Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001
Jörg van Essen
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(D)
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(B)
1) Anlage 7
2) Anlage 8
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(C)(A)
Berichtigung
161. Sitzung: Auf Seite 15740 C ist in der Rede der Abgeordneten
Renate Gradistanac (SPD) nach dem Satz „Das Konzept Viabono be-
ruht auf dem Ziel, einen Dachmarke für alle touristischen Segmente
zu schaffen“ einzufügen:
(Abg. Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CDSU] meldet sich
zu einer Zwischenfrage)
– Ach, mein Kollege aus dem Wahlkreis! Nein! Ich sage es Ihnen
gleich.
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Adam, Ulrich CDU/CSU 21.06.2001*
Behrendt, Wolfgang SPD 21.06.2001*
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 21.06.2001
Bodewig, Kurt SPD 21.06.2001
Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 21.06.2001
Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 21.06.2001
Brudlewsky, Monika CDU/CSU 21.06.2001
Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 21.06.2001*
Doss, Hansjürgen CDU/CSU 21.06.2001
Friedrich (Altenburg), SPD 21.06.2001
Peter
Dr. Guttmacher, F.D.P. 21.06.2001
Karlheinz
Haack (Extertal), SPD 21.06.2001*
Karl-Hermann
Hornung, Siegfried CDU/CSU 21.06.2001*
Hörster, Joachim CDU/CSU 21.06.2001*
Kasparick, Ulrich SPD 21.06.2001
Klappert, Marianne SPD 21.06.2001
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 21.06.2001
Lintner, Eduard CDU/CSU 21.06.2001*
Lotz, Erika SPD 21.06.2001
Dr. Lucyga, Christine SPD 21.06.2001*
Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 21.06.2001*
Erich
Marquardt, Angela PDS 21.06.2001
Müller (Berlin), PDS 21.06.2001*
Manfred
Müller (Völklingen), SPD 21.06.2001
Jutta
Neuhäuser, Rosel PDS 21.06.2001
Nietan, Dietmar SPD 21.06.2001
Onur, Leyla SPD 21.06.2001*
Ostrowski, Christine PDS 21.06.2001
Dr. Pfaff, Martin SPD 21.06.2001
Pfannenstein, Georg SPD 21.06.2001
Röspel, René SPD 21.06.2001
Sauer, Thomas SPD 21.06.2001
Schlee, Dietmar CDU/CSU 21.06.2001
Schmidt (Aachen), Ulla SPD 21.06.2001
Schmidt (Fürth), CDU/CSU 21.06.2001
Christian
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 21.06.2001*
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 21.06.2001*
Siebert, Bernd CDU/CSU 21.06.2001*
Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 21.06.2001
Dr. Vollmer, Antje BÜNDNIS 90/ 21.06.2001
DIE GRÜNEN
Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 21.06.2001
DIE GRÜNEN
Volquartz, Angelika CDU/CSU 21.06.2001
Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 21.06.2001
Wiese (Hannover), SPD 21.06.2001
Heino
Wiesehügel, Klaus SPD 21.06.2001
Zapf, Uta SPD 21.06.2001
Zierer, Benno CDU/CSU 21.06.2001*
Dr. Zöpel, Christoph SPD 21.06.2001
* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd
Neumann (Bremen), Hartmut Koschyk, Anton
Pfeifer, Margarete Späte, Erika Steinbach, Rita
Süssmuth und (alle CDU/CSU) und Hans-
Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.) zur Abstim-
mung über den Entwurf eines Gesetzes zur
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Errichtung einer „Stiftung Jüdisches Museum
Berlin“ (Drucksache 14/6028)
Die Übernahme des Jüdischen Museums Berlin in Ver-
antwortung des Bundes, wie sie der Hauptstadtkulturver-
trag regelt, ist im Grundsatz unstreitig. Ebenso unstreitig
ist, dass die Errichtung einer rechtsfähigen bundesunmit-
telbaren Stiftung öffentlichen Rechtes eine geeignete Lö-
sung ist, die Handlungsfähigkeit des Museums zu sichern.
Dagegen können wir dem zur Abstimmung stehenden Ge-
setzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Geset-
zes zur Errichtung einer Stiftung Jüdisches Museum Ber-
lin“ (Drucksache 14/6028) nicht zustimmen.
Erstens. Der vielfach aufgezeigte Zusammenhang mit
der „Topographie des Terrors“ und dem Mahnmal für die
ermordeten Juden Europas findet in der Stiftungssatzung
keinerlei Berücksichtigung. Obwohl auch der Staatsmi-
nister für Kultur und Medien, Nida-Rümelin, im Bundes-
tag erklärt hat, „es steht ganz außer Zweifel, dass es zwi-
schen Mahnmal, Jüdischem Museum und ‘Topographie
des Terrors’ einen engen Zusammenhang gibt“ (28. März
2001), werden alle drei Institutionen mit Veranstaltungen,
Forschungs-, Dokumentations- und Bildungsaufgaben
betraut, die zu unverantwortlichen Mehrfachangeboten
und unnötigem personellen und finanziellen Aufwand
führen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte deshalb
im federführenden Ausschuss für Kultur und Medien be-
antragt, in § 2 der Satzung, in dem der Zweck der Stiftung
geregelt wird, nach Ziffer (2) folgenden Passus als neue
Ziffer (3) hinzuzufügen: „Die Wahrnehmung der Aufga-
ben der Stiftung erfolgt konzeptionell und personell in
Verbindung und in enger Zusammenarbeit mit den beste-
henden bzw. entstehenden Einrichtungen des Mahnmals
für dis ermordeten Juden Europas und der Stiftung Topo-
graphie des Terrors.“ Diese Klarstellung wurde von der
Koalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt.
Zweitens. Obwohl der Bund das Jüdische Museum
– vor Unterzeichnung des Hauptstadtkulturvertrages und
vor Verabschiedung des Stiftungsgesetzes – bereits seit
Beginn des Haushaltsjahres zu 100 Prozent finanziert, soll
der Deutsche Bundestag weder mit Sitz noch mit Stimme
in einem der Gremien vertreten sein. Dies soll auch für
mögliche, im Stiftungserrichtungsgesetz vorgesehene Er-
weiterungen der Anzahl der Stiftungsratsmitglieder gel-
ten. Anders als beim Mahnmal für die ermordeten Juden
Europas ist die Beteiligung des Parlamentes im Gesetz-
entwurf der Bundesregierung nicht vorgesehen und von
der Koalitionsmehrheit offensichtlich nicht gewollt. Wir
halten es aus diesem Grund für erforderlich, in § 6 der Sat-
zung Ziffer (2) wie folgt zu ändern: „Die Zahl der Stif-
tungsratsmitglieder kann durch die Satzung bis auf 13 er-
höht werden, wobei das Benennungsrecht für diese
weiteren Mitglieder je zur Hälfte bei der Bundesregierung
sowie beim Deutschen Bundestag liegen muss.“
Es bleibt uns unverständlich; dass die Koalitionsfrak-
tionen sich diesen Klarstellungen und Anforderungen
nicht anschließen konnten. Dies verstärkt unsere Beden-
ken, dass die vorgesehenen rechtlichen Rahmenbedin-
gungen die Verselbstständigung und das Nebeneinander
der wichtigen Gedenkstätten begünstigen statt ihren un-
verzichtbaren Zusammenhang konzeptionell und organi-
satorisch zu sichern.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten (CDU/CSU) zur Abstimmung über den
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung
des Heimgesetzes (Drucksache 14/5399)
Dem Dritten Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes
kann ich nicht zustimmen. Zwar sind die Motive ehren-
haft, um Bewohner in Heimen zu schützen und besser zu
pflegen; die Bestimmungen werden aber das Gegenteil er-
reichen. Mit der Novellierung werden unnötige bürokra-
tische Hürden aufgebaut und letztlich die Belange der
Bewohner nur durch schriftliche Verfahren, nicht aber in
Wirlichkeit, berücksichtigt. In Zukunft wird es so sein,
dass die Heime die beste Qualität haben in Verbindung
mit dem Qualitätssicherungsgesetz, die am meisten auf-
schreiben und am meisten dokumentieren. Diese Zeit geht
aber der persönlichen Zuwendung für die älteren und be-
hinderten Menschen ab und ist daher kontraproduktiv.
Die Verstärkung der Heimmitwirkung ist richtig. Es
bestehen aber erhebliche Bedenken, ob Angehörige als
Heimbeiräte segensvoll sind. Dies könnte auch zu Schi-
kanen von Pflegepersonal führen, wenn ein oder zweimal
im Monat Heimbeiräte, die Angehörige in der Pflegesta-
tion haben, ihr „schlechtes Gewissen“ der Abschiebung
durch besondere Kontrollen und Anweisungen beseitigen
wollen.
Die Abgrenzung zwischen Heimen und Formen des so
genannten betreuten Wohnens sind verschwommen und
dienen nicht zur Stärkung der Rechte älterer Bewohner,
weil betreutes Wohnen mit geringsten Angeboten recht-
lich besser gestellt wird als betreutes Wohnen mit guten
und kompakten Angeboten.
Dabei wird nicht übersehen, dass einzelne Verbesse-
rungen sinnvoll und richtig sind. Das Gesetz hätte aber
mehr auf die Praxis abgestimmt werden müssen.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Großen Anfrage: Zukunft der
deutschen Messewirtschaft in derGlobalisierung
(Tagesordnungspunkt 13)
Rolf Hempelmann (SPD): Welche Bedeutung der
Export für die deutsche Wirtschaft hat, brauche ich an die-
ser Stelle eigentlich nicht ausdrücklich zu betonen,
möchte aber dennoch eine Zahl nennen: Im Jahr 2000
machten die Exporte deutscher Unternehmen in Nicht-
EU-Länder fast 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus.
Eine wichtige Möglichkeit für exportierende Firmen,
sowohl ihr Unternehmen als auch ihre Produkte im In-,
vor allem aber im Ausland bekannt zu machen, sind na-
tionale und internationale Messen. Dort nutzen deutsche
Anbieter die Chance, ihre Dienstleistungen und Waren zu
präsentieren. Kunden können sich vor Ort ein Bild von
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der Qualität der Produkte machen und persönlich mit dem
Verkäufer verhandeln. Insofern stellen Messen ein wich-
tiges Marketinginstrument für deutsche Firmen dar. Da-
ran hat auch die zunehmende Nutzung und Bedeutung des
Internets nichts geändert.
Erfreulich ist vor diesem Hintergrund, dass der Messe-
standort Deutschland im internationalen Vergleich zu den
wichtigsten gehört. Rund zwei Drittel der weltweit
führenden Messen finden in unserem Land statt. Sechs der
zehn umsatzmäßig größten Messegesellschaften haben
ihren Sitz in der Bundesrepublik. Und die Bedeutung wird
steigen, denn sowohl die Anzahl ausländischer Messebe-
sucher in Deutschland als auch die Anzahl der Aussteller
sind in den letzten Jahren gewachsen und werden es laut
Prognosen des AUMA auch weiterhin tun.
Diese Entwicklung unterstützt die Bundesregierung im
Rahmen ihrer Möglichkeiten: Da die direkte finanzielle
Inlandsmesseförderung in den Zuständigkeitsbereich der
Länder fällt, engagiert sich die Bundesregierung vor al-
lem im Bereich der Infrastruktur. Auch wenn für den Aus-
bau von Verkehrsanbindungen vorrangig Länder und Ge-
meinden zuständig sind, hat die Bundesregierung
beispielweise beschlossen, die Messen in Stuttgart und
München an das Autobahnnetz anzuschließen und außer-
dem einen neuen Fernbahnhalt „Messe Leipzig“ einzu-
richten.
Und auch was die zügige Bearbeitung von Visaanträ-
gen ausländischer Messegäste in den deutschen Botschaf-
ten anbelangt, hat die Bundesregierung der Bedeutung für
die deutsche Messewirtschaft Rechnung getragen. Trotz
der durch die unsolide Haushaltspolitik der alten Bundes-
regierung notwendig gewordenen Einsparungen, die auch
den Personalbereich des Auswärtigen Amtes betreffen,
hat es keine Stellenkürzungen bei den Rechts- und Kon-
sulardiensten gegeben. In einigen zunehmend frequen-
tierten Botschaften – wie beispielsweise in Kiew – wurde
die Belegschaft sogar aufgestockt.
Sie kritisieren zwar, dass die Mittel für die „Gemein-
schaftswerbung deutscher Messen und Ausstellungen im
Ausland“ gekürzt wurden. Dies ist aber nur deshalb ge-
schehen, weil dort aufgrund verschiedener Tatsachen ein
immer geringerer Bedarf besteht. Zum einen haben die
deutsche Wirtschaft und die Messegesellschaften ihre ei-
genen Marketingaktivitäten beispielsweise durch die
Gründung von Auslandsvertretungen und Niederlassun-
gen intensiviert. Zum anderen widmen sich auch die
Deutsche Zentrale für Tourismus, DZT, und das German
Convention Bureau, GCB – in beiden Bereichen sind
keine Mittelkürzungen vorgesehen –, unter anderem der
Werbung für den Messestandort Deutschland. Dies ge-
schieht in enger Abstimmung mit der deutschen Messe-
wirtschaft. Sie sehen also, dass die Bundesregierung und
die Koalitionsfraktionen die Bedeutung von internationa-
len Messen in Deutschland anerkennen und sie auch im
Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern.
Die unmittelbare finanzielle Messeförderung der Bun-
desregierung konzentriert sich auf die Auslandsmessen.
Und in diesem Bereich müssen wir im nächsten Jahr in der
Tat einsparen. Das liegt aber keineswegs daran, dass wir
die Bedeutung dieser Fördermaßnahmen verkennen wür-
den, denn sonst wäre der Etat in den letzten beiden Jahren
wohl kaum weitgehend konstant geblieben. Nein, der
Grund für die Mittelkürzungen liegt einzig und allein in
der unsoliden Haushaltspolitik während der 16 Jahre Ih-
rer Regierungszeit, in der Sie einen enormen Schulden-
berg verursacht und uns hinterlassen haben. Diesen
Schuldenberg gilt es abzubauen und wir sind hier auf ei-
nem guten Weg.
Über diese finanzielle Förderung hinaus gibt es auch
für Auslandsmessen infrastrukturelle Unterstützung, die
der Bund allein oder in Zusammenarbeit mit Partnern aus
der Wirtschaft zur Verfügung stellt. Über das neue Außen-
wirtschafts-Internetportal des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie, „iXPOS“ können sich Aus-
steller im In- und Ausland sowohl über Messetermine als
auch über Fördermöglichkeiten und juristische Fragen so-
wie über Messekostenkalkulation informieren. Außerdem
finden diese Unternehmen dort die Adressen von An-
sprechpartnern für verschiedene Fragen. Damit haben be-
sonders kleine und mittlere Unternehmen die Möglich-
keit, sich einfach sowie Zeit und Kosten sparend zu
informieren. Und auch die Botschaften arbeiten heute in-
tensiv mit der deutschen Wirtschaft zusammen und ver-
stehen ihre Aufgabe zunehmend auch als Türöffner für
deutsche Unternehmen im Ausland. Zusätzlich gibt es die
Außenhandelskammern, die vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie gefördert werden. Sie sind
beratend tätig und helfen bei der Organisation von Mes-
seauftritten im Ausland. Dieses Know-how hilft vielen
kleinen und mittleren Unternehmen oft weit mehr als
Geld allein es könnte.
Zu den Forderungen der Opposition kann ich nur sa-
gen: Die Gründe, die wir für die Haushaltskonsolidierung
und damit auch für die Einsparungen im Bereich des Aus-
landsmesseetats haben, kann ich auch an dieser Stelle
nochmals wiederholen. Die von der CDU/CSU geführte
Regierung hat es über 16 Jahre lang nicht verstanden, mit
den ihr zur Verfügung stehenden Geldern hauszuhalten.
Nun ist es an uns, den Schuldenberg abzubauen und das
führt leider zu Kürzungen in den vielen Bereichen.
Was Ihre Forderung nach einem europäischen Messe-
konzept und nach der Vernetzung von Messen anbelangt:
Die Messewirtschaft innerhalb Europas befindet sich im
Wettbewerb und kann deshalb nicht von staatlicher Seite
reglementiert werden. Das gilt in gleichem Maße für die
Frage nach der regionalen Verteilung von Messen inner-
halb Deutschlands. Man kann doch nicht allen Ernstes
fordern, dass historisch gewachsene Messestandorte
durch staatliche Verordnung einen Teil ihres Geschäftes
zugunsten anderer Standorte abgeben sollen. Das wäre ein
Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Messege-
sellschaften und der Anbieter. Ich finde es schon merk-
würdig, dass gerade die CDU einen solchen staatlichen
Eingriff in einen funktionierenden Markt fordert.
Abschließend kann ich Sie auch in Ihrer in diesem Zu-
sammenhang geäußerten Sorge um die Auslandsmesse-
förderung von kleinen und mittleren Unternehmen beru-
higen: Diese Firmen sind – und das scheint Ihnen bisher
nicht klar gewesen zu sein – erfreulicherweise bereits jetzt
die Hauptprofiteure der Auslandmesseförderung, denn
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mit etwa 90 Prozent des Etats werden Messeauftritte die-
ser Unternehmen gefördert.
Sie sehen, die Zukunft der deutschen Messewirtschaft
in der Globalisierung ist bei der Bundesregierung in guten
Händen.
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ein al-
ter Kaufmannsspruch aus meiner Heimatstadt Flensburg
lautet: Handel und Wandel muss getrieben sein. – Doch
die Bundesregierung legt Handel und Wandel Zügel an;
bremst Initiatoren und Initiativen, die die Wirtschaft und
den Export unseres Landes voranbringen wollen. In der
letzten Woche wurde im Kabinett der Haushaltsentwurf
für 2002 verabschiedet. Er erweist dem Handel in
Deutschland einen Bärendienst. Die Förderung von Aus-
landsmessen wird gegenüber 2001 um 20 Prozent redu-
ziert.
Noch vor drei Monaten hat die Bundesregierung in ih-
rer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion Messen als Schlüsselbereich der deut-
schen Dienstleistungswirtschaft sowie als eines der
wichtigsten Marketinginstrumente und deren Beitrag zur
Steigerung von Wachstum und Beschäftigung herausge-
stellt. Statt bisher 70 Millionen DM stehen nur noch
57,5 Millionen DM zur Verfügung. Für 2003 setzt sich der
tiefe Fall auf 52,8 Millionen DM fort, das heißt ein Ein-
bruch von dann 25 Prozent; jede vierte Mark weniger für
die Messeförderung. Jahr für Jahr werden damit künftig
fast 50 offizielle deutsche Beteiligungen an Auslands-
messen weniger stattfinden; für den Absatz der deutschen
Exportindustrie kann ein solch tief greifender Einschnitt
verheerende Folgen haben.
Für eine Exportnation wie Deutschland hat dies gra-
vierende Rückwirkungen auf Arbeitsmarkt und Steuer-
einnahmen. Ein aktuelles Gutachten der Uni Köln stellt
fest: Die vom Bund eingebrachten 70 Millionen DM für
Messebeteiligungen im Ausland haben ein Exportvolu-
men von rund 7 Milliarden DM induziert, damit verknüpft
sind 20 000 zusätzliche Arbeitsplätze. Die Folgen solcher
Förderung: ein Mehr an Steuereinnahmen von 335 Milli-
onen DM, davon 150 Millionen DM allein für den Bund.
Der Einsatz von 70 Millionen DM hat sich verdoppelt.
Umgekehrt bedeutet das: Durch die Kürzung von 12 Mil-
lionen DM im Haushalt 2002 werden 128 Millionen DM
weniger Steuern bewirkt; ein Verlust von 116 Milli-
onen DM für die öffentlichen Haushalte. So sieht der frag-
würdige Sparkurs der Bundesregierung aus.
Auch ordnungspolitisch wird der Auslandsmes-
seförderung Unbedenklichkeit bescheinigt. Sie stützt und
stärkt den Markt, sie gleicht Wettbewerbsnachteile für
kleinere und mittlere Unternehmen aus. Gerade für kleine
und mittlere Unternehmen eignen sich Auslandsmessebe-
teiligungen als erste Schritte in neue Wachstumsmärkte.
