Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001
Vizepräsidentin Petra Bläss
17479
(C)
(D)
(A)
(B)
1) Anlage 8
2) Anlage 9
3) Redebeitrag lag bei Redaktionsschluss nicht vor
4) Anlage 10
5) Anlage 11
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17481
(C)
(D)
(A)
(B)
Adam, Ulrich CDU/CSU 22.06.2001*
Beer, Angelika BÜNDNIS 90/ 22.06.2001
DIE GRÜNEN
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 22.06.2001
Bodewig, Kurt SPD 22.06.2001
Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.06.2001
Bonitz, Sylvia CDU/CSU 22.06.2001
Bruckmann, SPD 22.06.2001
Hans-Günter
Brüderle, Rainer F.D.P. 22.06.2001
Brudlewsky, Monika CDU/CSU 22.06.2001
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 22.06.2001
Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 22.06.2001*
Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 22.06.2001
Hartmut
Doss, Hansjürgen CDU/CSU 22.06.2001
Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/ 22.06.2001
DIE GRÜNEN
Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 22.06.2001
Friedrich (Altenburg), SPD 22.06.2001
Peter
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 22.06.2001
Glos, Michael CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Guttmacher, F.D.P. 22.06.2001
Karlheinz
Hartnagel, Anke SPD 22.06.2001
Haschke, (Großhennersdorf) CDU/CSU 22.06.2001
Gottfried
Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 22.06.2001
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 22.06.2001
DIE GRÜNEN
Hirche, Walter F.D.P. 22.06.2001
Hörster, Joachim CDU/CSU 22.06.2001
Kasparick, Ulrich SPD 22.06.2001
Klappert, Marianne SPD 22.06.2001
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.06.2001
Königshofen, Norbert CDU/CSU 22.06.2001
Kossendey, Thomas CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Kues, Hermann CDU/CSU 22.06.2001
Lamers, Karl CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Lamers CDU/CSU 22.06.2001
(Heidelberg), Karl A.
Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 22.06.2001
Lamp, Helmut CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Luther, Michael CDU/CSU 22.06.2001
Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 22.06.2001*
Erich
Michels, Meinolf CDU/CSU 22.06.2001
Müller (Völklingen), SPD 22.06.2001
Jutta
Neuhäuser, Rosel PDS 22.06.2001
Neumann (Bremen), CDU/CSU 22.06.2001
Bernd
Nietan, Dietmar SPD 22.06.2001
Dr. Pfaff, Martin SPD 22.06.2001
Pfannenstein, Georg SPD 22.06.2001
Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 22.06.2001
von Renesse, Margot SPD 22.06.2001
Sauer, Thomas SPD 22.06.2001
Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.06.2001
Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 22.06.2001
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.06.2001*
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 22.06.2001*
Schultz (Everswinkel), SPD 22.06.2001
Reinhard
Schüßler, Gerhard F.D.P. 22.06.2001
Sebastian, CDU/CSU 22.06.2001
Wilhelm-Josef
Dr. Solms, Hermann F.D.P. 22.06.2001
Otto
Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 22.06.2001
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 22.06.2001
DIE GRÜNEN
Volquartz, Angelika CDU/CSU 22.06.2001
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 22.06.2001
Weis (Stendal), SPD 22.06.2001
Reinhard
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22.06.2001
Wiese (Hannover), SPD 22.06.2001
Heino
Wiesehügel, Klaus SPD 22.06.2001
Zierer, Benno CDU/CSU 22.06.2001*
Dr. Zöpel, Christoph SPD 22.06.2001
* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeropaischen Union
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Winfried Nachtwei (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über
die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Wehr-
pflicht aussetzen (176. Sitzung, Drucksache
14/6274)
Die Grünen treten seit langem aus demokratie- und si-
cherheitspolitischen Gründen für die Abschaffung der
Wehrpflicht ein. Insofern begrüßen wir den Positionswan-
del der F.D.P. Die fehlende sicherheitspolitische Begrün-
dung des Antrages und sein Entstehungszusammenhang
machen aber deutlich, dass die Neupositionierung der
F.D.P. nicht von der Sache her, sondern offenkundig nur
parteitaktisch motiviert ist.
Zugleich muss ich feststellen, dass die Position der Ko-
alition zur Wehrpflicht keineswegs ein Kompromiss zwi-
schen den Koalitionsfraktionen ist. Es ist zu befürchten,
dass ein Verzicht auf offene Diskussion und Konsensbil-
dung einer tragfähigen Bundeswehrreform zum Schaden
gereichen.
Deshalb enthalte ich mich der Stimme.
Anlage 3
Erklärung nach § 90 GO
der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf und Eva
Bulling-Schröter (beide PDS) zur Abstimmung
über die Beschlussempfehlung des Vermit-
tlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung
verkehrsrechtlicher Vorschriften (VerkVÄndG)
(Drucksache 14/6358)
Wir enthalten uns der Stimme, weil das Für-Erledigt-
Erklären des Gesetzes zur Änderung verkehrswegerecht-
licher Vorschriften den eigentlich entscheidenden Vor-
gang verdeckt – und wohl auch verdecken soll.
Die Europäische Kommission hat unserer Ansicht nach
zu Recht bereits im Jahr 1994 kritisiert, dass im Verkehrs-
wegeplanungsbeschleunigungsgesetz (1991) und im Pla-
nungsvereinfachungsgesetz (1993) die in der Richtlinie
85/337/EWG festgelegte Umweltverträglichkeitsprüfung
mit Öffentlichkeitsbeteiligung nicht förmlich festge-
schrieben wurde. Die hiermit wegen unzureichender
Berücksichtigung von Bürger- und Umweltrechten kriti-
sierten Bundesregierungen hatten darauf mehr als fünf
Jahre lang nicht erkenntlich reagiert. Darauf erhob die Eu-
ropäische Kommission im Januar 1999 Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof.
Die Bundesregierung erkannte nunmehr die Peinlich-
keit des Vorgangs, legte Mitte des Jahres 2000 das hier
zu Debatte stehende Gesetz zur Änderung verkehrs-
wegerechtlicher Vorschriften vor und erklärte in der Be-
gründung unter Verweis auf die Klage vor dem Europä-
ischen Gerichtshof ausdrücklich: „Aus diesem Grunde
ist insoweit im Verkehrsbereich die vollständige Umset-
zung der Richtlinie 85/337/EWG ... dringend geboten.
Diesem Zweck dient das vorliegende Gesetz.“ (So die
Begründung des Gesetzentwurfs vom 26. Juni 2000).
Die Bundesregierung argumentierte damals auch, der
Gesetzentwurf sei „als besonders eilbedürftig“ einzu-
stufen.
Der Gesetzentwurf wurde dann im Bundestag im Ok-
tober 2000 beschlossen und soll nun, weitere acht Mo-
nate später, für erledigt erklärt werden. Tatsächlich wird
mit diesem Vorgehen sachlich nichts erledigt. Hingegen
bleibt festzuhalten: Mit den infrage stehenden beiden
Gesetze zur Beschleunigung und Vereinfachung hat die
damalige Bundestagsmehrheit in erheblichem Maß gel-
tende demokratische Beteiligungsmöglichkeiten und die
gebotene Rücksichtnahme auf die Umwelt verletzt.
Diese Sondergesetze wurden damals mit der deutschen
Einheit, also einer besonderen oder Ausnahmesituation,
begründet. Wenn diese damals bereits fragwürdig waren
und von den damaligen Oppositionsparteien kritisiert
wurden, dann gilt dies erst recht heute. In jedem Fall ver-
letzen beide Gesetze aus unserer Sicht die diesbezügli-
chen Umweltschutzbestimmungen der entsprechenden
EU-Richtlinie.
Das Gesetz zur Änderung verkehrswegerechtlicher
Vorschriften war völlig ungeeignet, die erhobenen Ein-
wände zu beseitigen. Die eigentliche Problematik wurde
mit diesem Gesetz eher bagatellisiert, indem erklärt
wurde, auf öffentliche Umweltverträglichkeitsprüfun-
gen würde nun dann verzichtet, wenn die infrage ste-
henden Vorhaben „keine erheblichen nachteiligen Wir-
kungen auf die Umwelt hätten“. Dabei blieb völlig
unklar, wer definieren soll, dass es keine solchen „er-
heblichen nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt“ ge-
ben würde.
Unter diesen Umständen hat das Vorgehen, dieses Ge-
setz wieder für erledigt zu erklären, lediglich die Wir-
kung, auf Zeit zu spielen. Die Einwände der EU-Kom-
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entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
mission bleiben erhalten. Die aus unserer Sicht berech-
tigte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof dürfte
nunmehr eher ein größeres Gewicht erhalten.
Anlage 4
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Uwe Jens (SPD) zur Ab-
stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur
Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (Betr-
Verf-Reformgesetz) in der Ausschussfassung
(Drucksache 14/5741 und 6352)
Die heute anstehende Novellierung des Betriebsver-
fassungsgesetzes kann die so genannten Transaktionskos-
ten in kleinen und mittleren Unternehmen überdurch-
schnittlich erhöhen. Das wäre eine Entwicklung in die
völlig falsche Richtung. In Betrieben mit 20 Arbeitneh-
mern, ja bis zu 50 Arbeitnehmern ist ein Betriebsrat im
Allgemeinen überflüssig. Hier sollte zunächst und vor al-
lem ein Führungsstil des „kooperativen Individualismus“
praktiziert werden.
Mehr Kooperation zwischen Arbeitnehmern und Be-
triebsleitung ist erforderlich, um im zunehmenden inter-
nationalen Wettbewerb zu bestehen. Wenn nicht alle – Ar-
beitnehmer und Leitung – in einem Kleinunternehmen
gleiche Ziele verfolgen, am gleichen Strang ziehen, wird
das Unternehmen keine Marktchancen auf Dauer haben.
Individualismus ist dagegen Voraussetzung für mehr In-
novationskraft, für das Ergreifen neuer Chancen und für
notwendige Veränderungen, um im Wettbewerb zu beste-
hen. Ich würde es zum Beispiel begrüßen, wenn für Be-
triebe mit 20 Arbeitnehmern keine Möglichkeit zur Wahl
eines Betriebsobmannes bestünde.
Die geringfügigen materiell-rechtlichen Ergänzungen
der Mitbestimmung in der Qualifizierung und im Um-
weltschutz halte ich für zeit- und sachgemäß. Die beiden
bisher im Betrieb dominierenden Produktionsfaktoren
– Arbeit und Kapital – werden meines Erachtens langfris-
tig an Gewicht verlieren. Als neue, wichtige Produktions-
faktoren werden in größeren Unternehmen Umwelt und
qualifiziertes Wissen an Bedeutung für den Produktions-
prozess gewinnen. Sie brauchen im betrieblichen Gesche-
hen eine bessere Interessenvertretung, auch durch den Be-
triebsrat. In Großbetrieben ist der Betriebsrat noch immer
ein wichtiges Konfliktverminderungsinstrument, auf
das die meisten größeren Unternehmen nicht verzichten
können.
Ich hoffe, dass bei kleineren Unternehmen mögliche
zusätzliche Belastungen aufgrund dieser Novelle durch
weitere Steuer- oder Kostensenkungen ausgeglichen wer-
den. Eine zusätzliche Erhöhung der Transaktionskosten in
Kleinbetrieben ist jedenfalls kontraproduktiv. Sie ver-
nichtet Ausbildungsplätze und erschwert die Schaffung
neuer, zusätzlicher Arbeitsplätze.
Trotz der geschilderten erheblichen Bedenken und ei-
nes starken „Bauchgrimmens“ werde ich nach reiflicher
Prüfung dem Gesetzentwurf insgesamt dennoch zustim-
men.
Anlage 5
Zur Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Anträge
– Deutsche Entwicklungszusammenarbeit und De-
mokratisierungshilfe für die zentralasiatischen
Nachfolgestaaten der Sowjetunion verstärken
– Die strategische Bedeutung der Kaukasus-Republi-
ken, Armenien, Aserbaidschan und Georgien poli-
tisch umsetzen
(Tagesordnungspunkt 21 a und b)
Joachim Günther (Plauen) (F.D.P.): Es ist ein Trau-
erspiel, dass wir nun schon im dritten Jahr nach dem
Amtsantritt von Rot-Grün zusehen müssen, wie die deut-
sche Entwicklungspolitik an Substanz, und, was fast noch
schlimmer ist, an Glaubwürdigkeit verliert. Allen hoch-
trabenden Sonntagsreden zum Trotz ist die Bundesregie-
rung laut „Financial Times Deutschland“ inzwischen zum
entwicklungspolitischen Schlusslicht in der Europäischen
Union geworden.
Doch wer gehofft hatte, die Rücktrittsdrohung der Mi-
nisterin würde nun zum tragischen letzten Akt dieses
Trauerspiels werden, hat sich geirrt. Die Rücktrittsdro-
hung scheint den Finanzminister so beeindruckt zu haben,
dass er gleich verkünden ließ, die in letzter Minute ge-
währten 100 Millionen Euro werde er sich in den nächs-
ten Jahren wieder zurück holen.
Doch auch mit diesem Trostpflaster ausgestattet muss
Frau Wieczorek-Zeul in diesem Jahr weitere herbe Kür-
zungen in ihrem Etat hinnehmen. Dies bedeutet, dass die
Bundesministerin gegenüber unseren Partnerländern ein
weiteres Mal wortbrüchig sein muss, weil es an Haus-
haltsmitteln für die diversen von ihr angekündigten Ini-
tiativen hinten und vorne fehlt.
Vor diesem Hintergrund ist die von der Bundesminis-
terin mediengerecht aufbereitete so genannte Kaukasus-
initiative zu sehen. Wenn der Bundesregierung, wie von
Ministerin Wieczorek-Zeul öffentlich angekündigt, nicht
einmal Mittel zur Kofinanzierung des Internationalen
Fonds für Aids-Hilfe zur Verfügung stehen, dann muss sie
sich schon fragen lassen, wie sie die 100 Millionen mobi-
lisieren will, die die Kaukasusinitiative nach eigenen An-
gaben kosten soll.
Dabei wäre ein stärkeres deutsches entwicklungspoli-
tisches Engagement im Kaukasus und in Zentralasien bit-
ter nötig. Die Instabilität, ethnische und religiöse Unter-
schiede, die wachsende Korruption und ein Verteilungs-
kampf um die Naturvorkommen, insbesondere Erdöl und
Gas, stellen die Konfliktpunkte der Region dar.
Darüber hinaus wird die Region zusätzlich durch die
internationale organisierte Kriminalität bedroht. Die Re-
gierungen der zentralasiatischen Staaten sind häufig nicht
in der Lage, die Grenzen zu kontrollieren; der Schmuggel
von Rauschgift und Waffen ist an der Tagesordnung.
90 Prozent der westeuropäischen Opiate kommen aus die-
ser Region. In Tadschikistan sollen die Einkünfte aus dem
Rauschgifthandel mittlerweile ein Sechstel des gesamten
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Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Überdies ist die Re-
gion zunehmend ein Umschlagplatz für Waffen, die von
Afghanistan aus ihren Weg zu befreundeten radikal-isla-
mischen Organisationen finden.
Das Interesse Europas und damit auch Deutschlands
muss deshalb darin bestehen, einen Beitrag zur Stabilisie-
rung zu leisten. Das dringend benötigte entwicklungspo-
litische Engagement muss eingebettet werden in ein poli-
tisches Gesamtkonzept für die Region, das auf die
Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen, Eindämmung des
Rauschgifthandels, der organisierten Kriminalität und des
internationalen Terrorismus abzielt.
Diese grundsätzliche Orientierung soll zwar durch die
so genannte Kaukasusinitiative aufgegriffen werden. Die
Frage ist jedoch, welche der vielen gut gemeinten Pro-
jekte im Angesicht der jämmerlichen Haushaltssituation
tatsächlich noch durchführbar sind. Bekanntlich ist „gut
gemeint“ das Gegenteil von „gut“.
Gerade die Zusammenarbeit mit Georgien war für die
frühere Bundesregierung ein besonderes Anliegen, das
unter Rot-Grün bedauerlicherweise nicht mehr in diesem
Umfange fortgesetzt wurde. Gegenüber diesem Land hätte
man eine kontinuierliche Solidarität erwarten können.
Während die frühere Bundesregierung Georgien für
den Zeitraum 1998/1999 noch 90 Millionen DM für die
finanzielle Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt hatte,
wurde dieser Betrag unter Rot-Grün mit einer Zusage von
50 Millionen DM für den Zeitraum 2000/2001 um fast die
Hälfte gekürzt.
Angesichts der großen Verdienste der Regierung
Schewardnadse um regionale Stabilisierung, aber auch
angesichts seines historischen Engagements für die deut-
sche Einheit, ist dies eine beschämende Entwicklung, die
auch durch die Ankündigung einer Kaukasusinitiative
nicht wieder wettgemacht werden kann.
Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt die heute zur
Diskussion stehenden Anträge der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion. Ein stärkeres deutsches entwicklungspoliti-
sches Engagement in der Region, eine aktivere Mitwir-
kung an den internationalen Bemühungen um die
Beilegung der Konflikte in der Region, aber auch eine ge-
zieltere Wahrnehmung der energiepolitischen Interessen
Deutschlands in der Öl- und Erdgasförderregion rund um
das Kaspische Meer ist dringend geboten.
Aber auch dieKrisenregion östlich desKaspischenMee-
res muss dringend zu einem regionalen Schwerpunkt deut-
scher entwicklungspolitischer Zusammenarbeit werden.
In Anbetracht des etwa von Kirgistan, Usbekistan und
Kasachstan ausgehenden erheblichen Destabilisierungs-
potenzials ist es vollkommen unverständlich, wieso diese
Länder in der jüngst eingeführten BMZ-Kategorisierung
lediglich den Status einfacher „Partnerländer“ erhalten
und nicht minder instabile Länder wie Turkmenistan und
Tadschikistan nicht einmal mehr in der untersten Katego-
rie „potenzieller Partnerländer“ landen.
Dem vorliegenden CDU/CSU-Antrag, die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit und die Demokratisie-
rungshilfe für die zentralasiatischen Staaten zu verstär-
ken, stimmen wir daher uneingeschränkt zu.
Zu einer verantwortungsvollen Kaukasuspolitik gehört
auch ein kritisches Engagement im Tschetschenien-Kon-
flikt. Von einer Beendigung des Feldzuges in Tschetsche-
nien ist Moskau noch weit entfernt. Fast täglich melden
Nachrichtenagenturen neue Tote. Statt eines siegreichen
Blitzkrieges zeichnet sich immer deutlicher ein langwie-
riger, verlustreicher Konflikt ab. Hier muss Deutschland
und muss die Europäische Union im Dialog mit Moskau
eine deutliche Sprache sprechen und die strikte Einhal-
tung des Völkerrechts und der Menschenrechte in Tschet-
schenien einfordern.
Es gibt viel zu tun, wir werden die Ministerin nicht an
Ankündigungsreden messen, sondern an konkreten Da-
ten. Tun Sie alles, damit die Kaukasusinitiative nicht ein
weiterer Flop Ihrer Regierung wird.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Beschlussempfehlungen und
der Berichte:
– Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen
Jahrtausend
– Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Milleniums-
Erklärung der Vereinten Nationen
(Tagesordnungspunkt 22 a und b)
Clemens Schwalbe (CDU/CSU): Erst einmal
möchte ich allen, die an diesem Antrag mitgewirkt haben,
ganz herzlich danken. Dieser Antrag „Die Vereinten Na-
tionen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend“ als ge-
meinsamer Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
Bündnis 90/Grüne und F.D.P. zeigt, dass eine gute, effek-
tive und sinnvolle Außenpolitik unser gemeinsames An-
liegen ist. Unser gemeinsames Ziel ist es, eine konstruk-
tive, erfolgsorientierte Weiterentwicklung der Vereinten
Nationen voranzutreiben. Natürlich gab es bei der Ausar-
beitung des Antrages einige Unstimmigkeiten zwischen
den Fraktionen, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen:
Dieser Antrag unterstützt die Charta der VN zum Welt-
frieden, wobei die Verantwortlichkeit Deutschlands bei
den VN stärker werden soll. Dazu muss die deutsche
VN-Politik einheitlicher werden, was die Abstimmung
der einzelnen Fachressorts angeht. Deshalb fordert unser
gemeinsamer Antrag als Konsequenz, dass ab 2001 ein
Bericht über die deutsche VN-Politik dem Parlament vor-
gelegt und dieser im Zweijahresrhythmus im Bundestag
zur Diskussion gestellt wird.
Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf einige
wenige Schwerpunkte konzentrieren.
Ein mir derzeitig wichtiger Diskussionspunkt ist die
militärische Rolle Deutschlands in den VN. Deutschland
muss meiner Meinung nach weiterhin seine militärische
Zusammenarbeit und Verpflichtung mit den Vereinten
Nationen pflegen und ausbauen. Bundesverteidigungsmi-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117484
(C)
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(A)
(B)
nister Scharping hat seinen Beitrag zum so genannten
Stand-by-Arrangement gegeben. Dieses System sieht so
aus, dass Mitgliedstaaten angeben, welche Beiträge sie im
Bedarfsfall zu leisten bereit wären. Wir halten das für
richtig, aber wie sieht eigentlich die Realität der Bundes-
wehr aus? Bei ihrer schwierigen und gefährlichen Auf-
gabe hat die Bundeswehr unsere nachhaltige Unterstüt-
zung verdient. Womit wir uns aber nicht mehr abfinden
werden und können, ist, dass die Absicherung und Aus-
stattung dieser Einsatztruppen zu einer deutlichen Ver-
schlechterung der übrigen Bereiche der Bundeswehr
führt. Nur mit netten Worten der Anerkennung in Ple-
numsdebatten lässt sich die Wehrbereitschaft nicht auf-
rechterhalten. Es muss sich endlich auch in der finanziel-
len Ausstattung der Bundeswehr insgesamt nieder-
schlagen, sonst ist das alles unglaubwürdig. Wir von der
CDU/CSU hatten das im Zusammenhang mit der Verlän-
gerung des Kosovo-Mandats bereits deutlich gesagt. Vor-
gestern hat der NATO-Rat entschieden, zur Entwaffnung
der Rebellen Truppen nach Mazedonien zu entsenden.
