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    Zusatztagesordnungspunkt 9: Abgabe einer Regierungserklärung: Soli- darpakt II: Sichere Zukunft für die neuen Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17721 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 17721 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17723 D Dr. Manfred Stolpe, Ministerpräsident (Brandenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17726 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 17727 B Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17729 C Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 17730 D Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17731 D Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17733 D Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident (Sachsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17735 B Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17736 D Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 17738 A Tagesordnungspunkt 19: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 108) (Drucksachen 14/6144, 14/6470) . . . . 17739 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zurÄnderung des Finanzverwaltungsgesetzes und ande- rer Gesetze (Drucksachen 14/6140, 14/6470) . . . . 17739 D Dr. Frank Schmidt (Weilburg) SPD . . . . . . . . 17740 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 17740 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17740 D Tagesordnungspunkt 20: a) Antrag der Abgeordneten Peter Rauen, Dr. Angela Merkel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Zehn-Punkte-Programm zurWieder- belebung der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes (Drucksache 14/6436) . . . . . . . . . . . . . 17743 D b) Antrag der Abgeordneten Hansjürgen Doss, Friedhelm Ost, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Offensive für die Bauwirtschaft (Drucksache 14/6315) . . . . . . . . . . . . . 17744 A c) Große Anfrage der Abgeordneten Peter Rauen, Hansjürgen Doss, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Forderung nach Schaffung eines Bau- vertragsgesetzes zur Bekämpfung man- gelnder Zahlungswilligkeit (Drucksachen 14/4182, 14/5070) . . . . 17744 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung zu dem Antrag der Abgeordne- ten Hans-Joachim Fuchtel, Gunnar Uldall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Arbeitslosen- versicherungsbeitrag senken (Drucksachen 14/4377, 14/6199) . . . . 17744 B e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, weiterer Plenarprotokoll 14/180 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 180. Sitzung Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 I n h a l t : Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Kleinunternehmer-Hilfefonds effektiv organisieren und gesetzliche Voraus- setzungen für eine Nachfolgeregelung schaffen (Drucksachen 14/5559, 14/6198) . . . . 17744 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dr. Irmgard Schwaetzer, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der F.D.P.: Neue Wachs- tumschancen mit durchgreifenden wirt- schaftspolitischen Reformen schaffen – Blitzprogramm fürdie deutsche Wirtschaft (Drucksache 14/6446) . . . . . . . . . . . . . . . 17744 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 17744 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17746 D Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17747 A Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 17747 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17747 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 17747 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 17748 A Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17750 B Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17751 C Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 17752 B Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17753 D Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17755 C Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17757 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17760 A Klaus Wiesehügel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17761 A Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 17762 D Tagesordnungspunkt 21: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabattgesetzes und zur Anpas- sung anderer Rechtsvorschriften (Drucksachen 14/5441, 14/6459) . . . . 17765 D b) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurAufhe- bung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechts- vorschriften (Drucksachen 14/5594, 14/6469) 17765 D – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Rainer Funke, Rainer Brüderle, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion der F.D.P. einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des deutschen Zugabe- rechts an die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsver- kehr (ZugaberechtsanpassungsG) (Drucksachen 14/4424, 14/6469) 17766 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Hartmut Schauerte, Gunnar Uldall, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Innovation und fairer Wettbewerb im Handel nach Ab- schaffung von Rabattgesetz und Zu- gabeverordnung (Drucksachen 14/5751, 14/6463) . . . . 17766 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 17766 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17767 C Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17770 A Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17771 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17772 B Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 17773 B Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 17774 D Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Sperrzeiten für Gast- stätten und Biergärten kundenfreund- licher gestalten (Drucksache 14/6188) . . . . . . . . . . . . . . . . 17776 B Ernst Burgbacher F.D.P . . . . . . . . . . . . . . . . . 17776 C Brunhilde Irber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17777 C Ernst Burgbacher F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 17778 A Anita Schäfer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 17780 A Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 17782 A Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17782 C Rosel Neuhäuser PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17783 B Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Regelung des Schutzes gefährde- ter Zeugen (Drucksachen 14/638, 14/6279 [neu], 14/6467) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17784 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001II Tagesordnungspunkt 28: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Christa Luft, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der PDS: UMTS-Milliarden für die Einfüh- rung einer kommunalen Investitions- pauschale des Bundes (Drucksachen 14/4557, 14/6208) . . . . 17784 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Ände- rung des Zerlegungsmaßstabs des Gewerbesteuermessbetrags (Drucksachen 14/5584, 14/6461) . . . . 17784 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Er- höhung der Gewerbesteuerumlage rückgängig machen (Drucksachen 14/5586, 14/6462) . . . . 17784 C Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 17784 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17786 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17787 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Bundes- regierung zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 108) (Drucksachen 14/6144 und 14/6470) . . . . . . . 17788 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Schutzes gefährdeter Zeugen (Tagesordnungs- punkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17788 C Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 17788 D Wolfgang Zeitlmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 17789 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17790 C Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17791 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17791 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMJ 17792 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – UMTS-Milliarden für die Einführung einer kommunalen Investitionspauschale des Bundes – Änderung des Zerlegungsmaßstabs des Gewerbesteuermessbetrags – Erhöhung der Gewerbesteuerumlage rück- gängig machen (Tagesordnungspunkt 28 a bis c) . . . . . . . . . . 17793 A Dr. Mathias Schubert SPD . . . . . . . . . . . . . . . 17793 A Gunter Weißgerber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 17793 C Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 17794 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17798 B Gerhard Schüßler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 17799 A Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17799 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117786 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17787 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 29.06.2001* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 29.06.2001** Bindig, Rudolf SPD 29.06.2001* Dr. Blank, CDU/CSU 29.06.2001** Joseph-Theodor Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 29.06.2001 Bodewig, Kurt SPD 29.06.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 29.06.2001 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 29.06.2001 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 29.06.2001* Bulmahn, Edelgard SPD 29.06.2001 Burchardt, Ursula SPD 29.06.2001 Caesar, Cajus CDU/CSU 29.06.2001 Catenhusen, SPD 29.06.2001 Wolf-Michael Dörflinger, Thomas CDU/CSU 29.06.2001 Freitag, Dagmar SPD 29.06.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 29.06.2001 Peter Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 29.06.2001 Glos, Michael CDU/CSU 29.06.2001 Griefahn, Monika SPD 29.06.2001 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 29.06.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 29.06.2001 DIE GRÜNEN Hirche, Walter F.D.P. 29.06.2001 Hoffmann (Chemnitz), SPD 29.06.2001 Jelena Dr. Hornhues, CDU/CSU 29.06.2001* Karl-Heinz Jäger, Renate SPD 29.06.2001* Janssen, Jann-Peter SPD 29.06.2001 Kasparick, Ulrich SPD 29.06.2001 Klappert, Marianne SPD 29.06.2001 Knoche, Monika BÜNDNIS 90/ 29.06.2001 DIE GRÜNEN Kolbow, Walter SPD 29.06.2001 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 29.06.2001 Lintner, Eduard CDU/CSU 29.06.2001* Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 29.06.2001 Klaus W. Lörcher, Christa SPD 29.06.2001* Lüth, Heidemarie PDS 29.06.2001 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 29.06.2001* Erich Mertens, Angelika SPD 29.06.2001 Michels, Meinolf CDU/CSU 29.06.2001* Müntefering, Franz SPD 29.06.2001 Neumann (Gotha), SPD 29.06.2001* Gerhard Ostrowski, Christine PDS 29.06.2001 Otto (Frankfurt), F.D.P. 29.06.2001 Hans-Joachim Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 29.06.2001 Rachel, Thomas CDU/CSU 29.06.2001 Rauber, Helmut CDU/CSU 29.06.2001 von Renesse, Margot SPD 29.06.2001 Schaich-Walch, Gudrun SPD 29.06.2001 Scharping, Rudolf SPD 29.06.2001 Scherhag, Karl-Heinz CDU/CSU 29.06.2001 Schindler, Norbert CDU/CSU 29.06.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 29.06.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 29.06.2001* Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 29.06.2001* Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 29.06.2001 Schulte (Hameln), SPD 29.06.2001 Brigitte Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 29.06.2001 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 29.06.2001 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 29.06.2001 Wilhelm (Mainz), CDU/CSU 29.06.2001 Hans-Otto Wolf, Aribert CDU/CSU 29.06.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 29.06.2001 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 29.06.2001* Dr. Zöpel, Christoph SPD 29.06.2001 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Heidemarie Ehlert (PDS) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Änderung des Grund- gesetzes (Art. 108) (Drucksachen 14/6144 und 14/6470) Unter der Überschrift Modernisierung der Verwaltung wird ohne Not der bundeseinheitliche Aufbau der Bun- des- und Landesfinanzbehörden aufgegeben und der Weg frei gemacht für eine Verwaltung je nach Kassenlage. Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen soll die Vertei- lung der Steuerverwaltungshoheit zwischen Bund und Ländern insofern geändert werden, als der bisherige drei- stufige Aufbau der Bundes- und Landesbehörden in einen zweistufigen umgewandelt werden kann. Die Oberfi- nanzdirektionen als Mittelbehörden zwischen Bund und Land, die sowohl „Aufsichtsbehörde“ des Bundes wie auch Dienstleister für die Finanzämter sind – unter ande- rem zuständig für die strittigen Fällen –, sollen künftig wegfallen können. Art. 108 des Grundgesetzes regelt aber nicht nur die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Steuerverwaltung, sondern sichert auch eine gleichmäßige Erhebung der wichtigen öffentlichen Abgaben im Bundesgebiet. Diese gleichmäßige Erhebung der öffentlichen Abgaben ist je- doch nur dann gesichert, wenn die Steuerverwaltung nach gleichen Weisungen handelt. Darüber hinaus übt die Mit- telbehörde auch eine Dienstleistungsfunktion für die Fi- nanzämter aus. Der Bund darf sich von dieser Aufgabe, die im ganzen Bundesgebiet gleichmäßig durchzuführen ist, nicht ausklinken. Das komplexe Steuerrecht, die Vielfalt der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die wachsende Menge der Ar- beitsfälle belasten die Besteuerungspraxis auf der Ebene in einem immer unverträglicheren Ausmaß. Die Folgen sind bekannt: Steuerrechtspflege, das heißt die sorgfältige Subsumtion der steuererheblichen Sachverhalte unter die Steuernorm findet de facto nicht mehr statt: Im Zuge der sich immer weiter zuspitzenden Bedin- gungen können die Oberfinanzdirektionen einen Beitrag leisten, diesen Missstand zu überwinden. Sie können den Finanzämtern zur Seite stehen und praktische Hilfe bei der Rechtsanwendung anbieten. Die Oberfinanzdirektio- nen als Servicezentren können damit Ausdruck eines pro- fessionellen und in die Zukunft weisenden Verwal- tungsmanagements sein. Bei den immer wieder festgestellten Größenordnungen beim Umsatzsteuerbetrug, bei der geringen Zahl der Be- triebsprüfungen und fehlenden Steuerfahndern ist über eine innere Neuorganisation der Finanzämter generell nachzudenken. So aber wird letztendlich nur den armen Ländern das Angebot gemacht: Wenn sie kein Geld mehr haben, können sie auf die Mittelinstanz verzichten. Eine höhere Effizienz der Arbeit der Finanzbehörden ist damit nicht von vornherein gegeben. Fakultativ auf die Mittelbehörde Oberfinanzdirektion zu verzichten würde bedeuten, die Einheit der Finanzver- waltung und einen einheitlichen Gesetzesvollzug zu ge- fährden. Deshalb werde ich dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 108) nicht zustimmen, sondern die- ses Gesetz ablehnen. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Schutzes gefährdeter Zeugen (Tagesordnungspunkt 25) Hans-Peter Kemper (SPD): Der hier vorliegende Gesetzentwurf geht zurück auf einen ursprünglichen Ent- wurf des Bundesrates, den eine Bund-Länder-Arbeits- gruppe seit dem Frühjahr 1999 überarbeitet hat. Wir begrüßen ausdrücklich den hier vorliegenden Ent- wurf; denn er stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den bisher schon getroffenen Maßnahmen zur besseren Krimi- nalitätsbekämpfung, speziell zur besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität, dar. Das hohe Maß an Zu- stimmung bei den anderen Fraktionen ist sehr erfreulich. In den vergangenen Jahren ist die Kriminalität ins- gesamt bundesweit stetig zurückgegangen, die Aufklä- rungsquoten sind angestiegen, sodass sich insgesamt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung deutlich gebessert hat. Selbst die Kinder- und Jugendkriminalität lässt eine – wenn auch sehr vorsichtige – Tendenz zum Besseren erkennen. Durch den hier jetzt vorliegenden Gesetzentwurf ergänzen wir das Bündel von Maßnahmen zur besseren Bekämpfung der organisierten Kriminalität, das in der Vergangenheit auf den Weg gebracht worden ist, als da sind: die Verschärfung der Geldwäsche, bessere Korrup- tionsbekämpfung, die leichtere Einziehung des Vermö- gens, der so genannte große Lauschangriff und andere Maßnahmen mehr. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117788 (C) (D) (A) (B) Der verbesserte Zeugenschutz trägt der Tatsache Rech- nung, dass es gerade im Bereich der organisierten Krimi- nalität immer schwieriger wird, Taten aufzuklären, Täter zu überführen bzw. der Bestrafung zuzuführen. Durch ein hohes Maß an Professionalität in der organi- sierten Kriminalität gibt es kaum Sachbeweise. Außerdem gehört es zu den Praktiken des organisierten Verbrechens, massiven Druck auf Zeugen, auf ehemalige Täter, aber auch auf deren Familien auszuüben Wer dicht hält, ge- nießt den Schutz der OK-Familie. Sie sorgt für Rechts- schutz, sie sorgt für die Angehörigen eines Verhafteten. Wer auspackt, hat mit übelsten Nachstellungen und Re- pressalien bis hin zu Körperverletzung und Mord für sich und seine Angehörigen zu rechnen. Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien stellen damit zum einen ihre Sachkompetenz im Bereich der inneren Sicherheit unter Beweis; zum anderen machen sie auch deutlich, dass sie nicht gewillt sind, vor der organisierten Kriminalität zurückzuweichen. Der vor- liegende Entwurf ist geeignet, die bisher bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und den Zeugenschutz auf eine bundesweite, tragfähige gesetzliche Grundlage zu stellen. Nun ist es nicht so, dass der Schutz solcher Zeugen in der Vergangenheit nicht möglich gewesen wäre. Er erfolg- te allerdings allein auf der Grundlage der polizei- rechtlichen Generalklauseln oder der strafrechtlichen Grundsätze des Notstandes. Es ist natürlich im Interesse des Staates, dass Personen, die zu schwerwiegenden Straftaten wichtige Aussagen machen können, vor Repressalien geschützt werden, aber auch, dass sie psychisch stabilisiert werden und in ihrer Aussagebereitschaft nicht negativ beeinflusst werden. Hier kommen in Betracht: Verhaltensberatung, psycholo- gische Betreuung, in Notsituationen vorübergehende Sicherung des Lebensunterhalts, Hilfe bei der Arbeits- platzsuche, bei der Kinderbetreuung, Schutz, Observation und Beschaffung von Tarndokumenten, also auch die Ausstattung mit einer neuen Legende, einem neuen Wohnort oder einem neuen Arbeitsplatz. Die Grundlagen für diese Maßnahmen werden in diesem Gesetzentwurf geschaffen. Das Gesetz legt fest, wer in welchen Fällen in ein Zeugenschutzprogramm ein- treten kann und welche Schutzmechanismen wirken. Natürlich bedarf es hier auch eines besonderen Ver- trauensverhältnisses zwischen den Zeugenschutzdienst- stellen und den Zeugen. Die Zeugen müssen darauf ver- trauen können, dass ihre Daten, dass ihre Identität nicht bewusst oder unbewusst an Dritte weitergegeben werden und sie somit sich selbst oder ihre Familie gefährden. Das Zeugenschutzprogramm hat eine schützende, eine sichernde Funktion, ohne dass hierbei andere Maßnah- men ausgeschlossen würden. Fällt eine Person aus dem Zeugenschutzprogramm, aus welchen Gründen auch immer, heraus, so ist sie nicht schutzlos gestellt, sondern es greifen die allgemeinen Schutzklauseln der Länder, die Generalklausel der Gefahrenabwehr, die dann die Polizeibehörden ver- pflichtet, den Schutz von Leib und Leben dieser Person zu gewährleisten. Diese Schutzmaßnahme erfolgt allerdings unter anderen Aspekten als nach dem Zeugenschutzpro- gramm. Ich weiß natürlich, dass der eine oder andere noch größere Hoffnungen mit diesem Zeugenschutzprogramm verbunden hat, zum Beispiel hinsichtlich des Bleiberechts als Dank für eine mutige Aussage in einem Gerichtsver- fahren. Diese Erwartungen konnten nicht erfüllt werden. Dieses Gesetz durfte und sollte nicht überfrachtet werden mit Bleiberechtsfragen. Das Gesetz über die Harmoni- sierung des Zeugenschutzes kann und soll dieses nicht leisten. Es geht hier darum, durch die Sicherung, durch die Unterstützung, durch den Schutz von Zeugen skrupel- losen Kriminellen das Handwerk zu legen und sie einer gerechten Bestrafung zuzuführen. Lassen Sie mich ergänzend noch Folgendes sagen: Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird der Schutz von Personen, die sich durch Weitergabe ihres Wissens einer Gefahr für Leib und Leben aussetzen, für einen außerordentlich wichtigen Bereich unserer Rechtsord- nung geregelt. Allerdings handelt es sich um einen Teil- bereich. Neben dem Zeugenschutzharmonisierungsgesetz bleiben andere Rechtsgrundlagen, auf die Schutzmaßnah- men gestützt werden können, bestehen, zum Beispiel das allgemeine Gefahrenabwehrrecht, auf das der Ände- rungsantrag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich ver- weist. Des Weiteren erwähnt die Bundesregierung in der Be- gründung zu § 1 Abs. 1 ZSHG Betreuungs- und Schutz- programme außerhalb des ZSHG, die für spezielle Perso- nengruppen bestehen. Besonders genannt werden dabei die ausländischen Opfer von Menschenhandel. Zu ergänzen wäre noch, dass auch die Nachrichten- dienste gelegentlich gezwungen sind, ihre deutschen und ausländischen Informanten vor Enttarnung und Verfol- gung zu schützen. Ich denke, wir sind uns einig, dass solche Maßnahmen möglich bleiben müssen. Die Nachrichtendienste können dabei auf § 8 des Bundesver- fassungsschutzgesetzes zurückgreifen, der sie ermächtigt, Methoden, Gegenstände und Instrumente der heimlichen Informationsbeschaffung, darunter Tarnpapiere, anzu- wenden. Wichtig ist mir deshalb die Klarstellung, dass das Zeu- genschutzharmonisierungsgesetz keine abschließende Regelung enthält. Wolfgang Zeitlmann (CSU/CSU): Fast wäre man ge- neigt, zu sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Doch es ist leider nicht ganz so gut, vor allem hat es viel zu lange gedauert, bis der Entwurf des Gesetzes zur Rege- lung des Schutzes gefährdeter Zeugen endlich in den Ge- schäftsgang des Deutschen Bundestags gekommen ist. Der Entwurf des Bundesrats stammt aus dem Jahr 1999, mit entsprechend langer Vorlaufzeit schon im Bundesrat. Am 23. März 1999 hat der Gesetzentwurf des Bundesra- tes dann die Drucksachennummer 638 des Deutschen Bundestags erhalten. Erst heute, am 29. Juni 2001, wird dieser Entwurf abschließend hier beraten. Bis vor 14 Ta- gen – über zwei Jahre – hat sich die Bundesregierung Zeit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17789 (C) (D) (A) (B) gelassen, um ihre Stellungnahme abzugeben. Diese Stel- lungnahme ist nun ein eigener Gesetzentwurf der Bun- desregierung, den der Bundesinnenminister am 14. Juni 2001 vorgestellt hat. Das Ziel ist gut und richtig. Auch dem Gesetzentwurf kann man zustimmen; denn er hilft, Kriminalität, insbe- sondere organisierter Kriminalität, wirksamer zu begeg- nen. Völlig unverständlich ist allerdings, warum es so lange Zeit brauchte, bis dieser Entwurf vorgelegt wurde. Und wir lassen es der Bundesregierung nicht durchgehen, sich auf diesem Gesetzentwurf auszuruhen. Denn eines muss man leider feststellen: Seit Rot-Grün die Regierungsverantwortung in Deutschland übernom- men hat, herrscht auf dem Gebiet der inneren Sicherheit im Großen und Ganzen Gesetzgebungsstillstand. Welche Gesetzesinitiativen hat die Bundesregierung zur Stärkung der inneren Sicherheit, zur Verbrechensbekämpfung oder zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf den Weg gebracht? Noch entscheidender ist die Frage: Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den jetzt mehr als zweieinhalb Jahren Regierungsverantwortung umge- setzt? Es herrscht Sendepause. Ihre Untätigkeit begründet die Bundesregierung im Wesentlichen damit, dass die jetzt bestehenden gesetzli- chen Maßnahmen eigentlich ausreichend sind, um Ver- brechen wirksam zu bekämpfen. Damit bestätigt sie, dass die unionsgeführte Vorgängerregierung hervorragende Arbeit geleistet hat. Hier sind das Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität aus dem Jahre 1992, das Verbrechensbekämpfungsgesetz aus dem Jahr 1994, das neue Bundesgrenzschutzgesetz aus dem Jahr 1994 und die große Strafrechtsreform aus dem Jahre 1996 mit einer Neuformulierung der Sexualstraftaten und einer Erleich- terung der Möglichkeit, einen Täter in die Sicherungsver- wahrung zu bringen, zu nennen. 1997 wurde das Antikor- ruptionsgesetz beschlossen, 1998 ein weiteres Gesetz gegen die organisierte Kriminalität. Positiv ist zu bemerken, dass die Kriminalitätsrate seit- dem nicht mehr steigt, sondern eher rückläufig ist. Das ist aber nicht das Verdienst der rot-grünen Bundesregierung, das ist das Verdienst der Vorgängerregierung. Angesichts 6 264 723 Straftaten im Jahr 2000 besteht keinerlei Anlass sich zurückzulehnen. 6 264 723 Straftaten in Deutschland bedeutet alle fünf Sekunden eine Straftat, zwölf in jeder Minute. Bei einer Aufklärungsquote von bundesweit rund 53 Prozent – in Bayern dagegen 65 Prozent – muss die SPD-geführte Bundesregierung zugeben: Die Zahlen be- wegen sich auf einem erschreckend hohen Niveau, im Be- reich der Wirtschaftskriminalität ist die Entwicklung be- sorgniserregend. Die Bundesregierung aber tut nichts. Das gilt gerade auch für den Bereich der organisierten Kriminalität. Der im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität ermittelte Schaden betrug im Jahr 1999 1,42 Milliarden DM. Schwerpunkt der organisierten Kriminalität sind nach wie vor Rauschgifthandel und -schmuggel sowie Wirtschaftskriminalität. Um der orga- nisierten Kriminalität wirkungsvoll beizukommen, ist eine verbesserte internationale Zusammenarbeit, die Er- weiterung von Telefonüberwachungsmöglichkeiten und eine Ergänzung der Kronzeugenregelung notwendig. Bei der Bundesregierung wie auch bei der rot-grünen Regierungskoalition, die offensichtlich zu keinerlei eige- nen Initiativen in der Lage ist, herrscht allerdings Funk- stille. Deswegen muss die Opposition, deswegen muss die CDU/CSU-Fraktion leider erneut Regierungsarbeit ma- chen. Wir werden einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der organisierten Krimi- nalität und des Terrorismus in den Deutschen Bundestag einbringen. Wir werden auch weiter die Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung und zur Bekämpfung der Krimi- nalität forcieren. Die Union ist der Motor und damit auch Garant für die innere Sicherheit in Deutschland. Wir wer- den die Bundesregierung immer wieder mit ihrem Nichts- tun konfrontieren. Schließlich ist die Liste lang und ich könnte die Aufzählung noch beliebig fortsetzen. Abschließend möchte ich feststellen: Die Bundesre- gierung darf sich nicht untätig zurücklehnen. Sie muss dafür Sorge tragen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sicher fühlen können. CDU und CSU wer- den die Bundesregierung immer wieder mahnen und dazu antreiben. Wir betrachten den Gesetzentwurf, der heute vorliegt, als einen ersten Schritt, dem noch weitere folgen müssen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit dem Zeugenschutzgesetz wird der Schutz von Zeugen nicht neu eingeführt. Es beruht auf der ständigen Praxis der Länder. Es regelt den Schutz aussagebereiter Zeugen einheitlich für das Bundesgebiet. Das bedeutet keineswegs, dass nicht aussagebereite, aber gefährdete Zeugen schutzlos sind. Für sie gelten nach wie vor die all- gemeinen Gefahrenabwehrregeln, nach denen die Polizei verpflichtet ist, Zeugen und Zeuginnen gegen Gefahren für Leib, Leben, Gesundheit und Selbstbestimmung wirk- sam zu schützen. Das noch mal ausdrücklich festzustellen ist mir wichtig. Um darüber keine Zweifel aufkommen zu lassen, ha- ben wir diese Verpflichtung zu ausreichenden Schutz- maßnahmen für Zeugen in § 1 Abs. 4 extra noch einmal ins Gesetz geschrieben. Dies ist auf ausdrücklichen Wunsch von uns Bündnisgrünen geschehen, damit bei ei- nem Zeugen, der zunächst aussagebereit war und unter besonderen Zeugenschutz gestellt wurde, nicht der un- richtige Eindruck erweckt werden kann, wenn er sich dazu entschließt – aus welchen Gründen auch immer –, nicht mehr auszusagen, er sei nun schutzlos, obwohl er oder seine Familie weiter in Gefahr sind. So kann einem Missbrauch des Zeugenschutzgesetzes vorgebeugt wer- den. Wie es jetzt formuliert ist, können wir dem Gesetz zu- stimmen. Nach langen Vorarbeiten wird der Schutz von Zeuginnen und Zeugen in Strafverfahren und, was auch wichtig ist, auch von deren Familien umfassend bundes- einheitlich gewährleistet. Gleichzeitig wurden aber nicht die legitimen Verteidi- gungsrechte von Beschuldigten aus den Augen verloren, um das Grundrecht auf ein faires Verfahren zu garantie- ren. Deshalb wird in der Gesetzesbegründung anerkannt, dass der Zeugenschutz nicht nur das Verhältnis von Zeu- gen und den Schutzbehörden, in aller Regel der Polizei, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117790 (C) (D) (A) (B) betrifft, sondern dass von Zeugenschutzmaßnahmen auch Dritte betroffen sein können. Dabei ist nicht nur an Dritte zu denken, die durch Zeugenschutzmaßnahmen an der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, wie Unterhalts- oder Schadensersatzansprüchen, gehindert werden kön- nen, sondern auch an Beschuldigte in Strafverfahren, für die und für deren Verteidigung im Strafverfahren Zeugen- schutzmaßnahmen eine Belastung und Behinderung sein können. Dem Beschuldigten soll es möglich sein, die Schutzmaßnahmen für den Zeugen gerichtlich überprüfen zu lassen, soweit dadurch seine Verteidigungsrechte be- troffen sind. Die Zeugenschutzstelle muss dafür sorgen, dass der Zeuge für Dritte und auch für gerichtliche Zustellungen erreichbar bleibt. Das ist in der Praxis in der Vergangen- heit nicht immer der Fall gewesen. Familien konnten Un- terhaltsansprüche oft nicht durchsetzen, weil sie keine Zustellungsanschrift der Zeugen bekamen. Die Grenze der Erreichbarkeit des Zeugen ist nur da zu ziehen, wo die Gefährdung des Zeugen erhöht oder die Wirksamkeit der Zeugenschutzmaßnahmen vereitelt würden. Wichtig ist auch, dass die Akten, die Auskunft über Zeugenschutzmaßnahmen geben, auch der Staatsanwalt- schaft zugänglich zu machen sind. Noch wichtiger ist, dass im Strafprozess die Beamten des Zeugenschutzes und der Staatsanwaltschaft zu den Zeugenschutzmaßnah- men vernommen werden können. Damit können Gericht und Prozessbeteiligte grundsätzlich Kenntnis über die Zeugenschutzmaßnahmen, etwa über die Höhe von Zah- lungen, über Wohnungsgewährung und Arbeitsplatzver- schaffung für den Zeugen, erhalten. In der Vergangenheit war solche Erkenntnismöglichkeit nicht immer garantiert. Die Kenntnis solcher Umstände kann für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen aber durchaus von Be- deutung sein. Selbstverständlich soll der Zeuge auch in Zukunft seine Aussagen vor Gericht weiter persönlich machen und seine Aussage nicht etwa durch die eines Ver- nehmungsbeamten vertreten lassen können. Auch bleibt der Zeuge selbst grundsätzlich zur Auskunft über den ge- währten Zeugenschutz verpflichtet. Die Grenzen für die Aussagepflicht der beamteten Zeu- gen und des Zeugen selbst werden durch die Aussagege- nehmigung gezogen und sind da gerechtfertigt, wo mit der Bekanntgabe von Einzelheiten des Zeugenschutzes dieser unterlaufen und der Zeuge zusätzlich gefährdet würde. Zuwendungen an den Zeugen können nur dann zurück- gefordert werden, wenn der Zeuge wissentlich falsch aus- gesagt hat, etwa um finanzielle Zuwendungen oder mehr finanzielle Zuwendungen zu erhalten, wenn also ein Zeuge vorgibt etwas zu wissen, was gar nicht zutrifft, und dadurch materielle Vorteile erlangt. Zeugenschutzmaßnahmen können nicht nur zur Si- cherung des staatlichen Strafverfolgungsinteresses not- wendig sein, sondern der Staat hat nach dem Grundgesetz die Pflicht, allen konkret gefährdeten Bürgern den not- wendigen Schutz zu gewähren. Dies weiter und bundes- einheitlich zu sichern, dazu soll das Zeugenschutzgesetz dienen. Dr. Max Stadler (F.D.P.): Zu den deprimierenden Er- fahrungen, die ein Strafrechtspraktiker als Staatsanwalt oder Richter machen kann, gehört die Aussage von Zeu- gen, sie würden sich nie wieder in einem Strafverfahren als Zeugen zur Verfügung stellen. Unabhängig davon, dass es eine öffentlich-rechtliche Zeugenpflicht gibt, muss dieser nicht so selten zu hörende Satz doch zu denken geben. Wie kann man außerhalb von Zwangsgeldern und Beu- gehaft die Bereitschaft von Zeugen fördern, im Interesse der Wahrheitsfindung vor den Strafverfolgungsbehörden auszusagen? Hierfür spielt zweifellos der Schutz gefähr- deter Zeugen eine entscheidende Rolle. Wenn der Staat auf der einen Seite eine Pflicht des Zeugen zur Aussage statuiert, hat er auf der anderen Seite eine Fürsorgepflicht für den Zeugen, der gerade wegen dieser Aussage an Leib und Leben gefährdet ist. Die F.P.D.