Rund 20 Prozent der Exporte sind direkte Folge der Be-
teiligungen deutscher Unternehmen an Auslandsmessen.
Die Auslandsmesseförderung ist deshalb für die Export-
wirtschaft eine unverzichtbare Unterstützung bei der er-
folgreichen Erschließung ausländischer Märkte. Auf den
offiziellen deutschen Beteiligungen an Auslandsmessen
mit Schwerpunkt Asien und Osteuropa sind jährlich mehr
als 5 000 Unternehmen präsent.
Die Kabinettsentscheidung 2001 hat bereits erste ne-
gative Auswirkungen. Der Messe-Ausschuss der Deut-
schen Wirtschaft hat die Pläne für die KONSUGERMA
2002 in Japan auf Eis gelegt. Dabei handelt es sich um
die große Sonderschau der deutschen Konsumgüterin-
dustrie, ein Schaufenster Deutschlands im Erdteil mit den
meisten Menschen. Die Messe findet alle vier Jahre ab-
wechselnd zur TECHNOGERMA, der Sonderschau der
deutschen Investitionsgüterindustrie statt; beide jeweils
in der größten Wachstumsregion der Welt. Die Entschei-
dung der Wirtschaft war notwendig, um nach der an-
gekündigten Kürzung nicht die 239 regulären Auslands-
messen zu gefährden. Gerade kleine und mittelständische
Unternehmen verlieren durch den Berliner Bescheid die
Chance, auf dem schwierigen japanischen und damit
asiatischen Markt Fuß zu fassen. Besonders sie sollten
bei der großen Sonderschau in Japan von dem positiven
Imagetransfer großer bekannter deutscher Marken profi-
tieren.
Geben Sie der Wirtschaft Planungssicherheit, Herr
Minister! Übernehmen Sie eine langfristige Garantie für
KONSUGERMA und TECHNOGERMA; unabhängig
von der regulären Auslandsmesseförderung! Setzen Sie
sich gegenüber dem Finanzminister durch; noch ist der
Haushalt 2002 nicht verabschiedet!
Die Auslandsmesseförderung, die eine Hilfe zur
Selbsthilfe darstellt, muss in den nächsten Jahren so aus-
gebaut werden, dass sie den wachsenden Anforderungen
an die globale Präsenz deutscher Unternehmen im Aus-
land Rechnung trägt. Eine Reduzierung zerstört Ex-
portchancen. Sichere Fördermittel auch für die Zukunft
sind damit ein entscheidender Faktor eines Exporter-
folges.
Die deutsche Wirtschaft erfüllt durch ihre Messeprä-
senz auf Auslandsmessen neben den genannten wirt-
schaftlichen Funktionen auch eine wichtige öffentliche
Funktion für die politischen und wirtschaftlichen Bezie-
hungen der Bundesrepublik mit dem Ausland. Sie sind
kompetente Botschafter unseres Landes.
Deutsche Veranstalter organisieren neben Beteiligun-
gen außerdem pro Jahr rund 180 eigene Messen in wich-
tigen ausländischen Wachstumsregionen, insbesondere in
Asien, Nord- und Südamerika sowie Osteuropa. Diese
Veranstalter brauchen ergänzend zu ihrem umfangreichen
Engagement auf deutschen Messen zunehmend auch in
schwierigen Auslandsmärkten kompetente Partner. Die-
ser Einsatz wird und muss in den nächsten Jahren im Rah-
men der Globalisierung weiter wachsen. Man will an den
zunehmenden Handelsströmen zwischen außereuropä-
ischen Regionen teilhaben, um einen positiven Image-
transfer und damit eine Stärkung der heimischen Leit-
messen zu erreichen.
Die Messewirtschaft gehört zu den führenden Dienst-
leistungsbranchen der deutschen Wirtschaft. Sie zeichnet
sich durch besonders hohe internationale Ausstrahlung
und Innovationskraft aus. Rund zwei Drittel der weltweit
führenden Messen finden in Deutschland statt.
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Wir von der CDU/CSU haben diese Entwicklung ge-
wollt und befördert und alle Fraktionen des Deutschen
Bundestages haben sich dieser Ausrichtung nie ver-
schlossen. Bei dieser Gemeinsamkeit sollte es bleiben!
Die Messen bei uns sind zentrale Handels- und Kommu-
nikationsplätze für die Wirtschaft. Sie leisten dadurch ei-
nen wesentlichen Beitrag zu Wachstum und Beschäfti-
gung in Deutschland und zur Intensivierung des
internationalen Handels. Handel und Wandel sind die
Grundlage der deutschen Messewirtschaft, der freie Welt-
handel ihr Motor. Die Einführung des Euro sowie die Er-
weiterung der Europäischen Union werden ihm weiteren
Schwung geben.
Sechs der zehn umsatzstärksten Messegesellschaften
der Welt haben ihren Sitz in Deutschland. Die deutschen
Messeveranstalter setzen pro Jahr über 4,5 Milliarden DM
um. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Messewirt-
schaft wurde durch verschiedene Studien bestätigt.
Aufwendungen der Aussteller und Besucher von 17 Mil-
liarden DM pro Jahr und gesamtwirtschaftliche Produkti-
onseffekte von über 41 Milliarden DM zeigen, dass die
Messewirtschaft zu den wichtigsten Dienstleistungsbran-
chen der deutschen Wirtschaft zählt. Rund 230 000 Voll-
zeitarbeitsplätze hängen von der Durchführung von Mes-
sen ab. Da die Aussteller- und Besucherzahlen auch in
Zukunft weiter wachsen werden, wird die Messewirt-
schaft auf Dauer am Standort Deutschland Arbeitsplätze
schaffen und nicht abbauen.
Messen gehören zu den wichtigsten Begegnungsplät-
zen der Wirtschaft. Ein wesentlicher Grund dafür ist ihre
Multifunktionalität: Messen dienen dazu, Innovationen
zu präsentieren, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens
zu erhöhen, die Wettbewerbssituation zu analysieren,
Kontakte zu alten und neuen Kunden herzustellen, und
dazu, den Absatz von Produkten und Dienstleistungen
vorzubereiten. Für die deutsche Wirtschaft haben Messe-
beteiligungen einen besonders hohen Stellenwert im
Kommunikationsmix. So fließen in der Investitionsgüter-
industrie rund ein Drittel sämtlicher Ausgaben für Markt-
kommunikation in Messebeteiligungen.
Jährlich werden 130 bis 150 überregionale und interna-
tionale Messen und Ausstellungen mit über 160 000 Aus-
stellern und rund 10 Millionen Besuchern durchgeführt.
Rund 50 Prozent der Aussteller kommen aus dem Aus-
land, davon ein Drittel aus Ländern außerhalb Europas;
und Devisen kommen in unser Land. Von den Besuchern
reist knapp ein Fünftel aus dem Ausland an, davon wie-
derum rund 20 Prozent aus Übersee. Kein anderes Messe-
land erreicht vergleichbare Größenordnungen.
Doch auch hier gibt es Reserven. Zahlreiche potenzi-
elle Aussteller und Besucher aus dem Ausland, vor allem
aus Mittel- und Osteuropa, werden durch administrative
Schwierigkeiten von einer Messeteilnahme in Deutsch-
land abgeschreckt. Sie fühlen sich durch stunden- und ta-
gelanges Warten bei der Visa-Erteilung schikaniert. Hier
muss die Bundesregierung für Abhilfe sorgen; ein spezi-
elles „Messe-Visum“ schaffen!
Vier der fünf größten Messegelände der Welt liegen in
Deutschland. Für die Durchführung überregionaler Mes-
sen und Ausstellungen stehen auf 23 deutschen Messe-
plätzen rund 2,4 Millionen Quadratmeter Hallenfläche
zur Verfügung. Das entspricht einer Fläche von 330 Fuß-
ballplätzen, für jeden Messeplatz im Durchschnitt einer
Fläche von 14 Fußballplätzen. Neun Gelände verfügen
über mehr als 100 000 Quadratmeter Hallenkapazität, vier
über mehr als 50 000 Quadratmeter. Hinzu kommt ein
dichtmaschiges Netz regionaler Fach- und Verbraucher-
ausstellungen. Allein bei diesen Vor-Ort-Initiativen tref-
fen sich jährlich rund 60 000 Aussteller und über 10 Mil-
lionen Besucher. Viele dieser lokalen Messen werden
durch ehrenamtlichen Einsatz aus der Wirtschaft getra-
gen. Diesen oft ideenreichen Initiativen ist dafür herzlich
zu danken.
Die Durchführung von Messen nützt nicht nur den be-
teiligten Ausstellern und Besuchern. Auch die regionale
Wirtschaft im Einzugsgebiet der Messestadt hat einen
großen Nutzen. Hotellerie und Gastronomie profitieren
davon ebenso wie Verkehrsunternehmen und Firmen, die
Messe-Dienstleistungen für Veranstalter und Aussteller
erbringen, wie Messebau, Logistikunternehmen, Dolmet-
scher- und Hostessendienste. Je mehr Aussteller und Be-
sucher aus anderen Regionen in die Messestadt kommen
und dort übernachten, umso größer ist dieser Effekt. Die
regionalwirtschaftlichen Effekte umfassen bei stark inter-
national ausgerichteten Messeplätzen das 5- bis 6fache
des Veranstalterumsatzes. Betrachtet man neben den
reinen Messen auch die 63 Millionen Tagungs- und Kon-
gressteilnehmer, bewirkten diese 1999 für den Touris-
musstandort Deutschland einen Umsatz von 84 Milliar-
den DM und 65 Millionen Übernachtungen, so das GCB
(German Convention Bureau). Damit sicherte dieser
Dienstleistungsbereich bundesweit etwa 850 000 Vollzeit-
arbeitsplätze. Darüber hinaus entstehen erhebliche zu-
sätzliche Steuereinnahmen für Städte, Länder und Bund.
Nicht zu vergessen ist die positive Imagewirkung für die
jeweilige Stadt im In- und Ausland.
Doch können diesen Effekt nicht alle Regionen in der
Bundesrepublik gleichrangig nutzen. Die Verteilung von
Messen mit überregionaler und internationaler Bedeutung
ist unausgewogen. Sie konzentrieren sich auf sehr leis-
tungsfähige und stark frequentierte Messestandorte mit
gut ausgebauter Infrastruktur wie Frankfurt, Düsseldorf
oder Berlin. Die Förderung bestehender regionaler Mes-
sestandorte in strukturschwachen Regionen muss daher
die Aufgabe von Bund und Ländern sein! Durch eine op-
timierte Anbindung an die Verkehrsinfrastruktur könnten
diese zu Kristallisationspunkten für die Wirtschaftsent-
wicklung einer ganzen Region werden.
Auch in den strukturschwachen Gebieten meiner Hei-
mat Schleswig-Holstein gibt es solche entwicklungsfähi-
gen Messen, die das Potenzial zu überregionaler Bedeu-
tung haben: Hierzu sind die „NORLA“ in Rendsburg, die
„windtech Husum“ und die „RORO“ in Lübeck zu zählen,
aber auch eine Gemeinde wie Kropp. Dort gab es
120 Aussteller und 18 000 Besucher in 3 Tagen. Das ist
eine beeindruckende Bilanz für Initiatoren aus Wirtschaft
und Gewerbe, die aus Eigeninitiative ehrenamtlich
handeln. Die Parade von 55 lebensgroßen Ochsen aus
Plastikmaterial brachte dieser Mini-Messe bundes-
weite Beachtung. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen! Die
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„windtech Husum“ macht es vor: Gegenüber der Leis-
tungsschau 1999 verdreifacht sich dieses Jahr die Aus-
stellerzahl. 250 Aussteller aus 20 Ländern haben sich für
die Windkraft-Leitmesse im September angemeldet.
Einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufbau
der neuen Länder und damit auch zur Stärkung der Wett-
bewerbsfähigkeit des Mittelstandes hat seit 1990 das För-
derprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft für
ostdeutsche Aussteller geleistet. Inzwischen sind bei der
Heranführung der ostdeutschen Unternehmen an die na-
tionalen und internationalen Märkte mithilfe von Messe-
beteiligungen wichtige Fortschritte erzielt worden. Doch
diese gute Entwicklung wird jetzt durch den Anti-Messe-
Beschluss der Bundesregierung gestoppt. Das darf nicht
sein!
Die Praxis zeigt: Trotz der Bedeutung von Messen als
Handels- und Kommunikationsplätze nutzen neu gegrün-
dete Unternehmen das Marketing- und Vertriebsinstru-
ment Messen im Vergleich zu langjährig am Markt tätigen
Unternehmen nur ungenügend. Doch gerade für junge
Unternehmen ist die Teilnahme an Messen für ihre Eta-
blierung am Markt besonders wichtig. Grund dafür sind
die hohen Kosten einer Messebeteiligung. Hier gilt es,
zielgerichtet zu fördern, kleinen und mittelständischen
Unternehmen sowie Neugründungen unter die Arme zu
greifen!
Die deutsche Messewirtschaft ist seit Jahrzehnten frei
von speziellen gesetzlichen Regelungen, etwa hinsicht-
lich des Marktzugangs für Veranstalter oder der Gründung
neuer Veranstaltungen. Die daraus entstandene intensive
Wettbewerbssituation hat entscheidend zu der internatio-
nal respektierten hohen Qualität der deutschen Messen
beigetragen.
Für jede Messe müssen die Interessen der Aussteller,
Besucher und Veranstalter hinsichtlich Bezeichnung, No-
menklatur, Standort, Termin, Dauer und Turnus von Mes-
sen immer wieder aufs Neue zum Ausgleich gebracht
werden. Der Ausstellungs- und Messeausschuss der deut-
schen Wirtschaft wirkt daran als neutrale Clearingstelle
hilfreich mit. Dadurch fördert er ein rationelles Messewe-
sen im Sinne einer effektiven Subsidiarität, der Staat wird
entlastet, die Wirtschaft gestärkt, die Bürger haben etwas
von diesem Modell.
Doch mit der Entscheidung der Bundesregierung, die
Messeförderung drastisch einzuschränken, legt man die
Axt an die Wurzel der Exportförderung. Unser Land muss
Messeland Nummer eins in der Welt bleiben.
Ernst Burgbacher (F.D.P.): Die Messewirtschaft
stellt in Deutschland einen wichtigen Wirtschaftsfaktor
dar. Die Zahlen sind beeindruckend: Sechs der zehn welt-
weit umsatzstärksten Messegesellschaften befinden sich
in Deutschland. Vier der fünf weltweit größten Messe-
gelände befinden sich in Deutschland. Zwei Drittel der
weltweit führenden Messen finden in Deutschland statt.
Der Messestandort Deutschland hat eine führende Markt-
position, wobei das Potenzial noch lange nicht ausge-
schöpft ist.
Für die regionale Wirtschaft haben Messen eine zen-
trale Bedeutung. Verkehrsbetriebe und Taxiunternehmen,
Logistik, Transport und Messebau, Einzelhandel, Kultur-
und Freizeiteinrichtungen – es gibt kaum eine Branche,
die nicht direkt oder indirekt an einer großen Messe mit-
verdient. Die Umwegrendite für die regionale Wirtschaft
im Umfeld einer großen Messe beträgt durchschnittlich
das Fünf- oder Sechsfache. Das heißt im Klartext: Jede
Mark, die auf der Leipziger Messe umgesetzt wird, bringt
der Region etwa 5 bis 6 DM ein.
Hotellerie und Gastgewerbe profitieren von den Aus-
stellern und Besuchern. In Leipzig macht der Messe- und
Kongresstourismus 30 Prozent der gesamten Zimmer-
belegung aus. Wer je versucht hat, während der Buch-
messe in Frankfurt noch ein Hotelzimmer zu bekommen,
wird das Problem einer 100-prozentigen Zimmerbele-
gung kennen.
Von den jährlich 160 000 Ausstellern auf den deutschen
überregionalen und internationalen Messen kommen
80000 aus dem Ausland, von ihnen etwa ein Drittel aus
Übersee. Von den 10 Millionen Besuchern kommen etwa
2Millionen aus dem Ausland. Viele Aussteller und Messe-
besucher nutzen die Messe auch für ein privates touris-
tisches Besuchsprogramm. Gerade ausländische Gäste
geben dabei überdurchschnittlich viel Geld aus.
Deswegen ist es notwendig, dass die Einzugsgebiete
eines Messestandortes flexibel auf die touristische Nach-
frage reagieren können. Wie soll man etwa den Messegäs-
ten aus Italien oder Frankreich klarmachen, dass sie nach
einem langen Arbeitstag ab 22 Uhr bitte schön den Bier-
garten zu räumen haben? Auf Messen werden informelle
Kontakte geknüpft und nicht zuletzt viel gefeiert. Höchs-
tens ein Gast aus Großbritannien würde bei unserer über-
holten Sperrstundenregelung nicht verwundert den Kopf
schütteln.
Messen sind für Aussteller wie für Besucher meist
ganztägige Veranstaltungen. Regionale Geschäfte im
Umfeld des Messegeländes können davon kaum profitie-
ren, da Messeschluss und Ladenschluss meist dicht bei-
einander liegen. Messen müssen daher auch in Ihrer Be-
deutung für die Tourismuswirtschaft ernst genommen
werden. Ein guter Messestandort zeichnet sich vor allem
auch dadurch aus, dass sich Gäste dort wohl fühlen. Ho-
tellerie und Gastronomie müssen in die Lage versetzt wer-
den, der Spitzenposition der deutschen Messewirtschaft
auch gerecht zu werden.
Dazu gehört erstens eine Liberalisierung der Sperrzei-
ten, damit die Wirte auf die Bedürfnisse der Messegäste
eingehen können.
Dazu gehört zweitens eine Verlängerung der Öff-
nungszeiten in der Außengastronomie. Biergärten und
Straßencafes gehören gerade auch in den Augen der aus-
ländischen Touristen zu den beliebtesten gastronomi-
schen Betrieben. Biergärten stellen auch einen Teil unse-
rer Lebensart und Kultur dar. Gerade hier sollten wir
Toleranz und Weltoffenheit zeigen, anstatt mit Kleinka-
riertheit unsere Gäste zu vertreiben.
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Dazu gehört drittens eine Flexibilisierung der Laden-
schlusszeiten, damit Aussteller und Besucher auch abends
nach Messeschluss noch in Ruhe einkaufen können.
Dazu gehört viertens die Förderung der Dienstleis-
tungsbereitschaft. Es muss sich lohnen, auf die Wünsche
und Bedürfnisse der Messebesucher einzugehen. Die
630-Mark-Regelung verhindert, dass Wirte und Hoteliers
kurzfristig zusätzliche Arbeitskräfte einstellen können,
um etwa in Messezeiten dem größeren Aufkommen an
Gästen gerecht zu werden. Auch die Besteuerung von
Trinkgeldern schadet der Dienstleistungsbereitschaft.
Der Erfolg einer Messe hängt entscheidend davon ab,
wie zufrieden Aussteller und Besucher mit dem Service
sind. Auch hier gilt die Devise: Ein zufriedener Gast kehrt
wieder.
Ursula Lötzer (PDS): Die Große Anfrage und der
Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion bietet die
Möglichkeit, über Eckpunkte der wirtschaftspolitischen
Leitbilder von Regierung und der größten Oppositions-
partei zu debattieren.
Im Kern geht es der CDU/CSU um eine gleichblei-
bende Subventionierung der deutschen Exportwirtschaft
über die Messeförderung. Daran ist erst einmal nichts Eh-
renrühriges, obwohl sonst von Ihnen bei jeder Gelegen-
heit der Abbau von Subventionen und der Rückzug des
Staates gefordert wird. Die Tatsache, dass zwei Drittel der
weltweit führenden Messen in Deutschland stattfinden
und sich dies positiv auf den Tourismussektor und die Be-
schäftigung auswirkt, spricht scheinbar schon für sich.