Dabei wird eine deutsche Beteiligung nicht ausgeschlos-
sen. Wir werden diesem Einsatz hier im Bundestag nicht
zustimmen, wenn nicht gleichzeitig eine deutliche Er-
höhung des Etats im Einzelplan des Bundesministeriums
der Verteidigung vorgenommen wird. Für uns ist damit
der Präzedenzfall entstanden.
Friedenssicherung ist ein Aufgabengebiet, das ange-
sichts der vielen kriegerischen Konflikte in aller Welt
nach wie vor im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
Das „peace-keeping“ der UN steht heute vor einer kom-
plizierteren Situation; die Mehrzahl der Konflikte spielen
sich nicht mehr wie früher zwischen souveränen Staaten
ab, sondern innerhalb der Staaten selber, als Bürgerkriege,
vor meist ethnischem oder religiösem Hintergrund. Die
Vereinten Nationen greifen heute zunehmend ein, um
Hungersnöte, Massenmigration und drohenden Genozid
zu verhüten. Es ist also weiterhin zu erwarten, dass ver-
mehrte „peace-keeping“-Einsätze zur Erhaltung des Frie-
dens in verschiedenen Regionen notwendig werden. Un-
ser gemeinsamer Antrag fordert deshalb auch zu Recht
eine bessere personelle Ausstattung der Planungs- und
Leitungsebene im UN-Sekretariat sowie Verbesserungen
in der Finanzierung und Ausrüstung. Damit sollen die
Voraussetzungen für schnelle und wirksame Friedensmis-
sionen geschaffen werden. Diese Reform der Friedenssi-
cherung dürfte in den nächsten Jahren zu einem wichtigen
Prüfstein für die Reformfähigkeit der UN bzw. des Re-
formwillens der Mitgliedstaaten werden. Außer der Be-
reitschaft, mehr Geld in die UN-Friedenssicherung zu in-
vestieren, ist dazu eine größere Bereitschaft der Mit-
gliedstaaten erforderlich, qualifiziertes und gut ausgerüs-
tetes Personal zur Verfügung zu stellen und sich selbst
ausreichend in einer Konfliktregion zu engagieren. Die
UN können nur dann erfolgreich wirken, wenn sie einge-
bettet sind in ein Netzwerk politischer und wirtschaftli-
cher Initiativen der Mitgliedstaaten. Denn die meisten
Schwächen, die die Weltöffentlichkeit den VN anlastet,
sind Ergebnisse der Politik der Mitgliedsstaaten, was am
Beispiel der Friedenssicherung besonders gut demons-
triert werden kann. Die Mitgliedstaaten müssen mehr Ver-
antwortung zeigen. Am Beispiel Afrika, wo derzeit über
17 Konflikte herrschen, sehen wir, dass ein Misstrauen
bzw. ein fehlender Friedenswille der Konfliktparteien die
Regel ist, und damit können die VN nicht zielführend tätig
werden. Die Konfliktparteien müssen stärker und ver-
bindlicher an den Friedensgesprächen beteiligt werden,
dann wären auch die Aufgaben für den Sicherheitsrat we-
sentlich einfacher.
Aber auch hier gilt: Friedensprävention und -erhaltung
kosten Geld. Wenn wir als Deutsche mehr Engagement in
den verschiedenen UN-Friedensmissionen bzw. Unteror-
ganisationen in Krisengebieten fordern und erwarten,
kommen wir selbst mittlerweile in eine Glaubwürdig-
keitslücke, wie es der deutsche Botschafter bei den VN,
Kastrup, uns gegenüber ausdrückte: Die Absenkung der
freiwilligen Beiträge in Bereichen wie UNDP, UNICEF
oder UNFPA um 50 bis 60 Prozent werden nicht nur als
sehr bedauerlich angesehen, sondern haben auch eine Sig-
nalwirkung auf die Zahlungsbereitschaft anderer Geber-
länder. Die bevorstehende UNO-Aidskonferenz wird mit
Sicherheit die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
verdeutlichen. Hierzu wird meine Kollegin Reinhardt im
Zusammenhang mit ihrem vorgelegten Aidsantrag Aus-
führungen machen.
Bei den ganzen Reformen innerhalb der VN in den
letzten Jahren bleibt die vermeintlich wichtigste bisher
unberührt: die Reform des Sicherheitsrates. Alle Vor-
schläge, darunter auch ein eventueller ständiger Sitz für
die Bundesrepublik Deutschland, sind aufgrund der ver-
schiedenen nationalen Interessen verschiedener Staaten
blockiert worden. Dies ist für uns äußerst unbefriedigend.
Auch innerhalb der EU sprechen wir nicht alle die gleiche
Sprache und ich wage zu bezweifeln, ob Frankreich oder
Großbritannien immer deutsche Interessen vertreten wür-
den, wenn die Lösung so aussehen sollte, dass die jetzigen
Vertreter zukünftig als Vertreter für Europa angesehen
würden, um bei der Sitzverteilung Europa nicht noch ei-
nen weiteren Sitz zukommen zu lassen.
Auf der anderen Seite muss aber auch der Sicherheits-
rat schneller und effizienter arbeiten, dafür ist eine bessere
Logistik und mehr Transparenz innerhalb des Sicher-
heitsrates notwendig. Aber leider – dies habe ich mehr-
fach bei unserem Besuch in den USA im Mai gehört – hat
sich in den letzten sieben Jahren der Diskussion über eine
Reformierung des Sicherheitsrates nichts getan, weder
über das Vetorecht noch über die Anzahl der Mitglieder
sind ansatzweise Lösungen zu erkennen. Allein eine Er-
höhung der Zahl der Mitglieder im Sicherheitsrat brächte
jedoch auch keine Lösung, wenn das bisherige Vetorecht
bestehen bliebe.
Als letzten Punkt möchte ich noch kurz auf die Rolle
der USA in der UNO eingehen. Bei unseren Gesprächen
mit Kongressabgeordneten und Senatoren drängten die
Amerikaner auf eine Intensivierung der deutsch-amerika-
nischen Kontakte, da die USA eine zunehmend wach-
sende Distanz der Europäer zu den Amerikanern in der
Außenpolitik befürchten. Das negative Bild von US-Prä-
sident Bush in den Medien macht es nur schlimmer. Es
nützt meiner Meinung nach nichts, eine heimliche Freude
darüber zu entfachen, dass die USA aus der VN-Men-
schenrechtskommission und aus dem Drogen-Überwa-
chungsgremium rausgewählt wurden. Die USA machen
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die EU dafür maßgeblich verantwortlich, insbesondere
wenn jetzt Mitgliedstaaten in der Menschenrechtskom-
mission sitzen, die selbst überwiegend massiv Menschen-
rechte verletzen.
Ich kann nur eines sagen: Wir brauchen die UNO und
die UNO braucht die USA. Es hilft der UNO nicht, wenn
die UNO-Skeptiker im amerikanischen Senat oder Kon-
gress die Mehrheit haben. Es wird jetzt von den USA er-
wartet, dass gemeinsam mit der EU für das nächste Jahr
eine Lösung gefunden wird, damit die USAwieder einen
Sitz in den genannten Gremien erhalten. Die Weigerung
des amerikanischen Kongresses, wegen des Vorfalls
244 Millionen US-Dollar an die UNO zu zahlen, solange
die USA nicht wieder in beide Gremien hineingewählt
werden, zeigt die ganze Schwierigkeit der amerikani-
schen UNO-Politik.
Ich finde es wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass
die US-Regierung für die Zahlung der UN-Beiträge den-
noch geworben hat. Sie hat sich zu diesem Schritt ent-
schieden, weil seit 1997 die Durchführung von UN-Frie-
densmissionen und humanitären Hilfsaktionen gut
gelaufen ist. Zum ersten Mal in der amerikanischen Ge-
schichte werden die VN in einem Bericht an den amerika-
nischen Senat im Mai 2000 lobend erwähnt. Zum ersten
Mal erscheint es möglich, dass die Koordinationsfähigkeit
des VN-Systems besser funktioniert und so soll es auch
fortgeführt werden. Durch die erfolgreiche Arbeit der
UNUPS wird deutlich, dass in vielen Bereichen zurzeit in
über 30 VN-Kommissionen bessere Managementmittel
eingesetzt werden.
Deutschland muss und kann seinen Einfluss im US-
Kongress verstärken, um die Interessen der VN vernünf-
tig zu vertreten. Daher wäre es wünschenswert, wenn
zukünftig die Beziehungen zwischen den Abgeordneten
des Deutschen Bundestages und den amerikanischen
Kongressmitgliedern weiter intensiviert würden, was ein
ausdrücklicher Wunsch von Kongressabgeordneten war.
Als Ergebnis unserer Gespräche in Washington und New
York hatte ich den Eindruck, dass uns ein großes Ver-
trauen entgegengebracht wird. Dies sollten wir im gegen-
seitigen Interesse verstärken und zukünftig solche Vor-
kommnisse wie die Protokollaffäre vermeiden; denn diese
war mit Sicherheit der dümmste Beitrag zur Verbesserung
der deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Es erwarten uns große Aufgaben für die zukünftige
Politik der Vereinten Nationen. Dieser erste gemeinsame
Antrag ist ein wichtiger Schritt für die gemeinsame VN-
Politik, der auch bei den VN-Gremien mit großer Auf-
merksamkeit zur Kenntnis genommen wird. Eine friedli-
che Zukunft in der Welt sollte unser vorrangiges Ziel
bleiben, wobei wir massive finanzielle Hindernisse und
nationale Animositäten überwinden müssen.
Zum Schluss möchte ich unserem langjährigen Vorsit-
zenden des UAVereinte Nationen, Herrn Dr. Brecht dan-
ken, der aus der großen Politik der VN in die Kommunal-
politik wechseln wird. Es war stets eine gute Zusammen-
arbeit im Unterausschuss Vereinte Nationen. Herr Kol-
lege Dr. Brecht, Sie waren ein sehr angenehmer und kol-
legialer Vorsitzender. Ich möchte Ihnen alles Gute für die
Zukunft wünschen, verbunden mit dem dringenden Hin-
weis, dass im Gemeinderat meistens undiplomatischer ge-
handelt und entschieden wird als bei den Vereinten Natio-
nen.
Anlage 7
Zu Protokoll gegeben Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Tages-
ordnungspunkt 24)
Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Bereits An-
fang des Jahres 2000 hatte die Regierungskoalition ange-
sichts des unabweisbaren Konsolidierungsdrucks auf den
Bundeshaushalt in einem beispiellosen Kraftakt einen er-
mäßigten Mineralölsteuersatz in Höhe von 47 Pfennig auf
landwirtschaftlich genutzte Kraftstoffe durchgesetzt.
Nach den explosionsartigen Steigerungen der Rohöl-
preise in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres und
der massiven Subvention von Agrarkraftstoffen im be-
nachbarten Ausland hatte die SPD-Arbeitsgruppe Finanz-
politik bereits am 6. Dezember 2000 der Bundesregierung
und den Koalitionsfraktionen empfohlen, die Mineralöl-
steuer für Agrardiesel nochmals herabzusetzen und dabei
die Unterglasbetriebe besonders zu berücksichtigen.
Auch der Bundesrat schloss sich dieser Forderung an.
Heute ist es soweit: Wie versprochen, so beschlossen: Wir
senken die Mineralölsteuer auf den Liter Diesel für Land-
wirte auf 50 Pfennig und befreien die Unterglasbetriebe,
aber auch andere, wie zum Beispiel die Pilzzucht, von der
Erdgasbesteuerung.
Weswegen ist diese Maßnahme dringend erforderlich?
Bereits vor der Ölpreisexplosion war die Wettbe-
werbslage deutscher Landwirte schwierig: Die Einkom-
menssituation hatte sich teilweise dramatisch verschlech-
tert, im Durchschnitt des Jahres 1999 um 7,3 Prozent. Der
Durchschnittsertrag eines Betriebes betrug nur noch
53 000 DM. Nur noch knapp die Hälfte aller Höfe, näm-
lich 190 000, werden als Haupterwerbsquelle geführt. Die
Einkommensentwicklung verlief je nach Ausrichtung der
Betriebe sehr unterschiedlich. Während die Milchviehbe-
triebe ihren Gewinn um 12,6 Prozent auf 57 800 DM er-
höhen konnten, sind die Gewinne der Schweinemäster um
83,5 Prozent auf 10 800 DM im Schnitt zusammengebro-
chen. Vor diesem Hintergrund wirken politisch Initiierte
und unbestritten notwendige zusätzliche Belastungen be-
sonders schwer. Die Auswirkungen der Agenda 2000
– unter der deutschen EU-Präsidentschaft gegenüber den
ursprünglichen Befürchtungen stark gedämpft –, die Aus-
wirkungen der Ökosteuerreform mit allein circa 900 Mil-
lionen DM im Jahr 2003, Veränderungen in der Ein-
kommensteuer: Alles zusammengerechnet müssen die
Landwirte mit Belastungen von wenigstens 2,3 Milliar-
den DM im Jahr 2003 rechnen. Damit gewinnen die Sor-
gen der Landwirtschaft eine politische Dimension, mit der
sich die Bundesregierung und jeder Abgeordnete ausei-
nandersetzen muss.
Eine wesentliche Entlastung soll die Einführung eines
besonderen, niedrigen Steuersatzes auf Diesel bringen,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117486
(C)
(D)
(A)
(B)
der von landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen verbraucht
wird. Die EU lässt große Gestaltungsmöglichkeiten für
die Kraftstoffbesteuerung in der Landwirtschaft zu, die
von den meisten Ländern auch ausgenutzt werden. Le-
diglich drei Länder, nämlich Griechenland, Österreich
und Schweden haben keine Sonderregelung für die Land-
wirtschaft. Zwei Länder, nämlich Deutschland und Däne-
mark, erstatten die Mineralölsteuer den Landwirten
zurück, Dänemark vollständig und Deutschland teilweise.
Sechs Länder erlauben den Einsatz von Heizöl als Kraft-
stoff in der Landwirtschaft, die übrigen vier Länder haben
einen besonderen, ermäßigten Steuersatz auf Diesel für
die Landwirtschaft. Sowohl das als Kraftstoff zugelassene
Heizöl als auch der Agrardiesel sind in allen Ländern be-
sonders eingefärbt, um Missbräuche zu vermeiden.
Die Gasölbezugskosten für Landwirte sind in der EU
sehr unterschiedlich. Deutschland liegt mit Griechenland,
Österreich und Schweden in der Spitzengruppe mit Be-
zugskosten von zwischen 1 DM und 1,20 DM. Darunter
folgt Dänemark mit 20 Pfennig niedrigeren Bezugskosten
als Deutschland. Schlusslichter sind Luxemburg, Groß-
britannien und Belgien mit Bezugskosten um die 20 Pfen-
nig. Durch die zusätzlichen Ökosteuersätze würden die
Bezugskosten für deutsche Landwirte mit Abstand an die
Spitze schnellen. Dass eine solche Spreizung unerträglich
ist und zu massiven Wettbewerbsverzerrungen führt, ist
offensichtlich. Deswegen haben wir durch die Einführung
des Agrardiesels seinerzeit mit 57 Pfennig Entlastung ge-
schaffen.
Entsprechend der dynamischen Steigerung der allge-
meinen Mineralölsteuersätze durch die ökologische Steu-
erreform steigt durch den besonderen Steuersatz für
Agrardiesel die Entlastung für Landwirte im Jahr 2003
auf 35 Pfennig pro Liter und liegt dann um 5 Pfennig über
der gegenwärtig geltenden Gasölverbilligung. Dabei ist
besonders interessant, dass die bisherige Obergrenze von
3000 Litern im Jahr wegfällt, was für größere Betriebe,
für Maschinenringe und für landwirtschaftliche Lohn-
unternehmen eine frohe Botschaft ist.
Die von der Opposition vorgetragene Alternative,
Heizöl als Kraftstoff in der Landwirtschaft zuzulassen,
würde den möglichen finanzwirtschaftlichen Rahmen für
Erleichterungen in der Landwirtschaft sprengen. Sie wäre
darüber hinaus ökologisch unerträglich, weil Heizöl bei
weitem nicht die strengen Normen hinsichtlich des
Schadstoffinhaltes erfüllen muss wie Kraftstoffe.
Inzwischen hat sich die Lage weiter katastrophal ver-
schlechtert. Nicht nur die Energiekosten sind explodiert,
sondern BSE und MKS taten das Ihrige, die Landwirt-
schaft an den Rand des Ruins zu treiben.
Die Landwirte in Deutschland, die überwiegend nur
noch Kleinsteinkommen erwirtschaften, und die durch
subventionierte Energiepreise im europäischen Ausland
strukturell benachteiligt werden, sind durch die Diesel-
preise besonders existenziell betroffen. Seit der Diesel-
preisexplosion haben sich die Sorgen und Ängste deutlich
verstärkt. Wir hoffen, dass es gelingt, irgendwann in der
EU zu einem Korridor für Agrardieselbesteuerung zu
kommen. Viel Hoffnung habe ich nicht. Das, was heute
geschieht, ist Steuerdumping in Reinkultur. Und mit der
Konsequenz, dass sich das Tempo des Höfesterbens in
Deutschland massiv beschleunigen wird.
Frankreich hat angesichts der Energiepreiskrise eine
weitere Senkung des Mineralölsteuersatzes um 6 Pfennig
auf nur noch 5 Pfennig ab dem 1. Oktober 2000 beschlos-
sen. Italien hat ebenfalls bereits eine weitere Senkung
des Mineralölsteuersatzes für die Landwirtschaft um
6,5 Pfennig auf 16,5 Pfennig/Liter zum 3. Oktober 2000
beschlossen. Portugal reguliert den Einstandspreis für
Diesel über flexible Steuersätze.
Besonders schlimm dran sind die Gartenbaubetriebe,
die unter Glas produzieren. Von den 53 000 Gartenbaube-
trieben in Deutschland produzieren 14 000 hauptsächlich
unter Glas. An diesen hängen 85 000 Arbeitsplätze. Diese
Betriebe verbrauchen produktionsbedingt viel Wärme
und erzeugen diese hauptsächlich mit Heizöl. Natürlich
gibt es bereits etliche Unternehmen, die im Rahmen ihres
Investitionszyklus auf Biomasse, Windenergie oder auch
Sonnenenergie umgestellt haben oder aber die Holz ver-
brennen. Aber die meisten werden von der Dieselpreis-
krise kalt erwischt. Allein der Vergleich mit dem Haupt-
wettbewerber, den Niederlanden, lohnt sich. Hier hat der
Staat den Anschluss der meisten Unterglasbetriebe ans
Gasnetz subventioniert und liefert derzeit Gas über die
ehemalige staatliche Gasgesellschaft zu Sonderkonditio-
nen. Während im Januar 1999 die Energiekosten für die
Deutschen gegenüber den holländischen Wettbewerbern
mit 37 Pfennig zu 22,69 Pfennig pro Liter „nur“ um
65 Prozent höher lagen, liegen sie im Herbst des Jah-
res 2000 mit 106,66 Pfennig zu 33,97 Pfennig pro Liter
um 215 Prozent höher. In Italien wird darüber beraten, für
Zierpflanzen und Baumschulbetriebe den Mineralölsteu-
ersatz je Liter Gasöl von 7,5 Pfennig pro Liter auf
3,75 Pfennig pro Liter zu senken. Für Gewächshäuser ist
der Steuersatz bereits von zuvor 75 Pfennig pro Liter auf
3,75 Pfennig pro Liter gesenkt worden. Frankreich hat ei-
gens ein Hilfsprogramm für Unterglasbetriebe in Höhe
von 30 Millionen DM aufgelegt.
Dagegen kann in Deutschland kein Betrieb anverdie-
nen. Und wir müssen etwas machen. Deswegen freue ich
mich, dass die deutschen Unterglasbetriebe an dem Ener-
gieeffizienzprogramm der Bundesregierung, das im Rah-
men des Zukunftsprogramms gestern angeschoben wurde
und das ein Volumen von 50 Millionen DM ausmacht,
teilnehmen dürfen. Damit wird die Umstellung weg vom
Öl massiv erleichtert.
Das alles aber reicht nicht aus. Deswegen mussten wir
politisch verantwortlich reagieren und die Landwirtschaft
durch die weitere Absenkung der Mineralölsteuer deut-
lich entlasten, ebenso wie den Unterglasgartenbau, der
durch die Befreiung von der Erdgassteuer wenigstens ei-
nigermaßen Schritt halten kann mit seinen holländischen
Mitbewerbern.
Norbert Barthle (CDU/CSU): Wir beraten heute in
zweiter und dritter Lesung einen Gesetzentwurf der
Bundesregierung, der die Absenkung des Steuersatzes
auf in der Landwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff
und die Vergütung der Mineralölsteuer auf Heizstoffe im
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17487
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Gewächshausanbau bzw. im Anbau in geschlossenen Kul-
turräumen vorsieht.
Absenkung von Steuersätzen und Abmilderung der ne-
gativen Auswirkungen der Ökosteuer sind ja zunächst
einmal lobenswerte Schritte. Das sollte sich die Bundes-
regierung nicht nur für diesen Teilbereich, sondern für die
gesamte Steuerpolitik zur Handlungsmaxime machen.