-Fraktion begrüßt es daher, dass der Bundes- rat mit seinem Gesetzentwurf aus dem Jahre 1999 den Versuch unternommen hat, die Bestimmungen über den Zeugenschutz zu bündeln. Die Materie betrifft freilich in weiten Teilen Landesrecht. Der Förderalismus wird aber durch den Gesetzentwurf keinen Schaden nehmen, hat doch der Bundesrat selbst zu Recht festgestellt, dass Um- fang und Komplexität des Zeugenschutzes eine Bundes- regelung erforderlich machen. Der Ursprungsentwurf ist von einer Bund-Länder-Ar- beitsgruppe unter Einbeziehung polizeilicher Praktiker intensiv diskutiert worden. Dem nun vorgelegten Ergebnis dieser gründlichen Vorarbeit ist zuzustimmen. Der Gesetzentwurf beseitigt Rechtsunsicherheiten, die in der Praxis bestanden haben, und stellt somit einen wichtigen Baustein bei der Bekämpfung der Schwerkriminalität dar. Insgesamt stimmt die F.D.P.-Fraktion dem Gesetzent- wurf zu. Ulla Jelpke (PDS): Die Regelungen für den Schutz gefährdeter Zeugen sollen mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Das ist prinzipiell richtig. Die bisherige Handhabung, Zeugenschutz auf Grundlage polizeilicher Generalklau- seln oder auf der strafrechtlichen Grundlage des Not- stands zu handhaben, ist in der Tat verfassungsrechtlich problematisch. Es macht aber einen erheblichen Unter- schied, ob Zeugenschutzmaßnahmen zum Beispiel für Frauen aus Osteuropa angeordnet werden, die Opfer von Frauenhandel und Prostitution sind. Hier kommen immer wieder berechtigte Klagen, dass diese Frauen viel zu sel- ten Zeugenschutz erhalten. Viel zu oft werden sie nach ihrer Aussage einfach abgeschoben, weil sie keine oder abgelaufene Aufenthaltspapiere haben, und kommen so in die gleichen Strukturen zurück, von denen sie in die Prostitution gezwungen und nach Deutschland ver- schleppt wurden. Die Drahtzieher dieses kriminellen Ge- schäfts kommen so billig davon, den Frauen wird nicht geholfen. Ganz anders dagegen sieht dagegen die Situation aus, wenn zum Beispiel Neonazis, die wegen schwerer Gewalt- delikte gegen Flüchtlinge und Migrantinnen angeklagt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17791 (C) (D) (A) (B) sind, in den Zeugenschutz wollen. Wir wissen doch alle ganz genau, dass sich immer wieder solche Täter nur des- halb als Kronzeugen anbieten, um selbst billig davonzu- kommen. Sie erzählen im Vorfeld des Verfahrens alles, was Poli- zei und Staatsanwälte hören wollen, kommen in den Zeu- genschutz und können sich dann im Verfahren auf einmal nicht mehr genau erinnern. Oder nach dem Verfahren stellt sich heraus, dass diese dubiosen Zeugen mit falschen Aussagen operiert haben, um alle schwere Schuld auf ihre Mittäter abzuschieben. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zu dieser wich- tigen Frage, wer unter welchen Bedingungen Zeugen- schutz bekommt und wer nicht, gar keine Aussagen. In der ersten Fassung war die Gefahr, die damit ver- bunden ist, noch deutlicher erkennbar. Da sollte Zeugen- schutz für alle staatlichen V-Leute, bei praktisch jedem Bandendelikt, bei allen gewohnheitsmäßigen Straftaten, bei Verdacht auf geringfügige Rauschgiftdelikte ebenso wie bei Asylmissbrauch, selbst bei Beihilfe zu Fahnen- flucht und Ungehorsam in der Armee möglich werden. Das steht jetzt nicht mehr so in dem hier vorliegenden Ge- setzentwurf. Übrig geblieben ist aber das Problem. Übrig geblieben ist die Gefahr einer schrankenlosen Auswei- tung und gleichzeitig weiter willkürlichen Handhabung von Zeugenschutz. Art. 1 § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs erlaubt Zeugenschutz nämlich für jede Person, die „aufgrund ihrer Aussagebereitschaft einer Gefährdung von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder wesentlicher Vermö- genswerte ausgesetzt ist und sich für Zeugenschutzmaß- nahmen eignet.“ Damit ist der Ausweitung und Willkür beim Zeugenschutz Tür und Tor geöffnet. Wer Zeugenschutz braucht, aber nicht bekommt, wie die von mir bereits genannten Opfer von Frauenhandel, kann sich nach diesem Gesetz noch nicht einmal irgendwo beschweren. Auf der anderen Seite kann die Polizei künftig bei fast al- len Verdachtsfällen mit dem schwierigen Instrument Zeu- genschutz operieren und damit die wirkliche Aufklärung von Straftaten, die ja erst vor Gericht, im Strafprozess ge- schieht – möglicherweise sogar erschweren. Eine solche Regelung des Zeugenschutzes verfehlt ihren Zweck, ist rechtsstaatlich bedenklich und kein Bei- trag zum Schutz der Opfer von Kriminalität. Einem sol- chen Gesetz stimmen wir nicht zu. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Der Entwurf eines Gesetzes zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen schafft erstmals sichere Rechtsgrundlagen für wichtige Zeugen- schutzmaßnahmen wie die Ausstellung von Tarnpapieren und die Einrichtung von Datenübermittlungssperren. Er enthält darüber hinaus unter anderem Regelungen zur Er- reichbarkeit der zu schützenden Person im Rechtsverkehr sowie zum Zeugenschutz im Strafvollzug. Geschützt werden sollen Personen, die in einem Straf- verfahren aussagebereit und aussagewillig sind und auf- grund dieser Aussagefähigkeit gefährdet werden. Bisher erfolgt der Schutz solcher gefährdeten Zeugen vorwie- gend auf der Grundlage der polizeilichen Generalklau- seln. Teilweise wird auch die Regelung des strafrechtli- chen Notstandes herangezogen. Dieser Rechtszustand wurde in Praxis und Wissen- schaft bereits seit langem als unzureichend kritisiert: Po- lizeiliche Zeugenschützer mussten auf unsicherer Rechts- grundlage arbeiten; um Mitwirkung ersuchte Stellen waren unsicher in Bezug auf ihre Mitwirkungsrechte und -pflichten; zu schützende Personen wussten nicht, worauf sie sich einlassen. Dabei zeigt die polizeiliche Praxis, dass dringender Handlungsbedarf besteht: Gerade im Bereich der Schwer- kriminalität und der organisierten Kriminalität versuchen interessierte Kreise häufig, Zeugen durch Einschüchte- rung bis hin zu Gewalttätigkeiten von einer Aussage ab- zuhalten. Seit 1995 wurden durch die bei Bund und Län- dern bestehenden Zeugenschutzdienststellen im Jahres- durchschnitt circa 650 Fälle bearbeitet. Die weit über- wiegende Zahl hiervon entfällt auf Straftaten aus der or- ganisierten Kriminalität sowie aus sonstiger Drogenkri- minalität. Hier besseren Schutz zu gewährleisten ist herausra- gend wichtig. Erstens müssen wir als Staat Menschen schützen, die sich bereit erklären, zur Aufklärung von Straftaten beizutragen. Zweitens ist gerade in Krimina- litätsfeldern mit professionell vorgehenden Tätern der Zeugenbeweis das einzig aussichtsreiche Beweismittel. Damit sind solche Zeugen für die Durchsetzung des staat- lichen Strafanspruches unverzichtbar. Zeugenschutzmaßnahmen finden dabei in einem rechtsstaatlichen Spannungsverhältnis statt: Einerseits müssen die betroffenen Personen wirksam geschützt wer- den; andererseits darf das Recht eines Beschuldigten auf ein faires Verfahren selbstverständlich nicht verletzt wer- den. Der vorgelegte Entwurf wird dieser Problematik ge- recht: Dem Staat wird es – etwa durch die Regelungen zu Tarndokumenten und Datenübermittlungssperren – er- möglicht, seine Schutzfunktion wirksam auszuüben. An- dererseits wird beispielsweise ausdrücklich klargestellt, dass Zuwendungen an zu schützende Personen nur in dem Maße gewährt werden dürfen, wie dies für den Schutz- zweck unbedingt erforderlich ist. Beschuldigten- und Ver- teidigerrechte bleiben voll gewahrt. Während über die Notwendigkeit zu gesetzgeberi- schem Handeln seit langem Einigkeit besteht, blieb die konkrete Form eines Zeugenschutzgesetzes lange um- stritten. Der hierzu vorgelegte Bundesratsentwurf, der auf Initiative des Landes Rheinland-Pfalz zurückging, wurde von allen Beteiligten hinsichtlich seiner Zielsetzung be- grüßt, hinsichtlich der konkreten Umsetzung dieser Ziele aber auch deutlich kritisiert. Dies wurde von Innen- und Justizseite von Bund und Ländern übereinstimmend so gesehen. Den jetzt durch die Bundesregierung vorgelegten Ge- setzentwurf haben Experten im Rahmen einer Arbeits- gruppe erarbeitet, der neben Vertretern von BMI und BMJ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117792 (C) (D) (A) (B) auch Vertreter der Justiz- und Innenressorts aus Rheinland- Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, aber auch Sachsens, Baden-Württembergs und Bayerns angehörten. Die polizeiliche Praxis war eng einbezogen. Alle Beteilig- ten stehen hinter diesem Entwurf. Die Bundesregierung stimmt auch den vier klarstellenden Ergänzungen im Geset- zestext zu, die die Fraktionen der SPD und der Grünen durch den gemeinsamen Abänderungsantrag vorschlagen. Daher sollte aus Sicht der Bundesregierung der überarbeitete Ge- setzentwurf schnellstmöglich verabschiedet werden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts zu den Anträgen: – UMTS-Milliarden für die Einführung einer kom- munalen Investitionspauschale des Bundes – Änderung des Zerlegungsmaßstabs des Gewerbe- steuermessbetrags – Erhöhung der Gewerbesteuerumlage rückgängig machen (Tagesordnungspunkt 28a bis c) Dr. Mathias Schubert (SPD): Immer wieder wird ar- gumentiert, dass die Kommunalfinanzen in Ostdeutschland mit etwa 40 Prozent des Durchschnitts auf einem dramati- schen Tiefstand beharren, der Handlungsmöglichkeiten ein- schränkt und besonders Investitionen verhindert. Dieses Ar- gument ist selbstverständlich ernst zu nehmen. Um Abhilfe zu schaffen, schlägt die PDS vor, die Gewerbesteuer anders als bisher zu verteilen. Im Gesamtzusammenhang mit der Steuerreform muss ich denn doch einmal – vielleicht ein bisschen provokant – darauf hinweisen, dass diese Reform die Entlastung der Steuerzahler und nicht die Mehrung der öffentlichen Finanzen zum Ziel hat, und das im Zusammen- hang mit der Sanierung der öffentlichen Haushalte. Heute Morgen haben wir die Stabilitätskriterien im Maßstäbegesetz auch für die Länder und Kommunen be- schlossen. In diesem Rahmen und eingedenk der Tatsache, dass die pauschalierte Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer für Unternehmen eine für die Wirtschaft erhebliche Entlas- tung bedeutet, halte ich die zur Debatte stehenden Vor- schläge für ungeeignet. Zunächst sind die Kommunen schon längst an der Umsatzsteueraufteilung beteiligt. Zweitens erhalten die ostdeutschen Kommunen im Rah- men des Solidarpakts II eine Finanzierungsgarantie von jährlich 3,7 Milliarden DM bis 2019. Wann hat es je eine solche berechenbare langfristige Investitions- und Finan- zierungssicherheit gegeben? Zum Dritten: Der Gewerbesteuerrückfluss von Unter- nehmen in Ostdeutschland, die als so genannte verlängerte Werkbänke bezeichnet werden, ist nur ein Teil der Gesamt- finanzierung. Da die Finanzkraft der Kommunen im Län- derfinanzausgleich als Kriterium verankert ist, bekommen die Städte und Gemeinden weit mehr Geld zurück als jene durchschnittlichen 243 DM pro Einwohner, die die PDS in ihren Anträgen für Ostdeutschland angibt. Das nächste Problem: Ob mit einer Umstellung des Zerlegungsstatus von Einkommen auf die Beschäfti- gungszahl die Gewerbesteuer einen Beitrag zur Haus- haltssanierung der Kommunen in Ostdeutschland leisten kann, halte ich für fraglich. Das wäre nur zu vermuten, wenn die mit Recht beklagte hohe Arbeitslosigkeit we- sentlich niedriger wäre. In diesem Zusammenhang ist die politische Argumentation in beiden Anträgen nicht kon- sistent. Zuletzt will ich denn auch darauf hinweisen, dass nicht alle Unternehmen im Osten verlängerte Werkbänke sind. Viele Unternehmen haben ihre Töchter in Ostdeutschland so organisiert, dass sie vor Ort Gewerbesteuer zahlen, auch wenn ich nicht verkenne, dass sich der Trend aus steuerlichen Gründen zurzeit in die Gegenrichtung be- wegt. Doch das ist ein gesamtdeutsches und kein ostdeut- sches Thema. Langfristig – und nur so lassen sich strategische Ziele für die Entwicklung Ostdeutschlands definieren – werden der Länderfinanzausgleich und vor allem der Soli II die entscheidenden Elemente sein, um die Finanzkraft und Investitionskraft ostdeutscher Kommunen entscheidend zu stärken. Sollte darüber hinaus eine kommunale Fi- nanzreform in Angriff genommen werden, steht auch die Gewerbesteuer auf dem Prüfstand, dann aber ganz gewiss nicht als ostdeutsches Spezialproblem der Schlechterstel- lung. Gunter Weißgerber (SPD): Die PDS fordert die Bun- desregierung zur Prüfung eines Sachverhalts auf, der selbst der PDS bekannt sein dürfte. Kommunale Investi- tionspauschalen entsprechen nicht den verfassungsrecht- lichen Vorgaben. Allein die Länder sind für die Finanz- ausstattung ihrer Kommunen zuständig. Dies ist im Bundestag vorhandenes Grundwissen, auch bei der PDS. Somit ist klar: Wir sprechen über einen Schaufensteran- trag. Kommunale Investitionspauschalen sind verfas- sungsrechtlich nicht zulässig. Zum Schaufensterantrag passt die unverblümte Unaus- gewogenheit. In der Begründung des Antrags steht: „Die Kommunen waren Anfang 2000 bereits mit insgesamt 202 Milliarden DM verschuldet.“ Und was ist mit einer Angabe der Bundesschuld? Natürlich ist die Verschul- dung der Gemeinden besorgniserregend. Aber noch mehr Sorgen macht mir die Verschuldung des Bundes. Die Bun- desschuld beläuft sich auf rund 1,5 Billionen DM. Und hätten wir nicht die 100 UMTS-Milliarden zur Schulden- tilgung genutzt, dann beliefe sich der Schuldenstand des Bundes auf 1,6 Billionen DM. Betrachten wir doch einmal die Zinssteuerlastquoten aller deutschen Gebietskörperschaften! Bei den Gemein- den liegt sie bei 7 Prozent, bei den Ländern bei 11 Prozent und beim Bund bei 21 Prozent. Somit hat der Bund deut- lich erkennbar die mit Abstand schlechteste Haushalts- lage. – So viel zur Erörterung der verfassungsrechtlichen Kriterien und der Haushaltssituationen in Deutschland. Jetzt zur Verwendung der durch die UMTS-Versteige- rung erreichten Zinsersparnisse, Zinsersparnisse, die alle- samt den Kommunen zugute kommen werden. Wir haben Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17793 (C) (D) (A) (B) bekanntlich beschlossen, dass die 100 Milliarden DM Versteigerungserlöse in den Schuldenabbau gehen, was jährlich 5 Milliarden DM weniger an Zinszahlungen des Bundes bedeutet. Auf der Grundlage dieser eingesparten Zinszahlungsmittel haben wir ein Dreijahresprogramm in Höhe von 15 Milliarden DM beschlossen. Die Mittel die- ses Zukunftsinvestitionsprogramms gehen in den Straßenbau – 125 Ortsumgehungen –, den Schienenaus- bau, die Altbau-Energiesanierung, in die soziale Stadt so- wie in Bildung und Forschung. Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm helfen wir den Kommunen, ohne in Konflikt mit der Verfassung zu geraten. Es geht also auch ohne Ihren Schaufensterantrag. Im Übrigen: Die ständige Wiederholung einer verfas- sungsrechtlich nicht möglichen Forderung macht diese nicht verfassungsrechtlich konform, so wie die Bezeich- nung „Antifaschistischer Schutzwall“ aus einer Gefäng- nismauer kein Friedensbauwerk macht. Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Die Kolle- ginnen und Kollegen der PDS wollen sich mit ihren drei Anträgen zum „Anwalt der Kommunen“ machen. Damit wird es ihnen schwerlich gelingen, ihre Fehler aus der Vergangenheit zu verdecken. Sie werden dadurch nicht zu einem guten Anwalt. Sie wollen die kommunale Finanzausstattung in ein- zelnen Punkten verändern. Dies ist meines Erachtens völ- lig unzureichend. Wenn dieses Thema angefasst werden soll, dann richtig, dann muss es um eine Gemeinde- finanzreform insgesamt gehen. Ihre Anträge als punktu- elle Lösung würden den Druck in Richtung grundsätzli- che Lösung vermindern, schon deshalb kann ihnen nicht zugestimmt werden. Aber es gibt auch inhaltliche Punkte, auf die ich noch zu sprechen komme. Dennoch gibt der Tagesordnungspunkt Gelegenheit, den Blick auf ein wichtiges Thema zu lenken. Die kom- munale Finanzausstattung ist völlig unzureichend und wurde von der Regierungskoalition entgegen all ihren Versprechungen dramatisch verschlechtert. Ich verweise dazu nur auf unseren Antrag „Umsetzung des Verspre- chens der Bundesregierung zur Stärkung der Kommunal- finanzen“, Drucksache 14/6163, und die dazu erfolgte Diskussion vom 21. Juni 2001. Die kommunale Finanzausstattung ist nicht nur ein Thema für Bürgermeister und Kommunalpolitiker, sie geht uns alle an. Wenn den Kommunen die Finanzkraft fehlt, dann müssen sie bei den Ausgaben von für die Bür- gerinnen und Bürger wichtigen Einrichtungen kürzen. Sie müssen Schulen, Kindergärten, Kultureinrichtungen, Schwimmbäder und Ähnlichem Geld nehmen oder sie gar schließen. Sie ist aber auch ein wichtiges Thema für Handwerk und Handel. Wenn den Gemeinden Geld fehlt, dann kür- zen sie häufig bei Beschaffungen und insbesondere bei der Bauunterhaltung, weil dies nicht unmittelbar Folgen für die Bürgerinnen und Bürger hat. Jede nicht ausgege- bene Mark bedeutet aber auch weniger Aufträge für Han- del und Gewerbe. Jeder Auftrag weniger bedeutet weni- ger Arbeit und damit weniger Steuern und mehr Arbeitslosigkeit. Mehr Arbeitslosigkeit bedeutet mehr Sozialhilfe. So zeigt sich, in welchem schwierigen Teu- felskreis sich Städte, Gemeinden und Landkreise befin- den. Viele können ihre laufenden Ausgaben mit laufenden Einnahmen nicht decken. Besorgniserregend ist die Ent- wicklung der Kassenkredite in vielen großen Städten des Ruhrgebietes. Wie bedrohlich die Lage ist, kann man an einer Schlüs- selzahl ablesen. Das ist der Stand der Kassenkredite zum 31. Dezember 2000. Kassenkredit klingt sehr „technisch“, ist aber nichts anderes als der Ausdruck dafür, dass lau- fende Ausgaben mit Krediten finanziert wurden, was ei- gentlich nicht sein darf. Der Kassenkredit ist nur eine un- terjährige Liquiditätshilfe und muss am Jahresende, wenn alle Einnahmen und Ausgaben getätigt sind, auf Null ste- hen. Sie betrugen 14,1 Milliarden DM, dazu kommen noch 14,0 Milliarden DM innere Darlehen. Diese beiden Zahlen hätten am 31. Dezember 2000 null betragen müs- sen. 28,1 Milliarden DM sind rund 6,5 Prozent der lau- fenden Ausgaben aller Städte, Gemeinden und Landkreise für Personal, laufenden Sachaufwand, soziale Leistungen und Zinsen. In diesem Maße wurden diese Posten mit Krediten finanziert. Das ist so, als wenn sich ein privater Haushalt ohne Aussicht auf zusätzliche Einnahmen sein Butterbrot auf Kredit kauft oder wenn ein Handwerks- meister das Verbrauchsmaterial mit einem Kontokorrent- kredit finanziert und über die Rechnung nicht wieder he- reinbekommt. Eine am 20. Juni 2001 veröffentlichte Umfrage des Bundes der Steuerzahler in Nordrhein-Westfalen hat auf- gezeigt, dass im Jahre 2001 den Kommunen 3,64 Milliar- den DM in den Kassen fehlen. Damit ist das Defizit um 15 Prozent höher als im Vorjahr. An den Straßen und dem öffentlichen Zustand der Gebäude kann man die katastro- phale Lage ablesen. Täglich werden neue „Bauunterhal- tungshypotheken“ angehäuft, die in keinem Buch er- scheinen. Jeder Einfamilienhausbesitzer weiß, dass eine rechtzeitig unterlassene Reparatur am Ende wesentlich teurer wird. Auch wenn ich mir das Ergebnis der Gemeindekas- senstatistik anschaue, ist festzustellen, das keinesfalls von Entspannung die Rede sein kann. Der geringfügig posi- tive Finanzierungssaldo beruht ausschließlich auf der Tat- sache, dass wiederum Tafelsilber in großem Umfang ver- äußert wurde. Ohne den Verkauf von Vermögen wäre der Finanzierungssaldo wieder negativ gewesen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, beträgt das Finanzierungsdefizit der Kommunen im ersten Vierteljahr 2001 7,1 Milliarden DM. Die Gemeinden und Gemeinde- verbände haben in Deutschland ohne die Stadtstaaten nach vorläufigen Ergebnissen der Kassenstatistik im ers- ten Quartal 2001 67,0 Milliarden DM und damit 3,3 Pro- zent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum aus- gegeben. In den neuen Ländern nahmen die kommunalen Ausgaben um 0,8 Prozent auf 10,7 Milliarden DM ab, im früheren Bundesgebiet stiegen sie um 4,1 Prozent auf 56,2 Milliarden DM. Die kassenmäßigen Einnahmen der Gemeinden und Gemeindeverbände sind in den ersten drei Monaten des Jahres 2001 um 1,0 Prozent auf 59,9 Milliarden DM Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117794 (C) (D) (A) (B) zurückgegangen. Vor allem nahmen die Gemeinden we- niger an Steuermitteln ein, - 4,4 Prozent auf 16,8 Milliar- den DM, doch ist diese Entwicklung – wegen der starken Schwankungen im Zahlungsrhythmus, insbesonders bei der Gewerbesteuer – nicht repräsentativ für den Jahres- verlauf. In der Abgrenzung der Finanzstatistik errechnet sich für das erste Quartal 2001 ein kassenmäßiges Finanzie- rungsdefizit von 7,1 Millarden DM. Das ist – aufgrund der kurzfristigen Einnahmeschwankungen – deutlich mehr als im ersten Vierteljahr 2000, 4,3 Milliarden DM. Zu- gleich haben die Gemeinden und Gemeindeverbände in den ersten Monaten dieses Jahres 0,7 Milliarden DM mehr für die Tilgung von Schulden aufgewandt, als sie an neuen Krediten aufgenommen haben. Der Schuldenstand der Gemeinden und Gemeindever- bände wies am Ende des ersten Quartals 2001 infolge verstärkter Schuldentilgung und der Ausgliederung wei- terer Einrichtungen aus den Budgets einen Rückgang um 1,3 Prozent auf 161,6 Milliarden DM – Vorjahr: 163,8 Milliarden DM – auf. Bei den UMTS-Lizenzen findet eine schleichende Ver- mögensverschiebung von den Kommunen an den Bund statt. Der Bund kassiert und die Städte, Gemeinden und Landkreise zahlen. In Höhe von rund 14 Milliarden DM entfallen durch die Abschreibungen und Zinsen, die beim Unternehmen als Kosten zu Buche schlagen, Körper- schaftsteuer und Gewerbesteuer. Deshalb wären die Städte, Gemeinden und Landkreise an den Einnahmen zu beteiligen gewesen. Eine kommunal freundliche Regie- rung hätte dies getan. Die rot-grüne Koalition hat in der Koalitionsvereinba- rung zum Regierungsantritt 1998 angekündigt, die Fi- nanzkraft der Gemeinden stärken zu wollen. Wörtlich heißt es in Kapitel III Nr. 2 Punkt 3 der Koalitionsverein- barung: Die neue Bundesregierung tritt dafür ein, dass zukünftig Aufgabenverlagerungen im Verhältnis der staatlichen Ebenen – Bund einerseits, Länder und Gemeinden andererseits – im Rahmen des bundes- staatlichen Finanzausgleichs berücksichtigt werden (Konnexitätsprinzip). Wir wollen die Finanzkraft der Gemeinden stärken und das Gemeindefinanzsystem einer umfassenden Prüfung unterziehen. Das war richtig. Doch von einer Gemeindefinanzre- form war bisher noch keine Rede. Sie haben in dieser Richtung noch nichts unternommen. Das gilt auch für die Umsetzung des Konnexitätsprinzipes: Fehlanzeige! Im Gegenteil: Wie Sie diese Versprechen mit Füßen treten, will ich an zwei Beispielen deutlich machen. Da ist zum einen der Familienleistungsausgleich und zum ande- ren die Grundsicherung im Rahmen der Rentenreform. Wie es zum Familienleistungsausgleich gekommen ist, habe ich Ihnen ausführlich in der ersten Lesung geschil- dert. Der Gesamtaufwand für das Kindergeld stieg von 43,3 Milliarden DM im Jahr 1996 auf 57,6 Milliarden DM im Jahr 1999. Für das Jahr 2000 liegen leider noch keine endgültigen Daten vor. Der den Ländern als Ausgleich gewährte Anteil von 5.5 Punkten Mehrwertsteuer entwi- ckelte sich von 13 Milliarden im Jahre 1996 auf 13,8 Mil- liarden DM im Jahr 1999. Selbst wenn man unterstellt, dass die systembedingten Lasten der Kommunen unter Einschluss der Wirkung des kommunalen Finanzausglei- ches im Jahr 1996 von den Ländern voll ausgeglichen worden sind – was leider nicht passiert ist –, dann haben die damals geschaffenen Systeme in den Folgejahren nicht ausgereicht, um die systembedingte Belastung der Städte, Gemeinden und Landkreise auszugleichen. In den Jahren 1997 bis 1999 entwickelt sich das Defizit über 1,4 Milliarden DM auf 2,7 Milliarden DM. In den Jahren 1997 bis 1999 haben die Kommunen allein 5,5 Milliar- den DM des Kindergeldes getragen, obwohl sie zu 100 Pro- zent entlastet werden sollten. Am Mittwoch konnten wir im Finanzausschuss hören, dass sich das Drama fortsetzen wird. Im Bundestag wird über das Zweite Familienförderungsgesetz beraten, das eine Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM pro Monat bringt. Abgesehen von der Unausgewogenheit, dass ge- rade die, die es am nötigsten haben – Familien mit mehr als zwei Kindern – nicht berücksichtigt werden, zahlen wieder einmal die Kommunen die Zeche. Der Gesetzent- wurf sieht eine Finanzierung in Höhe der Steuerquoten vor. Das heißt, der Bund zahlt lediglich 42,5 Pfennig von jeder Mark Erhöhung, während die Länder 34 Pfennig be- zahlen, und die Kommunen finanzieren zusammen über den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und den kommunalen Finanzausgleich 23,5 Pfennig. Die Kommu- nen in Deutschland werden unter Einschluss des kommu- nalen Finanzausgleichs mit 1,1 Milliarden DM belastet. Das bedeutet beispielsweise für die niedersächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden eine Belastung von 101 Millionen DM oder 14 DM pro Einwohner. So hat denn auch der Bundesrat, BR 393/01-Beschluss, einen Ausgleich von 2 Milliarden DM für dieses Gesetz gefordert und gleichzeitig deutlich gemacht, dass für die vergangenen Kindergelderhöhungen im Verhältnis Bund/Länder noch 18 Milliarden DM offen sind. In die- sem Maße hat in den Jahren 1997 bis 2001 die rot-grüne Koalition grundgesetzwidrig Kindergeldlasten auf die Länder und Kommunen verschoben. Wenn diese An- sprüche geltend gemacht würden, würde beispielsweise das Land Niedersachsen rund 2 Milliarden DM vom Bund bekommen und könnte daraus alle kommunalen Finanz- ansprüche finanzieren und die Kürzungen im kommuna- len Finanzausgleich rückgängig machen. Sie wollen nun den Ländern zur Abgeltung ihrer Ansprüche 0,6 Punkte Umsatzsteuer überlassen. Das sind 1,6 Milliarden DM. Die Länder hatten in ihrer Stellung- nahme bei dem Gesetzentwurf noch 0,75 Prozent oder 2 Milliarden DM gefordert. Auch wenn an dieser Stelle für die jetzt entstehende Erhöhung der Ausgleich im Wege der Nachbesserung gewährt wird, bleibt die Rechnung für die 1996 bis 2001 mit 18 Milliarden DM offen. Dabei ent- fällt der Löwenanteil auf die von Ihnen vorgenommene Kindergelderhöhung. Dies widerspricht dem Grundgesetz. 1996 hatten die SPD-geführten Länder gegen den Willen der CDU einen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17795 (C) (D) (A) (B) Sonderlastenausgleich im Grundgesetz verankert, der den Länderanteil auf 26 Prozent begrenzen sollte. Da der Bund bis dahin das Kindergeld als Sozialleistung allein fi- nanziert hatte, sollten die Kommunen indirekt völlig von Belastungen freigestellt und die Länder in ihrer Finanzie- rung so gestellt werden, dass sie durch erhöhte Umsatz- steueranteile ebenfalls keine finanzielle Belastung hatten. Die Bundesregierung lehnt es ab, aufgrund dieser Si- tuation tätig zu werden. Sie ist der Auffassung, dass das eine Frage der allgemeinen Deckungsquotenberechnung sei und kein Handlungsbedarf gegeben sei. Wer soll bei diesen Lastenverschiebungen und bei diesem plötzlichen Meinungsumschwung der Beteiligten, die noch als Mi- nisterpräsidenten an einer völlig anderen Front gekämpft haben, darauf vertrauen, dass der Bund einen fairen Las- tenausgleich vornimmt, von einer Verwirklichung des versprochenen Konnexitätsprinzipes ganz zu schweigen. Die Koalition hat bei Regierungsantritt versprochen, dass nicht alles anders, aber vieles besser werden sollte. Darauf hatten die Kommunen große Hoffnungen gesetzt, zumal in der Koalitionsvereinbarung vollmundige Ver- sprechungen gemacht worden sind. Konnexität heißt nichts anderes als: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen, und zwar direkt und unmittelbar. Sie machen große Versprechungen auf Kosten anderer. Sie lassen sich für eine Haushaltssanierung feiern und schieben die Las- ten den Kommunen zu. Als nächstes steht ein Verschiebe- bahnhof bei der Grundsicherung im Alter und bei Er- werbsminderung an. Auch dies hatte ich Ihnen ausführlich in der ersten Lesung dargelegt. Wer – und darüber sind wir uns quer durch das Haus ei- nig – aus Gründen der verbesserten Bekämpfung der Ar- beitslosigkeit die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe zu- sammenlegen will, der braucht dafür das Vertrauen der Kommunen. Schließlich geht es um ein Finanzvolumen von 50 Milliarden DM. Entsprechende Risiken können die Kommunen nicht übernehmen. Wer aber den Grund- satz der Konnexität dermaßen mit Füßen tritt, wie die Ko- alition, der braucht sich nicht zu wundern, wenn das not- wendige Vertrauen nicht entsteht und eine wichtige Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf der Strecke bleibt. Nun zur Gewerbesteuerumlage: Die Gewerbesteuer- umlage wurde 1969 im Rahmen der Gemeindefinanz- reform als Ausgleich für die Beteiligung der Kommunen an der Einkommensteuer eingeführt. Richtig ist, dass in den Folgejahren die jeweiligen Bundesregierungen häufig die Gewerbesteuerumlage als direktes Ausgleichsinstru- ment zwischen Bund und Ländern einerseits und den Städten und Gemeinden andererseits gebraucht haben. Es hat dazu geführt, dass die Gewerbesteuer für die Kom- munen an Bedeutung verloren hat. Ob dies richtig war oder nicht, darüber kann man streiten. Jedenfalls ist es einvernehmliche Praxis in Deutschland gewesen und des- halb müssen alle daran festhalten lassen. Mit dem jetzigen Umfang der Abschöpfung gemeind- licher Einnahmen durch die Gewerbesteuerumlage ist die- ses Instrument unter systematischen Gesichtspunkten zu kritisieren. Durch den wachsenden Anteil der Gewerbe- steuerumlage am Bruttoaufkommen der Gewerbesteuer wird auf kommunaler Ebene nicht nur der Interessenzu- sammenhang zwischen Wirtschaft und Standortgemein- den, sondern auch der Charakter der Gewerbesteuer als Gemeindesteuer geschwächt. Entgegen der Behauptung des Bundes, es gebe keine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen, nutzt er die Gewerbe- steuerumlage immer häufger und in großem Umfang als unmittelbares Instrument zur Abschöpfung gemeindlicher Einnahmen. Im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes sollte die Ge- werbesteuerumlage von Bund und Ländern von rund 20 auf fast 30 Prozent angehoben werden. Die ist zwar nicht in vollem Umfang geschehen, aber dennoch kam es im Er- gebnis zu einer erheblichen Anhebung und zu einer dau- erhaften Festschreibung auf einem zu hohen Niveau. Da- mit ist der Grad des Erträglichen überschritten. Die Verlängerung der Nutzungsdauer in den AfA-Ta- bellen schafft in den ersten Jahren Steuermehreinnahmen, weil geringere Abschreibungen erfolgen. Dadurch ent- steht bei den Steuereinnahmen eine Spitze. Wenn diese dann abflaut, tritt ein Loch ein, weil vorgezogene Steuer- mehreinnahmen entfallen. Im Rahmen des Steuersen- kungsgesetzes wurden diese Mehreinnahmen bei den Kommunen im Finanztableau berücksichtigt und waren Anlass zu einer unbefristeten Erhöhung der Gewerbe- steuerumlage. Hier bedarf es einer Anpassung. Mittelfris- tig sind die Mehreinnahmen, die als Basis für die Er- höhung der Gewerbesteuerumlage genommen wurden, rückläufig. Deshalb muss aus der gestreckten Abschrei- bung eine Anpassung erfolgen. Bei der Gewerbesteuerumlage sind noch Anpassungen offen, weil die Begründung für vormalige Erhöhungen ganz oder teilweise entfallen sind: Erstens. Zur kommunalen Mitfinanzierung des Soli- darpaktes wurde die Gewerbesteuerumlage in den alten Ländern erhöht. Trotz einer gesetzlichen Revisionsklau- sel wurde eine Neuberechnung von den Ländern ohne Be- gründung blockiert, obwohl die kommunalen Spitzenver- bände schon für das Jahr 1995 belegt hatten, wie stark die tatsächlichen Transfers der alten an die neuen Länder un- ter den ursprünglichen Erwartungen geblieben waren. Schon im ersten Jahr des Solidarpaktes war nur eine Er- höhung der Gewerbesteuer um 16 statt der gesetzlich fi- xierten 29 Vervielfältigerpunkte gerechtfertigt. Zweitens. Bei Erhöhung der Gewerbesteuerumlage im Rahmen des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmen- steuerreform um zunächst 7 und ab 2001 6 Vervielfälti- gerpunkte hat der Gesetzgeber auf eine Befristung ver- zichtet, obwohl die damit abzuschöpfenden gemeind- lichen Mehreinnahmen aus dem Abbau der Drohverlust- rechtstellungen 2003 auslaufen und damit die Berechti- gung auch für diese Erhöhung der Gewerbesteuerumlage weitestgehend entfällt. Als Fazit bleibt festzustellen: Es besteht bei der Ge- werbesteuerumlage dringender Handlungsbedarf. Die Bundesregierung verweigert sich diesem, obwohl sie eine Besserung der kommunalen Finanzverhältnisse verspro- chen hatte. Dies ist Ausdruck der kommunalfeindlichen Haltung der Regierung Schröder. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117796 (C) (D) (A) (B) Das Volumen, was die Gewerbesteuerumlage inzwi- schen angenommen hat, macht auch deutlich, dass es im Verhältnis zwischen den Ebenen Bund, Länder und Kom- munen einen qualitativen Wechsel gegeben hat. Zusam- men mit den Veränderungen in Art. 108 und in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG haben sich die Städte, Gemeinden und Landkreise zu einer eigenen Ebene innerhalb des Staates entwickelt. Hier liegt ein Ansatzpunkt für eine Gemein- definanzreform. Aber ein Teilschritt, wie er von Ihnen vorgeschlagen wird, ist nicht akzeptabel. Zur Zerlegung bei der Gewerbesteuer. Die Zerlegung der Gewerbesteuer hat die Aufgabe, das Steueraufkom- men an Gemeinden zu verteilen, wenn ein Betrieb meh- rere Betriebsstätten hat. Dabei gilt es, den richtigen Kom- promiss zwischen einfacher Durchführung und Ergebnis- gerechtigkeit zu erzielen. Grundsätzlich gilt nach § 29 Ge- werbesteuergesetz, GewStG, der Arbeitslohn in den ein- zelnen Betriebsstätten als Zerlegungsmaßstab. Allerdings sind auch andere Formen der Zerlegung denkbar. Nach § 33 GewStG kann, wenn die Regelzerlegung zu offenbar unbilligen Ergebnissen führt, die Aufteilung auch nach ei- nem anderen Maßstab, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt, erfolgen. Dabei ist gemäß § 33 Abs. 2 einer Einigung zwischen Steuerschuld und beteiligten Ge- meinden der Vorrang zu geben. Wenn es keine Einigung unter den Beteiligten gibt, kann auch die Finanzverwal- tung ihre Regelungen treffen. Diese flexible Regelung trägt den Bedürfnissen der Praxis ausreichend Rechnung, sodass der Antrag auf Veränderung der Zerlegung abzu- lehnen ist. Das Lohngefälle vermag allein ein Abweichen von dem bisherigen grundsätzlichen Zerlegungsmaßstab nicht zu rechtfertigen, denn es ist auch eine unterschiedliche Produktivität gegeben. Wäre das nicht der Fall, hätte es schon längst eine Angleichung der Tariflöhne gegeben. Insofern geht Ihr Antrag in die falsche Richtung. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, eine Auftei- lung nach Köpfen abzulehnen: Inzwischen werden die 630-DM-Kräfte, Kräfte mit geringem Arbeitsvolumen und Einkommen, in der Arbeitsstatistik als Vollzeitkräfte gezählt. Wenn man nun die Zahl der Köpfe zum Vertei- lungsmaßstab machen würde, dann käme es zu nicht ge- rechtfertigten Verschiebungen. Gerade das, was Sie ver- meiden wollen, würde in großem Umfang im Verhältnis einzelner Kommunen untereinander eintreten. Deshalb ist das Ost-West-Gefälle als Argument nicht geeignet. Weitere große Risiken sind die nachlassende Konjunk- tur und die steigenden Krankenkassenbeiträge. Von er- heblicher Wirkung sind auch die Inflationsrate und die steigenden Energie- und Benzinkosten. Trotz steigender Steuerquote – sie hat sich seit Antritt der Regierung von 23 auf 24,8 Prozent erhöht – ist die kommunale Finanzsituation immer schlechter geworden. Dies ist auch ein Zeichen für die Verschiebung. Die Koalition geht das Thema Gemeindefinanzreform nach außen sichtbar nicht an. Aber im Verborgenen bastelt sie offensichtlich doch an einer Abschaffung der Gewer- besteuer. Das konnte man jedenfalls der „Frankfurter All- gemeinen Zeitung“ vom 27. Juni 2001 entnehmen. Erste Hinweise darauf hatten sich schon in der „FAZ“ vom 4. Mai 2001 ergeben. Der beamtete Staatssekretär Profes- sor Dr. Heribert Zitzelburger aus dem Finanzministerium wird zitiert. Ich rate dringend, darüber eine öffentliche Diskussion zu führen. Das Basteln hinter verschlossenen Türen muss das Misstrauen der Kommunen erregen. Diese Steuer ist mit vielen Vorurteilen und Emotionen behaftet. Bei Lichte und ganz nüchtern betrachtet gibt es Wege, hier zu einer Befriedigung zu kommen. Grundsätzlich ist die Frage der Gewerbesteuer keine „Sonderlast“, wie viele behaupten, sondern es ist ein Pro- blem der Staatsquote. Diese ist in Deutschland insgesamt zu hoch. Daneben gib es das Problem der Steuergerech- tigkeit. Durch die Entwicklung sind hier Probleme einge- treten, die angefasst werden müssen. Die Abgrenzung zwischen Gewerbe und Nichtgewerbe ist heute überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Entgegen der Zeit der Ent- stehung der Gewerbesteuer haben sich hier große Verän- derungen unserer Volkswirtschaft ereignet, die auch im Steuerrecht nachvollzogen werden müssen. Dazu muss es erhebliche Verwaltungsvereinfachungen geben. Mein Vorschlag dazu lautet: Wie auch Professor Kirchhoff und sein Karlsruher Entwurf vorschlagen, sollte man von der Objektsteuer zu einer Ertragsteuer übergehen. Dies wäre mit Art. 28 und Art. 106 Grundge- setz vereinbar, wenn sie wirtschaftsbezogen bleibt und mit einem Hebelsatzrecht versehen ist. Man könnte die „wirtschaftlichen Aktivitäten“ einheitlich der Besteue- rung unterwerfen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfa- chung könnte man die Erträge der Einkommenserklärung entnehmen und bei den Körperschaften den Körper- schaftsteuerertrag zugrunde legen. In dieser Lösung liegt auch für freiberuflich Tätige und Ähnliche keine bedroh- liche Situation. Durch die Steuerreform der Regierung ist, wie immer man dazu steht, die Möglichkeit der Anrech- nung auf die Steuerschuld bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften gegeben. Dadurch entsteht kein zusätzlicher Steueraufwand für die Betroffenen und auch aus der Sicht des Fiskus wäre eine solche Einführung steuerneutral. Man muss dann nur auf die richtige Vertei- lung über die unterschiedlichen staatlichen Ebenen ach- ten. Damit hätte man eine relativ verwaltungseinfache Lö- sung mit mehr Gerechtigkeit und würde den kommunalen Belangen in vollem Umfang Rechnung tragen, ohne der Wirtschaft Schaden zuzufügen. Um die Rechtsformneu- tralität zu gewährleisten, muss bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ein Freibetrag für den Unter- nehmerlohn bzw. das Geschäftsführergehalt eingeräumt werden. Ein Sonderproblem ergibt sich bei Steuerpflichtigen und Körperschaften mit mehreren Betriebsstätten. Da es wenig Sinn macht, das Hebesatzrecht durch die Wohn- sitzgemeinde oder den zufälligen Steuersitz ausüben zu lassen, muss dafür gesorgt werden, dass das Art. 28 recht- fertigende Hebelsatzrecht gegenüber den einzelnen Be- triebsstätten ausgeübt werden kann. Dazu ist eine Vertei- lung der Besteuerungsgrundlagen notwendig. Ich vermeide bewusst das Wort „Zerlegung“, weil es für die Verteilung von Steuereinnahmen steht. Hier geht es um die Abschöpfungsseite. Die Verteilung der Besteuerungs- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17797 (C) (D) (A) (B) grundlagen könnte dadurch erfolgen, dass nach dem Muster der Zerlegung eine Verteilung der Erträge nach der Lohnsumme und dem Betriebsvermögen der einzelnen Betriebsstätten erfolgt. Diese Daten werden ohnehin für die Verteilung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer ermittelt und von den Steuerpflichtigen erklärt. Auf dieser Basis könnte an die einzelne Betriebsstättengemeinde ein „Verteilungsmessbetrag“ mitgeteilt werden, auf den dann der kommunale Hebesatz angewendet wird. Auf alle übri- gen Zurechnungen und Kürzungen kann verzichtet wer- den, weil sie sich ohnehin in der Summe aufheben. Die- ses Verfahren bietet alle Vorteile der Gewerbesteuer, vermeidet Gerechtigkeitsprobleme und ist verwaltungs- einfach zu handhaben. Die Einbeziehung bisher nicht Betroffener ist aus de- ren Sicht unschädlich, weil sie die Gewerbesteuer mit der Steuerschuld bei der Einkommensteuer verrechnen kön- nen. Ob in diese Regelung die Landwirtschaft einbezogen werden sollte oder nicht, muss geprüft werden. Dafür spricht, dass im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit immer mehr Betriebe an den Rand der Gewerbesteuer- pflicht kommen und nur durch vielfache Kunstgriffe diese vermeiden. Im Ergebnis wäre es wahrscheinlich richtiger, wenn – zumal durch die Verrechnungsmöglichkeit – eine Belastung nicht entstehen würde. So könnte man die Dis- kussion wirklich voranbringen und allen Beteiligten Ge- rechtigkeit widerfahren lassen. Zusammenfassend lässt sich feststellen: Eine kommu- nale Investitionspauschale wäre zwar wünschenswert, kann aber in diesem Volumen außerhalb des Finanzaus- gleiches nicht gewährt werden. Damit würden die Fi- nanzströme völlig umgeleitet werden. Deshalb ist Ihr Vor- schlag abzulehnen. Weil der Antrag zur Zerlegung der Gewerbesteuer sachlich verfehlt und der Antrag zur Gewerbesteuerum- lage nur einen berechtigten Teilaspekt aufgreifen würde, der den Blick für die Gesamtproblematik eher versperrt, wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beide Anträge ablehnen. Unter der Regierung Kohl ging es uns gut. Unter der Regierung Schröder geht es uns besser. Aus kommunaler Sicht kann die Forderung nun lauten: Ach, ginge es uns doch wieder gut. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die knapp 100 Milliarden DM Einnahmen aus der Versteige- rung der UMTS-Lizenzen haben schon gleich nach Ab- schluss des Bieterverfahrens Begehrlichkeiten geweckt und sie üben immer noch einen offenbar unwiderstehli- chen Anreiz aus. Klar ist zumindest eines: Im Rahmen ei- ner seriösen Haushalts- und Finanzpolitik kann man sol- che einmalige Einnahmen nur zur Schuldentilgung verwenden. Dies stand und steht auch ganz in unserer Li- nie „Sparen und Gestalten“; denn diese Tilgung „erspart“ dem Bund auf Dauer gut 5 Milliarden DM an Zinszah- lungen. Diese – und nur diese – 5 Milliarden DM standen und stehen für zusätzliche Verwendungszwecke zur Verfü- gung. Wir haben uns im Rahmen des Zukunftsinvesti- tionsprogramms dazu entschlossen, diese Mittel gezielt zu investieren. Drei Jahre lang fließen rund 3,5 Milliarden DM in die Verkehrsinfrastruktur, gut 1 Milliarde DM in Bildung und Forschung und knapp eine halbe Milliarde DM in den Klimaschutz durch Altbausanierung. Dies macht insge- samt genau die vorhandenen 5 Milliarden Mark. – Das sind zukunftsorientierte Investitionen, von denen alle pro- fitieren – und dies nicht nur mittelfristig; denn Ausschrei- bung und Vergabe haben einige Zeit in Anspruch genom- men, sodass die 5 Milliarden DM erst im zweiten Halbjahr dieses Jahres voll wirksam werden. Das heißt, sie können jetzt noch einmal kräftige Impulse für die Wirtschaftstätigkeit setzen. Die Zinsersparnisse aus den UMTS-Erlösen sind damit sehr sinnvoll verwendet. Das Problem ist nun: Will die PDS, dass diese Investi- tionen nicht stattfinden? Denn 5 Milliarden DM minus 5 Milliarden DM macht null DM; das wird auch die PDS nicht bestreiten wollen. Wir können die Zinsersparnisse aber nur einmal verwenden. Insgesamt gesehen hat sich die finanzielle Lage der Kommunen eher entspannt. Für das Jahr 2000 ergibt sich sogar für die ostdeutschen Kommunen ein positiver Finanzierungssaldo. Das sagt natürlich noch wenig über die Haushaltslage einzelner Kommunen aus. Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und den Arbeits- losenzahlen zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. Das gilt natürlich genauso für die Kommunen in Ostdeutsch- land. Zuständig für eine angemessene kommunale Finanz- ausstattung sind aber die Länder. Sie besitzen mit dem kommunalen Finanzausgleich das geeignete Instrument, um finanzielle Schieflagen in den Kommunen zu beseiti- gen. Gerade die ostdeutschen Länder bekommen wegen der vergleichsweise eher geringen Steuerkraft ihrer Kom- munen – im Durchschnitt beträgt sie nur ein Drittel der westdeutschen – mehr Leistungen aus dem Länderfinanz- ausgleich. Diese müssen die Länder natürlich auch an ihre Gemeinden weitergeben. Außerdem wird durch die gerade beschlossene Neu- ordnung des Länderfinanzausgleiches die Finanzkraft der Gemeinden zukünftig mit 64 Prozent statt wie bisher mit 50 Prozent in den Finanzausgleich einbezogen. Auch von dieser Neuregelung profitieren die ostdeutschen Länder in besonderem Maße. Daneben haben wir mit dem Solidarpakt II gerade erst finanzielle Sicherheit für die neuen Länder bis zum Jahr 2020 geschaffen. Sie bekommen auch auf lange Sicht die Mittel, die sie benötigen, um die immer noch bestehende Infrastrukturlücke von rund 300 Milliarden DM zu schließen. Darüber hinaus können die Länder die Gelder in eigener Regie ausgeben, ohne dass der Bund wie bisher im Detail reinreden kann. Damit können die Länder viel flexibler und effektiver über Investitionen entscheiden. Denn wo eine Schule gebaut oder ein Gebäude saniert werden soll, weiß man vor Ort oft am besten. Das ist ein langfristig angelegtes Programm zur Ver- besserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen für Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117798 (C) (D) (A) (B) die Bürgerinnen und Bürger und für die Unternehmen in Ostdeutschland. Die Früchte werden steigende Steuerein- nahmen und geringere Belastungen für die Sozialkassen sein und diese werden zuallererst die ostdeutschen Kom- munen ernten. – Für Investitionen ist also bereits einiges geschehen. Nur so können wir dem Problem der niedrigen Ein- nahmen der ostdeutschen Kommunen wirksam begegnen. Hin- und Herschieberei beim Gewerbesteuermessbetrag oder bei der Gewerbesteuerumlage ist dafür ein untaugli- ches Mittel. Gerhard Schüßler (F.D.P.): Das Grundanliegen der vorliegenden Anträge der PDS-Fraktion ist die ausrei- chende Finanzausstattung der Gemeinden. Diesem Anlie- gen wird jedes Mitglied dieses Hauses uneingeschränkt zustimmen. Bei der Frage, wie wir für eine ausreichende Finanzausstattung der Gemeinden sorgen können, schei- den sich allerdings die Geister. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die F.D.P. bleibt bei ihrer Forderung, die Gewerbesteuer endgültig abzuschaf- fen. Bei der Gewerbekapitalsteuer ist das bereits gelun- gen. Grund dafür war allerdings nicht die Einsicht, dass diese Steuer die Unternehmen schwächt. Allein weil die Einführung dieser Substanzsteuer in den neuen Ländern drohte, konnte sie beseitigt werden. Scheinbar gibt es jetzt auch Bewegung in der Bun- desregierung. Presseberichten zufolge will sie die Ge- werbeertragsteuer ebenfalls abschaffen. Die F.D.P. wird dieses Vorhaben uneingeschränkt unterstützen. Wir be- grüßen es, dass sich endlich der Sachverstand durch- setzt. Die Kommunen benötigen eine wirtschaftskraftbezo- gene eigene Steuerquelle, das heißt sie müssen mittels ei- nes Hebesatzrechtes die Höhe der Steuer festlegen kön- nen. Die F.D.P. schlägt vor, im Gegenzug zum Wegfall der Gewerbeertragsteuer den Gemeinden ein eigenes Hebe- satzrecht auf die Einkommensteuer, alternativ auf die Umsatzsteuer, einzuräumen. Die Gewerbeertragsteuer ist eine Sonderbelastung für Unternehmen. Gerade die PDS müsste daran interessiert sein, diese Belastung zu beseiti- gen, um dadurch Entlastungseffekte auch für ostdeutsche Unternehmen zu erzielen. Der Wegfall der Gewerbe- ertragsteuer wäre gleichzeitig ein spürbarer Beitrag zur Vereinfachung unseres Steuerrechts. Wir müssten uns dann nicht mit hochkomplizierten Verrechnungsmodalitä- ten und mit der Höhe der Gewerbesteuerumlage befassen. Die vorliegenden Anträge lehnt die F.D.P. daher ab. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 765. Sitzung am 22. Juni 2001 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zur Verbesserung des Hinterbliebenen- rentenrechts – Gesetz zur Umstellung auf Euro-Beträge im Lastenausgleich und zur Anpassung der LAG- Vorschriften (LAG-Euro-Umstellungs- und An- passungsgesetz – LAG-EUAnpG) – Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe – Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (Zivilpro- zessreformgesetz – ZPO-RG) – Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrecht- licher Vorschriften über die Zustellung gericht- licher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaa- ten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz – ZustDG) – Zweites Gesetz zur Neuordnung des Wehrdiszi- plinarrechts und zur Änderung anderer Vor- schriften (2. WehrDiszNOG) – Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberfüh- rungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) – Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr – Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungs- richtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG- Richtlinien zum Umweltschutz Der Bundesrat hat in seiner 765. Sitzung am 22. Juni 2001 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz gemäß Artikel 84 Absatz 1 Grundgesetz nicht zuzustimmen: – Gesetz zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus (Zensusvorbereitungsgesetz) Die Vorsitzenden des folgenden Ausschusses hat mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2000 – Drucksachen 14/5442, 14/5729 Nr. 2 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/5503 Nr. 1.2 Drucksache 14/5730 Nr. 2.17 Drucksache 14/5730 Nr. 2.29 Drucksache 14/6026 Nr. 2.30 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 2001 17799 (C) (D) (A) (B) Sportausschuss Drucksache 14/5730 Nr. 2.28 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/2104 Nr. 2.10 Drucksache 14/2609 Nr. 1.11 Drucksache 14/2609 Nr. 1.15 Drucksache 14/2747 Nr. 2.15 Drucksache 14/5503 Nr. 2.11 Drucksache 14/5610 Nr. 1.8 Drucksache 14/5610 Nr. 1.9 Drucksache 14/5730 Nr. 2.18 Drucksache 14/5730 Nr. 2.40 Drucksache 14/5836 Nr. 2.17 Drucksache 14/6026 Nr. 2.26 Drucksache 14/6026 Nr. 2.27 Drucksache 14/6116 Nr. 1.9 Drucksache 14/6214 Nr. 2.5 Drucksache 14/6214 Nr. 2.7 Drucksache 14/6214 Nr. 2.8 Drucksache 14/6214 Nr. 2.9 Drucksache 14/6214 Nr. 2.10 Drucksache 14/6214 Nr. 2.11 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5730 Nr. 2.45 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/5610 Nr. 2.15 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Juni 200117800 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Brunhilde Irber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das war aber keine Frage,
    Herr Kollege Burgbacher,


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Doch!)

    sondern eine Feststellung. Ich nehme es trotzdem zur
    Kenntnis.


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Danke!)

    Wenn wir aber am Freitag einen Brief bekommen und der
    Text am Montag wortgleich in einem Antrag steht, kann
    man den Verdacht nicht ganz von der Hand weisen, dass
    man das einfach abgeschrieben hat.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Einführung der Sommerzeit, liebe Kolleginnen
    und Kollegen, hat den Tagesablauf verschoben, ohne dass
    eine Anpassung der Bestimmungen, die an die Tageszeit
    gebunden sind, erfolgt ist. Es ist eine Stunde länger hell.
    Die Temperaturen bleiben bis weit in den Abend hinein
    sehr angenehm und stärken den Wunsch, sich auch spät
    noch im Freien aufzuhalten. Man kann sogar sagen: Mit
    Einführung der Sommerzeit hat der Staat für die Gastro-
    nomen günstigere Rahmenbedingungen geschaffen. Trotz-
    dem sind diese Regelungen, insbesondere für die Nacht-
    ruhe, unverändert geblieben.

    Wir haben in unseren Städten in den letzten Jahren
    Fußgängerzonen geschaffen, um unsere Innenstädte at-
    traktiv zu erhalten und nicht durch weiteren Wegzug noch
    mehr ausbluten zu lassen. Zum modernen urbanen Leben
    gehört auch die Gastronomie. Ich finde, es ist eine gute
    Entwicklung, dass Straßencafés, Biergärten und andere
    Formen der Außengastronomie praktisch ein fester Be-
    standteil unserer Innenstädte geworden sind. Wir in Ber-
    lin genießen das ja manchmal auch zu später Stunde.

    Vor dieser Entwicklung sollten wir nicht die Augen
    verschließen. Wir sollten uns tatsächlich die Frage stellen,
    ob die bislang in vielen Gesetzen anzutreffende Grenze
    von pauschal 22 Uhr heutzutage noch zeitgemäß ist. Der
    Kollege Burgbacher hat nun vorgeschlagen, diese Grenze
    generell auf 24 Uhr auszudehnen, und dies bundesweit.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Was sagen die Länder dazu?)


    Zusätzlich sollen in einer Technischen Anleitung „Außen-
    gastronomie“ die zulässigen Lärmpegel im, sage ich ein-
    mal, einseitigen Interesse der Gäste und der Wirte ausge-
    staltet werden. In der Regierung kann man sich die Sache
    aber nicht so einfach machen und ein Dehoga-Schreiben
    eins zu eins in einen Bundestagsbeschluss umsetzen. Bei
    allem Verständnis im Grundsatz müssen wir auch die In-
    teressen der anderen Seite im Auge behalten; das sind die
    Interessen der Nachbarn und der Anwohner. Wie die
    Nachbarn reagieren würden, wenn die gesamte Außen-
    gastronomie – also nicht nur die Biergärten und Volksfes-
    te – entsprechend Ihrem Vorschlag bis 24.00 Uhr plus
    Austrinken und Zahlen offen bliebe – auwei, auwei, das
    möchte ich mir nicht ausmalen.

    Man kann die gesamte Problematik nicht einfach über
    einen Kamm scheren. Was in innerstädtischen Lagen ohne
    Klagen der Anwohner hingenommen wird, weil es zum
    Charakter des Viertels passt oder weil es immer schon so
    war, würde in einem ruhigen Vorortwohnviertel sofort zu
    Streit und verwaltungsgerichtlichen Klagen führen.

    Bestimmte gastronomische Betriebsformen werden zum
    Beispiel im Norden anders bewertet als im Süden. Lieber
    Herr Kollege, der mich vorhin so nett angesprochen hat: In
    Bayern ist der Biergarten – ich zitiere aus der Begründung
    der bayerischen Biergartenverordnung – „ein Stück ange-
    stammten bayerischen Kulturgutes“. In Baden-Württem-
    berg und Rheinland-Pfalz wird man eher an die Besenwirt-
    schaften oder die Häckerwirtschaften und die Weinlauben
    als traditionelle Formen einer Außengastronomie denken.

    Ich will damit nur sagen, dass wir für diesen in der Pra-
    xis sehr unterschiedlichen Problembereich keine bundes-
    weit einheitliche Vorgabe machen sollten. Dieser Bereich
    entzieht sich einer nationalen Regelung. Bitte versetzen
    Sie sich einmal in die Situation und stellen Sie sich die
    Aufregung vor, wenn uns Brüssel hierzu Vorgaben ma-
    chen würde!


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Das wollen wir doch nicht!)


    Dies sollte auf die regionalen Bedürfnisse bezogen blei-
    ben; es sollte durch die Länder oder durch kommunale
    Satzungen geregelt werden. Ich möchte das Geschrei
    nicht hören, wenn wir einen solchen Vorschlag aus Brüs-
    sel bekommen hätten. Da hätte ich Sie gern gesehen. Wir
    können das nicht alles über einen Kamm scheren.

    Ich halte daher die derzeitige Regelung in § 18 des
    Gaststättengesetzes, die ausdrücklich besagt, dass die
    Sperrzeiten durch die Länder festzulegen sind, für in je-
    der Hinsicht angemessen.


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Das wollen wir auch genauso!)





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    Schon Art. 72 des Grundgesetzes erlaubt dem Bund im
    Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung – wie hier
    beim Gaststättengesetz – die Gesetzeskompetenz nur,
    „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebens-
    verhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der
    Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen In-
    teresse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich
    macht.“

    Es hat sich auch hier in letzter Zeit schon einiges getan.
    Seit zwei bis drei Jahren ist eine Liberalisierungswelle
    bei den Sperrzeitverordnungen in den Ländern festzustel-
    len, die sich nicht nur auf die Stadtstaaten bezieht. Sogar
    Flächenstaaten wie das Saarland haben die allgemeine
    Sperrzeit auf die so genannte Besenstunde – das heißt, auf
    eine Stunde am frühen Morgen, meistens zwischen 5 und
    6 Uhr, was zuvor nur in Berlin zu finden war – begrenzt.
    Dies bezieht sich natürlich nicht auf die Außengastrono-
    mie. Aber auch in der Außengastronomie kommt Bewe-
    gung auf. So hat das Land Brandenburg die generelle
    Sperrzeit in der Außengastronomie auf 23 Uhr festgelegt.
    Das ist ein Zeitpunkt, den ich für einen ersten Schritt in
    die richtige Richtung halte. Auch einige Städte in Nord-
    rhein-Westfalen haben für die Sommermonate diese Zeit
    in kommunalen Satzungen vorgegeben. Sie sehen also,
    dass die SPD-geführten Länder durchaus mit der Zeit ge-
    hen.


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Baden-Württemberg ist noch nicht SPD-regiert!)


    Ähnlich verhält es sich auch mit Ihrem Vorschlag einer
    immissionsschutzrechtlichen Regelung zur Erfassung
    und Bewertung des Gaststättenlärms, Herr Burgbacher.
    Hier sei die Frage erlaubt, verehrter Herr Kollege, warum
    Sie für den Antrag eigentlich keine Überweisung an den
    Umweltausschuss vorgesehen haben. Eine Änderung des
    Immissionsschutzgesetzes ist doch ohne die Beteiligung
    des Umweltausschusses nicht möglich; der wäre dabei fe-
    derführend.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das machen wir doch noch! Das muss noch gemacht werden!)


    Es kommt der Verdacht auf, dass Sie Ihrem umweltpoliti-
    schen Sprecher eine Öffnung der Lärmgrenzen nicht zu-
    muten wollten


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Das ist doch Unsinn! Bruni, so billig hast du es nicht nötig! – Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Absoluter Quatsch!)


    und vielleicht nur ein bisschen Populismus für die Som-
    merpause betreiben wollten.

    Wenn wir uns ernsthaft mit diesem Thema beschäfti-
    gen sollen, dann müssen wir alle Betroffenen in die De-
    batte mit einbeziehen.


    (Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Aber nicht in dem Stil!)


    – Das muss man schon mir überlassen, in welchem Stil. –
    Eine pauschale Regelung in einer TA Gaststättenlärm
    oder in einer TA Außengastronomie, wie wir sie in der
    bereits existierenden TA Lärm vor allem für den Indus-

    trie- und Verkehrslärm haben, erscheint mir nicht sinn-
    voll. Denn die Industrie findet normalerweise im Gewer-
    begebiet statt und nicht in so stark bewohnten Gebieten
    wie bei der Außengastronomie.

    Ich glaube, wir können hier nicht mit einer pauschalen
    Lösung ankommen, denn wir kennen verschiedene Arten
    von Lärm. So gibt es den menschlichen Lärm, den Sie
    vorhin beschrieben haben. – Es geht nicht gegen das La-
    chen. Sie wissen, ich lache sehr gern und oft, auch hier im
    Deutschen Bundestag. Ich glaube, ich bin eine Lach-
    taube. – Im Gegensatz dazu haben wir lärmende Autos,
    Türen, die auf- und zugeschlagen werden. Zu einer wei-
    teren Art des Lärms gehören grölende und singende Men-
    schen, die mit zunehmendem Alkoholgenuss nicht mehr
    so schön singen, vielmehr wird deren Singen eine Beläs-
    tigung für die Anwohner. Sie kennen gewiss die alte
    Weisheit: „Je später der Abend, desto lauter die Gäste.“


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das muss doch nicht unbedingt sein! Wo steht das geschrieben? Nirgends! Das ist eine Unterstellung!)


    Deshalb glaube ich, dass wir gut beraten sein werden, es
    bei einer Einzelbeurteilung zu belassen, bei der die
    TA Lärm nur als Orientierung herangezogen wird. Es
    überrascht mich schon, dass die Liberalen, die sonst doch
    immer vor der Überregulierung warnen, den Ländern aus-
    gerechnet in dieser Hinsicht eine nationale Regelung
    überstülpen wollen. Wo bleibt denn da die Subsidiarität?
    In der Rechtsprechung werden immer auch alle den Gäs-
    ten zuzurechnenden Geräusche wie das Türenschlagen
    oder das Anlassen des Motors beim Abfahren in die Be-
    wertung mit einbezogen. Das können wir nicht ignorie-
    ren.

    Eine bundesweite Regelung über die Erfassung und
    Bewertung von Gaststättenlärm könnte auch zu durch-
    aus erheblich restriktiveren Ergebnissen führen. Ich bitte
    Sie, zu bedenken, ob das nicht ein Schuss in den Ofen sein
    könnte. Es gibt gegenwärtig eben auch einen Trend zu ei-
    ner Neubewertung der Folgen von Lärm. Langzeitstudien
    belegen den Verdacht, dass Lärm krank macht. Die Fol-
    gen sind erhebliche Einsprüche von Bürgern, zum Bei-
    spiel beim Ausbau der Flughäfen. Wir wissen hier in
    Schönefeld und in Frankfurt, was das bedeutet.

    Ich vermag im Augenblick noch nicht abzuschätzen,
    ob die beiden Trends – hin zu längeren Öffnungszeiten bei
    den Biergärten in der Außengastronomie und größere
    Sorge vor den Folgen des Lärms – in einer Interessenab-
    wägung unter einen Hut zu bekommen sind. Die Tatsache,
    dass Sie den Umweltausschuss nicht in die Debatte ein-
    beziehen, zeigt mir, dass Sie dies ebenso einschätzen.

    Aber wie kommen wir nun weiter? Es ist die Frage, wie
    wir das Problem lösen, das den Tourismuspolitikern
    natürlich ein großes Anliegen ist. Wir von der Koalition
    wollen einen guten Kompromiss auf einer neuen Grund-
    lage. Aus diesem Grunde glaube ich, dass es günstig wäre,
    wenn wir uns darauf verständigten, die mitteleuropäische
    Zeit – so wie sie vorhanden ist – im Gesetz stehen zu las-
    sen. In der Praxis würde das zur mitteleuropäischen
    Sommerzeit führen. Das heißt, wir hätten eine Stunde
    länger Zeit, in der Gäste das schöne Biergartenleben




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    genießen und die Gastwirte mehr Umsatz machen könn-
    ten, aber die Bewohner, die in der Umgebung solcher
    Gaststätten ihr Heim haben, nicht durch den Lärm belä-
    stigt würden. Wir kommen in der Ausschussberatung
    noch dazu.

    Wir können die Bundesregierung jetzt auffordern, uns
    einmal alle jene Gesetze – außer dem Gaststättengesetz –
    zu benennen, die von der Regelung der Nachtruhe tangiert
    wären. Der Beginn der Nachtruhe müsste entweder zeit-
    lich verschoben werden oder es müsste eine andere Lö-
    sung gefunden werden. Wenn wir dann eine Antwort der
    Bundesregierung vorliegen haben, können wir im Aus-
    schuss mit den Beratungen über Ihren und unseren Antrag
    beginnen und eine Lösung zu finden versuchen, die bei-
    den Anliegen gerecht wird.

    Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Wo ist der SPD-Antrag? Den kenne ich gar nicht! Kenne ich den schon?)


    – Der Antrag ist bereits am 13. Februar eingebracht wor-
    den, Herr Brähmig. Es tut mir Leid, wenn Sie die Anträge
    nicht lesen.



Rede von Anke Fuchs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat das Wort die
Kollegin Anita Schäfer für die CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anita Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine
    Damen und Herren! In den vergangenen Tagen haben wir
    ganz aktuell einen der besonderen Gründe für den vorlie-
    genden Antrag erleben können, sonniges und warmes
    Sommerwetter, das die Menschen dazu veranlasst, auszu-
    gehen und die Abendstunden für Entspannung und Kom-
    munikation zu nutzen. Die Gelegenheit dazu ist bei uns
    nicht so häufig gegeben. Rechnen wir es einmal hoch, so
    sind die Witterungsverhältnisse in unserem Lande an ma-
    ximal 30 bis 40 Abenden im Jahr günstig genug hierfür.
    An diesen Abenden wird es den Betreibern der Außengas-
    tronomie jedoch untersagt, den Gästen auch um viertel
    nach zehn noch ein Glas Wein oder eine Tasse Kaffee zu
    servieren.

    Seien Sie einmal ehrlich: Wer von Ihnen im Plenum hat
    sich denn bisher noch niemals über diesen Umstand geär-
    gert? Sie alle kennen die Arbeitszeiten, die es einem un-
    möglich machen, nachmittags um halb sechs in einem
    Biergarten oder in einem Straßencafé zu sitzen. So geht es
    dem Großteil unserer Bevölkerung. Die Lebensverhält-
    nisse und die Gewohnheiten der Menschen in unserem
    Land haben sich massiv geändert. Millionen von Men-
    schen arbeiten bis 20 Uhr oder noch länger. Die gegen-
    wärtigen Sperrzeiten im Freisitz gehen weder hierauf
    noch auf veränderte Freizeitbedürfnisse der Menschen an
    Schönwettertagen ein. Man nimmt diesen Leuten im
    Grunde die Gelegenheit, nach der Arbeit noch in einen
    Biergarten oder zu einer anderen Außengastronomie zu
    gehen.

    Dabei erfüllen doch gerade die Biergärten einen wich-
    tigen gesellschaftspolitischen Zweck. Sie stellen für die

    Bewohner in den Städten, die nicht über einen eigenen
    Garten verfügen, einen Zufluchtsort, eine Stätte der Be-
    gegnung und der Kommunikation dar, und das in der Re-
    gel fernab von Wohngebieten, häufig im Grünen.

    Ein anderes Argument ist die Belebung unserer In-
    nenstädte. Ich will gar nicht wissen, wie viele Millionen
    die Kommunen in den letzten Jahren in Attrak-
    tivitätsprogramme zugunsten der Innenstädte investiert
    haben – ohne Erfolg. Die Geschäftszeiten in der Woche
    ziehen die Menschen bis 20Uhr in die Einkaufszonen. Ein
    Großteil von ihnen würde anschließend gerne noch
    gemütlich etwas essen oder in ein Café gehen. Die Aus-
    sicht, den Stadtbummel um 22 Uhr behördlich beendet zu
    bekommen, lässt diese Leute aber in der Regel nach
    Hause fahren. So beginnt abends Punkt acht schlagartig
    die Verödung unserer Innenstädte. Auch das Abdriften
    der Kundenströme durch Gewerbe- und Einzelhandels-
    ansiedlungen auf der grünen Wiese unterstreicht die Be-
    deutung der Gastronomie für die Belebung unserer In-
    nenstädte.

    Das Sitzen unter freiem Himmel schafft gerade erst das
    Flair einer Innenstadtzone, das Bummler und Passanten
    an den wenigen Sommerabenden bindet. Eine Vitalisie-
    rung bzw. Revitalisierung der Innenstädte ist nur dann
    möglich, wenn es uns gelingt, die Menschen zum Bleiben
    zu bewegen. Die Umgestaltung der Sperrzeiten ist zwar
    kein Allheilmittel, aber sie ist auf jeden Fall saisonal eine
    Erfolg versprechende, kostenneutrale Maßnahme.

    Werfen wir einen Blick auf unsere Nachbarn. Ihnen al-
    len ist sicherlich die eine oder andere nette Urlaubserin-
    nerung an einen gemütlichen Abend in einem Café in
    Florenz oder in Paris präsent. Die deutschen Außengas-
    tronomen ernten bei ihren ausländischen Gästen aber nur
    ein ungläubiges Kopfschütteln, wenn sie zu einer Uhrzeit,
    zu der es in unserem Land häufig noch hell ist, die Be-
    wirtung einstellen müssen.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das muss sich ändern!)


    Dies ist ein eindeutiger Standortnachteil des deutschen
    Tourismus. Gerade auch vor dem Hintergrund des Jahres
    des Tourismus konterkariert dies alle Bemühungen, unser
    Land im internationalen Vergleich konkurrenzfähiger zu
    machen. Welcher Gast soll denn bitte schön im Ausland
    durch seine Mundpropaganda für einen Urlaub an Rhein
    oder Mosel werben, wenn man als Urlaubserinnerung die
    Bekanntschaft mit deutscher Bürokratie und Regelungs-
    wut mit nach Hause bringt?


    (Beifall bei der CDU/CSU – Sylvia Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss man ja nicht!)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Ihre Re-
    gelungen zu den 630-DM-Jobs


    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    haben die Betreiber von Freizeitgastronomien schon arg
    gebeutelt. Offensichtlich sind Sie nicht willens, dieses
    Konjunkturhemmnis wieder zu beseitigen.




    Brunhilde Irber
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    Hier bietet sich Ihnen aber wenigstens die Gelegenheit,
    die wirtschaftliche Situation des strapazierten Gastgewer-
    bes zu entlasten. Gerade durch die Verlängerung der Aus-
    schankzeiten um eine oder zwei Stunden kann vielen Gas-
    tronomen ein wirtschaftlicher Betrieb von Freisitz-
    flächen ermöglicht werden. Dass dies zusätzlich positive
    Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur hat, muss
    an dieser Stelle eigentlich nicht besonders betont werden.


    (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)


    Die gegenwärtige Regelung bestraft viele für die Nöte
    einzelner. Das erinnert stark an das Prinzip der Sippen-
    haft. Sinnvoller ist es, Beschränkungen dort vorzuneh-
    men, wo sie notwendig und angebracht sind. Wenn die
    Ordnungsämter mittlerweile in der Regel nur noch auf
    Beschwerden hin die Einhaltung der 22-Uhr-Frist kon-
    trollieren, so spricht diese Tatsache für sich.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Besser wäre es, die Anwohnersituation und die jeweilige
    Zumutbarkeit im Einzelfall zu beurteilen.

    Flexibel, bürgernah und mit Beteiligung der Betroffe-
    nen – so soll eine aktive Bürgergesellschaft sein.


    (Sylvia Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir ja!)


    Hierzu ist es aber notwendig, bürokratische und kostenin-
    tensive Anträge auf Sondergenehmigungen zu vermeiden.