Wie aus den Antworten der Bundesregierung ersicht-
lich, sind die regionalen Impulse also nicht zu vernach-
lässigen. Aber ich gebe zu bedenken, dass es nicht nur um
die Frage geht, wie der Status quo gehalten wird oder wie
sich die deutsche Wirtschaft auf den Exportmärkten be-
hauptet. Wichtiger ist, ob eine Politik, die primär auf den
Export setzt, die wirtschaftlichen und vor allem sozialen
Probleme in Deutschland auf die Dauer nachhaltig lösen
kann. Die Antwort ist ein klares Nein.
In den letzten Tagen und Wochen zeigte sich wieder
das grundsätzliche Problem der strategischen Orientie-
rung des Exportweltmeisters Deutschland: Die weltwirt-
schaftliche Konjunktur bricht ein, die Talsohle ist im Mo-
ment nicht absehbar und die deutsche Wirtschaft wird in
starke Mitleidenschaft gezogen. Aus dem jahrzehntelang
vernachlässigten Binnenmarkt gibt es nicht die notwendi-
gen Impulse, um den Einbruch zu kompensieren. Die ver-
sprochene Wende am Arbeitsmarkt rückt in weite Ferne.
Das Wort Rezession macht bereits die Runde – eine Ent-
wicklung, die wir von der PDS bereits vor Monaten hier
im Plenum prognostiziert hatten. Damals wurden wir
milde belächelt und als „Miesmacher“ bezeichnet. Heute
muss sich Wirtschaftsminister Müller für die teilweise
Anerkennung dieser Realität vor dem Kollegen Eichel
und dem Bundeskanzler rechtfertigen.
Mit einer stärkeren Exportsubventionierung wie im
Falle der Messen, die das Marketing für Produkte „Made
in Germany“ bereitstellen, wird sich das Problem man-
gelnder Nachfrage im Inland aber nicht lösen lassen. Auf
den Exportmärkten herrscht bereits ein großer Verdrän-
gungswettbewerb. 90 Prozent der Warenströme kommen
aus den wenigen OECD-Staaten und bleiben dort. Jeder
versucht beim Nachbarn mehr abzusetzen, weil zu Hause
die Löhne und die öffentliche Nachfrage sinken. Eine Po-
litik der permanenten Exportüberschüsse ist dabei ebenso
wenig dauerhaft wie kontinuierliche Defizite, wie im
Falle der USA.
Ganz zu schweigen von den sozialen Konsequenzen
und Verteilungseffekten des Verdrängungswettbewerbs,
der zulasten der Arbeitsbedingungen und der sozialen
Standards geführt wird. Anschaulich wird dies in den Fra-
gen der CDU/CSU-Fraktion, die längere Ladenöffnungs-
zeiten im Zusammenhang von Messen einfordert, die vor-
gesehenen Neuregelungen zur Teilzeitarbeit und
befristete Arbeitsverträge ablehnt und sich für die Aufhe-
bung arbeitsrechtlicher Bestimmungen ausspricht.
Hier präsentieren die Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU wieder ihre alten Vorstellungen eines libe-
ralisierten Arbeitsmarktes, der befreit von staatlichen Re-
geln aus sich heraus für „Vollbeschäftigung“ sorgen
könne. Auch wenn diese Vorstellungen in den Zusam-
menhang von „Globalisierung und Messewirtschaft“ ge-
stellt werden, bleiben sie falsch und helfen nicht, sozial
abgesicherte Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Messewirtschaft kann durchaus Impulse für dieses
Ziel bieten, wenn sie in ein Konzept der Förderung des
Binnenmarkts integriert wird. In ihren Antworten auf die
Große Anfrage setzt die Bundesregierung aber leider auf
eine weitere Liberalisierung der Märkte, ob auf dem EU-
Binnenmarkt oder im Rahmen der Dienstleistungsver-
handlungen in der WTO. Gefragt ist jedoch ein Strategie-
wechsel, der nicht Protektionismus meint.
Denn es ist kaum glaubhaft, dass alle klein- und mit-
telständischen Unternehmen auf dem „Weltmarkt“ ihre
Nische finden. Sie werden in der überwiegenden Zahl
ihren Absatz auf dem Binnenmarkt und der Region be-
halten. Und deshalb sind regionale Wirtschaftskreisläufe
zu unterstützen, nicht nur aus ökologischer Einsicht, son-
dern aufgrund strukturpolitischer Notwendigkeit. Eine
Konzentration auf und Kooperation zwischen Messe-
standorten könnte dabei helfen, die Produkte und Dienst-
leistungen in der Region zu präsentieren und die Förder-
mittel effizient einzusetzen.
Eine ausreichend hohe kaufkräftige Nachfrage der
Menschen vor Ort ist dabei aber Grundvoraussetzung,
wobei wir beim Ausgangspunkt sind: Einseitige Export-
orientierung verhindert genau diese hohe Massennach-
frage und diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Un-
sere Fraktion hat in den letzten Jahren genau hierfür
zahlreiche Ansätze in die Debatte eingebracht.
Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie: Mit der Großen
Anfrage zur „Zukunft der deutschen Messewirtschaft in
der Globalisierung“ wird ein wichtiger Bereich der
Dienstleistungswirtschaft angesprochen, dem die Bun-
desregierung auch schon in der Vergangenheit ihre Auf-
merksamkeit gewidmet hat. Messen und Ausstellungen
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im In- und Ausland haben für die exportorientierte deut-
sche Wirtschaft eine zentrale Bedeutung. Messen und
Ausstellungen sind Grundlage des Exportgeschäfts und
stützen damit die inländische Produktion, Beschäftigung
und die Steuereinnahmen des Staates. Als einem wichti-
gen Teil des Außenwirtschaftsförderinstrumentariums
kommt der Auslandsmesseförderung ein hoher Stellen-
wert zu. Die staatliche Unterstützung ist Hilfe zur Selbst-
hilfe zur Erschließung schwieriger ausländischer Märkte.
Dabei zielt die Unterstützung insbesondere auf kleine und
mittlere Unternehmen, die sich im Ausland keine eigenen
Vertretungen leisten können.
Insgesamt steht die Mittelstandsförderung im Zentrum
der Auslandsmessepolitik. So hat die Bundesregierung im
Jahr 1999 172 Auslandsmessen mitfinanziert, 2000 konn-
ten 190 Auslandsmessen gefördert werden. 2001 wird
sich die Zahl voraussichtlich auf 195 belaufen. Rund
90 Prozent der Messeteilnehmer sind mittelständischen
Unternehmen zuzuordnen. Nicht zuletzt deshalb sieht die
Bundesregierung in der Auslandsmesseförderung eine
mittel- und langfristige Aufgabe.
Es ist das übergeordnete Ziel der Bundesregierung, den
Bundeshaushalt wieder in geordnete Verhältnisse zurück-
zuführen. Deshalb sind Einschnitte in vielen Bereichen
erforderlich, von denen auch die Auslandsmesseförde-
rung nicht ausgenommen werden kann. Allerdings ist die
Bundesregierung bemüht, im Interesse der langfristigen
Stabilität die Absenkung des Etats in Grenzen zu halten.
Ob es dadurch tatsächlich zu sehr viel weniger Auslands-
messebeteiligungen kommen wird als in diesem Jahr und
in den Vorjahren, wird ganz wesentlich davon abhängen,
ob die Unternehmen bereit sind, mehr Eigenmittel in die
geförderten Auslandsmessebeteiligungen einzubringen.
Die Bundesregierung hält ein höheres finanzielles En-
gagement der ausstellenden Unternehmen an den direkten
förderfähigen Messekosten für angemessen und zumut-
bar. Derzeit tragen die Aussteller durchschnittlich ein
Drittel dieser Kosten. Bei höherer Eigenbeteiligung
könnte durchaus die Zahl der Auslandsmessebeteiligun-
gen gehalten werden. Die Förderquote der direkten Mes-
sekosten würde dann im Schnitt immer noch über 50 Pro-
zent liegen.
Nach jahrzehntelanger finanzieller Unterstützung der
Maßnahmen für die Vermarktung des „Messeplatzes
Deutschland“ im Ausland erwartet die Bundesregierung
nun eine Konsolidierung dieser Aktivitäten sowie einen
gezielten Einsatz der Eigenmittel der Messewirtschaft für
diesen Zweck. Die Messegesellschaften sind mit eigenen
Marketingmaßnahmen sehr stark im Ausland engagiert,
sodass eine übergreifende Werbung für den Messeplatz
Deutschland auf wichtige Kernbereiche konzentriert wer-
den kann. Vor dem Hintergrund der positiven Entwick-
lung des „Messeplatzes Deutschland“ kann damit auch
ein Beitrag zu den erforderlichen Haushaltseinsparungen
geleistet werden.
Für die deutsche Exportwirtschaft ist der Zugang zu
den Auslandsmärkten von lebensnotwendiger Bedeutung.
Die Bundesregierung bemüht sich daher, im Rahmen der
angestrebten neuen WTO-Verhandlungsrunde weitere
Maßnahmen zur Marktöffnung und Zollsenkung durch-
zusetzen. Dabei gilt unser besonderes Augenmerk dem
Dienstleistungsbereich und Fortschritten auch im Touris-
mussektor.
Ohne den gewünschten Abbau von Handelshemmnis-
sen kann eine gezielte Messeförderung nicht ihre ge-
wünschte Wirkung entfalten. Für die deutsche Export-
wirtschaft und damit auch für die Veranstaltung von
Auslandsmessen sind noch zahlreiche weiße Flecken auf
der Weltkarte zu erschließen. Im Zeitalter der Globalisie-
rung und der immer stärkeren internationalen Vernetzung
der Märkte kommen daher auf die Auslandsmesseförde-
rung auch in Zukunft gewichtige Aufgaben zu.
Für die deutsche Wirtschaft ist ein weiterer Ausbau des
Auslandsmesseförderinstrumentariums als Instrument
der Markterschließung von hoher Priorität. Durch die ver-
stärkte Vermarktung des Ziellandes Deutschland durch
die Deutsche Zentrale für Tourismus und das German
Convention Bureau bemühen wir uns, auch die Zahl der
ausländischen Messebesucher in Deutschland zu erhöhen.
Die Aktivitäten der beiden genannten Organisationen zie-
len insbesondere auf das Segment Geschäftsreisen ab.
Konkret steht die Werbung für den Besuch von Messe-
veranstaltungen in Deutschland im Mittelpunkt. Die Vi-
saerteilungen an Messe-Aussteller und -Besucher insbe-
sondere aus der Volksrepublik China, der Ukraine und aus
Russland laufen nun reibungslos, nachdem Verfahren ein-
geführt wurden, die sicherstellen, dass Visaanträge von
Geschäftsleuten vorrangig bearbeitet werden. Dadurch
leisten die Visastellen zusammen mit den Wirtschafts-
diensten an den deutschen Auslandsvertretungen einen
hervorragenden Beitrag zur Stärkung des Messestandor-
tes Deutschland.
Durch die Neuorientierung des Vorsteuerabzugs aus
Reisekosten am europäischen Recht verbessert die
Bundesregierung die Voraussetzungen für in- und aus-
ländische Interessenten zur Teilnahme an Messen in
Deutschland. Die Bundesregierung hält im Übrigen Aus-
nahmeregelungen für Dienstleister im Bereich der Mes-
sewirtschaft bei Teilzeitarbeit und der Befristung von
Arbeitsverträgen nicht für angebracht. Diese Messe-
Unternehmen können keine Sonderstellung beanspru-
chen, sondern können die vorhandenen Flexibilitäten im
Teilzeit- und Fristarbeitsrecht ausschöpfen.
Der zunehmende Einsatz virtueller Medien im Zusam-
menhang mit Messen wird von der Bundesregierung aus-
drücklich begrüßt. Sie wertet dies als eine sinnvolle Er-
gänzung für die Verbesserung der Attraktivität deutscher
Messen, sieht allerdings auch längerfristig keine Substi-
tution oder grundsätzliche Wandlung der Messeland-
schaft durch dieses Medium.
Fusionen von, Messeveranstaltern – hier gab es in jün-
gerer Zeit einige Bewegung in der Messelandschaft –
werden von der Bundesregierung unter rein wettbewerbs-
rechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Prüfungsmaßstab
ist dabei die Frage, ob durch den Zusammenschluss eine
marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wer-
den könnte. Dies ist bei den bisherigen Anträgen an das
Bundeskartellamt nicht festgestellt worden. Es bleibt ab-
zuwarten, ob sich in dieser Entwicklung in Zukunft Än-
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derungen in der Art ergeben, dass die Bundesregierung
Anlass sieht, sich einzuschalten.
Die Bundesregierung hält die „Zukunft der deutschen
Messewirtschaft in der Globalisierung“ trotz der notwen-
digen Haushaltskürzungen für weiterhin gesichert und
aussichtsreich. Der Messestandort Deutschland hat seine
internationale Bedeutung nachhaltig unter Beweis ge-
stellt. Auch im Auslandsmessegeschäft sind und bleiben
deutsche Dienstleister und Aussteller an der Weltspitze.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichtes: Ziele für die Qualitätssteigerung
in der Diabetes-Versorgung (Tagesordnungs-
punkt 14)
Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Es ist
schade, dass eine solch bedeutende Angelegenheit, die die
Lebensfrage für 6 Millionen an Diabetes erkrankten Men-
schen betrifft, zu solch später Stunde im Parlament zur
Sprache kommt. Es ist schade, weil damit auch die Be-
troffenen selbst nicht die Möglichkeit haben, wenn es um
ihre Zukunft geht, dabei zu sein. Wenn ich an die Diabe-
tes-Versorgung in Deutschland denke, dann trifft schwarz
voll ins Schwarze. Mit schwarz ist Prof. Schwartz ge-
meint, der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Kon-
zertierten Aktion im Gesundheitswesen, der mit seiner
Feststellung „Das deutsche Gesundheitswesen leistet
nicht, was es leisten könnte. Es hat zu wenig Zielorientie-
rung, Patientenorientierung und Qualitätsorientierung.“
voll ins Schwarze getroffen hat.
Wir wollen in Deutschland für diabeteskranke Men-
schen eine Regelversorgung einführen. Damit wird deut-
lich, dass wir zwar viel Erkenntnisse über Modellprojekte
gewonnen haben, aber ein Flickenteppich ist keine Ant-
wort auf die Herausforderung in Deutschland für die
sechs Millionen an Diabetes mellitus Erkrankten. Über
90 Prozent dieser Menschen haben eine Typ 2-Diabetes.
Diese Diabetes-Form ist meist mit Übergewicht, Blut-
hochdruck und Stoffwechselstörungen verbunden.
250 000 Menschen in Deutschland haben eine Typ 1-Dia-
betes. Diese Menschen müssen immer mit Insulin behan-
delt werden. Aber das Grausame an dieser „schleichenden
nicht schmerzhaften Krankheit“ ist, dass 9 000 Diabetiker
pro Jahr ein Nierenversagen erleiden. Jeder dritte Dia-
lysepatient ist ein Diabetiker. Der Anteil der Diabetiker
steigt. Jeder zweite Patient, der neu eine dauerhafte Dia-
lyse-Behandlung braucht, ist ein Diabetiker.
Über 90 Prozent der Diabetiker bekommen Netzhaut-
veränderungen der Augen. Das Risiko bei Menschen mit
Diabetes, zu erblinden, ist um das Zehnfache höher. Pro
Jahr erblinden mindestens 3 000 Diabetiker. Dies ist jeder
Dritte, der neu erblindet. Aber das ist noch nicht alles.
25 000 Fuß- und Beinamputationen, das sind 70 Prozent
aller Amputationen, werden jährlich bei Menschen mit
Diabetes vorgenommen. Das Risiko bei Herzanfällen und
Schlaganfällen ist bei diesen betroffenen Menschen stark
erhöht. 35 000 tödliche Herzanfälle und 30 000 Schlagan-
fälle erleiden diabeteskranke Frauen und Männer. Helfen
Sie mit, dass in Deutschland diese Entwicklung endlich
ein Ende findet.
Wenn Sie jetzt immer noch keinen Handlungsdruck
spüren, dann ist ihnen nicht mehr zu helfen. Das deutsche
Gesundheitswesen leistet nicht, was es leisten könnte.
Was könnte es leisten? Wir könnten 50 Prozent der Am-
putationen vermeiden. Wir könnten ein Drittel der Neu-
erblindungen vermeiden und ein Drittel der Betroffenen
müssten nicht bei Nierenversagen an eine Dialyse. Also
brauchen wir Gesundheitsziele; wir brauchen eine Ziel-
orientierung.
Deshalb beschließen wir heute das erste Gesundheits-
ziel im Deutschen Bundestag. Damit schaffen wir das
Zielbewusstsein, die Setzung von nachvollziehbaren Pri-
oritäten, die Ableitung von konkreten Versorgungszielen
und die Orientierung für gesundheitspolitische Pro-
gramme wie unseren Nationalen Aktionsplan Diabetes.
Dass unsere Gesundheitsziele keine Utopie sind, wird
durch Studien belegt. Ich will nur eine davon herausneh-
men – die United Kingdom Prospective Diabetes Study –
UKPDS – von 1998. Damit wurde belegt, dass bei einer
Verminderung des Blutzuckers um nur 1 Prozent 21 Pro-
zent der diabetesbezogenen Komplikationen vermieden
wurden. Um 25 Prozent erfolgte eine Verminderung der
diabetesbezogenen Todesfälle und eine 17-prozentige
Vermindung der Gesamtsterblichkeit, aber auch eine
35-prozentige Verminderung des Risikos von Folgeer-
krankungen von Augen und Nieren.
Aber wenn Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, die menschliche und die medizinische Di-
mension unseres Lösungsansatzes nicht überzeugen
sollte, dann vielleicht die ökonomische: 2 300 DM kostet
ein gut eingestellter Diabetiker. 11 000 DM kostet ein mit-
telmäßig eingestellter Diabetiker. 23 000 DM kostet ein
schlecht eingestellter Diabetiker und 35 000 DM kostet
ein Diabetiker mit Folgeerkrankungen im Jahr. Der Lern-
satz daraus heißt 1 zu 10; das heißt, ein gut eingestellter
Diabetiker kostet ein Zehntel.
Das bei dem Antrag mein Herzblut eine wichtige Rolle
spielt, ist nicht verborgen geblieben. Was mein Herz al-
lerdings schneller schlagen lässt, ist der Rückenwind, den
wir jetzt verspüren. Nicht nur die Betroffenen, die mit ei-
ner hohen Erwartungshaltung nach Berlin blicken, son-
dern ein Rückenwind in vierfacher Art bringt uns voran:
Erstens. Aus dem Gesamtkonzept „Gesundheitsziele“
der Bundesregierung, an dem noch gearbeitet wird, haben
wir einvernehmlich das Gesundheitsziel Diabetes vorge-
zogen. Zweitens. Wir haben die Unterstützung aus dem
Sachverständigenrat, der Gesundheitsförderung und Prä-
vention ganz in den Vordergrund stellt. Drittens. Durch
den neuen Risiko-Strukturausgleich in der Krankenversi-
cherung wird der Wettbewerb um die bestmögliche
Versorgung der Patientinnen und Patienten eingeführt.
Viertens. Durch die Neuordnung der Arzneimittelver-
ordnung wird der richtige Rahmen für Diabetiker gesetzt.
Zum zweiten Rückenwind zurückkehrend: Der Sach-
verständigenrat hat festgestellt, dass wir durch einen ent-
sprechenden Umbau des Gesundheitswesens in Richtung
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Prävention rund 25 bis 30 Prozent der heutigen Gesund-
heitsausgaben langfristig vermeiden können. Zum dritten
Rückenwind zurückgekehrt, werden wir mit dem Risiko-
Strukturausgleich schon ab dem 1. Januar 2002 Disease-
Management-Programme für chronische Erkrankungen,
allen voran Diabetes, einführen. Damit wird der Wettbe-
werb der Krankenkassen weggeführt, um die so genann-
ten guten Risiken und hingeführt zu einem Wettbewerb
um die bestmöglichste Versorgung von chronisch kranken
Menschen. Nur die Krankenversicherung, die entspre-
chend geprüfte Versorgungskonzepte anbietet und die ihre
Mitglieder überzeugt, dass sie daran teilnehmen, was sie
durch eine Unterschrift bestätigen müssen, bekommt in
Zukunft eine entsprechende Ausgleichszahlung. Damit
wird ein ganz entscheidender Schritt zu einem überzeu-
genden Versorgungskonzept gemacht, mit dem wir dieses
Gesundheitsziel nun rascher erreichen können, als wir
dies noch vor einem halben Jahr gedacht haben.
Zurück zum Rückenwind Nummer vier: Vielfach
wurde unser Nationaler Aktionsplan Diabetes kritisiert,
weil man die Auffassung vertrag, er wäre mit der Verord-
nungspraxis von Arzneimitteln nicht kompatibel. Nun
geht die Regierung und die Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt einen neuen Weg. Die Ärzteschaft und die Kran-
kenkassen können Vereinbarungen treffen, die neben ei-
nem Ausgabenvolumen für Arzneimittel auch konkrete
Ziele und die Schritte zur Umsetzung benennen. Qualita-
tive Versorgungskriterien sollen stärker berücksichtigt
werden. Auch für Richtgrößen sollen die Krankheitsarten
künftig mit einbezogen werden.
Zusammengefasst eine maßgeschneiderte Lösung für
die Versorgung von chronisch kranken Diabetikerinnen
und Diabetikern in Deutschland: Lassen Sie sich von un-
serem Rückenwind mit antreiben und stimmen Sie unse-
rem Antrag zu! Die betroffenen Menschen werden es Ih-
nen danken. Denn Sie wollen nicht noch einmal zehn
Jahre warten, bis eine Regierung nach eingegangenen
Verpflichtungen handelt. Die Betroffenen haben nicht
vergessen, dass die alte Bundesregierung die St.-Vincent-
Erklärung von 1989 unterschrieben hatte, aber keine Ta-
ten folgen ließ.
Dr. Harald Kahl (CDU/CSU): Der Diabetes mellitus,
die Zuckerkrankheit, und die damit in Zusammenhang
stehenden Folgeerkrankungen stellen angesichts ihrer
Häufigkeit eine Volkskrankheit dar, die zu einer empfind-
lichen Reduzierung von Leistungsfähigkeit, Lebensqua-
lität und Lebenserwartung der Betroffenen führen kann.
Nicht selten sind Herzinfarkte, Nierenversagen, Amputa-
tionen oder Erblindung die dramatischen Folgen dieser
Erkrankung. In Deutschland geht man von geschätzten
5 Millionen Menschen mit Diabetes aus.
Bereits im Jahre 1989 wurden deshalb von Ärzten,
Wissenschaftlern, Politikern und Menschen mit Diabetes
durch die St.-Vincent-Deklaration Zielvorgaben für eine
Verbesserung der Betreuung von Menschen mit Diabetes
festgelegt. Der Antrag der Koalition, über den wir heute
beraten, stellt also vom Grundsatz her nichts Neues dar.
Auch wir – wer wollte das nicht? – setzen uns für eine bes-
sere medizinische Versorgung von Diabetikern ein, leh-
nen diesen Antrag jedoch ab, da der aufgezeigte Weg dort-
hin falsch ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse und damit
das fachliche Instrumentarium für eine Verbesserung der
ambulanten Betreuung von Diabetikern sind ausreichend
vorhanden und bedürfen nicht zusätzlicher staatlicher In-
tervention. Wenn Sie der alten Bundesregierung Untätig-
keit vorwerfen, geht der Vorwurf ins Leere. Wahr ist viel-
mehr, dass bereits unter der alten Bundesregierung
zahlreiche Modellvorhaben zur integrierten Versorgung
von Diabetikern in mehreren Bundesländern begonnen
und mitfinanziert wurden.
Ein besonders positives Beispiel ist hierfür das Modell-
vorhaben in Thüringen, von dem sich Kollege
Schmidbauer bei einem Besuch der AOK Thüringen
selbst überzeugen konnte. Hier wurden bereits 1995 auf-
bauend auf den epidemiologischen Erkenntnissen der
früher in der ehemaligen DDR praktizierten Dispensaire-
betreuung von Diabetikern neue Wege der Behandlung
eingeschlagen. Im April 1998 wurde letztlich ein Ver-
tragswerk der AOK und der Kassenärztlichen Vereini-
gung Thüringens unter finanzieller Beteiligung der alten
Bundesregierung als Modellvorhaben abgeschlossen.
Charakteristisch sind dabei Behandlungskorridore zwi-
schen 200 beteiligten Hausärzten und 35 diabetologi-
schen Schwerpunktpraxen, die nach Qualitätskriterien re-
geln, wann ein Patient vom Hausarzt an die
Schwerpunktpraxis und von da aus wieder zurück an den
Hausarzt überwiesen wird. Als Grundlage für eine wis-
senschaftlich fundierte Dokumentation über den Umfang
der Behandlung dient hierzu der Diabetes-Pass der Deut-
schen Diabetesgesellschaft. Wesentliche Elemente des
Modellvorhabens sind Qualitätsmanagement und eine
Ziel-Anreizvergütung. Dabei ist eine Zusatzvergütung der
am System beteiligten Leistungserbringer an Erfüllung
von Versorgungs- und Schulungsaufträgen sowie an die
Vollständigkeit der entsprechenden Dokumentation ge-
bunden. Somit wird eine Vergütungsgerechtigkeit erzielt,
die sich nicht an der Menge, sondern an der Qualität der
erbrachten Leistung orientiert: Ein entscheidender Qua-
litätssprung konnte auch bei den Schulungsleistungen er-
zielt werden. Prävention und Aufklärung spielen hierbei
eine entscheidende Rolle. Landesweit sind allein 40 re-
gionale Selbsthilfegruppen tätig und sowohl 1999 als
auch im Jahre 2000 konnten mit dem Infomobil „Diabe-
tes und Hochdruck“ in insgesamt 90 Orten wichtige In-
formationen zum gesundheitsbewussten Verhalten und
über die Risikofaktoren Übergewicht und Bewegungsar-
mut vermittelt werden.
Wenn im Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
behauptet wird, die Ärzteschaft habe den Auftrag der St.-
Vincent-Deklaration nicht angenommen, so ist dies
schlichtweg eine böswillige Unterstellung, mit der sie die
zahlreichen Modellvorhaben und Strukturverträge der
Selbstverwaltung diskreditieren. Tatsache ist, dass bun-
desweit mit 19 von 23 Kassen und kassenärztlichen Ver-
einigungen Verträge abgeschlossen wurden. Allerdings
– dies war die einhellige Meinung auch der Sachverstän-
digen zur Anhörung – ist diese Art der integrierten Ver-
sorgung nicht zum Nulltarif zu haben. Wenn die positiven
Erfahrungen der Modellvorhaben bisher nicht generell
auf die gesamte Betreuung von Diabetikern übertragen
werden konnten, so ist dies vorrangig der Budgetierung
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117374
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geschuldet. Mittlerweile haben auch Sie von der Koalition
das anerkannt, denn nicht umsonst planen Sie bei der Än-
derung des RSA, den Kassen mehr Geld zu geben, die Di-
sease-Management betreiben.
In Ihrem Antrag hingegen kommen die Worte „Finan-
zierung“ oder „Kosten“ nicht an einer einzigen Stelle vor.
Nach Angaben der KV Südwürttemberg erfordert die Be-
treuung eines Typ-II-Diabetikers innerhalb eines Struk-
turvertrages unter Einbeziehung von Diabetologen in
Schwerpunktpraxen, Nephrologen und Augenärzten ei-
nen zusätzlichen Finanzbedarf von 800 DM pro Patient
und Jahr. Hochgerechnet auf 5 Millionen Diabetiker in
Deutschland würden sich daraus Mehrkosten von 4 Milli-
arden DM ergeben. Es ist geradezu abenteuerlich, dass
dieses unter der geltenden Budgetierung auch nur ansatz-
weise zu leisten ist. Dabei ist die von Ihnen, uns und allen
Fachleuten geteilte Auffassung, die medizinische Fuß-
pflege in die ambulante Betreuung von Diabetikern ein-
zubeziehen, finanziell nicht einmal berücksichtigt.
Und nun wird es grotesk: Mit der rot-grünen Mehrheit
soll heute ein Antrag verabschiedet werden, mit der die
Bundesregierung aufgefordert wird, bis Ende 2001 eine
Fachkommission zur Durchsetzung einer verbesserten Be-
treuung von Diabetikern einzusetzen, die dann bis Mitte
diesen Jahres einen entsprechenden Bericht vorlegen soll.
Deshalb stellt sich die Frage, wenn es stimmt, dass Sie ja
alles besser machen wollten als die alte Bundesregierung,
weshalb Sie nach der Bundestagswahl 1998 zwei Jahre
gebraucht haben, um diesen Antrag einzubringen, und
weshalb sie die parlamentarische Beratung des Antrages
nicht beschleunigt haben, um die Termine zu halten.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei Ihrem Antrag
vom 11. Oktober 2000 um einen populistischen Schnell-
schuss handelte angesichts des damals bevorstehenden
Weltdiabetestages im November. Auch Ihre Forderungen
nach einem nationalen Aktionsplan und nach einem wei-
teren Kompetenzzentrum beim medizinischen Dienst der
Spitzenverbände der Krankenkassen sind aus unserer
Sicht ein Schritt zu mehr Dirigismus. Wir meinen, nicht
das ständige Drehen an der Spirale staatlicher Interven-
tionen, sondern vielmehr Vertrauen in die Selbstverwal-
tung, mehr Freiräume für sie, mehr Freiräume für bürger-
nahe Lösungen und mehr Wettbewerb unter den Kassen
sind der Weg zur Verbesserung der Betreuungssituation
von Diabetikern und vor allem: Es müssen die notwendi-
gen finanziellen Voraussetzungen hierfür vorhanden sein.
Sie selbst sprechen in Ihrem Antrag von einem Paradig-
menwechsel im Gesundheitswesen, wenn Sie einen
Rechtsanspruch von Diabetikern auf eine integrierte Ver-
sorgung fordern. Abgesehen davon; dass einer Umset-
zung des Antrages Ihre Budgetierung entgegensteht, stellt
sich die Frage: Wer gibt Ihnen eigentlich das Recht, ein-
seitig einen Rechtsanspruch für Diabetiker auf eine inte-
grierte Versorgung einzufordern? Und was sagen Sie ei-
gentlich anderen chronisch Kranken, wie zum Beispiel
Patientinnen und Patienten mit Osteoporose, Asthma und
Rheuma? Was erzählen Sie diesen kranken Menschen,
wenn sie gleiche Rechte für sich einfordern?
Nein, meine Damen und Herren von der Koalition, Sie
können sich das unter den gegenwärtigen Bedingungen
der Budgetierung nicht leisten. Das Ergebnis spüren chro-
nisch Kranke: Sie sind medizinisch zunehmend unterver-
sorgt und damit zu Patienten zweiter Klasse abgestempelt.
Nun beraten wir ja morgen in erster Lesung den Gesetz-
entwurf der Koalition zur Ablösung der Arzneimittel- und
Heilmittelbudgets. Das zeigt zumindest, dass sie partiell
lernfähig sind und zu Erkenntnissen gekommen sind, die
wir schon vor Jahren hatten. Offensichtlich mussten auch
Sie zur Kenntnis nehmen, dass trotz oder wegen der Bud-
getierung die Defizite der GKV von 1,7 Milliarden DM
im ersten Quartal 2000 auf 2,2 Milliarden DM im zweiten
Quartal 2001 angestiegen sind. Ihre Gesundheitsministe-
rin Frau Schmidt führt gegenwärtig Konsensgespräche
und initiiert runde Tische mit keinem anderen Ziel als
dem, bis zur Bundestagswahl 2002 für Ruhe an der Ge-
sundheitsfront zu sorgen.
Ihre Gesundheitsreform 2000 – als Jahrhundertwerk
gefeiert – ist bereits ein Jahr später gescheitert. Der große
Wurf bleibt aus Angst vor den Wählerinnen und Wählern
und der eigenen Fraktion aus.
Mit Blick auf die Koalition kann ich nur sagen: Stamp-
fen Sie Ihren Antrag ein. Er ist kein Beitrag zu einer Ver-
besserung der Situation von Menschen mit Diabetes in
Deutschland und hören Sie auf, den Diabetikern vorzu-
gaukeln, sie hätten Anspruch auf eine bessere Versorgung,
die obendrein nicht mehr kostet. Die Anhörung hat Ihrem
Antrag ein vernichtendes Urteil beschert und auch unsere
Fraktion wird ihn heute ablehnen.
Katrin Göring-Eckhardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Ich freue mich, dass der Antrag zur Qualitätsstei-
gerung in der Diabetesversorgung heute zur Beschluss-
fassung ansteht.
Trotz medizinischer Behandlungsmöglichkeiten be-
deutet die Erkrankung an Diabetes eine erhebliche Ein-
schränkung der Lebensqualität. Obwohl die Leistungsfä-
higkeit eines Diabetikers gleich der eines Gesunden ist,
erfordert ein Leben mit Diabetes viel Disziplin und eine
gute und richtige medizinische Behandlung.
Diabetes ist bis heute nicht heilbar. Ärzte können den
Menschen mit medizinischen Mitteln eine höhere Le-
bensqualität geben und Spätfolgen oder zu befürchtende
Komplikationen lindern.
Optimal werden die mehr als 4 Millionen Diabetiker
hierzulande nicht behandelt. Eine bundesweite Untersu-
chung hat gezeigt, dass bei circa 40 Prozent der über
50-jährigen Diabetiker die Stoffwechseleinstellung nicht
akzeptabel ist. Dies ist ein Grund dafür, warum es zu Dia-
betes-Folgeerkrankungen wie Erblindungen, Nierenver-
sagen und Amputationen kommt. Nach wie vor betreffen
seit 1990 zwei Drittel aller in Deutschland durchgeführ-
ten Amputationen Diabetiker, jeder zweite neu dialysierte
Patient und jeder dritte neu Erblindete ist ein Diabetiker.
Nur durch eine rechtzeitige und intensive Betreuung
der Patienten kann dieser Missstand behoben werden. Die
Versorgung der heute rund 4 Millionen an Diabetes er-
krankten Menschen in der Bundesrepublik hat sich unter
der alten Bundesregierung nicht verbessert, sondern im
Gegenteil verschlechtert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001 17375
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Die Diskrepanz zwischen den neuen medizinisch-wis-
senschaftlichen Kenntnissen und deren Umsetzung in der
Praxis ist weiter gewachsen. In den Niederlanden sind
aufgrund einer besseren Diabetesbehandlung nur 13 Pro-
zent der Dialysepatienten Diabetiker. Auch die bisher
größte Studie zum Diabetes, die Ende 1998 veröffent-
lichte United Kingdom Prospective Diabetes Study
(UKPDS) bietet den Beleg, dass Diabetes-Folgeerkran-
kungen verhindert werden können, je intensiver Diabeti-
ker behandelt werden. Sie gibt die absolute Gewissheit,
dass eine strenge Blutzucker- und Blutdruckkontrolle das
Risiko diabetischer Folgeerkrankungen vermindert. Briti-
sche Wissenschaftler haben rund 20 Jahre lang mehrere
tausend Diabetiker mit verschiedenen Therapieformen
behandelt und den unterschiedlichen Erfolg dokumen-
tiert. Dies weist darauf hin, dass die Diabetestherapie in
der Bundesrepublik Deutschland dem aktuellen medizini-
schen Wissen hinterherhinkt und eine ausreichende sach-
gerechte Versorgung nicht gewährleistet ist.
Das ist nicht nur verantwortungslos gegenüber den
Kranken, sondern auch schlicht unsinnig im Hinblick auf
die unnötig hohen Ausgaben für die Krankenkassen. Eine
mangelhafte Versorgung führt zu höheren Kosten, die
– wie eine bereits im Jahr 1979 in Schweden vorgelegte
Studie zeigt – bei früh erkannten und gut eingestellten
Diabetikern nur einen Bruchteil betragen würden.
Obwohl die schon lange bekannt ist, hat die alte Bun-
desregierung nicht gehandelt. Sie trägt damit die Verant-
wortung für eine nicht ausreichende Versorgung von Dia-
betespatienten. Vielleicht hätten einige
Folgeerkrankungen verhindert werden können. Ich
möchte eigentlich nicht mit den unnötig verursachten
Kosten argumentieren, die ein unzureichend oder schlecht
behandelter Patient verursacht. Denn es geht hier um
Menschen, die mit der geeigneten medizinischen Versor-
gung schlicht besser und unter Umständen auch länger le-
ben können.
Aber lassen sie mich an einem Beispiel verdeutlichen,
wie sinnvoll es ist, in einer frühen Phase der Erkrankung
in eine intensive Behandlung zu investieren. Die Kosten
für einen gut eingestellten Typ II-Diabetiker betragen
1 000 bis 1 200 DM, während die Kosten für einen
schlecht eingestellten Diabetiker vom Typ II 11 000 bis
13 500 DM betragen. Von den Kosten für Folgeerkran-
kungen sei hier noch abgesehen. An diesem Beispiel wird
sichtbar: Steigerungen der Qualität gehen oft mit lang-
fristigen Kostensenkungen einher. Deshalb beschreiten
wir diesen Weg schon seit der Gesundheitsreform 2000.
Wir haben bereits mit der Gesundheitsreform 2000 we-
sentliche Schritte unternommen, um die Versorgung von
chronisch Kranken wie Diabetespatienten zu verbessern:
mit der Aufnahme der Patientenschulung als ergänzende
Leistung zur Rehabilitation, mit Regelungen für eine in-
tegrierte Versorgung und der Einführung von Qualitätssi-
cherungsmaßnahmen.
Wir fordern in unserem Antrag, dass die Verbesserung
der Diabetesversorgung von der Bundesregierung als vor-
rangiges Gesundheitsziel erklärt wird und konkrete Ver-
sorgungsziele gemäß der St. Vincent-Deklaration von 1989
definiert werden, die bis 2005 umgesetzt werden sollen.
Die Ziele orientieren sich an der Vermeidung der Folge-
erkrankungen. Zur Umsetzung dieser Ziele soll daher bis
Ende 2001 eine Kommission eingesetzt werden, die einen
konkreten Maßnahmenkatalog als Basis zum „Nationalen
Aktionsplan Diabetes“ bis Ende 2002 erarbeiten soll. Wir
werden an der Kommission medizinisches Fachpersonal
aus dem Bereich der Diabetesbehandlung, Vertreter der
Kostenträger, der Selbsthilfegruppen und der Patienten-
verbände beteiligen. Die neu zu schaffende Kommission
fordern wir auf, bis spätestens 2001 einen Bericht über
den anzustrebenden Versorgungszustand vorzulegen.
Wir haben bereits im Rahmen der Gesundheitsreform
2000 mit dem Paragraphen § 43 Abs. 3 SGB V einen
erweiterten rechtlichen Rahmen für die Krankenkassen
geschaffen, Patientenschulungsmaßnahmen bedarfsge-
recht anzubieten. Wir wollen daher auf die Krankenkas-
sen einwirken, diese Schulungen auch tatsächlich anzu-
bieten. Diese Schulungsangebote, die den Umgang mit
der Krankheit und das Wissen darüber vermitteln, tragen
wesentlich zu einer besseren Bewältigung der Krankheit
und damit zu einer höheren Lebensqualität des Kranken
bei.
Wir wollen ferner, dass auf die Selbstverwaltung von
Ärzten und Krankenkassen eingewirkt wird, damit die
Fußpflege für Diabetiker in den Leistungskatalog der ge-
setzlichen Krankenkassen aufgenommen wird.
Der mit der Gesundheitsreform eingeschlagene Weg
der integrierten Versorgung ist auch hier richtig. Wir wol-
len dafür sorgen, dass innerhalb einer integrierten Versor-
gung von Haus- und Fachärzten sowie Kliniken auch zum
Beispiel medizinische Fußpfleger oder Ernährungsberater
miteinander kooperieren und so eine bessere Versorgung
von Diabeteskranken sowie eine bessere Prävention von
Folgekrankheiten stattfinden kann.
Der häufigen Forderung von Diabetikerverbänden,
dass der Staat eine Diabeteskampagne startet, tragen wir
auch mit unserem Antrag Rechnung. Sofern die dazu
benötigten Haushaltsmittel bereitgestellt werden können,
wollen wir eine breit angelegte Aufklärungskampagne
starten. Eine Aufklärungskampagne macht Sinn, denn für
die Entstehung von Diabetes mellitus Typ II, die
so genannte Altersdiabetes, sind zum Teil vermeidbare
Risikofaktoren ausschlaggebend. Neben der erblichen
Vorbelastung stehen vor allem Übergewicht und Bewe-
gungsmangel im Vordergrund. Auch auf Ärzte und Kran-
kenkassen soll eingewirkt werden, die medizinische
Fußpflege für Diabetiker in den Leistungskatalog der ge-
setzlichen Krankenkasse aufzunehmen.
Eine Verbesserung der Diabetesversorgung ist längst
überfällig. Im Sinne der Patienten bitte ich Sie daher, die-
sem Antrag zuzustimmen.
Detlef Parr (F.D.P.): In Deutschland leben circa
7,5 Millionen Diabetiker, die Kosten von circa 40 Milli-
arden DM pro Jahr verursachen. Pro Jahr ergeben sich
hieraus als Folgeerkrankungen 28 000 Amputationen,
2 300 Erblindungen sowie 4 000 neue Dialysen. Nach
Aussage von Professor Scherbaum von der Deutschen
Diabetes-Forschungsgesellschaft sind 50 Prozent dieser
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117376
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Folgeerkrankungen vermeidbar. Die Dimension zeigt,
dass Handlungsbedarf sowohl im Sinne der Menschen
als auch im Sinne einer größeren Wirtschaftlichkeit gebo-
ten ist.
Der Antrag der SPD beschränkt sich nicht etwa darauf,
vernünftige Vorschläge zu machen, wie diese Situation
verbessert werden könnte, sondern zunächst werden völ-
lig unhaltbare Behauptungen aufgestellt. So wird unter
anderem behauptet, die alte Bundesregierung habe die
Selbstbindung der Erklärung von Sankt Vincent schlicht-
weg ignoriert. Auch die Ärzteschaft habe den Auftrag
nicht angenommen. Die Versorgung der Diabetiker in der
Bundesrepublik Deutschland habe sich nicht verbessert,
sondern im Gegenteil verschlechtert. Diese Aussage kann
so nicht stehen bleiben. Professor Brech, unterstützt durch
Dr. Hansen von der KV Nordrhein, hat in der Anhörung
berichtet, dass es in 18 von 23 KVen strukturierte Diabe-
tesverträge mit intensiven Schulungen der Diabetiker, In-
teraktionen zwischen Hausarzt, diabetologisch versiertem
Arzt, Internisten, Nekrologen und Augenarzt sowie Im-
plementierungen einer Fußambulanz gibt. Auch in der
Arzneimittelversorgung seien Therapieziele nach den Er-
kenntnissen der modernen Wissenschaft definiert worden,
die unter anderem auf den HbA1c-Werten, den Blut-
druckwerten und dem Cholesterinspiegel beruhen. Nur:
dafür sind circa 800 DM pro Diabetiker pro Jahr an Mehr-
ausgaben erforderlich, die im Rahmen des Arzneimittel-
budgets nicht zur Verfügung stehen. Daran wird sich im
Übrigen auch durch die Neukonstruktion der Arzneimit-
telrichtgrößen nur dann etwas ändern, wenn die von der
Bundesregierung vorgesehene darüber gewölbte Ober-
grenze diese Neuentwicklungen berücksichtigt.
Herr Windisch vom Verband der Krankenversicherten
Deutschlands hat in der Anhörung deutlich gemacht, dass
er dort das Hauptproblem sieht: „In dem vorliegenden An-
trag wird in keinster Art und Weise darüber – die Auswir-
kungen des Arzneimittelbudgets – geredet. Gerade Abge-
ordneter Horst Schmidbauer hat im Jahre 1997 über die
Budgetierung geschrieben. Dabei hat er auch auf die Pro-
blematik hingewiesen, wenn am Ende des Quartals die
Zahlen abgerechnet werden. Im vorliegenden Antrag wird
diese Problematik verschwiegen.“ Ein weiteres Zitat:
„Professor Brech hat es eben gesagt, 18 von 23 KVen ha-
ben Diabetesverträge abgeschlossen. Das heißt, wenn
man sagt, die Selbstverwaltung hat hier versagt, dann geht
das etwas zu weit. Es muss natürlich noch einiges getan
werden, das ist ganz klar. Aber einfach zu sagen, die
Selbstverwaltung hat hier versagt, ich glaube, da macht
man sich die Problematik etwas zu einfach.“
Keinesfalls vernachlässigt werden darf, dass es teil-
weise einfach nicht gelingt, die Menschen für die Not-
wendigkeit bestimmter Maßnahmen zu sensibilisieren.
Nur ein Diabetiker, der mitspielt, kann auch entsprechend
versorgt werden. Nur dann gelingt es, Folgeerkrankungen
zu vermeiden bzw. zumindest zu verzögern. Zudem: Die
Experten sind sich darin einig, dass man im Detail daran
arbeiten muss, bestehende Strukturverträge zu verbes-
sern, die Leitlinien weiterzuentwickeln, die Patienten für
eine Mitarbeit zu gewinnen. So etwas ist nicht über bun-
desweit allgemein verbindliche Vorgaben zu schaffen.
Die in Ziffer 10 des Antrages aufgeführten Maßnah-
men sind nicht ausreichend. Mit einer Kampagne allein
wird nur eine kurzfristige Aufmerksamkeit erzielt. Eine
gesundheitliche Aufklärung und Erziehung kann nur
durch breiter angelegte Maßnahmen, die auch den schuli-
schen und den Kindergartenbereich mit einschließen, er-
folgreich sein. Gerade die Kosten verursachende chroni-
sche Erkrankung Diabetes, die auch schon im Kindesalter
auftritt, ist durch Unterricht und Aufklärung beeinfluss-
bar. Professor Dr. Henrichs von der Deutschen Diabetes-
union stellt zum Beispiel die Frage, wie eine zielorien-
tierte Prävention konkret aussehen muss. Er sieht diese in
einer Umkehr der Adipositas. Gewichtsreduktion bedeu-
tet ein Senken des Blutzuckers, der Fettwerte und des
Blutdrucks und damit der Gefahr einer Erkrankung an
Diabetes. Er regt deshalb zum Beispiel auch Bonusrege-
lungen an. Zitat: „Man denkt dabei an ein 13. Monatsge-
halt – so paradox das klingen mag – für denjenigen, der
sein Gewichtsziel am Jahresende erreicht hat. Wir müssen
da ganz originelle Ideen entwickeln. Man könnte das ex-
perimentell ausprobieren.“
Fazit: Der Antrag ist gut gemeint, aber schlecht ge-
macht. Mit seinen Beschuldigungen der alten Bundesre-
gierung geht er in die Irre und bindet zudem Energien, die
für die zukünftige Entwicklung genutzt werden sollten.
Zudem springt er zu kurz. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Dr. Ruth Fuchs (PDS): Die medizinische Versorgung
der Diabetiker ist ein Beispiel dafür, dass es in unserem
Gesundheitswesen zwar oft gelingt, für viele einzelne Pa-
tienten, aber nicht für alle flächendeckend ein gleich-
mäßig gutes Betreuungsniveau zu gewährleisten. Dabei
mangelt es keineswegs an der notwendigen medizi-
nisch-technischen und personellen Infrastruktur. Noch
immer wird die Krankheit in vielen Fällen zu spät erkannt
und die Patienten werden nicht kontinuierlich und mit
notwendiger Konsequenz betreut. Auf diese Weise kommt
es zu Akutkomplikationen, aber auch zu Folgeschäden
wie Amputationen, Erblindungen und Nierenversagen,
die heute eigentlich zu vermeiden wären. Früherkennung
und sorgfältige Stoffwechseleinstellung sind Schlüssel-
probleme für, eine Verbesserung der Behandlungsresul-
tate. Die Forderungen des vorliegenden Antrages nach
qualifizierter, interdisziplinärer Versorgung, nach Be-
handlungsstandards, nach qualitätsgesicherten Diabeti-
ker-Schulungen bis hin zur fachgerechten Fußpflege sind
unbestrittene Voraussetzungen einer zeitgemäßen Diabe-
tes-Behandlung. Wir unterstützen deshalb den Antrag in
seinen Grundintentionen und werden ihm zustimmen.
Dabei ist zu hoffein, dass er auch über die Diabetes-Pro-
blematik hinaus stimulierende Wirkung entfaltet.
Natürlich muss auch gesagt werden, dass es künftig
weder möglich noch sinnvoll sein kann, für alle großen
Volkskrankheiten Regierungskommissionen, Nationale
Aktionspläne und entsprechende Berichte an den Deut-
schen Bundestag zu beschließen. Die Politik würde sich
nicht nur verzetteln, sondern darüber hinaus in die Gefahr
begeben, Themen in einer Art und Weise an sich zu zie-
hen, für die die gemeinsame Selbstverwaltung kompetent
und unmittelbar zuständig ist.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001 17377
(C)
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Umso mehr muss es unseres Erachtens eine politische
Aufgabe sein, jene strukturellen und finanziellen Voraus-
setzungen zu schaffen, welche – um ein Beispiel zu nen-
nen – die notwendigen fachgebiets- und berufsübergrei-
fenden Kooperationen im erforderlichen Umfang über-
haupt erst ermöglichen. Dieser Herausforderung, meine
Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist – im
Gegensatz zu manchen Darstellungen von Ihrer Seite –
auch die Gesundheitsreform 2000 keineswegs gerecht ge-
worden. Weder ist es zur beabsichtigten Stärkung der
hausärztlichen Tätigkeit noch zu einer wirksamen Ent-
wicklung integrierter Versorgungsformen gekommen.
Mehr noch: Statt einem engeren Zusammenwirken zwi-
schen Haus- und Spezialärzten haben wir fortgesetzte
Abschottung und teilweise sogar eine Verschärfung der
innerärztlichen Verteilungskämpfe erlebt.
Die dringend notwendige Verbesserung der gesund-
heitlichen Versorgung der vielen Menschen mit Zucker-
krankheit und chronisch Kranker generell kann dann ge-
lingen, wenn Politik und Hauptakteure der Selbstver-
waltung endlich den Mut zu Reformen aufbringen, die die
Organisations- und Vergütungsstrukturen im Gesund-
heitswesen so verändern, dass sie die Umsetzung moder-
ner medizinischer Behandlungsformen nicht mehr behin-
dern, sondern im Gegenteil sogar begünstigen.
Anlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Erlaubnis zum Führen von Schienen-
fahrzeugen (Tagesordnungspunkt 15)
Klaus Hasenfratz (SPD): „Denkt an das fünfte Ge-
bot: Schlagt die Zeit nicht tot“ hat Erich Kästner gesagt.
Deshalb würde ich es eigentlich gerne ganz kurz machen:
Ihr Antrag, verehrte Kollegen von der CDU/CSU, ist
überholt und hinfällig.
Weil es keinen Sinn macht, in einem Antrag etwas zu
fordern, was Schnee von gestern ist, werden wir den An-
trag ablehnen. Sie, meine Damen und Herren von der Op-
position, hätten Ihren Antrag auch ebenso gut zurückzie-
hen können.
Mit Ihrem Antrag zur Erlaubnis zum Führen von Schie-
nenfahrzeugen wollen Sie versuchen, den Bundestag zu
überzeugen, die Bundesregierung aufzufordern, auf die
Europäische Union einzuwirken, eine Richtlinie zu erlas-
sen, die dann in nationales Recht erst noch umzusetzen ist.
Währenddessen handelt unsere Regierung und der gefor-
derte Lokführerschein ist schon längst Realität.
Nun will ich die Möglichkeit nutzen, Ihnen kurz dar-
zustellen, was der aktuelle Stand beim Thema Lokführer-
schein ist. Das will ich nicht nur tun, um Ihnen zu zeigen,
dass wir Ihrem Antrag inzwischen voraus sind. Ich
möchte auch allen, die heute zuhören, zeigen, welche
Maßnahmen für den sicheren Bahnverkehr von Regie-
rung, Europäischer Union und diesem Parlament ergriffen
werden.
Das Europäische Parlament hat im April dieses Jahres
die Richtlinie 2001/16/EG „über die Interoperabilität des
konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems“
beschlossen. Dort steht, dass Bedingungen festgelegt
werden sollen, die „die beruflichen Qualifikationen und
die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in Bezug
auf das für seinen Betrieb eingesetzte Personal“ betreffen.
Diese Richtlinie ist am 20. April dieses Jahres im Amts-
blatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht
worden.
So werden nun, nach dieser Veröffentlichung, auf eu-
ropäischer Ebene die Einzelheiten dieser Regelungen er-
arbeitet. Im Zuge des Verfahrens ist beabsichtigt, eine ein-
heitliche Regelung zur Erlaubnis zum Führen von
Schienenfahrzeugen in Form eines Lokführerscheins zu
erreichen.
Es ist gut, dass hier etwas in Gang gesetzt wurde, ohne
das die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen
und die Liberalisierung des Schienenverkehrs nicht aus-
kommen. Aber gut ist oft nicht gut genug. Daher wurden
bereits in den vergangenen Monaten vom Bundesver-
kehrsministerium und dem Bundeseisenbahnamt in enger
Zusammenarbeit mit allen Beteiligten Regelungen für ei-
nen solchen Lokführerschein erarbeitet. Der Verband
Deutscher Verkehrsträger und die Deutsche Bahn AG ha-
ben in der vergangenen Woche das Ergebnis vorgestellt.
Voraussichtlich ab Oktober dieses Jahres werden die ers-
ten Lokführerscheine ausgehändigt. In Deutschland wer-
den also parallel zu den Vorgängen auf europäischer
Ebene Maßnahmen ergriffen, um bei der Regelung der
Fahrerlaubnis im Schienenverkehr vorwärts zu kommen.
Das liegt auch daran, dass bei uns in Deutschland die
berufliche Qualifikation von Lokführern stärker in der
Diskussion ist als anderswo. Warum das so ist, dazu
möchte ich Ihnen ein Beispiel geben, das uns alle viel be-
schäftigt hat und auch sicher noch weiter beschäftigen
wird. Am Sonntag, dem 6. Februar 2000, entgleiste kurz
nach Mitternacht der D-Zug 203 der Deutschen Bahn auf
der Fahrt von Amsterdam nach Basel beim Bahnhof Brühl
bei Köln und verursachte so eines der schwersten Eisen-
bahnunglücke der letzten Jahre. Bis heute dauert das not-
wendige juristische Nachspiel an, um Schuldigkeiten zu
klären. Das ist deshalb notwendig, weil die Klärung der
Verantwortlichkeiten derartige Katastrophen künftig ver-
hindern kann. Es sieht nach bisherigem Ermittlungsstand
so aus, dass den Lokführer keine oder nur geringe Schuld
trifft. Gerade vorgestern, am Dienstag, hat die Presse-
agentur „ddp“ jedoch wieder gemeldet, dass der Lokfüh-
rer zunächst zweimal bei der Bahn durch die Abschluss-
prüfung gefallen ist und dass er den notwendigen
Befähigungsnachweis zwischenzeitlich bei einer Privat-
bahn gemacht habe. Das sagt gar nichts über Schuld oder
Unschuld aus. Aber dass überhaupt über die Qualifikation
diskutiert wird, ist nicht gut. Wenn bei jedem Autounfall
darüber diskutiert werden würde, wo der Fahrer seinen
Führerschein gemacht hat, dann würden wir aus dem Pro-
zessieren gar nicht mehr herauskommen.
Deshalb wollen wir einheitliche Regelungen zur Er-
laubnis zum Führen von Schienenfahrzeugen. Wir wollen,
dass man immer, zu jedem Zeitpunkt, sicher sein kann,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117378
(C)
(D)
(A)
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dass die Führer von Schienenfahrzeugen auf deutschen
Gleisen ihre Arbeit mit höchster Befähigung ausüben,
dass sie die bestmögliche Ausbildung genossen haben und
dass sie jederzeit psychisch stabil genug sind, mit eventu-
ellen Krisensituationen fertig zu werden. – Das wollen
wir, denn die Sicherheit der Passagiere geht uns im Bahn-
verkehr über alles. Schließlich wollen wir außerdem eine
Regelung, die zukunftsweisend für ganz Europa ist. Sie
soll den Anforderungen, die auf den Bahnverkehr im Zuge
der europäischen Einigung zukommen, standhalten.
Ich denke, der jetzt beschrittene Weg ist ein erfolgrei-
cher Weg. Ein Lokführerschein wird sofort eingeführt,
und zwar als verbindliche Vereinbarung zwischen Ver-
kehrsministerium, dem Eisenbahnbundesamt und den ge-
nannten Vertretern der Eisenbahnunternehmen. Das hat
den Vorteil, dass die Wirklichkeit nicht auf den ordentli-
chen Gesetzgebungsgang warten muss. Parallel wird, wie
erläutert, auf europäischer Ebene eine Norm erarbeitet, in
die die einzelnen Regelungen dieses schon jetzt einge-
führten deutschen Lokführerscheins einfließen werden.
Die Erarbeitung wird gewiss seine Zeit brauchen, denn
den Besonderheiten in einzelnen Ländern muss Rechnung
getragen werden. Der Bundestag wird die Schaffung der
Vorgaben auf europäischer Ebene abwarten. Schließlich,
wenn die Europäische Union ihre Aufgabe erledigt hat,
werden wir die Ergebnisse in diesem Hause in bundes-
deutsches Recht umsetzen.
Für das wirklich Wichtige und Fundamentale an die-
sem Vorgehen halte ich, dass wir für die Sicherheit im
Bahnverkehr ein deutliches Zeichen setzen. Deutschland
hat sich schon bei der Bahnreform an die Spitze der Re-
former in Europa gesetzt. Deutschland hat als eines der
ersten Länder Europas die in der Richtlinie 91/440/EWG
vorgegebenen Voraussetzungen für den freien Netzzu-
gang für Dritte auf seinem Schienennetz umgesetzt. Je
weiter sich die Öffnung der alten staatsmonopolistischen
Strukturen auf den Schienen Europas entwickelt, desto
notwendiger sind Regeln, die Mindestnormen und Stan-
dards festlegen. Wir alle kennen das Beispiel der verun-
glückten Bahnreform in Großbritannien. Dort hat keine
Flankierung der Liberalisierung durch Maßnahmen zum
Schutz der Sicherheit stattgefunden. Die eklatanten Si-
cherheitslücken im dortigen Bahnsystem sollten uns eine
Warnung sein.
Im Übrigen treiben wir mit der genannten Lösung auch
die Verkehrswende in Deutschland voran – wenn auch nur
indirekt. Die über Jahre hinweg vernachlässigte Bahn be-
kommt von uns Rahmenbedingungen, die die Wettbe-
werbsfähigkeit gegenüber dem Auto deutlich aufwerten.
Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört auch die Eigenschaft
der Bahn als eines der sichersten Verkehrsmittel. Das soll
so bleiben. Wenn wir es schaffen können, die Bahn noch
sicherer zu machen, dann sollten wir das auch gemeinsam
tun.
Herr Kollege Lintner, aus Ihren Forderungen spricht
eine Sorge um die Sicherheit der bahnreisenden Bevölke-
rung, die ich respektiere und teile. Daher haben wir Ihnen
ja auch schon erläutert, dass wir inhaltlich voll und ganz
mit Ihnen übereinstimmen. Ich möchte deshalb wiederho-
len, dass wir Ihrem Antrag deshalb nicht zustimmen, weil
wir ihm inzwischen weit voraus sind. Auch Sie müssten
die nun in Angriff genommenen Maßnahmen in höchstem
Maße zufrieden stellen. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden,
dass wir nun auch beim Thema „Lokführerschein“ Vor-
bild für Europa sind.