Dann wäre uns in der derzeitigen wirtschaftlichen Situa-
tion mit einem wegbrechenden Wirtschaftswachstum
– von Furcht vor Rezession und Depression ist schon die
Rede – und mit einer Inflationsrate von 3,6 Prozent viel
geholfen.
Deshalb will ich diesen Schritt in die richtige Richtung
zunächst einmal loben. Wenn meine Fraktion dem Ge-
setzentwurf dennoch nicht zustimmt, sondern sich der
Stimme enthält, so hat dies den einfachen Grund, dass uns
dieser Schritt zu klein ist, die Entlastungen die vorher vor-
genommenen Belastungen nicht ausgleichen und Sie
Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden. Mit die-
sem Gesetzentwurf springen Sie zu kurz; deshalb können
wir nicht zustimmen. Im Übrigen ist dieser Gesetzentwurf
ein weiterer Sargnagel für Ihre missratene Ökosteuer.
Hier zeigt sich erneut der grundlegend falsche Ansatz die-
ser „Abzock-Steuer“.
Von der Landwirtschaft jetzt zu erwarten, dass sie an-
gesichts dieser Vorbelastungen wegen der Verringerung
des Steuersatzes jubelt oder sich für das „großzügige“ Ge-
schenk bedanken soll, wäre wirklich des Guten zu viel
verlangt. Die Landwirte haben nicht vergessen, dass sie
wie keine andere Berufsgruppe von der Regierung
Schröder abgestraft wurden. Und die unsägliche Rede des
Bundeskanzlers beim Bauerntag 1999 in Cottbus wirkt
bis heute nach. Seitdem wissen nicht nur die Landwirte
bei mir zuhause in meinem Wahlkreis, wer ein Herz für
sie hat.
Natürlich begrüßt auch der Deutsche Bauernverband
die Absenkung des Steuersatzes um sieben Pfennig auf
50 Pfennig pro Liter als wichtigen Schritt in die richtige
Richtung. Beklagt werden aber gleichzeitig die immer
noch extrem hohen Steuersätze im EU-Vergleich: fünf
Pfennig zahlen französische Landwirte pro Liter, die dä-
nischen Bauern zahlen überhaupt keine Steuern auf
Agrardiesel. Das führt zu enormen Wettbewerbsnachtei-
len. Und nicht vergessen haben unsere Landwirte, dass sie
bis 1999 eine Steuer von 27 Pfennig pro Liter Diesel be-
zahlt haben. Auch vor diesem Hintergrund verlieren die
jetzt vorgesehenen 50 Pfennig pro Liter jeden Glanz.
Ebenfalls nicht vergessen haben unsere Landwirte,
dass ihnen der damalige Landwirtschaftsminister Funke
noch im Oktober 2000 eine Absenkung auf 47 Pfennig pro
Liter versprochen hat. Herr Funke genießt inzwischen sei-
nen wohlverdienten Ruhestand und Frau Künast schickt
das von der Regierung gegebene Versprechen gleich mit
in den Ruhestand. Aber das kennt man ja von dieser Re-
gierung zur Genüge: Versprochen – gebrochen!
In Ihrem Gesetzentwurf rechnen Sie uns vor, dass es zu
einer Gesamtentlastung von 202 Millionen DM kommt.
Dabei sollten wir aber nie vergessen, dass es sich nicht um
Geld handelt, das Sie der Landwirtschaft geben, sondern
nur um eine Minderung dessen, was Sie der Landwirt-
schaft insgesamt nehmen. 62 Millionen von den 202 Mil-
lionen DM entfallen dabei auf den Gewächshausanbau,
oder, genauer, auf die „geschlossenen Kulturräume“.
Dass Sie dem Unterglasanbau entgegenkommen, ist zwar
eine notwendige Geste, entspricht aber dennoch nicht
dem ursprünglich gewollten und versprochenen Steuer-
satz von 47 Pfennig für alle. Im Grunde genommen schla-
gen die 62 Millionen DM Unterglasverbilligung mit drei
Pfennig beim Steuersatz beim Diesel zu Buche. Der Steu-
ersatz von 50 Pfennig finanziert das Geld für den Unter-
glasbau. Das, meine Damen und Herren, ist das Prinzip
„linke Tasche – rechte Tasche“. Die Entlastung für die ei-
nen Landwirte müssen die anderen Landwirte finanzie-
ren, so sieht’s aus! Dies ist ein weiterer Grund, weshalb
wir diesem Gesetz nicht zustimmen können.
Auch wenn ich das Entgegenkommen für die von den
hohen Energiepreisen schwer gebeutelten Unterglasbe-
triebe begrüße und respektiere, will ich auf einen weite-
ren Punkt aufmerksam machen: Der Gesetzentwurf be-
fristet diese teilweise Vergütung der Mineralölsteuer auf
zwei Jahre. Diese Befristung orientiert sich an den er-
mäßigten Gasbezugspreisen für den Gewächshausanbau
bei den niederländischen Konkurrenten unserer Unter-
glasbetriebe. Meine Fraktion fordert die Bundesregierung
nachdrücklich auf, sich unverzüglich für gerechtere Wett-
bewerbsbedingungen hinsichtlich der Gasölbezugskosten
innerhalb der EU einzusetzen, und zwar vor Auslaufen
dieser Befristung. Außerdem erwarten wir, dass die Bun-
desregierung mit dem Auslaufen der mineralölsteuerli-
chen Vergünstigung für den Gewächshausanbau zum
31. Dezember 2002 den Steuersatz für Agrardiesel we-
nigstens auf 47 Pfennig pro Liter absenkt. Damit würde
zumindest das Entlastungsvolumen von 202 Millio-
nen DM über das Jahr 2002 hinaus erhalten, das anderen-
falls ab 2003 auf 140 Millionen DM absinken würde.
Die übrigen in den Ausschussberatungen vorgenom-
menen Änderungen zum Gesetzentwurf belegen einmal
mehr, dass Ihre Ökosteuer zu ständigen Kurskorrekturen
und Nachbesserungen zwingt. Dabei haben die Ökosteuer
im jetzigen Rechtszustand und die Verwendung der damit
vereinnahmten Steuergelder mit ordnungspolitischem
Lenken im eigentlichen Sinne ohnehin nichts zu tun. Al-
lein deshalb war die Ökosteuer von Anfang an ein Vor-
täuschen falscher Tatsachen. Ich wette mit Ihnen: Wenn
mit der nächsten Ökosteuererhöhung die Preisspirale wie-
der anzieht und die Benzinpreise nach oben treibt, dann
wird nicht nur die Ökosteuer, dann wird auch dieses Ge-
setz wieder auf den Prüfstand kommen. Denn weiter stei-
gende Energiekosten verschärfen die ohnehin schon be-
stehenden Wettbewerbsnachteile unserer Land- und
Forstwirtschaft noch mehr. Weitere Belastungen aber
können diesem für die Erhaltung unserer Kulturland-
schaft, für die Erhaltung unserer Heimat mit ihrem typi-
schen Landschaftsbild so wichtigen Berufsstand nicht zu-
gemutet werden.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
endgültige Einführung des Agrardiesels ist ein Durch-
bruch in der Agrarbesteuerung. Zum einen wird eine not-
wendige Unterstützung der deutschen Landwirtschaft
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117488
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(B)
endlich auf eine steuersystemkonforme und gerechte Ba-
sis gestellt. Ein Agrardiesel, der von der Besteuerung her
zwischen dem Treibstoff für stationären Verbrauch in der
(Industrie-) Produktion und dem für Straßenverkehr liegt,
ist eine längst überfällige Anpassung an die Realitäten.
Die alte Rückerstattungsregelung „Gasölbeihilfe“ dage-
gen hat sich als Dauerbrenner in den Haushaltsdiskussio-
nen und als innovationshemmend auf die Entwicklung
und den Einsatz alternativer Treibstoffe erwiesen.
Gleichzeitig wird der Landwirtschaft in einer unge-
rechten Wettbewerbssituation effektiv geholfen. Die EU-
Nachbarländer subventionieren für ihre Landwirtschaft
die Energiepreise massiv herunter. Das ist in einem ge-
meinsamen Markt mit einheitlichen Erzeugerpreisen
nicht länger hinzunehmen. Diese Bundesregierung geht
daher – ganz im Gegensatz zu ihren Vorgängern – die eu-
ropaweite Harmonisierung der Energiepreise auch in der
Landwirtschaft energisch an. Und: Trotz eines konse-
quenten Kurses der Haushaltskonsolidierung stellen wir
für die Übergangszeit bis zur Harmonisierung erhebliche
Mittel für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Landwirtschaft bereit, in den nächsten drei Jah-
ren allein 2,3 Milliarden DM für die Bereitstellung wett-
bewerbsfähiger Energiekosten.
Noch dramatischer als bei der Landwirtschaft ist die
Wettbewerbsverzerrung beim Garten- bzw. Unterglasan-
bau. Deshalb wird die Bundesregierung dem Garten- bzw.
Unterglasanbau und der Speisepilzerzeugung in den
nächsten drei Jahren die Heizölsteuer erlassen. Mit insge-
samt 60 Millionen DM pro Jahr sollen die Energiekosten
für den Unterglasanbau wettbewerbsfähiger gestaltet
werden. Damit und mit den gleichzeitig angebotenen
Energiesparprogrammen haben wir dazu beigetragen,
dass der Gartenbau bei uns eine Zukunft hat.
Zusammen mit den zusätzlichen Haushaltsmitteln ge-
ben die Bundesregierung und insbesondere Ministerin
Renate Künast und Minister Hans Eichel der Landwirt-
schaft und ihrer zukunftsfähigen Entwicklung eine deut-
liche Unterstützung.
Im Gegensatz dazu macht sich die Opposition aus
CDU/CSU und F.D.P. heute in dieser Debatte restlos un-
glaubwürdig. Zunächst haben sie zwei Jahrzehnte lang in
der Regierungsverantwortung die immer größer werden-
de Wettbewerbsverzerrung verschuldet. Energiepreissub-
vention für Energiepreissubvention der Nachbarn wurde
von CDU/CSU und F.D.P. ratifiziert und der Bundeshaus-
halt ohne Rücksicht auf die Folgen geplündert. Heute
schreien sie, die deutsche Landwirtschaft müsste mit viel
mehr Geld unterstützt werden, und lehnen nicht nur die
notwendige grundsätzliche Neuorientierung der Agrarför-
derung, sondern sogar den Antrag zur Herabsetzung des
Steuersatzes für Agrardiesel ab, wie in dieser Woche im
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft geschehen. So viel Heuchelei wird ihnen si-
cherlich bei den Bauern viele Freunde einbringen.
Marita Sehn (F.D.P.): Wahrscheinlich ist sich Frau
Höfken nicht einmal bewusst, wie Recht sie mit dem Satz
hat: „Die Landwirte sind für die Koalition die Träger der
Energiewende.“ Die einzige echte Energiewende, die ich
bislang erkennen kann, ist die zu immer höheren und wett-
bewerbsverzerrenden Kraftstoffpreisen für die Landwirt-
schaft. Und als ob die gestiegenen Rohstoffpreise nicht
schon Sparanreiz genug wären, setzt die Regierung mit
der Ökosteuer noch einen oben drauf.
Die Landwirte, die bereits die Agrarwende tragen
– oder sollte ich sagen: ertragen –, sind nun auch noch
Träger der Energiewende. Beide Wenden gleichen sich
zumindest in einer Beziehung: Sie kosten die deutsche
Landwirtschaft sehr viel Geld. Wenn Frau Höfken dann
noch betont, dass die Regierung eine ökonomisch lebens-
fähige Landwirtschaft will, dann ist das zumindest in die-
sem Zusammenhang bestenfalls Zynismus.
Die Regierungskoalition bejammert unisono die unter-
schiedlichen Wettbewerbsbedingungen in Europa.
Frau Wright stöhnt: „Wir sind doch nicht auf einem
Basar, wo ein ,Wer bietet weniger’ ein geeignetes Instru-
ment europäischer Politik ist.“ Ist Frau Wright in dersel-
ben Partei wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsi-
dent Wolfgang Clement? Herr Clement hat anscheinend
weniger Probleme mit einem „Wettbewerb der Regionen
bzw. Länder“. Ein wesentliches Merkmal des Wettbewer-
bes ist nun einmal das „Wer bietet mehr“? bzw. „Wer bie-
tet die besseren Produktionsbedingungen?“ Die finanzi-
elle Belastung der Unternehmen ist dabei nun einmal ein
ganz zentraler Punkt in diesem Wettbewerb.
Natürlich, wenn man unter Wirtschaftspolitik vor al-
lem Reformen à la Betriebsverfassungsgesetz versteht,
wird es einem nie gelingen, die Wirtschaft wettbewerbs-
fähig zu machen. Wenn die Bundesregierung ein Problem
damit hat, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass
die Wirtschaft eine faire Chance hat, in diesem Wettbe-
werb zu bestehen, dann ist dies allerdings ein Grund zum
Klagen.
Frau Westrich hat in ihrer Rede zur ersten Lesung da-
rauf hingewiesen, dass die Unterglasbetriebe froh darüber
sind, nicht am Subventionstropf hängen zu müssen.
Glaubt Frau Westrich denn wirklich, dass es für die Land-
wirte ein Vergnügen ist, bei der Regierung um Unterstüt-
zung zu bitten, insbesondere wenn diese zunächst großzü-
gig versprochen wird und dann nur teilweise und auch
noch verspätet eingehalten wird? Man kann es der Koali-
tion gar nicht oft genug sagen: Bei der Agrardieselbe-
steuerung geht es nicht darum, der Landwirtschaft Geld
zu geben, sondern ihr weniger zu nehmen.
Unsere Landwirte stehen im Wettbewerb und sie wol-
len sich diesem auch stellen. Aber ein echter Wettbewerb
ist nur gegeben, wenn die gleichen Regeln gelten.
Während die Landwirte in einigen Ländern sprinten
dürfen, müssen unsere Hürdenlaufen. Die Regierung
stellt dabei ständig neue Hürden auf: Ökosteuer, 630-
Mark-Gesetz, Reduktion der Mittel für die Gemein-
schaftsaufgabe Küstenschutz, Modulation, Lückenindi-
kation, Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Die
Liste ist endlos.
Frau Höfken hat eine absolute intellektuelle Glanzleis-
tung vollbracht, indem sie erklärt hat: Der Agrardiesel ist
etwas billiger als der normale Kraftstoff, da die Land-
wirte mit ihren Traktoren die Straßen auch nur ein wenig
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17489
(C)
(D)
(A)
(B)
benutzen. Dies zeigt zumindest eines: Es sind schon veri-
table geistige Klimmzüge nötig, um diese Agrardieselre-
gelung zu rechtfertigen.
Die geistigen Verrenkungen zur Rechtfertigung Ihrer
Regelung überlassen wir Ihnen. Wir sagen klipp und klar:
Wer die ganze Hand verspricht, kann nicht nur den klei-
nen Finger reichen. Der jetzt vorgeschlagene Steuersatz
von 50 Pfennigen pro Liter ist ein Feigenblatt, welches bei
weitem nicht ausreicht, die Blöße dieser Regierung zu be-
decken. Wir Liberale machen da nicht mit und lehnen des-
halb den Gesetzentwurf ab.
Kersten Naumann (PDS): Die in der ersten Lesung
des vorliegenden Änderungsgesetzentwurfes zu Protokoll
gegebenen Reden habe ich aufmerksam gelesen. Das
reizte mich schon, heute meinen Standpunkt zu einigen
Aussagen darzulegen.
An die Kollegin Heidi Wrigth gerichtet: Ich bin ein-
verstanden, dass eine höhere Mineralölsteuer als in den
Vorjahren den verstärkten Einsatz von biogenen Treib-
und Schmierstoffen stimulieren wird. Dafür hat jede ver-
antwortliche Politik – mit Blick auf die Nutzung endlicher
Ressourcen sowie ökologische und ökonomische Kreis-
läufe – zu sorgen. Allerdings halte ich die Aussage, dass
der Biodiesel mit einem erreichten Volumen von
400 000 Tonnen „boomt“, für reichlich übertrieben. Die
absolute Zahl klingt zwar gewaltig, dennoch stehen wir
erst am Anfang dieser neuen Entwicklung. Mit
400 000 Tonnen hat der Biodiesel bei einem Diesel-Jah-
resverbrauch der deutschen Landwirtschaft von 2 Milliar-
den Litern einen Anteil von lediglich 0,02 Prozent.
Erinnern will ich daran, dass ich mich in der ersten Be-
ratung des Agrardieselgesetzes im vergangenen Oktober
gegen die populistische Forderung des Bundesfachaus-
schusses Agrarpolitik der CDU nach einem Mineralöl-
steuersatz von 12 Pfennigen je Liter gewandt habe. Eine
Entsprechung dieser Forderung, die mit der Sicherung der
Chancengleichheit der deutschen Landwirte im europä-
ischen Wettbewerb begründet wurde, hätte doch jeden
Ansatz in Richtung alternativer Energieträger erstickt und
so den Landwirten die Zukunftschance, sich auch als
Energiewirt zu profilieren, genommen. Auch wäre das
kein Beitrag zum Aufbrechen der immer noch tief ver-
wurzelten Subventionsmentalität gewesen.
Zu einer komplexen Betrachtung gehört natürlich, die
Einkommenssituation der Landwirte, die eng mit der
Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft auf dem EU-
Binnenmarkt verknüpft ist, im Blick zu haben. Deshalb
wollte die PDS-Fraktion durch den Änderungsantrag zum
Entwurf des Agrardieselgesetzes erreichen, dass höchs-
tens 47 statt 57 Pfennig im Gesetz festgeschrieben wer-
den, also eine Reduzierung um mindestens 10 statt der
jetzt vorgesehenen 7 Pfennig je Liter.
Ich erkenne an, dass die Koalitionäre schließlich doch
noch über ihren Schatten gesprungen sind.
Was Ihnen jedoch höchst peinlich sein sollte, ist die Art
und Weise, wie Sie die 7 Pfennig politisch verkaufen. Da
ist von „Absenkung“ die Rede, was zwar formal – in Be-
zug auf das Gesetz – stimmt. Real aber kommt für die
Landwirte ein „Anstieg“ und damit eine höhere Kosten-
belastung heraus. Der erhebliche Anstieg gegenüber den
Vorjahren wird nur verringert. Versuchen Sie also nicht
länger, der Öffentlichkeit ein X für eine U vorzumachen.
Die entscheidende Frage ist, ob die 7 Pfennig ausrei-
chen werden, oder – ob nicht doch aus Wettbewerbs- und
Einkommensgründen – eine weitere Korrektur erforder-
lich werden könnte. Mir scheint eine solche vorprogram-
miert, insbesondere weil derzeit keine tatsächlich sub-
stanzielle Initiative der Bundesregierung – und erst recht
keine aussichtsreiche – zur Harmonisierung der Steuer-
politik erkennbar ist.
Zumindest hätte ich es etwas konkreter, was die Aus-
sage zur ersten Lesung betrifft, nach der die Bundesregie-
rung sich „unmissverständlich und vehement dafür ein-
setzt, dass es endlich zu einer Harmonisierung der
Energiebesteuerung in der EU kommt“.
Für den wahrscheinlichen Fall, dass keine rasche EU-
weite Steuerharmonisierung zustande kommt, mahne ich
an, dass die Bundesratsforderung aufgegriffen wird, die
nach zwei Jahren im Bereich des Gewächshausanbaus frei
werdenden 60 Millionen DM aus der teilweisen Vergü-
tung der Mineralölsteuer für Heizöl und Erdgas für einen
weiteren Absenkungsschritt beim Agrardiesel – von 3 auf
47 Pfennig je Liter – zu verwenden.
Da der PDS-Fraktion die Änderung nicht weit genug
geht, werden wir uns bei der Abstimmung enthalten.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des zur Förderung eines freiwilligen
sozialen Jahres und zur Änderung des Gesetzes
zur Förderung eines freiwilligen ökologischen
Jahres (Tagesordnungspunkt 25)
Marlene Rupprecht (SPD): Seit vielen Jahren besteht
für junge Menschen, die sich bewusst für andere Men-
schen oder für die Umwelt einsetzen wollen, die Mög-
lichkeit, ein so genanntes freiwilliges soziales Jahr, ein
freiwilliges ökologisches Jahr oder einen freiwilligen
Dienst im europäischen Ausland abzuleisten.
Junge Menschen zwischen dem 17. bzw. dem 16. und
dem 27. Lebensjahr können einen Freiwilligendienst für
zwölf Monate – mindestens sechs Monate – absolvieren.
Sie erhalten in dieser Zeit von den Trägern – zum Beispiel
in Bayern: Arbeiterwohlfahrt, BRK, Berufliches Fortbil-
dungszentrum der Bayerischen Arbeitgeberverbände, der
DPWV evangelische Jungendsozialarbeit, Internationaler
Bund für Sozialarbeit, Katholische Landesarbeitsgemein-
schaft freiwilliges soziales Jahr, Lebenshilfe für geistig
Behinderte, Malteser Hilfsdienst, oberdeutsche Provinz
SJ, Jeusuit European Volunteers usw. – ein Taschengeld,
Unterkunft und Verpflegung. Ihre Sozialversicherungs-
beiträge wie Krankenversicherung, Pflegeversicherung,
Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung wer-
den von den Trägern übernommen. Außerdem bleibt für
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117490
(C)
(D)
(A)
(B)
die Dauer des freiwilligen Dienstes der grundsätzliche
Anspruch auf Kindergeld erhalten.
Die Idee des sozialen Jahres wurde 1954 aus der Not
geboren: Es herrschte Lehrstellenmangel für Jugendliche
und gleichzeitig großer Personalmangel in den pflegeri-
schen und sozialen Einrichtungen der Bundesrepublik.
Der Aufruf der Diakonie, ein Jahr des Lebens für andere
zu opfern, wurde nach und nach von vielen Wohlfahrts-
verbänden übernommen. Im Zuge des stetig steigenden
Zuspruchs verabschiedete der Bundestag 1964 das Gesetz
zur Förderung des freiwilligen sozialen Jahres.
Es gibt die steuerrechtlichen und finanziellen Rahmen-
bedingungen vor, regelt die möglichen Einsatzfelder und
legt außerdem alle Träger verbindlich darauf fest, eine
pädagogische Begleitung durchzuführen. Im Kinder- und
Jugendplan finden diese gesetzlichen Regelungen ihre
fördertechnische Umsetzung, auch für das seit 1993 be-
stehende freiwillige ökologische Jahr. Das BMFSFJ hat
für das Jahr 2001 21,7 Millionen DM dafür in den Haus-
halt eingestellt.
In all den Jahren wurden die freiwilligen Dienste stark
nachgefragt und von den Teilnehmerinnen, es sind über-
wiegend Mädchen, die ein FSJ oder FÖJ machen, als sehr
positive Lebenserfahrung wahrgenommen. So hat sich die
Zahl der Jugendlichen von 7 100 in Jahr 1993 auf rund
13 000 im Jahr 1999 erhöht.
Der vorgelegte Antrag stößt mit seinen Forderungen
genau in die im Folgenden festzustellende Lücke des be-
stehenden Systems:
Die an den Programmen teilnehmenden Jugendlichen
sind fast ausschließlich Abiturienten; junge Menschen mit
Hauptschulabschluss gibt es faktisch nicht in den Freiwil-
ligendiensten. Ursache für das Fehlen dieser jugendlichen
Gruppe ist aber nicht ein Desinteresse an diesen Pro-
grammen, sondern die gesetzlich vorgeschriebene Min-
destaltersgrenze. Der vorliegende Antrag erfüllt mit sei-
ner Forderung, den Zugang zu den Freiwilligendiensten
nicht an eine Altersgrenze zu binden, sondern diese Al-
tersgrenze durch den Begriff „nach Erfüllung der Voll-
zeitschulpflicht“ zu ersetzen unser Anliegen, die Dienste
für alle Jugendlichen zu öffnen.
Auch die zweite Forderung des Antrags, den Bereich
der Freiwilligendienste auch auf Israel auszudehnen, kann
im Grunde bejaht werden. Wir haben festgestellt, dass im-
mer mehr junge Menschen auch in außereuropäischen
Ländern Freiwilligendienste erbringen wollen, die ge-
setzlichen Rahmenbedingungen dies aber nicht zulassen.
Die Bundesregierung arbeitet zurzeit an einer Überar-
beitung der Freiwilligengesetze und wird die Vorschläge
des Bundesratsentwurfs mit einarbeiten. Die Eckpunkte
dieser Novelle beinhalten eine Ausweitung der Aufga-
benfelder, die geforderte Altersabsenkung und die räum-
liche Ausdehnung auf außereuropäische Länder. Mit die-
sen Maßnahme sollen gleichzeitig mehr Stellen für
Freiwilligendienste geschaffen werden.
Es ist unbestritten, dass freiwilliges soziales und öko-
logisches Engagement zur persönlichen Entwicklung der
teilnehmenden Jugendlichen beiträgt. Sie kann ebenfalls
zur Berufsfindung und -orientierung beitragen. In einer
Welt, in der Verantwortungsbewusstsein, Offenheit und
Flexibilität zur Lebensbewältigung und auch zur Lebens-
qualität beitragen, kann ein freiwilliger Dienst – auch im
Ausland – die „beste Schule fürs Leben“ sein.
Im Jahr des Ehrenamtes bekommt eine Novelle des
Freiwilligengesetzes eine weitere wichtige Dimension:
Eine Bürgergesellschaft braucht engagierte junge Men-
schen. Wir wollen ihnen mit einer Reform der Gesetze die
richtigen Rahmenbedingungen für den Einstieg ins Ehren-
amt schaffen. Der vorliegende Gesetzentwurf wird in der
Novelle seine entsprechende Berücksichtigung finden.
Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Zukunft unseres Landes und unserer Demokratie wird
wesentlich davon abhängen, ob sich eine lebendige Zivil-
gesellschaft entwickelt. Freiwilliges Engagement ist Teil
des „sozialen Kitts“, der die Gesellschaft zusammenhält.
Dies gilt gerade für das Engagement junger Menschen im
Freiwilligendienst.
Im Internationalen Jahr der Freiwilligen ist die Verbes-
serung der Rahmenbedingungen für freiwilliges Engage-
ment angesagt. Das werden meine Fraktion und die Kol-
leginnen und Kollegen der SPD mit der Novellierung der
FSJ- und FÖJ-Gesetzgebung umsetzen.
Es gab für das freiwillige soziale und ökologische Jahr
in der Vergangenheit mindestens doppelt bis dreifach so
viele Bewerbungen junger Menschen, die sich bundes-
weit oder international engagieren wollen, wie Plätze vor-
handen sind. Auch wenn die Zahlen aktuell leicht gesun-
ken sind, sollten wir gerade dies zum Anlass nehmen, um
freiwilliges Engagement attraktiver zu machen.
Wir werden deshalb mit der Novellierung die Auswei-
tung der Tätigkeitsfelder, die Internationalisierung sowie
eine Verbesserung der sozialen und rechtlichen Absiche-
rung im Freiwilligendienst umsetzen. Wir werden die po-
sitiven Vorschläge des Bundesrates hier aufnehmen.
Meine Fraktion begrüßt den Antrag; wir wollen aber
mehr.
Freiwilligendienste sind keine Arbeitsdienste; Freiwil-
ligendienste sind und bleiben Lerndienste. Alles andere
hätte aus jugendpolitischer Sicht nachhaltig negative
Konsequenzen.
Bündnis 90/Die Grünen lehnen es deshalb ab, Jugend-
lichen im Namen des Gemeinwohls das Gefühl zu geben,
als „billige Arbeitskraft“ oder eben als „sozialer Ausfall-
bürge“ missbraucht worden zu sein. Ich denke, das kann
keine Partei in diesem Hause wollen.
Grundlage für meine Fraktion ist der Lerncharakter des
freiwilligen Jahres. Für uns steht fest, dass Jugendliche
nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht bis zu ihrem
27. Lebensjahr in sozialen und ökologischen Bereichen
ein sozial abgesichertes freiwilliges Jahr machen können.
Wir wollen aber auch eine Öffnung für Tätigkeitsfelder im
Bereich Kultur und Sport und wir wollen einen Freiwilli-
genstatus.
Eine grundsätzliche Novelle ist schon deshalb wichtig,
da wir die soziale Absicherung von jungen Frauen und
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Männern im Ausland verbessern wollen. Für Freiwillige
im In- und Ausland gilt auch, dass das Kindergeld weiter
bezahlt wird.
Um die Erfahrungen und Kompetenzen, die Jugendli-
che im freiwilligen Jahr sammeln, auch formal verwend-
bar zu machen, wollen wir ein Zertifikat, das ihre Arbeit
dokumentiert. Freiwilliges Engagement bedeutet für viele
Jugendliche eben auch praktische Erfahrung und Orien-
tierung bei der späteren Berufswahl zu sammeln.
Die Chancen des freiwilligen Engagements im Aus-
land haben auch für uns im Inland eine sehr große und
wichtige Bedeutung. Gerade die Erfahrungen der jungen
Menschen in der Erinnerungsarbeit sind wichtig im
Kampf gegen Rechtsradikalismus. Junge Menschen, die
– wie bei Aktion Sühnezeichen – mit Holocaust-Überle-
benden arbeiten oder wichtige Aufgaben in Gedenkstätten
übernehmen, die in interkulturellen Einrichtungen in Is-
rael, in Polen oder in der Tschechischen Republik arbeiten,
leisten mit ihrem Freiwilligendienst einen entscheidenden
Beitrag zur Demokratisierung unserer Gesellschaft und
zur Völkerverständigung insgesamt.
Die Vorlage des Bundesrates möchte ich aber auch zum
Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur bei
warmen Worten der Länder zur Förderung der Freiwilli-
gendienste bleiben darf.
Bund und Länder finanzieren die Dienste. Wollen wir
also wirklich etwas zur Ausweitung der Freiwilligendiens-
te tun, müssen wir auch bereit sein, mehr Geld zur Verfü-
gung zu stellen. Dieses Geld wäre gut investiert: inves-
tiert in die Stärkung der Zivilgesellschaft und investiert in
die Erweiterung der persönlichen, aber auch beruflichen
Perspektiven junger Menschen.
Klaus Haupt (F.D.P): Das Jahr 2001 ist von den Ver-
einten Nationen zum Jahr der Freiwilligen ausgerufen
worden. In Deutschland ist die Bereitschaft zum freiwil-
ligen Engagement in großem Maße vorhanden. Ohne eh-
renamtlichen oder freiwilligen Einsatz der Menschen in
unserem Land ist unsere Gesellschaft nicht lebensfähig.
Auch die Demokratie lebt von der freiwilligen Mitarbeit
der Bürgerinnen und Bürger.
Besonders wichtig ist dabei das Engagement der jun-
gen Menschen. Sie sind bereit, sich sozial und ökologisch
zu engagieren, wenn sie dabei das Gefühl haben, etwas
Sinnvolles und Erfolgversprechendes zu tun. Für die ge-
setzlich geregelten Freiwilligendienste gibt es mehr Be-
werber als freie Stellen. Die Zahl der geförderten Jugend-
lichen hat sich in den letzten acht Jahren fast verdoppelt.
Die F.D.P. begrüßt, dass nun mit der vorliegenden Bun-
desratsinitiative zwei Kritikpunkte an der bisherigen Ge-
setzgebung zum freiwilligen sozialen bzw. ökologischen
Jahr ausgeräumt werden: Einerseits wird die Altersgrenze
vereinheitlicht und auf die Dauer der Vollzeitschulpflicht
abgestimmt. Das ermöglicht auch Hauptschülern, unmit-
telbar im Anschluss an die Schule ein solches Freiwilliges
Jahr abzuleisten. Wir meinen, dass gerade Jugendliche
mit Hauptschulabschluss verstärkt die Chance haben soll-
ten, sich – auch im Ausland – sozial zu engagieren. Ge-
rade für die weniger privilegierten Jugendlichen ist dies
eine Möglichkeit, Solidarität, Toleranz, Selbstbewusst-
sein und Eigeninitiative zu trainieren.
Das andere durch die vorliegende Initiative bewältigte
Problem ist, dass die Ableistung eines solchen Jahres auch
in Israel ermöglicht wird. Bisher ist dies nur im europä-
ischen Ausland möglich. Beide Forderungen finden un-
sere Unterstützung. Das alleine reicht jedoch nicht.
Es muss ein umfassendes Gesetz zur Regelung der
Freiwilligendienste folgen. Die F.D.P. bedauert deshalb,
dass die Bundesregierung mit der Vorlage eines Referen-
tenentwurfs noch nicht weiter vorangekommen ist. So-
wohl die verhaltene Stellungnahme zum vorliegenden
Bundesratsentwurf als auch zur Kleinen Anfrage meiner
Fraktion zum Thema Freiwillige Dienste klingen durch-
aus vage.
Gerade die Freiwilligendienste im Ausland sind aber
nicht einfach über das Freiwillige soziale bzw. ökologi-
sche Jahr allein zu regeln, sondern finden derzeit Grund-
lagen auch zum Beispiel im Zivildienstgesetz. Zivildienst
und freiwillige soziale Dienste dürfen aber nicht ver-
mischt werden. Hier halten wir Liberalen ein grundlegen-
des Gesetz zu den Freiwilligen Diensten für angezeigt,
dass den unterschiedlichen Bedürfnissen in den verschie-
denen Diensten differenziert gerecht wird. Es sollte auch
die soziale Absicherung regeln, darf aber keinesfalls zur
Sozialversicherungspflicht führen. Denn: Freiwillige sind
keine Arbeitnehmer.
Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, ihren für
dieses Jahr versprochenen Referentenentwurf möglichst
bald vorzulegen. Lassen Sie uns gemeinsam alles tun, um
das freiwillige Engagement von Jugendlichen zu unter-
stützen und zu fördern!
Sabine Jünger (PDS): Die Probleme der Freiwilli-
gendienste sind seit langem bekannt. Wir alle warten da-
her seit geraumer Zeit auf das angekündigte Freiwilligen-
gesetz, das die verschiedenen Dienste einheitlich regelt
und vor allem die Situation der jugendlichen Teilnehme-
rinnen und Teilnehmer verbessert. Leider legt die Bun-
desregierung außer leeren Versprechungen und gelegent-
lichen Pressemitteilungen zum Jahr der Freiwilligen
nichts vor.
Wer Freiwilligendienste wirklich stärken will, der
sollte das nicht nur bei jeder Gelegenheit laut sagen, son-
dern dem auch entsprechende Taten folgen lassen. Aktu-
ell fährt der Zug hinter den Kulissen jedoch in die völlig
entgegengesetzte Richtung. Die Bundesjugendministerin
Frau Dr. Bergmann und ihr Ministerium fordern in der Öf-
fentlichkeit immer wieder, dass mehr Haupt- und Real-
schülerinnen und -schüler an den Freiwilligendiensten
teilnehmen sollen. Das gleiche Ministerium hat unlängst
eine Verfügung erlassen, die bereits ab 1. September die-
ses Jahres die Bedienungen für die gesetzlich festgelegte
pädagogische Betreuung der Freiwilligen im ökologi-
schen Jahr verschlechtert. Ab dann soll eine pädagogische
Fachkraft nicht mehr wie bisher 35 Jugendliche betreuen,
sondern 40 (vierzig!). Wie um alles in der Welt wollen Sie
denn unter diesen Bedingungen 15- oder 16-jährigen so-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117492
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zial benachteiligten Jugendlichen in den Kursen gerecht
werden?
Aber es kommt ja noch dicker: Bestätigten Informatio-
nen zufolge denkt die Bundesregierung derzeit darüber
nach, die Zuschüsse für die Seminare im freiwilligen öko-
logischen Jahr von 280 DM pro Teilnehmerin um über die
Hälfte auf 130 DM zu kürzen. Damit hat sich die Bil-
dungsarbeit ohnehin quasi erledigt, weil die Trägerver-
eine keine angemessenen Tagungsräume mehr finanzie-
ren können.
Es ist doch nicht damit getan, einfach die Grenzen für
das Zugangsalter zu den freiwilligen Jahren zu senken,
wie es auch der Bundesrat im vorliegenden Gesetzent-
wurf beabsichtigt. Je jünger die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer sind und je kürzer ihre Schulbildung, desto
mehr Gewicht liegt doch auf der pädagogischen Beglei-
tung. Das freiwillige soziale Jahr und das freiwillige öko-
logische Jahr sind ein Bildungsangebot für Jugendliche.
Den jungen Freiwilligen werden hier wichtige soziale Er-
fahrungen vermittelt. Gleichzeitig leisten sie der Gesell-
schaft mit ihrer Arbeit einen großen Dienst. Sie haben es
nicht verdient, dass man ihr Engagement kaputtspart oder
dass sie als Manövriermasse wahlweise die Lücken in un-
serem sozialen Netz stopfen sollen oder die Statistiken der
Jugendarbeitslosigkeit schönen, weil sie ein Jahr lang
dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. In diesem
Zusammenhang wende ich mich ausdrücklich gegen die
geplante Verlängerung der Höchstdauer des freiwilligen
ökologischen Jahres auf 18 Monate. Ein jugendpoliti-
sches Programm soll Jugendliche befähigen und nicht
parken!
Die Diskussion um die Neuregelung der Freiwilligen-
dienste tobt ja nun seit einiger Zeit und in ihrem Verlauf
werden immer neue Begehrlichkeiten laut. Ich fordere die
Bundesregierung deshalb nachdrücklich auf, jetzt endlich
ein Gesetz vorzulegen, das diese Dienste stärkt und die
beteiligten Jugendlichen materiell und sozial deutlich
besser stellt.
Dr. Friedhelm Repnik, Minister (Baden-Württem-
berg): Die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft hängt
entscheiden davon ab, ob es gelingt, den Bürgerinnen und
Bürgern klar zu machen, dass der Staat nicht alles für sie
richten kann. Im Gegenteil: Unserem föderalen Staatssys-
tem liegt das Prinzip der „Subsidiarität“ zu Grunde. Das
bedeutet vereinfacht gesagt: so viel Eigenverantwortung
wie möglich und nur so viel Staat wie nötig. Unsere Ge-
sellschaft ist angesichts der anstehenden sozialen und de-
mographischen Herausforderungen ohne den aktiven Ein-
satz ihrer Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl in
den kommenden Jahren und Jahrzehnten nicht zukunfts-
fähig. Das heißt aber auch auf Seiten der Politik den Men-
schen Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben, Gestaltungs-
spielräume zu eröffnen und Verantwortung zu übertragen.
Den jungen Menschen wird durch Wehr-, Zivil- und
Freiwilligendienste bewusst, dass eine funktionierende
Gesellschaft mehr ist als die Summe aller Individuen.
Jedes Jahr leisten alleine in Baden-Württemberg über
15 000 junge Männer ihren Zivildienst und knapp
2 300 junge Menschen ihr freiwilliges soziales und öko-
logisches Jahr in Bereichen ab, in denen sie sonst ver-
mutlich nie gearbeitet hätten. Viele lernen Schattenseiten
des Lebens kennen. Sie arbeiten mit Menschen, die sie
sonst möglicherweise gar nicht wirklich wahrgenommen
hätten. Bei all dem erleben sie Hoffnungen, Erfolge und
Freude genau so wie Enttäuschungen, Rückschläge und
Trauer. Sie engagieren sich in konkreten Projekten für den
Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Ich bin fest
überzeugt, dass diese Dienste prägenden Einfluss auf die
Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen haben. Da-
rauf sollte eine Gesellschaft nicht verzichten. Viele junge
Menschen engagieren sich nach ihrem Zivildienst oder
freiwilligen Jahr weiter oder ergreifen sogar einen Beruf
im sozialen Bereich. Angesichts des Fachkräftebedarfs in
den Pflegeberufen ist dies ein nicht zu unterschätzender
Nebeneffekt.
Ich sehe deshalb die Gefahr, dass mit der derzeitigen
Aushöhlung von Wehr- und Ersatzdienst dieses gesell-
schaftliche Engagement schwindet. Einer zunehmenden
Individualisierung muss jedoch gegengesteuert werden.
Wir dürfen nicht reduziert werden auf eine „Spaßgesell-
schaft“, in der alte, kranke und behinderte Menschen aus
der öffentlichen Wahrnehmung ausgeblendet werden.
Daher müssen wir vollkommen unvoreingenommen
prüfen, ob bei einer weiteren Erosion von Wehr- und Zi-
vildienst nicht die Einführung eines verpflichtenden Ge-
sellschaftsjahres eine Alternative bieten könnte. Hierzu
habe ich die dazu notwendige Diskussion auf Landes-
ebene bereits angestoßen: Natürlich müssen wir die viel-
fach geäußerten Bedenken gegen ein Pflichtjahr, z. B. die
verfassungsrechtlichen Fragen, ernst nehmen. Anderer-
seits gilt es aber auch den Nutzen zu verdeutlichen. In der
konkreten Ausgestaltung geht es darum, gerechte Lösun-
gen zu finden. Es gilt zum Beispiel die unterschiedlichen
Lebenssituationen junger Frauen und Männer zu berück-
sichtigen. Eine kurzfristige Realisierung ist daher nicht zu
erwarten. Dennoch sollten wir den Mut zu einer unvor-
eingenommenen öffentlichen Diskussion haben.
Zunächst müssen wir uns aber auf diejenigen Bereiche
konzentrieren, in denen es uns bereits heute möglich ist,
erste konkrete Schritte zur Verbesserung der Rahmenbe-
dingungen für freiwilliges soziales Engagement in die
Wege zu leiten.
Baden-Württemberg ist da auf einem guten Weg. Al-
lein in den letzten fünf Jahren haben wir gemeinsam mit
Landkreisen, Städten und Gemeinden ein Landesnetz-
werk zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements
aufgebaut. Auf kommunaler Ebene fördern wir Anlauf-
stellen für bürgerschaftliches Engagement, örtliche und
überörtliche Kooperationsprojekte sowie Schulungen und
Fortbildungsangebote.
Erfolgreich sind wir dann, wenn wir auch die Genera-
tion der Jugend erreichen. Das freiwillige soziale Jahr wie
auch das vor zehn Jahren eingeführte freiwillige ökologi-
sche Jahr sind für mich sozialpolitisch wichtige Instru-
mente. Die Jugend erhält die Chance, hautnah zu erleben,
dass das Leben weder im virtuellen Raum des Internets
stattfindet noch sich auf rein ökonomische Größen wie
Konsum, berufliche Karriere und globalen Wettbewerb
reduzieren lässt. Ich kann mir kaum einen besseren Weg
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vorstellen, die Werteordnung in unserer Gesellschaft zu
vermitteln, weil sie so unmittelbar erlebbar wird.
Jeder fünfte Teilnehmer am FSJ kommt aus Ba-
den-Württemberg. Darauf sind wir stolz. Andererseits ist
die Zahl von 2 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern
durchaus noch ausbaufähig. Bei noch genauerer Be-
trachtung stellen wir nicht nur fest, dass die Mehrzahl
junge Frauen sind, sondern sich überwiegend Abiturien-
tinnen um einen FSJ-Platz bewerben. Meine Ziele sind:
Erstens noch mehr Jugendliche für ein FSJ/FÖJ zu be-
geistern, zweitens die faktisch vorhandene Exklusivität
des Programms für Abiturienten aufzubrechen und drit-
tens das Angebot an FSJ-Stellen auszuweiten und zu ver-
breitern.
Die von der Baden-Württembergischen Landesregie-
rung eingebrachte Bundesratsinitiative zielt darauf ab, die
Zugangsvoraussetzungen zur Teilnahme am FSJ/FÖJ zu
erleichtern. Jeder Jugendliche und junge Erwachsene, der
dazu bereit ist, soll die Chance zur Teilnahme an diesem
Programm bekommen. Kern der Ihnen vorliegenden Ge-
setzesinitiative ist es daher, das Mindestalter für das FSJ
und FÖJ de facto um ein Jahr herabzusetzen. Damit kön-
nen auch Haupt- und Realschüler nach Ableistung ihrer
Vollzeitschulpflicht verstärkt von dem Programm ange-
sprochen werden.
Gerade Hauptschüler – aber auch Realschüler –
stecken mit 17 Jahren häufig mitten in der Ausbildung. Da
wäre ein Abbruch für das freiwillige soziale Jahr unsinnig.
FSJ und auch FÖJ setzen aber genau in der Phase zwi-
schen Schulabschluss und Berufsausbildung an. Jugend-
liche erhalten damit die Möglichkeit, die Zeit der
Lehrstellen- oder Studienplatzsuche sinnvoll zu nutzen.
Das FSJ kann einen wichtigen Beitrag in der für junge
Menschen oft schwierigen Phase der beruflichen Orien-
tierung leisten. Neben der praktischen Arbeit mit und für
Menschen bietet das FSJ begleitende Bildungsseminare
sowie eine pädagogische Betreuung. Das FSJ ermöglicht
so in der Praxis soziales Lernen, stärkt die soziale Kom-
petenz der Teilnehmer und verbessert dadurch auch die
berufliche Zukunftsperspektive. In vielen Gesprächen mit
Vertretern der Industrie höre ich, dass den jungen Men-
schen, ob Auszubildende oder nach dem Studienab-
schluss, das fehlende Fachwissen im Beruf vermittelt
werden kann. Über Defizite wird dagegen im Bereich der
sozialen Kompetenz und der Teamfähigkeit geklagt.
Neben der Gesetzinitiative werden wir in Baden-Würt-
temberg gemeinsam mit unseren Partnern nach Wegen su-
chen, das freiwillige soziale Jahr noch attraktiver auszuge-
stalten. Dazu gehört, die Einsatzbereiche zu überdenken
und die mit dem Engagement verbundene Anerkennung zu
steigern. So könnte ich mir beispielsweise vorstellen, dass
die Absolvierung eines FSJ auch bei der Arbeitssuche zu
einem Qualifikationsmerkmal wird.
Darüber hinaus wird auch der Staat Israel als Einsatzort
zugelassen, um auch auf diesem Weg zur Völkerverstän-
digung beizutragen. Um es Einrichtungen und Verbänden
noch schmackhafter zu machen, auch geeignete Stellen
anzubieten, hatte ich außerdem vorgeschlagen, die jetzt
noch sehr starren Regeln für die begleitenden Bildungs-
seminare zu flexibilisieren. Leider ist der Bundesrat die-
sem Vorschlag mehrheitlich nicht gefolgt. Trotzdem freue
ich mich sehr, dass es im Bundesrat über die Parteigren-
zen hinweg möglich war, diese Gesetzesinitiative auf den
Weg zu bringen. Ich hoffe, dass auch der Deutsche Bun-
destag in gleicher Weise dieser guten Sache seine Zu-
stimmung erteilen kann.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Asylverfahrensgesetzes und ande-
rer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 27)
Rüdiger Veit (SPD): Zu der im PDS-Antrag ange-
sprochenen Aufenthaltspflicht für Asylbewerber gäbe es
vieles und auch Differenziertes zu sagen. Ich will nicht
einmal ausschließen, dass eine differenzierte Betrach-
tungsweise auch zu Gesetzesänderungen führen kann
oder sollte. In der von der PDS vorgeschlagenen undiffe-
renzierten Form wird jedoch eine Rechtsänderung des
Asylverfahrensgesetzes von der SPD-Fraktion im Deut-
schen Bundestag nicht mitgetragen werden.
Richtigerweise wird in der Begründung des Antrages
zwar kritisch allzu enges, um nicht zu sagen, gelegentlich
möglicherweise sogar willkürliches Verwaltungshandeln
angesprochen. Dass es auch anders und sinnvoll geht, so
wie es im § 58 Abs. 6 Asyl VG vorgesehen ist, zeigt das al-
les in allem praxisbezogene Verwaltungshandeln in einigen
Bundesländern. Dort wird von der gesetzlichen Möglich-
keit Gebrauch gemacht, die Aufenthaltsbeschränkungen
für Asylbewerber eben nicht nur auf die jeweilige Kom-
mune bzw. den jeweiligen Landkreis zu beschränken, son-
dern auf größere Gebiete. Damit entfällt dann weitestgehend
das in der Tat verwaltungsaufwendige Genehmigungs-
verfahren, und die Gefahr, sich bei Verstößen gegen die
Aufenthaltspflicht strafbar zu machen, ist demgemäß
auch für die Asylbewerber gering.
So hat beispielsweise Hessen den zulässigen Aufent-
haltbereich auf den jeweiligen Regierungsbezirk ausge-
dehnt, Rheinland-Pfalz erlaubt den Aufenthalt in einem
Gebiet, das den früheren Regierungsbezirken entspricht,
Nordrhein-Westfalen hat durch Runderlass ebenfalls die
Regierungsbezirke als regionale Begrenzung gewählt und
in Bremen ist der Aufenthalt auch in den angrenzenden
Landkreisen Niedersachsens erlaubt.
Das heißt im Übrigen: Diejenigen Bundesländer, die
eine flexiblere und weniger verwaltungsaufwendige Lö-
sung wollen, haben von dieser gesetzlichen Möglichkeit
bereits Gebrauch gemacht, und es steht keinesfalls zu er-
warten, dass die anderen Bundesländer, die dies eben an-
ders sehen, einer entsprechenden Rechtsänderung im
Bundesrat zustimmen würden.
Aus den genannten Gründen wird es wohl auch nach
der heutigen zur Debatte stehenden Überweisung des
PDS-Antrages und nach den Beratungen im Innenaus-
schuss zu einem anderen Ergebnis nicht kommen können.
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Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU): Der von der PDS
vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asyl-
verfahrensgesetzes und anderer Vorschriften ist ein typi-
scher PDS-Antrag. Er geht an der Realität vorbei und ist
darauf angelegt, die Zuwanderung nach Deutschland zu
erhöhen. Aber was will man von der PDS auch anderes er-
warten als solche Anträge, die an die Substanz und das
Selbstverständnis Deutschlands gehen? Es gibt natürlich
sehr viel schlimmere Beispiele, aber dies hier ist ein wei-
teres Mosaiksteinchen. Denn machen wir uns nichts vor:
Würde dieser Gesetzentwurf umgesetzt, würde er gerade
bei denen, die sich zu Unrecht auf politisches Asyl in
Deutschland berufen wollen, ein völlig falsches Signal
setzen.
Weshalb kommen so viele Armuts- und Wirtschafts-
flüchtlinge nach Deutschland? Weshalb haben 85 Prozent
von denen, die nach Deutschland flüchten und sich auf po-
litisches Asyl berufen, tatsächlich keinen Anspruch darauf?
Es liegt daran, dass Deutschland mit seinem Sozialleis-
tungssystem und seinen Aufenthaltsregelungen während
des Asylverfahrens, auch wenn letztlich dann doch kein
Anspruch auf Asyl besteht, eine Spitzenposition in Europa
einnimmt.
Die nach dem derzeitigen Asylverfahrensgesetz gel-
tende räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung
für Asylsuchende während der Dauer des Asylverfahrens
kommt schließlich nicht von ungefähr. Die Bestimmungen
sind im Zuge der Asylrechtsreform, des Asylkompromis-
ses des Jahres 1993, eingefügt worden. Sie gehörten zu ei-
nem Gesamtkonzept von Regelungen mit restriktivem
Charakter, die der Beschleunigung des Asylverfahrens die-
nen, gleichzeitig aber auch abschreckend auf potenzielle
Wirtschaftsflüchtlinge wirken sollen. Die gesetzlich ange-
ordnete räumliche Beschränkung des Aufenthalts geht ur-
sprünglich aber sogar noch weiter zurück. Ich weiß, jetzt
kommt wieder der Vorhalt, dann sei es Zeit, das zu ändern.
Aber Bewährtes ändert man nicht. Man ändert nur das, was
der Änderung wirklich bedarf.
Einer Änderung bedarf – und darüber sind sich ja wohl
alle Parteien in diesem Hause einig – die Frage der Be-
grenzung und der Steuerung der Zuwanderung. Wir müs-
sen das Ausländerrecht völlig überarbeiten. CDU und
CSU haben dazu bereits ein entsprechendes Gesamtkon-
zept vorgelegt, das wir auch hier im Bundestag einbringen
und diskutieren werden. Wir warten allerdings auch noch
darauf, dass die Bundesregierung bzw. die Regierungsko-
alition endlich ebenfalls ihre Vorstellungen für die Ge-
staltung der Zuwanderung in den künftigen Jahren vorle-
gen. Bisher haben wir leider noch nichts gesehen.
Es ist deshalb müßig, über den PDS-Antrag, der heute
auf dem Tisch liegt, zu sprechen. Zum einen geht er in die
falsche Richtung, er dient nämlich in keiner Weise der Be-
grenzung der Zuwanderung. Zum anderen gehören Ände-
rungen in ein Gesamtkonzept, in ein gesetzliches Maß-
nahmepaket, das alle Fragen des Ausländerrechts, des
Asylrechts, der Zuwanderung nach Deutschland, auch aus
arbeitsmarktpolitischen Gründen, umfasst.
In ein solches Konzept gehören zuallererst Maßnah-
men, mit denen die ungeregelte Zuwanderung nach
Deutschland eingedämmt und reduziert wird. Nach unse-
ren Vorstellungen kann man das zunächst auch ohne eine
Grundgesetzänderung versuchen. Ich gehe allerdings da-
von aus, dass einfachgesetzliche Regelungen zur Verfah-
rensbeschleunigung, zur schnelleren Beendigung des un-
rechtmäßigen Aufenthalts und auch zur Ausgestaltung des
Asylverfahrens im Ergebnis nicht viel bringen werden.
Nur mit einer Umwandlung des Grundrechts auf Asyl in
eine institutionelle Garantie und einer gleichzeitigen Än-
derung der Rechtswegegarantie werden letztlich mess-
bare Erfolge zu erzielen sein. Nur so wird es möglich sein,
zu einer deutlichen Reduzierung des Asylmissbrauchs zu
kommen. Dennoch bin ich bereit, den Versuch mitzutra-
gen, mit Änderungen unterhalb des Grundgesetzes die
Zuwanderung nach Deutschland zu begrenzen.
Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Die von der
PDS beantragte Gesetzesänderung ist falsch und würde
nur Nachteile bringen. Es ist deshalb nicht angezeigt, sich
sehr intensiv damit auseinander zu setzen. Sehr notwen-
dig ist es aber, sich mit einem umfassenden Konzept zur
Begrenzung und Steuerung der Zuwanderung auseinan-
der zu setzen. Jedwede Diskussion um Teiländerungen ist
deshalb momentan fehl am Platz. Änderungen müssen in
ein Gesamtkonzept eingestellt werden, über das wir hier
intensiv zu beraten haben werden. Gleichzeitig sage ich
aber auch, dass bewährte Regelungen wie zum Beispiel
die räumliche Beschränkung des Aufenthalts von Asylbe-
werbern in dem neuen, umfassenden Regelwerk auch
wieder aufgenommen bzw. beibehalten werden müssen.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die sogenannte Residenzpflicht für Asylbewerbe-
rinnen und Asylbewerber stellt einen erheblichen Eingriff
in das Recht auf Freizügigkeit dar. Diese Tatsache und die
damit verbundenen Auswirkungen auf die Flüchtlinge
mahnt meine Fraktion bereits seit Jahren an.
Lassen Sie mich kurz ausführen, wie sich die räumli-
chen Beschränkungen im Alltag der Flüchtling auswir-
ken. Der Aufenthalt der Asylantragsteller ist räumlich auf
den Bezirk der Ausländerbehörde, in dem die für die
Aufnahme zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt, be-
schränkt. Grundsätzlich erlaubt ist das Verlassen des Auf-
enthaltsbereichs für Termine bei Behörden und Gerichten,
wenn das persönliche Erscheinen erforderlich ist. Für
Termine bei Rechtsanwälten, dem UNHCR der Betreu-
ungsorganisationen soll die Erlaubnis erteilt werden. Das
vorübergehende Verlassen des Aufenthaltsbereichs ist
auch aus anderen Gründen möglich, bedarf aber einer ge-
sonderten Erlaubnis. In der Regel ist die Ausländer-
behörde zuständig. Sie kann Erlaubnisse erteilen, wenn
ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende
Gründe dies erfordern oder die Versagung der Erlaubnis
eine unbillige Härte darstellen würde. Wer wiederholt ge-
gen eine Aufenthaltsbeschränkung verstößt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe be-
straft.
Da sich die meisten Asylverfahren Monate und Jahre
hinziehen, bedeutet dies für die Flüchtlinge, dass jeder
Besuch bei Verwandten, Freunden, selbst jeder Arztbe-
such vorher von der zuständigen Ausländerbehörde ge-
nehmigt werden muss, wenn der Landkreis oder Bezirk
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17495
(C)
(D)
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(B)
verlassen werden muss. Um einen Antrag bei der Auslän-
derbehörde zu stellen, müssen die Flüchtlinge in der Re-
gel längere Wege zurücklegen, die sie oft nur mit öffent-
lichen Verkehrsmitteln bewältigen können. Für diese
Anreise entstehen Kosten, die die Flüchtlinge kaum noch
aufbringen können, da sie lediglich über ein monatliches
Taschengeld von 80 DM verfügen. Nicht unerwähnt blei-
ben soll auch die unwürdige Praxis einzelner Ausländer-
behörden, für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung
Gebühren zu erheben.
Die Residenzpflicht in der oben genannten Form
schränkt das Recht auf Bewegungsfreiheit und das Recht
auf politische Beteiligung unverhältnismäßig ein. Sie
wird – auch vonseiten der Gerichte – gerechtfertigt mit
der besseren Verteilung öffentlicher Lasten und der bes-
seren Erreichbarkeit im Asylverfahren. Ein vorüberge-
hender Eingriff in die Bewegungsfreiheit während der
ersten Wochen des Aufenthalts, wenn die Mehrzahl der
Behördentermine abzuwickeln sind, ist eventuell noch ge-
rade zu rechtfertigen. Für die gesamte Dauer des Asylver-
fahrens erscheint dies aber unverhältnismäßig. Eine ge-
rechte Verteilung der Belastung der Kommunen und
Länder durch die Unterbringung und Versorgung von
Asylsuchenden ist keine hinreichende Begründung, um
einen solchen Eingriff zu rechtfertigen. Hierfür sollte
zunächst geprüft werden, andere Mittel, etwa finanzielle
Ausgleichszahlungen, möglich sind.
Unabhängig davon ist die Frage der strafrechtlichen
Sanktionierung zu bewerten. Sie führt zur Straffälligkeit
bei Taten, die nur Ausländer begehen können. Darüber hi-
naus ist das Strafrecht kein angemessenes Mittel, um die
Residenzpflicht durchzusetzen. Gegenbeispiel ist das
Wohnortzuweisungsgesetz, dem Aussiedler unterliegen.
Auch hier geht es darum, zwischen Ländern und Kom-
munen einen Lastenausgleich bei den sozialen Kosten der
Aussiedleraufnahme zu erreichen. Eine strafrechtliche
Sanktionierung beinhaltet dieses Gesetz aber nicht. Zur
Durchsetzung reicht es hier aus, dass die dem Gesetz un-
terliegenden Aussiedler ihre Sozialhilfe nur an dem Ort
erhalten können, dem sie zugewiesen sind. Der vorlie-
gende Entwurf der PDS-Fraktion zur Gesetzesänderung
bietet daher gute Anregungen für die weiteren parlamen-
tarischen Beratungen.
Dr. Max Stadler (F.D.P.): Am 4. Juli 2001 wird die
Süssmuth-Kommission ihren Abschlußbericht der Öf-
fentlichkeit vorstellen. Dies ist eine entscheidende Zäsur
für die Neuordnung der deutschen Politik in den Berei-
chen Zuwanderung, Ausländer- und Asylrecht. Die F.D.P.
hält es daher für richtig, bis dahin keine Entscheidungen
in Detailfragen mehr zu treffen, sondern diesen Politikbe-
reich mit einem Gesamtkonzept neu zu gestalten.
Dennoch liegen dem Bundestag in letzter Zeit ver-
schiedene Initiativen zur Änderung etwa auch asylverfah-
rensrechtlicher Vorschriften vor. Nach unserer Meinung
sollten all diese Detailregelungen jetzt nicht abschließend
behandelt werden. Dies gilt auch für den Gesetzentwurf
der PDS, der die Aufhebung der räumlichen Aufenthalts-
beschränkung zum Ziel hat. Jedoch gibt dieser Entwurf
Anlass für die Feststellung, dass auch die FDP diese Auf-
enthaltsbeschränkung zunehmend kritisch sieht.
Sie ist im Jahr 1982 eingeführt worden. Damals wollte
die sozial-liberale Koalition freilich nur vorübergehend
für Asylbewerber eine räumliche Beschränkung auf den
Bezirk der Ausländerbehörde vornehmen; beabsichtigt
war, den Aufenthalt für das gesamte Bundesland, in dem
der Asylbewerber Aufnahme fand, zu gestatten. Hierzu ist
es jedoch in einem Vermittlungsverfahren nicht gekom-
men. Vielmehr wurde die heute noch gültige, engere Ge-
setzesfassung beschlossen, die in der Folgezeit bei den je-
weiligen Änderungen im Asylrecht nicht mehr angetastet
worden ist.
Es stellt sich aber die Frage, ob die Einschränkung der
Freizügigkeit von Asylbewerbern noch zeitgemäß ist. Der
Verwaltungs- und Kontrollaufwand ist groß. Demgegen-
über wird der eigentliche Zweck der Vorschrift, nämlich
für eine raschere Durchführung von Asylverfahren zu sor-
gen, nicht sonderlich gefördert.
Es könnte sehr wohl bei der Wohnortzuweisung blei-
ben und dennoch gleichzeitig die Aufenthaltsbeschrän-
kung gelockert werden. Denkbar wäre, nur die länger als
eine Woche andauernde Entfernung vom Wohnort erlaub-
nispflichtig zu machen. Damit wäre der Verwaltungsauf-
wand, der jetzt bei kürzeren Reisen von Asylbewerbern
erforderlich ist, vermieden.
Organisationen wie UNHCR, Amnesty International,
DRK und das Kommissariat der Katholischen Bischöfe
haben sich daher schon in den 80er Jahren dafür ausge-
sprochen, dass jedenfalls die kurzfristige Abwesenheit
vom Aufenthaltsort straffrei bleiben sollte.
Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die F.D.P.-
Fraktion dafür eintritt, Asylbewerbern sofort eine Arbeits-
erlaubnis zu erteilen. In vielen Fällen erfordert die Auf-
nahme einer Arbeit jedoch eine gewisse Mobilität. Damit
lässt sich die derzeit geltende starre Aufenthaltsbeschrän-
kung schwerlich vereinbaren.
Ulla Jelpke (PDS): „Residenzpflicht“ ist ein Begriff
aus dem alltäglichen Leben von Flüchtlingen in Deutsch-
land. Asylsuchende werden für die Dauer des Anerken-
nungsverfahrens einer Kommune zugewiesen. Den Be-
reich der für sie zuständigen Ausländerbehörde dürfen sie
in der Regel nur dann verlassen, wenn sie vorher eine ent-
sprechende Genehmigung eingeholt haben. Jeder Besuch
bei Familienangehörigen, Verwandten oder Freunden,
jede Teilnahme an einer Veranstaltung oder Demonstra-
tion, jeder Diskothekenbesuch und jeder Schulausflug
oder jede Klassenfahrt muss, wenn dabei der Bezirk der
Ausländerbehörde verlassen wird, vorher genehmigt wer-
den. Dabei ist die Praxis der einzelnen Ausländerbehör-
den sehr unterschiedlich: Was der eine Sachbearbeiter ge-
nehmigt, wird vom anderen Sachbearbeiter abgelehnt.
Wer sich ohne Genehmigung außerhalb des Bezirks „sei-
ner“ Ausländerbehörde aufhält, verstößt damit gegen das
Gesetz. Beim ersten Mal ist es „nur“ eine Ordnungswid-
rigkeit, die allerdings mit einer Geldbuße bis zu 5 000 DM
geahndet werden kann. Im Wiederholungsfall stellt der
Verstoß gegen die „Residenzpflicht“ sogar eine Straftat
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117496
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dar. Diese kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
einer entsprechenden Geldstrafe bestraft werden.
Es handelt sich hierbei also um eine typische „Auslän-
derstraftat“, nämlich um ein Vergehen, das ein Deutscher
gar nicht begehen kann. Deutsche können sich im Bun-
desgebiet frei bewegen, ihren Aufenthaltsort frei wählen.
Ausländer, die nicht angeworbene Informatik-Spezialis-
ten, sondern vor Verfolgung Schutz suchende Menschen
sind, dürfen dies nicht. Auch dies bläht die Kriminalstatis-
tik zulasten von Ausländerinnen und Ausländern auf.
Allerdings war die Bundesregierung, wie sie in ihrer
Antwort auf eine von mir initiierte Kleine Anfrage mit-
teilte, nicht in der Lage, genaue Zahlen zu nennen. Aber
einige Angaben lassen wenigstens die Größenordnung ah-
nen: Nach der Statistik des Bundesgrenzschutzes über
dessen grenz- und bahnpolizeiliche Tätigkeit wurden bei
Aufgriffen, die nicht direkt an der Grenze, sondern im
Landesinnern erfolgten, im Jahre 1999 insgesamt 7 100
Straftaten sowie 6 001 Ordnungswidrigkeiten gegen das
Asylverfahrensgesetz registriert; im Jahre 2000 waren es
6 823 Straftaten und 7 648 Ordnungswidrigkeiten. Erfah-
rungsgemäß dürfte ein erheblicher Teil davon Verstöße
gegen die „Residenzpflicht“ betreffen. Da werden also
Hunderte von Menschen kriminalisiert und mit Verfahren
überzogen, weil sie ein ureigenes Menschenrecht ausüben
wollten, nämlich sich innerhalb eines Landes frei zu be-
wegen.
Die „Residenzpflicht“ wird von den Betroffenen zu
Recht als unverhältnismäßige Beschränkung ihrer Bewe-
gungsfreiheit empfunden. Auch wenn die – rötlich-
grüne! – Bundesregierung wie ihre Vorgängerin behaup-
tet, die „räumliche Beschränkung des Aufenthalts von
Asylbewerbern dient der zügigen Durchführung des Ver-
fahrens und stellt keine Diskriminierung der betroffenen
Personen dar“, ist es doch richtig, dass kein Asylverfah-
ren dadurch schneller abläuft, dass man den Flüchtlingen
die Bewegungsfreiheit raubt. Richtig ist doch auch, dass
nur Ausländer dieser „Residenzpflicht“ unterliegen und
nicht ein einziger Deutscher. Das ist eine geradezu klassi-
sche Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit.
Die PDS-Bundestagsfraktion hat die Forderungen der
Flüchtlinge und der Hilfsorganisationen aufgenommen
und einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der einschlägi-
gen Bestimmungen eingebracht. Der Gesetzentwurf sieht
vor allem die Streichung der §§ 56 bis 59 des Asylverfah-
rensgesetzes wie auch der entsprechenden Straf- und Ord-
nungswidrigkeitsregelungen vor. Damit beenden wir die
grundlose Kriminalisierung von Menschen, das faktische
„Wegsperren“ während des Asylverfahrens. Lassen Sie
uns gemeinsam diese Relikte staatlichen Rassismus be-
seitigen!
In fantasievollen Aktionen haben Flüchtlinge und deut-
sche Unterstützerinnen und Unterstützer gegen die rassis-
tische Residenzpflicht protestiert. Den Kolleginnen und
Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darf
ich ins Gedächtnis rufen: Auch viele Mitglieder Ihrer Par-
tei waren dabei. Ihr Landesverband Berlin hat gefordert:
Bewegungsfreiheit für alle! Ich bin gespannt darauf, wie
Sie sich hier im Deutschen Bundestag zu dieser Forde-
rung verhalten werden.
Lassen Sie mich gerade in diesem Zusammenhang
noch kurz auf einen weiteren Gesetzentwurf eingehen:
Ausgerechnet die beiden rot-grün regierten Bundesländer
Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben im Bundesrat
dafür gesorgt, dass die Länderkammer einen Gesetzent-
wurf beschlossen hat, mit dem die „Residenzpflicht“ auf
weitere Gruppen ausgeweitet werden soll. Die Bewe-
gungsfreiheit soll nicht nur für Asylsuchende, sondern
auch für all diejenigen Ausländerinnen und Ausländer
eingeschränkt werden, die keine förmliche Aufenthalts-
genehmigung besitzen. Gemeint sind vor allem Men-
schen, die eine „Duldung“ haben, weil sie nicht abge-
schoben werden können.
Der Bundesrat begründet dies offiziell damit, dass die
„Aufnahmelast“ gleichmäßig auf die Länder und Kom-
munen verteilt werden solle. Verschwiegen wird: Das
geht auch ohne Hin- und Her-Karren von Menschen. Die
Kosten für Unterbringung und Versorgung könnten bun-
desweit ausgeglichen werden. Dafür gibt es sogar schon
ein Vorbild im Bundessozialhilfegesetz: In § 108 wird ein
Lastenausgleich unter den Sozialhilfeträgern geregelt.
Diese Bestimmung bräuchte man nur auf Ausländerinnen
und Ausländer ohne Aufenthaltsstatus auszuweiten.
Noch einmal: Lassen Sie uns für die Interessen der
Flüchtlinge handeln und die „Residenzpflicht“ endlich
abschaffen!
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über
rechtliche Rahmenbedingungen für den elektro-
nischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Ge-
schäftsverkehr-Gesetz – EGG) (Tagesordnungs-
punkt 28)
Hubertus Heil (SPD): Deutschland ist ein Land, das,
für die Anforderungen des elektronischen Geschäftsver-
kehrs im 21. Jahrhundert gut gerüstet ist. Die informati-
onstechnischen Bedürfnisse der so genannten „New Eco-
nomy“ und die der so genannten „Old Economy“ wachsen
immer weiter zu einer „Whole Economy“ zusammen und
laufen lange schon nicht mehr nur parallel oder gar ent-
gegengesetzt.
Die Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion
sehen die veränderten Bedürfnisse, die durch das Internet
Einzug in die Geschäftswelt halten, und reagieren darauf
mit tief greifenden Reformen. Unter anderem mussten
und müssen wir unser Zivil- und Prozessrecht sowie die
Steuergesetzgebung weiterentwickeln. Wir schaffen also
einen soliden und flexiblen neuen Ordnungsrahmen. Das
uns heute vorliegende Gesetz ist dafür ein zentraler Re-
formschritt.
In punkto Internetwirtschaft können wir für Deutsch-
land heute erfreulicherweise feststellen: Erstens. Die
technische und die rechtliche Infrastruktur für die Wirt-
schaft werden immer besser. Zweitens. Das Know-how
und die Zahl der Fachleute wachsen ständig. Drittens. Die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17497
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Zahl der Haushalte mit Internetzugang hat die höchsten
Zuwachsraten und steigt ständig weiter.
Immer mehr Menschen entdecken das Medium Inter-
net und ihr Interesse dafür. Sowohl im Business-to-Busi-
ness als auch im Business-to-Customer-Bereich wächst
die Anzahl und die Bandbreite der Transaktionen ständig.
Die Konsolidierungen am neuen Markt haben ein
neues Zeitalter für das Internet als Marktplatz eingeleitet.
Die Kindertage des neuen Mediums sind vorbei. Man
könnte sagen: Der Ernst des Lebens im Internet hat be-
gonnen. Das mag in vielerlei Hinsicht hart sein, aber es ist
auch eine unvergleichliche Chance. Heute träumt nie-
mand in der Branche mehr von Millionenbeträgen im
Handumdrehen. Umso mehr werden die tatsächlichen und
längerfristigen Wertschöpfungspotenziale der digitalen
Ökonomie deutlich.
Für den erwachsenen Marktplatz Internet passen wir
nun die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die speziel-
len Anforderungen des Mediums an. Ein ganzer Katalog
von Reformen und Veränderungen wurde in Angriff ge-
nommen. Einige Neuerungen sind bereits erfolgreich um-
gesetzt, andere werden zügig vorbereitet. Die E-Com-
merce-Richtlinie der EU ist in dieser Reihe sicherlich
einer der tragenden Bausteine. Mit der Umsetzung der
EU-Richtlinie im Gesetz über rechtliche Rahmenbedin-
gungen für den elektronischen Geschäftsverkehr, EGG, in
deutsches Recht, unternehmen die Bundesregierung und
der Deutsche Bundestag einen wichtigen Schritt nach
vorn. Mit dieser Richtlinie werden die innereuropäischen
Regelungen für Dienstleistungen, die auf elektronischem
Wege angeboten werden, angeglichen. Damit werden die
wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen
des E-Commerce auf allen Ebenen für Anbieter und Ver-
braucher gleichermaßen geschaffen, gesichert und verein-
heitlicht.Von den Veränderungen durch die Umsetzung
dieser EU-Richtlinie in deutsches Recht sind das Tele-
dienstedatenschutzgesetz und die Zivilprozessordung be-
troffen.
Wichtigster Eckpfeiler der neuen Regelung ist das so
genannte Herkunftslandprinzip. Der Regierungsentwurf
sieht vor, dass prinzipiell das deutsche Recht für deutsche
Anbieter im E-Commerce zum Tragen kommt. Agieren
deutsche Anbieter auf europäischen Märkten, kann im
Einzelfall das ausländische Recht angewandt werden, so-
fern es für den deutschen Anbieter günstiger ist. Auf jeden
Fall gilt für alle Beteiligten, dass keine Bestimmung des
internationalen Rechts zum Tragen kommt, die mehr for-
dert als die entsprechende deutsche Bestimmung. Damit
schaffen wir optimale Wettbewerbsbedingungen für un-
sere Unternehmen durch verlässliche Rechtssicherheit,
ohne dass die Beschränkung des Herkunftslandsprinzips
in Kauf genommen werden müssen. Eine uneinge-
schränkte Umsetzung dieses Prinzips könnte nämlich zur
Folge haben, dass deutsche Anbieter im Ausland mehr
Einschränkungen unterliegen, als ihre ausländischen Mit-
bewerber auf dem gleichen Markt. Wenn unterschiedliche
rechtliche Maßstäbe auf einem Markt angewendet wer-
den, lassen sich Ungerechtigkeiten im Wettbewerb nicht
vermeiden. Eine solche Benachteiligung kann nicht in
deutschem Interesse sein, aber auch nicht in europä-
ischem. Schließlich sollen rechtliche Rahmenbedingun-
gen nicht zum Standort- und Konkurrenzfaktor innerhalb
der EU werden. Gleichzeitig ist eine einfache Regelung
wichtig. Schließlich ist nicht jedes Unternehmen, dass das
Internet nutzt, automatisch auch international aktiv.
Darüber hinaus wird ein weiterer, wichtiger Faktor des
E-Commerce abgedeckt. Der Handel im Internet be-
schränkt sich nicht auf materielle Güter und Versandhandel.
Beim Stichwort E-Commerce denken viele noch immer
ausschließlich an Online Buchläden und Großhandels-
plattformen. Ein anderes Gut, das schon jetzt das Internet
prägt und es zukünftig ökonomisch bestimmen wird, ist
die Information. Das Internet ist eine multimediale Platt-
form und ein Informationsmedium. Die Ware Information
muss anderen Regelungen und Bestimmungen unterlie-
gen als Konsumgüter und Handelswaren. Die Vermark-
tung von redaktionell aufbereiteten Informationen im In-
ternet hat eine große Zukunft. In diesem Jahr fand die
erste Fachmesse für Streaming-Media statt und fernseh-
verwandte Informationsdienste auf Basis des Internets
sind nur eine Frage der Zeit.
Der Entwurf des EGG geht auf diese zukünftigen An-
forderungen ein und bereitet die rechtliche Basis dafür
vor.
Der Regierungsentwurf zum Elektronischer Geschäfts-
verkehr-Gesetz basiert auf dem deutschen Teledienstege-
setz, TDG, das prägender Faktor für die EU-Richtlinie des
EGG war. Das TDG ist in Deutschland eng mit dem Me-
diendienste-Staatsvertrag verbunden, der die Kompetenzen
der Landesmedienanstalten regelt. Durch diese Verknüp-
fung fallen mediale Angebote im Internet künftig klarer un-
ter die Mediengesetzgebung. Durch die Zuständigkeit der
Länder für den Rundfunk ist eine Änderung auf Länder-
ebene des Mediendienste-Staatsvertrags notwendig. Die-
ser Änderungs-Staatsvertrag ist wort- und inhaltsgleich
mit den Änderungen zum Teledienstegesetz. Beides tritt
zeitgleich in Kraft und stellt so eine einheitliche Umset-
zung und Einhaltung bestehenden Rechts sicher. Es ist zu
erwarten, dass der E-Commerce durch die verbesserten
rechtlichen und gesetzlichen Bedingungen einen weiteren
deutlichen Aufschwung erfährt. Besonders der Punkt der
verbindlichen Rechtssicherheit ist entscheidend, um das
geleistete Vorschussvertrauen in das neue Medium schnell
und solide zu unterfüttern.
Der Regierungsentwurf zum Gesetz über rechtliche
Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäfts-
verkehr ist ein wichtiger Baustein im Programm der Bun-
desregierung zur Schaffung optimaler Voraussetzungen
für den E-Commerce. Zusammen mit anderen Baustei-
nen, wie dem elektronischen Signaturgesetz und der Ab-
schaffung des Rabattgesetzes, werden die Signale für die
digitale Ökonomie im 21. Jahrhundert weiter auf Grün ge-
stellt. Wir werden an einer Reihe von Details an diesem
Gesetz im Zuge der Ausschussberatungen sicherlich noch
zu arbeiten haben. Wir werden dabei von unserem parla-
mentarischen Recht einer Anhörung Gebrauch machen,
um im Dialog mit Wirtschaft und Wissenschaft den vor-
liegenden Entwurf so zu qualifizieren, dass er optimal den
Anforderungen an Flexibilität und Rechtssicherheit ent-
spricht. Das ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117498
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und damit gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Ich setzte dabei auf eine konstruktive Arbeit aller Frak-
tionen in diesem Hause.
Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Mit dem heute in erster Lesung zu beratenen Ge-
setzentwurf über rechtliche Rahmenbedingungen für den
elektronischen Geschäftsverkehr legt die Bundesregie-
rung ein weiteres Kernstück ihres neuen Rechtsrahmens
für die Internetökonomie vor. Der Gesetzentwurf zielt auf
Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen für die Inter-
netwirtschaft im europäischen Binnenmarkt, auf effizi-
ente Verbraucherschutzbestimmungen sowie auf einen
modernen verbraucherorientierten Datenschutz bei den
neuen Diensten.
Wer mit den Unternehmern der Internetwirtschaft
spricht, weiß, dass E-Commerce trotz der viel beschrie-
benen Krise der New Economy eine große Zukunft hat. So
hat gerade eine Studie von Forrester Research für
Deutschland ein Marktvolumen von 360 Millionen DM in
2001 prognostiziert. Die Bundesregierung sieht dieses
Potenzial und hat sich zum Ziel gesetzt, durch eine rasche
Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie den Unterneh-
men und den Verbrauchern in gleicher Weise Rechtssi-
cherheit zu schaffen, um die erwartete Entwicklung auf
eine solide Grundlage zu stellen. Dem dient der vorge-
stellte Gesetzentwurf.
Nun hat es aber auch punktuelle Kritik an dem Gesetz-
entwurf gegeben: Sie dreht sich insbesondere um die
Frage des Herkunftsprinzips und um seine etwaige Ein-
schränkung durch internationales Privatrecht. Hierzu
muss man sagen, dass dem Herkunftsprinzip gerade im
E-Commerce eine sensible Bedeutung zukommt. Denn
sowohl Anbieter wie auch die Nutzer, also die Konsu-
menten, müssen Klarheit darüber haben, welche Rechts-
lage denn nun beim Kauf bzw. Verkauf eines Produktes im
Netz gilt. Kaufe ich übers Netz ein Produkt eines auslän-
dischen Anbieters, muss ich als Verbraucher die Gewiss-
heit haben, dass meine Verbraucherschutzinteressen ge-
wahrt bleiben. Andererseits muss aber auch für den
Anbieter ein vernünftiges Maß an Rechtssicherheit ge-
währleistet werden.
Deswegen sieht die Richtlinie der EU das Herkunfts-
prinzip vor. Damit gelten die rechtlichen Bedingungen in
dem Land, in dem das anbietende Unternehmen seinen
Sitz hat. Um die Verbraucher jedoch ebenso zu schützen,
sieht die hier eingebrachte Neuregelung vor, dass aufsei-
ten des Verbraucherschutzes die Rechtslage gilt, in dem
das Produkt erworben wird.
Die Vorschriften zum Verbraucherschutz sind europa-
weit schon deutlich harmonisiert. Die Fernabsatzrichtli-
nie der EU, in Deutschland als Fernabsatzgesetz umge-
setzt, legt die Mindestnormen fest. Allerdings gibt es in
einzelnen Ländern auch Vorschriften, die darüber hinaus-
gehen. So schreibt die EU-Regelung zum Beispiel ein
Rückgaberecht von zehn Tagen vor. In Deutschland haben
Verbraucher jedoch ein 14-tägiges Rückgaberecht. Daran
müssen sich auch Anbieter aus anderen EU-Ländern hal-
ten, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Die Bundesregierung
will in Zukunft stärker auf eine Harmonisierung gesetzli-
cher Regelungen achten, um einheimische Anbieter nicht
zu benachteiligen. Die vorgeschlagene Abschaffung des
Rabattgesetzes steht hierfür als ein wichtiges Beispiel.
An dieser Stelle gibt es somit weiterhin Harmonisie-
rungsbedarf auf europäischer Ebene. Es wäre naiv anzu-
nehmen, mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf
wären alle Probleme aus der Welt geschafft. Nein, wir
nehmen die vorgetragene Kritik ernst und werden uns im
Interesse der Anbieter und Verbraucher im E-Commerce
dafür stark machen, dass es auf EU-Ebene zu einer schnel-
leren Harmonisierung kommt.
Ich denke, wir sind uns darin einig, dass es vor allem
darum geht, hier eine gesetzliche Regelung zu finden, die
die vorgetragenen Bedenken aufnimmt und auf breite Zu-
stimmung und Akzeptanz stößt. In diesem Sinne werden
wir über den weiteren parlamentarischen Weg in den Aus-
schüssen zu beraten haben.
Rainer Funke (F.D.P.): Den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung zum elektronischen Geschäftsverkehr
könnte man auch unter die Überschrift setzen: Warum ein-
fach, wenn es auch kompliziert geht? Einfach wäre es ge-
wesen, die EG-Richtlinie über Electronic Commerce, ge-
nauer gesagt, die Richtlinie 2000/31/EG eins zu eins
umzusetzen. Das hätte bedeutet, dass das Herkunftslands-
prinzip durchgängig umgesetzt würde. Dies tut der Ge-
setzentwurf jedoch nicht. Denn § 4 des Telefondienstge-
setzes relativiert durch den Soweitsatz das Herkunfts-
landsprinzip. Insoweit meine ich, dass die eingeschränkte
Umsetzung des Herkunftslandsprinzips gegen die Richt-
linie und damit gegen Europarecht verstößt.
Ziel der E-Commerce-Richtlinie ist es, den elektroni-
schen Geschäftsverkehr für Anwender und Nutzer einfa-
cher zu machen. Der jetzt eingeführte Günstigkeitsver-
gleich relativiert aber das Herkunftslandsprinzip und
macht die Anwendung kompliziert, weil kaum zu beurtei-
len ist, was unter rechtlichen und tatsächlichen Verhält-
nissen günstiger ist. Aus diesem Grunde hat der zustän-
dige Kommissar Liikanen dem Bundesaußenminister
Fischer am 5. Juni 2001 ausdrücklich mitgeteilt, dass die
geplante Umsetzung ins nationale Recht europawidrig ist,
und demgemäss droht unnötigerweise der Bundesrepu-
blik Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Ge-
richtshof.
Im Hinblick darauf, dass für deutsche Unternehmen er-
hebliche Rechtsunsicherheiten und zusätzlicher Aufwand
für Rechtsberatung entstehen, werden wir diesen Gesetz-
entwurf ablehnen, wenn nicht § 4 grundlegend unter Weg-
fall des Günstigkeitsprinzips verändert wird. Wir werden
in den Beratungen des Rechtsausschusses und des Wirt-
schaftsausschusses auf eine entsprechende Änderung hin-
arbeiten und dafür Sorge tragen, dass eine richtlinienkon-
forme Umsetzung des Herkunftslandsprinzips erfolgt.
Solche Gesetze müssen gemeinsam mit der betroffe-
nen Wirtschaft entwickelt werden und nicht gegen sie.
Nur so kann der elektronische Geschäftsverkehr auch im
Interesse des Verbrauchers gefördert werden. Der Wirt-
schaftsminister bleibt aufgefordert, insoweit seine Haus-
aufgaben zu machen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17499
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Ursula Lötzer (PDS): Angesichts der deutlichen Kon-
junkturschwäche und der Krise der Internetwirtschaft
rechnet die Informations- und Telekommunikationsbran-
che in diesem Jahr bestenfalls mit stagnierenden Erträgen.
Auch die Zeiten des zweistelligen Umsatzwachstums
werden 2001 bereits wieder der Vergangenheit angehören.
Die Branche selbst rechnet nach Angaben der BITKOM
nur noch mit einem „bescheidenen Zuwachs an neuen
IuK-Jobs“.
Keiner würde heute noch, wie der Bundeswirtschafts-
minister vor wenigen Monaten, behaupten, dass die IuK-
Technologien in den nächsten Jahren per Saldo 700 000
bis 800 000 zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland
schaffen können. Die Illusionen, die noch im Wirtschafts-
bericht 2000 verbreitet wurden, und die bereits zum Zeit-
punkt der Veröffentlichung in einem unverkennbaren Wi-
derspruch zu seriösen Studien zum Wachstums- und
Beschäftigungsbeitrag der IuK-Technologien standen,
entpuppen sich zunehmend als Wunschdenken der Bun-
desregierung.
Die Branche entwickelt sich weder, wie viele hofften,
unabhängig vom Wachstum der Gesamtwirtschaft noch
ist sie Schwungrad oder Motor des gesamtwirtschaftli-
chen Wachstums. Vielmehr gilt, dass die bereits deutlich
zurückgehenden Umsätze der Branche, die von einem
Plus von circa 8,5 Prozent ausgeht, angesichts des ge-
samtwirtschaftlichen Wachstumseinbruchs nicht zu hal-
ten sein werden.
Trotzdem, so meine ich, erleben wir gegenwärtig nicht
den Anfang vom Ende, sondern das Ende vom Anfang des
E-Commerce. Die Katerstimmung nach der New-Eco-
nomy-Party sagt genauso wenig über das Potenzial der
Technologien wie die zurückliegende Ekstase am Neuen
Markt. Umso wichtiger wird es sein, dass die Politik die
richtigen Rahmenbedingungen für den E-Commerce
schafft, der die Interessen der Verbraucher klar einbezieht.
Positiv am vorliegenden Gesetzentwurf ist die Ein-
schränkung des Herkunftslandprinzips im B-to-C-Be-
reich. Wir schlagen allerdings vor, dass Herkunftsland-
prinzip nicht bloß durch ein Wohnortprinzip des
Verbrauchers zu ersetzen, sondern im Sinne des Verbrau-
cherschutzes den privaten Käufern ein generelles „Güns-
tigkeitsprinzip“ einzuräumen. So könnte die Bundesrepu-
blik als ein Land, das früher oder später zu den
umsatzstärksten E-Commerce-Ländern gehören wird, ei-
nen Wettbewerbsdruck für einen hohen Verbraucher-
schutz in der Internetwelt auslösen, was dringend erfor-
derlich wäre.
Unsere Fraktion lehnt den Gesetzentwurf aber wegen
der veränderten Datenschutzbestimmungen ab, die durch
die` Änderung des Teledienstdatenschutzgesetzes veran-
kert werden sollen. Die bisherigen Verpflichtungen des
Anbieters, personenbezogene Daten über den Ablauf des
Zugriffs und die Nutzung nach der Beendigung zu lö-
schen, werden durch den Regierungsentwurf aufge-
weicht. Unhaltbar ist auch der Umgang mit Nutzungsda-
ten. Wenn ein Nutzer nach dem vorliegenden
Gesetzentwurf der Erstellung von Nutzungsprofilen nicht
widerspricht, dürfen solche erstellt werden. Eine Einwil-
ligung des Nutzers muss also nicht vorliegen. Dies be-
deutet einen Rückschritt im Datenschutz und ist mit dem
Gebot der Datensparsamkeit unvereinbar.
Solange die Bundesregierung nicht in Rechnung stellt,
dass die Entwicklungen der IuK-Technologien und insbe-
sondere des E-Commerce einen höheren Datenschutz und
keine Einschränkungen des Datenschutzes benötigt, so
lange werden die falschen Weichen für den E-Commerce
gestellt, da sich ein elementares Erfordernis für den E-
Commerce nicht einstellt, nämlich das Vertrauen der Ver-
braucher.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister für Wirtschaft und Technologie: Der heute
zur Beratung anstehende Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung bedeutet eine wichtige Weichenstellung für die
dynamische Entwicklung des elektronischen Geschäfts-
verkehrs im europäischen Binnenmarkt und damit für
mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Als eines
der ersten Länder innerhalb der Europäischen Union
bringt Deutschland die Umsetzung der Mitte vergange-
nen Jahres in Brüssel verabschiedeten E-Commerce-
Richtlinie auf den Weg der parlamentarischen Beratung.
Es geht darum, den Ordnungsrahmen in Deutschland an
die Anforderungen anzupassen, die sich aus der Ent-
wicklung der Informations- und Wissensgesellschaft bei
uns und im gemeinsamen Binnenmarkt, aber auch welt-
weit ergeben.
Wir brauchen ein innovationsförderndes Klima für die
Wirtschaft und gleichzeitig gilt es, die Verbraucher zu
schützen. Es handelt sich um wesentliche Ziele des Ak-
tionsprogramms der Bundesregierung „Innovation und
Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahr-
hunderts“. Dazu bereiten wir jetzt einen umfassenden
Fortschrittsbericht vor, der Anfang des kommenden Jah-
res vom Kabinett verabschiedet und dann dem Bundestag
zur Beratung vorgelegt werden soll. Der Bericht wird zei-
gen, dass wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren sehr
weit vorangekommen sind und Deutschland jetzt inner-
halb der EU und darüber hinaus einen der Spitzenplätze
bei der Internetökonomie erreicht hat, den wir zügig wei-
ter ausbauen wollen:
Die Zahlen, die die Wirtschaft vorlegt, belegen ein-
drucksvoll eine Entwicklung von bisher nicht gekannter
Dynamik. Das Internet nutzen bereits rund 40 Prozent der
Bevölkerung über14 Jahre, im Vergleich dazu: 25 Prozent
waren es 2000. Die Internetnutzung insgesamt hat sich bis
zum Mai 2001 um mehr als 40 Prozent gegenüber Mai
2000 verbilligt. Auch beim E-Commerce sind die Wachs-
tumsraten insbesondere im Verkehr der Unternehmen un-
tereinander, dem so genannten B 2 B beträchtlich. Noch
wichtiger ist die umfassende Digitalisierung auf allen Stu-
fen der Wertschöpfungskette mit erheblichen Effizienzge-
winnen.
Eher noch verhalten ist die Entwicklung beim Handel
mit den Verbrauchern.
Gerade für diesen Bereich kommt es darauf an, die Ak-
zeptanz des elektronischen Handels durch einen besseren
Verbraucher- und Datenschutz zu stärken. Daher ist es
wichtig, dass wir auch bei der Weiterentwicklung des
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117500
(C)
(D)
(A)
(B)
Rechtsrahmens für die Internetökonomie sehr gut voran-
kommen.
Das neue Signaturgesetz ist bereits am 22. Mai in Kraft
getreten. Das Formanpassungsgesetz, das für das Zivil-
recht die Gleichstellung von handschriftlicher und elek-
tronischer Unterschrift festlegt, befindet sich in der End-
phase der parlamentarischen Beratungen. Ich bin
optimistisch, dass das Gesetz noch im Laufe des Sommers
in Kraft treten kann.
Schließlich will der Bundesinnenminister die entspre-
chende Novelle zum Verwaltungsverfahrensrecht des
Bundes noch vor der Sommerpause – in Abstimmung mit
den Ländern – vorlegen. Zu nennen sind außerdem die
Vorschläge der Bundesregierung zur Abschaffung des Ra-
battgesetzes und der Zugabeverordnung. Ich setze darauf,
dass die parlamentarischen Beratungen auch dieser Ge-
setzentwürfe zügig abgeschlossen werden.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist der jetzt vorgelegte
Gesetzentwurf zum elektronischen Geschäftsverkehr. Er
ergänzt die Vorschriften des Teledienstegesetzes entspre-
chend der E-Commerce-Richtlinie und modernisiert zu-
gleich das Datenschutzrecht für die Teledienste. Bei der
Anpassung des Teledienstegesetzes geht es vor allem um
Rechtsklarheit für die Anbieter durch das Herkunftsland-
prinzip: Die Anbieter unterliegen in Zukunft grundsätz-
lich nur den Anforderungen des Landes, in dem sie nie-
dergelassen sind, auch wenn sie ihre Dienste anderswo in
Europa anbieten. Eine solche Regelung ist für Teledienste
vernünftig, da für deren Anbieter künftig auf Basis der
Richtlinie europaweit einheitliche Maßstäbe hinsichtlich
der uneingeschränkten Zulassungsfreiheit und der Kenn-
zeichnungspflichten Anwendung finden. Dies gilt auch
für die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter bei der
Übermittlung und Speicherung von fremden Informatio-
nen.
Über die Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie hi-
naus soll der Gesetzentwurf den Datenschutz in den Net-
zen weiter verbessern und modernisieren. Ein wirksamer
Datenschutz im Internet ist zu einem herausragenden
Wettbewerbsfaktor und Qualitätsmerkmal für die Unter-
nehmen geworden. Zugleich handelt es sich um eine es-
senzielle Grundlage für das Vertrauen der Verbraucher in
die neuen Dienste. Dabei geht es unter anderem darum,
dass der Nutzer im Internet wie beim Bareinkauf im La-
den anonym einkaufen und bezahlen kann. Dass dies auch
tatsächlich mit vertretbarem Aufwand erreicht werden
kann, hat soeben ein Pilotprojekt bestätigt, das vom Bun-
desministerium fier Wirtschaft und Technologie gefördert
worden ist.
Im Übrigen möchte ich zum Datenschutz die folgenden
Punkte besonders hervorheben: Der Teledienstedaten-
schutz dient dem Schutz der persönlichen Daten der Ver-
braucher und muss in seiner Zielrichtung auf sie ausge-
richtet werden. Dies wollen wir im Gesetz durch
entsprechende Klarstellung zum Geltungsbereich deut-
lich machen. Besonders im Bereich der neuen Dienste
spielen Kundendaten eine wichtige Rolle als Wirtschafts-
gut. Dies ist in Ordnung, solange der Nutzer über das In-
strument der Einwilligung die Kontrolle über die Verwer-
tung dieser Daten behält. Im Bereich der elektronischen
Dienste ist es wichtig, dass diese Einwilligung elektro-
nisch erfolgen kann, und zwar über Verfahren, die für die
Diensteanbieter praktikabel sind, zugleich aber für die
Verbraucher die erforderliche Sicherheit gewährleisten.
Weiterhin wollen wir mit der Einführung von Buß-
geldbestimmungen die Beachtung der Datenschutzvor-
schriften im elektronischen Geschäftsverkehr nachhaltig
unterstützen.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist von Anfang an
intensiv mit den Ländern beraten worden. Es besteht weit
gehendes inhaltliches Einvernehmen, sodass die Bänder
die Vorschriften für die Mediendienste im Mediendienst-
Staatsvertrag entsprechend ändern werden. Damit errei-
chen wir ein einheitliches Regelwerk für die Tele- und
Mediendienste, was die stärkere Nutzung dieser Dienste
weiter voranbringen wird.
Anlage 11
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaus-
siedlerstatusgesetz – SpStatG) (Zusatztagesord-
nungspunkt 9)
Günter Graf (Friesoythe) (SPD): Wenn wir uns heute
in erster Lesung mit der Beratung des „Spätaussiedlersta-
tusgesetzes“ befassen, darf der Hinweis nicht fehlen, dass
heute vor 60 Jahren der Überfall auf die Sowjetunion er-
folgte. Infolge dieser Ereignisse begann der schmerzliche
Leidensweg Hunderttausender Russlanddeutscher durch
die Verbringung nach Sibirien in Arbeitslager und die Trud-
armee. Viele von ihnen haben die unmenschlichen Le-
bens- und Arbeitsbedingungen nicht überlebt. Die Ge-
schehnisse von vor 60 Jahren haben den Deutschen
Bundestag seit seinem Bestehen immer wieder eingeholt
und auch heute beschäftigt uns das Thema der Spätaus-
siedler in diesem Hause.
Wenn wir uns heute in erster Beratung mit dem
„Spätaussiedlerstatusgesetz“ befassen, dann geht es ein-
zig und allein darum, das geltende Recht, das Kriegsfol-
genbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992, durch
einige Klarstellungen in der Verwaltungspraxis uneinge-
schränkt zur Geltung kommen zu lassen. Letzteres ist ins-
besondere in einem Punkt nicht mehr gesichert, und zwar
dem, der die Funktion der so genannten Bestätigungs-
merkmale in § 6 Abs. 2, S. 21, Nr. 2 BVFG betrifft. Bei
diesen Bestätigungsmerkmalen, nämlich der familiären
Vermittlung von Deutschkenntnissen, deutscher Erzie-
hung und Kultur hat sich im vergangenen Oktober durch
eine, aus meiner Sicht doch sehr überraschende Änderung
der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Situation er-
geben, die zu großer Verunsicherung nicht nur bei den zu-
ständigen Verwaltungen, insbesondere beim Bundesver-
waltungsamt, geführt hat.
In der Sache selbst geht es darum, dass durch die geän-
derte Rechtsprechung das besonders bedeutsame Bestäti-
gungsmerkmal Sprache, welches unverändert auch für die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17501
(C)
(D)
(A)
(B)
Feststellung der alternativen Bestätigungsmerkmale Er-
ziehung oder Kultur von entscheidender Bedeutung ist,
im Grunde keine Bedeutung mehr für die Anerkennung
hat. Aus dieser entscheidenden Veränderung ergibt sich
aber letztlich die Konsequenz, dass es ausreicht, wenn ein
Antragsteller darlegen und glaubhaft machen kann, ihm
seien während der Zeit seiner familiären Prägung familiär
Deutschkenntnisse vermittelt worden. Ob diese vermittel-
ten Deutschkenntnisse bei einer Anhörung im Rahmen
des Aufnahmeverfahrens, in der Praxis Sprachtest ge-
nannt, noch festgestellt werden können, soll dann letztlich
nur indikative Bedeutung dafür haben, ob eine derartige
familiäre Vermittlung früher einmal stattgefunden hat.
Dieses wird zwangsläufig im konkreten Verwaltungshan-
deln dazu führen, dass, wenn bei der Anhörung keine
Deutschkenntnisse feststellbar sind, der Betroffene Zeu-
gen anbieten kann, die dann bestätigen, dass er früher in
der Familie Deutsch gelernt und gesprochen hat. Dass
diese Zeugen naturgemäß nur aus dem familiären Um-
kreis oder dem unmittelbaren Freundes- bzw. Bekannten-
kreis stammen werden, dürfte auf der Hand liegen.
Ich denke, es gehört nicht viel Fantasie dazu sich aus-
zumalen, wohin diese geänderte Auslegung des § 6 Abs. 2,
S. 1, Nr. 2 des BVFG in der Verwaltungspraxis führen
würde. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern,
dass die gewiss nicht unerfüllbaren Anforderungen bei
dem vom Bundesverwaltungsamt im Aussiedlungsgebiet
durchgeführten Sprachtests von rund 50 Prozent der An-
tragsteller gleichwohl nicht erfüllt werden – dies mit wei-
ter steigender Tendenz.
Es ist indessen auch mit Blick auf die Akzeptanz der
Spätaussiedlerzuwanderung ganz sicher nicht vermittel-
bar, dass jemand als deutscher Volkszugehöriger an-
erkannt wird, obwohl er nicht in der Lage ist, auch nur ein
wirklich einfaches Gespräch in deutscher Sprache, und sei
es auch in der Form familiär gepflegten Dialekts, zu
führen. Dieses war erklärtermaßen auch nicht die Absicht
des Gesetzgebers.
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichtes vom Oktober 2000 sind bei den Be-
troffenen hohe Erwartungen geweckt worden und die
Empfehlungen von interessierter Seite bewirken, dass
– langsam beginnend – unter anderem eine Teilnahme an
dem Sprachtest von vornherein abgelehnt wird. Dieses
kann aber auch zur Folge haben, dass nicht deutsche Fa-
milienangehörige, die in den Aufnahmebescheid eines
Spätaussiedlerbewerbers einbezogen worden sind, im Be-
scheinigungsverfahren nach § 15 BVFG, in dem endgül-
tig über Erwerb oder Nichterwerb des Spätaussiedlersta-
tus bzw. des Status entschieden wird, den Antrag stellen,
selbst als Spätaussiedler anerkannt zu werden. Darüber
hinaus – und das sollte auch bedacht werden – kommt es
nunmehr verstärkt zu Anträgen auf Wiederaufgreifen be-
reits bestandskräftig abgeschlossener Aufnahme- oder
Bescheinigungsverfahren.
Gerade deshalb meine ich, dass durch eine deutliche
Reaktion des Gesetzgebers so schnell wie möglich Klar-
heit geschaffen werden sollte. Die bis zur Änderung der
höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehende Verwal-
tungspraxis sollte so schnell wie möglich wieder fortge-
setzt werden können, bevor eine deutlich fühlbare Zäsur
eintritt. Dies alles hat mit dem, was die Zuwanderungs-
kommission generell zur künftigen Gestaltung des Zu-
wanderungsrechts für Spätaussiedler empfehlen könnte,
aus meiner Sicht nichts zu tun, und deshalb sollte auch in
dieser Frage nicht versucht werden, einen nicht bestehen-
den Sachzusammenhang zu konstruieren.
Was diesen Bereich des „Spätaussiedlerstatusgesetzes“
angeht, denke ich, dürfte in diesem Hause eine große
breite Mehrheit zu den gleichen Feststellungen gelangen.
Ich darf auch daran erinnern, dass die Spätaussiedler-
gesetzgebung immer von dem überwiegenden Teil dieses
Hauses getragen worden ist. Was die sonstigen im Ge-
setzentwurf aufgegriffenen Änderungspunkte betrifft, so
haben diese lediglich Klarstellungen zum Inhalt, welche
die Praxis von Auslegungszweifel befreien sollen, die
vom Kriegsfolgenbereinigungsgesetz nicht beabsichtigt
waren.
Abschließend glaube ich, feststellen zu dürfen, dass die
Dinge von den Ländern zumindest nicht grundsätzlich an-
ders beurteilt werden. Jedenfalls entspricht dieses nicht
dem Bild, welches ich mir aufgrund zahlreicher Ge-
spräche habe machen können.
Nicht unterlassen möchte ich den Hinweis, dass gerade
in meinem Wahlkreis Cloppenburg/Vechta die Aussied-
lersituation aufgrund der hohen Konzentration Mitte der
90er-Jahre zu erheblichen Problemen geführt hat, die nun
doch mehr oder weniger nicht mehr vorhanden sind. Die-
ses hat letztlich damit zu tun, dass das seinerzeit von der
großen Mehrheit des Hauses getragene Wohnortzuwei-
sungsgesetz Wirkung gezeigt hat und die Integrations-
maßnahmen langsam anfangen zu wirken.
Wenn wir dieses hier heute in erster Beratung zur De-
batte stehende Spätaussiedlerstatusgesetz nicht be-
schließen, ist damit zu rechnen, dass es erneut zu ver-
stärkten Zuzügen kommt, die die gerade beginnende
Wirkung der Integrationsmaßnahmen infrage stellen
würde. Insoweit appelliere ich an Sie alle, insbesondere in
den Beratungen im Innenausschuss in der nächsten Wo-
che zu einem breiten Konsens zu gelangen. Wenn ich ein-
gangs kurz auf den Leidensweg der Russlanddeutschen
hingewiesen habe, möchte ich abschließend aber auch be-
merken, dass wir uns den Veränderungen zu stellen haben.
Wir müssen dafür Sorge tragen, einerseits die einheimi-
sche Bevölkerung, andererseits die Spätaussiedler selbst
nicht zu überfordern.
Zu guter Letzt möchte ich persönlich aufgrund meiner
vielfältigen Begegnungen mit Spätaussiedlern und deren
Familien auch an dieser Stelle, wie auch schon in der Ver-
gangenheit, darauf hinweisen, dass der Familienzusam-
menführung ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Ich
hoffe, dass wir auch die Gelegenheit haben werden, uns
mit der besonderen Problematik in aller Ruhe und Sach-
lichkeit zu unterhalten und zu gemeinsamen Lösungen zu
gelangen.
Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wir beraten heute in
erster Lesung den eilig von den Koalitionsfraktionen ein-
gebrachten Entwurf eines Spätaussiedlerstatusgesetzes.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117502
(C)
(D)
(A)
(B)
Ich will deshalb zunächst die Gelegenheit ergreifen,
grundsätzlich die Haltung meiner Fraktion zur Frage der
Aussiedleraufnahme zu skizzieren.
Die Erfüllung von Integrationserfordernissen und Hil-
fen für die Integration haben für uns Vorrang vor weiteren
Restriktionen bei der Aufnahme. Die CDU/CSU befür-
wortet auch weiterhin bei Vorliegen der gesetzlichen Vo-
raussetzungen den ungehinderten Zuzug von deutschen
Spätaussiedlern im Wege des geregelten Aufnahmever-
fahrens. Wir drücken damit unsere Solidarität mit einer
Schicksalsgruppe aus, deren Aufnahme in Deutschland
einer historischen Verpflichtung entspricht. Wir wollen
auch an der Annahme eines generellen Kriegsfolgen-
schicksals der Russlanddeutschen festhalten. Die Parteien
CDU und CSU haben sich in jeweils eigenen Zuwande-
rungskommissionen auch mit der Frage der weiteren Auf-
nahme von Spätaussiedlern in Deutschland befasst. We-
der in den getrennten Ergebnispapieren der Parteien noch
im gemeinsamen Positionspapier von CDU und CSU zur
Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung werden mit
Blick auf den Aussiedlerzuzug Vorschläge unterbreitet,
die eine Verschlechterung gegenüber der gegenwärtigen
gesetzlichen Lage bedeuten würden. Im gemeinsamen
Positionspapier von CDU und CSU heißt es: „Die Auf-
nahme von Spätaussiedlern entspricht einer historischen
Verpflichtung.“ Allerdings bereiten uns zum Teil man-
gelnde Deutschkenntnisse bei den häufig nicht deutschen
Ehegatten, Abkömmlingen und weiteren Familienan-
gehörigen Sorge. Denn die Deutsch-Sprachkenntnisse ha-
ben eine hohe Bedeutung für eine möglichst rasche und
konfliktfreie Integration hierzulande. Aus diesem Grunde
müssen die Aussiedler und ihre Familienangehörigen be-
reits in ihren Herkunftsländern Gelegenheit haben, ihre
Deutschkenntnisse zu verbessern bzw. – ich meine hier
vor allem die Angehörigen – zu erwerben.
Die Bundesregierung, die die Koalitionsfraktionen mit
einem Gesetzentwurf eines Spätaussiedlerstatusgesetzes
vorschickt, ist auch aufgefordert, diese Probleme zu lö-
sen. Sorgen Sie für ein flächendeckendes Sprachkursnetz
in den Herkunftsländern! Sorgen Sie genauso für eine ge-
eignete Sprachförderung in Deutschland! Ob nämlich die
beabsichtigte Neustrukturierung der Sprachförderung in
Deutschland auf die bei den Aussiedlern und ihren Fami-
lien bestehenden Bedürfnisse zugeschnitten ist, darf mit
Fug und Recht bezweifelt werden.
Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf sieht lediglich
weitere Verschärfungen des Aufnahmeverfahrens für
Spätaussiedler vor. Zunächst gibt sich der Entwurf den
Anschein, als solle lediglich auf die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichtes vom Oktober letzten Jahres
zum Bestätigungsmerkmal Sprache bei den Antragstel-
lern geantwortet werden. Hier wird die Wiederherstellung
des Status quo ante beabsichtigt. Dieses Vorhaben dürfte
sicherlich in den Ländern, auch in den unionsregierten
Ländern, Unterstützung finden. Allerdings sieht der Ge-
setzentwurf sozusagen im Geleitzug dieser Änderung
weitere Restriktionen bei der Aussiedleraufnahme vor.
Diese werden als „Klarstellungen“ qualifiziert. Ob es sich
lediglich um Klarstellungen handelt oder tatsächlich um
substanzielle Verschlechterungen, wird insbesondere die
Beratung des Gesetzentwurfes in den Ausschüssen erge-
ben.
Was jedoch politisch bedenklich, erklärungsbedürftig
und für die betroffenen Aussiedler verunsichernd sein
dürfte, ist die Tatsache, dass dieser Gesetzentwurf noch
vor der bevorstehenden Veröffentlichung der Empfehlun-
gen der Zuwanderungskommission der Bundesregierung
vorgelegt wird. Die Empfehlungen der Zuwanderungs-
kommission werden nicht abgewartet. Die Bundesregie-
rung hat in der Vergangenheit mehrfach erklärt, sie wolle
erst darin konkrete Positionierungen in der Zuwanderungs-
frage vornehmen und entsprechende Initiativen ergreifen,
wenn die Zuwanderungskommission ihre Empfehlungen
ausgesprochen habe. Jetzt schickt die Bundesregierung die
Koalitionsfraktionen mit einem Gesetzentwurf vor. Dieses
Verfahren entwertet die Arbeit der Zuwanderungskommis-
sion und führt bei den betroffenen Spätaussiedlern und den
deutschen Volksgruppen in den Aussiedlungsgebieten zu
weiterer Verunsicherung. Sie müssen nämlich den Ein-
druck gewinnen, der politischen Willkür in Deutschland
ausgesetzt zu sein. Denn die Spätaussiedler und die deut-
schen Volksgruppen in den Aussiedlungsgebieten dürfen
wie andere Zuwanderer auch erwarten, dass sie sachge-
recht in neuen Integrationskonzepten berücksichtigt wer-
den.
Lassen Sie mich die Frage stellen: Gibt es außer den
Spätaussiedlern noch eine andere Gruppe von Zuwande-
rern, die vor den Empfehlungen der Zuwanderungskom-
mission Benachteiligungen durch in letzter Minute einge-
brachte Einzelgesetze hinnehmen muss? Was Sie, die
Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung, den
Spätaussiedlern hier zumuten, wird einen verheerenden
Eindruck hinterlassen. Die Aussiedler werden ganz genau
registrieren, dass die Fraktionen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen hier einen Gesetzentwurf vorlegen,
ohne eine schlüssige Begründung zu liefern, warum diese
Änderungen zum jetzigen Zeitpunkt erfolgen müssen und
warum nicht erst die Empfehlungen der Zuwanderungs-
kommission abgewartet werden können.
Hieraus kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen:
Entweder trauen die Koalitionsfraktionen den Empfeh-
lungen der Zuwanderungskommission nicht oder aber
hier soll ganz gezielt eine bestimmte Gruppe, nämlich die
Aussiedler, Verschlechterungen erfahren im Windschat-
ten einer Diskussion über Integrationserfordernisse.
Diese Verschlechterungen sollen sozusagen durch die
Hintertür eingeführt werden, nahezu unbemerkt von der
Öffentlichkeit, weil verschiedene Punkte des Gesetzent-
wurfes im Rahmen einer Integrationsdebatte wirklich nur
schwer durchzusetzen sein dürften. Wir haben daher ge-
nug Anlass, den Gesetzentwurf genau zu prüfen.
Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Klärung
der Frage, wer deutscher Volkszugehöriger ist. Bislang
hat die Verwaltungspraxis in Bund und Ländern in Über-
einstimmung mit der Rechtsprechung Sprachtests in den
Herkunftsländern derjenigen Menschen vorgenommen,
die eine deutsche Volkzugehörigkeit für sich behaupteten.
Damit sollte nachgewiesen werden, dass die Vermittlung
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17503
(C)
(D)
(A)
(B)
deutscher Sprache in der Regel auch die Weitergabe deut-
scher Kultur oder Erziehung beinhaltet.
Durch die kürzlich geänderte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes kann der Nachweis, zum
deutschen Volkstum zu gehören, auch auf andere Weise,
wie beispielsweise der Nennung von Zeugen, geführt
werden. Dies kann dazu führen, dass zunehmend Perso-
nen aufgrund von Zeugenaussagen als Spätaussiedler an-
erkannt werden, die praktisch über keinerlei Deutsch-
kenntnisse verfügen. Diese Praxis birgt zweierlei
Gefahren: Zum einen wird die Akzeptanz für die Spätaus-
siedleraufnahme in der Bevölkerung erheblich belastet,
zum anderen ist die Integration der Spätaussiedler zusätz-
lich erschwert.
Der vorliegende Gesetzentwurf strebt daher an, das
Bundesvertriebenengesetz dergestalt zu ändern, dass eine
Fortsetzung der bisherigen Verwaltungspraxis möglich
ist. So soll für ab dem Jahre 1924 geborene Personen gel-
ten, dass diese deutsche Staatsangehörige sind, wenn sie
mindestens von einem Elternteil mit deutscher Staatsan-
gehörigkeit oder Volkszugehörigkeit abstammen. Das Be-
kenntnis zum deutschen Volkstum oder die rechtliche Zu-
ordnung zur deutschen Nationalität muss außerdem
bestätigt werden durch die familiäre Vermittlung der deut-
schen Sprache. Diese ist festgestellt, wenn jemand im
Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung
ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann. Aus-
nahmeregelungen sind vorgesehen in Fällen, in denen
aufgrund der Verhältnisse eine familiäre Sprachvermitt-
lung nicht möglich war.
Meine Fraktion unterstützt den vorliegenden Gesetzes-
änderungsantrag, wobei ich eines sehr bedauere: Ange-
sichts der Eilbedürftigkeit des vorliegenden Verfahrens,
war es nicht möglich, notwendige Änderungen im
Spätaussiedlerrecht vorzunehmen. Im Rahmen der Ge-
samtreform dieses Rechtsgebietes müssen dringend Lö-
sungen für zwei Punkte gefunden werden: Erstens. Es ist
unerträglich, dass Spätaussiedler mit einem Aufnahmebe-
scheid einreisen, sie im Vertrauen auf diesen Bescheid ihre
Existenz im Herkunftsland aufgeben und sie dann – nach
der Zuwanderung – erfahren, dass sie doch keine Spätaus-
siedler sind. Konsequenz ist, dass sie trotz Aufnahmebe-
scheid ins Herkunftsland zurückkehren müssen. Hier
muss eine grundlegende Änderung im Verfahren her.
Zweitens. Die bereits aufgrund der jetzigen katastropha-
len Rechtslage entstanden Altfälle müssen mit einer
großzügigen Altfallregelung gelöst werden.
Dr. Max Stadler (F.D.P.): Die F.P.D. steht dem Ge-
setzentwurf der Regierungsfraktionen äußerst skeptisch
gegenüber. Auslöser für die Gesetzesinitiative war eine
Änderung in der Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts zu § 6 BVFG. Die neuere Rechtsprechung
dürfte jedoch Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung
besser treffen als die bisherige Verwaltungspraxis, welche
dem Merkmal „Deutsche Sprache“ für die Feststellung
der deutschen Volkszugehörigkeit wohl zu hohes Gewicht
beigemessen hatte.
Von diesem Merkmal der Anerkennung als Spätaus-
siedler zu unterscheiden ist die richtige Forderung, bei je-
dem, der sich dauerhaft in der Bundesrepublik Deutsch-
land niederlässt, auf eine ausreichende Beherrschung der
deutschen Sprache hinzuwirken. Dies ist eine entschei-
dende Voraussetzung für die Integration und wird von der
F.D.P. nicht bestritten. Das hat jedoch mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf nichts zu tun.
Nach Auffassung der F.P.D. sollte sorgfältig überlegt
werden, wie die Überprüfung der Voraussetzungen des
Art. 116 Grundgesetz künftig gerechter und besser gestal-
tet werden kann. Aus diesem Grund wird die F.D.P. im fe-
derführenden Innenausschuss eine Sachverständigen-
anhörung beantragen. Die Eile, mit der die rot-grüne
Koalition ihren Gesetzentwurf offenbar innerhalb von
zwei Wochen vor der Sommerpause noch durch den Bun-
destag bringen will, ist der Bedeutung der Sache nicht an-
gemessen.
Schließlich gibt es noch einen weiteren maßgeblichen
Grund für die ablehnende Haltung der F.D.P.: Am 4.Juli
2001 wird die Süssmuth-Kommission ihren Bericht der
Öffentlichkeit vorstellen. Dieser Bericht stellt eine Zäsur
in der deutschen Zuwanderungspolitik dar. Es muss sorg-
fältig überlegt werden, welche Neuerungen im gesamten
Komplex Zuwanderung, Asyl, Ausländerrecht vorgese-
hen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage
zu stellen, ob die Aussiedlerpolitik unverändert – wie es
die F.D.P. stets vertreten hat – fortgeführt wird. Demnach
wäre dann der richtige Zeitpunkt, über einen Gesetzent-
wurf zu debattieren, wie ihn SPD und Grüne schon jetzt
vorgelegt haben.
Es wäre besser, den Gesetzentwurf erst nach der Som-
merpause weiter zu behandeln.
Petra Pau (PDS): Erst seit kurzem liegt der Gesetz-
entwurf der Regierungsparteien zur Klarstellung des
Spätaussiedlerstatus vor. Die Eile der parlamentarischen
Beratung erschließt sich mir nicht.
Im Gesetzentwurf klagt die Bundesregierung über
die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
19. Oktober 2000. Die Bundesregierung beklagt vor al-
lem, ich zitiere: „Durch diese Änderung der Rechtsspre-
chung verlieren die in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG auf-
geführten Merkmale – familiäre Vermittlung deutscher
Sprache, Kultur oder Erziehung – weitgehend ihre Funk-
tion bei der Steuerung der Zuwanderung von Spätaus-
siedlern über den Tatbestandsmerkmal – deutsche Volks-
zugehörigkeit“ –. Die Regierungsparteien bemängeln vor
allem, dass durch das Urteil die Feststellung der „deut-
schen Volkszugehörigkeit“ erleichtert werde; es wird da-
rauf hingewiesen, dass es gelungen war, mit der bis dahin
geltenden Auslegung des Rechts 50 Prozent der Aufnah-
meanträge wegen fehlender Deutschkenntnisse abzuleh-
nen.
Die Regierungsparteien wollen mit dem vorgelegten
Gesetzentwurf die alte Verwaltungspraxis wiederherstel-
len.
Ich muss schon sagen, dass ich dieses Vorgehen für
äußerst fragwürdig halte. Allein wenn man sich den vom
Bundesverwaltungsgericht am 19. Oktober 2000 behan-
delten Fall ansieht: Einer 1940 geborenen Frau wird die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117504
(C)
(D)
(A)
(B)
Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung verwehrt,
weil sie kein einfaches Gespräch in deutscher Sprache
führen kann. Der Vater und die beiden Geschwister der
Frau sind aber als Spätaussiedler anerkannt; sie kommt
daher ganz offenbar und eindeutig aus einer Familie der
deutschen Minderheit aus der ehemaligen Sowjetunion.
Die Frage ist nun: Will der Gesetzgeber ernsthaft, dass
ganze Familien aufgeteilt werden, und zwar in einen Teil,
der als Spätaussiedler anerkannt wird, und in einen Teil,
der angeblich keine Tatbestandsmerkmale „deutscher
Volkszugehörigkeit“ aufweist?
Hier haben wir es mit einer Politik zu tun, die versucht,
die Einwanderung von Spätaussiedlern über die Verwal-
tungspraxis zu regulieren. Diese Praxis hat die alte Bun-
desregierung unter Helmut Kohl begonnen. So ist ja bei-
spielsweise seit 1996 die Feststellung des Sprachstandes
durch Sprachtest ein zwingender Bestandteil des Verfah-
rens. Dies ist aber nur ein Teil des Verfahrens. Wir haben
ein Aufnahmeverfahren, an dessen Anfang die Abgabe ei-
nes über 500 Fragen umfassenden Antrags in der Aus-
landsvertretung der BRD im Herkunftsland steht, der in
deutscher Sprache ausgefüllt werden muss, wo Nach-
weise über deutsche Staatsangehörigkeit und deutsche
Volkszugehörigkeit, erbracht werden müssen etc.
Mit der Einführung dieser Verfahren konnte der Zuzug
von Spätaussiedlern durch die alte und die neue Bundes-
regierung drastisch gesenkt werden. Ich finde, dieses Ver-
fahren verstößt gegen bestehende Gesetze und auch gegen
das Grundgesetz. Überdies ist diese Politik unsozial, in-
human und gegen die Familienzusammenführung gerich-
tet. Und diese Politik ist für die Betroffenen nicht trans-
parent und durchschaubar. Diese Politik wälzt die Folgen
einer langjährigen deutsch-völkischen Politik gegenüber
den osteuropäischen Ländern auf die Angehörigen der
deutschen Minderheiten ab. Jene Regierungsvertreter, die
jahrelang an einem kaiserlichen. Staatsangehörigkeits-
recht festgehalten haben, die Illusionen innerhalb der
deutschen Minderheiten in Bezug auf ihre Zugehörigkeit
zum deutschen Staat geschaffen haben, versuchen nun,
die Angehörigen dieser Minderheit mit verwaltungsrecht-
lichen Tricks an der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen An-
sprüche zu hindern.
Mit der gleichen Kreativität; mit der man zu Zeiten des
Kalten Krieges die Zahl der deutschen Minderheit in den
osteuropäischen Ländern durch Neudefinitionen erweitert
hatte, versucht man nun das Verwaltungsrecht gegen diese
Menschen und auch gegen den Art. 116 GG in Stellung zu
bringen.
Es werden hier verschiedene Arten von deutschen
Staatsangehörigen geschaffen. Innerhalb von Familien
kann man den richtigen, ausgereiften Staatsbürger erken-
nen, der alle Eigenschaften des Deutschseins nach Kultur,
Erziehung und Sprache erfüllt; dann haben wir diejenigen
Deutschen, die diesem Status nicht ganz gerecht werden,
und dann wiederum haben wir Deutsche, die diesen Sta-
tus gar nicht erfüllen. Wir können durchaus beispiels-
weise russlanddeutsche Familien finden, in denen Men-
schen völlig deutsch sind und andere nur noch ein wenig
deutsch. Hier wird das Grundgesetz ausgehebelt.
Bis heute weigert sich die Bundesregierung – auch die
neue –, sich von denn alten kaiserlichen Staatsbürger-
schaftsrecht vollständig zu verabschieden und seinen all-
gemeinen Vertretungsanspruch für deutsche Minderhei-
ten aufzugeben. Ich meine: Heute muss die bundes-
deutsche Politik sich völlig vom alten, noch immer kai-
serlich beeinflussten Staatsbürgerschaftsrecht und den
Formulierungen des Art. 116 GG trennen. Heute muss
man von politischen Vertretungsansprüchen deutscher
Minderheiten in so genannten Siedlungsgebieten, wie sie
nach 1945 in der bundesdeutschen Politik entwickelt wur-
den, völlig offen und nachvollziehbar abrücken, ebenso
von Definitionen wie „Bekenntnisse und Hinwendung
zum deutschen Volkstum“ und so genannten Bestäti-
gungsmerkmalen „deutscher Kultur und Erziehung“.
Heute muss man hier einen klaren Strich machen und
zu einer Politik kommen, die den Zuzug von Spätaussied-
lerinnen und Spätaussiedlern als normale Einwanderung
begreift und regelt. Die Einwanderungsdebatte und die zu
erwartenden Regelungen würden in der Tat auch die
Chance dazu bieten. Der Gesetzentwurf spricht ja auch
explizit die Tätigkeit der Einwanderungskommission an.
66 Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges würde
man die Chance haben, sich von dieser Art der deutsch-
nationalen Kriegsfolgenbewältigung zu verabschieden.
Man müsste aber – aus Vertrauensschutzgründen – lange
Übergangfristen schaffen, damit die Betroffenen sich auf
diese Situation einstellen können.
Eine derartige Lösung wäre gerechter und nachvoll-
ziehbar.
Anlage 12
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 764. Sitzung am 1. Juni
2001 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz zuzu-
stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2
Grundgesetz nicht zu stellen:
– Gesetz zur Neuregelung von Beschränkungen
des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der
Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Auswärtiger Ausschuss
– Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
mentarischen Versammlung des Europarates
über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 24. bis 28. Januar 2000 in Straßburg
– Drucksachen 14/5007, 14/5499 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla-
mentarischen Versammlung des Europarates
über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates vom 3. bis 7. April 2000 in Straßburg
– Drucksachen 14/5008, 14/5499 Nr. 2 –
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2001 17505
(C)
(D)
(A)
(B)
Rechtsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Zweiter Bericht der Bundesregierung über die Entwick-
lung der urheberrechtlichen Vergütung gemäß §§ 54 ff.
Urheberrechtsgesetz (2. Vergütungsbericht)
– Drucksachen 14/3972, 14/4093 Nr. 1.6 –
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Überplanmäßige Ausgabe in Höhe von 98 000 000 DM bei
Kapitel 60 04 Titel 634 01 – Zuschüsse an den Ausgleichs-
fonds (Lastenausgleich) –
– Drucksachen 14/5738, 14/5833 Nr. 1 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2001
Außerplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 02 Titel 687 04
zur Sicherung der Magnetschwebebahntechnik
– Drucksachen 14/5742, 14/5833 Nr. 2 –
Ausschuss fürWirtschaft und Technologie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen und
Entwicklungen bei den neuen Informations- und Kommu-
nikationsdiensten im Zusammenhang mit der Umsetzung
des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes
(IuKDG)
– Drucksache 14/1191 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Künftige Gestaltung der Standortwerbung zur Gewin-
nung ausländischer Investitionen für Deutschland
– Drucksache 14/4240 –
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über die Erforschung von
geeigneten Haltungssystemen für Legehennen
– Drucksachen 14/3350, 14/3574 Nr. 1.2, 14/4234, 14/4308
Nr. 1.3 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Haushaltsausschuss
Drucksache 14/5610 Nr. 2.1
Ausschuss fürWirtschaft und
Technologie
Drucksache 14/5730 Nr. 2.21
Drucksache 14/5836 Nr. 1.1
Drucksache 14/5836 Nr. 1.2
Drucksache 14/5836 Nr. 1.5
Drucksache 14/5836 Nr. 1.7
Drucksache 14/5836 Nr. 2.2
Drucksache 14/5836 Nr. 2.8
Drucksache 14/5836 Nr. 2.16
Drucksache 14/5836 Nr. 2.18
Drucksache 14/5836 Nr. 2.19
Drucksache 14/5836 Nr. 2.20
Drucksache 14/5836 Nr. 2.21
Drucksache 14/5836 Nr. 2.22
Drucksache 14/5836 Nr. 2.23
Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
Drucksache 14/6026 Nr. 2.14
Drucksache 14/6026 Nr. 2.16
Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 14/5363 Nr. 2.8
Drucksache 14/5610 Nr. 1.1
Drucksache 14/5610 Nr. 2.17
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Drucksache 14/5172 Nr. 2.74
Drucksache 14/5363 Nr. 2.4
Drucksache 14/5610 Nr. 1.5
Drucksache 14/5610 Nr. 2.14
Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hile
Drucksache 14/5503 Nr. 2.24
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/4570 Nr. 2.20
Drucksache 14/5172 Nr. 2.46
Drucksache 14/5172 Nr. 2.47
Drucksache 14/5172 Nr. 2.48
Drucksache 14/5172 Nr. 2.49
Drucksache 14/5172 Nr. 2.50
Drucksache 14/5172 Nr. 2.51
Drucksache 14/5172 Nr. 2.52
Drucksache 14/5172 Nr. 2.53
Drucksache 14/5172 Nr. 2.54
Drucksache 14/5172 Nr. 2.55
Drucksache 14/5172 Nr. 2.56
Drucksache 14/5172 Nr. 2.57
Drucksache 14/5172 Nr. 2.58
Drucksache 14/5172 Nr. 2.59
Drucksache 14/5281 Nr. 2.16
Drucksache 14/5610 Nr. 2.29
Drucksache 14/5730 Nr. 2.30
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 177. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 200117506
(C)
(D)
(A)
(B)
Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin