dien in Bildung; Ausstattung der Bildungseinrichtungen – in Kooperation mit KMU – verbessern; in enger Abstim- mung mit den Bundesländern den Reformbedarf hinsicht- lich der bestehenden Medien- und Kommunikationsord- nung prüfen und eine Bund-Länder-Initiative zur besseren Koordination anstoßen, wie dies im Aktionsprogramm angekündigt ist; regelmäßig einen Medien- und Kommu- nikationsbericht vorlegen, der – abgestimmt mit den Zwi- schenbilanzen desAktionsprogramms, dem Zehn-Punkte- Programm und dem Aktionsplan e-Europe – über die Entwicklungen in diesem Bereich unterrichtet. Ich bitte um die Zustimmung zu diesem Antrag. Ei- gentlich müsste es doch ein unumstritten gemeinsames Anliegen des Deutschen Bundestages sein, eine derartige digitale Spaltung zu verhindern, um die vielen Hoffnun- gen und Erwartungen, die mit eben dieser Gesellschafts- formation verbunden werden, Wirklichkeit werden zu lassen. Monika Griefahn (SPD): Es wundert mich manch- mal, dass die meisten Fragen, die mit den modernen In- formations- und Kommunikationstechniken zusammen- hängen, in der Öffentlichkeit, aber auch in der Politik deutlich weniger Aufmerksamkeit erfahren, als ihnen ei- gentlich gebührt. Dabei sollte es sich doch inzwischen herumgesprochen haben, dass der Computer und das In- ternet die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, in Europa, ja weltweit in den nächsten Jahren weit stärker beeinflussen wird, als manch anderes Thema, das die po- litischen Debatten bestimmt und Schlagzeilen produziert. Es ist ja nicht so, als wären Computer und Internet le- diglich beliebige technische Neuerungen unter einer Viel- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18049 (C) (D) (A) (B) zahl anderer. Es wird in absehbarer Zukunft keinen Be- reich des gesellschaftlichen Lebens, des Alltags der Men- schen mehr geben, in dem der Computer nicht eine her- ausragende, ja tragende Rolle spielt. Wirtschaft und Gesellschaft sind bereits heute in hohem Maße informati- onstechnisch gestützt und werden es in Zukunft erst recht sein. Der Eintritt in die das vorletzte und letzte Jahrhundert so prägende Industriegesellschaft war durchdrungen von dem harten, viele Menschen existenziell bedrohenden Konflikt zwischen Kapital und Arbeit. Der lange Zeit an- haltende Ausschluss der arbeitenden Menschen vom ge- sellschaftlichen Reichtum, aber auch von der Information und dadurch von der Macht, war der kapitalistisch verfass- ten Industriegesellschaft von Anfang an in die Wiege ge- legt. Es bedurfte vieler und harter Kämpfe der Arbeiter- bewegung, um die Teilhabe der arbeitenden Menschen an Staat und Gesellschaft und letztendlich auch am Betriebs- vermögen durch Anteile oder heute Vorzugsaktien durch- zusetzen. Der Übergang von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft ist ebenfalls von Gefahren sozialer und kultureller Ausgrenzung bedroht. Die Benachteili- gungen, von denen zu reden sein wird, sind bei weitem nicht so weitreichend, nicht so scharf und nicht so exis- tenziell bedrohend wie die Konflikte, die für die Früh- phase der Industriegesellschaft prägend gewesen waren. Ernst nehmen muss man sie doch. Die Beobachtung des „digital divide“ oder – auf deutsch – der „digitalen Spaltung der Informationsge- sellschaft“ ist nicht neu. Vor gut zehn Jahren, als man all- mählich eine Vorstellung davon bekam, dass die techni- sche und kulturelle Beherrschung des Computers irgendwann die Eintrittskarte in das gesellschaftliche und berufliche Leben sein würde, ist zugleich deutlich gewor- den, dass es noch lange eine große Anzahl Menschen ge- ben würde, die aus vielerlei Gründen von der Teilhabe an der Informationsgesellschaft ausgeschlossen bleiben würde. Die Aufgabe der Politik besteht also darin, dafür Sorge zu tragen, dass die bereits bestehende digitale Spal- tung nicht noch tiefer, sondern nach und nach überwun- den wird. Die Bundesregierung hat mit ihrem Zehn- Punkte-Programm „Internet für alle“ die Richtung und die Inhalte, um die es gehen wird, und mit dem Aktionspro- gramm ein Paket mit Zielperspektive vorgegeben. Die Anschaffung und der Betrieb eines internetfähigen Computers kosten Geld. Gemessen am Durchschnittsein- kommen kosten sie sogar viel Geld, besonders da sich die Technik so schnell weiterentwickelt und ständig Neuan- schaffungen erfordert. Deswegen ist es wichtig, dass all diejenigen, die sich gegenwärtig einen Computer noch nicht leisten können, die Chance erhalten, über öffentliche Terminals die modernen Informations- und Kommunika- tionstechniken zu nutzen. Neben der vom Bundesbil- dungsministerium geförderten Einrichtung von Me- dienecken in öffentlichen Bibliotheken wird es verstärkt darauf ankommen, darüber hinaus öffentliche Einrichtun- gen zu Kommunikationszentren auszubauen und auch mobile Internetcafes zu fördern und voranzubringen. Ein besonderes Augenmerk müssen wir auf jene Grup- pen in der Gesellschaft richten, die zumindest gegenwär- tig noch „internetfern“ sind. Dazu gehören Arbeitslose, Behinderte und auch ältere Menschen und auch immer noch Frauen. Die Bundesregierung hat auch hier die Wei- chen richtig gestellt. Das im Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung vorgesehene „Internetzertifikat für Ar- beitslose“ ist ein wichtiger Schritt und hilft bei der Wie- dereingliederung in das Berufsleben. Diese Maßnahme ist ein Beitrag zur Wiedereingliederung in das Berufsleben. Weitere Anstrengungen bleiben nötig. Um mehr behinderte Menschen an den Computer he- ranzuführen, müssen sich vor allem Hard- und Soft- wareanbieter um technische Vereinfachungen und Hilfen bemühen. Dazu gehört insbesondere die benutzerfreund- liche und behindertengerechte Handhabung des Gerätes. Das Nutzungsverhalten zeigt deutlich: Der Computer und das Internet spalten immer noch die Generationen. Aber auch ältere Menschen dürfen vom gesellschaftlichen Leben in der Wissens- und Informationsgesellschaft nicht ausgeschlossen werden. Was wir brauchen, sind gezielte Fördermaßnahmen, die Entwicklung spezieller Seminar- konzepte und -angebote für Senioren und mit Blick auf den Arbeitsmarkt gezielte Qualifikationsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer und Arbeitslose. Das vom Bundes- wirtschaftsministerium geförderte „Senior-Mobil“ ist eine richtige Maßnahme, reicht aber auf Dauer natürlich nicht aus. Exemplarisch kann man die Generationenkluft immer noch in der täglichen Schulpraxis erleben. Noch immer ist der Satz, wonach die Schüler ihre Lehrer in die Geheim- nisse des PC einweihen, keineswegs falsch. Ich habe es eingangs erwähnt und wiederhole: Beherrschung des Computers ist die Eintrittskarte in das Berufsleben. Und nicht nur das: Sie ist inzwischen zu einer unverzichtbaren Kulturtechnik geworden. Deshalb ist die Nutzung von PC und Internet ein Handwerk, dass Kinder neben den jetzi- gen Grundlagen wie die deutsche Sprache lernen müssen. Sie müssen aber auch sehr früh ein zweite Sprache – Eng- lisch, Französisch, Russisch – lernen müssen. Zu fragen ist dabei, ob Jugendliche die Lust am Surfen dann verlie- ren, wenn es vorgegebener Lernstoff ist und nicht nur frei- willig ist. Aber vom Grad der Bildung und Ausbildung der Men- schen in Deutschland hängt die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft ab, allerdings – wenn man die OECD-Zahlen betrachtet – nicht ausschließlich der Umgang mit dem PC und dem In- ternet. Die Bundesregierung befindet sich diesbezüglich in einer schwierigen, aber nicht aussichtslosen Lage: Sie muss einerseits die schweren Versäumnisse ihrer Vorgän- ger überwinden und zugleich noch an Tempo zulegen, um international in allen Bereichen gleichzuziehen. Für die Bundesregierung ist das Internet Bestandteil der Allgemeinbildung. Gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft setzt sie sich für die Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechniken in unserem Bildungssystem ein. Die beschleunigte Ausstattung der Berufsschulen wurde vom Bundesbildungsministerium in Angriff genommen. Die Initiative „e-europe“ in der Europäischen Union, der eigentliche Anlass der heutigen Debatte, will eine ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118050 (C) (D) (A) (B) besserte und modernisierte Internet-Infrastruktur der Hochschulen sowie den Zugang zu relevanten Informa- tionen und Multimedia-Vorlesungen für Studierende. Sie will den Internetzugang für alle Schulen auch in benach- teiligten Gebieten. Und sie will Unterstützungsdienste für Lehrer und Schüler. Diese Ziele sind auch die Ziele der Bundesregierung. In Zusammenarbeit mit der IuK-Branche sollen alle deut- schen Schulen so schnell wie möglich mit Internetzugän- gen versehen werden. Eine anhaltende, kontinuierliche Kooperation mit IT-Fachleuten und Sponsoren soll durch Patenschaften für Schulen gewährleistet werden, die be- sonders für die Fortbildung von Lehrkräften genutzt wer- den soll. Unverzichtbar ist die informationstechnische Aus- und Weiterbildung für alle Bevölkerungsgruppen. Die Bun- desregierung verfolgt das Ziel, Abgängern aus IuK-Beru- fen, Quereinsteigern und Berufsanfängern eine systema- tische, hoch qualifizierte Weiterbildung im IuK-Bereich zu ermöglichen. Sozialpartner, Branchen- und Unterneh- mensvertreter sowie Experten aus der Herstellerbranche und verschiedenen Anwenderbereichen wirken daran mit. Es wird darauf ankommen, den jetzt eingeschlagenen Weg des Aufbaus eines modernen Weiterbildungs- und Qualifizierungssystems unbeirrt weiter zu verfolgen. Eine informationstechnische Grundausbildung sollte aber auch zum Standard in anderen als informationstechnischen Ausbildungsberufen werden. Die Ausbildungsordnungen müssen weiter modernisiert werden. Ich wünsche mir, dass dem Megatrend zur Informati- ons- und Wissensgesellschaft in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es ist höchst unbefrie- digend, wenn das Internet vorwiegend in Zusammenhang mit Nazis und Kinderpornographie Erwähnung findet. Wie jedes Medium hat auch das Internet seine – in diesen beiden Fällen besonders widerliche – Schattenseiten. Das Internet ist aber vor allem und hauptsächlich ein Medium, ein Handwerkszeug, das uns allen nutzen kann und nut- zen wird. Das mit 670 Millionen DM ausgestattete Programm „Neue Medien“ fördert die Entwicklung hochwertiger Lehr- und Lernsoftware. Mit der Förderung „virtueller Hochschulen“ sollen die Voraussetzungen für überregio- nales, multimediales Lernen und Arbeiten an den Hoch- schulen verbessert bzw. erst geschaffen werden. Die zeit- und ortsunabhängige Nutzung wissenschaft- licher Publikationen wird für Wissenschaftler und Studie- rende immer wichtiger. Deshalb ist der Aufbau einer „di- gitalen Bibliothek“, die den Zugang zu den global vorhandenen wissenschaftlich-technischen Informatio- nen ermöglichen soll, so wichtig. Und zum Schluss: Ich wünsche mir von Herstellern und Providern auch eine Bedienergrundeinheit, die Spaß macht. Denn manchmal ist auch heute noch die Suche nach Informationen zeitaufwändig und nervig. Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Das Internet ist viel mehr als nur ein Informationsmedium. Das Internet ist eine neue Basistechnologie. Es ist Datenautobahn, Marktplatz, öffentliches Forum und privates Kommuni- kationsmittel zugleich. Dies bedeutet: Der Zugang zum Internet und die Fähigkeit zur Nutzung des Internet wer- den für jeden Menschen zu einer wesentlichen Vorausset- zung, um am wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben überhaupt teilnehmen zu können. Die „Möglich- keit und die persönliche Fähigkeit, die neuen Medien zu nutzen, entscheiden in Zukunft immer stärker über Teil- habe am gesellschaftlichen Leben und persönliche Chan- cen auf dem Arbeitsmarkt. Eine breite Internetnutzung ist auch für unsere Wirtschaft, unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit für neue Arbeitsplätze entscheidend. Je mehr Menschen schnellen Zugang zu Informationen haben und diese anwenden, desto mehr kann die Wirtschaft wachsen und können neue Arbeitsplätze entstehen. Schließlich hat eine breite Internetnutzung eine demokratiepolitische Di- mension, da auch der Meinungsbildungsprozess zuneh- mend im Internet stattfinden wird. Wer keine Internet- kompetenz hat, wird auf Dauer vom demokratischen Prozess immer stärker ausgeschlossen sein. Deshalb ist es eine der zentralen Aufgaben für die Po- litik, jedem Einzelnen den Zugang zum Internet zu er- möglichen. Der Zugang zum Internet ist entscheidend für die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Internet für alle ist das Ziel, um die digitale Spaltung der Gesellschaft zu ver- hindern. Internet für alle ist die Voraussetzung für unsere Gesellschaft, den Wandel von der Industrie- zur Wissens- gesellschaft zu vollziehen und die großen Chancen für die Zukunft zu nutzen. Leider belegen aktuelle Untersuchungen, dass die Ge- fahr der digitalen Spaltung in „user“ und „loser“, in so ge- nannte ,,onnies“ und „offies“, in Deutschland wächst. Die Kluft zwischen denjenigen, die im Umgang mit PC und Internet fit sind und denjenigen, die weder Zugang zur di- gitalen Welt noch Kenntnisse der Informationsverarbei- tung haben, wird größer. Aktuelle Studien prognosti- zieren, dass auch im Jahr 2004 in Deutschland noch 30 Millionen Menschen vom Internet ausgeschlossen bleiben. Die Trennlinien verlaufen anhand von drei Krite- rien: Altersstruktur, Ausbildungsstand und Wohngebiet. Es besteht bereits jetzt die Gefahr, dass in einigen Bevöl- kerungsgruppen – bestimmte Bildungsgänge, Frauen, Se- nioren, Arbeitslose, Bewohner ländlicher Gebiete – die Abweichung der Internetnutzerverteilung von der Zusam- mensetzung der Gesamtbevölkerung noch weiter zuneh- men wird. Eine wesentliche Ursache ist die falsche Politik der Bundesregierung. Die Aktion „Internet für alle“ kommt viel zu spät. Bereits im September 1999 wurde unter großem öffentlichen Getöse das Aktionsprogramm „Inno- vation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ vorgestellt – aber erst jetzt, fast zwei Jahre später, soll die Aktion anlaufen. Zwei Jahre hat die Bundesregierung untätig verstreichen lassen. Zwei Jahre sind im immer schneller werdenden Internetzeital- ter eine Zeitspanne, die im globalen Wettbewerb über Sein oder Nichtsein entscheidet. Die Bundesregierung hat die Entwicklung verschlafen und ist deshalb entscheidend dafür verantwortlich, dass sich die digitale Spaltung in Deutschland verschärft hat – mit allen negativen sozialen und wirtschaftlichen Folgewirkungen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18051 (C) (D) (A) (B) Aber die Politik befindet sich nicht nur auf der Kriechspur. Sie schlägt in vielen Bereichen auch noch die vollkommen falsche Richtung ein. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland einfach viel zu viele Zu- gangshürden zum Internet. Zugangshürde Nummer eins sind die Kosten. Auch Bezieher niedriger Einkommen müssen Zugang zur Infrastruktur Internet haben. Der Zu- gang zum Internet muss so günstig wie möglich sein. Wahr ist aber, dass die Zugangskosten in Deutschland, insbesondere bei zeittaktunabhängigen Tarifen, so ge- nannte Flatrate, in Deutschland im internationalen Ver- gleich nach wie vor zu hoch sind. Auch der Wettbewerb im Ortsnetz ist in Deutschland vollkommen unzurei- chend. Bei der flächendeckenden Umstellung auf die DSL-Technologie hinkt Deutschland hinterher. Schlimm ist, dass die Bundesregierung durch falsche Politik bei den Kosten noch draufsattelt: Urheberrechtsabgaben auf Hardware und drohende Belastungen in Milliardenhöhe durch die TKÜV würden die Zugangskosten in Deutsch- land einseitig weiter in die Höhe treiben und gerade für Menschen mit geringem Einkommen den Einstieg ins In- ternet zusätzlich erschweren. Eine weitere Hürde ist die mangelnde Medienkompe- tenz. Die wachsende digitale Spaltung ist immer mehr ein Bildungsproblem. Bildung im Internet-Zeitalter muss die Menschen vor allem dazu befähigen, Informationsange- bote zu verstehen, analysieren und bewerten zu können. Das fängt in der Schule an. Eine Studie vom Mai 2001 be- legt: Noch nie war die Kluft bei der Internetnutzung zwi- schen Hauptschülern und Gymnasiasten so groß wie heute. Selbst wenn eines Tages alle ,,Schulen ans Netz“ angeschlossen sind, bleibt die digitale Spaltung weitge- hend erhalten, solange nicht gleichzeitig die Allgemein- bildung in Deutschland – von elementaren Kulturtechni- ken bis zu Englischkenntnissen – verbessert wird und allgemeine Lebenskompetenzen wie zum Beispiel Selbst- ständigkeit, Vorstellungsvermögen, Auswahlfähigkeit und schnelle Auffassungsgabe eingeübt und stärker ge- fördert werden. Deshalb muss es richtigerweise heißen: Nicht das Internet spaltet die Gesellschaft, sondern die vorhandene Bildungskluft innerhalb der Bevölkerung. Von immer größerer Bedeutung für eine zukunftsorien- tierte Bildungspolitik sind deshalb tragfähige Konzepte für lebenslanges Lernen, Weiterbildung, Umschulung am PC. Auch hier fehlt eine Gesamtstrategie: Nur die Green- card und der Internetführerschein für Arbeitslose reichen nicht aus und gehen am eigentlichen Problem vorbei. Viele Menschen sehen im Internet noch nicht den zu- sätzlichen Mehrwert für die Alltagsbewältigung. Umfra- gen zufolge gibt jeder vierte so genannte „Nichtnutzer“ als Grund an, er habe generell kein Interesse am Internet, weil für ihn persönlich zu wenig attraktive Angebote im Netz seien. Gerade deshalb ist die Vorreiterrolle des Staa- tes entscheidend. Der Bund selbst ist aber in Deutschland auch eine Akzeptanzhürde für die Nutzung des Internets. Bei Onlinedienstleistungen des Bundes, Steuererklärung, Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge liegt Deutschland im internationalen Vergleich zurück. Dabei liegen gerade im Bereich des E-Government enorme Po- tenziale sowohl für den Abbau der Bürokratie, für einen schlanken, effizienten Staat als auch für einen erkennba- ren Nutzen für die Bürger und Unternehmen, staatliche Dienstleistungen per Mausklick von zu Hause erledigen zu können. Vollends in die falsche Richtung geht schließlich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist das Internet die Ein- trittskarte für die globalen Märkte. Doch gerade diese Un- ternehmen erleiden in Deutschland durch die unzurei- chende Steuerreform, die zunehmende Reregulierung der Arbeitsmärkte und die drohende Rechtsunsicherheit im E-Commerce durch das EGG enorme Wettbewerbsver- zerrungen. So verwundert es nicht, dass deutsche Unter- nehmen im internationalen Vergleich bei Internet- und E-Commerce-Nutzungsraten gegenüber den USA und den skandinavischen Ländern zurückliegen. Damit ist der Teufelskreis in Gang gesetzt. Ein großer Teil der deut- schen Bevölkerung sieht noch keinen ausreichenden Nut- zen im E-Commerce. Für die Unternehmen erscheinen E-Commerce-Angebote aber erst ab einer kritischen Masse wirtschaftlich sinnvoll. Der Mehrwert des Ange- bots gegenüber alternativen Optionen steigt aber mit den Anwendern. Gleichzeitig fällt es leichter, weitere Nutzer zu gewinnen. Die falsche Wirtschaftspolitik sorgt also zu- sätzlich dafür, dass sich die digitale Spaltung in Deutsch- land verfestigt. Wir brauchen nicht immer mehr neue halbherzige Programme und unabgestimmte Aktions- pläne aus diversen Ministerien, sondern eine netzwerk- orientierte Gesamtstrategie. Nur dann schaffen wir es, dass alle „drin“ sind und möglichst keiner „draußen“. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Wissensgesellschaft lebt vom Zugang zu Informationen. Auch in unserer Verfassung genießt das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einen hohen Rang. Gerade die neuen Medien bieten bislang ungeahnte Mög- lichkeiten zur Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung einer modernen Gesellschaft, und diese moderne Gesellschaft ist eine Gesellschaft, in der Infor- mationen das entscheidende Gut zur Beteiligung an ge- sellschaftlichen Prozessen sind. Bündnis 90/Die Grünen wollen die Teilhabe aller ge- sellschaftlichen Schichten an dieser Gesellschaft sichern. Wir nehmen die Gefahr einer „digitalen Spaltung“ sehr ernst. Es darf nicht so weit kommen, dass sich die Gesell- schaft in diejenigen aufspaltet, die über Informationen verfügen, und in diejenigen, denen der Zugang zu den In- formationsangeboten fehlt. Der Zugang zum Internet und zu den elektronischen Diensten muss allen offen stehen. Die gleichberechtigte Zugangsmöglichkeit zu den Netzen ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft. Doch Technik allein führt nicht zu mehr Demokratie. Der offene Zugang ist nur eine Voraussetzung zur Über- windung einer digitalen Kluft. – Die Vermittlung von Me- dienkompetenz ist ein weiterer, entscheidender Faktor. Soziale Ungerechtigkeiten mit Hilfe der neuen Medien zu überwinden mag eine Utopie sein, und wir wollen auch keine unerfüllbaren Erwartungen wecken, doch die Wis- sensgesellschaft muss sich auch und insbesondere der so- zialen Frage stellen: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118052 (C) (D) (A) (B) Die gesellschaftliche Teilhabe von Randgruppen oder die Verteilung von ökonomischer und politischer Macht darf kein Tabu, sondern muss ein Diskussionsthema sein! Machen wir uns nichts vor: Zwar ermöglichen offene Netze auf den unterschiedlichsten Ebenen Impulse für neue Formen von politischer Partizipation und Bildung. Doch bislang verläuft die Nutzung der neuen Medien im Wesentlichen noch entlang der alten Scheidelinie: jung, gut ausgebildet und männlich. Doch Frauen kommen jetzt mehr gewaltig als langsam: Sie haben in den vergangenen Monaten deutlich aufgeholt und stellen mittlerweile knapp 40 Prozent der Nutzer in Deutschland. Doch noch immer haben viele – vor allem ältere und sozial schwache Personen – zu wenig Verständnis vom In- ternet. Da es sich bei der Beherrschung der neuen Infor- mationstechnologien aber um Schlüsselqualifikationen handelt, sind solche Entwicklungen für uns mehr als be- sorgniserregend. Aufgabe einer sozialverträglichen Tech- nikgestaltung ist es daher, Menschen gezielt an die neuen Medien heranzuführen, Ängste abzubauen und die Me- dienkompetenz größerer Bevölkerungsschichten deutlich zu erhöhen. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist also notwendig, um diese neue Bildungsoffensive mit Hilfe der neuen Medien durchzuführen. Bündnis 90/Die Grünen befürworten die Einrichtung von sogenannten Kompetenzzentren, in denen gezielt Medienkenntnisse vermittelt werden. Außerdem wollen wir Initiativen zur Medienweiterbildung gezielt fördern. Als Beispiel sei hier die Initiative „Frauen ans Netz“ er- wähnt: Sie kann Erfolge vorweisen und sollte unbedingt fortgeführt werden. In unserer immer älter werdenden Gesellschaft ist es zunehmend wichtig, auch den nicht mehr im Beruf ste- henden Personen Medienkenntnisse zu vermitteln. Um Berührungsängste abzubauen, sollten gerade auch für diese Zielgruppe verstärkt Programme entwickelt wer- den. Das Gleiche gilt natürlich für gezielte Programme für Minderheiten, aber auch für Frauen, Senioren oder Kin- der und Jugendliche. Wir müssen die Chancen nutzen, die uns die neuen Me- dien in Sachen direkter Kommunikation bieten: Wir wol- len neue Formen der Beteiligung von Bürgern und Bür- gerinnen am politischen Prozess auf den Weg bringen. Die Frage eines möglichst breiten Zugangs zum Netz kann nur die Grundlage für weitere Projekte und Maß- nahmen sein. Die Schaffung eines allgemeinen Zugangs- rechtes zu öffentlichen erhobenen und gesammelten Da- ten sei hier als ein Beispiel erwähnt. Weiterhin werden sich Bündnis 90/Die Grünen auf na- tionaler und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass das mit öffentlichen Mitteln an Universitäten und For- schungseinrichtungen generierte Wissen auch zukünftig allen frei zur Verfügung steht. Ich möchte es abschließend noch einmal betonen:Die Informationsgesellschaft ist für alle da und das ist auch gut so! Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P): Der vorlie- gende Antrag belegt: In Sachen Internet gibt es zwischen den Kollegen, die sich mit dem Thema intensiv befassen, oft fraktionsübergreifende Übereinstimmung. So findet der Koalitionsantrag zur „Überwindung der Digitalen Spaltung“ in den meisten Punkten auch die Zustimmung der F.D.P.-Fraktion – obwohl Ihrem Antrag sprachlich oft die Prägnanz und die Präzision fehlt. Halb so lang wäre doppelt so gut! Ich begrüße es aber insbesondere, dass sich anschei- nend auch bei SPD und Grünen langsam die Erkenntnis durchsetzt: Deutschland braucht die Flatrate! Ich fordere die Koalitionsfraktionen und die von ihnen getragene Bundesregierung nach diesen wohltuenden Worten auf, zugunsten einer Flatrate nun auch Taten folgen zu lassen. Warum ergreift Bundeskanzler Schröder bei diesem wich- tigen Thema keine Initiative, wo er sich doch sonst immer so gern als Impulsgeber feiern lässt? Er könnte sich dabei an Staatspräsident Chirac ein Beispiel nehmen, der sich erfolgreich für eine Flatrate in Frankreich einsetzte. Aber auch auf Parlamentsebene können wir gemein- sam etwas tun. Leider ist meine fraktionsübergreifende Initiative „www.politiker-pro-flatrate.de“ noch nicht aus den Startlöchern gekommen, da sich bisher nur Kollegin Bettin bereit erklärt hat, mitzumachen. Ziel ist es, Be- kenntnisse für die Flatrate von Politikern aus allen Par- teien und Fraktionen auf dieser Seite zu sammeln, um zu verdeutlichen, dass bei diesem Thema in der deutschen Politik Konsens herrscht. Die Flatrate ist und bleibt ein Megathema, da der In- ternetnutzer nicht mit der tickenden Uhr am PC sitzen möchte. Nur mit der Flatrate hat E-Commerce in Deutsch- land eine echte Chance. Die F.D.P. ist daher die erste Par- tei, die sich auf ihrem letzten Bundesparteitag im Mai klar für die Voraussetzungen von Pauschaltarifen im Netz aus- gesprochen hat. Lassen Sie mich aber noch auf das Thema eingehen, in dem wir uns diametral von Ihnen unterscheiden. Meine Kritik bezieht sich auf die von Ihnen geforderten zusätz- lichen Online-Aktivitäten von ARD und ZDF. Angeblich zur Überwindung der digitalen Spaltung wird in Ihrem Antrag eine Ausdehnung des Grundversorgungsauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gefordert. Dies lehnt die F.D.P. strikt ab. Wohin Ihre Forderung führt, hat die Ministerpräsidentin von Schleswig-Hol- stein, Heide Simonis, vor wenigen Tagen in einem Inter- view offenbart. Sie fordert eine Zusatzgebühr für die Fi- nanzierung weiterer Internetangebote von ARD und ZDF. Es geht also nicht nur um die Ausdehnung der Rundfunk- gebührenpflicht auf internetfähige PC. Unabhängig hier- von, sozusagen on top, sollen also zu den 13 Milliarden DM an Rundfunkgebühren jetzt weitere Gebührengelder für rechtlich und ordnungspolitisch höchst fragwürdige Online-Aktivitäten von ARD und ZDF eingesammelt werden. Ich halte das schlicht für finanzielle Wegelagerei! Nicht nur das: öffentlich-rechtliche, gebührenfinanzierte Internetauftritte tragen keineswegs zur Überwindung der digitalen Spaltung bei; ganz im Gegenteil: Sie treiben ei- nen Keil in die Netzwirtschaft. Sie sind wettbewerbsver- zerrend, sie benachteiligen nicht nur die privaten Rund- funkveranstalter, sondern vor allem auch Serviceprovider und viele mittelständische Netzanbieter, die zur Finanzie- rung ihrer Online-Auftritte keine Subventionen aus dem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18053 (C) (D) (A) (B) Gebührentopf erhalten und auch keinen Zugriff auf einen milliardenschweren Programmschatz und auch nicht auf ein weltweites Korrespondentennetz haben. Heide Simonis ist mit ihrer Forderung in ein vorzeiti- ges Sommerloch geplumpst. Zusätzliche Gebührengelder für die Onlineaktivitäten von ARD und ZDF sind rund- weg abzulehnen. ARD und ZDF sollen Rundfunk machen und nicht Internet. E-Commerce hat bei den Öffentlich- Rechtlichen erst recht nichts verloren. So ist es verfehlt, wenn allein die ARD 22 Millionen DM für Internetakti- vitäten in ihrem Budget für dieses Jahr veranschlagt. In den nächsten vier Jahren sollen weitere 88 Millionen da- zukommen. Ein „programmbegleitendes“ Informations- angebot im Internet ist das, was ARD und ZDF im Netz anbieten sollten und rechtlich dürfen. Alles weitere kön- nen andere besser tun. Da wir den ordnungspolitischen und wirtschaftlichen Schaden des wachsenden Eindringens von ARD und ZDF in das Internet für schwerwiegend halten, werden wir bei den anstehenden Beratungen in den Ausschüssen sehr nachdrücklich auf eine dahin gehende Änderung Ihres Antrages drängen. Denn wir erachten es für die weitere Entwicklung der Informationsgesellschaft als wichtig, dass es hierzu weitgehenden Konsens in diesem Hause gibt. Daher mein abschließender Appell an die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen: Beweisen Sie bei dem ge- nannten Streitpunkt inhaltliche Flexibilität und ermögli- chen dadurch eine fraktionsübergreifende, möglicher- weise sogar einstimmige Verabschiedung Ihres Antrages. Danke. Angela Marquardt (PDS): Zugang für alle ist die Vo- raussetzung dafür, dass vor allem das Internet seine de- mokratischen Potenziale entwickeln und die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an der Gesellschaft verbes- sern kann. Die Frage des Zugangs wird über die Zukunft des Internet entscheiden. Unabhängig von sozialer Lage, Geschlecht und Bildung muss ein freier und unkontrol- lierter Zugang möglich sein. Ich könnte viel Lobendes zu Ihrem Antrag sagen, aber das haben Sie ja bereits selbst absolviert, weshalb ich mich auf die Kritikpunkte konzentrieren will. Eine soziale Ausgrenzung von den Neuen Medien auf- grund zu hoher Kosten darf es nicht geben. Es ist außer- ordentlich begrüßenswert, dass die Bundesregierung öf- fentliche Terminals in Hochschulen, Berufsschulen und Bibliotheken unterstützen will. Die Gesellschaft zerfällt in zwei Teile, wenn jene Schülerinnen und Schüler, in de- ren Elternhaus kein Onlinezugang besteht, automatisch die Verlierer sind. Sie haben ein paar Förderprogramme angesprochen. In Ihrem Antrag vermisse ich jedoch ein kritisches Wort zur Abhängigkeit all dieser Programme von Wirtschaftssponsoring. Die Ausstattung der Bil- dungseinrichtungen, das Senior-Mobil, die Förderung der Medienkompetenz von Behinderten, das alles gäbe es ohne die massive Unterstützung der Privatwirtschaft gar nicht. Nun ist nichts dagegen zu sagen, wenn die Wirtschaft ein paar Groschen springen lässt; schließlich kommt ihr die Qualifizierung am Ende auch wieder zugute. Wir be- finden uns bereits jetzt in einem Zustand, in dem wir von der Spendierfreudigkeit der Wirtschaft komplett abhängig sind. Es gibt aber kein interessenfreies Sponsoring. Es geht um Werbung und um Einfluss auf den Lehrplan. Wenn die Unternehmer die Spendierhosen ausziehen, steht die Bundesregierung nackt dar. Sie feiern dies auch noch in Form der D-21-Initiative, als wäre das ein gran- dioser Erfolg. Das ist mir unverständlich. Sie haben auch den Zugang zu den Inhalten angespro- chen. Richtig ist, dass es keine Zensur und damit keine Verpflichtung zur automatischen inhaltlichen Filterung geben darf. Doch das reicht nicht! Die PDS fordert ein Verbot von Filtern an öffentlichen Internetzugängen. In einer Hochschule, in einer Bibliothek, überall dort, wo Menschen ohne eigenen Onlinezugang ins Internet wol- len, darf es keine Einschränkung der Bewegungsfreiheit im Netz geben, sonst haben wir wieder eine Spaltung der Gesellschaft, und zwar in jene, die am eigenen PC selbst entscheiden können, was sie sehen, und in jene, die im Hinblick auf öffentliche Zugänge bevormundet werden. Es kann schon gar nicht sein, dass – so ist es heutzutage Realität – ein Hochschuldirektor oder eine Bibliothekarin nach eigenem Gutdünken entscheidet, welche Seiten für den Benutzer zu sperren sind. Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Datensicherheit. Sie schreiben in Ihrem Antrag, Haupt- hindernis für die Akzeptanz neuer IuK-Technologien sei das „mangelnde Vertrauen in die Sicherheit der Daten“. Doch das Haupthindernis ist nicht das mangelnde Ver- trauen, sondern der mangelnde Schutz der Daten. Das Misstrauen, das in der Gesellschaft vorherrscht, ist mehr als angemessen. Die Datenunsicherheit ist übrigens nicht nur ein tech- nisches Problem, sondern sie ist politisch gewollt. Die Cybercrime-Konvention des Europarates zum Beispiel sieht vor, dass Internet- und Mailprovider die Verkehrs- daten, also alle Daten über Herkunft, Bestimmung, Pfad, Zeit, Größe, Dauer und Art einer Kommunikation, in Echtzeit erfassen und für die Überwachungsbehörden zur Verfügung stellen müssen. Beim Verdacht auf eine Straftat ist auch der Inhalt freigegeben. Wie wollen Sie mit dieser Perspektive Vertrauen schaffen bei der Bevöl- kerung? Wie soll das etwa mit der Telekommunikations- überwachungsverordnung des Bundeswirtschaftsministe- riums geschehen, welche die Überwachungsmaßnahmen auf das Internet erweitert? Das Recht auf anonyme Kom- munikation gehört zu einem freien, unkontrollierten In- formations- und Meinungsaustausch im Netz. Ihr Antrag klingt gut; aber wie so oft klingt manches besser als es ist. Ich hoffe jedoch, dass wir alle gemein- sam an der Erreichung des Ziels weiterarbeiten, die Spal- tung der Gesellschaft in Loser und User zu verhindern. Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister beim Bun- deskanzler: Ich beginne mit einigen Bemerkungen zum Rollenverständnis. Dass die Frage der digitalen Spaltung unserer Gesellschaft die Zuständigkeiten des Beauftrag- ten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Medien betrifft, ist ebenso offenkundig wie der Umstand, dass der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118054 (C) (D) (A) (B) vorliegende Antrag Bereiche betrifft, die in die Zustän- digkeiten vor allem der Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Wirtschaft und Technologie fal- len. Die mit dem Begriff „Digital Divide“ benannte Pro- blematik ist aber auch eine eminent kulturelle. Eine humane Gesellschaft bedarf der Öffentlichkeit. Daraus ergibt sich insbesondere für die komplexe und ausdifferenzierte Gesellschaft der Moderne eine Heraus- forderung. Die Fähigkeit zur Orientierung, gerade auch zur Orientierung am Humanum, dem menschlichem Maß, setzt die Existenz öffentlicher Foren voraus. Je umfas- sender die Netze der Interaktion – nicht zuletzt durch das Internet sind sie teilweise weltumspannend –, umso wich- tiger wird die Verständigung. Es wäre gar nicht möglich, in einer Gesellschaft, die so vielfältig, so hochmobil ist wie eine moderne Gesellschaft, stabile Strukturen der Ko- operation über lange Zeiträume aufrechtzuerhalten, wenn wir uns nicht coram publico verständigen könnten, zum Beispiel über grundlegende Normen und Werte, die un- sere Kooperationen leiten. Wir müssen daher darauf ach- ten, dass die Foren der öffentlichen Verständigung nicht parzelliert werden. Ich sage dies auch mit Blick auf den europäischen Einigungsprozess. Ein demokratisch ver- fasstes Europa ist auf eine europäische Öffentlichkeit an- gewiesen. Diese europäische Öffentlichkeit existiert bis- lang allenfalls in Ansätzen. Der Bezug zum Thema „Digital Divide“ liegt auf der Hand: Eine digitale Spaltung würde eine tiefgreifende so- ziale Spaltung nach sich ziehen, aber auch eine kulturelle Spaltung in dem Sinne, dass Öffentlichkeit strukturell ge- fährdet wäre, weil bestimmte Bevölkerungsgruppen kei- nen Zugang zu den mit dem Internet verbundenen Formen der Interaktion und der Verständigung hätten. Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich alle im Antrag der Koalitionsfraktionen genannten Maßnah- men und Projekte. Sie sind wichtig, denn sie leisten unverzichtbare Beiträge zur Erreichung des Ziels einer Stärkung demokratischer Öffentlichkeit. Die im Antrag aufgeführten Programme sind auch im Hinblick auf die- ses Ziel von der Bundesregierung konsequent angegan- gen worden. Ich kann diese Maßnahmen und Programme hier nicht im Einzelnen erläutern, sondern beschränke mich auf zwei Aspekte. Dies ist zum einen die Qualität der im Internet verfügbaren Inhalte, zum anderen die Frage nach den Herausforderungen für das Bildungswesen. Zum ersten Aspekt: Rein technisch betrachtet, bietet das Internet eine neuartige Grundlage für die Errichtung öffentlicher Foren mit großem Potenzial. Seine Bedeu- tung wird weiter zunehmen – Stichwort Konvergenz der Medien. Insofern ist es unabdingbar, möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Informations- und Kommunikationsnetzen zu ermöglichen. Alle Bemühungen mit diesem Ziel werden allerdings entwer- tet, wenn der technische nicht mit einem inhaltlichen Zu- gang einhergeht. Ein genuiner inhaltlicher Zugang setzt aber strukturierte Angebote voraus. Bisher hat das Ange- bot im Internet einen eher zufälligen Charakter. Das sorgt für einen gewissen Charme, der jedoch schnell in Un- übersichtlichkeit verfliegt. Dies erhöht nicht zuletzt die Barrieren für die diejenigen, die potenziell auf der inter- netabgewandten Seite des „Digital Divide“ stehen. Lösungsmöglichkeiten ergeben sich aus meiner Sicht in erster Linie aus der Übertragung des Public-Service- Gedankens auf den Online-Bereich. Ein fester Anteil strukturierter gemeinwohlorientierter Angebote ist ein probates Antidot zur drohenden Parzellierung und Ver- karstung der Internet-Öffentlichkeit. Er wäre ein wichti- ges Element kooperativer zivilgesellschaftlicher Struk- turen. Das Spektrum reicht dabei von ganz praktischen Effizienz- und Transparenzgewinnen in der Interaktion zwischen Bürgern und Administration bis zu anspruchs- vollen kulturellen Inhalten. In diesem Zusammenhang kommt es entscheidend da- rauf an, die Erfahrungen und die hohe Kompetenz der öf- fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verstärkt für das Internet nutzbar zu machen. Sie können maßgeblich dazu beitragen, ein breites, gleichwohl inhaltlich strukturiertes Angebot in den neuen Medien für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich zu machen. Meiner Einschätzung nach hätte dies übrigens auch Auswirkungen auf die Qualität der von privater Seite angebotenen Inhalte, die sich am öf- fentlichen Sektor orientieren würden. Die den Rundfunk- anstalten zugestandene Entwicklungsgarantie muss ge- währleisten, dass sie Öffentlichkeit auch auf dem Weg herstellen können, den immer mehr Bürger beschreiten werden. Der Name dieses Wegs lautet „Internet“. Das gel- tende Recht der Bundesländer erlaubt den Öffentlich- Rechtlichen nur Online-Dienste mit „vorwiegendem Pro- grammbezug“. Wie immer dieser Begriff genau ausgelegt wird: Er ist zu eng. Daher mein Appell, über Erweite- rungsmöglichkeiten nachzudenken. Zum zweiten Aspekt, den ich herausgreifen möchte: der Frage nach den Herausforderungen an das Bildungs- wesen. Das, was man digitale Spaltung nennt, lässt sich am ehesten dadurch verhindern, dass Menschen in die Lage versetzt werden, mit digitalen Medien umzugehen. Dabei geht es zum einen um das Erlernen basaler techni- scher Fertigkeiten im Umgang mit Hard- und Software, zum anderen um den Erwerb von Kompetenz, die es den Nutzern ermöglicht, Informationen in einen Sinnzusam- menhang einzuordnen. Diese Feststellung scheint zu- nächst banal. Aus ihr ergeben sich aber durchaus nicht triviale Konsequenzen. Ich nenne drei Punkte: Erstens. Die Vermittlung der technischen Fertigkeiten müsste Bestandteil des elementaren schulischen Kanons werden, so wie das Lernen von grundlegenden Kultur- techniken wie Lesen, Schreiben oder das Rechnen in den Grundrechenarten. Zweitens. Die Vermittlung der kognitiven Kompetenz im Umgang mit neuen Medien ist zu einem guten Teil die Vermittlung von Orientierungswissen, der Fähigkeit, sich selbst in einen bestimmten Bezug zur Welt, zu anderen Menschen, zu anderen Dingen zu stellen. Dazu gehört un- ter anderem – ich kann das hier nur andeuten – das Ver- mögen, mit Sprachen, der eigenen und fremden, sorgsam und klar umzugehen. Es wäre jedenfalls ein großer Feh- ler, zu meinen, dass technische Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet Teile dessen substituieren können, was wir unter Allgemeinbildung verstehen. Im Gegenteil: Das Niveau der Allgemeinbildung wird eher steigen müssen, auch unter dem Gesichtspunkt „Herstellen von Öffent- lichkeit“. Vor dem Hintergrund der Gefahr einer digitalen Spaltung ist dies keine leichte Herausforderung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18055 (C) (D) (A) (B) Drittens. Unser Bildungswesen muss sich verstärkt da- rauf einstellen, dass die digitalen Medien kulturelle Ver- änderungen nach sich ziehen. Diese Veränderungen be- treffen gerade den Bereich der Pop- und Jugendkultur. Wir sollten darauf achten, dass die Schulen nicht den Kontakt zu jugendlichen Lebenswelten verlieren – Stich- wort auch hier wieder Öffentlichkeit. Wir sollten einbe- ziehen, dass sich die Entwicklung von Intelligenz nicht allein an kognitiven Faktoren festmachen lässt. Wir brau- chen im Bildungswesen eine Balance zwischen Sinnlich- keit und der Fähigkeit, distanziert Gründe abzuwägen und Urteile zu fällen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Anpassung bestimmter Bedingungen in der Seeschifffahrt an den internationalen Stan- dard (Zweites Seeschifffahrtsanpassungsgesetz – SchAnpG2 –) (Tagesordnungspunkt 19) Annette Faße (SPD): Die Erhöhung der Schiffs- sicherheit ist ein ständiger Prozess: national, bilateral und international. Auf jeder Ebene gibt es Handlungsbedarf. Dies wurde insbesondere nach den Schiffsunglücken der letzten Jahre deutlich. Prävention steht bei allen Sicher- heitsmaßnahmen an erster Stelle. Es ist somit nur folge- richtig, dass Unfälle auf See nicht einfach zur Kenntnis genommen werden, sondern dass aus Seeunfällen kurz- und mittelfristig, aber auch langfristig Konsequenzen ge- zogen werden müssen. „Lernen und Vorbeugen“ heißt die Devise. Mit der Einrichtung der unabhängigen Expertenkom- mission „Havarie Pallas“ unter der Leitung von Senator a.D. Claus Grobecker ist ein wichtiger Schritt zu mehr Si- cherheit getan worden. Die 30 Empfehlungen sind bereits umgesetzt oder befinden sich gerade in der Umsetzung. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass Bundesverkehrs- minister Bodewig Anfang Juni eine umfassende Neukon- zeption des maritimen Notfallkonzepts in Nord- und Ost- see angekündigt hat. Im Zentrum steht die Errichtung eines „Havariekommandos“, das heißt einer einheitlichen Leitung aller Einsatzkräfte des Bundes und der Küsten- länder. Bund und Länder haben sich im Grundsatz auf die Konzeption geeinigt. Kern ist ein in 24-Stunden-Bereit- schaft gehaltenes maritimes Lagezentrum. Dort laufen künftig alle relevanten Informationen zusammen. Ein weiteres wichtiges Element der neu konzipierten maritimen Notfallvorsorge ist die Bereitstellung ausrei- chender Notschleppkapazität sowohl für die Nordsee als auch für die Ostsee. Zusätzlich zu den Mehrzweckschif- fen des Bundes „Neuwerk“ und „Mellum“ wird künftig ein mit mindestens 160 Tonnen Pfahlzug ausgerüsteter Hochseeschlepper gechartert werden. Die Stationierung dieser drei Fahrzeuge soll eine Eingreifzeit von höchstens zwei Stunden garantieren. Die bisher vom Hochsee- schlepper „Oceanic“ wahrgenommenen Aufgaben wer- den neu bestimmt und längerfristig ausgeschrieben. Für die Ostsee wird es erstmalig eine staatliche Notschlepp- kapazität geben. Angestrebt wird das gleiche Sicherheits- niveau mit zwei Stunden Eingreifzeit wie in der Nordsee, insbesondere für das Gefahrenpotenzial „Kadetrinne“. Sicher, es kann auch auf See keine hundertprozentige Sicherheit geben. Aber gerade deshalb ist es dringend not- wendig, ein optimales Notfallkonzept zu haben. Dazu gehört, dass wir die Untersuchung von Schiffsunglücken noch stärker als bisher an der Prävention von Unfällen und Gefährdungen ausrichten. Dies geschieht mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf für eine Reform der Seeunfalluntersuchung. Sie folgt damit einer Empfehlung der unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“, die 1999 den Un- fall des Holzfrachters von der Insel Amrum untersucht hat. In ihrem Abschlussbericht empfiehlt die Kommission der Bundesregierung mit der Empfehlung Nr. 24, „unver- züglich den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Seeunfalluntersuchungsgesetzes an den internationalen Standard vorzulegen“. Der internationale Standard ist der 1997 eingeführte IMO-Code für die Seeunfalluntersu- chung. Auch gemeinschaftsrechtlich ist die Bundesregie- rung qua Richtlinie 1999/35/EG zur sofortigen Umset- zung des Codes verpflichtet. Wenn man bedenkt, dass sich mehr als die Hälfte der deutschen Schiffsunfälle nicht in deutschen Gewässern ereignet, sind wir darauf angewie- sen, uns nach dem internationalen Standard zu richten und eine gute internationale Zusammenarbeit zu pflegen. Kern des vorgelegten Gesetzentwurfs ist die erstmalige Trennung der objektiven Ursachenfeststellung eines Un- falls von der Untersuchung individueller Fehler und dem Patententzug. Ausführen wird die Ursachenfeststellung in Zukunft eine unabhängige Bundesstelle für Seeunfall- untersuchung in Hamburg, die aus dem Bundesobersee- amt hervorgehen wird. Die Untersuchungsergebnisse werden dann unmittelbar zur Unfallverhütung eingesetzt. Dieses Muster der Unfalluntersuchung richtet sich nach dem Vorbild der Flugunfalluntersuchung, die der Bundestag vor drei Jahren einstimmig verabschiedet hat. Infolge dieser Regelung ist es den zuständigen Behörden möglich gewesen, bereits kurz nach dem tragischen Un- fall der „Concorde“ an der Unglücksstelle nahe Paris bei der Ermittlung des Unfallhergangs mitzuwirken. Insbe- sondere war es für die Angehörigen der Opfer wichtig, schnellstmöglich informiert zu werden und die Sicherheit zu haben, dass auch deutsche Behörden daran mitwirken. Ich weiß, dass an dieser Stelle seitens der Verbände und Interessenvertreter die Kritik geäußert wurde, dass sich die Regelungen zur Flugunfalluntersuchung nicht eins zu eins auf die Seeunfalluntersuchung übertragen lassen. Es mag sein, dass eine konsequente Anwendung auf die See- schifffahrt in einigen Bereichen bisweilen hölzern klingt. Im Kern ist die Anlehnung an ein System, dass sich in den vergangenen drei Jahren bewährt hat, jedoch sinnvoll. Die Reform der Seeunfalluntersuchung ist uns als ein Baustein im Rahmen der Umsetzung der Grobecker-Emp- fehlungen sehr wichtig. Dies zeigt sich auch darin, dass wir uns auf Arbeitsgruppenebene schon frühzeitig inten- siv mit der Reform auseinander gesetzt haben. Bereits im Mai haben wir in Cuxhaven auf der Grundlage des Kabi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118056 (C) (D) (A) (B) nettentwurfs eine Anhörung durchgeführt, bei der sowohl Befürworter als auch Kritiker Gelegenheit hatten, sich zu den Plänen zu äußern. Im Ergebnis konnten wir feststellen, dass der Kern der Reform unstrittig ist: Zweifel an der Trennung der objek- tiven Ursachenfeststellung von der Untersuchung indivi- dueller Fehler gibt es nicht. Im Zentrum der Kritik dort und auch in den schriftlichen Stellungnahmen, die wir alle erhalten haben, stehen die Öffentlichkeit der Unfallunter- suchung und weitere Aspekte, die das Verfahren der Un- tersuchung betreffen. Mit dieser Kritik haben wir uns nun in den anstehen- den parlamentarischen Beratungen auseinander zu setzen. Dazu halten wir eine Ausschussanhörung, die wir im Herbst beantragen werden, für dienlich. Dadurch lassen sich Unklarheiten am besten beseitigen und die vorge- brachte Kritik sorgfältig prüfen. Wir haben dann zu ent- scheiden, ob sie berechtigt ist oder nicht. Ich versichere Ihnen, dass wir dies sehr sorgfältig tun werden. Ich zitiere an dieser Stelle gerne unseren Fraktionsvor- sitzenden: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wird.“ Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Die Bundesregierung treibt das alte Sprichwort: „Erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist ... stehen die Bemühungen, das Kind zu bergen, im Vordergrund“, auf die Spitze. Sie präsentiert heute einen Gesetzentwurf, das die Untersuchung regelt, warum das Kind in den Brunnen gefallen ist; statt endlich etwas zu unternehmen, damit das Kind gar nicht erst hineinfällt. Mag die Seeunfalluntersuchung auch notwendig sein, dringlicher ist ein umfassendes Konzept zur Vorbeugung vor Seeunfällen. Wir stellen fest: Die Bundesregierung hat die nationale Bedeutung der Seesicherheit noch im- mer nicht erkannt. Es gibt nur kleinteiliges Flickwerk, ein Konzept aus einem Stück fehlt. Seit der „Pallas“-Kata- strophe 1998 hat es bis heute keine entscheidenen Ände- rungen im Sicherheitskonzept gegeben. Lieber lässt sich die Bundesregierung von den Mehrheitsfraktionen im Parlament für die Nachrüstung der Notfallschiffe mit hochfesten Schleppleinen und die Bereitstellung von all- wettertauglichen Hubschraubern loben – Dinge, die selbstverständlich sind. Auch die Überarbeitung beste- hender Alarmpläne und eine neue Dienstvorschrift lösen nicht das Kompetenzwirrwarr von Bundes- und Landes- behörden. Übrigens ist die jetzt ins Parlament eingebrachte Lobes- hymne der Regierungsfraktion über fast eine DIN-A4- Seite die wortwörtliche Übernahme einer Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU- Bundestagsfraktion vom letzten Jahr. Nur: Vor acht Mo- naten waren es „erste Schritte von kurzfristig umsetzba- ren Verbesserungen“, jetzt die „Realisierung von konkreten Verbesserungen am Notfallkonzept für Nord- und Ostsee“. So erledigen sich Probleme von selbst und die Parlamentsmehrheit macht sich zum Jubelorgan der Bundesregierung. Allein für den Bund fahren vier verschiedene Behör- den mit eigenen Booten auf der See nebeneinander her: BGS-Boote des Innenministers, Zollboote des Finanzmi- nisters, Fischereischutzboote der Ministerin für Verbrau- cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie die Boote unter Obhut des Verkehrsministers und der Wasser- schifffahrtsdirektion. Im Katastrophenfall sind zusätzlich die Wasserschutzpolizeiboote der Länder und die auch dort auf mehrere Ministerien verteilten Kompetenzen für Küstenaufgaben zu berücksichtigen. Nimmt man von den Schleppern bis hin zu den Ölbekämpfungsschiffen allein die Boote des Bundes zusammen, kommt man auf eine Armada von fast 100 Schiffen. Sowohl der Bundesrech- nungshof als auch der Haushaltsausschuss des Bundesta- ges haben diese Zersplitterung der Einsatzkräfte als Geld- verschwendung kritisiert. In dieser Situation legt die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf vor, der eine grundlegende Änderung des Seeunfall-Untersuchungs-Verfahrens beinhaltet, eine Än- derung, die in der vorgelegten Form niemand wollte, nie- mand braucht und bei der Unfallverhütung niemandem hilft. Sie ist aber in der Logik der Bundesregierung kon- sequent: Wenn sie schon keine Unfallprävention betreibt, muss sie wenigstens die Unfalluntersuchung so organisie- ren, dass diese Schwächen niemand merkt. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben frühzeitig die „Schaffung einer deutschen Küstenwache“ gefordert. Unsere Große Anfrage dazu fand viel Unter- stützung von den Experten vor Ort. Auch mit der Europä- ischen Kommission weiß sich die Union dabei einig. Brüssel will eine europäische Küstenwache. Vorausset- zung dafür ist eine nationale See- und Küstenwache, auf deren Strukturen die europäische Behörde aufsetzen kann. Wir von der Union haben eine Kleine Anfrage zum Thema „Sicherheits- und Notfallkonzept für Nord- und Ostsee“ eingebracht. In der Antwort wurde deutlich: Die Bundesregierung hat nicht einmal ein Konzept für die Seesicherheit. Nach ihrer eigenen Aussage wartete sie 25 Monate nach der „Pallas“-Katastrophe noch immer auf die Ergebnisse ihrer interministeriellen Projektorgani- sation. Wir von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben des- halb die „Bildung einer Leitstelle für Seesicherheit“ ge- fordert. Der entsprechende Antrag enthielt drei klare Kern- aussagen: Erstens. Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Leitstelle für Seesicherheit zu schaffen und dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzesentwurf schnellstmöglich zuzuleiten. Zweitens. In der neu zu schaffenden Leitstelle für See- sicherheit sind alle Aufgaben zusammenzuführen, die in dem Aufgabenkatalog des § 1 Seeaufgabengesetz aufge- listet sind. Diese Aufgaben sind darüber hinaus auf das Küstenmeer auszudehnen. Drittens. Im Katastrophenfall sind innerhalb der Leit- stelle für Seesicherheit alle Kompetenzen in einem Hand- lungszentrum mit einer einheitlichen Führung von Bun- des- und Landeskräften zusammenzufassen. Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Antrags wurden der Bundesregierung von uns gleich mitgeliefert: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18057 (C) (D) (A) (B) erstens die Änderung des Grundgesetzes, um die bisher getrennte Aufgabenzuordnung an Bund und Ländern im See-Katastrophenfall zusammenzufassen, zweitens die Vorlage eines Gesetzesentwurfs durch die Bundesregie- rung mit dem Ziel, alle bisher verteilten Zuständigkeiten – Zoll, Fischereiaufsicht, Bundesgrenzschutz, einschließ- lich SAR-Hubschrauber, Ölaufklärungsflugzeuge – auf eine Leitstelle in einem Bundesministerium mit der Ent- scheidungszuständigkeit einer Person, entsprechend der Institution des Duty Commander bei der Bundesmarine, zu konzentrieren und drittens die Schaffung von Rechts- klarheit, um gegebenenfalls mit der Bundesmarine im See-Katastrophenfall einen gemeinsamen Einsatz sicher- zustellen. Handeln bei der Bundesregierung? Fehlanzeige! Die nächsten Unfälle ließen auch nicht lange auf sich warten. Die „Baltic Carrier“ und der Zementfrachter „Nicolas P.“ verunglückten in der Kadetrinne, einer der meistbefahre- nen Schifffahrtswege in der Ostsee. 20 Unfälle gab es hier allein seit 1992. Täglich passieren drei bis vier Tanker, dazu circa fünf Massengutfrachter diese Strecke, jährlich etwa 50 000 Schiffe. Die Kadetrinne hat teilweise nur eine Tiefe von 18 Metern, was sie extrem risikoreich für tief- liegende 100 000-Tonnen-Tanker macht. Hier gibt es we- der eine Lotsannahmepflicht, noch eine Radarüberwa- chung, noch ist es ein Verkehrstrennungsgebiet. Die Gefahr einer Ölpest ist täglich gegeben. Auf unsere Anfrage vom 27. Februar dieses Jahres antwortete die Bundesregierung: „Für die Kadetrinne besteht aufgrund geltender internationaler Regeln derzeit keine Lotsannah- mepflicht, allerdings ist die Möglichkeit einer freiwilligen Lotsannahme gegeben.“ Und weiter: „Man habe in dieser Frage die Einrichtung einer Arbeitsgruppe geschlossen.“ Wir von der Union haben darauf einen Antrag zur „Op- timierung der Ostseesicherheit im Bereich der Kadet- rinne“ ins Parlament eingebracht. Darin wird die Bundes- regierung aufgefordert, mit konkreten Sofortmaßnahmen und international abgestimmten mittelfristigen Maßnah- men dafür zu sorgen, dass eines der risikoreichsten Ver- kehrsgebiete in der Ostsee, die Kadetrinne, umgehend eine optimierte Sicherheitsstruktur erhält. Die rot-grüne Bundesregierung hat immer erst auf Druck und nach Aufforderung reagiert. Prävention wird vernachlässigt. Nach der „Pallas“-Katastrophe wurde 16 Monate auf das Ergebnis der „Grobecker-Kommis- sion“ gewartet, danach weitere 16 Monate auf das Ergeb- nis der interministeriellen Projektorganisation „Maritime Notfallvorsorge“. Herausgekommen ist ein „Havarie- kommando“, eine Einrichtung, die nicht einmal diesen Namen verdient. Was wir dringend brauchen, ist eine na- tionale Leitstelle für Seesicherheit mit allen Kompeten- zen aus einer Hand, möglichst unter Einschluss der Bun- desmarine. Statt dessen wurde jetzt von Minister Bodewig das „Havariekommando“ angekündigt. Bundes- und Län- derbehörden fahren weiter getrennt auf der See, die letzte Verantwortlichkeit bleibt weiter bei den verschiedenen Behörden, so die Verbände vor Ort. Mit einer nationalen Küstenwache, wie von den Experten an der Küste, der EU und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gefordert, hat die- ses Kommando nichts zu tun. Damit werden noch nicht einmal die Empfehlungen der von der Regierung selbst eingesetzten Expertenkommission, der „Grobecker-Kom- mission“, umgesetzt. Der jetzt vorgelegte Entwurf eines Zweiten Seeschiff- fahrtsanpassungsgesetzes schafft einen radikalen System- bruch bei der Seeunfalluntersuchung. Zukünftig soll eine neu zu schaffende Bundesstelle für Seeunfalluntersu- chung zuständig sein, obwohl die Effizienz des bisherigen Verfahrens weder angezweifelt wurde noch die nationalen Verpflichtungen aus dem laufenden europäischen Gesetz- gebungsverfahren absehbar sind. Eine weitere Änderung ist also vorprogrammiert, verbunden mit weiteren unver- meidbaren Anlaufschwierigkeiten. Nach Aussage von Verbänden bedeutet die Neugründung der Seeunfallunter- suchungsstelle das Aus für die bisher zuständigen Seeäm- ter. Die Seeämter werden abgeschafft, die Transparenz der Seeunfalluntersuchung und die Rechtsmittel einge- schränkt. Die CDU/CSU ist sich mit Verbänden und Initiativen an der Küste einig: Dieser Entwurf darf nicht Gesetz wer- den. Ein geschlossenes Behördensystem ohne Transpa- renz durch Beteiligung der Experten vor Ort dient nur der Vertuschung von Versäumnissen bei der Unfallpräven- tion. Bemerkenswert ist, dass auch der Bundesrat das Ge- setz ablehnt und auf die Notwendigkeit seiner Zustim- mung hinwies, weil sich der Geltungsbereich des Regierungsentwurfs auch auf das Aufsuchen, Benutzen und Verlassen der dazugehörigen Lade-, Lösch-, Liege- und Werftplätze erstrecke. Der Bundesrat forderte die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf so zu ändern, dass erstens ein Untersu- chungsverfahren auch auf Antrag des örtlich zuständigen Seeamtes oder eines am Seeunfall oder einem anderen Vorkommnis auf See Beteiligten durchgeführt werde, zweitens die Aufnahme von Sachverständigen mit revier- spezifischen Kenntnissen in die Untersuchungskommis- sion durch eine Ergänzung des Seeunfall-Untersuchungs- Gesetzes sichergestellt werden müsse und drittens der Abschlussbericht der Untersuchungskommission zum Gegenstand eines öffentlichen Seeamtsverfahrens nach den derzeitigen Verfahrensregelungen – das die Untersu- chung zum Normvollzug einschließe – gemacht werde; die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den Spruch des Seeamtes müsse erhalten bleiben. Zur Begründung wird angeführt, dass durch die vor- stehend genannten Änderungen die bisher in der Praxis bewährten Elemente des Seeunfalluntersuchungsverfah- rens in die beabsichtigte Neuregelung, insbesondere die berechtigten Interessen der Beteiligten, integriert würden. Auf dem Wege des rechtsstaatlichen Verfahrens der Ver- handlung vor dem Seeamt werde der unter Berücksichti- gung der Besonderheiten des Seeverkehrs geeignete Weg zur Unfallursachenermittlung beschritten. Dieses Verfah- ren schließe sowohl die Normenkontrolle im Hinblick auf ein festzustellendes Fehlverhalten als auch die zur Ver- meidung weiterer Unfälle wichtigen Lerneffekte ein. Wir begrüßen diesen Beschluss und erwarten, dass die Bun- desregierung sich ihn zu Eigen macht. Wir begrüßen auch die zahlreichen Initiativen von Per- sonen und Verbänden an der Küste, so besonders von Rechtsanwalt Jens Paulsen aus Harsefeld, der in mühe- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118058 (C) (D) (A) (B) voller Arbeit einen eigenen vollständigen Gegenentwurf zu dem Vorschlag der Bundesregierung erarbeitet hat; nachzulesen im Internet. Aber auch von Hans von Wecheln von der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, von Olaf Hellwinkel vom Nautischen Verein, von Rechtsanwalt Dr. Julius Drumm, vom Personalratsvor- sitzenden der WSD Nord Jochen Hinz sowie von Prof. Hansheinrich Meier-Peter von der Fachhochschule Flensburg, und auch Greenpeace ist in diesem Zusam- menhang zu nennen sowie die hilfreichen Initiativen aus den CDU-Landtagsfraktionen von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie aus Bremen und Hamburg. Von solch fachkundigen Beiträgen ist Verkehrsminister Bodewig weit entfernt. Auf unser Schreiben mit 13 kriti- schen Fragen zum Gesetzentwurf hat er bis heute nicht ge- antwortet. Die Fragen fassen die Kritikpunkte der Exper- ten vor Ort zusammen. Ihre Beantwortung sollte Klarheit bringen und zur Versachlichung der Debatte beitragen. Bis heute leider Fehlanzeige, kein fairer parlamentari- scher Stil! Gila Altmann (Aurich) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In schöner Regelmäßigkeit diskutieren wir in die- sem Hohen Haus über die Verbesserung der Schiffssi- cherheit. Das ist gut und notwendig, denn die Havarien der letzten Jahre wie Pallas, Erica, Yessica und so weiter, haben mit ihren Ölteppichen das Ökosystem Meer und die Küsten auf lange Jahre katastrophal geschädigt – mit den entsprechenden Konsequenzen für die Menschen, die an und von der Küste leben. Neben solchen spektakulären Havarien auf See gibt es eine Reihe von Unfällen oder Beinahe-Unfällen, von denen nur wenige Fachleute er- fahren, die aber massiv zum Schadstoffeintrag in unsere Gewässer beitragen und die Umwelt bedrohen. Dazu gehört auch die illegale Tankreinigung auf hoher See. Die rot-grüne Bundesregierung hat seit Amtsantritt eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit auf unseren Meeren und Küstengewässern zu erhöhen. Sie handelt dabei nach den Grundsätzen: Schadensver- meidung vor Schadensbegrenzung, Vorsorge statt Repa- ratur die Rettung von Menschen und Ökosystemen hat Vorrang vor der Rettung von Sachwerten. Nach dem Unfall der Pallas hat die unabhängige Gro- becker-Kommission eine Reihe von Empfehlungen zur Erhöhung der Schiffssicherheit erarbeitet, die seit gut ei- nem Jahr abgearbeitet werden. Die Empfehlung 24 be- sagt, dass eine unverzügliche Anpassung des Seeunfall- gesetzes an den internationalen Standard nach dem Vorbild des Flugunfall-Untersuchungsgesetzes erfolgen sollte. Dies wird durch den hier vorliegenden Gesetzent- wurf realisiert, in dem die deutsche Rechtssetzung in ei- ner Vielzahl von Punkten an die internationalen Standards von EU und IMO angepasst wird. Kernstück des zweiten Seeschifffahrtsanpassungsge- setzes ist die Seeunfalluntersuchung, eine gute und wich- tige Sache, die jetzt auf den Weg gebracht wurde. Wie von der unabhängigen Untersuchungskommission gefordert, orientiert sich diese Anpassung an dem vor drei Jahren im Bundestag einstimmig beschlossenen Verfahren für den Luftverkehr. Ziel der neuen Regelungen ist, in Zukunft die Untersu- chung von Unfällen effizienter zu gestalten, um daraus zu lernen, wie man Unfälle in Zukunft noch besser verhin- dern kann. Denn Prävention – darin sind wir uns alle ei- nig – muss bei der Schiffssicherheit das A und O unseres Handelns sein. Die entscheidende Erweiterung des vorliegenden Ge- setzesvorhabens besteht darin, dass es nicht mehr nur um die Untersuchung von Unfällen geht, sondern um die Un- tersuchung aller schaden- oder gefahrverursachenden Vorkommnisse in der Seefahrt. Denn auch Beinahe-Un- fälle können wichtige Aufschlüsse über Möglichkeiten zur Unfallvermeidung geben. Ein wichtiger, teilweise umstrittener Punkt sind die Umstände, unter denen solche Seeunfalluntersuchungen stattfinden sollen. Die Diskussion bewegt sich im Span- nungsfeld zwischen Transparenz und Datenschutz. Wir sollten diese Frage ernst nehmen. Wir sollten uns aber auch nicht vor den Karren von Partialinteressen spannen lassen. Die Praxis muss zeigen, ob sich der gewählte An- satz bewährt. Der vorliegende Entwurf in § 29 Abs. 5 sieht vor, dass die mündliche Verhandlung nur dann öffentlich ist, wenn kein Beteiligter dem widerspricht. Durch das geänderte Untersuchungsverfahren wird nicht mehr nur menschliches Versagen Gegenstand der Untersuchung sein, sondern auch zum Beispiel ein Ver- schulden oder mitverschulden durch den Schiffseigner. Auch dies ist eine wichtige weitere Informationsquelle für mögliche zukünftige Verbesserungen und dient damit der Vorsorge. Bei der bisherigen Seeamtsverhandlung wurde nur das persönliche Verschulden – also menschliches Versagen - untersucht. Daran hatten insbesondere die Reeder ein großes Interesse, bedeutet doch menschliches Verschul- den für die Reeder, dass sie für den Unfall nicht haften müssen. Durch den jetzt vorgeschlagenen Verfahrensab- lauf wird dies geändert, auch ein mögliches Verschulden des Reeders wird untersucht. Bedenkenswert finde ich allerdings die Kritik, dass Kapitäne in Zukunft nicht mehr automatisch zu den Ver- handlungen hinzugezogen werden sollen. Im Bereich der Flugunfalluntersuchung ist das verständlich, bei der See- unfalluntersuchung sollte man – solange es keine Schiffs- datenschreiber, die so genannte Black Box, gibt – das Fachwissen der Kapitäne aber angemessen berücksich- tigen. Dieser Gesetzesentwurf ist ein weiterer Schritt, die Seeschifffahrt sicherer zu machen. Ein Anfang dafür ist gemacht. Michael Goldmann (F.D.P.): Unter dem wenig klaren Titel „Zweites Seeschifffahrtsanpassungsgesetz“ hat die Bundesregierung einen Reformentwurf zum Seeunfallun- tersuchungsgesetz vorgelegt. Die bisher gültige Fassung aus dem Jahr 1985, die seinerzeit mit den Stimmen des ganzen Hauses verabschiedet worden war, soll radikal geändert werden. Im bisherigen Verfahren zeigte sich das BMVBW äußerst beratungsresistent. Zwar wurde der Re- ferentenentwurf des letzten Jahres in diesem Frühjahr Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18059 (C) (D) (A) (B) ersetzt, doch aus der Kritik fast aller Verbände und Be- troffener wurden so gut wie keine Konsequenzen gezo- gen. Auch die Einwendungen des Bundesrates vom 1. Juni diesen Jahres veranlassten das BMVBW nicht dazu, seinen Gesetzentwurf noch einmal zu überdenken. Dabei gibt es genug Gründe, den Entwurf der Bundes- regierung einer gründlichen Revision zu unterziehen. Das alte Verfahren hat sich in den letzten 16 Jahren nicht nur bewährt, sondern es ist von allen Beteiligten hundertpro- zentig akzeptiert. Ganz bewusst hat man damals die Re- geln des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die Seeun- falluntersuchung angewandt und die Zahl der nicht angefochtenen Entscheidungen der Seeämter und des Bundesoberseeamtes spiegelt dies beeindruckend wider. Die Seeämter haben in rund 650 Fällen einen Seeunfall mit einem Spruch abgeschlossen. Daraus erwuchsen 180 Entscheidungen des Oberseeamtes in Widerspruchs- verfahren. Nur in 14 Fällen wurde gegen Entscheidungen des Oberseeamtes vor dem Verwaltungsgericht Klage ein- gereicht, die alle abgewiesen wurden. Das spricht für die hohe Qualität der Untersuchungen der Seeämter und die hohe Akzeptanz bei allen Betroffenen. Dieses bewährte Verfahren soll nun abgeschafft wer- den. Die Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts sollen keine Anwendung mehr finden, die Seeämter sollen nur noch in Patententzugsfällen tätig werden und das Ober- seeamt soll abgeschafft werden. Die neu zu schaffende Bundesstelle zur Seeunfalluntersuchung soll nicht mehr jeden Seeunfall untersuchen und auf die Öffentlichkeit des Verfahrens, auf die Hinzuziehung von Experten wie beim bisherigen Verfahren soll verzichtet werden. Die Bundesregierung orientiert sich bei ihrer Reform am Flugunfalluntersuchungsgesetz, weil sie damit angeb- lich die Empfehlung Nummer 24 der Pallas-Kommission umsetze. Dabei unterschlägt das BMVBW aber, dass diese Empfehlung der Kommission erst auf Initiative des BMVBW Aufnahme in den Empfehlungskatalog fand. Man soll also jetzt nicht so tun, als ob dies eine notwen- dige Konsequenz aus dem Pallas-Unglück sei. Im Gegen- teil: eine Anlehnung an das Flugunfalluntersuchungs- gesetz ist nicht sachgerecht, weil im Gegensatz zu Flug- unfällen die Masse der Seeunfälle, circa 80 Prozent, nicht auf technisches, sondern auf menschliches Versagen zurückzuführen ist. Das von der Bundesregierung ge- wünschte neue Verfahren ist nicht dazu angetan, Seeun- fälle so sachgerecht zu untersuchen, dass aus der Unter- suchung Lehren für die Fortentwicklung der Sicherheit des Schiffsverkehrs gezogen werden können. Nahezu alle Betroffenen äußern massive Kritik gegen diesen Regierungsentwurf. Der Bundesrat hat beschlos- sen, dass die Seeämter auch weiterhin ein eigenständiges Untersuchungsrecht haben sollen und ihre Verfahren mit einem Spruch abschließen sollen, gegen den ein Wider- spruch beim Bundesoberseeamt möglich sein muss. Es ist nicht nachvollziehbar, warum BMVBW mit dem Kopf durch die Wand will und sich weigert, die nötigen Nach- besserungen aufzunehmen. Die Kleine Anfrage, die meine Fraktion zu diesem Thema am 19. Juni auf den Weg gebracht hat, wird auch aufzeigen, dass die Bundesregierung es bei der Begrün- dung der besonderen Eilbedürftigkeit dieses Gesetzent- wurfes mit der Wahrheit nicht so ganz eng gesehen hat. Seit einem Jahr wird vom BMVBW behauptet, Deutsch- land sei wegen der EU-Richtlinie 1999/35/EG unter Zug- zwang und im Innenausschuss des Bundesrates hat der Vertreter des BMVBW gar behauptet, dass Deutschland von der EU ultimativ zur Umsetzung der Richtlinie auf- gefordert worden sei. Nichts davon ist wahr. Richtig ist vielmehr, dass die Bundesregierung selbst bei der EU-Kommission den Eindruck erweckt hat, die Richtlinie bereits umgesetzt zu haben. Erst eine Anfrage aus der EVP-Fraktion im EP an die Kommission im Fe- bruar diesen Jahres hat den Sachverhalt aufgeklärt. Es gibt keinen Grund in übertriebene Hektik zu verfallen, solange der EU dargelegt wird, dass man an der Umsetzung ar- beitet. Immer wieder wird auch auf den geänderten interna- tionalen Standard verwiesen. Doch ob der IMO-Code A.849(20) von 1997, den es umzusetzen gilt, tatsächlich von der Bundesregierung in ihrem Entwurf umgesetzt wurde, bleibt zu prüfen. Ich habe hier erhebliche Zweifel. Wegen der vielen Mängel des Regierungsentwurfes und wegen der vielen offenen Fragen wird meine Fraktion nächste Woche in Hamburg eine Anhörung mit Experten durchführen und dazu einen eigenen Gesetzentwurf zum Seeunfalluntersuchungsgesetz vorlegen. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regie- rungskoalition, dass Sie nicht einfach dem BMVBW fol- gen, sondern bei den weiteren Beratungen ernsthaft ver- suchen, sich mit der Kritik an dem Regierungsentwurf auseinanderzusetzen. Vielleicht gelingt es uns dann im Ausschuss eine Lösung zu finden, die sicherstellt, dass das neue SUG nicht nur internationale Standards erfüllt, sondern auch eine ähnliche Akzeptanz bei den Betroffe- nen von Seeunfällen erfährt, wie es das bisherige Gesetz hat. Angelika Mertens, Parlamentarische Staatssekre- tärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen: Vor wenigen Monaten erst hat der Deutsche Bundestag mit Blick auf den Seeunfall des Holzfrachters „Pallas“ eine Entschließung über die Sicherung der deut- schen Nordund Ostseeküste vor Schiffsunfällen gefasst. Gestern wurde in fünf Ausschüssen unter anderem der Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen zur Verbesserung der Schiffssicherheit auf der Ostsee beraten, nachdem sich am 29. März vor der Küste Meck- lenburg-Vorpommerns eine bedrohliche Tanker-Havarie ereignet hatte. Vor wenigen Tagen geriet ein deutsches Fährschiff in der Ostsee mit vielen Menschen an Bord durch einen Brand in Seenot. Der Unfall der „Pallas“, die Tanker-Ha- varie in der Ostsee und der Brand des Fährschiffes zeigen beispielhaft, dass alle Verantwortlichen gefordert sind, die sich bietenden Möglichkeiten zur Verbesserung der Si- cherheit des Seeverkehrs wirksam auszuschöpfen. Die Initiative der Bundesregierung für ein Zweites Seeschifffahrtsanpassungsgesetz zielt genau auf diese dringliche Aufgabe. Der Schwerpunkt eines praxis- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 200118060 (C) (D) (A) (B) gerechten maritimen Sicherheitskonzepts muss in der Verhinderung von Havarien und daraus folgenden Schä- digungen liegen. Hierfür sind insbesondere die entspre- chenden internationalen Sicherheitsanforderungen umzu- setzen. Zur Anpassung an den aktuellen Stand des internationalen Seesicherheitssystems sollen vor allem das Seeaufgabengesetz und das Gesetz über das Seelots- wesen geändert, ein neues Seesicherheits-Untersuchungs- Gesetz geschaffen und das aufgrund des Gemeinschafts- rechts überholte Gesetz über die Küstenschifffahrt durch eine Verordnungsermächtigung ersetzt werden. Der Bundesrat hat am. 1. Juni zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Die Bundesregierung hat hierzu am 27. Juni eine Gegenäußerung beschlossen. Nach ihrer An- sicht bedarf das Gesetz nicht der Zustimmung des Bun- desrates. Die Gesetzesvorlage baut auf den soliden Grundlagen auf, die der Deutsche Bundestag in der Vergangenheit durch eine Reihe einstimmig gefasster Beschlüsse ge- schaffen hat: Der Gesetzentwurf schließt unmittelbar an das Erste Seeschifffahrtsanpassungsgesetz von 1998 an, das in Deutschland die wirksame Anwendung von rund 80 Regelwerken des internationalen schiffsbezogenen Sicherheitsstandards ermöglicht hat. Jetzt geht es um wei- tere Regelwerke zu Themen wie den Qualifizierungsan- forderungen an Seeleute im Borddienst und der See- unfalluntersuchung nach dem internationalen Standard. Die Seeunfalluntersuchung spielt heute in der interna- tionalen Staatenwelt – wie beispielsweise im jüngsten Mehrjahresprogramm der Internationalen Seeschiff- fahrts-Organisation (IMO) ablesbar – eine überragende Rolle als Erkenntnisgrundlage für jegliche gesetzgeberi- sche Tätigkeit und internationale Zusammenarbeit zur Verbesserung der Schiffssicherheit und des maritimen Umweltschutzes. Dabei geht es in der Unfallanalyse vor allem um be- ständiges Lernen, damit die Seeleute, die Fahrgäste auf See sowie die Meeresumwelt und die Küstenbewohner in Zukunft vor den Folgen von Seeunfällen durch bessere Unfallverhütungsmaßnahmen wirksam geschützt werden. Für dieses maritime Lernen und Vorbeugen besitzt die Bundesregierung bisher nicht das im internationalen Maßstab notwendige Instrumentarium. Daher muss die hierfür im Ausführungsgesetz von 1995 zum UN-See- rechtsübereinkommen vorgesehene zentrale Bundesstelle sowohl rechtlich wie organisatorisch im gebotenen Um- fang ausgebaut werden. Hierbei erweist es sich als großer Vorteil, dass die IMO bei der Erarbeitung der Regeln ihres Codes über die See- unfalluntersuchung, an der auch die Internationale Ar- beitsorganisation (ILO) beteiligt war, sehr weitgehend auf das bereits im internationalen Luftverkehr entwickelte und bewährte Unfalluntersuchungsverfahren zurückge- griffen hat. Der Gesetzentwurf nimmt daher analog im Wesent- lichen auf die Vorschriften Bezug, die der Deutsche Bun- destag erst vor drei Jahren einstimmig mit dem Flug- unfall-Untersuchungs-Gesetz beschlossen hat. Für jede dieser Bestimmungen ist sorgfältig ermittelt worden, ob und gegebenenfalls in welcher Weise etwaigen vom Luft- verkehr abweichenden Besonderheiten des Seeverkehrs durch geeignete Maßgaben Rechnung getragen werden muss. Hinsichtlich der Tätigkeit der fünf Seeämter, die nach dem Gesetzentwurf beibehalten werden sollen, sind im Rahmen des Möglichen die Verfahrensvorschriften des bisherigen Seeunfalluntersuchungsgesetzes von 1985 übernommen worden. Im Gegensatz zu dieser Anlehnung der Gesetzesvor- lage an die bereits getroffenen Vorentscheidungen des Bundesgesetzgebers wurde in der öffentlichen Diskussion zum Teil die Einführung von Verfahrenselementen gefor- dert, die im Bereich der nicht normvollziehenden Unfall- untersuchung eine weitgehende Abkehr von dem in Deutschland geltenden Verfahrensrecht bedeutet hätten. Der Regierungsentwurf hält sich dagegen – gerade auch in wichtigen Einzelpunkten wie der Nichtöffentlichkeit des Verfahrens der Bundesstelle oder der Entbehrlichkeit einer Widerspruchsinstanz im Seeamtsverfahren – in- sofern an die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgeset- zes. Dies ermöglicht im Hinblick auf die gebotene Dring- lichkeit eine zügige Beschlussfassung. Die Seeunfalluntersuchung wird zukünftig noch stär- ker der Prävention von Unfällen und Gefährdungen die- nen. Damit ist unser Entwurf eines Zweiten Seeschiff- fahrtsanpassungsgesetzes für Deutschland ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheit der Schifffahrt und der Meere. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001 18061 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Horst Seehofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Dr. Seifert, da
    stimme ich Ihnen völlig zu. Mit möglichen Lösungen in
    der Zukunft dürfen wir nicht die Gegenwart bewältigen,
    sondern wir müssen in der Gegenwart das tun, was mit
    den heutigen medizinischen Möglichkeiten und auch un-
    ter den sozialen Gegebenheiten erreichbar ist. Aber – und
    darauf wollte ich mit dem Ausgangspunkt Herzzentrum
    hinaus – für mich gibt es auch eine ethische Verpflichtung,
    alles Verantwortbare zu tun, um die Suche der Forscher
    nach Möglichkeiten zur Überwindung und Beherrschung
    von Krankheiten zu unterstützen. Für mich gibt es auch
    eine ethische Begründungspflicht, wenn jemand einen
    solchen Weg aus nicht tragfähigen Gründen versperrt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P.)


    Deshalb möchte ich ganz eindeutig sagen: Ich habe,
    wie wohl die eindeutige Mehrheit des Hauses, eine klare
    Position dazu, was nicht geht, und eine Meinung dazu,
    worüber wir ernsthaft weiter debattieren und was wir
    weiter untersuchen müssen. Die eindeutige Position ist,
    dass wir die Eingriffe in die menschliche Keimbahn
    nicht nur heute, sondern auch in Zukunft unterlassen
    müssen,


    (Zustimmung des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


    dass wir keinen Eingriff in die Keimbahn durchführen
    dürfen mit Veränderungen, die auf Nachkommen über-
    tragen werden – also nicht das Klonen von Menschen, um
    es deutlich zu sagen.

    Ich habe eine eindeutige Position, was die Herstellung
    von Embryonen zu Forschungszwecken betrifft. Dies
    ist übrigens ein Punkt, den die Deutschen, Herr Kollege
    Schmidt-Jortzig, bei der Formulierung der Bioethik-Kon-
    vention verankert haben: keine Herstellung von Embryo-
    nen zu Forschungszwecken. Ich denke, das sollte auch
    eine Grenze sein, die wir um Gottes willen nie über-
    schreiten dürfen.

    Ich rede heute nicht über die Entstehung des Lebens,
    sondern mich beschäftigen bei diesem zweiten Punkt ei-
    nige Wertungswidersprüche, die für mich noch nicht aus-
    reichend aufgearbeitet sind. Wie wollen wir den Men-
    schen erklären, dass wir als Gesellschaft es akzeptieren,
    dass Embryonen, die im Zusammenhang mit der künst-
    lichen Befruchtung hergestellt und nicht gebraucht wer-
    den – die so genannten überzähligen Embryonen – kon-
    serviert, eingefroren, verworfen werden – „verworfen“ ist
    eine Umschreibung für absterben –, die Forschung an die-
    sen überzähligen Embryonen aber unter Strafe stellen?


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der F.D.P.)


    Wie wollen wir weiterhin der Gesellschaft den fol-
    genden Wertungswiderspruch erklären – jeder, der sich
    mit dem Thema beschäftigt, weiß, dass künstliche Be-
    fruchtung heute und in Zukunft nur unter verbrauchender
    Embryonenforschung möglich ist und sein wird; denn wir
    sind mit den Erkenntnissen dabei noch nicht am Ende –:
    dass auf der einen Seite die Anwendung der Forschungs-
    ergebnisse in Deutschland von der Krankenkasse finan-
    ziert wird, die zugrunde liegende Forschung allerdings in
    Deutschland unter Strafe gestellt wird?

    Ich kämpfe mit dem dritten Wertungswiderspruch. Es
    geht dabei nur um die Forschung an überzähligen em-
    bryonalen Stammzellen, nicht um die Herstellung von
    embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken. Wol-
    len wir uns wirklich dem Wertungswiderspruch aus-
    setzen, dass wir die Forschung auf diesem Gebiet ins Aus-
    land verlagern und später, nach einigen Jahren, die
    Erkenntnisse und den Nutzen aus der Forschung aus dem
    Ausland in die Bundesrepublik Deutschland importieren?
    Ich weiß aus der jahrelangen Diskussion um die Bioethik-
    Konvention: Wenn man sich aus einer Diskussion aus-
    blendet, weil man Fundamentalpositionen vertritt, dann
    verliert man auch europa- und weltweit die Gestaltungs-
    freiheit auf einem wichtigen Feld. Ich möchte nicht, dass
    wir in Deutschland bestimmte Regeln aufstellen, aber in
    Kauf nehmen, dass die Deutschen – das ist mehrfach ge-
    sagt worden – dort hinfahren, wo diese Regeln nicht be-
    achtet werden, weil sie sich einen medizinischen Nutzen
    davon versprechen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei der F.D.P.)


    Deshalb müssen wir uns mit vielen juristischen, wis-
    senschaftlichen, medizinischen, aber auch mit vielen Wer-
    tungswidersprüchen auseinander setzen. Dafür braucht
    man Zeit. Ich empfehle sehr, dass wir Deutschen uns von
    der Suche nach Möglichkeiten, heute nicht beherrschbare
    Krankheiten eines Tages lindern oder gar heilen zu kön-
    nen, nicht verabschieden – in engen Grenzen, die mehr-
    fach beschrieben worden und in der Öffentlichkeit be-
    kannt sind.

    Drittens, Frau von Renesse, bin ich als Politiker, der
    gegenüber diesen Dingen offen ist, trotzdem der Mei-
    nung, dass der Antrag meiner Fraktion auf ein Morato-
    rium, den ich sehr unterstützt und auch mitformuliert
    habe, keine Brandfackel ist, auch keine – Herr Struck ist
    nicht da – „Verlogenheit“, sondern die seriöse und not-
    wendige Konsequenz, wenn man dafür plädiert, über die-
    ses Thema ernsthaft zu diskutieren. Für diese ernsthafte
    Diskussion braucht man Zeit, Frau von Renesse.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Das heißt nicht, dass die Entscheidung auf den
    Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden soll. Das
    muss in absehbarer Zeit entschieden werden. Aber für
    die Lösung eines so sensiblen Themas brauchen Sie das
    Vertrauen der Bevölkerung und müssen Sie die Men-
    schen mitnehmen. Die Menschen nehmen Sie nur mit,
    wenn Sie transparent, offen und mit Argumenten disku-
    tieren.


    (Ulrike Flach [F.D.P.]: Das tun wir ja!)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001

    Dr. Ilja Seifert

    17973


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    – Das tun Sie, das tut das Parlament; aber das wäre nicht
    möglich, wenn man – das sage ich an die Adresse der
    F.D.P. – ein Moratorium nicht für erforderlich hält.

    Vertrauen schaffen Sie nur durch Offenheit und Trans-
    parenz. Wir sollten uns ein Beispiel an einem der letzten
    Themen nehmen, das ähnlich schwierig war, der Trans-
    plantationsmedizin in Deutschland, bei dem es um die
    Frage ging, wann ein Mensch tot ist, um die Frage der
    Feststellung des Hirntodes, um die Fragen, wer zustim-
    men muss und unter welchen Voraussetzungen eine Le-
    bendspende möglich sein kann. Ich finde, auch für diese
    Diskussion haben wir uns sehr viel Zeit genommen. Wir
    haben sie sehr ernsthaft geführt, wir haben sie ohne par-
    teipolitische Schranken geführt und wir haben bis zum
    Ende unseren Vorsatz durchgehalten, dass jeder Abgeord-
    nete und jede Abgeordnete so entscheiden muss, wie es
    mit dem eigenen Gewissen verantwortbar ist.

    Ich wünsche mir das auch in dieser Diskussion; denn
    immer wenn sich das deutsche Parlament Zeit genommen
    und sich ernsthaft und unter Einsatz des Gewissens mit ei-
    ner Sache auseinander gesetzt hat, hat das anschließend in
    der Bevölkerung Akzeptanz gefunden, hat es befriedet.
    All das, worüber damals, 1995/96, heftig, zum Teil auch
    mit Emotionen diskutiert wurde, ist in der Bevölkerung
    heute akzeptiert.

    Deshalb plädiere ich für die Gewissensfreiheit, für die-
    ses Moratorium, für eine ernsthafte Auseinandersetzung
    bei sehr schwierigen und sensiblen Fragen, für eine Auf-
    arbeitung der Wertungswidersprüche und möchte uns
    auffordern, in den nächsten Monaten Wege zu finden, die
    ethisch vertretbar, aber auch wissenschaftlich hoffnungs-
    voll sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig [F.D.P.])




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als letz-
ter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun der
Kollege René Röspel von der SPD-Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von René Röspel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr ver-
    ehrten Damen und Herren! Heute wird der Deutsche
    Bundestag beschließen, die Frage des Imports embryo-
    naler pluripotenter Stammzellen auf der Grundlage von
    Stellungnahmen, unter anderem der Enquête-Kommis-
    sion des Deutschen Bundestages, noch in diesem Jahr zu
    entscheiden. Er wird an die Wissenschaftler in diesem
    Land appellieren, dieser Entscheidung nicht durch Schaf-
    fung von Tatsachen und Fakten vorzugreifen. Infolge un-
    serer Diskussion – das, denke ich, kann man sagen – hat
    auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft vorgestern
    beschlossen, erst im Dezember eine Entscheidung zu tref-
    fen. Der Zeitdruck ist also gemildert und das ist auch gut
    so.

    Die Enquête-Kommission hat eigens eine Arbeits-
    gruppe eingesetzt, die sich mit den Fragen der Stamm-
    zellforschung beschäftigt, übrigens zu einem Zeitpunkt,
    als die wenigsten in diesem Lande überhaupt wussten,
    was eine Stammzelle ist. In dieser Arbeitsgruppe befassen
    sich sachkundige Mediziner, Theologen, Naturwissen-

    schaftler und Philosophen seit Herbst letzten Jahres fast
    jeden Montag mit einer Vielzahl von unterschiedlichen
    wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Stellungnah-
    men und Gutachten. Bereits im April dieses Jahres haben
    wir unter anderem mit Professor Brüstle in einem sehr
    guten Expertengespräch, das ruhig und sachlich verlaufen
    ist, diskutieren können. Wahrscheinlich wäre das ange-
    sichts des heutigen Zeitdrucks und der jetzt entstandenen
    Atmosphäre nicht mehr so einfach möglich.

    Wir sind aber noch längst nicht so weit, Empfehlungen
    abgeben zu können, weil wir als Enquête-Kommission
    den Anspruch haben, dem Parlament und der Gesellschaft
    die Möglichkeiten und Konsequenzen beschreitbarer
    Wege fundiert aufzuzeigen.


    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


    Nebenbei gesagt: Natürlich stellen wir dem Nationalen
    Ethikrat unser Material gerne zur Verfügung. So wird es
    ihm dann vielleicht möglich sein, bis zum Dezember die-
    ses Jahres eine ähnlich fundierte Arbeit vorzulegen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    Trotz sorgfältiger Arbeit – vielleicht sogar gerade des-
    wegen – werden die Kernfragen, um die es sich dreht, der
    Spekulation überlassen bleiben. Denn niemand – auch die
    Wissenschaftler nicht und schon gar nicht die Politiker –
    kann mit Gewissheit sagen, welcher der richtige Weg sein
    wird. Das macht die Sache so ungeheuer kompliziert und
    auch nicht einfacher.

    Natürlich wollen wir – Herr Seehofer, das ist an Sie ge-
    richtet – alles dazu tun, um Krankheiten zu lindern. Das
    ist, so glaube ich, völlig unbestritten. Das eignet sich in
    dieser Auseinandersetzung nicht als Argument. Wir müs-
    sen uns aber fragen, was wirklich möglich ist und wo
    Hoffnungen geweckt werden, die nicht erfüllbar zu sein
    scheinen.

    Frau Flach, Herr Schmidt-Jortzig, in dem Antrag der
    F.D.P. wird zum Beispiel die Möglichkeit genannt, Mu-
    koviszidose mit pluripotenten Stammzellen zu heilen
    bzw. Linderungen herbeizuführen. Sie hätten sich einmal,
    was diese Aussage anbelangt, mit Ihrem Sachverständi-
    gen in der Enquête-Kommission absprechen sollen. Das
    ist nämlich eine Frage, die in den Bereich der Prä-
    implantationsdiagnostik gehört. Wenn Sie mir nur ein
    Beispiel nennen können – auch wenn es utopisch ist –, wie
    gerade Mukoviszidose durch Stammzellforschung
    bekämpft werden könnte, so bin ich gerne bereit, das
    entgegenzunehmen.


    (Ulrike Flach [F.D.P.]: Wir kommen auf Sie zu, Herr Röspel!)


    Ich habe gerade heute mit Pneumologen diskutiert: Es
    gibt keine auch nur ansatzweise realistische Möglichkeit.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001

    Horst Seehofer

    17974


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Also entweder haben Sie ein bisschen schlampig gearbei-
    tet oder Sie wecken wieder Hoffnungen, die nicht erfüll-
    bar sind. Das ist der falsche Weg und das kritisieren wir.

    Wir als Abgeordnete haben nicht nur die Aufgabe, Lö-
    sungen für Probleme zu suchen, sondern geradezu die
    Pflicht, Fragen zu stellen, die die Zukunft unserer Gesell-
    schaft betreffen. Viele Fragen sind eben noch unbeant-
    wortet: Welche Konsequenzen hat eine Technologie für
    die Gesellschaft? In welcher Gesellschaft wollen wir le-
    ben? – Diese beiden Fragen betreffen auch andere Berei-
    che. – Was passiert, wenn man den Import so genannter
    pluripotenter Stammzellen zulässt?

    Übrigens, wer noch immer nicht weiß – das ist nach-
    zusehen; denn das ist eine fast akademische Frage –, was
    pluripotent und was totipotent ist, dem will ich das an
    einem Beispiel klarer machen: Aus einer totipotenten
    Zelle entstehen der Embryo und die Nachgeburt, während
    aus einer pluripotenten Zelle „nur“ noch der Embryo und
    Teile der Nachgeburt entstehen können. Wenn es also den
    Forschern irgendwann gelingen wird – im Tiermodell
    wird bereits daran gewerkelt –, eine Plazenta, also den
    Mutterkuchen, auf künstliche Art und Weise zur Verfü-
    gung zu stellen, wird die Diskussion um scheinbar unpro-
    blematische pluripotente Zellen, die sich dann nämlich zu
    einem Embryo entwickeln können, sicherlich eine andere
    Richtung bekommen.


    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


    Zurück zur heutigen Fragestellung: Wozu kann der Im-
    port solcher pluripotenter Zellen führen? Ich denke, dass
    nach kurzer Zeit unweigerlich die Forderung kommt – das
    ist verständlich; auch die Deutsche Forschungsgemein-
    schaft sieht dies in ihrer Empfehlung vom 3. Mai 2001
    vor –, auch in Deutschland so genannte überzählige Em-
    bryonen zu Forschungszwecken zu „vernutzen“, zu zer-
    stören; ich habe noch immer nicht den richtigen Ausdruck
    dafür gefunden. Nach neuesten Erkenntnissen gibt es in
    Deutschland etwa 15 eingefrorene „überzählige“ Em-
    bryonen. Was passiert denn, wenn noch ein oder zwei oder
    vielleicht zehn Embryonen gebraucht werden, um, wie
    das in der Forschung häufig üblich ist, die letzten Versu-
    che zu machen, um den Durchbruch wirklich zu schaffen?
    Werden wir dann wirklich der Forderung, nicht auch die
    Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken zu
    erlauben – denn es sind eben nur ein paar, die hergestellt
    werden müssen –, standhalten können?

    Wir sehen am Beispiel Großbritannien, wo bereits etwa
    50 000 Embryonen zu Forschungszwecken genutzt wor-
    den sind, dass das Ergebnis und die Erkenntnisse, die aus
    dieser Forschung erwachsen sind und die sich therapeu-
    tisch nutzen lassen, relativ gering sind.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    Wir haben noch keine eindeutigen Antworten. Im Gegen-
    satz zu anderen, die uns das glauben machen wollen, ge-
    stehe ich das zu.

    Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
    Herr Professor Winnacker, hat gestern auf der Jahresver-
    sammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in
    Berlin deutlich gemacht, dass die DFG vor drei Jahren
    noch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Import von
    Stammzellen hatte. Die rasanten Fortschritte aber haben
    zu einem Meinungswandel der DFG geführt, die nun den
    Import befürwortet.

    Die Herstellung von Embryonen zu Forschungs-
    zwecken, das so genannte therapeutische Klonen, also
    die „Dolly-Schaf-Methode“, und der Keimbahneingriff
    werden von der DFG als unethisch abgelehnt. Das ist auch
    gut so. Die Frage ist aber: Wie lange noch? Professor
    Ganten vom Max-Delbrück-Zentrum, ein Kollege von
    Professor Winnacker im Nationalen Ethikrat, wird in der
    „Financial Times Deutschland“ von gestern wie folgt zi-
    tiert: Er halte die Pläne der DFG, das therapeutische Klo-
    nen nicht zuzulassen, für falsch. In zwei oder drei Jahren
    werde die DFG diese Entscheidung korrigieren.

    Professor Bartram aus Heidelberg plädiert für die Zu-
    lassung des therapeutischen Klonens. Michael Kyba vom
    Whitehead-Institute in Boston hält therapeutisches Klo-
    nen für den „aussichtsreichsten Weg, um in der Zukunft
    kompatibles Gewebe direkt vom Patienten gewinnen zu
    können“. Übrigens gibt es kein Wort zu der Frage, wel-
    chen Frauen denn die Zehntausenden von Eizellen, die
    benötigt werden, entnommen werden sollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die Frage, die wir stellen müssen, lautet: Wie lange
    wird also die Ablehnung solcher Verfahren noch halten?
    Bis die nächste Heilung von Krankheiten in Aussicht ge-
    stellt wird und wir deshalb wieder unter Druck entschei-
    den sollen?

    Die gute Nachricht lautet – das haben einige Kollegen
    schon gesagt –: Wir sind nicht alternativlos. Auch die
    DFG gibt den so genannten adulten Stammzellen, die
    aus erwachsenen Menschen gewonnen werden, den Vor-
    rang und will die Forschung ausweiten. Das ist nur zu be-
    grüßen. Diese Zellen sind ethisch unproblematisch und
    werden wegen ihrer immunologischen Eigenschaften
    letztlich die bessere Therapie sein.


    (Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Richtig!)


    Herr Seehofer, das kann gegenüber dem Ausland ein ge-
    waltiger Vorteil sein.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das wird uns nicht zurückwerfen. Wir werden uns auch
    nicht aus der Suche nach Heilung verabschieden, sondern
    wir werden einen anderen Weg aufzeigen.

    Vielen von Ihnen ist sicherlich bekannt, dass aus Kno-
    chenmark Blutzellen gewonnen werden können, mit de-
    nen die Leukämie bekämpft werden kann. Mittlerweile
    kann man daraus auch Knorpelzellen gewinnen. Dies ist
    ein guter und richtiger Weg. Beispiele dafür können Sie
    auch in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“
    lesen, die von Professor Kollek und von Dr. Schneider

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 182. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2001

    René Röspel

    17975


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    stammen. Das ist insgesamt ein lesenswerter Artikel, in
    dem auch eine weitere Erklärung für den Zeitdruck ge-
    nannt wird, unter dem wir heute stehen: der Wunsch, Pa-
    tente anzumelden und Rechte absichern zu lassen, was
    per se nichts Schlechtes ist.


    (Margot von Renesse [SPD]: In der Tat!)


    Letztendlich werden Politik und Gesellschaft über eine
    sehr schwierige und spekulative Technologie entscheiden
    müssen. Können die Heilsversprechen eingelöst werden?
    Sind die warnenden Stimmen zu vorsichtig oder gar un-
    berechtigt? Werden wir die Geister, die wir jetzt rufen, je
    wieder los? Ist es nicht besser, den ethisch unproblemati-
    scheren Weg zu gehen – auch wenn er vielleicht etwas län-
    ger ist –, bevor man Fakten schafft, die nicht mehr rück-
    holbar sind?

    Weil diese Fragen so schwer zu beantworten sind, ist
    klug beraten, wer sich auf der Suche nach der Antwort
    Zeit zur Abwägung nimmt und keine vorschnellen Ent-
    scheidungen zulässt. Das wollen wir tun.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)