Eduard Lintner (CDU/CSU): Nicht erst seit dem
spektakulären Unglück mit einem Fernzug der Deutschen
Bahn in Brühl wird über die Einführung eines Lokführer-
scheins diskutiert. Das Thema ist schon längere Zeit ak-
tuell, spätestens seit wegen der Richtlinie 91/440/EWG
vom 29. Juli 1991 „Zur Entwicklung der Eisenbahnunter-
nehmen in der Gemeinschaft“ klar ist, dass es Ziel der eu-
ropäischen Verkehrspolitik ist, den Markt für den Schie-
nenverkehr in der Gemeinschaft zu liberalisieren. Dabei
geht es in erster Linie um die Öffnung des Zugangs zur Ei-
senbahninfrastruktur in den einzelnen Mitgliedstaaten für
dritte Bahnbetreiber, das heißt in der Regel um Konkur-
renz für die staatseigenen, nationalen Monopoleisenbahn-
unternehmen. Damit verbunden ist zwangsläufig die Not-
wendigkeit, zu gewährleisten, dass auch Drittbetreiber
den heute unverzichtbar hohen Qualitäts- und Sicher-
heitsstandard im Eisenbahnnetz uneingeschränkt gewähr-
leisten müssen.
Damit kommt zwangsläufig auch die verantwortungs-
volle Tätigkeit der Führer von Schienenfahrzeugen ins
Blickfeld. Dabei stellt man verwundert fest, dass es dafür
nicht nur noch keine einheitliche europäischen Richtli-
nien gibt, sondern dass auch in Deutschland selbst ein ein-
heitlicher Lokführerschein als zwingende Voraussetzung
für die Berechtigung zum Führen von Schienenfahrzeu-
gen noch gar nicht verlangt wird. Deshalb hat die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Interesse der Sicher-
heit nicht nur des europäischen grenzüberschreitenden
Schienenverkehrs, sondern auch zur Erhöhung der Si-
cherheit des Schienenverkehrs im eigenen Lande, einen
Antrag eingebracht, der solche Mindestvoraussetzungen
für die Erlaubnis zum Führen von Schienenfahrzeugen
formuliert und ihre Einhaltung sicherstellen soll.
Eigentlich möchte man meinen, diesem Gedanken hät-
ten sich, weil er gar nicht von der Hand zu weisen ist, so-
fort alle Parteien dieses Hohen Hauses angeschlossen. In
der Sache trifft dies ja auch zu, aber die Regierungsfrak-
tionen waren nicht souverän und frei genug, den diese Ge-
danken konkretisierenden Antrag mitzutragen. Sie haben
ihn vielmehr abgelehnt und operieren dabei mit dem et-
was dünnen Argument, das alles sei ja schon auf bestem
Wege.
Davon konnte aber zumindest bei der Einbringung des
Antrags im Dezember letzten Jahres keine Rede sein. Erst
jetzt war der Presse zu entnehmen, dass sich die Deutsche
Bahn AG und der Verband Deutscher Verkehrsunterneh-
mer in der letzten Woche in Berlin darauf geeinigt haben,
dass Lokführer in Deutschland „künftig eine einheitliche
Führerscheinprüfung“ ablegen müssen. Und über die eu-
ropäische Ebene war der Zeitung am 9. Juni dieses Jahres
zu entnehmen, dass sich die Vertreter der Europäischen
Kommission, der Eisenbahnen und der dazu gehörenden
Industrie in einem „Memorandum of Understanding“ un-
ter anderem darauf geeinigt hätten, „die Ausbildung des
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001 17379
(C)
(D)
(A)
(B)
grenzüberschreitend eingesetzten Personals“ künftig ge-
meinsam zu regeln. Über Mindeststandards – was ja auch
unverzichtbar ist – ist dabei gar nichts gesagt.
Es ist also nicht abwegig, davon auszugehen, das diese
Entwicklung durch eine von allen Fraktionen unterstützte
Initiative der CDU/CSU über das bisherige Tempo hinaus
hätte beschleunigt und gefördert werden können.
So weit zur Vorgeschichte dieser heutigen Debatte.
Was bislang bekannt geworden ist über die Vorausset-
zungen und die inhaltliche Ausgestaltung einer dann nach
einheitlichen Kriterien durchzuführenden Lokführeraus-
bildung klingt vielversprechend. Ob damit allerdings all
die von uns im Antrag genannten Voraussetzungen schon
erfüllt sind, werden wir genau zu prüfen haben. Was aber
nicht so ohne weiteres akzeptiert werden kann, ist das,
was der Präsident des VDV nach der Einigung für den na-
tionalen deutschen Bereich zur europäischen Regelung
gesagt hat. Danach soll er gemeint haben: „Wir erwarten,
dass innerhalb der nächsten zehn Jahre eine entspre-
chende EU-Regelung in Kraft tritt.“ Hier ist einfach fest-
zustellen – und da hoffe ich wieder auf Gemeinsamkeiten
unter allen Fraktionen dieses Hauses –, dass wir nicht so
lange warten können, weil dies bedeuten würde, dass die
in den andern europäischen Ländern ja längst überfällige
Liberalisierung des Netzzugangs für Dritte zu den natio-
nalen Eisenbahnnetzen praktisch weiterhin durch inkom-
patible Vorschriften und Systembedingungen verhindert
werden soll. Denn es ist klar, dass das schriftliche oder
verbale Bekenntnis zur „Liberalisierung der europäischen
Eisenbahnnetze“ dann nur eine zur Täuschung der Öf-
fentlichkeit benutzte Vokabel ist, wenn auf der organisa-
torischen, betrieblichen und technischen Ebene sowie bei
den vorhandenen Rahmenvorschriften die gegenwärtige,
meist inkompatible Vielfalt aufrechterhalten wird.
Über diesen Dreh wird es dann den an einer Liberali-
sierung nicht ernsthaft interessierten wichtigen EU-Mit-
gliedstaaten – an erster Linie wäre Frankreich zu nennen –
ein Leichtes sein, die tatsächliche Öffnung des Netzzu-
gangs zu verhindern. Die Bundesregierung muss sich da-
her verpflichten, unverzüglich und mit Nachdruck die Be-
reinigung solcher kontraproduktiven künstlichen Hürden
anzugehen. Dabei ist die Einführung eines nach einheitli-
chen Mindestkriterien gestalteten Führerscheins in den
einzelnen Staaten, der dann zur Erteilung auch einer
Lizenz zum Führen von Schienenfahrzeugen in den übri-
gen EU-Staaten führt, ein bedeutsamer, unverzichtbarer
nächster Schritt.
Wenn wir schon im Ausschuss – nicht wegen inhaltli-
cher, sondern wegen der von den Regierungsfraktionen
aus Mangel an ausreichendem Selbstbewusstsein gegen-
über der eigenen Regierung erhobenen Bedenken – nicht
zu einem gemeinsamen Ausschussvotum kommen konn-
ten, so lassen Sie uns hier zumindest gemeinsam feststel-
len, dass wir alle ein Ziel haben und dieses Ziel gemein-
sam nachdrücklich unterstützen. Wir erwarten von der
Bundesregierung ein dynamisches, nachhaltiges Drängen
auf schnelle Fortschritte bei der Vereinheitlichung der
Voraussetzungen zur Beteiligung Dritter am nationalen
Schienenverkehr. Und dazu ist die Einführung und ein-
heitliche Handhabung einer staatlichen Erlaubnis zum
Führen von Schienenfahrzeugen ein wichtiger Beitrag.
Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Mit dem Antrag begehrt die CDU/CSU-Fraktion,
die Bundesregierung solle bei der Europäischen Gemein-
schaft darauf hinwirken, eine Richtlinie zur Erteilung,
Einschränkung und Entziehung einer Erlaubnis zum
Führen von Schienenfahrzeugen zu erlassen, und stellt
hierzu konkrete Eckpunkte dar.
Faktum ist: Dieses Anliegen wurde bereits auf europä-
ischer Ebene auf den Weg gebracht, eine entsprechende
Richtlinie wird in Kürze veröffentlicht. Ich stimme dem
Inhalt des Antrags zu – der Unfall in Brühl hat das gezeigt
und der erfreulich zunehmende Wettbewerb auf der
Schiene weist ebenfalls in diese Richtung –, dass bei ver-
mehrtem Zugang unabhängiger Betriebe zum Bahnnetz
der Qualitäts- und Sicherheitsstandard auf hohem Niveau
vereinheitlicht werden muss. Die verantwortungsvolle
Tätigkeit von Triebfahrzeugführern erfordert eine hohe
Vorbildung und eine Qualitätslizenz.
Ich freue mich daher, dass die CDU/CSU die Bundes-
regierung mit ihrem Antrag unterstützen will.
Aber: Diese Harmonisierung auf europäischer Ebene
ist längst in Arbeit, das Europäische Parlament hat keine
Änderungswünsche angemeldet. Die Umsetzung in natio-
nales Recht muss nunmehr in zwei Jahren erfolgen. Die
Behandlung des CDU/CSU-Antrags im Verfahren hat ge-
zeigt, das inhaltlich Konsens besteht; der Umsetzung der
EU-Richtlinie liegt daher hoffentlich keine Barriere im
Weg.
Also: Auf gute Zusammenarbeit, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU!
Bereits vergangener Woche haben sich Deutsche Bahn
AG, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Eisen-
bahnbundesamt und Bundesverkehrsministerium auf ent-
sprechende Regelungen für einen Triebfahrzeugführer-
schein geeinigt, der in Form einer VDV-Schrift umgesetzt
werden soll. Damit wird eine „anerkannte Regel der Tech-
nik“ begründet, die die Verbindlichkeit der Lokführer-
scheinregelung für alle Bahnunternehmen zur Folge hat,
die auf deutschen Schienen fahren. Er gilt für die DB AG
wie die rund 180 nicht bundeseigenen Bahnen. Dies ga-
rantiert durch einheitlich hohe Anforderungen aller aktiv
tätigen Bahnunternehmen gleiche Wettbewerbsbedingun-
gen. Ein Ausbildungs-Dumping wird dadurch vermieden.
So bleibt festzuhalten: Bereits jetzt kommt der nationale
Lokführerschein, in Kürze der europäische. Der CDU/
CSU-Antrag aber – so richtig er ist – kommt zu spät.
Horst Friedrich (Bayreuth) (F.D.P.): Vor dem Hinter-
grund des Eisenbahnunglücks von Brühl ist die Ausbil-
dung der Lokomotivführer in Deutschland, aber auch in
Europa in die Diskussion gekommen. Offensichtlich war
der Triebfahrzeugführer der Unglückslokomotive in
Brühl mehrfach durch die Lokomotivführerprüfung ge-
fallen und offensichtlich auch im Nachgang nach einer be-
standenen Prüfung nicht ausreichend auf die entspre-
chende Situation vorbereitet worden. Dies hat im
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117380
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Zusammenhang mit verschiedenen anderen Unterlassun-
gen und Fehlern offensichtlich zu diesem verheerenden
Unglück mit beigetragen.
Vor diesem Hintergrund, aber auch vor dem des Zu-
sammenwachsens Europas und einer hoffentlich darauf
abgestimmten europäischen Schienenverkehrspolitik ist
es notwendig, das Führen von Triebfahrzeugen nach ein-
heitlichen Kriterien durchzuführen. Dies gilt insbeson-
dere auch vor dem Hintergrund, dass durch die auch eu-
ropaweit vorgesehene Öffnung der Schienennetze für den
Wettbewerb gleiche Regeln und Normen zur Erhaltung
der Sicherheitsstandards nötig sind.
So wie im Busbereich, im LKW-Bereich – hier insbe-
sondere im Gefahrguttransport – erscheint auch im Trieb-
fahrzeugbereich auf der Schiene eine qualifizierte Ausbil-
dung sinnvoll. Im Antrag der CDU/CSU ist deshalb neben
den Zugangsvoraussetzungen insbesondere auf entspre-
chende Zwischenschritte innerhalb des Ausbildungsab-
schnittes eingegangen worden und ebenso eine entspre-
chende sechsmonatige Praxis unter Aufsicht eines
erfahrenen Triebzugführers. Der Antrag der CDU/CSU
fordert die Bundesregierung auf, in Europa auf einheitli-
che Regelungen hinzuweisen und diese möglichst in einer
gemeinsamen Richtlinie zu erarbeiten. Dass diese politi-
sche Forderung von der Mehrheit des Hauses unter Hin-
weis darauf abgelehnt wird, dass in Europa bereits eine
Richtlinie in Erarbeitung sei, zeugt von wenig Mut. Der
Antrag der CDU/CSU hätte den Vorteil, dass sich die
deutsche Regierung auf einen gemeinsamen Antrag des
ganzen Hauses stützen könnte. Aber offensichtlich gilt
auch hier der Grundsatz „Weil nicht sein kann, was nicht
sein darf“ und deshalb lehnt die Mehrheit diesen sinnvol-
len Antrag ab.
Die FDP-Fraktion hält den Antrag der CDU/CSU Frak-
tion für sinnvoll und stimmt ihm aus voller Überzeugung
zu.
Dr. Winfried Wolf (PDS): Die Fraktion von
CDU/CSU greift mit ihrem Antrag ein reales Anliegen
auf. Spätestens mit dem Eisenbahnunglück von Brühl von
Anfang 2000 wird die Problematik „Lokführerschein“
verstärkt diskutiert. Sie wurde im Vorfeld bereits seitens
der betroffenen Gewerkschaften andiskutiert – so im Fall
der GdED/Transnet – bzw. ein solcher Lokführerschein
wird seit geraumer Zeit gefordert – so seitens der GDL.
Die Koalitionsfraktionen verweisen einerseits zu
Recht darauf, dass das Anliegen auf europäischer Ebene
bereits „auf den Weg gebracht“ worden sei – so der Be-
richt des MdB Sorge.
Wenn dem so ist und wenn auch in Bälde eine entspre-
chende Regelung unserem Parlament vorliegt, wird über
diese neu zu diskutieren sein. Möglicherweise wird diese
Richtlinie eine optimale Lösung im Sinne der Betroffenen
bringen. Und möglicherweise werden gewisse Mängel
des CDU/CSU-Antrags in dieser EU-Regelung nicht
mehr zu finden sein. Beispielsweise müsste eine solche
Richtlinie Anforderungen hinsichtlich von Sprachkennt-
nissen enthalten (Einsatz in anderen EU- oder EWR-Län-
dern; grenzüberschreitender Schienenverkehr).
Dennoch findet der CDU/CSU-Antrag unsere Zustim-
mung und dies aus drei Gründen:
Erstens bedarf dieses Thema dringend einer Regelung.
Wenn die Bundesregierung im Fall der illegalen Beschäf-
tigung im Güterkraftverkehr einer bereits in Erarbeitung
befindlichen EU-Richtlinie mit einem „nationalen Vor-
griff“ zuvor kommt, um eine Beschleunigung der EU-
weiten Gesetzgebung zu erreichen, dann ist ein solches
Vorgehen im vorliegenden Fall mindestens ebenso sinn-
voll. Solche nationalen Vorstöße können erfahrungs-
gemäß die erforderlichen EU-Regelungen erheblich be-
schleunigen.
Zweitens enthält der CDU/CSU-Antrag eine Reihe von
Konkretisierungen, die zielführend und essenziell sind
und die teilweise über das hinausgehen, was derzeit in der
Bundesrepublik Deutschland und bei der Deutschen Bahn
AG Praxis ist. Dies gilt zum Beispiel für die – richtige –
Forderung nach einer Mindestausbildungszeit von drei
Jahren und für das Erfordernis einer mindestens sechs-
monatigen Betreuung neu ausgebildeter Lokführer nach
dem Ausbildungsabschluss durch einen „Betreuungslok-
führer“.
Drittens zeichneten sich gerade in den letzten Wochen
weitere Verschlechterungen – als „Sparmaßnahmen“ ver-
kleidet – in der Ausbildung der Lokführer durch die Deut-
sche Bahn AG ab. So sollen nach einem Gutachten, das
die DB Reise & Touristik in Auftrag gab, die so genann-
ten Belehrungsfahrten um die Hälfte gekürzt werden. Bis-
her waren sechs praktische Testfahrten auf einer neuen,
dem Lokführer nicht bekannten Strecke vorgeschrieben;
das Gutachten hält drei solcher Fahrten für ausreichend –
und will sich im Übrigen auf „den Einsatz von Videos
oder CD-ROM“ verlassen.
Auch der Fahrgastverband „pro Bahn“ sprach in die-
sem Zusammenhang von „unverantwortlichen Sparplä-
nen in stark sicherheitsrelevanten Bereichen“.
Aus den vorgenannten drei Gründen sprechen wir uns
für den Antrag von CDU/CSU aus.
Anlage 7
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung der Strafprozessordung (Gesetz zur
Stärkung der Verletztenrechte) (Tagesordnungs-
punkt 16)
Dr. Evelyn Kenzler (PDS):Wer ein wenig Einblick in
den Verlauf eines Strafverfahrens hat, der kann durchaus
zu der Einschätzung kommen: Die Strafgerichte küm-
mern sich intensiv um die Täter, die Belange der Opfer in-
teressieren sie weniger. Opfer von Gewalttaten spielen
immer noch eine untergeordnete Rolle im Strafrecht, auch
wenn sich vor allem durch das Opferschutzgesetz in den
letzten Jahren manches gebessert hat. Sie drohen – wie es
der Strafrechtler Professor H. Jung formulierte – „in der
bipolaren Auseinandersetzung zwischen öffentlicher Ge-
walt und Beschuldigten ... mit ihren Interessen zerrieben
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001 17381
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zu werden“. Sie sind – überspitzt gesagt – Objekte pater-
nalistischen Schutzes.
Doch darf die staatliche Strafrechtspflege wichtiger
sein als die individuellen Interessen der Verletzten? Und
soll der Strafrichter wirklich weitgehend unbekümmert an
den Interessen der Geschädigten vorbei strafen? Nein, der
Verletzte darf im Prozess nicht noch einmal zum Opfer
gemacht werden. Der Grundsatz des fairen Strafprozesses
hat auch für den Verletzten zu gelten. Seine Persönlich-
keitsrechte müssen im Strafverfahren nicht nur schlecht-
hin unbedingt gewahrt bleiben, sondern es muss mit dem
Verletzten angemessen und sensibel umgegangen werden.
Das Anliegen des Gesetzentwurfs ist es, die Rolle des
Verletzten im Strafverfahren von der eines bloßen Be-
weismittels zu der eines gleichberechtigten Prozessbetei-
ligten weiter zu entwickeln. Verletzte sollen in die Lage
versetzt werden, ihre Interessen selbst und aktiv in das
Prozessgeschehen einzubringen. Das ist angesichts der
reformbedürftigen Rechtsstellung der Verbrechensopfer
ein gesetzgeberischer Fortschritt. Ob die einzelnen Maß-
nahmen, die zur Erreichung dieses Zieles vorgeschlagen
werden, nun einen Meilenstein bilden – wie es Hamburgs
Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit hofft –, sei
dahingestellt. Aber unbestritten würde die Umsetzung
dieses Gesetzentwurfs eine deutliche Verbesserung der
Stellung der Opfer im Gerichtsverfahren bedeuten. Das
Verbrechensopfer könnte dann stärker als Verfahrenssub-
jekt agieren und würde auch als solches wahrgenommen.
Der Gesetzentwurf geht richtigerweise davon aus, dass
die Stärkung der Subjektrolle des Verletzten bei der Auf-
klärung über seine Rechte beginnt. So ist es folgerichtig,
dass Zeugen zukünftig mit der Ladung nicht nur auf ihre
Pflichten, sondern auch auf verfahrensrechtliche Bestim-
mungen hingewiesen werden sollen, die ihren Interessen
dienen.
Ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Opfer im Straf-
verfahren ist zweifelsohne sowohl die Stärkung der Teil-
haberrechte der Verletzten am Verfahren im Wege der
Ausweitung der Nebenklage als auch die gesetzliche Ver-
ankerung von Informations-, Akteneinsichts- und Anwe-
senheitsrechten.
Es ist aus der Sicht der Opfer schwer verständlich,
warum Staatsanwälte und Richter bisher so wenig von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, den Opfern von
Straftaten im Adhäsionsverfahren Wiedergutmachung zu
gewähren. Deshalb finde ich es richtig, dass durch den
Gesetzentwurf bessere Voraussetzungen dafür geschaffen
werden, vermögensrechtliche Ansprüche im Strafverfah-
ren geltend zu machen und gegebenenfalls im Wege eines
Wiedergutmachungsvergleichs einen vollstreckbaren Ti-
tel zu erlangen. Auch dies ist eine deutliche Verbesserung
für die Opfer, ist doch das Hauptproblem für den Verletz-
ten nicht die gerichtliche Feststellung, sondern die Voll-
streckung seines Schadensersatzanspruches.
Weiterhin ist positiv zu vermerken, dass Zeugen ver-
mehrt durch den Vorsitzenden Richter per Videoüber-
tragung vernommen werden können. Und auch die Aus-
weitung der Möglichkeit der Inanspruchnahme eines
Opferanwalts auf Staatskosten auf nahe Angehörige Ge-
töteter ist ein Gewinn für Betroffene.
Bei allem Positiven halte ich den in der Stellungnahme
der Bundesregierung vorgebrachten Hinweis auf die Be-
achtung der Wechselwirkung von Verletztenrechten und
Rechten der anderen Verfahrensbeteiligten für beachtlich.
Kurzum: Eine Einbettung der Maßnahmen dieses Gesetz-
entwurfs in eine Reform des Strafverfahrensrechtes wäre
wünschenswert.
Anlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrages: Gleichstellung von
Frauen und Männern in der Privatwirtschaft
(Tagesordnungspunkt 17)
Christel Humme (SPD): Keine Gleichstellung beim
Zugang zu qualifizierten Tätigkeiten, keine Gleichstel-
lung beim beruflichen Aufstieg, keine Gleichstellung bei
der Entlohnung, keine Gleichstellung in Sachen
Führungsfunktionen, keine Gleichstellung beim Risiko,
entlassen zu werden, keine Gleichstellung bei Teilzeitbe-
schäftigungen und geringfügigen Beschäftigungsverhält-
nissen.
Frauen ziehen auf dem Arbeitsmarkt nach wir vor den
Kürzeren. Frauen haben größere Schwierigkeiten, einen
Ausbildungsplatz zu finden. Frauen sind stärker von Ar-
beitslosigkeit betroffen. Dies gilt insbesondere für die
Frauen in den neuen Bundesländern. Frauen sind selbst
dann häufiger arbeitslos, wenn sie sich für einen zukunfts-
orientierten Beruf, einen so genannten Männerberuf ent-
scheiden. Das belegt eine Studie des Instituts für Arbeits-
markt- und Berufsforschung. Frauen haben schlechtere
berufliche Aufstiegschancen als Männer. Frauen werden
häufiger als Männer nicht entsprechend ihrer beruflichen
Qualifikation beschäftigt. Frauen verdienen nach wir vor
weniger als Männer – usw.!
Anfang des 3. Jahrtausends gibt es im Erwerbsleben in
Deutschland immer noch keine Chancengleichheit für
Frauen und Männer. Stattdessen haben wir einen Arbeits-
markt, der schlicht und einfach gespalten ist. Es gibt einen
Arbeitsmarkt für Männer und einen anderen, schlechteren
für Frauen.
Die Analyse der PDS ist also vollkommen richtig. Aber
was die Mittel zur Lösung dieses gravierenden und
beschämenden Problems anbelangt, unterscheiden wir
uns doch gewaltig: Sie schlagen Gleichstellungsbeauf-
tragte für Betriebe ab 20 Beschäftigte vor, überbetrieb-
liche Gleichstellungsbeauftragte für kleinere Betriebe.
Daneben wollen Sie Gleichstellungspläne, Ausgleichsab-
gaben, Quotierungsregelungen usw. Sie listen in Ihrem
Antrag eine Vielzahl von Maßnahmen auf und schnüren
damit ein ehernes Gleichstellungskorsett aus bürokrati-
schen Regelungen, das allen Unternehmen gleichermaßen
passen soll. Gerade kleine Unternehmen laufen aber
Gefahr, von Ihrem Gleichstellungskorsett förmlich er-
drückt zu werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117382
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Das ist nicht unser Weg, das entspricht nicht unseren
Vorstellungen. Denn Ihr Vorschlag lässt den Unternehmen
zu wenig Spielraum für eigene kreative Lösungen. Wir
wollen den Unternehmen nicht bis ins Detail vorschrei-
ben, wie Gleichstellung im Betrieb auszusehen hat. Denn
die Unternehmer und die Belegschaft wissen selbst am
besten, wo der Schuh drückt. Und sie sind auch die Ex-
perten in Sachen Lösungsansätze. Mit diesem Konzept
macht die PDS Unternehmer quasi zwangsläufig zu Geg-
nern von betrieblicher Gleichstellung. Ein solches Kon-
zept ist zum Scheitern verurteilt. Denn Gleichstellung
lässt sich niemals gegen den Willen der zentralen Ent-
scheidungsträger verwirklichen.
Wir setzen daher auf eine andere Lösung. Unser neues
Betriebsverfassungsgesetz mit all seinen Verbesserungen
für die Interessenvertretung für Frauen werden morgen
debattiert. Ich will dem nicht vorgreifen. Nur so viel: Sie
machen Ihre Forderungen zum Betriebsverfassungsgesetz
überflüssig.
Unser Prinzip ist: Wir wollen Unternehmer zu Partnern
machen, zu Partnern in Sachen Gleichstellung im Er-
werbsleben. Wir wollen, dass Unternehmen Frauen för-
dern, weil sie erkennen, dass dies in ihrem eigenen wirt-
schaftlichen Interesse liegt, und weil sie erkennen, welch
hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter sie in Frauen
finden, und – last not least – weil sie erkennen, dass
Frauen für Führungspositionen hervorragende Vorausset-
zungen mitbringen. Frauen können zuhören, im Team ar-
beiten und motivieren.
Wir wollen auch, dass alle Unternehmen Frauen för-
dern, weil sie erkennen, dass es aufgrund des demogra-
phischen Wandels höchste Zeit wird, Frauen entsprechend
ihrer Fähigkeiten einzusetzen.
In einigen Regionen Deutschlands wird bereits heute
ein eklatanter Fachkräftemangel beklagt. Hätten die Un-
ternehmen rechtzeitig angefangen, Mädchen in technisch
orientierten Berufen auszubilden, stünden heute genü-
gend qualifizierte Mitarbeiterinnen zur Verfügung. In
ganz Deutschland zerbricht man sich den Kopf über den
offensichtlichen Mangel an IT-Spezialisten. Dieser Man-
gel hätte nicht entstehen müssen, hätte man Mädchen nur
rechtzeitig für die Möglichkeiten von Computern begeis-
tert.
Chancengleichheit ist nur gemeinsam mit den Unter-
nehmen zu verwirklichen, niemals gegen sie. Wir setzen
daher auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unterneh-
men.
Wir fordern die Wirtschaft auf, bis zum Ende der parla-
mentarischen Sommerpause eine verbindliche Selbst-
verpflichtung zur betrieblichen Gleichstellung einzuge-
hen. Diese soll folgende Punkte enthalten:
Erstens. Die Spitzenverbände erstellen eine Analyse
zur Situation der Chancengleichheit von Frauen und
Männern in der Privatwirtschaft und ziehen nach drei Jah-
ren in einem weiteren vergleichenden Bericht eine erste
Bilanz.
Zweitens. Im Rahmen der verbindlichen Selbstver-
pflichtung fordern die Spitzenverbände die Unternehmen
auf, betriebliche Ist-Analysen und auf deren Grundlage
betriebliche Gleichstellungskonzeptionen mit geeigneten
Instrumenten zur Förderung der Chancengleichheit zu er-
stellen.
Drittens. Durch aktive betriebliche Fördermaßnahmen
sollen sowohl die beruflichen Chancen der Frauen als
auch die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Erwerbs-
arbeit für Mütter und Väter in jedem Unternehmen ver-
bessert werden.
Ziel ist eine deutliche Erhöhung des Beschäftigtenan-
teils von Frauen in den Bereichen, in denen sie unterreprä-
sentiert sind, insbesondere auch im Führungsbereich. Ziel
ist auch die gezielte Förderung der Berufsausbildung von
Frauen in zukunftssicheren Berufen. Und Ziel ist schließ-
lich die Überwindung der Lohndifferenz zwischen Frauen
und Männern.
Die Maßnahmen, die Unternehmen zur Herstellung
von Chancengleichheit ergreifen können, sind zahlreich:
Nicht jedes Unternehmen wird alle Ziele gleichermaßen
verfolgen können. Damit wären gerade viele kleine Un-
ternehmen überfordert. Aber aus der Vielzahl von mögli-
chen Gleichstellungsmaßnahmen wird jedes Unterneh-
men etwas auswählen können, was es umsetzen kann.
Familienfreundliche Arbeitszeiten anzubieten ist eine der
vielen Möglichkeiten.
Ein mittelständisches Unternehmen aus der Textilbran-
che beispielsweise beschäftigt über 400 Arbeitnehmer, die
große Mehrheit davon Frauen. Für die mehr als 400 Be-
schäftigten bietet das Unternehmen mehr als 300 Arbeits-
zeitmodelle an. Fast jede Beschäftigte praktiziert eine ei-
gens auf sie zugeschnittene Arbeitszeitregelung: Da ist
die Mutter, die nur vormittags im Unternehmen ist, mit-
tags die Tochter aus dem Kindergarten abholt und nach-
mittags zu Hause arbeitet oder die Frau, deren betagte
Mutter mittags mit Essen versorgt werden muss. Die Frau
arbeitet ganztags, geht aber über Mittag für zwei Stunden
nach Hause, um ihre Mutter zu versorgen.
„300 Arbeitszeitmodelle, wie soll das gehen?“, wird so
mancher fragen. Es geht, das zeigt uns dieses mittelstän-
dische Unternehmen. Es geht und davon profitieren alle:
die Arbeitnehmerinnen, weil sie ihre Arbeit mit ihren Fa-
milienpflichten gut vereinbaren können, und das Unter-
nehmen, weil es hoch motivierte Beschäftigte hat.
Die Erhöhung des Frauenanteils in allen Funktions-
ebenen ist eine andere Möglichkeit zur Herstellung be-
trieblicher Chancengleichheit. So will die Deutsche BP
20 Prozent aller Führungsfunktionen mit Frauen besetzen –
ein ehrgeiziges Ziel, doch das Unternehmen ist sicher,
dies Ziel erreichen zu können.
Andere Unternehmen werden ihre Entgeltstrukturen
verändern mit dem Ziel, die geschlechtsspezifische Ent-
geltdifferenz zu verringern. Auch hiervon werden die
Unternehmen profitieren. Denn Ungerechtigkeit in der
Bezahlung führt zu Demotivation und demotivierte Mit-
arbeiterinnen leisten weniger als motivierte. Wieder an-
dere Unternehmen werden sich für die Gewinnung von
Mädchen für zukunftsträchtige Ausbildungsberufe ent-
scheiden, ebenfalls im eigenen Interesse. Denn wer mor-
gen qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen will, muss
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 2001 17383
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heute die fähigsten Köpfe ausbilden – und das sind nun
einmal zu einem großen Teil Mädchen. Andere Unterneh-
men schließlich werden Qualifizierungspläne für weibli-
che Beschäftigte aller Funktionsebenen aufstellen.
Wir räumen den Unternehmen im Rahmen der Selbst-
verpflichtung also großen Spielraum ein, um ihrer wirt-
schaftlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Verpflich-
tung zur Herstellung betrieblicher Chancengleichheit
nachzukommen. Sollte es aber zur geeigneten Selbstver-
pflichtungen der Wirtschaft bis September dieses Jahres
nicht kommen, werden die Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen unmittelbar ein Gesetz zur
Gleichstellung in der Privatwirtschaft einbringen.
Renate Diemers (CDU/CSU): An der Reihenfolge
einer Tagesordnung lässt sich einiges ablesen. So könnte
man den Eindruck haben, dass das Parlament am Ende ei-
nes langen Tages einen lästigen Pflichtpunkt schnell noch
abhaken möchte. Dies ist besonders pikant, da es den Ver-
antwortlichen der Regierungskoalition anscheinend nicht
nur lästig ist, sich mit dem Thema „Gleichstellung von
Frauen in der Privatwirtschaft“ zu beschäftigen, sondern
auf diese Art und Weise zum wiederholten Male ein ge-
brochenes Wahlversprechen unter der Decke halten.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und
auch von Bündnis 90/Die Grünen, haben den Frauen im-
mer wieder ein Gleichstellungsgesetz versprochen und
Sie haben das auch in der Koalitionsvereinbarung fest
geschrieben. Sie haben – wie bei vielen anderen wichti-
gen Themen – im Wahlkampf große Ankündigungen ge-
macht, Sie würden vieles besser machen als wir, aber Sie
haben leider wieder einmal versagt.
Immerhin haben Sie ein Gleichstellungsgesetz für die
öffentliche Verwaltung vorgelegt und wir haben Ihnen in
der Debatte vor einigen Wochen unsere Unterstützung zu-
gesagt – nicht zuletzt, weil es eine Fortführung unseres
Frauenfördergesetzes ist. Natürlich hätten wir bei Ihrem
Gesetz für die Verwaltung einige Punkte pragmatischer
und weniger dirigistisch gewünscht, aber in der Zielset-
zung sind wir uns hier im Großen und Ganzen einig.
Ihre Ankündigung, dass Sie die tatsächliche Umset-
zung der im Grundgesetz festgelegten Gleichstellung von
Männern und Frauen auch in der Privatwirtschaft angehen
wollten, hat vielen Frauen Hoffnung gemacht.
Wir stimmen ja überein, dass die in vielen Gesetzen
festgeschriebene theoretische Gleichstellung der Frauen
auch in der Praxis endlich erreicht werden soll. Wir wol-
len die tatsächliche Chancengleichheit für Frauen in allen
Bereichen – somit auch in der Wirtschaft. Frauen müssen
die gleichen Aufstiegschancen wie Männer haben und die
damit verbundenen Führungspositionen besetzen können.
Es gibt viele Männer und auch Frauen, die bestreiten,
dass Frauen heute noch benachteiligt sind. Ich denke hier
an die jüngsten Meldungen vom Bund der Deutschen In-
dustrie, den Arbeitgeberverbänden und leider auch vom
Verband deutscher Unternehmerinnen. Sie lehnen eine
gesetzliche Regelung ab und argumentieren, Frauen woll-
ten aus eigener Kraft und Qualifikation Karriere machen.
Tatsache ist aber – und die Zahlen beweisen es – dass
Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft immer
noch Exoten sind. Es steht auch fest, dass Frauen weniger
verdienen als ihre männlichen Kollegen, das heißt, auch in
Führungspositionen. Aus diesem Grund haben viele Un-
ternehmen Geheimhaltungsklauseln in den entsprechen-
den Verträgen, sodass die Frauen oftmals gar nicht wissen,
dass ihre männlichen leitenden Kollegen – wohlgemerkt in
dergleichen Position in dem Unternehmen – ein paar zehn-
tausend Mark mehr im Jahr verdienen. Aber dies – das
geht quer durch unsere Gesellschaft, die Wirtschaft und die
Parteien – wird nach wie vor als gegeben hingenommen
und von einer Generation auf die andere weitergegeben.
Falsch sind die Aussagen, Frauenförderung stehe im
direkten Gegensatz zur Effizienz, zum Gewinn oder zur
Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Andere war-
nen, Frauen würden mit weiteren emanzipatorischen Re-
gelungen aus der Arbeitswelt heraus sozialisiert. In der
Praxis gibt es genügend positive Beispiele, die beweisen,
dass die Unternehmen von der Arbeitskraft der Frauen
profitieren, wenn ein partnerschaftliches, modernes und
faires Arbeitsverhältnis besteht. Sie erhalten im Gegenzug
für eine frauen- und familienfreundliche Arbeitswelt ein
gutes Betriebsklima, qualifizierte Mitarbeiter (Väter und
Mütter) und wenig Fluktuation und im Endeffekt zufrie-
dene Kunden.
Unser Auftrag muss es also sein, die gleichberechtigte
Teilhabe von Frauen an allen Prozessen, auf allen Ebenen
eines Unternehmens voran zu bringen, und mit dafür Sorge
zu tragen, dass Art. 3 des Grundgesetzes auch im Alltag
entsprechend umgesetzt wird. Ich bin sicher, dass dann die
Effizienz, der Gewinn und die Wettbewerbsfähigkeit
durch die Potenziale der Frauen gesteigert werden.
Darüber besteht bei uns allen, so hoffe ich, Einigkeit,
wenn wir auch sicherlich unterschiedliche Vorstellungen
davon haben, in welch restriktiver Art und Weise die Wirt-
schaft für dieses gesamtgesellschaftliche Ziel verpflichtet
werden soll. Die PDS befürwortet ein überaus restriktives
und die Freiheit beschneidendes Gesetz mit einem
Schwerpunkt auf Sanktionen, Schadensersatz und Klage-
recht. Dies lehnen wir ab.
Sie von der Regierungskoalition sind leider nicht über
Ihre Eckpunkte für ein Gesetz hinaus gekommen. Dass
dann unmittelbar nach der Vorstellung der Eckpunkte die
Diskussion in Ihrer Koalition ins Stocken gekommen
ist – sogar mehr als das, das Thema wurde überhaupt nicht
mehr erwähnt, es wurde totgeschwiegen –, liegt nicht un-
bedingt an den Parlamentariern, sondern allein am Bun-
deskanzler. In Ihrer Koalition bestimmen nicht die Abge-
ordneten, was im Bundestag passiert, sondern das
bestimmt bei Ihnen ganz allein der Bundeskanzler.
Das nun angekündigte Ultimatum an die Wirtschaft
von Seiten Ihrer Fraktionen wird vom Bundeskanzler
wahrscheinlich schon wieder unterlaufen. Schließlich hat
er der Wirtschaft zugesagt, dass kein Gesetz komme.
Warum sollten sich die Wirtschaftsverbände also von
Ihrem Ultimatum beeindrucken lassen?
Ich bitte Sie von der Regierungskoalition, Ihre Interes-
sen als Parlamentarier zu wahren und den Deutschen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Juni 200117384
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Bundestag nicht nur zum Abnicken der vom Bundeskanz-
ler getroffenen Entscheidungen missbrauchen zu lassen.
Der Kanzler hat die Richtlinienkompetenz, aber wir
haben die Gesetzgebungskompetenz.
Die Frauen in unserem Land erwarten viel von Ihnen
und von uns allen. Nicht nur die erwerbstätigen Frauen,
die selbstständigen Unternehmerinnen, die Existenzgrün-
derinnen, auch die Familienfrauen, die Mütter, die nach
der Familienphase wieder in den Beruf zurück wollen,
also alle Frauen setzen Hoffnung in uns, die Chancen für
Frauen in der Wirtschaft zu steigern. Chancen auf Be-
schäftigung, auf gleichen Verdienst, auf Karriere.
Die Zahl der außerhäuslich berufstätigen Frauen
nimmt zu, auch die Zahl der erwerbstätigen Mütter. Von
den 8,9 Millionen Müttern im erwerbsfähigen Alter mit
mehr als einem Kind arbeiten 63 Prozent außerhäuslich,
das sind 4 Prozent mehr als noch vor 10 Jahren. 7 Prozent
aller Mütter mit mehr als einem Kind suchen eine Stelle.
Klassischerweise sind das Teilzeitstellen und die Zahlen
belegen das, denn drei von fünf Müttern arbeiten in Teil-
zeitbeschäftigungen. Und damit kommen wir zu zwei
wichtigen Aspekten des gesamten Problems:
Erstens. Die Schwierigkeit, Familienarbeit, das heißt
unter anderem auch Erziehung von Kindern oder Pflege
eines Angehörigen, und außerhäusliche Erwerbsarbeit un-
ter einen Hut zu bekommen. Ich nenne an dieser Stelle die
Stichworte partnerschaftliche Aufteilung der Familien-
aufgaben, Ganztagsbetreuung, flexible Öffnungszeiten
von Kinderbetreuungseinrichtungen und auch ein Netz
gut ausgebildeter Tagesmütter. Direkt an die Wirtschaft
richte ich das Stichwort: Betriebskindergärten.
Die Unternehmen sollten sich in diesem Zusammen-
hang umfassend informieren. Denn sowohl die Investiti-
onskosten als auch die laufenden Betriebskosten sind in
voller Höhe absetzbar. Es können auch zum Beispiel Ko-
operationen zwischen mehreren Unternehmen, die räum-
lich nah beieinander liegen, eingegangen werden. Ein
weiteres Stichwort bzw. Hilfe für außerhäusliche erwerbs-
tätige Frauen und Männer wäre in diesem Zusammenhang
auch ein Angebot von personell gut ausgestatteten und
funktionierenden Dienstleistungszentren.
Zweitens. Klassische Halbtagsstellen sind nicht das
Allheilmittel, um Frauen die Flexibilität zu ermöglichen.
Wir brauchen unterschiedliche Teilzeitmodelle mit flexi-
blen Arbeitszeiten, die sowohl den Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern als auch den Firmenstrukturen und
den unterschiedlichen Anforderungen der Arbeitgeber ge-
recht werden.
Vielfach praktiziert die Wirtschaft bereits eine ganz
andere Art der Flexibilität, nämlich die Nutzung der
neuen Medien. Dienst-Notebooks mit Internet-Zugang
und Dienst-Mobiltelefone sind bei Führungskräften fast
schon Standard und ermöglichen eine Flexibilität in
Bezug auf den Arbeitsort. Warum nutzt die Wirtschaft das
nicht, um auch Frauen den Zugang zu Führungspositio-
nen zu erleichtern? Es macht qualitativ keinen Unter-
schied, ob das Notebook – wie von vielen Managern –
auf dem Golfplatz oder im heimischen Wohnzimmer be-
arbeitet wird.
In diesem Zusammenhang ist von uns allen noch sehr
viel Phantasie und Durchsetzungswillen gefragt. Aber die
Mitwirkung der Wirtschaft ist unverzichtbar. Eine Selbst-
verpflichtung abzugeben wäre ein guter Weg. Es gibt er-
freulicherweise bereits einige Unternehmen, besonders
auch im mittelständischen Bereich, die schon viel für die
Frauenförderung tun. Beispiele können Sie in der Juli-
ausgabe des Unternehmermagazins „Impulse“ nachlesen.
Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ein paar
Vorzeigeunternehmen und Vorzeigefrauen ersetzen nicht
die geforderte selbstverständliche Gleichstellung.
Mit einer Selbstverpflichtung auf höchster Ebene und
sichtbaren Anstrengungen, um die Selbstverpflichtung
umzusetzen, wären wir einen großen Schritt weiter. Die
Schüchternheit der Privatwirtschaft in Bezug auf die
Selbstverpflichtung wird von den Menschen in unserem
Land nicht verstanden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der
Regierungskoalition, Sie sind am Zuge. Setzen Sie Ihre
Ankündigung in die Tat um und legen Sie einen Entwurf
für eine praxisorientierte Handhabung zur Gleichstellung
von Frauen in der Privatwirtschaft vor! Wir werden uns
aktiv an der Beratung beteiligen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): „Deutschland ist ein modernes, demokrati-
sches Land mit qualifizierten Beschäftigten und innovati-
ven Betrieben“.
Das ist das Bild, das wir gern über unsere Grenzen
hinweg vermitteln möchten. Schaut frau allerdings in die
Statistik, so ist dieses Bild ein Trugschluss. Deutschland
ist Schlusslicht in Europa sowohl bei der Erwerbsquote
von Frauen als auch beim Anteil von Frauen in Führungs-
positionen. Und Deutschland ist Schlusslicht bei der
ganztägigen Kinderbetreuung, die ja häufig eine Voraus-
setzung für die Erwerbstätigkeit von Frauen bildet. Von
modern und innovativ kann da wohl keine Rede sein.
Wie aber ist es um die Demokratie bestellt, die es zu-
lässt, dass Frauen, obwohl Sie die besseren Schulab-
schlüsse haben und einen höheren Anteil an Studierenden
bilden, immer noch im Durchschnitt ein Viertel weniger
verdienen als Männer, zu knapp 4 Prozent in den oberen
Führungsetagen sitzen und da – wo die wirklichen Ent-
scheidungen getroffen werden, in den Vorständen der Ak-
tiengesellschaften – bei den größten 100 gar keine Rolle
mehr spielen. Das ist nicht nur unmodern und innova-
tionsfeindlich, sondern zutiefst undemokratisch. Denn
eine wirkliche Demokratie kann es nicht geben ohne eine
Geschlechterdemokratie.
Was ist zu tun? Da die Wirtschaft mit der Situation,
dass Deutschland gleichstellungspolitisch ein Entwick-
lungsland ist, offensichtlich – noch – gut leben kann – spä-
testens 2015 wird das ganz anders aussehen, dann näm-
lich fehlen die Fachkräfte –, muss der Staat handeln.
Und er kann es sich gar nicht aussuchen, ob er handeln
will oder sich mit einem Basta verweigert. Der Staat muss
handeln. So will es das Grundgesetz. „Er fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung ... und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“,
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steht in der Verfassung, und nicht: Er kann die Gleichbe-
rechtigung fördern.
Also brauchen wir gesetzliche Regelungen, denn eine
Selbstverpflichtung der Wirtschaft bringt gar nichts. Das
beste Beispiel dafür ist doch das Dosenpfand. Wenn heute
der DIHT-Präsident Braun die Unternehmen auffordert,
sich selbst zu verpflichten, dass Frauen bei gleicher Qua-
lifikation nicht benachteiligt werden dürfen, so muss ich
sagen: Das dürfen Arbeitgeber schon heute nicht. Immer-
hin gibt es einen § 611 a im BGB. Und heißt das nicht auch
indirekt: Bis jetzt wurden Frauen benachteiligt? Die Zah-
len sprechen doch Bände: Von circa 2,5 Millionen Betrie-
ben haben ganze 200 Konzepte zur Chancengleichheit.
Nein, wir müssen schnellstens ein Gesetz für die Pri-
vatwirtschaft in die parlamentarische Beratung bringen.
Damit bin ich beim PDS-Antrag, der dieses ja vorsieht.
Verehrte Kollegin Bläss, mit den Zielen ihres Antrages
stimme ich überein. Aber die vorgeschlagenen Wege
scheinen mir in der Tat den unterschiedlichen Branchen-
strukturen und Betriebsgrößen nicht ausreichend Rech-
nung zu tragen. Nun weiß ich auch, dass Demokratie nicht
kostenlos zu haben ist, aber ein Teil ihrer Vorschläge
scheint mir für Unternehmen, die um das Überleben
kämpfen, schlichtweg auch zu kostspielig zu sein. Wenn
sie ihren Blick insbesondere auf viele ostdeutsche Be-
triebe richten, werden sie mir sehr schnell recht geben.
Das darf aber kein Grund sein, nichts zu tun.
Darum haben sich die Bündnisgrünen – wenn auch
schweren Herzens –zu einem anderen Weg entschieden.
Dieser Weg heißt: Die Unternehmen werden per Gesetz
zur Gleichstellung verpflichtet. Sie selbst entscheiden
dann darüber, welche Maßnahmen sie für ihren Betrieb
als die geeigneten ansehen, um die Unterrepräsentanz
von Frauen in Führungspositionen abzubauen, ihre Lohn-
diskriminierung zu beseitigen, die Vereinbarkeit von
Erwerbs- und Familienarbeit für Männer und Frauen si-
cherzustellen und die Ausbildung von Frauen in zu-
kunftssichere Ausbildungsplätze zu gewährleisten.
Was tun, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird? Hier
kommt Hilfe aus Europa. Die neue Gleichbehandlungs-
richtlinie sieht ausdrücklich ein kollektives Klagerecht
vor, das auch von den Mitgliedstaaten umzusetzen ist. Das
heißt Frauenverbände oder Gewerkschaften haben das
Recht, initiativ zu werden und zu klagen. Das ist ein star-
kes Druckmittel, denn es hilft meist schon ohne Anwen-
dung. Aus der Schweiz wissen wir, dass viele Verfahren
schon im Vorfeld gütlich abgewendet wurden, um Klagen
zu vermeiden.
Die nächsten Monate werden kein Zuckerschlecken
sein auf dem Wege zu einem Gleichstellungsgesetz. Die
Haltung der Wirtschaftsverbände ist bekannt, darf aber
nicht Maßstab für die Politik sein. Politik darf nicht ein-
seitig sein und nur die Interessen der Wirtschaft im Auge
haben. Sie hat ihren Grundgesetzauftrag zu erfüllen. Dass
es dabei zu einer Abwägung verschiedener Interessen
kommt, ist eine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe, dass wir
mit der Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen
zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Ina Lenke (F.D.P.): Frauen sind – da sind wir uns alle
einig – auch heute immer noch nicht in allen Bereichen
gleichgestellt. Besonders der Frauenanteil in den
Führungspositionen der deutschen Wirtschaft liegt bei le-
diglich 11 Prozent.
Das ist blamabel, besonders im Vergleich mit unseren
europäischen Nachbarn und den USA. Selbstverständlich
wollen wir, dass sich der Anteil der Frauen in den oberen
Etagen der Privatwirtschaft wesentlich verbessert.
In der Privatwirtschaft, auch im öffentlichen Dienst,
sind wir davon noch weit entfernt. Art. 3 GG postuliert an
den Staat den Auftrag, die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung zu fördern. Doch wie das zu gesche-
hen hat, bestimmt das Grundgesetz nicht.
Eine Gleichstellungspolitik mit dem Brecheisen – wie
im Gleichberechtigungsgesetz für die Wirtschaft vorgese-
hen – lehnen wir jedoch ab. Die Gründe dafür, dass Frauen
und Männer besonders im Arbeitsleben noch nicht gleich-
berechtigt nebeneinander stehen, sind sehr vielfältig und
deshalb sind einfache Lösungen nicht gefragt. Die PDS
will, ebenso wie die SPD und die Grünen, die Gleichstel-
lung mit Gewalt in Gestalt eines Gleichstellungsgesetzes.
Ich meine, Sie erweisen damit uns Frauen nur einen
Bärendienst. Durch solche restriktiven Maßnahmen, wie
sie gerade die PDS in ihrem Gesetzentwurf vorschlägt,
vertiefen sich nur die Gräben zwischen Arbeitnehmer und
Arbeitgeber bzw. zwischen Männern und Frauen. Durch
Zwang ist noch nie etwas erreicht worden. Letztlich wird
dies für uns Frauen ein Bumerang sein und uns schaden.
Davon abgesehen, erschweren Sie damit zusätzlich die
Handlungsspielräume für Betriebe, gerade im kleinen und
mittelständischen Bereich.
Wenn jetzt nun auch noch neben dem Betriebsrat
zwingend eine weitere Person als Gleichstellungsbeauf-
tragte tätig sein soll und diese auch noch freigestellt wird,
wer erwirtschaftet dann noch den Gewinn, damit die
Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten werden können?
Außerdem gehört die Förderung der Chancengleichheit
bereits zu den Aufgaben des Betriebsrats.
Weitere Pöstchen sind teuer und verhindern im Zu-
sammenhang mit den übrigen dirigistischen Zwangsrege-
lungen der rot-grünen Bundesregierung, dass Deutsch-
land als Wirtschaftsstandort für kleine und mittlere
Betriebe attraktiv bleibt bzw. attraktiver wird. Gerade im
Mittelstand stecken eine Menge Arbeitsplätze, gerade für
Frauen. Zugegebenermaßen ist ärgerlich, wenn sich die
Wirtschaft einer Selbstverpflichtung widersetzt. Was sich
die Bundesregierung bzw. die SPD-Fraktion aber nun hat
einfallen lassen, gleicht einem beispiellosen Affentheater.
Hier wird der Wirtschaft tatsächlich ein Ultimatum bis
Ende August gesetzt, damit diese eine „freiwillige“
Selbstverpflichtung abgibt. Das ist doch wirklich nicht Ihr
Ernst! Mit solch einer kurzen Frist? Deutlicher können
Sie von der SPD Ihre Hilflosigkeit in der Gleichstel-
lungspolitik nicht machen.
Sie sollten nicht noch mehr Zeit mit diesen sinnlosen
Spielchen verplempern, sondern endlich mit wirksamen
Maßnahmen beginnen und ein richtiges Konzept vorle-
gen.
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Dazu muss der Blick stärker auf die Rahmenbedingun-
gen gerichtet werden, um die Berufstätigkeit und gleiche
Karrierechancen für Frauen und Männer überhaupt erst zu
ermöglichen. Durch die Vereinbarkeit von Kind, Karriere
und Beruf muss Frauen und Männern gleichermaßen der
Weg in Führungspositionen geebnet werden. Dies bedeu-
tet, Betreuungskosten – ungedeckelt – steuerlich abzugs-
fähig zu machen und für ein wesentlich besseres und fle-
xibleres Angebot an Kinderbetreuungsplätzen zu sorgen.
Mehr Ganztagsschulen müssen her. Weiter brauchen wir
flexiblere Arbeitsformen, Teilzeit, Telearbeit usw. Die
Ausbildung von Frauen in bislang frauenuntypischen Be-
rufsfeldern, zum Beispiel in der Zukunftstechnologie oder
im gewerblich-technischen Bereich allgemein, ist unbe-
dingt zu fördern. Hier sollte bei den Schulen angesetzt
werden und das Interesse an solchen Berufen bei den
Mädchen geweckt werden. Wenn nur ein verschwindend
geringer Teil der Mädchen in frauenuntypischen Studi-
engängen und Ausbildungsgängen vertreten sind, sollte
man sich nicht über eine geringe Quote später in entspre-
chenden Berufen und erst recht in den höheren Etagen
entsprechender Wirtschaftsunternehmen wundern. Wir
sollten lieber Betriebe ergänzend unterstützen, die über
Maßnahmen der betrieblichen Förderung einen sinnvol-
len Beitrag zur vollständigen Integration von Frauen in
das Erwerbsleben leisten, statt Betriebe, die dies noch
nicht tun, zu bestrafen.
Petra Bläss (PDS): Chancengleichheit für Frauen
und Männer in der Privatwirtschaft – für die einen ist das
eine Selbstverständlichkeit für moderne Industrieunter-
nehmen, für die anderen noch immer ein Schreckgespenst
aus der Mottenkiste. „Ich habe vor dem Gesetz keine
Angst“ meint ein erfolgreicher Textilunternehmer aus
Süddeutschland, dessen Betrieb schon mehrfach als
frauen- bzw. familienfreundlich ausgezeichnet wurde.
Kein Wunder: Wer nicht diskriminiert, hat von einer ge-
setzlichen Regelung auch nicht zu befürchten.
Ich habe verfolgt, wie sich Bundesfrauenministerin
Bergmann in der Koalition für die Gleichstellung in der
Privatwirtschaft stark gemacht hat, wie sie über Monate
darum bemüht war, die Wirtschaft ins Boot zu holen.
Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privat-
wirtschaft – das wollte die Ministerin gemeinsam mit den
Unternehmen erreichen, nicht gegen sie. Dazu hat sie eine
ganze Reihe von Diskussionen zwischen Wirtschaft, Ge-
werkschaften, Wissenschaft, Verbänden und Politik orga-
nisiert.
Wir haben dort von vielen positiven Beispielen erfah-
ren, von Betrieben, die etwas für die Gleichberechtigung
getan haben, durch familiengerechte Arbeitszeiten zum
Beispiel oder durch Betreuungsmöglichkeiten für Kinder.
Wir haben von Unternehmen gehört, denen es schlicht un-
verständlich ist, warum andere die Qualifikation von
Frauen brachliegen lassen. Aber wir haben auch erfahren,
dass sie die absolute Ausnahme sind.
In der gesamten Bundesrepublik haben nur etwa
200 Betriebe freiwillig Maßnahmen zur Gleichstellung
ergriffen. 200 von etwa 3 Millionen – das ist entschieden
zu wenig.
Was ist mit dem Rest? Die Mehrzahl der Betriebe ver-
stößt gegen das Grundrecht von Frauen auf Gleichbe-
rechtigung. Wir haben uns die Fakten hier schon zigmal
gegenseitig präsentiert. Frauen sind in allen Bereichen des
Arbeitsmarktes benachteiligt. Sie bleiben trotz gleich
guter oder sogar besserer Abschlüsse häufig in der zwei-
ten oder dritten Reihe stecken und kommen beruflich nur
mühsam voran.
Wir können – das ist meine feste Überzeugung – nicht
länger auf freiwillige Maßnahmen der Wirtschaft warten.
Der Umgang der Industriechefs mit den Konsensge-
sprächen beweist mir das.
Lassen Sie mich etwas zur Quotenregelung sagen, um
gleich einige hartnäckige Missverständnisse auszuräu-
men:
Es geht darum, dass Frauen, die mindestens genauso
gut wie ihre Mitbewerber sind, eine Chance erhalten. Wir
fordern also keineswegs, dass Frauen mit geringerer Qua-
lifikation bevorzugt werden. Klar ist auch: Wenn sich gar
keine Frauen bewerben, können auch zukünftig ganz
selbstverständlich Männer den Zuschlag erhalten. Wer ei-
nen Kälteanlagenbauer sucht, muss keine Krankenschwes-
ter einstellen. In Bereichen, in denen es kaum Frauen gibt,
werden natürlich weiter Männer die Jobs bekommen.
Wir wollen darüber hinaus die öffentlichen Aufträge an
Chancengleichheit binden. Warum soll sich der Staat
diese Möglichkeit entgehen lassen? Sie alle wissen im
Übrigen, dass ein solches Verfahren durch den Europä-
ischen Gerichtshof höchstrichterlich gedeckt ist.
Außerdem wollen wir für einzelne Frauen sowie Ge-
werkschaften und Frauenverbände die Möglichkeit schaf-
fen, gegen Diskriminierung zu klagen – auch das ist eine
Neuregelung, welche die Position von Frauen stärken
soll.
Für kleine und mittlere Betriebe haben wir einige Aus-
nahmen vorgesehen, um es ihnen so leicht wie möglich zu
machen. Die Unternehmen sollen insgesamt bei der Um-
stellung ihrer Unternehmenspolitik unterstützt werden,
weshalb wir einige finanzielle Erleichterungen und ein
Umlageverfahren bei den Mutterschutzkosten vorsehen.
Auch in unseren Vorstellungen gibt es im Übrigen viel
Raum für eigene Ideen und Konzepte der Betriebe. Uns
sind die Ziele wichtig. Wie genau und durch welche
Schritte im Einzelnen sie erreicht werden, das überlassen
wir den Betrieben.
Mit dem Verzicht auf ein Gesetz und damit auf die Ge-
staltungskraft des Staates stellt sich die rot-grüne Bun-
desregierung ein Armutszeugnis aus. Die vielen Wortmel-
dungen von Frauenverbänden, Gewerkschaften, aber
auch von klein- und mittelständischen Unternehmen zeu-
gen davon: Es besteht gesetzlicher Regelungsbedarf. Es
wird Zeit und es lohnt sich, dass die Politik die Weichen
stellt für eine andere, moderne Unternehmenspolitik. Es
wird Zeit, dass die Chancengleichheit der Geschlechter
als Standortfaktor begriffen wird. Es geht um nicht mehr,
aber auch nicht weniger als um einen zivilgesellschaftli-
chen Anspruch.
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Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin