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    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 16883 A Absetzung der Tagesordnungspunkte 15 und 28 i . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16884 C Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 16884 C Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 16884 D Tagesordnungspunkt 4: Vereinbarte Debatte: Zu Recht und Ethik der modernen Medizin und Bio- technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16885 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16885 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16887 A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16888 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . . . . . . . 16890 D Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 A Gerhard Schröder SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16892 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16894 D Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16896 B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . 16897 C Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16899 B Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16900 A Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16901 B Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16903 A Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16903 D Angela Marquardt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16904 D Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 16905 D Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16908 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16909 B Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16910 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16911 D Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 16912 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16914 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16915 B Christel Riemann-Hanewinckel SPD . . . . . . . 16916 A Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16916 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16917 D Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16919 A Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 16919 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16921 A René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16922 A Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16922 D Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16923 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16924 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16925 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16926 C Hanna Wolf (München) SPD . . . . . . . . . . . . . 16927 C Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16928 B Dr. Margrit Wetzel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16929 C Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16930 B Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16931 D Rolf Stöckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16932 C Dr. Hermann Scheer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16933 D Plenarprotokoll 14/173 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 173. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Heidemarie Lüth, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Behand- lung von Petitionen und über die Auf- gaben und Befugnisse des Petitions- ausschusses des Deutschen Bundes- tages – Petitionsgesetz (Drucksache 14/5762) . . . . . . . . . . . . . 16935 A b) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Heidemarie Lüth, Heidemarie Ehlert, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 45 c) (Drucksache 14/5763) . . . . . . . . . . . . . 16935 A Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16935 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16937 B Hubert Deittert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16939 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16940 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 16942 B Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16943 B Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16945 C Tagesordnungspunkt 28: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund- gesetzes (Art. 108) (Drucksache 14/6144) . . . . . . . . . . . . . 16947 C b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanz- verwaltungsgesetzes und andererGe- setze (Drucksache 14/6140) . . . . . . . . . . . . . 16947 D c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluss des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europä- ischen Gemeinschaften (Drucksache 14/6142) . . . . . . . . . . . . . 16947 D d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Gesetzen und Verordnungen im Zuständig- keitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf Euro (Neuntes Euro-Einführungsgesetz) (Drucksache 14/5937) . . . . . . . . . . . . . 16947 D e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung von Verbrauchsteu- ergesetzen und des Finanzverwaltungs- gesetzes sowie zur Umrechnung zoll- und verbrauchsteuerrechtlicher Euro- Beträge (Zwölftes Euro-Einführungs- gesetz) (Drucksache 14/6143) . . . . . . . . . . . . . 16948 A f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwi- schen der Europäischen Gemein- schaft und ihren Mitgliedstaaten ei- nerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (Drucksache 14/6100) . . . . . . . . . . . . . 16948 A g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und derTschechischen Republik vom 2. Februar 2000 zurweiteren Erleich- terung des Rechtshilfeverkehrs (Drucksache 14/6101) . . . . . . . . . . . . . 16948 A h) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Saatgutverkehrsgesetzes (Drucksache 14/5927) . . . . . . . . . . . . . 16948 B j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäfts- ordnung: Technikfolgenabschätzung; hier: TA-Projekt „Klonen von Tieren“ (Drucksache 14/3968) . . . . . . . . . . . . . 16948 B k) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung; hier: Monitoring „Stand und Perspektiven der genetischen Diagnostik“ (Drucksache 14/4656) . . . . . . . . . . . . . 16948 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Vorschrif- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001II ten des Dienst-, allgemeinen Verwal- tungs-, Sicherheits-, Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrechts auf Euro (Sechstes Euro-Einführungsgesetz) (Drucksache 14/6096) . . . . . . . . . . . . 16948 C b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Abkommen vom 10. März 2000 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Repu- blik Korea über soziale Sicherheit (Drucksache 14/6110) . . . . . . . . . . . . . 16948 C c) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Annette Faße, Reinhard Weis (Stendal), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abge- ordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung des Deutschen Binnen- schifffahrtsfonds (Binnenschifffahrts- fondsgesetz) (Drucksache 14/6159) . . . . . . . . . . . . 16948 D d) Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Tierschutz auf nationaler und EU- Ebene fortentwickeln (Drucksache 14/6047) . . . . . . . . . . . . 16948 D e) Antrag der Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Für ein Bundesrahmengesetz zurWeiterbildung (Drucksache 14/6170) . . . . . . . . . . . . 16949 A Tagesordnungspunkt 29: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament; European Community Investment Partners (ECIP); Bericht über die Durchführung 1998 (Drucksachen 14/3428 Nr. 2.28, 14/4944) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16949 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für einen Beschluss des Europä- ischen Parlaments und des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die Zusammenarbeit auf dem Ge- biet der nachhaltigen Stadtentwick- lung (Drucksachen 14/3859 Nr. 2.2, 14/4976) 16949 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Erste Ver- ordnung zur Änderung der Batterie- verordnung (Drucksachen 14/5931, 14/6019 Nr. 2.1, 14/6136) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16949 C d) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 8 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 14/6013) . . . . . . . . . . . . 16949 D e) – h) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 270, 271, 272, 273 zu Petitionen (Drucksachen 14/6075, 14/6076, 14/6077, 14/6078) . . . . . . . . . . . . . . . 16950 A Zusatztagesordnungspunkt 5: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung gemein- schaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergericht- licher Schriftstücke in Zivil- oder Handels- sachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustel- lungsdurchführungsgesetz) (Drucksachen 14/5910, 14/6114, 14/6175) 16950 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu möglichen Auswirkun- gen der Berliner Finanzkrise auf den Bundeshaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16950 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16950 C Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . 16951 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 16952 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16953 D Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16955 B Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16956 C Peter Kurth, Senator (Berlin) . . . . . . . . . . . . . 16957 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16959 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 III Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16959 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 16961 A Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16961 D Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16963 A Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16964 A Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag des Abgeordneten Werner Lensing und weiterer Abgeord- neter der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Uta Titze-Stecher und weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Ekin Deligötz und weiterer Abgeordneter der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg) und weiterer Abge- ordneter der Fraktion der F.D.P.: Für ei- nen verbesserten Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz (Drucksachen 14/3231, 14/5325) . . . . 16965 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Verbot der Werbung für den Tabakkonsum (Drucksachen 14/3318, 14/6174) . . . . 16965 B Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16965 B Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16968 A Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 16969 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16971 B Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16971 D Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16972 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16973 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . 16973 C Doris Barnett SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16974 B Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . 16974 D Dr. Sabine Bergmann-Pohl CDU/CSU . . . . . 16975 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . 16977 A Tagesordnungspunkt 7: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Recklinghausen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Familienzusammen- führung sachgerecht regeln – EU- Richtlinienvorschlag ablehnen (Drucksachen 14/4529, 14/5808) . . . . 16978 A b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Sechster Familienbericht; Fa- milien ausländischer Herkunft in Deutschland; Leistungen – Belastun- gen – Herausforderungen und Stel- lungnahme der Bundesregierung (Drucksache 14/4357) . . . . . . . . . . . . . 16978 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes (Drucksache 14/5266) . . . . . . . . . . . . . . . 16978 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16978 C Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16980 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16983 B Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16984 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16986 B Christel Riemann-Hanewinckel SPD . . . . . . . 16987 C Thomas Strobl (Heilbronn) CDU/CSU . . . . . 16989 C Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16990 C Marieluise Beck, Beauftragte der Bundesregie- rung für Ausländerfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 16992 A Christa Lörcher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16993 B Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16994 B Tagesordnungspunkt 8: Unterrichtung durch den Wehrbeauftrag- ten: Jahresbericht 2000 (Drucksache 14/5400) . . . . . . . . . . . . . . . 16995 D Dr. Willfried Penner, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . 16995 D Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16998 B Walter Kolbow, Parl. Staatssekretär BMVg 17000 A Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . 17001 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17003 A Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17004 B Gerhard Neumann (Gotha) SPD . . . . . . . . . . 17005 B Hans Raidel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 17006 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001IV Tagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Rainer Funke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stif- tungszivilrechts (Stiftungsrechtsreform- gesetz) (Drucksache 14/5811) . . . . . . . . . . . . . . . 17008 A Tagesordnungspunkt 10: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Lebenslagen in Deutschland – Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (Drucksache 14/5990) . . . . . . . . . . . . . . . 17008 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Dr. Klaus Grehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ziehen (Drucksache 14/6171) . . . . . . . . . . . . . . . 17008 C Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 17008 D Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 17010 C Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 17011 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 17011 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17012 C Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17014 A Rolf Stöckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17015 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 17016 B Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff, Karl Lamers, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Die deutsch-französischen Bezie- hungen neu begründen (Drucksache 14/5959) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Die deutsch-französischen Beziehungen mit Leben erfüllen (Drucksache 14/6167) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 B Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Drucksache 14/6141) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: FairerWettbewerb bei Basel II (Drucksache 14/6049) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Rainer Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Basel II – Belange des Mittelstands wahren (Drucksache 14/6172) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS: Fairer Wettbewerb bei Basel II – Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung und Überarbeitung der Eigenkapital- vorschriften für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (Drucksache 14/6196) . . . . . . . . . . . . . . . 17018 D Tagesordnungspunkt 14: a) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäfts- ordnung: Technikfolgenabschätzung; hier: Monitoring „Risikoabschät- zung und Nachzulassungs-Monito- ring transgener Pflanzen“ (Drucksache 14/5492) . . . . . . . . . . . . 17019 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäfts- ordnung: Technikfolgenabschätzung; hier: Monitoring „Nachwachsende Rohstoffe“ – Einsatz nachwachsen- der Rohstoffe im Baubereich (Drucksachen 14/2949, 14/5574) . . . . 17019 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 V Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zurÄnderung des Gesetzes zurNeure- gelung des Energiewirtschaftsrechts (Drucksache 14/5969) . . . . . . . . . . . . . . . 17019 D Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Norbert Barthle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Errich- tung eines Fonds zur Unterstützung der Doping-Opfer der DDR (Drucksache 14/5674) . . . . . . . . . . . . . . . 17020 A Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 17020 A Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) SPD 17021 C Dr. Klaus Kinkel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 17023 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17024 B Friedhelm Julius Beucher SPD . . . . . . . . . 17025 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17025 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 17027 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsrechtsreformge- setz) (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . 17027 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17027 C Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17028 D Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 17029 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17031 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17032 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17032 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 17033 B Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Unterrichtung: Lebenslagen in Deutsch- land; Der erste Armuts- und Reichtums- bericht der Bundesregierung – Antrag: Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ziehen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17034 B Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 17034 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Die deutsch-französischen Beziehungen neu begründen – Die deutsch-französischen Beziehungen mit Leben erfüllen (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesord- nungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17035 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17035 C Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17036 D Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17038 A Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . . 17038 D Ernst Burgbacher F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 17040 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17041 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 17041 D Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mi- neralölsteuergesetzes (Tagesordnungspunkt 12) 17043 C Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17043 C Heidemarie Wright SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 17044 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17045 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17046 C Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17047 B Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17047 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge – Fairer Wettbewerb bei Basel II – Basel II – Belange des Mittelstandes wahren – Fairer Wettbewerb bei Basel II – Neufas- sung der Basler Eigenkapitalvereinbarung und Überarbeitung der Eigenkapitalvor- schriften für Kreditinstitute und Wert- papierfirmen (Tagesordnungspunkt 13 und Zusatztagesord- nungspunkte 10 und 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17048 B Klaus Lennartz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17048 B Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 17049 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17051 A Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17051 D Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17052 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17053 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001VI Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Berichte zur Technikfolgenabschätzung: – hier: Monitoring „Risikoabschätzung und Nachzulassungs-Monitoring transgener Pflanzen – hier: Monitoring „Nachwachsende Roh- stoffe“ – Einsatz nachwachsender Roh- stoffe im Baubereich (Tagesordnungspunkt 14 a und b) . . . . . . . . . . 17054 B René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17054 B Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . . 17054 D Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 17055 D Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17056 C Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17057 C Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 17057 D Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Gesetzes zur Neuregelung des Ener- giewirtschaftsrechts (Tagesordnungspunkt 16) 17058 D Volker Jung (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . . . . 17058 D Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 17060 B Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17062 A Walter Hirche F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17062 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 17063 C Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 17064 B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Errichtung eines Fonds zur Unter- stützung der Doping-Opfer der DDR (Tages- ordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17065 A Gustav-Adolf Schur PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 17065 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 VII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 Winfried Hermann 17025 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17027 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 31.05.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 31.05.2001* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 31.05.2001** Bläss, Petra PDS 31.05.2001 Dr. Blank, CDU/CSU 31.05.2001** Joseph-Theodor Burchardt, Ursula SPD 31.05.2001 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 31.05.2001 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 31.05.2001 Dr. Friedrich SPD 31.05.2001 (Altenburg), Peter Göllner, Uwe SPD 31.05.2001 Hempelmann, Rolf SPD 31.05.2001 Heubaum, Monika SPD 31.05.2001** Ibrügger, Lothar SPD 31.05.2001** Irmer, Ulrich F.D.P. 31.05.2001** Kahrs, Johannes SPD 31.05.2001 Kasparick, Ulrich SPD 31.05.2001 Klappert, Marianne SPD 31.05.2001 Kutzmutz, Rolf PDS 31.05.2001 Lambrecht, Christine SPD 31.05.2001 Lintner, Eduard CDU/CSU 31.05.2001* Meckel, Markus SPD 31.05.2001** Ostertag, Adolf SPD 31.05.2001 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 31.05.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 31.05.2001 Hans Peter Schöler, Walter SPD 31.05.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 31.05.2001 Reinhard Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 31.05.2001 Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 31.05.2001 Welt, Jochen SPD 31.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 31.05.2001** Zapf, Uta SPD 31.05.2001** Zöller, Wolfgang CDU/CSU 31.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungs- rechtsreformgesetz) (Tagesordnungspunkt 9) Jörg Tauss (SPD): Vor knapp einem Jahr haben wir hier im Deutschen Bundestag die Reform des Stiftungs- steuerrechts beschlossen. Nach jahrelangem Nichtstun auf diesem gesellschaftspolitisch so wichtigen Gebiet des Stiftungsrechtes, nach jahrelangen Diskussionen und Ankündigungen als Regierungspartei, scheint die FDP- Fraktion vor stiftungsrechtlichem Eifer nur so zu sprühen und legt nun im Abstand von wenigen Monaten den 3. Ent- wurf für eine Novellierung des Stiftungsrechts vor. Schon allein die Haltbarkeitsdauer der jeweiligen Entwürfe ist Beleg für die Qualität der jeweiligen Entwürfe. In der Begründung des Gesetzes heißt es: „Nach jahre- langen Diskussionen innerhalb und außerhalb des Parla- ments wurde am 14. Juli 2000 die Reform des Stiftungs- steuerrechts beschlossen. Diese Reform steht bis heute aus.“ Nun, so selbstkritisch hätte man dies seitens der F.D.P.-Fraktion gar nicht erwartet, denn als Koalitions- partner der vorherigen Regierung ist sie für den aufgelau- fenen Reformstau mit verantwortlich, den sie hier an den Pranger stellt. Die rot-grüne Bundesregierung hat bei der Verabschie- dung des Stiftungsrechtsreformgesetzes im vergangenen- Jahr weitere Schritte angekündigt. In meiner Rede bei der Verabschiedung habe ich den Gesetzentwurf der Bundes- regierung als Grundstein einer weitaus umfassenderen Reform bezeichnet. Natürlich muss insbesondere über die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen zur Errichtung ei- ner Stiftung nachgedacht werden. Dies erfolgt auch ge- genwärtig in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Wir wer- den seitens der Koalitionsfraktionen darauf aufbauend Vorschläge hierzu unterbreiten. Aber – und hier unterscheiden wir uns –, lieber Herr Kollege Otto, anders als Ihre Fraktion werden weder die rot-grüne Bundesregierung noch die Koalitionsfraktionen entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht im Abstand von weniger als zwei Jahren drei sich einan- der nahezu ausschließende Gesetzesentwürfe vorlegen, wobei der erste überhaupt nicht als Diskussionsgrundlage angesehen werden kann und die Unausgereiftheit des zweiten nur noch von der Unausgereiftheit des heute zu diskutierenden damit dritten Gesetzentwurfes übertroffen werden konnte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, also eine große deutsche Tageszeitung, die vermutlich nicht unbedingt in dem Verdacht steht, besonders regierungsnah zu sein, hat sich mit diesem stiftungsrechtlichen Findungsprozess der F.D.P. sehr ausführlich befasst. Ohne in den Verdacht par- teipolitischer Vorfestlegung zu kommen, kann ich die „FAZ“ als Kronzeugen für den stiftungsrechtlichen Wirr- warr anrufen, den Sie hier – nun in der Version 3.0 – heute vorlegen. Überschrieben ist der Artikel mit den Worten: „Langer Weg, kurzes Adieu – Die F.D.P. verirrt sich im Stiftungsrecht“. Einen schöneren und zutreffenderen Titel hätte man kaum finden können. Im Januar 1999 hat die F.D.P. einen Entwurf vorgelegt, der zwar laut Pressemitteilung das Stiftungsrecht nicht nur reformieren, sondern revolutionieren sollte, bei den Experten aus Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft le- diglich beißende Kritik erntete. Losgelöst von jeder Rechtstradition sollten Stiftungen ohne jede Genehmi- gung oder Registereintragung durch einfache notarielle Beurkundung entstehen können, eine Vorstellung, die selbst den Notaren unheimlich war. Bewertung der „FAZ“: „Konzeptionslosigkeit und mangelnde Durch- dringung der Stiftungsrechtdogmatik wurde dem Entwurf vorgehalten. Man hatte halt danebengeschossen, aber was sollte es: Hauptsache, das Thema stimmte.“ Im März 2000 legte die F.D.P. einen neuen Entwurf vor. Nunmehr sollten Stiftungen nicht im Wege freier Körperschaftsbildung, sondern durch Eintragung in ein Stiftungsregister entstehen – immerhin ein Fortschritt. Dumm nur, dass die Frage, nach welchen Maßstäben und mit welcher Publizitätswirkung denn ein solches Register geführt werden sollte, aufgeworfen wurde. Vermutlich waren diese Regelungen zu kompliziert. So ließ man diese in der Vorlage des Gesetzentwurfes einfach weg. Dafür kamen andere und vor allem alles andere als li- berale Vorschläge: Ohne Begründung hieß es plötzlich, dass auf Stiftungen, die nicht rechtsfähig sind, die Vor- schriften für rechtsfähige Stiftungen entsprechend An- wendung finden. Vermutlich war es wohl wieder zu kom- pliziert oder aber die Zeit für die Wiedervorlage eines Gesetzentwurfes reichte nicht aus, eine bewährte Diffe- renzierung auch in den rechtlichen Regelungswerken fortzuschreiben. Dieser „FAZ“-Artikel fasst den Unsinn des ach-so-liberalen 2. Stiftungsrecht-Entwurfes wie folgt zusammen: „Das hatte mit Deregulierung des Stiftungs- rechts wenig zu tun. De facto kam es vielmehr einer Ab- schaffung dieser Stiftungen gleich. Immerhin waren sie in der Vergangenheit gerade wegen ihrer großen Gestal- tungsflexibilität und mangelnder staatlicher Gründungs- beteiligung so geschätzt. Erneut schrien die Fachleute auf. Doch Hauptsache, die Schlagzeilen stimmten: Mit der F.D.P. für ein liberales Stiftungsrecht! Was immer das auch heißen mochte.“ Mit der vollmundigen Ankündigung, dass eine Stär- kung der Stiftungen ein modernes Stiftungsrecht voraus- setze, welche die F.D.P. nun schaffen werde, hat die F.D.P. nun ihren heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf im letzten Monat mit großem Getöse der Presse vorge- stellt – sozusagen als dritten Versuch. Die F.D.P. wäre gut beraten gewesen, hätte sie auch auf ihre eigenen Experten gehört und sich doch etwas mehr Zeit genommen, um ihren dritten Anlauf vorzubereiten. Nun werden mit die- sem Gesetzentwurf Stiftungen gesetzlich definiert als „nichtmitgliederschaftlich organisierte juristische Perso- nen, die ein Zweckvermögen verwalten“. So weit, so gut und auch noch nicht wirklich neu. Solche juristischen Per- sonen sollen als „rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Stif- tungen“ errichtet werden können. Fragen wir wie die „FAZ“: „Jeder Jurist fasst sich da an den Kopf: Nicht- rechtsfähige Stiftungen als juristische Personen? Wie soll das gehen?“ Fast scheint es so, dass hierbei die Entwürfe der F.D.P. etwas durcheinandergeraten sind. Ich möchte jedoch das Ordnen der Versionen der F.D.P. überlassen. Sehr geehrte Damen und Herren der F.D.P.-Fraktion, lieber Herr Otto: Die „FAZ“ schlussfolgert in ihrem Bericht über die stif- tungsrechtlichen Irrungen der F.D.P. wie folgt: „Um Pu- blicity geht es, nicht um die Sache.“ Dass man – wenn man sich denn einmal sachlich ori- entieren würde – auch Erfolg haben kann, belegt ein Blick in die heutige „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Dort heißt es, dass das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 26. Juli 2000, das rück- wirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft trat, die Rahmen- bedingungen für Stifter erheblich verbessert und zu einer Vielzahl von neuen Stiftungsgründungen geführt hat. Die „FAZ“ spricht gar von einem Stiftungsboom im Jahr 2001. Doch kommen wir, denn das ist ja das eigentliche Thema heute, zum stiftungsrechtlichen Wirrwarr der F.D.P.-Fraktion zurück. Die „Frankfurter Allgemeine Zei- tung“ beschließt ihren Artikel über die vergeblichen Mühen der F.D.P. im Stiftungsrecht mit der Feststellung, dass sich die F.D.P. mit ihrem dritten Entwurf zu einer Re- form des Stiftungszivilrechts aus der – ich zitiere wörtlich – „ernst zu nehmenden Diskussion endgültig verabschie- det hat. Schade.“ Dieser Feststellung braucht lediglich noch hinzugefügt werden, dass dies leider nicht nur den Bereich des Stif- tungsrechts betrifft. Schade, lieber Herr Kollege Otto. Alfred Hartenbach (SPD): Ziel des vorliegenden Ge- setzentwurfes ist die Stärkung der Stiftungskultur in Deutschland. Dieses Ziel wird von uns ganz ausdrücklich unterstützt. Im letzten Jahr wurden 500 Stiftungen ge- gründet und in diesem Jahr scheint sich diese Zahl noch zu erhöhen. Dies zu fördern und potenzielle Stifter stärker zu unterstützen ist erklärtes Ziel der SPD. Und wir haben schon eine große Anzahl von Maßnahmen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vorgelegt. Ich er- wähne hier nur den ersten Teil der Stiftungsrechtsreform, das neue Stiftungssteuerrecht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117028 (C) (D) (A) (B) An die F.D.P.: Seit dem Regierungswechsel entwickeln Sie plötzlich einen Aktionismus, einen stiftungsrechtli- chen Eifer, obwohl Sie 16 Jahre lang Zeit hatten, das Stif- tungsrecht nach Ihren Vorstellungen zu reformieren. Man könnte es auch Übereifer nennen, da Sie heute Ihren drit- ten Gesetzentwurf zur Novellierung des Stiftungsrechts in dieser Legislaturperiode vorlegen, den dritten unüberleg- ten und konzeptionslosen. Ihren ersten Gesetzentwurf vom Januar 1999 warfen Ihnen die Länder, die Verbände und die Wirtschaft sofort um die Ohren. Der zweite An- lauf im März 2000 endete ebenfalls im Aus. Die Eintra- gung von Stiftungen in ein Stiftungsregister sollte die Lö- sung aller Probleme sein. Allerdings hatten Sie vergessen zu regeln, nach welchen Kriterien und mit welcher Publi- zität die Eintragung erfolgen sollte. Vergessen? Vielleicht nicht vergessen. Vielleicht war es Ihnen einfach zu schwierig und Sie haben es schlicht weggelassen. Doch das Thema war populär und die Liberalen sollten in den Schlagzeilen nicht fehlen. In der Tat ist das Thema Stiftungsrecht kein einfaches. Auch wir wollen bürgerschaftliches Engagement unter- stützen. Wir wollen, dass das Verfahren für Stifter verein- facht und verkürzt wird. Die Arbeitsabläufe müssen verbessert und die Beratung und Anerkennung Stiftungs- williger verstärkt werden. Wenn Verfahren durchschnitt- lich 190 Tage in Anspruch nehmen, ist das zu lang. Die Stiftungsbehörden könnten insbesondere einen schnellen Kontakt zu den Finanzämtern zur Erlangung der Gemein- nützigkeit herstellen. Dies würde Zeit sparen. Doch wir werden uns keine Schnellschüsse leisten, die wie der Ihre auf Publicity und Effekthascherei abzielen. Wir werden das Ergebnis der eingesetzten Bund-Länder- Arbeitsgruppe abwarten, die ihre Ergebnisse im Herbst dieses Jahres vorlegen wird. Im Oktober 2000 wurde mit Verbänden und Einrichtungen der Stiftungspraxis eine Anhörung durchgeführt. Im September dieses Jahres wird eine Anhörung von Sachverständigen insbesondere aus der Wirtschaft erfolgen. Danach wird die Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht vorlegen und erst dann werden wir die notwendigen Regelungen in einer sauberen Art und Weise erarbeiten. Dass Sie dazu nicht in der Lage sind, ha- ben Sie mit Ihrem dritten und hoffentlich letzten Versuch gezeigt. Sie wollen eine grundlegende Reform des Stiftungs- rechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Obwohl Sie an ande- rer Stelle – der Schuldrechtsmodernisierung – das BGB als nicht anzurührendes Denkmal beschwören, wollen Sie hier eine völlige Neuregelung der Vorschriften. Sie neh- men nicht zur Kenntnis, dass das geltende Stiftungsrecht des BGB und die Stiftungsrechtspraxis funktioniert und auch die überwiegende Mehrheit der Verbände eine solch umfassende bundesgesetzliche Regelung des Stiftungs- rechts für nicht geboten hält. Dies hat auch die Anhörung im Oktober 2000 ergeben. Es geht also vielmehr um punk- tuelle Verbesserungen. Die von Ihnen vorgeschlagenen Regelungen verbessern aber das Stiftungsrecht nicht ein- mal punktuell. Nach Ihrem Entwurf werden Stiftungen gesetzlich als „nicht mitgliedschaftlich organisierte juristische Perso- nen, die ein Zweckvermögen verwalten“, definiert. Die Definition als solche ist nicht neu. Nur lassen Sie der De- finition den Satz folgen, dass eine Stiftung als nicht rechtsfähige und als rechtsfähige Stiftung errichtet wer- den kann. Was stellen Sie sich unter einer nicht rechts- fähigen Stiftung als juristische Person vor? Die Schwie- rigkeiten, die sich bei einer gesetzlichen Definition der Stiftung ergeben, wurden schon in der Oktober-Anhörung dargelegt und teilweise wurde davor gewarnt, ein eigenes Rechtsinstitut im Gesetz zu schaffen. Sie schlagen weiterhin vor, dass nicht nur eine, sondern auch mehrere Personen eine Stiftung gründen können, und möchten das gern unter dem Schlagwort „Bürgerstif- tung“ verkaufen. Wie revolutionär! Dass diese Revolution schon am 1. Januar 1900 erfolgt ist, nämlich mit der Ein- führung des BGB, scheint Ihnen entgangen zu sein. In Ihrem Problemaufriss zum Gesetzentwurf heißt es, dass „staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ehema- lige Stiftungsmanager, denen rechtswidriges Verhalten im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit vorgeworfen wird, ge- eignet sind, den guten Ruf der Stiftungen in Deutschland zu beschädigen“. Soll das etwa heißen, dass die Tätigkeit für eine Stiftung strafbefreiend wirkt? Über diesen Satz sollten Sie noch einmal nachdenken. Aber nicht alles ist schlecht an Ihrem Entwurf. So halte ich zum Beispiel die von Ihnen vorgeschlagene Rechen- schaftspflicht für überlegenswert. Ich lade Sie deshalb ein, mit uns gemeinsam an der Verbesserung des materi- ellen Stiftungsrechts zu arbeiten und für eine Stärkung der Bürgergesellschaft einzutreten. Ihr Entwurf ist nicht der Weisheit letzter Schluss, ... ein erneuter lebender Flop. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Es ist zu begrüßen, dass mit dem Gesetzentwurf der Freien Demokraten konkrete Vorschläge für die Reform des Stiftungsrechts auf dem Tisch liegen, nachdem mehrfache Ansätze vergeblich waren. Dieser Entwurf hat eine Reihe von Anregungen der CDU/CSU aufgenommen. Durch diesen Gesetzentwurf wird auch die Bundesregierung daran erinnert, dass hier etwas geschehen soll. Besonders beeindruckend und zu begrüßen ist, dass in 10 Para- graphen des BGB knapp, übersichtlich und rechtlich fundiert das über 100 Jahre alte Stiftungsrecht den mo- dernen Bedürfnissen angepasst wird. Richtig ist, dass es kein eigenes Stiftungsgesetz gibt, sondern dass die Vorschriften dort im BGB bleiben, wo sie schon immer waren und aus rechtlicher Nähe zum Vereinsrecht auch hingehören. Wenn bei dem Entwurf die eine oder andere Frage noch geklärt werden muss, so ist das vom Grund- satz her unbeachtlich, denn dies wird in den Beratungen geschehen. Nach diesem Gesetzentwurf werden Stiftungen nichts Geheimes mehr sein, sie werden auch nicht von der Laune oder von dem Verständnis eines Beamten abhängen, der die Genehmigung erteilt oder nicht. Stiftungen sind zu genehmigen, wie wir es auch immer gefordert haben, wenn sie den Gesetzen nicht widersprechen. Das ist die Umkehrung: Was zählt, ist nicht die hoheitliche Genehmigung, sondern der Anspruch auf Eintragung. Sie haben ab einer gewissen Größe – ob bei 250 000 Euro, wie vorgeschlagen, ist noch zu diskutieren – entsprechend den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17029 (C) (D) (A) (B) handelsgesetzlichen Vorschriften zu bilanzieren. Die Stiftungen werden dadurch transparent sein und damit wird Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, wie die Be- gründung es richtig ausdrückt, steigen. In Deutschland ist das Stiftungsgeschäft noch immer mit einem Fragezeichen versehen, auch wenn die steuer- rechtlichen Voraussetzungen bereits verbessert wurden. Mancher Bürger glaubt, mit einem Stiftungsgeschäft ließen sich „Geschäfte“ machen und insbesondere Steuern sparen. Das ist nur bedingt richtig. Erst muss man Geld verdienen, damit man es stiften kann. Um ein sim- ples Beispiel zu nennen: Wenn der Stifter 10 000 DM stiften will, muss er diese erst verdient haben. Beim un- terstellten Steuersatz um 50 Prozent muss er für diese ges- tifteten 10 000 DM keine 5 000 DM Steuern zahlen. Noch simpler ausgedrückt: Wenn der Stifter die 10 000 DM nicht gestiftet hätte, dann hätte er in seiner Geldbörse nicht 10 000 DM mehr, aber immerhin 5 000 DM mehr. Dies wird oft übersehen, wenn Stiftungen durchgeführt werden, weil oft nur die 5 000 DM Steuerersparnis gese- hen werden, aber nicht das Hergeben von 5 000 DM für den Stiftungszweck. Ohne auf die steuerrechtlichen Einzelheiten einzugehen, können im Grundsatz bis zu 40 000 DM jährlich gestiftet werden. Ganz wichtig ist, dass die Stiftungen in Zukunft un- kompliziert errichtet werden können und dass dies in einem Rechtsakt geschieht. Ich erinnere an Hürden, die in anderen Gesetzen vorgesehen waren, auch an frühere ir- rige F.D.P.-Überlegungen. Dazu hat sich der Kollege Rawert vor Wochen in der „FAZ“ polemisch ausgelassen. Wer nur den ersten Absatz seiner Ausführungen gelesen hat, meint, dass entsprechend dem F.D.P-Entwurf der no- tarielle Rechtsakt für eine Stiftung immer noch notwendig sei. Wenn es auch keine Genehmigung im bisherigen Sinne geben soll, so ist durch die Eintragungsvorausset- zungen zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung eine gewisse Kontrolle da, die gegebenenfalls unüberlegte Stiftungen oder auch Stiftungen, die den Gesetzen wider- sprechen, verhindern kann. Es entzieht sich derzeit noch meiner Kenntnis, warum die Freien Demokraten in ihrem Entwurf eine nicht rechtsfähige Stiftung ermöglichen wollen. Dazu besteht meines Erachtens kein Anlass und es widerspricht auch der Absicht, Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Überflüssig, weil sein 100 Jahren möglich, aber als Hinweis nützlich ist, dass Stiftungen auch durch mehrere Personen, gegebenenfalls auch durch juristische Perso- nen, errichtet werden können. Das Schlagwort Bürger- stiftung steckt dahinter; aber es muss deutlich gemacht werden, dass es keine Stiftungsmitglieder gibt, sondern höchstens berechtigte Destinatäre und dass mehrere Bürger, die eine Stiftung errichten, keine Einzelberechti- gungen haben. Klargestellt ist im Entwurf, dass nicht nur gemein- nützige Stiftungen errichtet werden können, sondern auch Stiftungen zu jedem Zweck; die Familienstiftung ist aus- drücklich aufgeführt. Zur Klarheit müssten – das sollte auch für bestehende Stiftungen mit einer Übergangsfrist gelten – die Stiftungstitel präzisiert werden, zum Beispiel Familienstiftung, Unternehmensstiftung um sie klar von den gemeinnützigen Stiftungen zu unterscheiden. Stifter müssen dabei aber beachten, dass sie steuerrechtlich weniger oder nicht begünstig werden. So können Erben und Erbeserben auf Dauer der Zugriff auf das Vermögen verwehrt bleiben und auf die Erträge beschränkt werden. Dabei ist zu beachten, dass in solchen Stiftungen unter Umständen die erbschaftssteuerliche Erfassung alle 30 Jahre erfolgt. Der Entwurf sollte auch die Zustimmung der Länder finden können, weil klargestellt ist, dass die Länder wie bisher individuell die Stiftungshoheit haben und dass sie Behören und Gremien bestimmen können, die die Rechts- fähigkeit der Stiftung sozusagen durch Eintragung fest- stellen. Stiftungsgesetze der Länder, die in ausreichendem Umfang existieren, sollten wie bisher die BGB-Bestim- mung als Rahmen nutzen können, um eigene Vorstellun- gen zu verwirklichen, weil es gerade bei Stiftungen zwar ein rechtlich einheitliches Korsett, aber keinen Einheits- brei bei der Ausfüllung geben darf. Ich hoffe, dass damit auch die immer wieder herumgeisternden Stiftungskam- mern, die einen unnötigen bürokratischen Aufwand verur- sachen, vom Tisch sind. Wir leiden schon jetzt an den Kammersystemen, die oft als Staat im Staate auftreten und manchmal reine Selbst- befriedigungsbehörden darstellen. Ich habe bei einer Be- ratung im letzten Jahr gesagt: Ich bin nur dann für Stiftungskammern, wenn ich deren erster Präsident werde. – Scherz beiseite, wir sollten keine neuen Gremien fordern und wir sollten den Ländern ihre zum Teil her- vorragend funktionierende Praxis belassen. In Baden- Württemberg sind die Regierungspräsidien zuständig. Das hat sich bewährt, weil eine quasi staatliche Kontrolle sinnvoll ist, wenn sie schnell, zweckmäßig und an der Sache orientiert ist. Da, wo sich bei einzelnen Bundesländern Mängel bei der Verwirklichung gezeigt haben – es soll so genannte Verhinderungsbehörden bei Genehmigungen von Stiftun- gen geben –, ist es Aufgabe der Landtage, für Ordnung zu sorgen und gegebenenfalls die Kompetenzen an andere Behörden zu übertragen, um Stifter durch schikanöse Be- handlung nicht im Vorfeld abzuschrecken. Stiftungen selbst können naturgemäß nur dann funk- tionieren, wenn auch die steuerliche Begleitung, sprich: die Entlastung des Stifters, damit einhergehen. Auch da sollten klare und verständliche Vorgaben Wegbereiter für den Stiftungswillen sein, wobei die derzeitigen Grenzen nur Ansatz und Anfang sein können. Wir alle wollen, dass private Stiftungen bei Kunst, Kultur, bei sozialer Notwendigkeit der Jugendpflege, bei der Altenpflege, aber auch bei der Integration von Ausländern oder Ge- strauchelten Aufgaben wahrnehmen, die der Staat nicht mehr wahrnehmen kann oder nicht wahrnehmen soll. So werden schon jetzt Stiftungsprofessuren übernommen und Theatern, Opern – Beispiel Deutsche Oper Unter den Linden – oder Freilichttheatern wird das Überleben nur durch Stiftungen ermöglicht. Durch die Veröffentlichung entsprechend den handels- gesetzlichen Vorschriften ist in einem gewissen Umfang eine Kontrolle gegeben, damit mit den Stiftungsgeldern nicht manipuliert wird. Wenn schon die steuerrechtliche Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117030 (C) (D) (A) (B) privilegierte Stiftung sozusagen mit öffentlichen oder halböffentlichen Geldern wirtschaftet, dann sind Sinn und Zweck der Stiftung klar auszudrücken und zuweilen ist der Geldfluss zu überprüfen. So dürfen gemeinnützige Stiftungen nicht zu lukrativen Posten von abgeschobenen Vorständen oder Aufsichtsratsmitgliedern von Firmen missbraucht werden. Privaten Interessen oder Hobbys der Stifter kann nicht steuervergünstigt nachgegangen wer- den. Andererseits darf es aber auch nicht sein, dass der Stifterwille durch steuerrechtliche oder sonstige Vor- schriften so eingeschränkt wird, dass er verfälscht wird, weil ein zuständiger Beamter einen anderen Kunst- geschmack oder eine andere Vorstellung von sozialer Un- terstützung hat. Hier gilt das Primat des Stifterwillens bei weiter Auslegung der steuerlichen Kriterien. Vernünftig ist auch, dass die neuen §§ 80 bis 88 BGB mit einer Übergangsfrist für die derzeit bestehenden rechtsfähigen Stiftungen gelten, damit in kurzer Zeit ein einheitliches Stiftungsrecht besteht. Wir sollten diesen Gesetzentwurf zügig beraten, mit einigen Verbesserungen verabschieden und dann ebenso zügig den zweiten Teil, die steuerrechtlichen Begleitgesetze entsprechend den Vorschlägen der CDU/CSU, auf den Tisch legen und ebenfalls verabschieden. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Verlaub, liebe Kollegen von der F.D.P., aber über Ihren neuesten Entwurf zur Reform des Stiftungsrechts kann ich nur den Kopf schütteln! Es reicht nicht, sich in Einleitung und Begründung des Entwurfs über die man- gelnden Qualitäten des derzeitigen Stiftungsrechts und die große Gefahr des Missbrauchs von Stiftungen zu be- schweren. Ein Gesetzentwurf verlangt auch eine entspre- chend gute Lösung. Ihr Entwurf bringt keine Lösung, im Gegenteil: Er wirft neue Probleme auf. Nach Ihren Vor- stellungen würde das Stiftungsrecht nicht einfacher, nicht transparenter und ganz sicher nicht missbrauchsfester. Aber sehen wir uns die Vorschläge im Einzelnen an: Erstens. Stiftungszweck: In dem Entwurf ist jeder rechtmäßige Zweck zur Gründung einer Stiftung erlaubt. Wie soll aber ein Missbrauch verhindert werden, wenn es zum Beispiel weiterhin möglich ist, eine Stiftung allein zum Erhalt eines Unternehmens zu gründen? Diese Art von Stiftung, die einem Unternehmen verbunden ist, des- sen Einnahmen nicht zur Erfüllung des Stiftungszwecks dienen, ist doch gerade diejenige Form von Stiftung, die diese Organisationsform in Verruf bringt, wie es im Vor- wort so ernsthaft angemahnt wird. Echte Stiftungen, wie sie beispielsweise im Entwurf von Bündnis 90/Die Grü- nen von 1997 geregelt sind, zeichnen sich durch ihre Pri- vilegien in der Besteuerung aus. Warum sollten die oben genannte spezielle Form der unternehmensverbundenen Stiftung oder die Stiftung, die ausschließlich dem Unter- halt eines bestimmten Nutznießerkreises gewidmet sind, steuerlich begünstigt werden? In der Begründung heißt es, dass nun ausdrücklich auch die Stiftungen mit mehreren Stiftern – Bürgerstif- tungen also – möglich sind. Dies ist aber schon seit In- Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuches möglich. Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stif- tungen, das letztes Jahr unter erheblicher Beteiligung der Grünen in Kraft getreten ist, hat allerdings die Bürgerstif- tung durch die Neuregelung des Sonderausgabenabzugs erst wirklich möglich gemacht. Zweitens. Der Gesetzentwurf ist in Teilen selbst für ei- nen Laien überaus unpräzise: Erst wird die Stiftung als nicht mitgliedschaftlich organisierte juristische Personen definiert; dann heißt es, solche juristischen Personen kön- nen als rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Stiftungen er- richtet werden. Allerdings gibt es keine nicht rechtsfähi- gen juristischen Personen. Zur Entstehung einer Stiftung genügt nach diesem Entwurf die Registrierung. Dass dazu auch noch ein Stiftungsgeschäft notwendig ist, bleibt ganz unerwähnt. Drittens. Zwar spricht der Entwurf von der notwendi- gen Eintragung in ein Stiftungsregister; aber detaillierte Angaben zur Einrichtung eines solchen Registers lassen sich nicht finden. Die angekündigte Verhinderung von Missbrauch, die gerade durch eine sinnvolle Regelung im Zusammenhang mit dem Registereintrag entscheidend beeinflusst werden könnte, wird hier vollständig vernach- lässigt. Viertens. Die hemmenden bürokratischen Strukturen der derzeitigen Regelungen im Stiftungsrecht, die in der unzureichenden Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Uneinheitlichkeit der Behandlung der Stifter in den Ländern zu suchen sind, werden durch diesen Ent- wurf der F.D.P. nicht aufgelöst, sondern nur durch andere ersetzt. Auf der anderen Seite nimmt der vorliegende Entwurf viele Punkte des bündnisgrünen Entwurfs von 1997 auf, setzt sie aber nur unzureichend um. Nach unserer Vorstel- lung geht es doch bei einer zivilrechtlichen Stiftungsre- form um Folgendes: Erstens. Einfachheit: Dabei kann es sich nicht simpel um die Formel „alles sei erlaubt“ handeln, wie in dem vor- liegenden Entwurf der F.D.P. Stattdessen muss man sich der bestehenden Unübersichtlichkeit und Uneinheitlich- keit der Gepflogenheiten bei der Stiftungserrichtung an- nehmen und diese neu regeln. Zweitens. Transparenz: Es ist doch kein Fortschritt in Richtung Transparenz, noch mehr Arten von Stiftungen zu genehmigen und davon nur bestimmten die Pflicht der Rechnungslegung aufzuerlegen. Transparenz kann nur durch ein bundeseinheitliches Stiftungsregister mit ein- heitlichen Angaben und einer allgemeingültigen Rege- lung zur Rechnungslegung sein. Drittens. Verhinderung von Missbrauch: Jetzt muss einmal klar festgelegt werden, welche Organisationsform den Namen Stiftung verdient und welche nicht. Der Miss- brauch ist dort anzutreffen, wo nicht das im weitesten Sinne gemeinnützige Anliegen, sondern schnöde Steuer- ersparnis den Stiftungszweck darstellt. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Was gegenüber unseren Vorschlägen neu an ihm ist, ist unvollständig, in- konsequent und stellt das Stiftungsrecht – ganz anders als es im Vorwort heißt – eben nicht auf eine „neue qua- litative und quantitative Stufe“. Da haben wir schon Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17031 (C) (D) (A) (B) bedeutend bessere Vorschläge gemacht. Ich bin dafür, dass wir uns ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen, wie es die Regierungskoalition jetzt schon tut, damit wir nicht einen derart ungaren Vorschlag akzeptieren müssen, der nur dazu führt, dass wir in einem halben Jahr alles wieder neu regeln müssen. Rainer Funke (F.D.P.): Vor bald einem Jahr, am 14. Juli 2000, wurde in diesem Hause die Reform des Stif- tungssteuerrechts beschlossen. Mithilfe der B-Länder im Bundesrat ist – das gebe ich gerne zu – ein respektables Ergebnis herausgekommen, auch wenn einige steuerrecht- liche Probleme – zum Beispiel die Zulässigkeit des so ge- nannten „Endowments“ – weiter ihrer Lösung harren. Mit der Änderung des Stiftungssteuerrechts wurde aber nur die eine Hälfte der notwendigen Reform des Stif- tungsrechts umgesetzt. Seit einem Jahr warten wir nun auf den zweiten Teil der Reform. Die Diskussionen um die- sen zweiten Schritt sind in der Zwischenzeit zum Erliegen gekommen; das Thema ist von der politischen Bildfläche verschwunden und dies, obwohl bei Parteien und Verbän- den Übereinstimmung darüber herrscht, dass die Novel- lierung von Stiftungssteuerrecht und Stiftungszivilrecht zwei komplementäre Elemente eines Reformvorhabens sind und dass dem vollzogenen ersten Schritt nun der zweite folgen muss. Bereits im Dezember vergangenen Jahres haben wir die Bundesregierung ohne befriedigende Antwort nach den Gründen für die Aufschiebung der Novellierung des Stiftungszivilrechts gefragt. Was ist aus der vom BMJ ein- gesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe geworden? Wo bleiben die Ergebnisse? Die F.D.P. findet: Es ist genug Zeit verstrichen. Wir legen Ihnen deshalb heute einen Vorschlag für ein neues Stiftungszivilrecht vor, der vor allem eines will: Die Errichtung von Stiftungen vereinfachen und die Transpa- renz der Stiftungsarbeit erhöhen. Es geht aber auch noch um anderes: Die Liberalen wol- len die öffentliche Diskussion über die Reform des Stif- tungszivilrechts wieder in Gang setzen. Deutschland braucht ein Stiftungsrecht, das zum Stiften anregt und nicht durch zu viele bürokratische Hürden abstößt. Dieje- nigen, die sich bereits entschlossen haben, Stifter zu wer- den, muss eine deregulierte Stiftungsaufsicht effizienter unterstützen. Nun hat unser Entwurf in der Öffentlichkeit bereits vereinzelt negative Reaktionen ausgelöst. Ich sage hier nur so viel dazu: Wir haben auch jede Menge Zustimmung erfahren. Wenn der deutsche Kulturrat, der Bundesver- band der Deutschen Stiftungen und das Maecenata-Insti- tut unsere Initiative unterstützen, so kann die F.D.P. mit parteipolitisch instrumentalisierten Missmutsäußerungen leben. Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen: Dass der F.D.P.-Gesetzentwurf so nicht Gesetz wird, ist uns klar. Gesetzgebungsverfahren haben es so an sich, dass in ihrem Verlauf noch vieles geändert oder ergänzt wird. Das haben Sie, meine Damen und Herren von den Regie- rungskoalitionen, gerade mit ihrem eigenen Gesetzent- wurf zu einer weiteren Förderung des Stiftungsteuerrechts im vergangenen Jahr in eindrucksvoller Weise selbst er- lebt. Betrachten Sie unseren Vorschlag daher als Grundlage für eine fraktionsübergreifende Lösung! Lassen Sie uns über den richtigen Weg und die richtigen Mittel streiten! Denn das Thema ist viel zu wichtig, als das es in partei- politischen Grabenkämpfen ausgefochten und zerredet werden sollte. Niemand wird sich zum Stiften animiert führen, wenn er den Eindruck gewinnt, selbst die Fraktio- nen des Deutschen Bundestages können sich nicht auf ei- nen vernünftigen Entwurf einigen. Heinrich Fink (PDS): Die PDS unterstützt das Anlie- gen der F.D.P., mit ihrem Gesetzentwurf nun endlich auch bei der Reformierung der zivilrechtlichen Rahmenbedin- gungen des Stiftungswesens ein zügigeres Tempo vorzu- legen. Allerdings war mit der Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe abzusehen, dass greifbare Ergebnisse nicht so schnell auf dem Tisch liegen würden. Noch bedenklicher ist allerdings, dass für die Bundes- regierung die Notwendigkeit von Änderungen der zivil- rechtlichen Rahmenbedingungen offenbar noch keines- wegs feststeht. Denn laut einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage der F.D.P. – Bundestagsdrucksa- che 14/5055 – will sie nur „gegebenenfalls“ in dieser Sa- che initiativ werden. Dieser Vorbehalt steht meines Er- achtens im eklatanten Widerspruch zur eindeutigen Tendenz in der bisherigen Debatte, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Parlaments. Alle Parteien, einschließ- lich die Regierungskoalition, waren sich einig, dass neue zivilrechtliche Rahmenbedingungen unerlässlich sind. Beim erreichten Stand der Debatte kann es sich also nur um die Frage handeln, welche Veränderungen am zweck- mäßigsten sind, nicht aber, ob Veränderungen überhaupt nötig sind. Die PDS erwartet also nicht „gegebenenfalls“, sondern auf jeden Fall eine Gesetzesinitiative der Bundesregie- rung zu einer Reform des Stiftungszivilrechts. Die große Mehrheit meiner Fraktion hatte den erweiterten steuerli- chen Begünstigungen für Stifter und Stiftungen nur im Vertrauen darauf zugestimmt, dass diese Vergünstigungen durch entsprechende zivilgesetzliche Regelungen eine stärkere zivilgesellschaftliche und demokratische Grund- lage erhalten. Bei diesen Regelungen muss es aus meiner Sicht da- rum gehen das Stiftungswesen von bürokratischen Hem- mnissen zu befreien und ihm wesentlich mehr Rechtssi- cherheit, Transparenz und Öffentlichkeit zu verleihen, als das jetzt der Fall ist. Die zivilrechtlichen Rahmenbedin- gungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie neben der steuerlichen Stimulierung einen eigenständigen Motivati- onsschub für potenzielle Stifter auslösen. Schließlich will ich nicht verhehlen, dass wir von den zukünftigen Rege- lungen auch einen wirksamen Schutz vor Missbrauch des Stiftungsrechts für privatnützige oder wirtschaftliche In- teressen erwarten. Der vorliegende Gesetzentwurf der F.D.P. ist geeignet, in diese Richtung zu wirken. Dies erreicht er nicht zuletzt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117032 (C) (D) (A) (B) dadurch, dass er im Vergleich zum Gesetzentwurf von 1999 wichtige Elemente der seitherigen Debatte aufge- griffen hat, die auch von der PDS nachdrücklich unter- stützt wurden. Dazu gehören vor allem die Eintragung in das Stif- tungsregister als Voraussetzung für die Entstehung der Rechtsfähigkeit einer Stiftung und – unter bestimmten Voraussetzungen – die Erstellung von Jahreabschlüssen. Wie ich den Umstand zu interpretieren habe, dass im Artikel zum Stiftungszweck das Recht von Stiftungen, Unternehmen zu betreiben oder sich an Unternehmen zu beteiligen, nun nicht mehr erscheint, weiß ich noch nicht so recht. Aber ich denke, hier wird mich Herr Otto in be- währter kollegialer Weise im Ausschuss aufklären. Mir je- denfalls wäre es sehr sympathisch, wenn solcherart unter- nehmensverbundene Stiftungen außen vor blieben. In einigen Punkten befriedigt der vorliegende Entwurf allerdings nicht. Auf zwei Elemente will ich kurz hinwei- sen: Nach wie vor halte ich es für eine gute Idee, den Be- griff der „Stiftung“ ausschließlich für die steuerbegüns- tigte gemeinnützige Stiftung zu reservieren und sie so von den verschiedenen Formen von Privatstiftungen abzu- grenzen. Dies würde die Akzeptanz dieser Institution in der Bevölkerung deutlich erhöhen. Meines Erachtens ist ein Jahresabschluss nach den Vor- schriften des Handelsgesetzbuches nicht ausreichend, um der Forderung nach größtmöglicher Transparenz und Öf- fentlichkeit hinreichend Rechnung zu tragen. Wichtig ist doch vor allem ein jährlicher Finanz- und Tätigkeitsbe- richt, der für die betroffene und interessierte Öffentlich- keit übersichtlich, verständlich und zugänglich ist. Ich sehe auch nicht ein, warum eine solche öffentliche Re- chenschaft erst bei Einnahmen oder Ausgaben von über 250 000 Euro beginnen soll. Schließlich will ich angesichts des vorliegenden Ge- setzentwurfes nachdrücklich daran erinnern, dass in eine umfassende Reform des Stiftungswesens auch das ge- samte Gemeinnützigkeitsrecht einbezogen werden muss. Von den vielen Aspekten, die dabei zu berücksichtigen sind, will ich nur einen hervorheben: In einen zukünftigen Katalog von gemeinnützigen Zwecken müssten auch sol- che Zwecke aufgenommen werden wie Überwindung der Arbeitslosigkeit, Gewährleistung von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern, die Durchsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in allen gesellschaftlichen Be- reichen sowie Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, mi- litärische Gewalt nicht mehr als Mittel innerer und äuße- rer Politik zuzulassen. Eine solche Ausdehnung der Tätigkeitsfelder würde die Stiftungen noch stärker in der Gesellschaft verankern und ihnen zu noch größerer Wirksamkeit verhelfen. Das ist ja wohl das hauptsächliche Ziel der von uns allen an- gestrebten Reform. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Die F.D.P. beabsichtigt, „die Stiftungskultur in Deutschland auf eine neue Stufe der Qualität und Quantität zu heben“ – so die Drucksache. Dieses Anliegen kann ich unterstützen. Die Stiftungs- kultur in Deutschland bedarf der Förderung. Aber die Um- setzung dieses Anliegens im vorliegenden Gesetzentwurf verdient keinerlei Unterstützung. Der Gesetzentwurf bie- tet nichts, um der Stiftungskultur tatsächlich Impulse zu verleihen. Zur Erinnerung: Die Mehrheit des Hauses hat die steuerlichen Voraussetzungen für die Stiftungen be- reits verbessert. Nun sind wir dabei, auf einer soliden Grundlage zu prüfen, ob auch im Bereich des materiellen Stiftungsrechts Reformbedarf besteht. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Für das Stiftungs- wesen können wir nur dann etwas bewirken, wenn die Diskussion auf eine sachliche Grundlage gestellt wird. Weder schlagwortartige Pauschalurteile noch Aktionis- mus bringen in der Sache einen Nutzen. Eher schadet es dem Stiftungswesen, wenn wir uns nicht ernsthaft mit den anstehenden rechtlichen und ordnungspolitischen Fragen auseinander setzen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, die seit Juni vergangenen Jahres unter Leitung des Bundes- ministeriums der Justiz alle diese Fragen rechtstatsächlich untersucht und aufbereitet und den Sachverstand von Ver- bänden und Einrichtungen der Stiftungspraxis sowie von Sachverständigen in ihre Arbeit einfließen lässt, wird bald ihren Abschlussbericht vorlegen. Damit wird eine Basis für sinnvolle gesetzgeberische Überlegungen geschaffen. Ich will einige Punkte aus dem F.D.P.-Entwurf heraus- greifen: Er sieht beispielsweise vor, dass Stiftungen künf- tig nicht durch Genehmigung, sondern durch Eintragung in ein Stiftungsregister Rechtsfähigkeit erlangen sollen. Das „umständliche Genehmigungsverfahren“ müsse ab- geschafft werden. Bei genauer Betrachtung fällt jedoch sofort auf: In einem Registrierungsverfahren müssten die gleichen Voraussetzungen für eine Stiftungserrichtung wie im Genehmigungsverfahren geprüft werden. Ich verweise auf § 82 BGB des Gesetzentwurfs. Dort werden die Anforderungen an eine Stiftungssatzung zwin- gend vorgegeben. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist die Stiftung durch die Behörde in das Stiftungs- register einzutragen, um mit diesem hoheitlichen Akt Rechtspersönlichkeit zu erlangen. Die in Ihrem Entwurf genannten Anforderungen an eine Stiftungssatzung sind die gleichen, die in den Landesgesetzen fast einheitlich bereits geltendes Recht für die Satzungsanforderungen und damit auch für die Genehmigung sind. Wo soll der Vorteil des Entwurfs liegen? In § 81 BGB wird vorgeschlagen, dass eine Stiftung zu jedem rechtmäßigen Zweck errichtet werden darf. Das ist bereits geltende Rechtslage. In § 84 BGB des Gesetzent- wurfs schlagen Sie vor, dass rechtsfähige Stiftungen der Rechtsaufsicht unterstehen. Auch das ist bereits beste- hende Rechtslage. Niemand beabsichtigt, daran zu rüt- teln. Für Stiftungen, deren jährliche Einnahmen oder Aus- gaben 250 000 Euro übersteigen, wird in § 86 BGB die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses vorge- schlagen. Das ist zunächst einmal keine Vereinfachung des Stiftungsrechts, sondern belastet Stiftungen mit einer weiteren Pflicht. Ich stimme dem Anliegen des Gesetz- entwurfes aber insoweit zu, dass es durchaus sinnvoll ist, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17033 (C) (D) (A) (B) zur Rechnungslegungspublizität weitere Überlegungen anzustellen. Eine Insellösung ist jedoch abzulehnen. In einem Kommentar zum heute vorliegenden F.D.P.- Gesetzentwurf in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 24. April 2001 hat Professor Rawert, der wahrlich nicht als Verteidiger des geltenden Stiftungszivilrechts gilt, der F.D.P. bedauernd bescheinigt, dass sie sich mit diesem Entwurf „aus der ernst zu nehmenden Diskussion endgültig verschiedet“ habe. Gleichwohl lade ich Sie wie auch die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktio- nen ein, auf der Grundlage des Abschlussberichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe darüber zu sprechen, welche gesetzlichen Regelungen und Änderungen erforderlich sind, um dem Stiftungsalltag zu nutzen und dem Stif- tungswesen tatsächlich Impulse zu geben, was durch ge- eignete Verwaltungsmaßnahmen verbessert werden kann. Der vorliegende Gesetzentwurf der F.D.P. leistet jeden- falls dazu keinen geeigneten Beitrag und kann deshalb keine Zustimmung finden. Meines Erachtens muss das Ziel all unserer Überle- gungen sein, Menschen zur Errichtung von Stiftungen zu ermuntern. Das können Maßnahmen sein, die bürokrati- sche Abläufe vereinfachen. Das kann mehr Beratung be- deuten, möglicherweise auch eine entsprechende Ver- pflichtung der Behörden. Auch das Zusammenwirken der Behörden, wie zwischen Aufsichts- und Finanzverwal- tung, kann verbessert werden. Insgesamt wollen wir dahin gehend eine Klimaände- rung bewirken, dass Stiftungswillige nicht als Belästi- gung, sondern als willkommene Unterstützer des Ge- meinwohls behandelt werden. Bürgerengagement bedarf dort der Unterstützung durch die staatlichen Institutionen, wo es sich im allgemeinen Interesse entfaltet. Aus der Sicht der Bundesregierung bedarf es keiner grundsätzli- chen Umwälzung des materiellen Stiftungsrechts, mag es auch in Einzelfragen Diskussionsbedarf geben. Insgesamt muss es mehr Service geben. Die Bundesregierung ist zu einer vorurteilsfreien, konstruktiven Diskussion bereit. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Unterrichtung: Lebenslagen in Deutschland; Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes- regierung – Antrag: Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht ziehen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 8) Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Nun liegt er uns also vor, der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundes- regierung. Nach der ersten Lektüre habe ich spontan über- legt, ob ich nicht meine alte Rede, die ich zur Einführung der Armuts- und Reichtumsberichterstattung gehalten habe, nochmals vortrage. Sie wäre immer noch aktuell. Wirklich Neues ist nicht zutage getreten. Es fängt bei der Definition der Armut an. Selbst die Autoren dieses Be- richts können sich nicht auf eine Definition einigen, was denn nun arm ist. Ist es derjenige, der weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens verdient? Das wäre die wissenschaftliche Definition. Dann wären die jetzt Ar- men aber immer noch arm, selbst wenn auf einen Schlag jeder das Doppelte bekäme. Oder ist derjenige arm, der So- zialhilfe bezieht? Hier sagt der Bericht – völlig zu Recht –, dass Sozialhilfebezug fälschlicherweise mit Armut gleich- gesetzt wird. Wir wussten bereits vor dem Bericht, dass es für Fami- lien mit Kindern in unteren Einkommensregionen sehr schwer ist, mit dem Familieneinkommen zurechtzukom- men. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregie- rung zuletzt auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Das Gleiche betrifft allein erziehende Frauen. Um dies festzustellen, brauchte es diesen Bericht nicht, der ja die Grundlage für Entscheidungen sein soll. Sie haben ledig- lich Ressourcen und Zeit verschwendet. Auch die Erkenntnis, dass ein höheres Bildungsniveau tendenziell in der Lage ist, vor Armut zu schützen, brauchte ich mir nicht erst aus dem Bericht zu erlesen. Sie liegt auf der Hand. Aber wenn dieser Bericht der Bil- dungsministerin – laut Organisationsplan der Bundesre- gierung gibt es sie, glaube ich, noch – auf die Sprünge hilft, soll es mir recht sein. Ich bin allerdings der Ansicht, dass man an die Reform unseres Bildungswesens schon lange hätte herangehen können. Wo sind denn Investitio- nen in die Bildung? Und wo ist Ihr Konzept? Meine ver- ehrte Kollegin Cornelia Pieper ist sicherlich gern behilf- lich, wenn Sie nicht weiter wissen. Die schönste Feststellung des Berichts ist aber – und da war ich richtig froh –, dass der beste Schutz gegen Armut ein Arbeitsplatz ist. Das habe ich bereits am 27. Januar des letzten Jahres gesagt. Ich bin richtig erleichtert, dass meine damalige kühne Behauptung jetzt wissenschaftlich und amtlich bestätigt ist. Ich hatte zwischenzeitlich Bedenken, dass es nicht so sei. Diese Bedenken kommen mir immer dann, wenn ich mir die Gesetzgebung der Koalition so anschaue. Sie hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die beschäftigungswirk- samen Reformen der alten Bundesregierung – Stichwort: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Schwellenwerte im Kündigungsschutz – zurückgenommen. Sie hat dann folgend eine Attacke auf die Existenzgründer mit ihren Gesetzen zur so genannten Scheinselbstständigkeit gefah- ren. Dabei stellt der Bericht fest, dass es die Selbstständi- gen sind, die die Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig mit der Scheinselbstständigkeit hat sie die 630-DM-Jobs vernichtet. Paradoxerweise sind das gerade die Jobs, mit denen die Familienväter in den unteren Ein- kommensgruppen durch Zeitungsaustragen das kleine Fa- milieneinkommen etwas aufgebessert haben. Das steht auch im Bericht. Sehr konsequent ist diese Vorgehens- weise nicht. Nach den 630-DM-Jobs hat die Koalition den Mittel- stand mit dem Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit überfal- len. Den Ansatz, neue Jobs durch Teilzeitarbeit schaffen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117034 (C) (D) (A) (B) zu wollen, finden ja auch wir gut. Nur wollen wir die Teil- zeit fördern und nicht verordnen. Die Koalition wird auch keine sehr guten Argumente mehr für die Teilzeit bringen können, solange sie die Teilzeitbeschäftigten nicht antei- lig ihrer Arbeitszeit für die Berechnung der Größe der Be- triebsräte heranzieht, sondern weiterhin einfach die Köpfe zählt. So wird der Mittelstand – aus gutem Grund – alles daransetzen, Teilzeitarbeit zu verhindern. Mehr Men- schen in Beschäftigung bringen und damit aus der Ar- beitslosen- oder Sozialhilfe holen wird die Koalition mit dieser Vorgehensweise nicht. Zeitgleich mit dem Teilzeitverordnungsgesetz hat sie die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag zu befristen, erheb- lich beschränkt. Es scheint also unterschiedliche Arten von Arbeitsplätzen zu geben: diejenigen, die vor Armut schützen, – das sind offensichtlich die unbefristeten –, und die Arbeitsplätze, die nicht vor Armut schützen, also die befristeten. Der Bericht stellt dazu sehr richtig fest, dass ein befristeter Arbeitsplatz vielfach eine Brücke zu einem festen Arbeitsverhältnis ist. Dem möchte ich mich an- schließen. Der absolute Höhepunkt in der Reihe dieser Gesetzge- bungsverfahren wird derzeit beraten: das Betriebsverfas- sungsgesetz. Ich prophezeie, dass auch diese Reform nicht dazu beitragen wird, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ich befürchte vielmehr, dass es zu einem Arbeitsplatzab- bau kommt und damit mehr Menschen einem Risiko rela- tiver Armut ausgesetzt werden. Der Mittelstand wird seine Belegschaften entsprechend den von der Koalition aufgeblähten Schwellenwerten für Betriebsratsgrößen und Freistellungen anpassen. Ich habe es schon im letzten Jahr gesagt: Die Koalition muss handeln. Sie muss den Arbeitsmarkt deregulieren und flexibilisieren. Sie muss die Wirtschaft von Steuerlas- ten und Bürokratiekosten entlasten. Damit schafft sie Arbeitsplätze. Damit wird die relative Armut verringert. Aber sie hat sich für einen anderen Weg entschieden. Dieser Weg wird „Umverteilung“ heißen. Deshalb wollte sie ja auch einen Reichtumsbericht. Dieter Schulte, Vor- sitzender einer Organisation, die so reich ist, dass sie der Koalition 8 Millionen DM für den Bundestagswahlkampf geben kann, sieht ja durch den Bericht bereits einen An- lass zur Umverteilung – und das, obwohl der Reichtum tendenziell gleichmäßiger verteilt ist. Beispiel Immobi- lien: In 1962 hatten nur 31 Prozent der Haushalte Immo- bilienbesitz. 1998 hatten 51 Prozent der Arbeitnehmer und 44 Prozent der Nichterwerbstätigen ihr eigenes Häus- chen oder ihre Wohnung. 5 Prozent der Steuerzahler zah- len bereits 40 Prozent des gesamten Aufkommens der Einkommensteuer. Da kann man nicht mehr davon spre- chen, dass noch Spielraum zur Umverteilung vorhanden ist. Sie findet doch bereits statt. Die Koalition sollte sich auf ihre Aufgaben konzen- trieren und sich endlich um die Bildung kümmern. Sie sollte sich der Familien annehmen und es mit einer Arbeitsgesetzgebung versuchen, die zumindest keine Ar- beitsplätze gefährdet. Das sind die Erkenntnisse, die die- Koalition aus diesem ersten Armuts- und Reichtumsbe- richt gewonnen haben sollte. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge – Die deutsch-französischen Beziehungen neu be- gründen – Die deutsch-französischen Beziehungen mit Leben erfüllen (Tagesordnungspunkt 11 und Zusatztagesordnungs- punkt 9) Gernot Erler (SPD): Mit ihrem Antrag unter dem Ti- tel „Die deutsch-französischen Beziehungen neu begrü- nen“ versucht die CDU/CSU-Fraktion, einen falschen Eindruck zu erwecken – nämlich den, dass es schlecht stehe um das Verhältnis zwischen Paris und Berlin und zwischen unseren beiden Gesellschaften. Das Gegenteil ist der Fall. Der politische und bürgerschaftliche Aus- tausch zwischen Deutschland und Frankreich war noch nie so intensiv wie heute. Deutsche und französische Spit- zenpolitiker sind sich noch nie in so dichter Folge begeg- net wie in diesen Zeiten. Und, verehrte Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite des Hauses, es gibt keinen Grund für Ihr Naserümpfen über die Begegnungen im so genannten Blaesheim-Format. Sie haben den Sinn dieser Treffen nicht verstanden, wenn Sie dort reale Substanz vermissen oder gar Sprachlosig- keit zu bemerken glauben. Das zeigt nur, wie weit weg Sie sich von der deutsch-französischen Realität bewegt ha- ben. Diese Abende verlaufen sehr lebhaft, die Dolmet- scher werden dabei nicht arbeitslos und das Beisammen- sein schafft die Atmosphäre, die wir für eine keative deutsch-französische Zusammenarbeit brauchen. Ihre buchhalterisch-administrativen Vorschläge eignen sich da, wo sie nicht längst vollzogene oder eingeleitete Maß- nahmen anmahnen, dagegen kaum dafür, neue Impulse zu geben. Wenn Sie sich einmal mit der ganzen Lebendigkeit der deutsch-französischen Nachbarschaft und des Austau- sches zwischen unseren beiden Ländern vertraut machen wollen, dann lade ich Sie zu einem Besuch in meiner Hei- matstadt Freiburg ein. Hier haben in der Schwarzwald- hauptstadt und in der südbadischen Region im letzten Jahr 1 Million Menschen die Tour de France gefeiert, als sie nach Freiburg kam. Hier bereitet man sich jetzt mit großer Begeisterung auf den Deutsch-Französischen Gipfel am 12. Juni vor. Die Gipfelstadt ist gut gewählt – mit ihren zahlreichen deutsch-französischen Bildungseinrichtun- gen, dem Institut français, für dessen Erhalt wir in Frei- burg mit Erfolg gestritten haben, und mit dem renom- mierten Frankreich-Zentrum. Wir freuen uns in Freiburg auf den hohen Besuch. Es gab viele Anregungen für regional interessierende Themen für die Tagesordnung des Gipfels, mehr als diese aufnehmen kann. Aber gerade das ist ein Beleg für die Vi- talität des deutsch-französischen Zusammenlebens in dieser Region. Denn diese Wünsche kamen von beiden Seiten des Rheins. Die Menschen in unserer Region wol- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17035 (C) (D) (A) (B) len gemeinsame Projekte, zum Beispiel eine echte Trina- tionalität beim Euro-Airport Basel-Mulhouse-Freiburg, wollen die Eisenbahnnetze auf beiden Seiten der kaum noch wahrnehmbaren Grenze miteinander verbinden, wollen gemeinsame kulturelle Programme ausbauen. Und sie werden dies aus Anlass dieses Gipfels deutlich machen. Und natürlich rechnen wir damit, dass der Gipfel in Freiburg bei dem wichtigen Thema des gemeinsamen Kampfes gegen die Herausforderung des Rechtsradikalis- mus, das im Zentrum des Programms steht, zu guten und konkreten Ergebnissen kommen wird. Man könnte noch viele andere Beispiele und Belege dafür aufführen, dass Ihre pessimistische Bilanz des deutsch-französischen Verhältnisses realitätsfremd ist. Ich möchte hier aber eine Ihrer Forderungen aufgreifen. Sie fordern die Bundesregierung auf, die parlamentari- sche Dimension in der deutsch-französischen Zusammen- arbeit zu stärken. Ich finde es eigentlich etwas seltsam, dass Sie sich bei diesem Ziel an die Bundesregierung wenden. Der Bundestag und seine Fraktionen sind selber in der Lage, die parlamentarische Kooperation zwischen deutschen und französischen Kolleginnen und Kollegen zu intensivieren. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel geben. Seit Anfang 1999 gibt es zwischen der SPD-Bundestagsfraktion und der Fraktion des Parti socialiste einen „Circle stratégique franco-allemand“, geleitet von unserem französischen Kollegen Guy-Michel Chauveau und mir und gefördert von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Inzwischen haben, je- weils abwechselnd in Paris und Berlin, fünf gemeiname Konferenzen stattgefunden. Sie finden ein wachsendes Interesse, nicht nur bei Abgeordneten der Asemblée Na- tionale und des Deutschen Bundestages, sondern auch bei beiden Regierungen, bei wissenschaftlichen Institutionen und bei Vertretern der Industrie. Wir haben bisher in dem „Circle“ über eine Reihe von aktuellen Sachthemen de- battiert, so über NATO und europäische Verteidigungsi- dentität, über den Kosovo-Konflikt, Perspektiven der deutsch-französischen Rüstungskooperation, über die Zukunft der Abrüstungs-Vertragspolitik, über Rüstungs- exporte und die dazugehörigen europäischen Begren- zungsregeln und zuletzt über die amerikanischen Rake- tenabwehrpläne. Aber wir haben uns auch über die Entwicklung in einigen Ländern und Regionen von bei- derseitigem Interesse ausgetauscht wie Russland, Kauka- sus, Ostasien mit China, Indien und Pakistan und bei un- serem letzten Treffen über die Afrikapolitik beider Länder. Zwar konnten wir jedes Mal Minister und andere hoch- rangige Sprecher beider Regierungen begrüßen, was un- sere Diskussionen bereichert hat. Auf die Idee ist aber noch keiner gekommen, die Regierungen in Paris und Berlin aufzufordern, den „Circle stratégique“ zu fördern. Das schaffen wir alleine – und vielleicht ist das ja eine An- regung für Sie, diesem Beispiel für eine sehr intensive parlamentarische Dimension in den deutsch-französi- schen Beziehungen nachzueifern und auf diese Weise das selber in die Hand zu nehmen, wofür Sie einen Anstoß sei- tens der Bundesregierung verlangen. Sie fordern in Ihrem Antrag auch, die Bundesregierung solle gemeinsam mit der französischen Regierung Vor- schläge und Initiativen in die Debatte um die Zukunft der Europäischen Union einbringen. Ich muss Ihnen sa- gen, dass wir mit dem bisherigen Verlauf der Diskussion sehr zufrieden sind und ihn für angemessen halten. Die Zukunft Europas und seiner Verfassung kann keine gou- vernementale Veranstaltung sein. Wir haben nach der Humboldt-Rede von Außenminister Fischer und der Ant- wort von Präsident Chirac hier im Deutschen Bundestag im Juni letzten Jahres eine lebendige europäische Diskus- sion erlebt mit zahlreichen bemerkenswerten Beiträgen aus allen europäischen Ländern. Aus Deutschland sind die Beiträge des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers hinzugekommen. Und am 28. Mai haben wir mit großem Interesse gehört, wie sich der französische Ministerpräsi- dent Lionel Jospin die „Zukunft des erweiterten Europas“ vorstellt. Alle diese Konzepte sind nicht deckungsgleich. Wer könnte das auch zum jetzigen Zeitpunkt erwarten? Aber jeder dieser Beiträge hat unsere Diskussion bereichert. Persönlich habe ich Jospins leidenschaftliches Eintreten für eine prioritäre Entscheidung über die inhaltlich-politi- schen Zielvorgaben Europas, bevor wir Beschlüsse über Institutionen fällen, als überzeugend und äußerst anre- gend empfunden. Die Zeit wird kommen, wo der Post-Niz- za-Prozess – gemäß der verabredeten Zeitpläne wird das 2004 sein – zu konkreteren Ergebnissen kommen muss. Bis dahin brauchen wir keine staatlich konzertierte, son- dern eine offene Diskussion, an der sich die Bürger Euro- pas so viel wie möglich beteiligen sollten. Ich kann nur wiederholen: Im Kern beschreibt die Mehrzahl Ihrer Forderungen das, was längst real existiert; im Rest gehen Ihre Vorschläge in fragwürdige Richtun- gen. Und das deutsch-französische Verhältnis ist 100-mal lebendiger und mehr auf die Zukunft gerichtet als Ihr bürokratisch-pessimistischer Negativsaldo der deutsch- französischen Beziehungen. Monika Griefahn (SPD): Die Beziehungen zu Frank- reich müssen immer wieder neu erarbeitet werden, haben aber auch durch die Tradition nach dem Krieg ein gesun- des Fundament. Sie zählen sehr richtig die vielen Staats- männer auf deutscher und französischer Seite auf – leider fehlt Willy Brandt –, die dazu beigetragen haben. Frankreich ist der wichtigste und engste Partner Deutsch- lands in Europa. Seit 1963 gibt es den Elysée-Vertrag. Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, hat es vielfältig neue Initia- tiven – auch insbesondere auf Parlamentsebene – gege- ben. So haben gerade gestern die auswärtigen Ausschüsse der beiden Parlamente getagt und vereinbart, diese Tref- fen fortzusetzen. Ein Treffen beider Parlamente ist bereits von den Präsidenten besprochen worden und bald statt- finden. Auf der individuellen Ebene laufen Aktivitäten der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppen, so zum Beispiel das Hospitantenprogramm von Asemblée natio- nale und Bundestag, das gerade vor zwei Wochen durch- geführt wurde. Seit Anfang diesen Jahres finden regel- mäßige informelle Treffen auf höchster Ebene statt. Ich Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117036 (C) (D) (A) (B) skizziere hier nur diejenigen Aspekte der deutsch-franzö- sischen Beziehungen, die ohnehin bekannt sind. Jeden- falls ist die Intensität der Zusammenarbeit mit Frankreich ohne Beispiel in den internationalen Beziehungen und bedarf schon allein deswegen keiner Neubegründung. Ein weiterer Aspekt, der häufig in der Debatte zu kurz kommt, ist die zivilgesellschaftliche Ebene der Koopera- tion. Die Kolleginnen und Kollegen von der Union spre- chen in ihrem Antrag zwar von kulturpolitischen Maß- nahmen, die es zu verbessern gelte, lassen aber außer Acht, dass wir gerade auf diesem Gebiet unzählige und jahrelange Kontakte pflegen, die meiner Meinung nach die Grundlage zum Erfolg der deutsch-französischen Freundschaft und auch der Motoreigenschaft von Deutschland und Frankreich für die europäische Integra- tion sind. Dieser Antrag unterbewertet die Rolle der Zi- vilgesellschaft völlig. Wenn man daran denkt, dass über Jahrhunderte unsere Völker ständig im Krieg standen und heute die deutsch- französische Freundschaft so zur Normalität gehört, dass sie von den jungen Menschen so gut wie gar nicht infrage gestellt wird, dann hat der direkte Kontakt auf der Ebene der Kommunen, der Sportvereine und der Berufsgruppen eine erheblich Rolle gespielt und wird sie auch weiter spielen müssen. So haben wir bereits die Deutsch-Französische Hoch- schule (seit September 1999 ist das Abkommen in Kraft, beschlossen auf dem Gipfel von Weimar 1997); so wird das Zentrum für Deutschlandstudien in Frankreich im Herbst 2001 eröffnet; so gibt es eine Deutsch-Französi- sche Hochschulexpertenkommission. Man denke auch an die vielfältigen kulturpolitischen Beziehungen. So haben die Kulturausschüsse von Assemblée nationale und Bun- destag beschlossen gemeinsame Arbeitsgruppen mit den Themen Stiftungsrecht, Filmförderung und kulturelle Di- versität auf den Weg zu bringen. Außerdem gibt es keine Konzentration der Kulturinstitute in Paris, wie die Union meint, sondern ein vielfältiges Netz der Aktivitäten im ganzen Land: vier Generalkonsulate, 15 Honorarkonsu- late, fünf Goethe-Institute oder Nachfolgeorganisationen in Kooperation mit Städten und Universitäten, die Föde- ration der deutsch-französischen Kulturhäuser in sechs französischen Städten, eines große Zahl deutsch-französi- scher Kulturgesellschaften, davon allein 125 im größten deutschen Dachverband, circa 2 000 Städtepartnerschaf- ten, dazu eine Fülle von Direktkontakten von Schulen, Universitäten, Theatern und Kulturvereinen und, nicht zu vergessen, das deutsch-französische Jugendwerk mit circa 7 000 Begegnungen von etwa 140 000 Jugendlichen pro Jahr. Ebenso haben wir die Regionalpartnerschaften der Bundesländer mit einzelnen französischen Regionen: Nie- dersachsen/Haute Normandie, Rheinland Pfalz/Bourgo- gne, Thüringen/Picardie, Niederbayern/Oise. Das Auswärtige Amt hat einen engeren Informations- austausch zwischen GIIN und der französischen Seite bei kulturellen Planungen mit dem Ziel vermehrter gemein- samer Veranstaltungen initiiert. Geplant ist darüber hi- naus die Einrichtung gemeinsamer deutsch-französischer Kulturinstitute in Europa. Der traditionelle Dialog zwischen beiden Ländern wird immer mehr zu einem Dialog der Gesellschaften. Die Zi- vilgesellschaft hat eine wachsende Bedeutung für Koope- ration. Kontakte zwischen Multiplikatoren und Entschei- dungsträgern kommen zu den traditionellen Kontakten der Städtepartnerschaften, des Schüleraustausches und der Regierungszusammenarbeit hinzu. Das ist auch die große Chance für die Erarbeitung einer europäischen Ver- fassung und den Prozess der weiteren europäischen Inte- gration. Die Zivilgesellschaften sind dafür zwingend not- wendig – unabhängig von der Frage, wie eng die Freundschaft zwischen Jospin, Chirac und Schröder, Fischer und Védrine persönlich ist. Ich bin daher froh, dass der französische Premierminis- ter Jospin in seiner Europarede vom vergangenen Montag auch einen Konvent mit Beteiligung des Europaparla- ments und der nationalen Parlamente vorgeschlagen hat. Ich füge hinzu: Ich finde auch, die Zivilgesellschaft muss daran beteiligt werden. Die Grundkoordinationen der deutsch-französischen Zusammenarbeit haben sich seit der Wiedervereinigung und dem Regierungswechsel geändert. Die Neubelebung der „relance“ darf als gelungen gelten, insofern müssen die Beziehungen nicht neu begründet werden. Die neue Zusammenarbeit ist auch durch den Generationenwechsel gekennzeichnet. Die heutige Generation ist europäisch und nicht nur deutsch-französisch sozialisiert. Ging es früher um Versöhnung und die Bewältigung der Vergan- genheit, so steht heute die Bewältigung der Zukunft von Europa im Weltkoordinationensystem auf dem gemeinsa- men Programm. Es gibt aber immer noch Defizite; das will ich nicht verschweigen: Der Spracherwerb der jeweils anderen Sprache ist rückläufig. Dies ist eine der wichtigsten He- rausforderungen für die Zukunft. Mobilität in der Ausbil- dung und Etablierung hervorragender Ausbildungsstätten ist unverzichtbar. Die jeweiligen Kulturinstitutionen in dem jeweils anderen Land müssen noch stärker eu- ropäisch ausgerichtet werden und bei knappen Ressour- cen andere Prioritäten gesetzt werden. Man muss sich ge- meinsam in Europa verständigen auf gemeinsame Interessen in der globalisierten Welt. Denn wenn Deutschland und Frankreich sich streiten, gibt es selten eine einheitliche Position in Europa. Leider besetzen dann andere Regionen der Welt die Posten und Positio- nen – siehe IWF. Fazit: Sowohl die politische und parlamentarische als auch die kulturelle wie die zivilgesellschaftliche Zusam- menarbeit im weiteren Sinne befinden sich in einem in- tensiven Zustand, die ihresgleichen sucht in den Bezie- hungen zu einem Partnerland, sei es in Europa oder sonstwo in der Welt. Gerade die Regierung Schröder hat dies erkannt und einen besonderen Aspekt auf eben die Zi- vilgesellschaft und ihre Kommunikation untereinander gelegt. Sie unterscheidet sich damit deutlich von der Vor- gängerregierung, unterstützt und unterhält Kontakte auf allen Ebenen. Was wir brauchen, ist die intensive Kom- munikation mit den Bürgern in beiden Ländern, damit diese beteiligt sind am Projekt Europa. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17037 (C) (D) (A) (B) Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Ich habe als Student und als Doktorand unter Franzosen die deutsch-französi- sche Zusammenarbeit von ihrer besten Seite kennen ge- lernt: die Neugier auf den anderen, die Herzlichkeit der französischen Familien, das Vertrauen und die rückhalt- lose Unterstützung durch die französischen Kollegen und Wissenschaftler. Diese Erfahrung, die mit mir nach dem Krieg Millionen von Deutschen und Franzosen über die Wissenschaft, über Kommunen, Kirchen, Vereine, als Schüler, Studenten, aber auch als Politiker erfahren ha- ben, ist das Fundament der deutsch-französischen Bezie- hungen. Und es ist ein solides Fundament. Nur auf diesem soliden Fundament hat sich der europäische Einigungs- prozess entwickeln können. Aber auch gute Beziehungen müssen gepflegt werden. Die allgemeine Großwetterlage zwischen Deutschen und Franzosen wird maßgeblich bestimmt durch das Verhält- nis der bilateralen Politik. Dieses Verhältnis ist zurzeit stark eingetrübt. Die politischen Beziehungen haben sich seit 1998 verschlechtert; die Behauptung des Bundes- kanzlers, das deutsch-französische Verhältnis sei so gut wie schon lange nicht mehr, ist schlichtweg falsch. Rich- tig ist vielmehr, was Jean-Pierre Froehly im „Handels- blatt“ erklärte, dass nämlich Sand im deutsch-französi- schen Getriebe sei. Anders als zu Zeiten von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, Helmut Schmidt und Giscard d’Estaing, Helmut Kohl und François Mitterrand stimmt derzeit zwischen den wichtigsten deutsch-franzö- sischen Akteuren die Chemie nicht, weder zwischen Kanzler Schröder, Staatspräsident Chirac, Premiermi- nister Jospin noch zwischen Außenminister Fischer und Außenminister Védrine. Selbst normale Arbeitskon- takte leiden unter Sticheleien; wichtige Vorstöße, wie die jüngste Rede von Premierminister Jospin, werden nicht abgestimmt. Die Beraterin des Bundeskanzlers für deutsch-französische Zusammenarbeit fristet ein Schat- tendasein. Die vereinbarten Treffen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs sind ohne Substanz und Ergebnis. Die Lähmung der deutsch-französischen Beziehungen auf politischer Ebene kommt zur Unzeit. Gerade jetzt be- findet sich der Aufbau Europas in einer entscheidenden Phase. Gleichzeitig verlangen Globalisierung und die da- mit verbundenen Chancen und Risiken entschlossenes und möglichst geschlossenes Handeln befreundeter Nach- barn: Beide Nationen müssen Wirtschaft und Gesellschaft an die Herausforderungen anpassen, müssen Strategien entwickeln, die Chancen nutzen und gleichzeitig die Risi- ken minimieren. Lassen Sie mich aus meinen Ausschüs- sen zwei Beispiele nennen: Die rot-grüne Bundesregie- rung hat mit ihrem dilettantischen Vorgehen in Sachen Atommüll gegenüber den Franzosen viel Porzellan zer- schlagen. Aber gerade in der Energiepolitik – und damit auch in der Klimapolitik – wäre eine neue konstruktive, technologische Offensive zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien, umweltschonender Antriebstech- niken im Verkehr und auch bei einer neuen Generation kerntechnischer Anlagen – Stichwort EPR – nötig und sinnvoll. Gleiches gilt für die Entwicklungspolitik als Teil einer globalen Vorsorgepolitik. Hier kommen gewaltige Pro- bleme auch auf die Industrienationen zu, weil die Pro- bleme der Entwicklungsländer immer stärker auf uns zu- wachsen. Auch hier spielt – trotz mancher Lippenbe- kenntnisse – noch jeder im eigenen Sandkasten, statt zu erkennen, dass man gemeinsam effizientere und einfluss- reichere Ansätze zum Beispiel in Afrika oder Südostasien finden könnte. Dies sind nur zwei Beispiele; aber in bei- den Fällen haben Deutschland und Frankreich spezifi- sche, oft unterschiedliche Lösungsansätze und Traditio- nen entwickelt, die man zum Wohle beider Länder gegenseitig ergänzen und verbessern könnte. Ähnliches lässt sich zum Beispiel bei der Bekämpfung der interna- tionalen Kriminalität, bei der Rentenpolitik oder in Steu- erfragen tun. Leidenschaft der politisch Verantwortlichen fürein- ander kann man nicht erzwingen; aber man kann die Be- ziehungen neu beleben durch neue Ideen der Zusammen- arbeit, durch neue, gemeinsame Initiativen. Davon bietet der Antrag der CDU/CSU eine große Fülle. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ist – gerade in diesen entscheidenden Jahren – zu wichtig, als dass wir uns die derzeitige Eintrübung lange leisten könnten. Die Bundesregierung muss einen neuen Anlauf nehmen, die deutsch-französische Großwetterlage wieder freundlicher zu gestalten. Der Antrag der CDU/CSU ist dazu eine gute Aktionsgrundlage. Irritationen mit Moskau, Vertrauenskrise mit den USA und Sand im Getriebe der deutsch-französischen Bezie- hungen – eine solche Außenpolitik ist nicht im deutschen Interesse. Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): „Seit mehr als einem halben Jahrhundert arbeiten wir Hand in Hand. Zwischen uns ist die Aussöhnung abgeschlossen. ... Was Deutschland und Frankreich im Laufe ihrer Geschichte erlebt und erlitten haben, ist ohnegleichen. ... Nur sie ver- mögen Europa voranzubringen, sei es bei der Verwirkli- chung seiner Ziele, bei der Ausweitung seiner Grenzen oder bei seiner Verankerung in den Herzen. ...“ Mit diesen Worten hat uns der französische Staatspräsident Jacques Chirac hier in diesem Hause am 27. Juni 2000 an die exis- tenzielle Bedeutung der deutsch-französischen Beziehun- gen für unseren gesamten Kontinent erinnert. Gute deutsch-französische Beziehungen sind die ent- scheidende Grundlage für Fortschritte im europäischen Einigungsprozess. Dies war in der Vergangenheit so, von der Montanunion und der EWG bis zum Binnenmarkt, zur Währungsunion und zur Gemeinsamen Außen- und Si- cherheitspolitik. Und so gilt es auch für die Gegenwart und Zukunft. Die deutsch-französischen Beziehungen haben jedoch seit dem Regierungswechsel 1998 an Substanz, vor allem in der Europapolitik, deutlich eingebüßt: zwischen den deutschen und französischen Regierungsmitgliedern fehlt die persönliche Beziehung. Von den EU-Gipfeln in Berlin und Nizza gab es keine deutsch-französische Abstimmung und keine gemeinsa- men Initiativen. Deshalb bleiben wesentliche Entschei- dungen, die die Handlungsfähigkeit der EU langfristig Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117038 (C) (D) (A) (B) sichern, auch nach diesen Gipfeln blockiert. Die Finan- zierung der Gemeinsamen Agrarpolitik bleibt zwischen Frankreich und Deutschland umstritten. Solange wir un- sere Differenzen nicht in einem fairen Interessenausgleich ausräumen und den EU-Partnern keinen gemeinsamen Vorschlag präsentieren, wird es in dieser für die Zukunft der EU vitalen Frage keine Lösung geben. Stattdessen be- harrt der Bundeskanzler auf einer strikten Renationalisie- rung der Agrarpolitik und erklärt vor dem Berliner Gipfel auf einer Pressekonferenz mit Präsident Chirac in Paris, er sei nicht dorthin gekommen, um sich zum französischen Bauernpräsidenten wählen zulassen. Mit dieser schnod- derigen Art wird die Atmosphäre der Regierungsge- spräche kaum gefördert. Für Frankreich bleibt die Landwirtschaft ein Kernele- ment der EU. Das hat Premierminister Jospin in dieser Woche in seiner Europarede klar bekräftigt. Ich zitiere: „Was die gemeinsame Agrarpolitik anbelangt, so muss sie in Zuständigkeit der Union verbleiben. Jeder Renationali- sierung von Politiken, die bislang auf Unionsebene fest- gelegt und umgesetzt wurden, ist eine Absage zu ertei- len.“ Im Leitantrag der SPD, den der Bundeskanzler kürz- lich vorgestellt hat, fordert er, „Aufgaben, die durch die Mitgliedstaaten sachgerechter wahrgenommen werden können, auf die nationale Ebene zurückzuverlagern, wenn dies den Binnenmarkt nicht gefährdet. Das gilt insbeson- dere für die Kompetenzen der EU in den Bereichen Agrar- und Strukturpolitik.“ In diesem Punkt haben die deutsche und die französi- sche Regierung völlig gegensätzliche Positionen. Und der Außenminister kommentiert das wie folgt: „Die Rede von Lionel Jospin zeigt eine Vielzahl von deutsch-französi- schen Gemeinsamkeiten auf.“ Der Bundeskanzler fordert den Ausbau der Kommis- sion zu einer starken europäischen Exekutive. Jospin sagt, dieses Modell einer Förderation sei für Frankreich in- akzeptabel, die derzeitigen Staaten erhielten darin den Status eines deutschen Bundeslandes. Und der Herr Außenminister sieht eine Vielzahl von deutsch-französi- schen Gemeinsamkeiten. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Was soll denn diese Beschwichtigung? Sie zeugt nicht von echtem Inte- resse und Suchen nach Gemeinsamkeiten. Die derzeitige Malaise in den deutsch-französischen Beziehungen liegt nicht an unterschiedlichen Interessen und verschiedenen Vorstellungen zur zukünftigen Verfasstheit Europas. Das Problem sind die Indifferenz, die Sprachlosigkeit, die durch förmliche Floskeln überdeckt wird. Die im elsässi- schen Blaesheim vereinbarten Treffen der Staats- und Re- gierungschefs beider Länder in sechs- bis achtwöchigem Rhythmus sind ohne reale Substanz. Europa braucht aber mehr denn je eine solide und zu- kunftorientierte Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland. Beide müssen ihre Standpunkte ausgleichen und annähern und gemeinsame Initiativen vorlegen, um substanzielle Integrationsfortschritte in der EU zu errei- chen. Das gilt in einer größeren Union nach der Erweite- rung umso mehr. Trotz der Gleichgültigkeit, die die Bundesregierung gegenüber dem französischen Nachbarn an den Tag legt, sind die deutsch-französischen Beziehungen im Kern sta- bil und solide verankert. Das ist nicht zuletzt dem Deutsch-Französischen Jugendwerk mit seiner erfolgrei- chen Breitenarbeit zu verdanken, den 1 800 Städtepart- nerschaften, 900 Hochschulkooperationen und Partner- schaften von französischen Regionen und deutschen Ländern. Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ruhen auf einem dichten Netz der Part- nerschaft zwischen Kommunen, Regionen, Kirchen, Vereinen und privaten Initiativen. Austauschprogramme für Schüler und Studenten haben eine beachtliche Inten- sität. Gleichwohl laufen die deutsch-französischen Bezie- hungen Gefahr, auch auf dieser Ebene zu verkrusten: der Altersdurchschnitt in den deutsch-französischen Gesell- schaften ist hoch, das Interesse an der Sprache des ande- ren Landes geht vor dem Hintergrund der Dominanz des Englischen zurück, auch die gegenseitige Faszination nimmt ab. Das gilt für die französische Bewunderung der deutschen „sozialen Marktwirtschaft“ wie für die deut- sche Bewunderung französischer Kultur und Lebensart, auch bedingt durch den Prozess der Globalisierung. Wird keine substanzielle Verbesserung der deutsch-französi- schen Kooperation auf allen Ebenen – politisch, wirt- schaftlich und gesellschaftlich – engagiert verfolgt, laufen die deutsch-französischen Beziehungen Gefahr, zum bloßen Ritual zu erstarren und langsam, aber sicher ihrer Grundlagen beraubt zu werden. Deshalb müssen auf allen Ebenen der Zusammenarbeit Initiativen gestartet werden: zur EU-Erweiterung, zur EU-Verfassungsdebatte, zur Gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik. Die Zivilgesellschaft muss noch stärker einbezogen werden. Wir brauchen integrierte Strukturen in der Forschung und integrierte deutsch-fran- zösische Bildungsangebote bis zu den Hochschulen. Wir müssen viele gesellschaftspolitische Herausforderungen grenzüberschreitend diskutieren. Deutschland und Frank- reich können und müssen die Keimzelle einer europä- ischen Öffentlichkeit sein. Daher sollte die Bundesregie- rung den Vorschlag von Premierminister Jospin, einen europäischen Fernsehkanal einzurichten, konstruktiv auf- greifen. Den Lippenbekenntnissen zur Förderung des Fremd- sprachenunterrichts steht die Schließung von Goethe-Ins- tituten in Frankreich gegenüber, durch die das deutsche Kulturangebot dort ausgedünnt wird. Der Bundeshaushalt setzt hier falsche Schwerpunkte und zerstört ein Netz deutscher Kunst- und Kulturförderung in Frankreich, das später unwiederbringbar ist. Wir sind nicht pessimistisch, sondern entschlossen, un- seren Beitrag zur Pflege der guten deutsch-französischen Beziehungen zu leisten. Das Fundament dieser Beziehung ist solide: Deutsche und Franzosen kennen und schätzen sich, der Austausch von Schülern, Studenten, Vereinen funktioniert. Die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen wird parteiübergreifend anerkannt. CDU und CSU werden sich, ihrer Tradition gemäß, für die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17039 (C) (D) (A) (B) deutsch-französischen Beziehungen einsetzen und die Bundesregierung dort unterstützen, wo sie es verdient. Al- lerdings habe ich den Eindruck, diese Bundesregierung misst den deutsch-französischen Beziehungen nicht die notwendige Bedeutung bei, vernachlässigt sie und ge- fährdet sie somit. Seit dem Regierungswechsel hat es jedenfalls keine nennenswerte deutsch-französische Ini- tiative der Bundesregierung gegeben, die man hätte un- terstützen können. Herr Außenminister, hier würden wir Sie von Herzen gern einmal unterstützen. Wir wünschen der Bundesre- gierung deshalb mehr Willen und Engagement für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Ernst Burgbacher (F.D.P.): „Ein dominierendes Deutschland, ein deutsch-französisches Paar, dessen Bande sich sehr gelockert haben, ein Frankreich ohne Seele und Ideen und auf der Suche nach seiner Rolle“, so beschrieb die Wochenzeitung „Le Point“ die Lage nach dem Nizza-Gipfel. „Le Monde“ urteilte, dass „das wirk- lich bedeutsame Abkoppeln zwischen Frankreich und Deutschland nicht in der Frage der Entscheidungsmecha- nismen im Rat zu sehen ist, sondern im Verlust an wech- selseitigem Vertrauen im Kontext der Erfahrungen der Regierungskonferenz.“ Und Joachim Schild schreibt in einer Frankreich-Analyse: „Von einer gemeinsamen euro- päischen Führungsrolle waren Frankreich und Deutsch- land weit entfernt. Ihre Haltungen waren nicht nur kein Element der Lösung, sondern teilweise zentraler Bestand- teil der Verhandlungsprobleme.“ Zwei hauptsächliche Charakteristika kennzeichnen die deutsch-französischen Beziehungen vom Beginn der Nachkriegszeit bis heute: Das erste Charakteristikum ist die Unterschiedlichkeit der Interessen und Ansatz- punkte. Deutschland und Frankreich haben völlig unter- schiedliche historische, philosophische und sozialpoliti- sche Traditionen. Wenn ein Franzose Begriffe wie Staat, Nation, Heimat, ja Europa gebraucht, meint er damit et- was völlig anderes als ein Deutscher, der dieselben Wör- ter in den Mund nimmt. Daher haben Deutschland und Frankreich in der Außen- und Europapolitik auch zunächst einmal grundsätzlich unterschiedliche Interes- sen. So hat Frankreich etwa in der Europapolitik immer stark auf seine nationale Eigenständigkeit geachtet, während Deutschland sehr viel eher bereit war, seine na- tionalen Interessen durch die europäische Integration zu verwirklichen. Es ist gerade der Unterschied dieser In- teressen und Ausgangspositionen, der bis in die jüngste Vergangenheit die deutsch-französische Zusammenar- beit so fruchtbar für die europäische Integration machte. Denn es gab immer den festen politischen Willen auf beiden Seiten, gemeinsam an der Überwindung dieser Gegensätze zu arbeiten und damit zum gegenseitigen Nutzen und vor allem auch zum Nutzen Europas zu ge- meinsamen Positionen zu kommen. Am Ende stand ein Kompromiss, der gerade wegen der Gegensätzlichkeiten der Ausgangspositionen so abgerundet und ausbalan- ciert war, dass alle anderen Partner in Europa zustimmen konnten – wenn manchmal auch nur mit zusammenge- bissenen Zähnen. Wären Frankreich und Deutschland sich in der Regel von vornherein einig gewesen, wäre ein solch ausbalancierter Kompromiss nicht denkbar gewe- sen und die anderen Partner in Europa hätten dies als deutsch-französischen Direktoriumsbeschluss auch ab- gelehnt. Das zweite Charakteristikum in der deutsch-französi- schen Zusammenarbeit ist ein ständiges Auf und Ab. Es war gewiss nicht immer rosig und die Auseinanderset- zungen wurden bisweilen mit aller Schärfe geführt. Dabei wussten aber alle – übrigens in den Regierungen, in den Parlamenten und in den Bevölkerungen – emotional und rational, dass der jeweils andere der wichtigste Partner war, wie es Klaus Kinkel in seiner Zeit als Außenminister immer wieder gesagt hat. Die Qualität der Zusammenar- beit war auch unabhängig von der parteipolitischen Aus- richtung der jeweiligen Regierungen. So gut wie in den geradezu idealtypischen Paarungen von Adenauer und de Gaulle, von Schmidt und Giscard und von Kohl und Mit- terrand konnte es natürlich nicht immer gehen. So schlecht, lassen Sie mich dies aber in aller Deutlichkeit sa- gen, wie heute war es aber noch nie. Es gibt keine gemeinsamen deutsch-französischen Ini- tiativen vor den Europäischen Räten mehr, wie sie früher üblich waren. Die Europäischen Räte von Berlin und Niz- za waren von deutsch-französischen Nickeligkeiten ge- prägt und ließen gemeinsame Entwürfe vermissen. Die europapolitischen Vorstellungen von Bundeskanzler Schröder und Premierminister Jospin sind völlig unilate- ral vorgetragen worden, ja die Entwürfe sind dem anderen Partner offensichtlich noch nicht einmal vorab zur Kennt- nis gegeben worden. Seine Antwort auf Bundeskanzler Schröder fasst Premierminister Jospin in einem Satz zu- sammen: „Europa schaffen ohne Frankreich abzuschaf- fen, das ist mein politisches Credo.“ In diesem Satz wird der Tiefstand gegenseitigen Misstrauens erschreckend deutlich. Nun ist es natürlich nicht so, dass für diesen Zustand allein die Bundesregierung verantwortlich zu machen wäre. Es gibt eine Reihe von Gründen in der französi- schen Innenpolitik und im französischen Präsident- schaftswahlkampf. Mit unseren französischen Freunden sprechen wir in aller Offenheit darüber. Aber in diesem Hohen Hause ist unser Ansprechpartner nun einmal die Bundesregierung. Und bei ihr liegt nun wahrlich auch ein gerüttelt Maß an Schuld für den desolaten Zustand der deutsch-französischen Beziehungen. Bundeskanzler Schröder hat kaum eine Gelegenheit verstreichen lassen, die französischen Partner zu brüskieren. Beim ER Berlin, als es um die Agenda 2000 ging, hat er in völlig unange- messener Weise die deutsche Nettozahlerposition heraus- gestellt und ist mit dem – auch aus unserer Sicht richtigen Vorschlag zur Kofinanzierung in der Agrarpolitik so un- sensibel vorgegangen, dass es Frankreich verstören musste. Der ER Nizza wäre fast daran gescheitert, dass Schröder es auf einen minimalen Unterschied in der Stim- menneugewichtung im Rat zugunsten Deutschlands an- legte. Dazwischen hat er mit dem berühmt-berüchtigten Schröder-Blair-Papier viel Porzellan zerschlagen. Auf den Schock von Nizza folgte die Verabredung, sich in Zu- kunft regelmäßig zum Abendessen in den Weinbergen zu verabreden. Man fragt sich aber, was die Herren außer der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117040 (C) (D) (A) (B) Speisenfolge dort besprechen. Verbesserungen sind je- denfalls nicht erkennbar. Weil beide Länder seit den Veränderungen seit 1989 und ihrer veränderten Rolle in Europa und im gegenseiti- gen Verhältnis noch nicht wirklich zurande gekommen sind, wäre eine besondere Feinfühligkeit im Umgang mit- einander wichtiger denn je. Und weil die Veränderungen für Frankreich im Zweifel schwieriger zu verarbeiten sind als für Deutschland, kommt Deutschland in dieser Part- nerschaft im Moment eine besondere Verantwortung zu. Daher fordern wir die Bundesregierung auf, die deutsch- französischen Beziehungen wieder neu mit Leben zu er- füllen. Der CDU/CSU-Antrag mit seiner Forderung einer Neubegründung geht am Kern des Problems vorbei. Die Basis für die deutsch-französische Zusammenarbeit ist durch den Elysêe-Vertrag und seine Fortentwicklungen gelegt, sie ist solide und tragfähig. Dazu gehören über 2 000 Städtepartnerschaften, 3 000 Schulpartnerschaften, zahlreiche Universitätspartnerschaften, vor allem auch die segensreiche Arbeit des Deutsch-Französischen Ju- gendwerks. Das Netzwerk an institutioneller Zusammen- arbeit, an Arbeitsgruppen, an Beamtenaustausch, an Kon- sultationen usw. usf. ist so eng wie in wahrscheinlich keiner anderen Partnerschaft zwischen zwei souveränen Staaten dieser Erde. Was fehlt, ist der politische Wille der Regierungen, dieses Netzwerk zu nutzen und mit Leben zu erfüllen. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, Frankreich in ihrem politischen Denken und Handeln wieder den Platz einzuräumen, der ihm zukommt. Noch ein Wort an uns selber, liebe Kolleginnen und Kollegen. Solange die Zusammenarbeit auf der Ebene der Regierungen so starke Defizite aufweist, kommt es umso mehr auf eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten an. Die deutsch-französischen Parla- mentariergruppen leisten dazu auf beiden Seiten hervor- ragende Arbeit. Die EU-Ausschüsse von Bundestag und Assemblêe Nationale haben eine lobenswerte Initiative entwickelt. Diese sollten wir tatkräftig unterstützen. Auf mittlere Sicht wäre auch eine gemeinsame Plenarsitzung unserer beiden Parlamente ein erstrebenswertes Ziel. Es kommt in der deutsch-französischen Zusammenarbeit auch darauf an, symbolträchtige Zeichen zu setzen. Es kommt aber insbesondere darauf an, persönliches Herzblut einzubringen. Wenn der französische Außenmi- nister Vêdrine seinen deutschen Kollegen Fischer als „Flötenspieler“ bezeichnet, zeigt dies, wie zerrüttet das Verhältnis geworden ist. Wir können dem Bundeskanzler und dem Außenminister diesen Vorwurf nicht ersparen: Sie haben den deutsch-französischen Motor abgewürgt. Wir werden alles dafür tun, diesen Motor wieder zum Laufen zu bringen. Nur dann können wir die große He- rausforderung der Erweiterung und damit der Wiederver- einigung Europas meistern. Wolfgang Gehrcke (PDS):Der Antrag der CDU „Die deutsch-französisch Beziehungen neu begründen“ gibt die Chance über diese Beziehungen im Bundestag zu dis- kutieren. Wir haben gerade vor zwei Tagen dies gemein- sam mit unseren französischen Freundinnen und Freun- den im Auswärtigen Ausschuss getan. Das ist aber fast schon alles, was ich positiv über den CDU-Antrag sagen kann. Ansonsten bewegen sich die CDU-Vorschläge im Rahmen des üblichen deutsch-französischen Alltagsge- schäfts. Der CDU-Antrag ist zeitlos wie ein „blauer Faltenrock“ – dieser soll ja zu allen Anlässen passen. Trotzdem will ich positiv wie negativ einen Vorschlag kommentieren. Positiv ist mir aufgefallen, dass die CDU vorschlägt, die Achse Deutschland-Frankreich durch ein Dreieck Deutschland-Frankreich-Polen zu ergänzen. Dies ent- spricht sowohl den geschichtlichen Anforderungen als auch den Bedingungen der Osterweiterung der Europä- ischen Union. Das unterstützt die PDS. Besonders negativ hingegen bewerte ich den Vorschlag der CDU, die deutsch-französische Rüstungszusammen- arbeit noch weiter auszubauen. Bei Rot-Grün rennt die CDU damit wohl offene Türen ein. Nicht in der Rüs- tungszusammenarbeit, im gemeinsamen Rüstungsexport liegt die Perspektive der deutsch-französischen Wirt- schaftskooperation, sondern in einer engeren sozialen Zu- sammenarbeit. Genau diese ist ein Schwerpunkt in der jüngsten Euro- parede des französischen Ministerpräsidenten Jospin. Dass die SPD die Jospin-Vorschläge nicht offensiv auf- greift, ist schon bezeichnend. Wer die Reden Schröder- Jospin vergleicht, begreift, wo die Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich heute liegen. Jospin schlägt für Europa unter anderem vor, soziale Solidarität ins Zentrum zustellen, unsichere Arbeitsver- hältnisse zu bekämpfen, Sozialdumping Widerstand zu leisten und die kulturelle Vielfalt in Europa zu bekämpfen. Jospin schlägt vor, ein europäisches Sozialrecht zu schaffen, einen europäischen Sozialvertrag abzuschließen und gemeinsam an einer Reform der internationalen Fi- nanzarchitektur zu arbeiten. Davon findet sich verständli- cher Weise im Antrag der CDU kein Wort. Aber die Bundesregierung wäre gut beraten, die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht nur allge- mein als „Motor der europäischen Einigung“ zu verste- hen, sondern diese als „Motor für ein soziales Europa“ einzusetzen. Dieser Art der Zusammenarbeit steht die rot-grüne Re- gierung reserviert gegenüber. Das Schröder-Blair-Papier ist ihr doch näher als die sozialen Vorschläge Jospins. Für die PDS ist es umgekehrt: Wir sind ablehnend ge- genüber dem neoliberalen Umbau Europas und treten dafür ein, dass endlich soziale Fragen in Europa ein größeres Gewicht einnehmen. Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen: Frankreich ist unser engster und wichtigster Partner. Eu- ropa gründet auf der deutsch-französischen Verständi- gung, auf unserer engen Partnerschaft mit Frankreich. Diese Beziehung ist nicht austauschbar und das wird auch für die Zukunft der europäischen Integration gelten. Die europäische Integration war eine französische Idee. Die strategische Weitsicht und der politische Mut Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17041 (C) (D) (A) (B) Frankreichs, mit dem „Erbfeind“ Deutschland, der ihr Land dreimal in 70 Jahren mit Krieg überzogen hatte, im besten Sinne des Wortes „gemeinsame Sache“ in der eu- ropäischen Integration zu machen, sind in ihrer Bedeu- tung gar nicht zu überschätzen. Sie waren – zusammen mit dem Entschluss der USA, nach 1945 in Europa prä- sent zu bleiben – die Antwort auf den historischen Sprengsatz, der Europa seit dem 19. Jahrhundert unendli- ches Leid zugefügt und zwei Weltkriege ausgelöst hat, nämlich die Antwort auf die Frage: Wo liegt Deutschland? Die deutsche Frage konnte nur im Rahmen der europä- ischen Integration, deren festen Kern Deutschland und Frankreich seit Jahrzehnten bilden, definitiv beantwortet werden. Deutschland und Frankreich haben daher nicht nur ein pragmatisches, sondern ein sehr viel tiefer gehen- des, ein historisches Interesse an der Fortsetzung und Ver- tiefung ihrer Partnerschaft. Das Jahr 1989 markiert eine tektonische Verschiebung der politischen Lage auf unserem Kontinent. Gerade auch für die deutsch-französischen Beziehungen hat das ge- wachsene Gewicht Deutschlands und seine wiederer- langte Mittellage ebenso wie die Osterweiterung der Eu- ropäischen Union neue Fragen aufgeworfen. Sicher kann die alte Formel von Frankreich als politischer und Deutschland als wirtschaftlicher Führungsmacht in Eu- ropa nicht mehr taugen. Sie hat es in Wahrheit nie getan. Ebenso sicher ist aber auch, dass Deutschland und Frank- reich die Rolle des Schwungrads für die europäische In- tegration weiter ausfüllen müssen; denn niemand anders wird ihnen dies abnehmen können. Dies aber kann und wird nur gelingen, wenn die politische Balance zwischen Deutschland und Frankreich erhalten bleibt. Diese Balance ist und bleibt die Grundlage des deutsch-französischen Verhältnisses und damit auch der europäischen Integration. Die deutsch-französische Part- nerschaft unter den veränderten politischen Bedingungen weiter zu festigen und, wo nötig, neu zu justieren, immer mit Blick auf den europäischen Einigungsprozess, darin besteht eine der großen außenpolitischen Herausforde- rungen für unsere beiden Länder in der vor uns liegenden Zeit. Die Bundesregierung hat das deutsch-französische Verhältnis von Anfang an zu einer Priorität gemacht. Die Zusammenarbeit mit Frankreich ist deshalb außerordent- lich eng. Mit Außenminister Vêdrine habe ich mich im Vorfeld meiner Humboldt-Rede und auch danach über alle wichtigen europapolitischen Fragen regelmäßig eng abgestimmt. Gleiches gilt für die Kosovo- und Südosteu- ropapolitik. Treffen der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister im Blaesheim-Format finden alle sechs bis acht, bzw. sogar alle drei Wochen statt. Fazit: Mit keinem anderen Partner gibt es eine so re- gelmäßige und enge Abstimmung wie mit Frankreich. Diese Intensität der Zusammenarbeit ist in den internatio- nalen Beziehungen wohl ohne Beispiel. Niemand kann uns also vorwerfen, die Kontakte mit Frankreich nicht so eng, wie es uns möglich ist, zu gestalten. Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, dass die Positionen Deutschlands und Frankreichs oft nicht deckungsgleich sind und dass es zu wenige deutsch-fran- zösische Initiativen in der Europapolitik gibt. Dieser Vor- wurf greift in mehrfacher Hinsicht zu kurz: Zum einen ist es völlig natürlich – und war im Übrigen auch früher oft genug so –, dass Deutschland und Frank- reich in europapolitischen Fragen zunächst eine unter- schiedliche Haltung einnehmen und sich erst allmählich annähern. Deutschland und Frankreich sind Länder mit sehr unterschiedlichen Traditionen, Kulturen, Mentalitä- ten und nationalen Geschichten. Die Stärke der deutsch- französischen Verbindung liegt eben gerade nicht darin, dass beide Länder einander, a priori, ähnlich sind, sondern dass sie sich immer wieder als fähig zur Überbrückung von Differenzen und zum Kompromiss erwiesen haben. Dabei liegt die besondere Stärke der deutsch-französi- schen Verbindung darin, dass zwischen ihnen erzielte Kompromisse sehr häufig von den übrigen europäischen Ländern als Ausgangspunkt für eine gesamteuropäische Einigung genommen werden. Vor allem aber verkennt ein solcher Vorwurf die histo- rische Dimension der europapolitischen Herausforderun- gen, um die es heute geht. Seit den 50er-Jahren standen noch nie derart fundamentale Fragen auf der europäischen Tagesordnung: Die Wiedervereinigung Europas durch die Erweiterung, eine Verfassung für Europa, die Bestim- mung der internationalen Rolle Europas – all dies muss gleichzeitig bewältigt werden. Bei der Zukunft der euro- päischen Institutionen oder der Kompetenzaufteilung zwischen Europa und den Nationalstaaten geht es um Grundfragen unserer jeweiligen nationalen Gesellschafts- kontrakte, um Fragen unserer nationalen Identität, natür- lich auch um Machtfragen. Wir sehen dies auch in der in- nerdeutschen Debatte zwischen Bund- und Ländern. Es ist bemerkenswert, dass sich inzwischen praktisch alle europäischen Länder sehr ernsthaft und substanziell mit diesem Thema auseinander setzen. Aber die Debatte über die Zukunft Europas, über 2004, über eine europä- ische Verfassung, hat erst begonnen. Es wäre deshalb mehr als töricht, bereits in diesem frühen Stadium der De- batte eine weit gehende Konvergenz zwischen den Vor- stellungen Deutschlands und Frankreichs zu verlangen. Es ist doch völlig klar, dass am Anfang dieser Debatte in jedem Land erst einmal ein Prozess der Klärung, der Selbstvergewisserung stehen muss, der auch mit einer Prononcierung einzelner Positionen einhergehen wird. Genau das ist es, was wir derzeit beobachten, und dies ist der notwendige erste Schritt. Wären Deutschland und Frankreich schon jetzt, zu Beginn der Debatte, in allen Punkten einer Meinung, so würde das dem Ziel einer lebendigen und bürgernahen Debatte eher schaden als nutzen. Aus Frankreich sind im vergangenen Jahr bedeutende Beiträge zur Zukunft Europas gekommen: Präsident Chirac hat im Deutschen Bundestag gesprochen, Premierminis- ter Jospin am vergangenen Montag in Paris. Beide haben sich dabei als überzeugte Europäer erwiesen, die sich mit Nachdruck für eine Stärkung Europas und der europä- ischen Integration einsetzen. Die Rede Jospins war voller Gehalt und konkreter An- regungen. Es war eine bedeutende Rede. Viele seiner Vor- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117042 (C) (D) (A) (B) schläge sollten wir ernst nehmen und zu gemeinsamen deutsch-französischen Initiativen machen. Jospin stimmt in vielen Punkten mit deutschen Zielvorstellungen über- ein. Die Rede zeigt deshalb durchaus, dass der Dialog mit Frankreich ganz konkret Früchte zeitigt: Sie enthält ein Bekenntnis zu einer europäischen Ver- fassung, zur Föderation der Nationalstaaten, zu einer ge- naueren Kompetenzaufteilung, zum Abbau des Demokra- tiedefizits, zu dem Ziel eines Europas der Bürger. Viele der konkreten Vorschläge sind zu begrüßen, wie die Ein- richtung einer europäischen Staatsanwaltschaft, einer in- tegrierten europäischen Polizeibehörde und Grenzschutz- polizei oder die Fusion unserer konsularischen Netze im Ausland. In anderen Fragen zeigt sich – das ist vor dem Hinter- grund der Geschichte und der nationalen Kultur Frank- reichs nicht verwunderlich – eine andere Grundeinstel- lung, als wir sie haben. Frankreich hält zum Beispiel an einer starken Stellung des Europäischen Rats in der Exe- kutive und Legislative fest. Dies entspricht der Verfas- sungstradition Frankreichs und es ist dort Mehrheitsmei- nung. Wir müssen diese Haltung respektieren, auch wenn sie der positiven deutschen Erfahrung mit einem födera- len Staatsaufbau nicht entspricht. All jene, die bei uns immer wieder laut nach mehr deutsch-französischer Gemeinsamkeit rufen, möchte ich fragen, was sie denn konkret unternehmen würden, um eine solche herzustellen. Es ist jedenfalls mehr als wider- sprüchlich, im gleichen Atemzug eine Revision der Agenda 2000, insbesondere einen Einstieg in die Kofi- nanzierung der Agrarpolitik und eine engere Abstimmung mit Frankreich zu verlangen, wo doch jeder weiß, welche Bedeutung die gemeinsame Agrarpolitik für Paris besitzt. Hier muss man behutsam vorgehen. Auch die Frage der Weiterentwicklung der europä- ischen Institutionen werden wir letztlich nur unter Einbe- ziehung des französischen Beharrens auf einer starken Exekutive beantworten können. So sehr für uns die Vor- teile eines bundesstaatlichen Modells für Europa auf der Hand liegen mögen, so sehr werden wir in der realen Welt um einen großen Kompromiss mit Frankreich in diesem Punkt nicht herumkommen. Kein Mensch kann heute vor- hersagen, wie Europa in zehn oder 15 Jahren aussehen wird. Doch lässt sich eines mit Gewissheit feststellen: Die Vollendung der europäischen Integration, die ich mir als Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft wünsche und für die sich die Bundesregierung einsetzt, kann und wird nur gelingen, wenn Frankreich und Deutschland sie zu ihrer gemeinsamen Sache machen. Hierin liegt die al- ternativlose Bedeutung des deutsch-französischen Ver- hältnisses im 21. Jahrhundert, neben der Notwendigkeit unserer guten und engen Nachbarschaft. Ohne enge europäische und transatlantische Partner- schaft ruft Deutschland allzu schnell Reserviertheit und Skepsis hervor. Dieser Partner kann bei der Vollendung der europäischen Integration für uns nur Frankreich sein. Diese Partnerschaft schloss die anderen Europäer immer ein und niemals aus. Aber unsere Geschichte verbindet uns wie keine zwei anderen Länder in Europa in gemein- samer Verantwortung für die Zukunft. Wir haben sehr un- terschiedliche Traditionen und kulturelle Prägungen und diese Unterschiedlichkeit ist zweifellos eine der Konstan- ten, die die Zeitenwende von 1989 überdauert haben. Aber die Stärken Frankreichs und Deutschlands ergänzen sich auf eine besondere, immer wieder sehr produktive Weise. Nur gemeinsam sind wir in der Lage, Europas Schwungrad auch in einer größeren Union zu sein und mit unseren anderen Freunden und Nachbarn die Integration voranzubringen. Diese Erkenntnis leitet die Politik der Bundesregierung. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mi-neralölsteuergesetzes (Tages- ordnungspunkt 12) Lydia Westrich (SPD): Zuerst einmal will ich mich bedanken, aber nicht wie üblich bei der Regierung oder den Ausschussmitgliedern. Natürlich freuen wir uns über dieses Gesetz und sind froh, dass unser fleißig sparendes Finanzministerium noch einmal 200 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat, um bei der schwierigen Situation der Landwirtschaft und der Unterglasbetriebe Hilfe zu leisten. Mein Dank gilt heute vor allem dem Zentralverband Gartenbau, der uns Abgeordnete sachlich, aber reizvoll durch eine Vielzahl von ermöglichten Besichtigungen von Unterglasbaubetrieben mit seiner Notlage vertraut ge- macht hat. Nichts prägt sich dem Gedächtnis mehr ein als die hautnahe Begegnung und Erörterung der Probleme vor Ort. Diese Aktion hat den Landesverbänden sehr viel Mühe bereitet. Ich habe mit mehreren Kollegen und Kol- leginnen gesprochen, die die Einladungen wahrgenom- men haben. Die durchweg sachliche Gesprächsatmo- sphäre gepaart mit teilweise exotischen, farbenprächtigen Pflanzenwelten direkt vor der Haustüre hat bei allen Be- suchern bleibende Eindrücke hinterlassen. Das bedeutet für den Zentralverband Gartenbau und seine Mitglieder- betriebe einmal, dass ihre schwierige Wettbewerbssitua- tion im europäischen Rahmen voll erkannt wurde und wir heute nun zusätzlich zu den bereits angelaufenen Maß- nahmen der Hilfe bei Energieeinsparungen und Betriebs- mittelhilfen 60 Millionen DM zur Minderung der Ener- giekosten zur Verfügung stellen. Die Unterglasbetriebe haben übereinstimmend erklärt: „Wir wollen nicht am Subventionstropf hängen. Wir sind selbstbewusst genug, um uns durch die Qualität unserer Züchtungen und Weiterentwicklungen der Pflanzen einen guten Stand im Wettbewerb zu erobern“. Wenn aber in den Nachbarländern Betriebe auf hohe Subventionsmittel zu- greifen und gleichzeitig die Energiekosten explodieren, sind faire Wettbewerbsbedingungen nicht mehr gewähr- leistet. Dann beginnt automatisch ein ruinöser Verdrän- gungsprozess. Und dem will die Bundesregierung, dem wollen wir Abgeordnete entgegensteuern. Mit den Programmen für Energieeinsparungen und mit dem heutigen Gesetz, das rückwirkend zum 1. Januar 2001 bewirkt, dass 8 Pfennig pro Liter bei Heizöl, 3,60 DM je Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17043 (C) (D) (A) (B) Megawattstunde bei Erdgas und 50 DM pro Tonne bei Flüssiggasen erstattet werden. Natürlich erwarten wir, dass die Verhandlungen dieser Bundesregierung auf europäischer Ebene die Wettbe- werbssituation wieder ins Gleichgewicht bringt und un- sere Unterglasgartenbaubetriebe dann – wie gewünscht subventionslos – erfolgreich ihrer Arbeit nachgehen kön- nen. Gravierende Wettbewerbsverzerrungen bei den Energiekosten im Vergleich zu den europäischen Nach- barn bringen die Landwirtschaft in Deutschland in Schwierigkeiten. Das ist vor allem ein Versäumnis der früheren Bundesregierung. Natürlich ist es einfacher, in Brüssel alles abzunicken. Und die verschiedenen Höhen der Mineralölsteuer sind ja nur ein Beispiel von vielen: Abbau von Wettbewerbs- verzerrungen, Steuerharmonisierung auf möglichst enge Bandbreite – da braucht man zähe, harte Verhandlungen, die die neue Bundesregierung endlich zum Thema auf eu- ropäischer Ebene gemacht hat. Bis sie die verlorene Zeit aufgeholt hat, um die Mitgliedstaaten auf eine Linie zu bringen, entlasten wir unsere Landwirte nochmals durch eine Senkung von 7 Pfennig pro Liter Diesel. Der Steuer- satz für den in der Land- und Forstwirtschaft verwende- ten Dieselkraftstoff beläuft sich damit auf 50 Pfennige pro Liter. Die Ökosteuer greift nun in der Landwirtschaft praktisch nicht. Damit erhöhen wir die Wettbewerbs- fähigkeit der deutschen Landwirte auf dem internationa- len wie europäischen Markt und gewinnen Zeit für Ver- handlungen auf europäischer Ebene. Dazu kommt noch ein Bündel von Maßnahmen, die mittel- und langfristig ihre positiven Wirkungen in den landwirtschaftlichen Be- trieben entfalten Erzeugung und Verwendung von Bio- Diesel, Nutzung der Möglichkeiten von Biomasse und andere. Das sind Chancen, die die Betriebe selbst ergrei- fen können. Ich habe auch bemerkt – gerade bei mir in der Region –, dass der teilweise selbst entfachte ruinöse Wettbewerb der Höfe aufgehört hat, immer größere, immer stärkere Trak- toren und Maschinen anzuschaffen. Seit Jahren weisen die Maschinenringe auf die oft unwirtschaftlichen, viel zu großen Maschinenausstattungen in den Betrieben hin. Durch die hohen Energiekosten scheinen die Appelle end- lich auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Energiespa- ren ist auch in der Landwirtschaft zum großen Thema ge- worden: Ein Fortschritt für den Umweltschutz und für die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit unserer Be- triebe. Reden wir den Standort Deutschland für die Landwirt- schaft nicht schlecht. Mit der jetzigen Änderung des Mi- neralölsteuergesetzes, das die nochmalige Senkung des Steuersatzes auf Dieselkraftstoff beinhaltet, der Biomas- severordnung und der Förderung nachwachsender Roh- stoffe geht diese Bundesregierung einen großen Schritt in die Zukunft für und mit den deutschen Landwirten. Heidemarie Wright (SPD): Das Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, das wir heute in erster Le- sung beraten und in der nächsten Sitzungswoche zum guten Ende bringen werden, ist keine Überraschung mehr. Das Bemühen und das Ringen um diese Lösung begann schon im letzten Jahr und die Landwirtschaft hat auf die- ses Bemühen vertraut und darauf, dass wir es schaffen. Mit diesem Agrardieselgesetz, das rückwirkend zum 1. Januar 2001 in Kraft tritt, reduzieren wir nicht nur die Mineralölsteuer für die Landwirtschaft um 7 Pfennig auf 50 Pfennig, sondern geben ihr hiermit auch einen festen Steuersatz, der sie unabhängig macht von weiteren Mine- ralölsteuererhöhungen. Natürlich ist damit die Begehrlichkeit der Wünsche nicht erfüllt, wohl aber die Marge der im Sinne der ge- samten Konsolidierungspolitik verkraftbaren Steueraus- fälle erreicht. Bis zum Jahre 2003 macht dies ein Volumen von 840 Millionen DM an Steuermindereinnahmen aus – weiß Gott kein Pappenstiel. Noch mal zu den Begehrlichkeiten: Natürlich steht die deutsche Landwirtschaft im Bereich der Kraftstoffpreise im Verhältnis zu ihren europäischen Mitkonkurrenten an oberer Stelle. Aber ich bitte gerade im Bereich der Ener- giepreissituation auch die für die Landwirtschaft positi- ven Entwicklungen nicht zu vergessen. Der Biodiesel – das Gold vom Acker – boomt und hat ein Volumen von rund 400 000 t erreicht. Die Landwirtschaft hat hier nicht nur einen wirtschaftlichen Anteil als Rohstoffproduzent, sondern soll künftig über die weitere Entwicklung in der Traktorenindustrie auch als Nutzer und Betreiber von Pflanzenölschleppern den Treibstoff aus der Landwirt- schaft in der Landwirtschaft einsetzen. Biogene Treib- und Schmierstoffe und ihr verstärkter Einsatz in der Landwirtschaft müssen einen sinnvollen ökologischen und ökonomischen Kreislauf bilden. Mit dem Agrardieselgesetz und der weiteren Innovati- onsförderung im Bereich der erneuerbaren Energien, zu- sammen mit dem EEG und der morgen zu behandelnden Biomasseverordnung bringen wir die Landwirtschaft in Deutschland ein prima Stück weiter. Wir sollten uns alle gemeinsam darüber freuen. Den Dank des Bauernverban- des – aktuell nochmals vorgestern in einem Präsidialge- spräch – haben wir schon angenommen und wir werden die frohe Botschaft auch in die landwirtschaftlichen Be- triebe im Lande tragen. In der letzten Woche hatte ich in meinem Wahlkreis eine Veranstaltung zur und mit der Landwirtschaft, die wie so oft sehr zwiespältig war: Auf der einen Seite Jam- mern und Negativaufzählung, auf der anderen Seite opti- mistische Stimmung und Positivfakten – wohl gemerkt je- weils von Landwirten. Die Verbraucher betrachteten dieses ebenso erstaunt wie fasziniert. Das Fazit war: Die Landwirtschaft ist besser als ihr Ruf, sie wird jedoch durch das gebetsmühlenartige Dauerjammern – und zwar seit Jahrzehnten – in ein negatives Licht gestellt. Ich denke, es muss mit dem Dauerjammern aufgehört werden. Die Chancen und Perspektiven sind zu ergreifen, um auch den Ruf der Landwirtschaft auf die positive und optimistische Seite zu bringen. Ich will jedoch den zweiten erfreulichen Punkt des Mi- neralölsteuergesetzes ansprechen: die Entlastung für den Gewächshausanbau. Für diesen Bereich konnte eine Re- duzierung der Mineralölsteuer auf Heizstoffe um 8 Pfen- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117044 (C) (D) (A) (B) nig bei Heizöl und 3,60 DM pro Megawattstunde bei Erd- gas erreicht werden. Ich sage Dank für die Solidarität in- nerhalb der Landwirtschaft, die beim Agrardiesel auf eine weitere geringfügige Absenkung zugunsten des Ge- wächshausanbaus verzichtet hat. In der Gesamtsumme geht es hier um 60 Millionen DM, die, wie ich aber mei- ne, notwendigerweise für den Gartenbau abzuzweigen waren. Der deutsche Gartenbau war wirklich in arger Be- drängnis durch die unmittelbaren Konkurrenten aus den Niederlanden, die seit Jahren durch ihre Energiepolitik ihrem Gartenbau enorme Wettbewerbsvorteile sichern. Dies führte dazu, dass die holländischen Gartenbaube- triebe teils nur ein Drittel der in Deutschland vergleichba- ren Energiekosten zu zahlen hatten. Aus diesem verdrängenden Wettbewerbsdruck muss- ten wir unseren Gartenbau herausnehmen und ihm durch die Absenkung der Mineralölsteuer Luft zum Weiterma- chen geben. Neben dem Investitionsprogramm zur Energieein- sparung und dem Liquiditätshilfsprogramm für 2000 und 2001 ist dies eine echte Hilfe und ein ordentliches Ge- samtpaket. Ein Gesamtpaket auf dem man sich jedoch nicht aus- ruhen kann, denn das Motto „weg vom Öl/Gas“ gilt und es gilt, es insbesondere die nächsten zwei Jahren zu nut- zen. Ich will als eine der Möglichkeiten des „weg vom Öl“ hier noch mal den Energieträger Holz in Form von Holz- hackschnitzel ansprechen. Bei einem Preisäquivalent von 30 Pfennig zum Liter Heizöl ist dies eine echte und dauerhafte Alternative für die Gartenbaubetriebe. Gerade die Landwirtschaft und die Gartenbaubetriebe haben unter der unterschiedlichen Energiebesteuerung in Europa zu leiden. Deshalb wird besonders aus dieser Branche die Forderung nach einer Verbesserung der Wett- bewerbssituation durch eine EU-weite Harmonisierung der Besteuerung von Dieselkraftstoffen erhoben und die diesbezüglichen Anstrengungen der Bundesregierung nachdrücklichst unterstützt. Wir sind doch nicht auf ei- nem Basar, wo ein „wer bietet weniger“ ein geeignetes In- strument europäischer Politik ist. Vielmehr sollten unsere gemeinsamen Anstrengungen der Umsetzung der Ge- meinschaftsstrategie und des Aktionsplanes erneuerbare Energiequellen gelten. Was nützen schöne Weißbücher der EU-Kommission, wenn dann jeder den anderen dumpt auf Teufel komm raus. Norbert Schindler (CDU/CSU): Die in diesem Ge- setzentwurf vorgesehene Herabsetzung des Steuersatzes für den in der Land- und Forstwirtschaft verwendeten Dieselkraftstoff in insbesondere landwirtschaftlich ge- nutzten Traktoren soll die Wettbewerbsfähigkeit im Ver- gleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten verbessern. So steht es in der Zielsetzung der Bundestagsdrucksache 14/6141. Wenn man weiß, wie sich in Österreich und vor allem in Frankreich, dem unmittelbaren großen Mitbe- werber in der Nachbarschaft, die Steuersätze bewegen – sie liegen zwischen 7 und 12 Pfennig pro Liter – ist dies wohl ein gut gemeinter, absolut dringend notwendiger, aber nur kleiner Schritt in die richtige Richtung. Dieser beseitigt aber nicht die großen finanziellen Vorbelastun- gen, die Deutschlands Landwirtschaft gegenüber den an- deren EU-Staaten hat! Soweit zur angeblichen Wettbewerbsentzerrung. Ich erinnere noch mal gerne an das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, das bei der deutschen Landwirtschaft eine Belastung von 1,1 Milliarden DM netto in Bezug auf die Ökosteuer festgestellt hat. Hier wird die deutsche Landwirtschaft netto voll getroffen und zwar aus dem Grund, weil kein Ausgleich über die Lohn- nebenkostenverrechnung möglich ist. Dazu muss auch angemerkt werden, dass die alte Gasölbeihilfe von über 850 Millionen DM, die uns 1999 wegen Wettbewerbsver- zerrungen doch ausbezahlt wurde und dann verfallen ist, mit der Ökosteuer ein Gesamtvolumen von knapp 2 Mil- liarden DM an Belastung ergibt. Jetzt von uns zu erwar- ten, dass wir wegen der Verringerung dieses Steuersatzes noch jemandem die Füße küssen sollen, oder uns für das großzügige Geschenk bedanken sollten, wäre wirklich des Guten zu viel verlangt. Es wird weiterhin vorgerechnet, dass damit eine Entlas- tung um 200 Millionen DM für uns herauskommen würde. Bei den 57 Pfennig hat dies haushälterisch tatsächlich diese Wirkung, wenn man das Kleingedruckte mitrechnet! Dass man dem Gewächshausanbau in der Gesamtberech- nung von 60 Millionen DM auch entgegenkommen will, ist zwar eine nette Geste, entspricht aber nicht, wie ur- sprünglich gewollt und versprochen, einem Steuersatz von 47 Pfennigen für alle. Die 60 Millionen DM Unterglasver- billigung schlagen mit 3 Pfennigen somit doch zu Buche. Der Steuersatz finanziert das Geld für den Unterglasbau gegen. Ich erkenne trotzdem mit Respekt an, dass dieses Gesetz endlich in die Gänge kommt. Aber es ist entschie- den zu wenig, vor allem aus vorgenannten Wettbewerbs- gründen innerhalb der EU. Dass in diesen Tagen und Wochen der „neue Weg der Agrarpolitik“ mit finanziellen Mittelumschichtungen die gesamte Debatte überlagert, war zu erwarten. Dies ist die nächste Belastungsebene, die man der deutschen Land- wirtschaft zumutet. Die Stichworte Modulation und „Cross Compliance“ bringen wiederum sehr viel Unruhe in die gesamte deutsche Agrarwirtschaft. Es rächten sich auch die von Frau Künast mit großen Worten angekün- digten Ziele. Jetzt muss sie, um einer mediengesteuerten Hysterie Rechnung zu tragen, ideologisch bedingte Ant- worten geben. Es kann und darf nicht sein, dass man berechtigte Aus- gleichszahlungen, die man der deutschen Landwirtschaft in den Agenda-Beschlüssen Berlin 1999 und zuvor in der Agrarreform 1992 versprochen und bisher gegeben hat, nun opfert, obwohl sie politisch auch vom Kabinett Schröder bestätigt wurden. Jetzt werden die Mittel um- verteilt, nur weil es einige so wollen. Um in aller Deutlichkeit nochmals in Erinnerung zu rufen: Diese Zahlungen werden derzeit deshalb geleistet, weil man den Weizenpreis von 42 DM auf 20 DM herun- tersetzte und politisch nur die Kraft hatte, die Hälfte dieses Abschlages auszugleichen. Somit sind wir heute Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17045 (C) (D) (A) (B) schon in der Situation, dass Getreideproduktion nur noch Geldwechseln darstellt. Die Hofnachfolgefrage in allen Bundesländern gibt ein deutliches Spiegelbild über die Perspektiven, die sich po- litisch auftun. Gehen Sie einmal in die Fach- und Berufs- schulen und fragen nach dem landwirtschaftlichen Nach- wuchs: Es gibt so gut wie keinen mehr! Ich mache mir große Sorgen um die umfassende Bewirtschaftung unse- rer landwirtschaftlichen Flächen. Aber scheinbar ist es politisch absolut gewollt, dass man versucht, den neuen agrarischen Weg ausschließlich aus dem eigenen Fleisch der Agraretats zu schneiden. Herr Bundeskanzler Schröder, Frau Ministerin Künast, wer will, dass mehr Ökobetriebe in die Lage versetzt wer- den, Nahrungsmittelangebote zu erzeugen, darf, soll und muss diese unterstützen. Dafür haben Sie auch meine per- sönliche Unterstützung. Aber es darf nicht auf Kosten der übrigen Berufskollegen durch Mittelumschichtung, wie derzeit diskutiert, geschehen. Wie dabei auch die Kofinanzierungsmittel des Bundes und der Länder bereitgestellt werden können oder dürfen, fragen wir am besten die Finanzminister aller Couleur. Man muss schon ins Kleingedruckte der EU-Agendaver- träge schauen, um zu wissen, was Sache ist und welche Möglichkeiten wir haben. Auch wehre ich mich bei dieser Diskussion gegen die Schlechterstellung und Verteufelung des bisherigen land- wirtschaftlichen Nahrungsmittelerzeugung. Deutschlands Bevölkerung wird alle fünf Jahre im Durchschnitt ein Jahr älter. Das hängt nicht nur damit zu- sammen, dass ich in meinen Geburtstagswünschen jedem ein langes Leben wünsche, sondern natürlich mit gutem Weintrinken und Essen aus deutschen Landen. Oder gibt es andere Gründe? In den zuletzt genannten Punkten werden wir in den nächsten Wochen und Monaten mit Sicherheit sehr inten- sive Debatten führen. Zur energiepolitischen Kurskorrek- tur, sprich zur Ökosteuer, ist das Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes nur ein kleiner Schritt in die rich- tige Richtung. Die Ökosteuer im jetzigen Rechtszustand und die Verwendung der damit vereinnahmten Steuergel- der hat ja mit ordnungspolitischem Lenken im eigentli- chen Sinn überhaupt nichts zu tun. Allein deshalb war die Ökosteuer von Anfang an ein Vortäuschen falscher Tatsa- chen. Ich biete Wetten an, dass wir im Sommer und im Herbst bei Benzinpreisen von DM 2,50 und darüber auch bei den Regierungsparteien eine herrliche Diskussion über die Ökosteuer bekommen werden. Dann muss auch dieses Gesetz wieder auf den Prüfstand, weil Dieselöl ebenfalls massiv im Preis ansteigen wird. Dass ich zu so später Stunde und wegen meines gerin- gen Kontingents nicht eine Generalabrechnung machen kann, tut mir deshalb Leid. Über die beiden letzten Jahre der Agrar- und vor allem der Landwirtschaftssteuerpolitik dieser Regierung wäre einiges zu sagen, was aber leider so nicht möglich ist. In der zweiten und dritten Lesung wird das gesamte Thema von mir sicherlich nochmals aufgerollt. Bis dahin wünsche ich Ihnen – hier spreche ich vor allem die Herr- schaften der Koalition an – gute Gedanken nicht nur beim Thema Agrardiesel, sondern auch bei allen von mir noch angesprochenen agrarpolitischen Themen. Zeigen Sie Vernunft in der künftigen Agrarpolitik! Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Preisanstieg beim Diesel, verursacht durch gestiegene Rohölpreise und den starken Dollar, hat im Verlaufe des letzten Jahres die Landwirtschaft überdurchschnittlich be- lastet. Die Landwirtschaft kann im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen aufgrund der spezifischen Marktor- ganisation die Energieverteuerung nicht an den Markt weitergeben. Eine untragbare Wettbewerbsverzerrung kommt da- durch zustande, dass die EU-Nachbarländer die Energie- preise massiv heruntersubventionieren, mit der Kon- sequenz, dass der Treibstoff durch unterschiedliche Besteuerung zeitweise bis zu 1 DM pro Liter billiger als in Deutschland gehalten wird. Noch schlimmer sieht die Wettbewerbsverzerrung im Gartenbau, aus. Ergebnis: Wir haben in der EU einen gemeinsamen Agrarmarkt mit har- monisierten Erzeugerpreisen und EU-Ausgleichszahlun- gen, aber mit unterschiedlichen Kostenbelastungen. Der Bundestag hat sich zügig dieses Problems ange- nommen und trotz knapper Kassen und allgemeinen Spar- zwangs eine schnelle Unterstützung beschlossen. Seit An- fang 2001 gilt das neue Agrardieselgesetz. Heute beschließen wir weitere Verbesserungen für die Land- wirtschaft und den Gartenbau weil die anhaltende Wett- bewerbsverzerrung dies nötig macht. Die Unterstützung für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft in diesem Be- reich summiert sich damit bis 2003 auf über 2,3 Milliar- den DM. Aber wir haben diesen Systemwechsel weg von der Gasölbeihilfe hin zu einem eigenen Agrardieselsteuersatz nicht aus der gerade beschriebenen aktuellen Situation he- raus gemacht. Wir haben den Agrardiesel eingeführt, weil wir davon überzeugt sind, dass der Ersatz der alten Gasöl- beihilfe überfällig war: weniger Bürokratie, direktere Un- terstützung statt Rückerstattung. Die Einführung eines dritten Steuersatzes für Agrardiesel, der zwischen dem für stationären Verbrauch in der Produktion und dem für Straßenverkehr liegt, ist gerechtfertigt, weil die mobilen landwirtschaftlichen Maschinen in der Regel genau dies sind: Produktionsmittel, die auch – aber nur wenig – die öffentlichen Straßen benutzen und abnutzen. Insofern passt die neue Regelung in die Logik unserer Steuersyste- matik. Die Gasölbeihilfe tat dies nicht. Sie hafte zudem den Nachteil, innovationshemmend auf die Entwicklung und den Einsatz alternativer Treibstoffe zu wirken. Das haben wir jetzt geändert. Die deutsche Agrarpolitik stellt – zu Recht – hohe An- forderungen an die landwirtschaftliche Produktion in Sa- chen Lebensmittelsicherheit und -qualität, Tierschutz, Natur- und Umweltschutz. Nicht zuletzt sind für uns die Landwirte Träger der Energiewende und künftige Öko- bauern. Dazu benötigen wir eine ökonomisch lebens- fähige Landwirtschaft, die Möglichkeiten hat, in Zu- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117046 (C) (D) (A) (B) kunftstechnologien zu investieren. Mittelfristig wollen wir weg von der Abhängigkeit vom Mineralöl. Wir haben dazu ein Förderprogramm „Biogene Treibstoffe“ aufge- legt. Bis serienreife auf Rapsölbasis betriebene landwirt- schaftliche Maschinen zur Verfügung stehen, werden aber noch zwei bis vier Jahre vergehen. Bis dahin hat der Agrardiesel die wichtige Funktion, die Wettbewerbs- fähigkeit der Landwirte zu erhalten. Wir entscheiden heute auch über bedeutende Verbesse- rungen für den Gartenbau. Mit insgesamt 60 Millionen DM pro Jahr sollen die Energiekosten für den Unterglas- anbau wettbewerbsfähiger gestaltet werden. Damit und mit den Energiesparprogrammen hat die Bundesregierung effektiv zum Erhalt des deutschen Gartenbaus beigetra- gen. Da die eigentlichen Probleme für Landwirtschaft und Gartenbau nicht die objektiv hohen Belastungen und Energiepreise sind, sondern die verzerrten Wettbewerbs- bedingungen in Vergleich zu den Nachbarländern, muss dieses Problem auch auf der EU-Ebene gelöst werden. Diese Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU – die im Übrigen von der alten Bundesregierung immer geduldet bzw. mitbeschlossen wurde – ist nicht weiter hinnehmbar. Um die Wettbewerbsbedingungen zu nivellieren, muss die Europäische Kommission handeln und für einheitli- che Wettbewerbsbedingungen sorgen. Hier ist in der Ver- gangenheit eine Entwicklung verschlafen worden. Die CDU/F.D.P.-Bundesregierung hat nichts getan, um in der EU vergleichbare Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Im Gegenteil, sie hat die massive Subventionierung des niederländischen Erdgases für den Gartenbau noch unter- stützt. Die rot-grüne Bundesregierung setzt sich unmiss- verständlich und vehement dafür ein, dass es endlich zu einer Harmonisierung der Energiebesteuerung in der EU kommt. Marita Sehn (F.D.P.):Wenn regional erste Wahl sein soll, dann müsste das doch eigentlich heißen, dass die re- gionale, sprich einheimische Landwirtschaft, gestärkt werden soll. Die logische Schlussfolgerung wäre eigent- lich, dass die Politik dafür sorgt, dass die deutsche Land- wirtschaft die gleichen Produktionsbedingungen hat wie ihre europäische Konkurrenz. Wenn regional wirklich erste Wahl für die Politik wäre, dann müssten die deut- schen Landwirte nicht mehr für Energie bezahlen als ihre europäischen Kollegen. Aber ist es denn auch wirklich so? Zahlt der deutsche Bauer nicht mehr für seinen Diesel als der französische und muss der deutsche Gartenbaubetrieb tatsächlich nicht mehr für sein Heizöl bezahlen als der niederländische? Ich denke, Sie alle kennen die Antwort. Regional ist erste Wahl, das ist die Theorie. Unter- schiedliche Wettbewerbsbedingungen in der Europä- ischen Union, das ist die Realität. Wer die deutsche Land- wirtschaft mit immer neuen Auflagen belastet, der macht sich zum Exportgehilfen für die europäische Konkurrenz. Vielleicht darf ich Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsbank, daran erinnern: Versprochen hatten Sie eine Absenkung auf 47 Pfennig pro Liter. Bei dieser Regierung ist es schon eine traurige Gewohnheit gewor- den: Die meisten Versprechen bleiben Versprecher. Die F.D.P. wird diesen politischen Gedächtnisschwund nicht einfach hinnehmen und Sie immer wieder an ihre Versprechungen erinnern. Wer die ganze Hand verspro- chen hat, der kann schließlich nicht nur den kleinen Fin- ger anbieten. Aber vielleicht hat die Regierung aufgrund ihres chro- nisch schlechten Gedächtnisses es bereits vergessen: Bis Ende 1999 zahlten die Landwirte eine Steuer von 27 Pfen- nig pro Liter Diesel. Mit der Ablösung der Gasölbeihilfe durch die Agrar- dieselregelung erhöhten sich die Kosten für die Land- wirte auf 57 Pfennige pro Liter. Auch eine Agrarwende. In Anbetracht der gestiegenen Rohölpreise hatte der damalige Landwirtschaftsminister Funke den Landwirten im Oktober 2000 eine Absenkung auf 47 Pfennige pro Li- ter versprochen. Diese Forderung wurde auch von der SPD-Fraktion mitgetragen. Herr Funke und die SPD sind aber am entschiedenen Widerstand von Herrn Berninger gescheitert. Mittlerweile haben wir Mai, Herr Funke genießt sei- nen wohlverdienten Ruhestand, Herr Berninger ist Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium und erst jetzt senkt die Regierung die Steuer auf den Agrardiesel auf 50 Pfennige ab. Aber: Bei 47 Pfennigen pro Liter liegt die Meßlatte und nicht bei 50 Pfennigen. Sie sollten eines nicht vergessen: Es geht hier nicht um Geld, welches Sie der Landwirtschaft geben, sondern da- rum, ihr weniger zu nehmen. Wenn die Regierung es ernst meint mit „Regional ist erste Wahl“, dann ist es unlogisch, gerade die heimische Landwirtschaft immer stärker zu be- lasten. Bei dieser Politik zählt nicht nur die Landwirtschaft zu den Verlierern, sondern auch die Verbraucher. Statt si- chere Lebensmittel von deutschen Bauern werden durch diese Politik Lebensmittelimporte gefördert. Auch aus Ländern, wo das Künastsche Reinheitsgebot der Rind- viehhaltung unbekannt ist. „In unsere Kühe kommt nur Getreide, Gras und Was- ser!“, so weit so gut, aber was ist mit denen in Neuseeland, in Amerika, in Osteuropa oder in den anderen EU-Län- dern? Kersten Naumann (PDS): „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“, so könnte das Motto der Aktion der Bundesregierung lauten. Nachdem Mitte April der Kabinettsbeschluss des heute vorliegenden Entwurfs zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes, insbesondere die rückwirkende Senkung des Steuersatzes von 57 auf 50 Pfennig je Liter Agrardiesel, bekannt wurde, erntete die Bundesregierung keinen Beifall von den Bäuerinnen und Bauern. Das große Aufatmen der Betroffenen nach dem Motto „Nun ist es doch nicht so schlimm gekommen“ blieb aus, da sich die Landwirte veralbert fühlen mussten, als die Korrektur als Absenkung der Agrardieselsteuer vollmun- dig verkündet wurde. Die Realität ist doch, dass erstens noch immer ein Anstieg von 29 Pfennig je Liter gegen- über dem bis Anfang 1999 geltenden Nettosteuersatz von 21 Pfennig kostenseitig zu schultern ist, und dass zweitens Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17047 (C) (D) (A) (B) die 50 Pfennig je Liter einen gravierenden Wettbewerbs- nachteil in EU-Europa darstellen, wo es immerhin Mine- ralölsteuersätze von beispielsweise Null in Dänemark, 5 Pfennig in Frankreich oder 10 Pfennig in Großbritan- nien gibt. So habe ich mir – das gilt sicherlich auch für die Landwirte – die Umsetzung der Forderung nach Schritten zur europäischen Steuerharmonisierung nicht vorgestellt. Die Agrardieselregelung kann man nicht losgelöst von anderen Bedingungen beurteilen. Immerhin ist die Situa- tion für die Landwirte derzeit schwierig. Insbesondere wegen der großen BSE-bedingten Einkommensausfälle bei Rind, zu denen täglich neue Einbußen hinzu kommen. Auf der anderen Seite verhehle ich nicht eine bestimmte Genugtuung. Die PDS-Fraktion hatte als einzige in das parlamentarische Verfahren zum Agrardieselgesetz einen Änderungsantrag eingebracht. Wir wollten 47 Pfennig je Liter Agrardiesel, also 10 Pfennig weniger, was einem Entlastungsvolumen von 200 Millionen DM entsprochen hätte. Im vorliegenden Änderungsentwurf geht es ebenfalls um 200 Millionen DM. Allerdings entfallen nur 140 Mil- lionen DM auf Agrardiesel; 60 Millionen sollen dem Un- terglasgartenbau zur Verfügung stehen. Letzteres hatte ich mir als gesonderte Lösung vorgestellt. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass am 16. November vorigen Jah- res, dem Tage der Verabschiedung des Gesetzes, bereits allen Beteiligten – Koalition wie Opposition – klar war, dass die 57 Pfennig nicht zu halten sind. Selbst der dama- lige Bundesminister Funke sagte in der Debatte unter Be- zugnahme auf meine Ausführungen – ich zitiere –: „Als wir das Agrardieselgesetz debattierten, hätten wir andere Schwerpunkte setzten müssen, wenn wir gewusst hätten, dass sich angesichts der Marktverhältnisse im Energie- sektor andere Bedingungen stellten.“ Er kündigte bereits zur Verabschiedung des Gesetzes dessen Korrektur an. Ich bin davon überzeugt, sie wäre bereits damals möglich gewesen. Wenigstens diesmal sollte bis zu Ende gedacht werden. Das wäre im Interesse der Landwirtschaft und der Politik. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge – FairerWettbewerb bei Basel II – Basel II – Belange des Mittelstandes wahren – FairerWettbewerb bei Basel II – Neufassung der Basler Eigenkapitalvereinbarung und Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (Tagesordnungspunkt 13 und Zusatzpunkte 10 und 11) Klaus Lennartz (SPD): In den letzten Wochen und Monaten gingen im Zusammenhang mit der Baseler Ei- genkapitalvereinbarung folgende Schlagworte durch die Wirtschaftspresse: Mittelständler werden abserviert; Pis- tole auf der Brust des Mittelstandes; Kreditvergabe an den Mittelstand auf dem Prüfstand oder: Geschäftsbanken ziehen sich aus der Fläche zurück, um sich auf Großkun- den und innovative Unternehmen guter Bonität zu kon- zentrieren. In der Tat: Die Baseler Eigenkapitalvereinbarung darf nicht zu einer Benachteiligung bewährter deutscher Wirt- schaftstrukturen führen, die mittelständisch, dezentral und damit letztlich deutlich weniger krisenanfällig als an- dere sind. Die Überlegungen des Baseler Ausschusses sind grundsätzlich gut und ausdrücklich zu unterstützen: Risi- koreicher Kredit soll von den Kreditinstituten stärker mit Eigenkapital unterlegt werden als risikoarmer Kredit. Aber: Neue Wirklichkeiten schaffen, das heißt auch, die tatsächlichen Wirklichkeiten nicht zu ignorieren. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen: Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer heimischen Wirtschaft. Ihn gilt es vor übertriebenem Regulierungswahn und übersteigerter Risikovorsorge zu schützen. Über 70 Prozent aller Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also 24,5 Millionen, sind bei kleinen und mittelständischen Betrieben beschäf- tigt. In mittelständischen Betrieben und im Handwerk werden Jahr für Jahr Hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen. Kleine und mittlere Unternehmen machen über 90 Prozent der Betriebe aus. 80 Prozent aller Lehr- linge werden in kleinen und mittelständischen Unterneh- men ausgebildet. Kleine und mittelständische Betriebe sind in vielen Bereichen flexibler, innovativer und enga- gierter als Global Players. Diese Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie verdienen unsere volle Unterstützung – nicht in Sonntagsreden, sondern in der konkreten Tat. Die Schattenseite des Mittelstandes ist mit Blick auf Basel II seine vergleichsweise geringe Kapitalausstat- tung. Während die durchschnittliche Eigenkapitalquote in Deutschland zwischen 10 und 20 Prozent liegt, beträgt sie in den USA 50 Prozent, in Frankreich über 30 Prozent, in angelsächsischen Unternehmen 35 bis 40 Prozent und in Spanien über 40 Prozent. Für Investitionen aus eigener Kraft bleibt da kein Spielraum. Der Weg zur Bank ist für die meisten Betriebe bei uns lebensnotwendig. Ausdrücklich ist daher den deutschen Verhandlungs- führern zu Basel II zu danken. Es ist ihnen gelungen, zu einer Reihe von Regelungen eine Verständigung herbei- zuführen, die insbesondere für den deutschen Mittelstand erhebliche Bedeutung haben. Dies ist vor allem die Einführung eines auf bankinterne Ratings gestützten Ansatzes. Er erlaubt es der Hausbank eines mittelständischen Unternehmens, eben neben der reinen Bewertung quantitativer Faktoren, wie der Eigen- kapitalquote, auch qualitative Aspekte zu berücksich- tigen. Über das von vielen Banken und vor allem Spar- kassen gelebte Beziehungsbanking können so objektive Daten zum Unternehmer, seinen Planungen und Produk- ten in das interne Rating einfließen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117048 (C) (D) (A) (B) Ein Erfolg der Verhandlungsführer ist nicht minder die nur 50-prozentige Anrechnung des gewerblichen Real- kredites sowie Sonderregelungen für die Anrechnung von Kreditrisiken aus Geschäften mit Privatkunden. Die vorgeschlagenen Regelungen weisen allerdings im Detail noch eine Vielzahl von Fragen auf. Wichtige Sach- verhalte sind ungeklärt, die zur abschließenden Beurtei- lung der Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Kreditinstitute und deren Kreditnehmer von Bedeutung sind. In einigen zentralen Punkten besteht sogar die Ge- fahr, dass die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 8. Juni letzten Jahres unterlaufen wird. Das darf nicht sein. Es muss unbedingt vermieden werden, die Kredit- vergabe an mittelständische Unternehmen erheblich zu verteuern und möglicherweise sogar zu gefährden. So ist zunächst sicherzustellen, dass für langfristige Kredite kein überteuerter Zinssatz eingeführt wird. Der langfristige Kredit ist ein wesentlicher Eckpfeiler der be- währten Finanzierungskultur in Deutschland. In Deutsch- land haben über 50 Prozent aller Handwerksbetriebe mit- tel- bis langfristige Kredite aufgenommen. Die Forderung von Basel, langfristige Kredite mit dem Sechsfachen an Eigenkapital zu hinterlegen, ist völlig in- akzeptabel. Welcher Mittelständler kann es sich schon leisten, für langfristige Kredite bis zu 15 Prozent an Zin- sen zu zahlen. Eine hohe Eigenkapitalunterlegung lang- fristiger Kredite nimmt den Unternehmen die günstige und stabilisierende langfristige Finanzierungsmöglich- keit. Auch bei den Gewichtungssätzen ist eine strukturelle Benachteiligung des Mittelstandes zu vermeiden. Eine dynamische Entwicklung der deutschen Wirtschaft setzt ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten zu angemesse- nen Konditionen voraus. Hier schließe ich ganz besonders Existenzgründer mit ein. Deshalb müssen kleinere Ge- werbekunden und Existenzgründer ebenso wie die Privat- kunden behandelt werden und in separaten Portfolien, Retail, zusammengeführt werden, um von einer niedrigen Eigenkapitalanforderung und damit günstigeren Kondi- tionen zu profitieren. Die Absicht des Baseler Ausschusses, Sicherheiten stärker als bisher bei der aufsichtsrechtlichen Eigenkapi- talbestimmung zu berücksichtigen, wird von der Kredit- wirtschaft ausdrücklich begrüßt. Allerdings ist der Kreis der anrechnungsfähigen Sicherheiten sehr eng gesteckt. Die Vorschläge spiegeln das mittelständische Kreditge- schäft nur unzureichend wider. Deshalb ist zu fordern, den Kreis der anrechnungsfähigen Sicherheiten auf sämtliche banküblichen Sicherheiten, wie beispielsweise Mobiliar- sicherheiten und Grundpfandrechte, zu erweitern. Die Verhandlungen des Baseler Ausschusses für Ban- kenaufsicht scheinen bei flüchtiger Betrachtung eher für eine begrenzte Expertenrunde als für eine breite politische Diskussion geeignet zu sein. Ein trügerischer Eindruck – und ein fataler hinzu. Hinter 500 eng beschriebenen Sei- ten von Papier liegt jede Menge Sprengstoff, der insbe- sondere den deutschen Mittelstand und das Kreditwesen torpediert. Die Zündschnüre, die in Basel bei der Neufassung der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute gelegt wer- den, glimmen bereits. Es muss unsere Aufgabe sein, diese auszutreten – im Interesse von Mittelstand, Handel, Hand- werk und Gewerbe. Ich bin daher allen Fraktionen des Deutschen Bundes- tages äußerst dankbar, dass diese Entschließung gemein- sam getragen wird. Sie stellt einen weiteren Schritt zur Si- cherung unseres Wohlstandes dar und unterstützt die Regierung in der Durchsetzung legitimer deutscher Inte- ressen in den internationalen Verhandlungen. Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Mit dem gemeinsa- men Antrag vom 31. Mai 2001 – Drucksache 14/6196 – der Fraktionen im Finanzausschuss liegt unser gemeinsa- mes Beratungsergebnis zu den weiteren Beratungen im Baseler Ausschuss vor. Das Ergebnis der gemeinsamen Beratungen hat aber auch eine Vorgeschichte, die hier nicht unerwähnt bleiben darf: Nur aufgrund der Initiative der CDU/CSU-Fraktion und unseres Antrages vom 15. Mai 2001 – Drucksache 14/6049 – haben wir es er- möglicht, dass noch zeitnah vor Ende der Konsultations- frist – also noch vor dem 31. Mai 2001 – mit den Fach- leuten des Zentralen Kreditausschusses, den Vertretern der Bundesbank und Vertretern des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen wichtige Beratungsgespräche geführt wurden. In der gemeinsamen Sitzung des Finanzausschusses vom 16. Mai 2001 mit den Vertretern des Zentralen Kre- ditausschusses wäre diese Thematik sonst nicht proble- matisiert worden und die Grundlage für unser heutiges gemeinsames Verhandlungsergebnis nicht geschaffen worden. Nach der ursprünglichen Terminplanung wäre dies womöglich erst in der Sitzung am 30. Mai 2001 zur Sprache gekommen. Auch die Vorsitzende des Finanzausschusses, Frau Kollegin Scheel, wollte dieses Thema zunächst erst in der Sitzung am 30. Mai 2001 behandeln. Daher ist auch er- klärbar, warum die Frau Vorsitzende die Einbringung un- seres Antrages „Fairer Wettbewerb bei Basel II“ – Druck- sache 14/6049 vom 15. Mai 2001 – in der Sitzung des Finanzausschusses am 16. Mai 2001 zu unterlaufen suchte. In Erinnerung zu rufen ist unsere gemeinsame Entschließung vom 7. Juni 2000 – Drucksache 14/35231 –, mit der es uns gelungen ist, über die Verhandlungsführer wichtige Punkte bereits positiv umzusetzen. Als Beispiele sind hier zu nennen: die Einführung eines gleichwertigen bankinternen Ratings, welches die Ermittlung der Eigen- kapitalanforderungen für das Kreditrisiko erleichtert; die Festlegung des ermäßigten Gewichtungssatzes in Höhe von 50 Prozent für den gewerblichen Realkredit; die Festlegung eines festen Zeitpunktes für ein einheitlich weltweites In-Kraft-Treten der neuen Standards; die Berücksichtigung verminderter Kreditrisiken bei Kredit- geschäften mit Privatkunden, die die Festsetzung ange- messen niedriger Anrechnungssätze für Kredite an Hand- werksbetriebe und andere Kleinbetriebe zur Folge hat. Die deutschen Bankenaufsichtsvertreter konnten in Basel auch diese wichtigen Punkte aus der Entschließung des Bundestages vom 8. Juni 2000 in den Verhandlungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17049 (C) (D) (A) (B) durchsetzen. Dies sind wichtige Voraussetzungen, damit die Kreditversorgung der deutschen Wirtschaft, insbeson- dere der mittelständischen Unternehmen, weiterhin gesi- chert ist. Zu Beginn des Jahres 2001 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ein zweites Konsultationspapier mit Frist zur Stellungnahme bis 31. Mai 2001 herausgegeben. In diesem mehr als fünfhundertseitigen „Umsetzungs- papier“ stellte sich heraus, dass wichtige Punkte der ge- meinsamen Entschließung teilweise unterlaufen werden; außerdem kamen zwischenzeitlich neue Problemstellun- gen hinzu. Ferner sollten laut „Umsetzungspapier“ Be- rechnungen erfolgen, für die es zurzeit noch keine kon- kreten Handlungsanweisungen gibt. Der Bankenausschuss hat wiederholt betont, dass sich die neue Eigenkapitalvereinbarung insgesamt kapitalneu- tral auswirken soll, das heißt, dass die durchschnittlichen Kapitalanforderungen nicht sinken, aber auch nicht stei- gen sollen; erwartete Einsparungen im Kreditrisikobe- reich sollen durch Kapitalunterlegung für operationelle Risiken als Ausgleich dienen. Parallel hierzu hat auch die EU-Kommission am 5. Februar 2001 ihrerseits ein zwei- tes Konsultationspapier zur Stellungnahme vorgelegt. Die Vorschläge aus dem Baseler Ausschuss vom 16. Januar 2001 verlangen in einigen Punkten unsere besondere Auf- merksamkeit. Deshalb haben wir im vorliegenden ge- meinsamen Antrag die Bundesregierung ersucht, sicher- zustellen, dass diese Forderungen in allen internationalen Verhandlungen zu den Eigenkapitalrichtlinien des Base- ler Ausschusses für die Bankenaufsicht und bei der Über- nahme dieser Richtlinien durch die EU-Kommission um- gesetzt werden. Die einseitigen Benachteiligungen und Belastungen für die mittelständischen Unternehmen müs- sen verhindert werden und die Chancengleichheit im Wettbewerb zwischen den nationalen Kreditinstituten un- tereinander sowie im Verhältnis zu den international täti- gen Kreditinstituten muss aufrechterhalten werden. Um dies sicherzustellen, stellen wir folgende Forderungen im Einzelnen: Erstens. Bei der Festlegung der Risikogewichtung darf es zu keiner generellen Erhöhung der Eigenkapitalbelas- tung für die deutschen Kreditinstitute kommen, die insbe- sondere auch durch risikoinadäquate Kapitalanforderun- gen für operationelle Risiken verursacht werden. Eine Ursache für die hohen relativen Risikogewichte ist, dass bei deren Festlegung der Baseler Ausschuss für Banken- aufsicht von der Vorstellung ausgeht, mit bankaufsichtlich vorgegebenem Eigenkapital müssten nicht nur die uner- warteten, vielmehr auch die erwarteten Verluste aus Kre- diten unterlegt werden. Weiterhin hat diese Erhöhung auch zur Folge, dass mittelständische Unternehmen in Deutschland unangemessen benachteiligt würden und so- wohl im nationalen als auch im internationalen Wettbe- werb Nachteile erführen. Zweitens. Die Übergangsfristen in Bezug auf die Min- destanforderungen für die gleichberechtigte Anwendung interner Ratingverfahren sollte flexibler gefasst und so ausgestaltet werden, dass sie allen Bankengruppen eine faire und realistische Chance bieten, von den Vorteilen der neuen Regelungen zu profitieren. Allein diese flexiblere Anwendung garantiert die Chancengleichheit aller Bankengruppen bei der Schaf- fung von Risikokontrollsystemen durch den Aufbau von Datensammlungen. Das sehr komplexe Kreditvergabewe- sen in Deutschland erfordert lange Übergangsfristen für die Schaffung dieser Datenbasen. Drittens. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht sollte von der Forderung Abstand nehmen, dass für Kre- dite mit einer längeren Laufzeit eine höhere Eigenkapital- unterlegung vonnöten sein solle als für Kredite mit kurzer Laufzeit. Wir als CDU/CSU-Fraktion konnten uns leider nicht durchsetzen, das Wort „unangemessen“ in Bezug auf den Malus zu streichen. Wir wolten verdeutlichen, dass kein Malus in Frage kommt. Zurzeit diskutiert man in Basel Eigenkapital-Unterle- gungen für diesen Bereich von 1,2- bis zum 6fachen. Dies sind für die deutschen Finanzierungsstrukturen gerade der mittelständischen Unternehmen unakzeptable Bedingun- gen. Sollte dies dennoch kommen, würden insbesondere die deutschen mittelständischen Unternehmen benachtei- ligt werden, die schon immer den langfristigen Kredit als Folge einer weitsichtigen Unternehmenspolitik bevorzugt haben. Langfristige Kredite tragen aufgrund ihrer verläss- licheren Kalkulierbarkeit wesentlich zur Stabilisierung bei. Viertens. Bei der Berechnung der Eigenkapitalunterle- gung sollten wichtige Kreditbesicherungsinstrumente des deutschen Mittelstandes risikomindernd anerkannt wer- den – so etwa die Sicherungsübereignung und die Bestel- lung eines Grundpfandrechtes bei einem Betriebsmittel- oder Investitionskredit und die Abtretung der Ansprüche aus Kapitallebensversicherungsverträgen bei Personen- unternehmen. Fünftens. Bei der Verwendung des internen Ratingver- fahrens darf der Besitz von Aktien und die Beteiligung von Banken an dritten Unternehmen nicht als ein deutlich höheres Risiko eingestuft werden als ein Kredit an dieses Unternehmen. Andernfalls würden gerade junge Mittel- standsunternehmen im Wettbewerb benachteiligt, weil gerade Existenzgründer oft ihre Finanzierung durch Be- reitstellung dieses Wagniskapitals sichern. Der Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, dass der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht nach seinem für die künftige Eigenkapi- tal-Unterlegungen wichtigen Treffen im Oktober 2001 eine weitere Konsultation durchführt, wurde leider nicht aufgenommen. In dem gemeinsamen Antrag konnten wir jedoch erreichen, dass der Deutsche Bundestag die Bun- desregierung gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank ersucht, dass der Finanz- und der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, das Kreditgewerbe und die Wirtschaft vor der deutschen Zustimmung zu der beab- sichtigten Vereinbarung die Möglichkeit zur Stellung- nahme erhalten. Die Diskussion über Basel II wird bis zu deren Unter- zeichnung ein weiterer permanenter Diskussionsprozess bleiben, deshalb auch diese Forderung an die Bundesre- gierung. Mit diesem gemeinsamen Antrag sind die Forde- rungen der deutschen Seite für die Verhandlungsführer eindeutig formuliert mit der Bitte, die Umsetzung dieser Punkte bei den Verhandlungen sicherzustellen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117050 (C) (D) (A) (B) Hiermit haben die Verhandlungsführer eine gute Ver- handlungsposition, da das deutsche Parlament hinter die- sen Forderungen steht. Gleichzeitig bietet auch der Passus „mit dem Sicherstellen der Forderung“ die Möglichkeit, für die Verhandlungsführer, bei Nichterreichung unserer gemeinsamen Position vom Vetorecht Gebrauch zu ma- chen. Denn unsere Forderung ist: Fairer Wettbewerb bei Ba- sel II. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich freue mich, dass sich alle Fraktionen auf einen gemeinsa- men Antrag zum zweiten Konsultationspapier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zur Neuregelung der an- gemessenen Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten (kurz: Basel II) verständigt haben. Diese parlamentari- sche Einigung soll helfen, die deutschen Positionen im in- ternationalen Dialog zu stärken. Die Baseler Bank für In- ternationalen Zahlungsausgleich (BIZ) will mit diesem internationalen Konsultationsprozess die Bedingungen für das Kreditgeschäft von Banken neu regeln. Diese dann international gültigen Eigenkapitalanforderungen für Banken sollen einen Beitrag zur Stabilisierung der inter- nationalen Finanzarchitektur leisten. Die Regeln sollen im Jahr 2004 international in Kraft treten. Im Grundsatz müssen Banken höhere Risiken bei der Einräumung von Krediten für Unternehmen dann mit mehr Eigenkapital absichern. Am Konsultationsprozess haben in Deutsch- land alle relevanten Verbände der Kreditwirtschaft und der Kredit nehmenden Wirtschaft teilgenommen und wer- den auch bis zur abschließenden Beratung weiter beteiligt werden. Wir haben uns im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages wiederholt mit dem Thema auseinander ge- setzt und dabei eine gemeinsame Formulierung verein- bart. Diese ist Gegenstand der heutigen Beschlussfas- sung, die dem Bundestag vorliegt. Gewissermaßen als Fortsetzung der Stellungnahme vom Juni des letzten Jah- res werden im jetzigen Entschließungsantrag die Fort- schritte im internationalen Konsultationsprozess begrüßt. Dazu zählen die Einführung eines auf bankinterne Ra- tings gestützten einfachen Ansatzes zur Ermittlung der Ei- genkapitalanforderungen für das Kreditrisiko, die Festle- gung des ermäßigten Gewichtungssatzes in Höhe von 50 Prozent für den gewerblichen Realkredit, die Berück- sichtigung verminderter Kreditrisiken beim Kreditge- schäft mit Privatkunden im Rahmen der auf bankinterne Ratings gestützten Ansätze und damit die Schaffung einer wesentlichen Voraussetzung für die Festsetzung ange- messen niedriger Anrechnungssätze für Kredite auch an Handwerksbetriebe und Kleinbetriebe des Mittelstandes sowie eine Festlegung eines festen Zeitpunktes für ein einheitlich weltweites In-Kraft-Treten der neuen Stan- dards. Dieser Zwischenerfolg im Rahmen des Verhandlungs- prozesses ist sicherlich ein Ergebnis gemeinsamer An- strengungen im internationalen Dialog. Dabei will der Deutsche Bundestag aber nicht stehen bleiben, sondern richtet an den vor uns liegenden Teil des Konsultations- prozesses einige wichtige Anforderungen. Derzeit werden unter Beteiligung von rund 50 Privatbanken, Sparkassen und Landesbanken sowie Kreditgenossenschaften unter Betreuung der Deutschen Bundesbank Daten erhoben und zusammengestellt für die so genannten „country reports“. Im Spätsommer 2001 werden diese Ergebnisse den Mit- gliedern des Baseler Ausschusses vorgelegt. Erst auf die- ser Datengrundlage sind Abschätzungen über die verän- derten Eigenkapitalanforderungen und damit auch Kreditkosten möglich. Die bislang vorliegenden Konsul- tationspapiere enthalten noch keine endgültigen Festle- gungen für die Anrechnungsgrundsätze für die Kapitalun- terlegung des Kreditrisikos bei Anwendung der auf bankinterne Ratings gestützten Ansätze. Deshalb ist aus Perspektive des Bundestages sicherzu- stellen, dass die endgültige Struktur der Gewichtungs- sätze bei der Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das Kreditrisiko im Rahmen der auf bankinterne Ra- tings gestützten Ansätze und die Anrechnungssätze für operationelle Risiken so ausgestaltet sind, dass risiko- überzeichnende Eigenkapitalanforderungen und damit eine generelle Verteuerung von Firmenkrediten vermie- den und insbesondere die kleinen und mittleren Unter- nehmen fair behandelt werden; die Übergangsfristen bezüglich der Mindestanforderungen für die gleichbe- rechtigte Anwendung interner Ratingverfahren flexibler gefasst und so ausgestaltet werden, dass sie allen Ban- kengruppen die Chance bieten, von den Vorteilen der neuen Regelungen zu profitieren; bei dem auf bankinterne Ratings gestützten Ansatz kein ungerechtfertigter Malus für mittel- und langfristige Kredite eingeführt wird; be- währte Kreditbesicherungen für kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland bei der Berechnung der Eigenkapitalunterlegung wie die Begebung von grund- pfand-rechtlichen Sicherheiten, die Sicherungsübereig- nung bei einem Betriebsmittelkredit und Investitionskre- dit und die Abtretung der Ansprüche aus Kapital- lebensversicherungsverträgen bei Personenunternehmen in angemessener Weise risikomindernd anerkannt wer- den. Letzter Punkt ist angesichts der praktizierten Kredit- besicherungen für kleine und mittlere Personengesell- schaften von hoher Relevanz. Angesichts der Tatsache, dass die Auswirkungen der Neuregelung von Basel II erst im Herbst 2001 nach Aus- wertung der aufbereiteten Datenbasis und der weiteren in- ternationalen Konsultationsgespräche überschaubar sind, ist es für den deutschen Bundestag eine Selbstverständ- lichkeit, dass er vor der Zustimmung zu der geplanten in- ternationalen Vereinbarung die Möglichkeit zur erneuten Stellungnahme erhält. Dieser Anspruch gilt selbstver- ständlich auch für das Kreditgewerbe und die Kredit auf- nehmende Wirtschaft. Rainer Funke (F.D.P.): Unter dem kryptisch klingen- den Stichwort „Basel II“ werden in der Öffentlichkeit in letzter Zeit viele Ängste geschürt, wie ich meine, zum Teil zu Recht, aber auch zum Teil zu Unrecht. In der Tat haben die bisherigen Beschlüsse zu den Baseler Eigenkapital- vorschriften einen großen Einfluss auf unsere mittelstän- disch orientierte Wirtschaft und auch auf unsere mittel- ständisch ausgerichteten und häufig auch mittelständisch strukturierten Finanzinstitute. Die Folgen von „Basel II“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17051 (C) (D) (A) (B) werden für den Mittelstand gravierend sein, allein wenn man bedenkt, dass die Eigenkapitalquote unserer mittel- ständischen Unternehmen häufig bei 20 Prozent und dar- unter liegt, dem gemäß eine Fremdkapitalfinanzierung bis zu 80 Prozent notwendig ist. Dagegen sind die Kapital- verhältnisse in den USA genau umgekehrt: 80 Prozent werden eigenfinanziert und 20 Prozent fremdfinanziert. Die mittelständische Wirtschaft spielt in den USA eine geringere Rolle als in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen wäre es gefährlich, sich in Basel ausschließlich an den amerikanischen Vorstellungen zur Kreditfinanzie- rung zu orientieren. Der Deutschen Bundesbank und auch der Bundesre- gierung ist Dank zu sagen, dass sie auf die besonderen In- teressenslagen, die sich ja auch mit anderen europäischen Ländern decken, in Basel hingewiesen und sich in weiten Teilen auch haben durchsetzen können. Im Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung steht das Rating für mittelständische Unternehmen, mit anderen Worten: Kreditbeurteilung eines jeden Unterneh- mens nach einem festgelegten Muster – man könnte auch sagen: Formular – durch die Kredit gebende Bank. Dabei ist inzwischen geklärt, dass diese Ratings sowohl durch externe Ratinggesellschaften vorgenommen werden kön- nen aber auch durch interne Ratings der Banken, die ja auf diesem Gebiet entsprechende jahrelange Erfahrungen ha- ben. In der Öffentlichkeit ist häufig der – falsche – Ein- druck entstanden, dass die Ratingsysteme völlig neu seien. Diese Systeme bestehen seit langem und sind in den letzten Jahren immer mehr verfeinert worden. Die Ratings der Kreditinstitute sind für den Mittelstand preislich güns- tiger als externe Ratings, wenn man auch ehrlicherweise sagen muss, dass Kreditinstitute keine Wohlfahrtinstitute sind und dem gemäß die Kosten für das Rating im Preis für den Kredit mit eingehen. Dieses Ratingsystem hat sich für Banken und auch für die kreditnehmende Wirtschaft durchaus positiv ausge- wirkt, weil durch dieses Verfahren Schwachstellen bei den Kreditnehmern frühzeitig aufgedeckt werden können und das Kreditrisiko bei den Banken in Grenzen gehalten werden kann. Deswegen sehe ich das Hauptproblem bei „Basel II“ nicht so sehr im Ratingsystem, sondern eher bei der Frage, in welchem Umfang die kreditgebenden Ban- ken die Kredite durch Eigenkapital unterlegen müssen. Insoweit wird sich die Bankenlandschaft in der Bundes- republik Deutschland sicherlich grundlegend verändern. Der zusätzliche Eigenkapitalbedarf wird zu einer Kon- zentration im Sparkassen-, Volksbanken- und Raiffeisen- bereich führen, aber auch bei vielen anderen mittelstän- disch orientierten Bankinstituten. Auf der anderen Seite wird dies aber auch für innovative Kreditinstitute neue Chancen eröffnen, zum Beispiel auch Verbriefung und Verhandelbarkeit von Forderungen, so wie es heute schon in den USA für ganze Körbe von Kreditportefeuilles gilt. Auf diese Weise entlasten sich die Banken auf der Aktiv- seite und damit auch hinsichtlich des Zwangs, zusätzlich Eigenkapital zu bilden. Eine Fundamentalopposition gegen „Basel II“ macht keinen Sinn. „Basel II“ kann auch ein Fundament für zu- sätzliche Produkte an internationalen Finanzmärkten sein, wenn es international voll umgesetzt wird. Und dies liegt im Interesse des deutschen Mittelstandes, der auch export- orientiert ist. Die Ratingverfahren sind eine Chance zur Früherkennung von Mängeln in der Unternehmensstruk- tur, wobei ich nicht verkenne, dass Kredite für Firmen in schwierigen Branchen oder mit schlechter Eigenkapital- ausstattung zweifellos teurer werden; dasselbe gilt leider auch für schöpferisch innovative Jungunternehmen. Deswegen wird in Basel bei einzelnen Bedingungen im Entwurf noch nachverhandelt werden müssen, wie zum Beispiel bei der Berücksichtigung von Kreditlaufzeiten und der zu finanzierenden Produkte, aber auch im Hin- blick auf die Anerkennung von Sicherheiten und deren Beurteilung. „Basel II“ bedeutet also für den deutschen Mittelstand und für die kreditgebenden Institute Risiko, Bereitschaft zur Veränderung, aber zugleich auch Chance. Dr. Barbara Höll (PDS): Zukünftig sollen internatio- nale Finanzkrisen noch wirksamer bekämpft werden. Zu diesem Zweck wird – auf internationaler Ebene – bereits seit einiger Zeit an internationalen Richtlinien zu einer Neuregelung der angemessenen Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten gearbeitet. Diese Verhandlungen sind zweifelsohne ein mühseli- ger Prozess. Schließlich agieren die Kreditinstitute der verschiedenen Staaten, die die verbindlichen Richtlinien anwenden sollen, unter völlig unterschiedlichen wirt- schaftlichen Bedingungen. Dies zeigte sich nicht zuletzt am zähen Tauziehen zwischen den amerikanischen und europäischen Verhandlungsführern. Inzwischen liegt ein mehrmals überarbeiteter Entwurf vor, der nach erneuter Revision bis Jahresende verab- schiedet und 2004 in Kraft treten soll. Grundsätzlich sind die Bedenken, die in den behan- delnden Ausschüssen geäußert wurden, umgesetzt wor- den. Es konnte verhindert werden, dass ausschließlich die amerikanischen Verhältnisse Maßstab für die Richtlinien sind. Das bankinterne Rating wurde ermöglicht, es gibt eine hinreichende Risikodifferenzierung, die grundsätz- lich auch Kredite an klein- und mittelständische Unter- nehmen zu vertretbaren Bedingungen möglich machen wird. Einige Details der Eigenkapitalunterlegung sind jedoch noch offen. So droht insbesondere bei den hierzulande üb- lichen langlaufenden Krediten noch eine überhohe Unter- legung, wird die Problematik von ExistenzgründerInnen kaum beachtet. Deshalb heute der Antrag aller Fraktionen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, gerade diese Aspekte bei der Verhandlungsführung noch stärker einzubringen. Doch trotz der bisher erzielten Fortschritte: Die PDS wünscht sich in der kontinuierlichen Berichterstattung über die Verhandlungen Aussagen zu den praktischen wirtschaftspolitischen Konsequenzen. So erwarten wir Auskunft darüber, wie seitens der Wirtschaftsförderpolitik auf die neue Risikogewichtung im Rahmen interner Ratings reagiert werden soll. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117052 (C) (D) (A) (B) Wir wollen ferner wissen, inwieweit die neuen Wege der KfW, den „Hausbanken“ auf Wunsch KMU-Kredit- portfolios auf eigene Rechnung an den Finanzmärkten zu platzieren, kompatibel mit den Richtlinien von Basel sind. Dazu kommt, dass eine besondere Betrachtung der Un- ternehmen aus den neuen Bundesländern nicht stattfindet. Gerade für diese verstecken sich jedoch Risiken in den Richtlinien. So sind ostdeutsche Unternehmen nach 1990 im Wesentlichen fremdfinanziert worden, ist ihre Eigen- kapitalquote äußerst gering und nur ansatzweise gesi- chert, sind diese Unternehmen durch hohe Refinanzie- rungslasten belastet. Dies alles wirkt sich zweifelsohne auf ihre Risikobewertung und damit auf die Kreditver- gabe an diese Unternehmen aus. Dies sollte in der ver- bleibenden Zeit noch stärker berücksichtigt werden. Ein Hauptproblem der Verhandlungen ist für uns aber die Säule II. Diese beinhaltet die Verbesserung der auf- sichtsrechtlichen Überprüfung der institutsinternen Risi- kosteuerung und -kontrolle. Die Vorschriften dafür wur- den bisher – egal ob seitens der Verhandlungsführer, der Kreditwirtschaft oder der Bundesbank – äußerst allge- mein gehalten. Die Richtlinien sollten ausdrücklich „keine Festschreibung konkreter, zwingend zu ergreifen- der Maßnahmen“ enthalten. Dies reicht absolut nicht. Basel II soll Risiken, wie die Bankenkrisen in Fernost und Russland Ende der 90er-Jahre vermindern helfen. Nun frage ich Sie, was ausgefeilte Risikobewertungsvor- gaben an die Banken nützen, wenn deren Durchführung aufgrund fehlender Vorgaben nicht hinreichend kontrol- liert wird? Sie sind Makulatur. Hier fordert die PDS eine ausführlichere Berichterstat- tung als dies bisher geschehen ist, ein stärkeres Bemühen der Bundesregierung in diese Richtung und letztlich sub- stanzielle Verhandlungsergebnisse. Dr. Barbara Hendricks, Parlamentarische Staatsse- kretärin beim Bundesminister der Finanzen: „Fairer Wett- bewerb“ ist ein zentrales Stichwort in der Diskussion über die gegenwärtige Überarbeitung der internationalen bank- aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalstandards, die kurz un- ter dem Schlagwort „Basel II“ geführt werden. Die Aus- gestaltung fairer bankaufsichtsrechtlicher Regelungen war ein zentrales Anliegen des Deutschen Bundestages bei seiner ersten Entschließung vom 8. Juni 2000 zu Ba- sel II. Die Stärkung der Fairness steht auch im Mittelpunkt des heute zur Entschließung vorliegenden gemeinsamen Antrages der Fraktionen zu Basel II. Befürchtungen, dass Basel II zu systematischen Be- nachteiligungen oder einseitigen Belastungen bestimmter Gruppen aus dem Kreditgewerbe oder einzelner Teile der Wirtschaft führt, sind nicht gerechtfertigt. Vielmehr trifft es zu, dass die Idee gleicher Chancen für die Kreditinsti- tute und deren Kundschaft in Basel II viel stärker angelegt ist als im bestehenden Regelungswerk. Allerdings besteht in einzelnen Bereichen der zur Diskussion gestellten Re- geln zu Basel Il noch Nachbesserungsbedarf: Was bedeutet Fairness im Zusammenhang mit Basel II? Fairness bedeutet zunächst eine risikogenauere Erfassung der mit dem Kreditgeschäft der Banken verbundenen Ri- siken. Die bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen werden stärker an das betriebswirtschaftlich relevante Ri- siko angepasst und damit wird die gewandelte Bankpra- xis nachvollzogen. Durch die genauere Abbildung der Risiken werden den Bankkunden gerechtere Kreditkonditionen in Rechnung gestellt. Mit Basel II wird eine risikoadäquate Umstruk- turierung der bankaufsichtlichen Eigenkapitalanforderun- gen angestrebt, aber keine Erhöhung der Belastungen für die Institute insgesamt. Generelle Verteuerungen von Krediten in Folge von Basel II sind nicht beabsichtigt und müssen unbedingt vermieden werden. Fairness bedeutet außerdem, dass den Banken entspre- chend dem Entwicklungsstand ihrer Risikoerfassungssys- teme verschiedene Anrechnungsmethoden zur Auswahl gestellt werden. Das neue Regelungswerk ist evolutionär angelegt und ist flexibel. Sämtliche Kreditinstitute sollen eine faire Chance zur Nutzung der neuen Anrechnungs- methoden ab dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Regelung haben. Die Stärkung gleichwertiger Rahmenbedingungen für den internationalen Wettbewerb der Banken ist ein zen- trales Ziel von Basel II. Die neuen Anrechnungsregelun- gen müssen wettbewerbsneutral konzipiert sein. In Bezug auf die Methoden zur Erfassung der Schuldnerbonitäten bedeutet dies, bankinterne Ratings gleichberechtigt neben Bonitätsurteilen externer Rating-Agenturen anzuerken- nen. Anders als externe Ratings, die insbesondere im an- gloamerikanischen Raum verbreitet sind, sind interne Ra- tings den hiesigen Kreditinstituten besser vertraut. Auf deutsche Initiative hin ist es gelungen, bankinterne Ratings als gleichwertige Alternative zu den externen Ra- tings in Basel II aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Er- folg für die Interessen der deutschen Kreditwirtschaft. Dabei ist von deutscher Seite darauf geachtet worden, die Voraussetzungen zur Anwendung bankinterner Ratings so auszugestalten, dass auch kleinere und mittlere Kreditin- stitute eine faire Chance haben, diese neuen Verfahren zu nutzen. Es gilt, einheitliche Rahmenbedingungen für den nationalen Wettbewerb sicherzustellen. Deshalb enthält der Entschließungsantrag die Forderung, in Basel II die Anforderungen für den Einstieg in die gleichberechtigte Anwendung interner Ratingverfahren flexibel festzulegen und so auszugestalten, dass sie allen Bankengruppen die realistische Chance bieten, von den Vorteilen der neuen Regelungen zu profitieren. Eine faire bankaufsichtliche Regelung zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie positive Anreize für die Insti- tute enthält, genauere und damit risikogerechtere Metho- den zur Erfassung der Risiken anzuwenden. Der Umstieg von einer grobschlächtigen Anrechnungsmethodik zu ei- nem ausgefeilten System muss sich lohnen. Damit die richtigen Anreizstrukturen geschaffen werden, bedarf es noch einer Überarbeitung der zur Diskussion gestellten Vorschläge zu Basel II. Dies beinhaltet die Absenkung der Gewichtungssätze beim internen Rating sowie eine Neuausrichtung der Konzepte zur Anrechnung von Be- triebsrisiken. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17053 (C) (D) (A) (B) Finanz- und wirtschaftspolitisch nicht zu akzeptieren wäre, wenn die neuen Risikoanrechnungsregelungen die Kreditfinanzierung der Wirtschaft insgesamt verteuern würden. Risikoüberzeichnende Eigenkapitalanforderun- gen müssen vermieden werden. Diese zentrale Forderung des Entschließungsantrages schließt ein, dass insbeson- dere auch die Unternehmen des Mittelstandes fair behan- delt werden. Dies setzt Anrechnungssätze für die Kredit- und Betriebsrisiken in angemessener Höhe voraus. Die zur Diskussion gestellten Anrechnungssätze sind nach dem Urteil von Experten unausgewogen, weshalb drin- gender Korrekturbedarf besteht. Basel II darf nicht bewirken, dass bewährte Bestand- teile der deutschen Finanzierungskultur in Frage gestellt werden. Dazu gehören: die Vergabe mittel- und langfris- tiger Kredite – eine unangemessene Schlechterbehand- lung längerfristiger Kredite gegenüber kurzfristigen Darlehen ist unakzeptabel – und die Berücksichtigung be- währter Kreditbesicherungen insbesondere auch des Mit- telstandes. Insgesamt ist Basel II auf einem guten Weg. Den deut- schen Verhandlungsführern ist es gelungen, in Aus- führung der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 8. Juni 2000 zu Basel II wesentliche Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen durchzuset- zen. Zusätzlich soll der neue Entschließungsantrag zu Ba- sel II dazu beitragen, dass faire bankaufsichtsrechtliche Standards geschaffen werden. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Berichte zur Technikfolgenab- schätzung: – hier: Monitoring „Risikoabschätzung und Nach- zulassungs-Monitoring transgener Pflanzen“ – hier: Monitoring „Nachwachsende Rohstoffe“ – Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Baube- reich (Tagesordnungspunkt 14 a und b) René Röspel (SPD): Der von uns heute diskutierte Sachstandsbericht des Büros für Technikfolgenab- schätzung beim Deutschen Bundestag zum Monitoring „Risikoabschätzung und Nachzulassungs-Monitoring transgener Pflanzen“ ist erstens ein weiterer Beweis für die Fähigkeit des TAB, Fragestellungen des Parlamentes und seiner Ausschüsse wissenschaftlich hervorragend zu bear- beiten, und zweitens eine wichtige und umfassende Quelle von Informationen für die politische Diskussion der so genannten „Grünen Gentechnik“. Zielsetzung des Berichtes ist es, den jeweiligen Stand der Sicherheitsforschung und der Risikodiskussion, der Regelungen und der Handhabungen von Zulassungsver- fahren unter anderem bei der Freisetzung transgener Pflanzen in der EU und der Umsetzung der Novel-Food- Verordnung sowie daraus ableitbare Handlungsmöglich- keiten darzustellen. Dieses Ziel wird erreicht. Leider kann ich wegen der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit nicht detailliert auf alle Bereiche eingehen. Erlauben Sie mir deshalb, einen Punkt aus diesem Be- richt hervorzuheben: Eine der wichtigen Aussagen des Be- richtes ist sicherlich die Feststellung, dass die Datenlage, was die Begleitforschung von Freisetzungen anbelangt, „in vieler Hinsicht dürftig ist“. Lediglich 1 Prozent aller weltweit durchgeführten Freisetzungsversuche waren bis- her mit ökologischer Begleitforschung verbunden. Wenn Deutschland mit 15 Prozent dabei positiv herausragt, so ist das sicherlich nicht das Verdienst einer freiwilligen Selbst- verpflichtung der beteiligten Unternehmen, sondern einer sehr kritisch eingestellten und aufmerksamen Bevölke- rung. Geschadet hat das aus meiner Sicht übrigens nicht. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Initiative des Bundeskanzlers aus dem letzten Sommer eine neue Be- deutung. Ziel der Initiative ist eine Vereinbarung mit den betroffenen Unternehmen, für eine dreijährige Über- gangsphase keinen großflächigen kommerziellen Anbau transgener Pflanzen zuzulassen, sondern mit einem inten- siven Beobachtungsprogramm zu einem deutlichen Er- kennntnisgewinn zu kommen und Wissenslücken zu fül- len. Ich hoffe, dass die Initiative Erfolg haben wird. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass einer der Aus- löser dieser Initiative die Diskussion über das Inverkehr- bringen des genetisch veränderten Maises Bt-176/Wind- sor Ende 1999/Anfang 2000 war. Die rot-grüne Koalition hat diesen Mais nicht ausbringen lassen, weil viele Risi- ken nicht geklärt sind. Den Anhang des TAB-Berichtes kann ich der Opposition zur Lektüre empfehlen: Viele der von uns vorgebrachten Kritikpunkte finden Sie dort be- stätigt! Der Bericht gibt eine Reihe von Handlungsemp- fehlungen, die wir in unsere politische Arbeit integrieren werden. Verantwortungsvolle und nachhaltige Politik sind bei Rot-Grün in guten Händen! Heino Wiese (Hannover) (SPD): Der uns hier vorlie- gende Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung wurde im Auftrag des Ausschusses für Bildung und For- schung erarbeitet. Auf Anregung unseres Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sollte er auch den aktuellen Diskussionsstand zur Sicherheits- forschung und zur Entwicklung des Nachzulassungsmo- nitoring zusammenfassen. Was wir erhalten haben, sind ein fundierter und umfassender Überblick zum Diskussi- onsstand und gute Ansätze zum weiteren Handlungsbe- darf. Ich möchte dem TAB-Büro an dieser Stelle für diese hervorragende Arbeit danken. Was hat uns der Bericht gezeigt? Er macht vor allem deutlich, dass die Diskussion um die Sicherheit gentech- nisch veränderter Pflanzen ständig weitergeht und noch längst nicht beendet ist. Die Datenlage in Bezug auf die Freisetzungsversuche ist nach wie vor dürftig. Es gibt in Europa bis jetzt mittlerweile über 1 300 Freisetzungsver- suche, aber es wurde bislang nur wenig Wissen über mög- liche ökologische Wirkungen gesammelt. Kein Wunder also, dass die grüne Gentechnik weiter abgelehnt wird. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117054 (C) (D) (A) (B) Nun mögen beispielsweise Herr Heinrich und Frau Flach von der F.D.P. sagen, alle in Rede stehenden Risi- ken seien bloße Spekulation. Ihnen möchte ich aber erwi- dern, auch die Vermutung, es gebe keine Gefährdungen, ist reine Spekulation. Solange wir nicht mögliche Folge- schäden ausschließen können, wird meine Skepsis weiter bestehen bleiben. Natürlich ergibt sich daraus die Notwendigkeit, dass wir die transgenen Pflanzen erst einmal zulassen und er- forschen müssen, um mögliche Einflüsse auf die Umwelt festzustellen. Aber, bitte schön, nur mit einem Nachzu- lassungsmonitoring und weiterer Sicherheitsforschung, die unsere Wissenslücken schließt und Zweifel ausräumt. Langzeitfolgen und komplexe Fernwirkungen können nur in größerem Maßstab beobachtet und untersucht werden. Deswegen brauchen wir eine anbaubegleitende Dauer- beobachtung transgener Pflanzen, um Effekte zu erfassen, die auf den begrenzten Versuchsfeldern und bei Freiset- zungsversuchen nicht untersucht werden können. Ich möchte daher den Bundeskanzler ausdrücklich bitten, die Gespräche mit den Pflanzenzüchtern und der Saatgutin- dustrie wieder aufzunehmen. Wir sollten den Vorschlag, innerhalb eines Moratori- ums in Bezug auf die Vermarktung umfassende Monito- rings durchzuführen, unbedingt wieder aufgreifen. Im Fe- bruar wurde auf Weisung des Gesundheitsministeriums die Inverkehrbringungsgenehmigung der Maissorte Bt 176/Windsor ausgesetzt. Darüber haben wir lange disku- tiert und es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Öf- fentlichkeit bzw. der Verbraucher transgenen Pflanzen sehr kritisch gegenüber steht. Solange die Hersteller von transgenen Pflanzen uns kein Produkt präsentieren kön- nen, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher einen konkreten Nutzen bietet, wird die negative Meinung zum Gen-Food weiter bestehen bleiben. Horrorszenarien werden durch die Unwissenheit und mangelnde Aufklärung geschürt, aber auch weil man das Gefühl hat, dass der Sicherheitsaspekt vernachlässigt wird. Dies sollte die beteiligten Firmen eigentlich veran- lassen, auch ohne Einfluss der Bundesregierung in eige- ner Selbstverpflichtung ein Sicherheitsforschungspro- gramm durchzuführen. Dass diese Sicherheitsforschung bzw. ein Nachzulas- sungsmonitoring mehr als nötig ist, hat uns der vorlie- gende Bericht gezeigt. Die Zukunft der grünen Gentech- nik ist nach wie vor schwer einschätzbar. Auch bei den Monitoring-Konzepten herrscht noch keine Einigkeit. Auf „weniger ist mehr“ dürfen wir uns hier jedoch nicht einlassen. Schon aus Verbraucherschutzgründen haben wir die Verpflichtung, eine umfassende Risikoabschät- zung vorzunehmen und die entsprechenden Firmen da- rauf zu verpflichten. Es wird auch deutlich, dass in der Öffentlichkeit und Politik nur unzureichende Kenntnisse vorhanden sind, welche Überwachungssysteme im Bereich Umwelt und Landwirtschaft bereits existieren und wie diese für ein an- baubegleitendes Monitoring genutzt werden können. Da- raus ergibt sich die Aufgabe, Zielstellungen, Kriterien und Methoden des anbaubegleitenden Monitorings mit Wis- senschaft, Wirtschaft, Öffentlichkeit und Politik zu disku- tieren. Deshalb schlägt der Bericht auch vor, dass im Rah- men des Förderschwerpunktes „Sicherheitsforschung und Monitoring“ im Programm Biotechnologie 2000 des Mi- nisteriums für Bildung und Forschung ein neuer Themen- schwerpunkt „Grundlagen, Methoden und Modelle zur Abschätzung indirekter und langfristiger Auswirkungen transgener Pflanzen“ eingerichtet wird. Diesem kann ich nur ausdrücklich zustimmen. Denn wir müssen uns immer bewusst sein: Bei der Freisetzung von gentechnisch manipulierten Pflanzen und auch Tieren werden Organismen in die Umwelt entlassen, die lebens-, vermehrungs- und anpassungsfähig sind. Eine Freiset- zung ist somit irreversibel. Wir können sie nicht einfach wieder zurückholen wie einen Stuhl, den wir in den Gar- ten stellen. Sie entwickeln sich weiter und wir könnten sie aus den Augen verlieren. Deswegen ist es so wichtig, mögliche Risiken vor der kommerziellen Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen sorgfältig zu ermitteln und zu bewerten. Der vorliegende Bericht macht dies in eindrucksvoller Weise deutlich. Zu dem TAB-Arbeitsbericht Nr. 61 über den Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Wohnungsbau möchte ich nur kurz Stellung beziehen. Ich glaube – das wird auch durch den Bericht bestätigt –, dass nachwachsenden Roh- stoffen auch für den Baubereich außerordentlich große Zukunftschancen bescheinigt werden können. Ölpflanzen wie Raps, Stärkepflanzen wie Kartoffeln, Faserpflanzen wie Schilfrohr, Flachs und Hanf sowie Färberpflanzen wie Färberwaid können im Wohnungsbau vielfach einge- setzt werden. Auch wenn es zurzeit noch nicht möglich ist, ab- schließende Aussagen über die ökologische Vorteilhaftig- keit der nachwachsenden Baustoffe zu machen, so ist dem Bericht dennoch zu entnehmen, dass es im Hinblick auf den Gesundheitsschutz sowie bezüglich der Verwertung der Bauabfälle deutliche Vorteile gibt. Ein wesentliches Kriterium für den bislang noch geringen Einsatz der nach- wachsenden Baustoffe ist der nach wie vor hohe Preis. Wenn man hier aber erkennt, dass die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen neben den anderen Vorteilen auch für neue Beschäftigung in der Landwirtschaft sorgen wird, glaube ich, dass hier große Chancen für die gesamte Volkswirtschaft liegen. Ich werde mich – gerade nach der Lektüre des Berichtes – besonders dafür einsetzen, dass wir diese Chancen nutzen. Peter Bleser (CDU/CSU): Ich möchte in meinem fol- genden Beitrag beide Tagesordnungspunkte ansprechen, sowohl den Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Bau- bereich als auch Fragen im Zusammenhang mit dem An- bau und der Nutzung transgener Pflanzen. Die Verfasser des vorliegenden Berichtes über den Ein- satz nachwachsender Rohstoffe im Baubereich haben die augenblickliche Situation in diesem Bereich umfassend beschrieben, so auch die heutige Gefühlslage beim Bauen: Das neue Haus soll technisch hochwertig, trotz- dem billig und darüber hinaus umweltfreundlich und ge- sund sein. Die beiden letzten Punkte erfüllen die nach- wachsenden Rohstoffe hervorragend. Dämmstoffe aus Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17055 (C) (D) (A) (B) Flachs- oder Schafwolle, Span- und Faserplatten aus Holzabfällen, aber auch Folien, Bindemittel und Lacke können als nachwachsende Rohstoffe verbaut werden. Al- lerdings wird der Bauherr feststellen, dass Dämmstoffe aus Flachs oder Hanf drei- bis viermal so teuer sind wie herkömmliche. Dämmstoffe mit Schafwolle sind noch teurer. Hier stoßen also Ökonomie und Ökologie hart auf- einander. Man könnte sich jetzt hinstellen wie Ministerin Künast, die den Verbrauchern empfiehlt, für Lebensmittel doch bitteschön höhere Preise zu zahlen, aber zu einer sol- chen Naivität kann ich mich – übertragen auf den Baube- reich – nicht versteigen. Bekanntlich kann die Politik keine Preise diktieren, sondern höchstens für bestimmte Produkte die Rahmenbedingungen verbessern. Ich fordere deshalb: Erstens bestehende nicht techni- sche Einsatzhemmnisse – damit sind vor allem baurecht- liche Vorschriften gemeint – abzubauen, zweitens mit ei- ner stärkeren Förderung der Entwicklung von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen diesem Bereich einen wirksamen Anschub zu geben und drittens die Öffentlich- keit, insbesondere Bauwillige, verstärkt über die Mög- lichkeiten des Einsatzes von Material aus nachwachsen- den Rohstoffen beim Bauen zu informieren. Nur so kann man erwarten, dass aufgrund erhöhter Produktion die ein- zelnen Produkte preiswerter werden. Jetzt zu dem Thema Technikfolgenabschätzung trans- gener Pflanzen. In der Bevölkerung herrscht eine große Skepsis über mögliche Auswirkungen transgener Pflan- zen auf ihre Gesundheit und auf die Umwelt. Deshalb hat für die CDU/CSU die Risikovorsorge für die Akzeptanz dieser neuen Technologie absolute Priorität. Durch unser Gentechnikgesetz wird dieser Forderung Rechnung getra- gen. Auch wir sind für ein Monitoring, also eine beglei- tende Sicherheitsforschung bei der Freisetzung von gen- technisch veränderten Pflanzen. Konkret bedeutet dies aber auch, dass bei entsprechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen die Freisetzungsgenehmigung erfolgen muss. Die Bundesregierung versteht dagegen unter „Monito- ring“ lediglich ein wissenschaftlich unbegründetes Verta- gen von Freisetzungsgenehmigungen. Für die CDU/CSU steht fest, dass die Entscheidung über die Nutzung trans- gener Pflanzen dem Verbraucher überlassen bleibt, das heißt, durch eine eindeutige Kennzeichnung der Lebens- mittel muss der Verbraucher jederzeit die Wahlmöglich- keit bei seiner Kaufentscheidung haben. Die Tatsache, dass zurzeit unsere Verbraucher transge- nen Pflanzen und daraus hergestellten Lebensmitteln skeptisch gegenüber stehen, rührt vor allem daher, dass die erste Generation transgener Pflanzen im Wesentlichen auf Pflanzenschutzmittelresistenz ausgerichtet ist. Wir setzen Hoffnungen auf die so genannte zweite Generation der durch Gentechnik beschleunigten Züchtungen – die so genannten funktionellen Lebensmitteln, welche auch ge- sundheitsfördernde Wirkung entfalten sollen. Ein weiteres viel versprechendes Anwendungsgebiet transgener Pflanzen ist das Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe, zum Beispiel die biologischen Verpackungen, technische Öle und Dämmstoffe, die deutliche Umwelt- vorteile in vielfältigen Bereichen bis hin zur Entsorgung aufweisen. Die Bundesregierung ist drauf und dran, aus Angst vor den Risiken einer neuen Technologie deren Potenzial im Bereich der Wirtschaft und der Umwelt zu verbauen. Wir, die CDU/CSU-Fraktion, hingegen sehen an erster Stelle die großen Chancen der grünen Gentechnik, die wir im In- teresse unserer Mitbürger nutzen möchten – ohne dabei etwaige Risiken beim Verbraucher- und Umweltschutz hintanzustellen. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der TAB-Bericht zum „Sachstand zur Risikoabschätzung und zum Nachzulassungs-Monitoring transgener Pflanzen“ bietet auftragsgemäß einen guten Überblick über den Stand der biologischen Sicherheitsforschung und für das Monitoring bei Freisetzungen transgener Pflanzen. Dargestellt werden: die Sicherheitsforschung, die Risiko- abschätzung im Genehmigungsverfahren, rechtliche Re- gelungen in der EU und in Deutschland, das anbaubeglei- tende Monitoring sowie die Sicherheitsbewertung und Monitoring im Rahmen der Novel-Food-Verordnung. Risikoabschätzung und Monitoring sind zwingend ge- boten aus a) rechtlichen Gründen – ich nenne das Gen- technikgesetz, die EU-Freisetzungsrichtlinie 90/220 und die Novel-Food-Verordnung –, b) aus Gründen der ge- sundheitlichen und ökologischen Vorsorge und c) als wichtige Grundlage über den gesellschaftlichen Diskurs über Chancen und Risiken der Gentechnik. Risikoab- schätzung und Monitoring bei transgenen Pflanzen sind Bereiche der Wissenschaft, die sich erst entwickeln. Beide müssen durch eine gezielte Forschungsförderung vorangebracht werden, damit sie die rechtlichen und po- litischen Ansprüche erfüllen können und die wesentlichen Fragen in einem überschaubarem Zeitraum beantworten können. Nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen sind Risikoforschung und Monitoring in erster Linie Auf- gabe der Umweltvorsorge und sollten daher in die Feder- führung des UBA übertragen werden. Der TAB-Bericht gibt einen hervorragenden Überblick und klare Handlungsaufträge für die Politik: Einrichtung eines neuen Themenschwerpunktes „Grundlagen, Metho- den und Modelle zur Abschätzung indirekter und lang- fristiger Auswirkungen transgener Pflanzen, Ausstattung der zuständigen Fachbehörden mit Kompetenzen und Ar- beitsmöglichkeiten für ein Resistenzmanagement und zur Konzeptentwicklung, Verständigung über den normativen Rahmen, was nachhaltige Landwirtschaft heißt, alsbal- dige Festlegung von Zielsetzungen, Zuständigkeiten und Finanzierungen, Beteiligung der Öffentlichkeit, Berück- sichtigung von Erkenntnissen aus dem Monitoring und konkrete Verbesserungen beim Vollzug der Novel-Food- Richtlinie. Unserer Meinung nach sollte der Bericht zur Grundlage für die weiteren politischen Entscheidungen gemacht werden. Die Nachfrage der Industrie nach nachwachsenden Rohstoffen nimmt stetig zu. Im vergangenen Jahr wurden fast 700 000 Hektar Ackerland mit nachwachsenden Roh- stoffen angebaut. Für die Landwirte schaffen sie neue Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117056 (C) (D) (A) (B) Produktions- und Einkommensmöglichkeiten und sichern so Arbeitsplätze auf den Höfen und im ländlichen Raum. Nachwachsende Rohstoffe werden sowohl energetisch als auch stofflich verwertet. Bei der stofflichen Verwertung dienen sie als Grundlage für die Herstellung von biolo- gisch abbaubaren Schmierstoffen, Verpackungsmateria- lien und Waschmitteln. Darüber hinaus sind sie Aus- gangsstoffe für Arzneimittel, Textilien und Baustoffe. Das Büro für Technikfolgenabschätzung hat wieder einmal sehr gute Arbeit geleistet. Da es sich nur um ein Monitoring und keine umfangreiche Studie gehandelt hat, konnte nicht auf jedes Detail eingegangen werden. Den- noch liefert dieses Papier einen guten Überblick über die Möglichkeiten und Chancen nachwachsender Rohstoffe. Das Papier zeigt, dass nachwachsende Rohstoffe in fast allen Bereichen eine mögliche Alternative zu den kon- ventionellen Produkten bieten. Allerdings sind sie zu- meist teurer. Daher müssen sich die nachwachsenden Rohstoffe über eine bessere Qualität durchsetzen. Diese bessere Qualität kann sich zum Beispiel in geringeren Schadstoffbelastungen ausdrücken. Dies scheint häufig der Fall zu sein. Umfangreiche abschließende Untersu- chungen stehen aber noch aus, die die gesamten Stoff- ströme analysieren und bewerten. Zur besseren Qualität gehören zum Beispiel das bessere Feuchteverhalten von Wolle und Chinaschilf oder die Fähigkeit von Wolle, Schadstoffe zu absorbieren und sogar in unbedenkliche Stoffe umzuwandeln. Letzteres ist im Übrigen eine neue Entdeckung, die nicht mehr in das Papier einfließen konnte. Naturfarben aus Färberwad bekämpfen den Schimmelpilz und rücken damit zunehmend in den Mit- telpunkt des Interesses. Auch bei den nachwachsenden Rohstoffen zeigt sich, dass sich der Wert eines Produktes nicht nur aus dem Preis, sondern aus dem Verhältnis von Preis und Qualität zusammensetzt. Wie beim Biolandbau und dem Öko- strom sind es noch relativ wenige, die dies in Betracht zie- hen. Aber die Zahl steigt auch hier und es wird in den nächsten Jahren damit gerechnet, dass die nachwachsen- den Rohstoffe zum Beispiel bei den Dämmstoffen in eini- gen Jahren schon einen Anteil von 10 Prozent haben könnten. Um den nachwachsenden Rohstoffen zum Durchbruch zu verhelfen, müssen die Forschungsaktivitäten, die bis- her eher sporadisch erfolgten, systematisiert und verstärkt werden, verbesserte Verwertungsstrategien entwickelt werden und vermehrte Anstrengungen zur Entwicklung und Demonstration im Rahmen von Pilotprojekten unter- nommen werden. Ich denke, dass die neue Verbraucher- schutzministerin gemeinsam mit dem Bauminister die aufgezeigten Handlungsmöglichkeiten ergreifen wird. Der Staat hat im Übrigen ein großes Interesse an einer Förderung der nachwachsenden Rohstoffe im Baube- reich, da dadurch die externen Kosten des Bauens redu- ziert werden, für die bekanntlich an anderer Stelle gera- degestanden werden müsste. Darüber hinaus können nachwachsende Rohstoffe Arbeitsplätze in der Landwirt- schaft erhalten und zu einer Erweiterung der Diversität beim Anbau beitragen, was zu einer besseren Qualität der Böden beiträgt. Ulrike Flach (F.D.P.): Das Monitoring-Vorhaben „Nachwachsende Rohstoffe“ wurde auf Initiative des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung begonnen und gibt einen Überblick über den Stand und die Perspektiven des Einsatzes dieser Rohstoffe im Baubereich. Wie wir es von den Berichten des TAB kennen, liegt uns auch hier wieder eine gründliche und er- giebige Studie über wirtschaftliche, rechtliche und ökolo- gische Aspekte vor. Ich danke den Mitarbeitern des TAB für die sorgfältige Arbeit. Die Einsatzmöglichkeiten von Hanf, Flachs, Schilf, Altpapier, Öl- und Färberpflanzen sind vielfältig. Das Be- wusstsein für ökologische Zusammenhänge – Stichwort „Klimaschutz“ – und für bauliche Qualitätsansprüche – Stichworte „Asbest und Formaldehyd“ – ist gestiegen und sollte die Markteinführung von biogenen Baustoffen fördern. Dennoch gibt es objektive Hindernisse: Da sind erstens die höheren Kosten, die allerdings bei entsprechender Massenproduktion sinken würden. Da erweist sich zwei- tens das Baurecht als Blockade. Die Zulassung neuer Bau- produkte ist an ein nationales und europäisches Zulas- sungsverfahren gebunden. Dazu kommen noch die Landesbauordnungen der Bundesländer. Bürokratie gegen Biologie. Wir brauchen eine Entrümpelung der Bauord- nungen, die dem Durchbruch von biogenen Baustoffen im wahrsten Sinne des Wortes „Steine in den Weg legen“. Drittens muss eingeräumt werden, dass die Ökobilanz mancher nachwachsender Baustoffe deshalb nicht so glänzend ist, weil sie vor dem Einsatz chemisch behandelt werden müssen. Um Fäulnis zu verhindern, werden Bo- rate eingesetzt, als Feuer hemmender Stoff wird Ammo- niumphosphat verwendet. Dämmstoffe mit hohem Borat- gehalt dürfen nicht auf Bauschuttdeponien abgelagert werden. Aus Sicht der FDP müssen wir dazu kommen, den ge- samten Lebenszyklus eines Bauprodukts in die Bewer- tung einzubeziehen, also Produktion, Verwendung, Lage- rung und Entsorgung. Nur so erhalten wir vernünftige Vergleichsmaßstäbe zu konventionellen Bauprodukten. Und nur so werden wir auch zu einer verbesserten Markt- chance für biologische Baustoffe kommen. Ich komme zu Ihrem Antrag. Mich hat bei der Diskus- sion der Vorlage im Ausschuss eines erstaunt: In der Aus- schussdrucksache 14/339 steht, dass die Bundesregierung aufgefordert wird, die Entwicklung und Demonstration innovativer Baustoffe und -produkte aus biogenen Roh- stoffen verstärkt und gezielt zu fördern. Am Tage der Be- ratung hat die SPD-Fraktion als Änderungsvorschlag ein- gebracht, „verstärkt und gezielt“ durch „weiterhin“ zu ersetzen; also keine Ausweitung der Förderung. Das soll- ten die Hersteller biogener Baustoffen wissen, denen Sie sonst immer erzählen, Sie setzten sich für sie ein. Das sind die Tatsachen. Wir nehmen den Bericht zu Kenntnis, lehnen aber den Antrag der Koalitionsfraktionen als nicht ausreichend ab. Kersten Naumann (PDS): Im Zuge der BSE-Krise und der Akzeptanzprobleme schien das Nachbaumonito- ring zu transgenen Pflanzen schon fast in der Versenkung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17057 (C) (D) (A) (B) verschwunden. Ich meine, das Nachbaumonitoring sollte dort auch bleiben: in der Versenkung. Denn es verdrängt den Vorsorgegedanken. Es ist ein falscher Ansatz, Risiken eines großflächigen Anbaus und einer kommerziellen Nutzung begleitend zu erforschen, dessen Folgen selbst nicht gewiss sind. Im März dieses Jahres ist nach langwierigen Verhand- lungen in der EU eine novellierte Freisetzungsrichtlinie verabschiedet worden, die Änderungen auch des deut- schen Gentechnikgesetzes nach sich ziehen wird. Sie ent- hält eine Reihe positiver Veränderungen, wie etwa den mittelfristigen Ausschluss von Antibiotika-Resistenzmar- kern und die Befristung von Freisetzungsgenehmigungen. Gefordert ist zudem eine Einzelfallprüfung und die stär- kere Beteiligung der Öffentlichkeit vor Beginn des An- baus transgener Pflanzen – womit eine Rückkehr zu früheren, strengeren Regelungen eingeleitet wird. Der Versuch von Bürokratie und verbundener Industrie ist misslungen, über die Novellierung des deutschen Gen- technikgesetzes und die Etablierung des so genannten „vereinfachten Verfahrens“ auf europäischer Ebene die kommerzielle Anwendung der Gentechnik in der Land- wirtschaft flächendeckend durchzusetzen. Gescheitert ist dieser Versuch am Widerstand der Bürgerinnen und Bür- ger der EU, der in das De-facto-Moratorium für Freiset- zungen mündete. Der TAB-Bericht zu transgenen Pflanzen macht näm- lich an mindestens zwei Punkten sehr deutlich, dass die grundlegenden Fragen ihrer Bewertung bis heute nicht beantwortet sind. Erstens werden die Bewertungsent- scheidungen, auch der Genehmigungsbehörden, ohne ein- deutige und sichere Wissensgrundlage getroffen. Zweitens – die noch entscheidendere Frage –: Vor wel- chem normativen Hintergrund werden die Auswirkungen und Risiken transgener Pflanzen betrachtet? Entscheidet man sich wirklich für eine ökologische und soziale Land- wirtschaft und führt sie nicht nur im Munde, dann haben transgene Pflanzen ganz schlechte Karten. Die wirtschaftlichen, ökologischen und sozioökonomi- schen Erfahrungen in den Hauptanbauländern USA, Ka- nada und Argentinien lassen Zweifel an grüner Gentech- nik nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch bei den Landwirten selbst wachsen. Nach immensen Wachstums- raten ist ein Anbaurückgang zu verzeichnen. Sozioökono- mische Folgen werden laut TAB-Bericht auch nur in Ös- terreich überhaupt in die Bewertung transgener Pflanzen einbezogen. Das De-facto-Moratorium für die Zulassung von Frei- setzungen sollte auch von der Bundesrepublik aufrechter- halten werden, alleine schon deshalb, weil die Kenn- zeichnungsregelungen im Lebensmittelbereich absolut unzureichend sind. Und die bestehenden Regelungen können kaum durchgesetzt werden, wie ja auch der TAB- Bericht hervorhebt. Ohne Kennzeichnung und Kontrolle bei Futtermitteln, Zutaten, Enzymen und Aromastoffen, ohne Abkehr von der nachweisbasierten Kennzeichnung bleiben Reden über die freie Kaufentscheidung der Ver- braucherinnen und Verbraucher völlig irreführend. Einen Präzedenzfall mit dem in der Diskussion stehen- den herbizidresistenten Mais mit der Bezeichnung „T 25“ zu schaffen, unterläuft nicht nur die Neuausrichtung der Agrarpolitik auf Nachhaltigkeit, sondern auch die Ver- braucherinteressen, die diese Produktionsweise auch für Futtermittel ablehnen. In Österreich, Italien und Großbri- tannien besteht bereits ein Anbau- bzw. Importverbot für den herbizidresistenten Mais, da keine neuen wissen- schaftlichen Erkenntnisse vorlägen, die Anlass gäben, das bisher vorgesehene Risikomanagement zu verändern. Die Wahl des normativen Rahmens bleibt doch von entscheidender Bedeutung: Eine konventionelle, ökologi- sche und soziale Landwirtschaft und Lebensmittelpro- duktion kann ganz ohne Freisetzungen und transgene Pflanzen arbeiten. Wöchentlich berichten Fachzeitschrif- ten der Agrarwissenschaften und Bauernzeitungen über züchterische und technische Potenziale zu Ertragssteige- rungen, zu Einsparungen und gezielten spezifischen Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln und Düngemit- teln – sozusagen als Alternative zur kommerziellen An- wendung von Gentechnik. Warum sollte man also Risiken und negative Auswir- kungen in Kauf nehmen? Warum also Gentechnik gegen den Willen des Verbrauchers auf den Markt drücken, was vor allem den Steuerzahler kostet? Transgene Pflanzen sind eine Gleichung mit vielen Un- bekannten. Die Unbedenklichkeitsbeteuerungen der Pro- tagonisten unterliegen jedoch nach wie vor einer hohen Irrtumswahrscheinlichkeit. Ersparen wir den Bauern das Experiment mit negativen wirtschaftlichen Folgen. Ersparen wir unserer ohnehin belasteten und ökologisch diffamierten Umwelt eine zu- sätzliche Belastung. Ersparen wir den Verbrauchern den Biss ins Ungewisse! Was wir brauchen, ist eine Landwirtschaft, die Ein- kommen erwirtschaftet, und nicht eine, an der die Phar- maindustrie verdient. Was wir brauchen, sind technische Entwicklungen, die im Einklang mit der Natur produzie- ren. Was wir brauchen, ist Transparenz für den Verbrau- cher und seine demokratische Mitbestimmung. Was wir brauchen, ist eine Landwirtschaft für den Verbraucher und nicht für die Industrie. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zurBeratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (Tagesordnungspunkt 16) Volker Jung (Düsseldorf) (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschafts- rechts berührt zwei Themenkreise: Zum einen geht es um die endgültige Umsetzung der europäischen Gasrichtlinie in deutsches Recht. Zum anderen geht es aber auch – weit über den engeren Regelungsbereich des Gasmarktes hi- naus – um grundsätzliche energie- und wettbewerbsrecht- liche Fragen, die ihren Ausgangspunkt in der Energie- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117058 (C) (D) (A) (B) wirtschaftsgesetznovelle von 1998 haben. Auf beide The- menkreise möchte ich etwas näher eingehen. Zur engeren Thematik, der Umsetzung der Gasrichtli- nie, ist zunächst einmal festzuhalten, dass die Bundesre- gierung damit einer Aufforderung der Europäischen Kommission folgt, die bereits vor längerer Zeit in einem Mahnschreiben diesen Schritt eingefordert hat. Die Kom- mission ist der Auffassung, dass die mit der Energie- rechtsnovelle von 1998 erfolgte Öffnung der deutschen Märkte nicht ausreicht, um dem Wettbewerb auch auf dem Gasmarkt zum Durchbruch zu verhelfen. Nun mag man über die Berechtigung der damit verbundenen Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens streiten; dies umso mehr, als in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union die Liberalisierung viel weniger konsequent aus- gefallen ist als bei uns, was für unsere Energie-, aber auch für unsere Volkswirtschaft teilweise erhebliche Probleme aufwirft. Man kann diese konsequente Umsetzung der Li- beralisierung bei uns aber guten Gewissens vertreten, denn das schlechte Beispiel anderer Länder sollte uns nicht davon abhalten, unsere Hausaufgaben ordentlich zu machen. Wie stets, wenn es um wichtige gesetzliche Rahmen- setzungen für relevante Wirtschaftsbereiche geht, werden auch an diese Novelle des Energiewirtschaftsrechts zahl- reiche – oft widersprüchliche – Erwartungen geknüpft. Dabei wurde in einigen Veröffentlichungen der Eindruck erweckt, es stehe nun auch bei den Gaspreisen ein der Strommarktentwicklung vergleichbarer Dammbruch un- mittelbar bevor. Ich möchte diese Erwartungen nur un- gern enttäuschen, aber es erscheint mir eher unwahr- scheinlich, dass wir einen ähnlichen Preisverfall wie beim Strom erleben werden. Dem stehen die gänzlich anderen Strukturen des Gasmarktes entgegen. Hierzu gehören: langfristige Lieferverträge auf take-or-pay-Basis mit festen Preisgleitklauseln und transparenten Margen, nur sehr geringe, kurzfristig verfügbare Überkapazitäten und schließlich eine Erdgas-Importabhängigkeit von rund 80 Prozent gegenüber einer in etwa ausgeglichenen Stromhandelsbilanz. Dennoch erwarten auch wir von der neuen Verbändevereinbarung Gas und dieser Novelle eine deutliche Stärkung des Wettbewerbs und positive Preis- signale für die Kunden – und zwar auf allen Ebenen. Die Diskussion über den Wettbewerb auf dem Gas- markt hat bereits eine beachtliche Vorgeschichte. Es ist er- freulich, dass in einigen bislang kontrovers diskutierten Fragen eine grundsätzliche Klärung im Sinne einer ver- besserten Marktöffnung und Wettbewerbserleichterung erzielt werden konnte. Hierzu zählen unter anderem die Fragen des Speicherzugangs und der Offenlegung wett- bewerbsrelevanter Daten, insbesondere zu Netzkapazitä- ten und Engpässen. Wir unterstützen die Ansätze im Gesetzentwurf der Bundesregierung und ihre Gegenäuße- rung zu den teilweise sehr restriktiven Beschlüssen des Bundesrates nachdrücklich. Es wäre falsch, dem Bundes- rat hier zu folgen und hinter die von den Verbänden der Gaswirtschaft gefundenen Lösungen zurückzufallen. Al- lerdings sehe ich hinter einigen Regelungsvorschlägen auch noch Fragezeichen. Insbesondere in der Frage der Reziprozität besteht meines Erachtens Klärungsbedarf. Die neu gefasste Reziprozitätsregelung bei Gas und Strom wirft meines Erachtens europa- und verfassungsrechtli- che, aber auch wettbewerbs- und handelsrechtliche Pro- bleme auf, die genau zu prüfen sein werden. Diese Rezi- prozitätsregelung, die über die Ermächtigungsgrundlage der europäischen Richtlinien hinausgeht, muss eindeutig und belastbar sein. Es werden tiefe Eingriffe in Eigen- tumsrechte, Gewerbefreiheit und internationale Handels- abkommen geltend gemacht. Ich glaube, dass wir über die Erfordernisse und Risiken einer solchen Reziprozitätsre- gelung im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren noch sehr intensiv nachdenken müssen. In der letzten Zeit ist der in der Europäischen Union einmalige deutsche Sonderweg des verhandelten Netzzu- gangs unter Druck geraten. Die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Vollendung des Energie- binnenmarktes verfolgen bekanntlich zwei Ziele: die Be- schleunigung der Marktöffnung – was wir als europä- ischer Vorreiter nur sehr nachdrücklich unterstützen können – und eine stärkere Kontrolle der Energiemärkte durch – staatliche – Regulierung, was im Ergebnis auf das Ende des bislang von der Kommission akzeptierten deut- schen Modells der Verbändevereinbarungen abzielt. Nun wird über den Begriff der Regulierung seit Jahren eine oft sehr ideologisch eingefärbte Diskussion geführt, an der ich mich heute nicht beteiligen möchte. Die Frage, welche Form der Markt- und Wettbewerbsaufsicht zu be- vorzugen ist, entscheidet sich immer an der Qualität der Praxis. Dabei ist es völlig unstrittig, dass auch der verhandelte Netzzugang auf der Grundlage von Verbän- devereinbarungen den Marktteilnehmern die gleichen Qualitäten wie Rechtsverordnungen und staatliche Kon- trolleinrichtungen bieten muss. Die maßgeblichen Kriterien und Ziele sind in abstrak- ter Form relativ klar zu benennen und bilden die Grund- lage der entsprechenden Verbändevereinbarungen: diskri- minierungsfreier und preisgünstiger Netzzugang sowie Transparenz, Überprüfbarkeit und Verlässlichkeit der Modalitäten der Netznutzung. Die Umsetzung dieser ab- strakten Vorgaben in die tägliche Praxis des Energiege- schäfts gestaltet sich – erwartungsgemäß – allerdings schwierig, wie die offenkundigen Defizite der Verbände- vereinbarungen belegen. Einiges ist sicherlich dem wohl unvermeidlichen „trial and error“ eines jeden neuen Marktprozesses zuzuschreiben. Der Aufbruch aus den Monopolstrukturen ist ja auch keine Kleinigkeit, zumal die Netze weiterhin natürliche Monopole sind und eine gewisse Neigung zur Kartellbildung existiert. So manche Kritik hat allerdings auch etwas von Kro- kodilstränen an sich, wenn beispielsweise die bundes- deutschen Vertriebsstellen von Unternehmen, die in ihren Mutterländern aus geschützten Märkten heraus operieren, nun ein arges Wehgeschrei anstimmen. Auch scheinen manche Energieversorgungsmütter mehr als nur ein Auge zuzudrücken, wenn es um das Marktgebaren ihrer Betei- ligungstöchter geht. Und dann gibt es ja auch noch dieje- nigen, die Wettbewerb und Regulierung grundsätzlich als inkompatibel ansehen. Das sind übrigens die gleichen Ak- teure, die zum Beispiel zur Förderung der erneuerbaren Energien eine Quote als marktwirtschaftliches Instrument Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17059 (C) (D) (A) (B) fordern, sie bei der Kraft-Wärme-Kopplung aber als marktfeindliches Teufelswerk verdammen. Jenseits von Polemik und Vernebelung sind unbestreit- bar Defizite in der Sache erkennbar, denen sich nicht zuletzt das Bundeskartellamt angenommen hat. Als Stich- worte nenne ich hier nur: Durchleitungsentgelte, Wechsel- gebühren, Gebühren und Kostentransparenz, Vergütung der Netzentlastung, missbräuchliche Kostenwälzungen beim Erneuerbare-Energien-Gesetz und beim Kraft- Wärme-Kopplungs-Gesetz sowie Quersubventionierung. Diese Monita bedürfen einer Klärung. Inzwischen sind auch erste Konsequenzen im Bundes- wirtschaftsministerium gezogen worden, bei dem eine Schlichtungsstelle eingerichtet wird, die dann parallel zu den in den Verbändevereinbarungen angelegten Struktu- ren wirken könnte. Wir begrüßen diesen Schritt. Es ist nicht von den Hand zu weisen: Wir werden uns anlässlich der Novellierung des Energiewirtschaftsgeset- zes auch mit weiteren Fragen auseinanderzusetzen haben: Fairer Marktzugang auch für neue Akteure, Transparenz für die Verbraucher, Rechtssicherheit für alle Beteiligten sowie die bislang völlig unzureichende Vertretung deut- scher Interessen bei Regulatorenreffen auf europäischer Ebene sowie die zügige Beseitigung der internationalen Marktverwerfungen sind und bleiben drängende energie- politische Aufgaben, die auch energierechtliche Aspekte besitzen. Mit Blick auf die Europäische Union füge ich noch zwei Aspekte hinzu: Erstens. Das offenkundige Brüsseler Junktim zwischen Beschleunigung der Marktöffnung und Verstärkung der Regulierung erfordert in absehbarer Zeit eine politische Entscheidung, welche Anliegen schwerer wiegen: eine schnellere und gleichmäßigere Marktöff- nung zur Stärkung unserer Produktionsstandorte und Wertschöpfung oder die exklusive Selbstregulierung nach dem Modell des verhandelten Netzzugangs. Zweitens. Es ist unverzichtbar, dass Deutschland als größter Stromproduzent und -konsument der Europä- ischen Union bei den Regulatorentreffen nicht länger draußen vor der Tür oder am Katzentisch platziert wird, sondern angemessen vertreten ist. Wenn wir in diesen wichtigen informellen Runden nicht „auf Augenhöhe“ mitreden können, werden wir zum bloßen Objekt der Re- gulierer aus anderen EU-Staaten. Dies kann bei uns nie- mand ernsthaft wollen. Es geht nichts daran vorbei: Die Vielzahl der offenen Fragen erfordert eine intensive Diskussion in den parla- mentarischen Gremien. Wir scheuen diese Arbeit nicht und freuen uns auf lebhafte Beratungen. Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Wettbewerb ist keine Einbahnstraße. Wettbewerb ist das treibende Prin- zip der sozialen Marktwirtschaft, Motor für fairen Leis- tungsvergleich, Garant für Markttransparenz, Garantie für Verbraucherschutz und kostenorientierte Preise, treibende Kraft für Innovationen, Modernisierung und internatio- nale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland. Wettbewerb ist die Autobahn, mit der wir am schnellsten und am sichersten die Ziele der sozialen Marktwirtschaft erreichen werden, solange die Politik den Marktteilneh- mern klare ordnungspolitische Spielregeln vorgibt und Instrumente bereithält, um Wettbewerbsverstöße effektiv und effizient zu ahnden. Die Herausforderung der Marktöffnung in traditionell monopolistisch und oligopolistisch geprägten, stark regu- lierten Sektoren unserer Volkswirtschaft war und ist eines unserer zentralen wirtschaftspolitischen Ziele. Gegen viel und hartnäckigen Widerstand haben wir in der letzten Wahlperiode die Liberalisierung der Telekommunikation, der Post und des Strommarktes erfolgreich auf den Weg gebracht. Die Öffnung dieser Sektoren für den Wettbe- werb hat zu sinkenden Preisen und einer deutlichen Ver- besserung des Angebots für die Verbraucher geführt und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstand- ortes Deutschland gestärkt. Die positiven Erfahrungen mit den liberalisierten Branchen Strom, Post und Telekommunikation müssen nun auch auf andere Sektoren übertragen werden. Dies gilt vor allem für die Wasserwirtschaft, den öffentlichen Personennahverkehr und den Gasmarkt, über den wir heute Abend zu diskutieren haben. Der Liberalisierungs- prozess im Bereich der leitungsgebundenen Energien wurde auf europäischer Ebene mit der Binnenmarkt- Richtlinie Elektrizität eingeleitet. Die Erdgasrichtlinie ist am 10. August 1998 in Kraft getreten. Sie sollte bis zum 10. August vergangenen Jahres durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Bundesregie- rung hat diese europäischen Vorschriften zur Öffnung des Gasmarktes nicht vollständig fristgerecht in nationales Recht übertragen. Zwar haben das Energiewirtschaftsge- setz in der Fassung von 1998 und das novellierte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit ihren Bestim- mungen zum freien Leitungsbau, zur Abschaffung der Gebietsmonopole und des allgemeinen Netzzugangsan- spruchs auf Basis des allgemeinen Kartellrechts die Richtlinie bereits teilweise umgesetzt. Um den Verpflich- tungen aus der Richtlinie jedoch vollends Rechnung zu tragen, muss das Energiewirtschaftsrecht nun abermals geändert werden. Ziel des heute vorgelegten Gesetzentwurfs der Bun- desregierung muss es sein, den bestehenden energiewirt- schaftlichen Ordnungsrahmen durch die angestrebten Änderungen des Energiewirtschaftsrechtes auf die Grundlage eines fairen und funktionierenden Wett- bewerbs zu stellen. Das Ziel muss wie im Strombe- reich darin liegen, eine möglichst schlanke gesetzliche Normierung zu finden, die durch die betroffenen Wirt- schaftsverbände mit organisatorischen und technisch- wirtschaftlichen Detailregelungen im Rahmen einer Ver- bändevereinbarung konkretisiert, ergänzt und flankiert wird. Inhaltlich geht es darum, Lösungen zu finden für ein Netzzugangsrecht im Wege des verhandelten Netzzu- gangs, Vorschriften für den Netzbetrieb und zur Veröf- fentlichung der wesentlichen geschäftlichen Bedingun- gen für den Netzzugang und zur buchhalterischen Trennung der Rechnungslegung. Wir begrüßen es grundsätzlich, dass die Bundesregie- rung wenigstens im Gassektor zur Einsicht gekommen ist, dass die erfolgreiche Marktöffnung- und Wettbewerbsför- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117060 (C) (D) (A) (B) derungspolitik der CDU/CSU der einzig gangbare Weg ist. Es ist erschreckend, in wie vielen anderes Bereichen der rot-grünen Wirtschaftspolitik zulasten der Verbrau- cher und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes gehandelt wird. Mit immer neuen Regu- lierungen und Interventionen wird fairer und gleicher Leistungswettbewerb verhindert, Strukturwandel ver- schleppt, die Verwirklichung des europäischen Binnen- marktes gebremst, Wirtschaftswachstum und Wohl- standsvermehrung blockiert. Die Liste reicht von einer staatsmonopolistischen Postpolitik, einer missbräuchli- chen Aufblähung der Daseinsvorsorge über das Zwangs- pfand und das KWK-Vorschaltgesetz, dem Technikverbot Atomenergie bis hin zur inflationstreibenden Ökosteuer ohne ökologische Lenkungswirkung. Die Umsetzung ei- ner europäischen Richtlinie im Gassektor darf von sol- chem eklatanten Versagen rot-grüner Ordnungspolitik nicht ablenken. Gerade im Energiesektor drohen die rot-grünen Eingriffe und Kostenbelastungen die mühsam errungenen Liberalisierungsvorteile von 20 bis 30 Milli- arden DM pro Jahr schon bald wieder aufzufressen. Die verspätete Umsetzung der europäischen Gasrichtlinie, zu der die Bundesrepublik vertraglich verpflichtet ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rot-Grün und Bun- deswirtschaftsminister Müller in ihrer Energie- und Wett- bewerbspolitik bislang versagt haben. Es bleibt zu hoffen, dass wenigstens auf dem Gasmarkt mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben ein funktionie- render Wettbewerb erreicht werden kann. Gas besitzt ge- genüber der Stromversorgung einige Besonderheiten. Es herrscht ein Angebotsoligopol und eine hohe Importab- hängigkeit. Es existieren unterschiedliche Verteilerstruk- turen und geringere Überkapazitäten als beim Strom. Po- litisch vorrangiges Ziel muss sein, dass die früheren Monopolisten ihre Gaspipelines für Wettbewerber öffnen. Das Netz ist „essential facility“ – der diskriminierungs- freie Netzzugang für Dritte ist integrale Voraussetzung für mehr Wettbewerb, damit künftig nicht nur industrielle Großkunden, sondern auch das Kleingewerbe und die Haushaltskunden durch Preissenkungen und freie Anbie- terwahl von der angestrebten Liberalisierung profitieren. Dazu bedarf es mehr Transparenz bei der Durchleitung und den Durchleitungstarifen, eines eindeutigen Engpass- managements und klarer Regelung beim Zugang zu Gas- speichern. Nicht akzeptabel ist aus unserer Sicht die Vielzahl von Rechtsverordnungsermächtigungen im Gesetzentwurf der Bundesregierung. Auch der Versuch, den Import von sogenanntem „schmutzigen Strom“ im Rahmen einer Verordnungsermächtigung zu verbieten, lehnen wir kate- gorisch ab. Der ehemalige Veba-Manager Dr. Werner Müller sollte eigentlich wissen, dass ein solches Vorgehen weder juristisch machbar noch technisch durchführbar ist. Die Bundesrepublik hat sich in der Vergangenheit unter unserer Regierungszeit mit der vollständigen Öffnung der Energiemärkte an die Spitze des Liberalisierungsprozes- ses begeben und wir befürworten gemeinsam die EU- Osterweiterung. Sowohl der jetzige Bundeskanzler als auch sein Außenminister haben sich in der Vergangenheit wiederholt positiv für die Öffnung der mittel- und osteu- ropäischen Märkte ausgesprochen. Ein Teilausschluss, insbesondere der mittel- und osteuropäischen Staaten, aus dem liberalisierten europäischen Strommarkt ist mit die- sen Bekenntnissen nicht vereinbar und widerspricht den Grundsätzen des freien Warenverkehrs. Mit der Absicht, den Strommarkt abzuschotten und Importstrom aus Kern- energie zu verbieten, beschneidet die Bundesregierung die Aktivitäten der deutschen Wirtschaft und belastet un- sere Geschäftsbeziehungen zu den mittel- und osteu- ropäischen Wirtschaftspartnern. Die Pläne der EU-Kommission, die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte zu beschleunigen und den europä- ischen Energiebinnenmarkt schon bis 2005 zu vollenden, verdienten unsere uneingeschränkte Unterstützung. Der von EU-Kommissarin de Palacio beabsichtigte regulierte Zugang Dritter zu den Energienetzen auf der Basis fest- gelegter oder genehmigter Tarife durch eine Regulie- rungsbehörde würde das deutsche Modell der Verhand- lungslösung auf der Grundlage von Verbändever- einbarungen unmöglich machen. Wir sind aber der Auf- fassung, dass funktionierende freiwillige Vereinbarungen und Verhandlungslösungen bei einem effektiven Kartell- recht zu effizienterem Wettbewerb führen als Regulie- rungsregime staatlicher Behörden. Natürlich setzen wir zuallererst auf freiwillige Vereinbarungen anstatt auf staatliche Regulierungsbürokratie. Es gibt jedoch Signale aus dem Markt, dass die verabredeten Verbändevereinba- rungen nicht richtig funktionieren und vor allem rechts- beratende Berufe beschäftigen. Die Beteiligten sind auf- gefordert, solche Vereinbarungen im Interesse der Verbraucher und der Marktoffenheit wirklich praktikabel zu gestalten und vor allem zu handhaben. Sollte dies nicht nachvollziehbar ausreichend funktionieren, muss über Neuvereinbarungen oder als Ultimo Ratio über schärfere gesetzliche Bedingungen nachgedacht werden. Das Prinzip der Reziprozität bei der Vollendung des EU-Energiebinnenmarktes muss sicherstellen, dass Ener- gieunternehmen beispielsweise gegenüber ausländischen Staatskonzernen nicht benachteiligt werden. Fehlt eine ausreichende Reziprozität, darf dies jedoch nicht zu einer Abkehr vom Ziel eines liberalisierten Energiebinnen- marktes führen. Versorgungssicherheit, Preisgünstigkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit bleiben für uns unverändert die Grundanforderungen, an denen sich Energiepolitik aus- richten muss. Um diese Ziele zu erreichen, muss die künf- tige Energiepolitik an den Maximen Nachhaltigkeit, Glo- balisierung, Zukunftsoffenheit und Marktwirtschaft ausgerichtet werden. Wir müssen global und europäisch verantwortliche rechtliche Rahmen finden, weil Energie- politik aufgrund der globalen Zusammenhänge nicht mehr nur im nationalen Rahmen gesehen werden kann. Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Energieproduktionsstandort sichern und mit marktwirt- schaftlichen Methoden verbessern, weil nur das Wettbe- werbsprinzip zu den effizientesten Ergebnissen und zu niedrigen gesamtwirtschaftlichen Kosten führt. Markt- wirtschaftlich heißt zugleich auch, mittelfristig ein Level- Playing-Field für alle Marktteilnehmer herzustellen, ei- nen freien und fairen Zugang zu den Versorgungsnetzen zu ermöglichen und das Entstehen sowie den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen zu verhindern. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17061 (C) (D) (A) (B) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird im Zuge der nun anstehenden Ausschussberatungen eine öffentliche Anhörung zum vorgelegten Regierungsentwurf beantra- gen, um mit den Betroffenen die noch strittigen Punkte des Gesetzgebungsvorhabens in aller Ausführlichkeit zu diskutieren. – Der Überweisung in die Ausschüsse stim- men wir zu. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Liberalisierung der Energiemärkte Europas schreitet immer weiter voran. Die EU hat uns aufgefordert, die EU- Gasrichtlinie in Deutschland umzusetzen. Dieser Auffor- derung kommen wir gerne nach. Nachdem vor drei Jah- ren in Deutschland der Strommarkt liberalisiert wurde, komme jetzt der Gasmarkt an die Reihe. Das begrüße ich sehr, da hier ein großes Potenzial für den zukünftigen Wettbewerb liegt. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein guter Schritt in die Richtung zu einer weiteren Marktöff- nung. Wir müssen aber aufpassen, wie die Liberalisierung durchgeführt werden soll. Das nötige Wissen dazu haben wir. Nach drei Jahren der Strommarktliberalisierung hat sich gezeigt, dass Liberalisierung nicht automatisch mehr Wettbewerb bedeutet. Es gibt bei der Liberalisierung des Gasmarktes struk- turelle Unterschiede zum Strommarkt. Dies muss bei der Umsetzung berücksichtigt werden. Während Strom fast vollständig in Deutschland produziert wird, sind wir bei Erdgas zu 80 Prozent auf Importe angewiesen. Diese Im- porte kommen aus einigen wenigen Ländern, mit denen zum Teil sehr langfristige Lieferverträge abgeschlossen wurden. Das macht den Beginn von Wettbewerb in Deutschland zunächst nicht einfach. Wettbewerb auf dem Gasmarkt benötigt auch Gasmengen für konkurrierende Angebote. Diese Angebote sind vorhanden; es gibt auch eine Reihe von Firmen, die sich in diesem Bereich enga- gieren. Dies ist aber noch sehr schwierig. Wir müssen hier für einen ausreichenden Wettbewerb sorgen, damit im In- teresse der Verbraucher die Gaspreise sinken. Obwohl es um die Umsetzung der EU-Gasrichtlinie geht, dürfen wir den Strommarkt nicht aus den Augen ver- lieren. Und gerade bei Strom gibt es in der bisherigen Li- beralisierung noch große Hindernisse für einen erfolgrei- chen Wettbewerb. Deutschland ist das einzige Land in der EU, dass einen verhandelten Netzzugang gewählt hat. Da- durch haben sich viele Probleme ergeben, die die neuen Wettbewerber nun vom Markt verdrängen. Am drängends- ten ist die ungenügende Rechtssicherheit für die neuen Marktteilnehmer. Die Netzbetreiber nutzen ihre Möglich- keiten, den Wettbewerb zu behindern. Im Konfliktfall ha- ben besonders die kleinen Unternehmen gegen die großen Netzbesitzer keine Chance. Ein Prozess vor Gericht ist häufig zu teuer und dauert zu lange. Bis er gewonnen ist, ist der Kunde weg und manchmal auch das Unternehmen nicht mehr auf dem Markt. Selbst wenn das durchleitende Unternehmen also Recht hatte, nützt ihm das bei diesem zum Teil sehr schnelllebigen Markt nichts. Darüber hi- naus gibt es viele Beispiele, wie die Durchleitung von Strom erschwert wird. In vielen Bereichen sind die Netz- nutzungsentgelte überhöht. Wechselwillige Kunden müs- sen einen zusätzlichen Netznutzungsvertrag abschließen, in einigen Fällen werden dazu die Unterschrift des Ver- mieters und ein Grundbuchauszug verlangt. Für den Kunden wirkt dieser hohe bürokratische Aufwand ab- schreckend und verhindert in vielen Fällen den Anbieter- wechsel. Die Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes bietet jetzt die Möglichkeit, etwas für den Wettbewerb im Strommarkt zu tun. Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, besonders da in dieser Legislaturperiode das Energiewirt- schaftsgesetz sicher nicht noch einmal geändert wird. Nach einer intensiven Phase nach Einführung des Wett- bewerbs steigen jetzt die Preise seit Ende des letzten Jahres wieder an. Dies liegt nicht an den Kosten durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Gesetz zur Kraft- Wärme-Kopplung, wie es die Energieunternehmen glaub- haft machen wollen. Eine aktuelle Studie des BETAachen zeigt deutlich, dass die Kosten für den Endverbraucher durch EEG und KWKG wesentlich geringer sind. Einige Energieversorgungsunternehmen hätten ihre Preise sogar senken müssen, weil mit dem EEG eine bundesweite Um- lage der Kosten erfolgt. Statt der vorgenommenen Strom- preiserhöhungen von bis zu 1,5 Pf/kWh wären im Schnitt nur 0,39 Pf/kWh gerechtfertigt gewesen. Vielmehr be- steht jetzt die Gefahr, dass die fusionierten Großkonzerne den Markt wieder abschotten und in einer konzertierten Aktion die Strompreise wieder anheben. Hier müssen wir genau hinschauen, sonst haben wir den ganzen Akt um- sonst gemacht. Es liegen viele verschiedene zusätzliche Vorschläge zur Änderung auf dem Tisch. Besonders die neuen Wettbe- werber auf dem Strommarkt haben genaue Vorstellungen, was noch verbessert werden muss. Wir werden diese Vor- schläge im parlamentarischen Verfahren genau prüfen. Einen wichtigen Punkt möchte ich hier dazu anspre- chen: die vermiedenen Netznutzungskosten bei dezentra- len Anlagen. Dezentrale Anlagen, die in das Stromnetz einspeisen, vermeiden Netznutzung auf höheren Span- nungsebenen. Diese vermiedene Netznutzung muss an diese dezentralen Anlagen weitergegeben werden. Dies war auch ein Bestandteil der Verbändevereinbarung, ist aber bis heute nicht umgesetzt. Die Energiewirtschaft hat mehr als genug Zeit gehabt. Wenn sie sich nicht an die freiwillige Vereinbarung hält, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass diese rechtlich verbindlich ist. In diesem Zusammenhang bedauerlich ist, dass auf dem Gipfel von Stockholm der Prozess einer zügigen Li- beralisierung in der EU ins Stocken gekommen ist. Die Vorschläge der EU-Kommissarin de Palacio sind dabei sehr ambitioniert und finden meine volle Unterstützung, und zwar beide Seiten: mehr Wettbewerb in Frankreich durch zügige Liberalisierung und mehr Wettbewerb in Deutschland durch stärkere Regulierung. Ich würde mich freuen, wenn wir den Beratungsprozess nutzen, auch für den Strombereich Zwischenbilanz zu ziehen und intensiv über die Weiterentwicklung und Begleitung des Liberali- sierungsprozesses zu sprechen. Walter Hirche (F.D.P.): Hinter dem komplizierten Ti- tel des Gesetzes, das heute in der ersten Lesung beraten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117062 (C) (D) (A) (B) wird, versteckt sich eines der vordringlichsten energiepo- litischen Ziele dieser Legislaturperiode: die Öffnung der deutschen Erdgasmärkte und damit die Umsetzung der Binnenmarktrichtlinie Gas. Die F.D.P. begrüßt das Gesetz ausdrücklich. Mit dem heutigen Tag können endlich die parlamentarischen Beratungen beginnen, auf die wir viel zu lange haben warten müssen. Denn obwohl die Bun- desregierung verpflichtet war, die Binnenmarktrichtlinie Gas bis zum 8. August 2000 umzusetzen, hat sie unnötig Zeit verstreichen lassen. Sie hat ein Vertragsverletzungs- verfahren in Kauf genommen und sich nicht gescheut, die Liberalisierung und Deregulierung der Energiemärkte – wenn auch nur zeitweise – zu boykottieren. Dabei hinkt die Öffnung der deutschen Gasmärkte bereits zwei Jahre hinter der Liberalisierung der deutschen Strommärkte her. Ein Grund der Verzögerung war, dass die alte Bundes- regierung – anders als bei Strom – mit Blick auf die da- mals noch ausstehende EU-Gas-Direktive davon Abstand genommen hatte, wichtige gasspezifische Details, insbe- sondere im Hinblick auf die Gestaltung des Netzzugangs, unmittelbar in Zusammenhang mit der Energierechtsno- velle von 1998 zu regeln. Heute nun liegen die energie- rechtlichen Vorschläge der Bundesregierung mit den ein- schlägigen gasspezifischen Tatbeständen vor, die jedoch noch intensiver Beratungen bedürfen. Die F.D.P. hat maßgeblich die Liberalisierung und De- regulierung der deutschen Energiemärkte initiiert und durchgesetzt. Die positiven Effekte – und das hat uns der Strombereich gezeigt – werden auch bei der Gasliberali- sierung überwiegen: Kostensenkungspotenziale können genutzt, Synergieeffekte erschlossen werden. Neue Marktanbieter mit innovativen Produkten haben auf dem Strommarkt für mehr Wettbewerb gesorgt. Genau das er- warten wir auch auf den deutschen Gasmärkten. Damit er- wachsen dem Verbraucher Vorteile, von denen er profitie- ren kann und mit denen er ganz persönliches Plus er- wirtschaftet. In der Summe stärkt die Öffnung der Gas- märkte den Standort Deutschland. Er braucht ein politi- sches Signal, damit neues Wachstum entstehen kann. Eine zügige Liberalisierung der Gasmärkte ohne protektionis- tische Gängelungen ist ein wichtiger Schritt dazu. Die F.D.P. ist sich bewusst, dass entscheidende Unter- schiede zwischen dem Gas- und Strommarkt bestehen. Hierzu zählen insbesondere der physische Fluss des Ga- ses, die Qualitätsunterschiede, seine hohe Konzentration auf dem Wärmemarkt und der daraus – trotz gegebener Speicherbarkeit – resultierenden Saisonkomponente und last, but not least die hohe Importabhängigkeit des Gases von insbesondere Norwegen und Russland inklusive der Take-or-Pay-Verträge. Die F.D.P. will faire Chancen auf den deutschen Gas- märkten. Dazu gehört insbesondere auch, dass die Neuan- bieter einen diskrimierungsfreien Zutritt zum Markt er- halten und nicht von den alten Marktteilhabern aus- gebootet werden, wie dies vielfach noch der Fall ist. Das Modell des verhandelten Netzzugangs muss der Praxis- bewährung standhalten. Das schließt zum Beispiel Mög- lichkeiten einer zügigen Kontrolle und den Sofortvollzug bei Anforderungen des Bundeskartellamts ein. Die parlamentarischen Beratungen werden Gelegen- heit geben, die komplexe Materie zu erörtern und Ant- worten zu den noch offenen Fragen zu finden. Unser Ziel, die Entstehung eines aktiven Wettbewerbsmarktes für Gas, werden wir dabei stets im Auge behalten. Eva-Bulling-Schröter (PDS): Gestatten Sie mir ein- gangs einen Kommentar zu einem Schreibfehler im Ge- setzentwurf, der mich erheitert hat. Auf Seite 1 findet sich eingangs des vorgeschlagenen Lösungsansatzes ein Satz, dessen tiefgründiger Humor in einem unfreiwilligen Be- zug zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts und der hier vorgelegten ersten Änderung steht. Ich zitiere: Für Betreiber von Gasversorgungsnetzen bzw. Gas- versorgungsunternehmen soll künftig die Verpflich- tung gelten, Dritten diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Gesetzen zu gewähren. Gemeint war jedoch, dass Betreiber von Erdgasnetzen künftig verpflichtet werden sollen, Dritten einen „diskri- minierungsfreien Zugang zu ihren Netzen zu gewähren“. Voilá! Uns selbst ist es bisher nicht gelungen, das Ener- giewirtschaftsgesetz der Ära Kohl in dieser Kürze und Würze zu charakterisieren. Auf Gesetze wie das Energiewirtschaftsrecht sollen sich Dritte ausdrücklich nicht berufen können. Denn im darauf folgenden Satz wird klar zum Ausdruck gebracht, dass der diskriminierungsfreie Zugang zu den Erdgasnet- zen nach geschäftlichen Bedingungen gewährleistet wer- den soll, die vonseiten der Betreiber von Gasversor- gungsnetzen aufzustellen und zu veröffentlichen sind. Ein Wettbewerb der wenigen großen Erdgasbeschaffer um die Gunst kommunaler Erdgasversorgungsunternehmen kann so nicht erwartet werden. Diese Regelung ist vielmehr eine unverholene Ermunterung, Absprachen über die Höhe von Monopolprofiten zu machen, die aus dem na- türlichen Monopol der Leitungsgebundenheit erwachsen. Nicht etwa ein Gesetz dieses Hauses, sondern die all- gemeinen veröffentlichten Geschäftsordnungen der Be- treiber der Erdgasnetze sollen dem diskriminierenden Treiben Einhalt gebieten. Wie auch bei den Stromnetzen soll der Zugang zu den Gasversorgungsnetzen nach dem System des verhandelten Netzzugangs erfolgen. Das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschafts- rechts legt mit dem so genannten verhandelten Netzzu- gang – und das ist in Europa ein einmaliger Sonderweg – die Regulierung und Gestaltung der leitungsgebundenen Energien Strom und nun auch Erdgas in die Hand der großen Energiekonzerne. SPD und Bündnis 90/Die Grü- nen setzen diese Politik der Regierung Kohl fort. Aus der Brüsseler EU-Kommission mehren sich bereits die Stim- men, welche die Einrichtung einer Regulierungsbehörde für den Betrieb der Strom- und Gasnetze auch in Deutsch- land fordern. Vonseiten der Energiewirtschaft hören wir, dass es da- rum gehe, die deutsche Energiewirtschaft für einen euro- päischen Wettbewerb fit zu machen. Dieser Wettbewerb soll auch um die Übernahme der Energiemärkte in den neuen Beitrittsländern in Mittel- und Osteuropa geführt werden. Die wirtschaftsstarken Mitgliedsländer der EU Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17063 (C) (D) (A) (B) setzen ihre Macht ein, um die Beitrittskandidaten zur Pri- vatisierung ihrer Infrastruktur zu drängen. Die Bundesre- gierung teilt diese Ziele und gesteht den heimischen Energiemonopolisten die Akkumulation von Monopol- profiten zu. Bezahlen tun das die privaten Haushalte, während die Sonderpreise für Großkunden weiter abge- senkt werden konnten. Der politische Preis ist der Ver- zicht auf den Ausstieg aus der Atomkraft. In Deutschland bekommen insbesondere die Beschäftigten der Stadt- werke die Auswirkungen dieses ungleichen Kampfes zu spüren. Die Liberalisierung führt zur Herausbildung eines Oligopols im Bereich der leitungsgebundenen Energien. Im Rahmen der ersten Änderung des Energiewirt- schaftsrechtes hatten wir einige Korrekturen vonseiten der Bundesregierung erwartet. Die Bundesregierung hat die Gelegenheit jedoch nicht genutzt. Dabei muss auch der Verbraucherschutz dringend an die neuen Bedingun- gen angepasst werden. Die privaten Haushalte sehen sich mit intransparenten Angeboten zum Wechsel des Strom- anbieters konfrontiert. Bisher wurde der monatliche Grundbetrag in der Stromrechnung mit den Kosten zur Ablesung und Wartung von Zählern gerechtfertigt. Dieser Posten liegt etwa im Bereich von 5 bis 6 DM pro Monat und war im Zuge der Tarifaufsicht durch Vergleich mit den realen Kosten nachprüfbar. Die neuen Angebote las- sen eine Überprüfung nicht mehr zu. Dort werden bei- spielsweise Grundbeträge in Höhe von 19 DM gefordert, ohne dass klar wird, welche Dienstleistungen des Ener- gieversorgers mit diesen fiktiven Grundbeträgen bereits abgegolten sind. Die politisch-ökonomische Verantwortung des Gesetz- gebers ist es, der zunehmenden Machtkonzentration der Energiekonzerne entgegenzuwirken. Es liegt in der Natur dieses Verhältnisses, dass finanzstarke Konzerne Investi- tionen in Bereiche scheuen, die konjunkturellen Schwan- kungen und Risiken unterliegen. Die bisherige Wirt- schaftspolitik bietet ihnen durch Privatisierung von Infrastruktur und öffentlichen Aufgaben ein vergleichs- weise sicheres Geschäft. In der Tendenz werden konjunk- turelle Schwächen und Wirtschaftskrisen jedoch tiefere Spuren in der Infrastruktur hinterlassen. Auch der Sozial- bereich wird davon nicht verschont bleiben und deshalb muss auch die Riester-Rente in diesem Zusammenhang genannt werden. Wir wollen keine Infrastrukturkonzerne, die in alle Be- reich der Ver- und Entsorgung eindringen. Aufgaben der Daseinsvorsorge und natürliche Monopole gehören in die öffentliche Hand. Energiepolitisch halten wir daher an un- serer Forderung fest: Die überregionalen Transportnetze sollen in gemeinwirtschaftliches Eigentum überführt werden. Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Wirtschaft und Technologie:Mit dem vorlie- genden Gesetzentwurf wird die EU-Gasrichtlinie voll- ständig umgesetzt. Der Gesetzentwurf stellt einen weiteren Meilenstein in der Liberalisierung des deutschen Energiemarktes dar. Die Marktöffnung im Gasbereich ist zwar schon mit der Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im April 1998 und mit dem 1999 novellierten Gesetz gegen Wett- bewerbsbeschränkungen auf den Weg gebracht worden. Mit diesen Gesetzen wurden nämlich Demarkations- und ausschließliche Wegerechtsverträge verboten und eine spezialgesetzliche Regelung für den Netzzugang einge- führt. Der vorliegende Gesetzentwurf führt diesen Weg der Liberalisierung – wie schon für den Strombereich ge- schehen – nun auch für den Gasbereich konsequent fort. Wesentliches Ziel ist die Stärkung des Wettbewerbs auf dem Gasmarkt, um Kostensenkungspotenziale freizuset- zen und die Verhandlungsposition der Gaskunden deut- lich zu stärken. Mit diesem Gesetz sind unsere europä- ischen Verpflichtungen erfüllt. Ich möchte auf einige zentrale Punkte des Gesetzent- wurfs eingehen: Der Entwurf sieht eine „schlanke“ Richtlinienumset- zung vor. Er enthält im Wesentlichen das Netzzugangs- recht für Dritte im Verhandlungswege. Damit wird der Tat- sache Rechnung getragen, dass der Zugang zum Netz auch im Gasbereich als Schlüssel für den Prozess der Liberali- sierung anzusehen ist. Wir setzen zudem – trotz zuneh- mender Kritik von der Kommission – weiterhin auf den in der Richtlinie vorgesehenen Weg des verhandelten Netz- zugangs. Wir halten diesen Weg angesichts der pluralisti- schen, privatwirtschaftlich organisierten Marktstruktur in Deutschland für den Erfolg versprechenden. Die Markt- ergebnisse im Strombereich geben uns da Recht. Ein regulierter Netzzugang mag bei Existenz staat- licher Monopolgesellschaften angebracht sein. Deswegen gehen viele europäische Mitgliedstaaten diesen Weg. Wir hingegen setzen auf Deregulierung und die dynamischen Kräfte des Marktes. Neben weiteren, den transparenten Netzzugang regeln- den Vorschriften enthält der Gesetzentwurf eine Rezipro- zitätsklausel für Gas; außerdem wurde die bereits beste- hende Reziprozitätsklausel für Strom verschärft. Diese soll die Chancengleichheit deutscher Energieversor- gungsunternehmen während der europaweiten Marktöff- nungsphase sichern. Wettbewerbsverzerrungen zulasten deutscher Unternehmen sollen zwar in erster Linie wei- terhin durch das Recht der betroffenen Unternehmen zur Verweigerung des Netzzugangs vermieden werden; gleichwohl können Ungleichgewichte zulasten deutscher Energieversorgungsunternehmen entstehen, da derzeit noch unterschiedliche Marktöffnungsgrade in den Mit- gliedstaaten vorhanden sind. Für diesen Fall wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie er- mächtigt, im Wege einer Verordnung mit Zustimmung des Bundesrates Kriterien für die Netzzugangsverweigerung bei grenzüberschreitenden Energielieferungen näher zu bestimmen. Gleiches gilt gegenüber Drittstaaten. Diese politische Antwort auf unterschiedliche Markt- öffnungsgrade sind wir unserer Wirtschaft schuldig. Die Reziprozitätsklausel zum Schutze unserer Wirtschaft kann allerdings entfallen, sobald alle Märkte in Europa voll für den Wettbewerb geöffnet sind. Wir unterstützen daher die Kommission in ihrem Bemühen, die Integration der Märkte für Strom und Gas weiter voranzutreiben. Daneben enthält der Gesetzentwurf eine Reihe von Verordnungsermächtigungen, die eine Feinsteuerung der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 200117064 (C) (D) (A) (B) Marktöffnung ermöglichen. Diese Vorschriften werden mit Leben erfüllt werden, sofern sie sich zum Entstehen eines erfolgreichen Wettbewerbs als notwendig erweisen. Das Gesetz sieht schließlich auch die Einrichtung einer Schiedsstelle beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vor. Wir erwarten von ihr, dass sie die Strei- tigkeiten bereits im Vorfeld gerichtlicher Verfahren er- folgreich ausräumt. Bei diesem Gesetzentwurf geht es nicht nur um die for- malrechtliche Umsetzung der EU-Gasrichtlinie. Ich er- warte mir hiervon auch wesentliche Impulse für die deut- sche Wirtschaft. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Errichtung eines Fonds zur Unterstützung der Doping-Opfer der DDR (Tagesordnungspunkt 17) Gustav-Adolf Schur (PDS): Die Zuständigen für die Tagesordnung haben diese Debatte für die Zeit um Mit- ternacht angesetzt. Das ist die Zeit der Berufsboxer – Showtime – und das lässt Assoziationen aufkommen: Schattenboxen mit Zwölf-Unzen-Handschuhen ist ange- sagt. Zum besseren Verständnis: Das sind die dick gepols- terten für Kinderkämpfe! Ich denke, dass in diesem Fall Fünf-Unzen-Handschuhe gefragt wären, das heißt die, mit denen sich die Profis prügeln. Ich bin gegen jedes Doping, das habe ich oft genug er- klärt. Ich bin dafür, dass Doping juristisch verfolgt wird und zwar im Leistungssport und in den Fitnesszentren. Es ist auch vonnöten, durch Doping gesundheitlich Geschä- digte gebührend zu entschädigen. Aber dieses Hohe Haus hat Entscheidungen für ganz Deutschland zu treffen und nicht – wenn es gerade wieder mal politisch passt –, für die Gegend um Schwerin oder Leipzig, Erfurt oder Dres- den. Also: wenn gegen Doping und Dopingmissbrauch kämpfen, dann deutschlandweit. In dem Antrag der Kollegen von der CDU/CSU heißt es anklagend – ich zitiere –: Sport war in der ehemaligen DDR Mittel staatlicher Repräsentation, staatlicher Propaganda; sportliche Spitzenleistungen sollten der Welt die Leistungs- fähigkeit einer Gesellschaft widerspiegeln und das Ansehen der ehemaligen DDR stärken. Zur Erweiterung Ihres Wissens auf diesem Gebiet möchte ich Ihnen ein Interview des Abgeordneten Kanther im Deutschlandfunk aus dem Jahre 1996 emp- fehlen. Auf die Frage nach dem Wert der in Atlanta von Deutschen eroberten Medaillen sagte er wörtlich: Sie sind ein nationales Anliegen. Sie sind in einem Teilaspekt Ausweis des Leistungsvermögens eines Volkes. Ich wiederhole den Namen: Kanther, damals Bun- desinnenminister. Abschließend: Doping ist in erster Linie eine medizi- nische Disziplin, in zweiter Linie eine juristische; ob man in den Ring steigen sollte, um Doping auch noch als poli- tische Disziplin vorzuführen, bezweifele ich sehr – weder mit Fünf-, noch mit Sechs-, Acht- oder Zwölf-Unzen- Handschuhen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 173. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Mai 2001 17065 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Barbara Höll


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Sehr geehrter Kollege Braun,
    das ist mir bekannt. Allerdings habe ich in den letzten Jah-
    ren erfahren müssen, dass es mit den Selbstverpflichtungen,
    die Teile der Industrie eingegangen sind, oftmals nicht so
    weit her ist. Ich erlaube mir, als Beispiel die Werbung anzu-
    führen. Da gibt es eine Selbstverpflichtung der Tabakwa-
    renindustrie, dass die abgebildeten Models älter als 30 Jahre
    sein müssen. Sie wirken aber allesamt jünger als 30 Jahre,
    wenn es nicht ausgesprochene Werbung mit „Alten“ ist.

    Es geht nicht um einen Kampf gegen Automaten ins-
    gesamt. Automaten zum Beispiel in Gaststätten, wo Kin-
    der und Jugendliche keinen unkontrollierten Zugang ha-
    ben, können sehr wohl stehen bleiben. Es geht um die
    Automaten, die draußen angebracht sind, und dann auch
    noch in Kombination mit Süßwaren, wie ich eben darge-
    stellt habe. Ich glaube, da müssen wir aktiv werden. Nach
    meinen Erfahrungen habe ich nicht die Hoffnung, dass
    das mit einer Selbstverpflichtung zu regeln ist.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Es gibt auch eine Selbstverpflichtung, dass keine Wer-

    bung für Tabakwaren im Zusammenhang mit Sport ge-
    macht wird. Michael Schumacher wirbt für „Moods“.
    Was ist das anderes?

    Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal im Kino waren.
    Eine wunderschöne Suggestivwerbung für Tabakwaren
    und hinterher eine schwarze Leinwand mit weißer Schrift:
    „Die Gesundheitsministerin warnt: Der Tabakkonsum ist
    schädlich für Ihre Gesundheit.“


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Spielverderberin!)





    Dr. Heinrich L. Kolb

    16973


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Welche Chance hat diese Warnung überhaupt noch?
    Ich finde es positiv, wenn die EU die Initiative ergreift

    und es möglich macht, die Warnhinweise auf den Zigaret-
    tenschachteln wesentlich drastischer zu gestalten, also
    etwa mit einer Abbildung einer Raucherlunge und einem
    Aufdruck „Rauchen tötet“; denn Rauchen tötet tatsäch-
    lich.

    Wir im Parlament sollten nicht erst darauf warten, dass
    die EU in den nächsten zwei Jahren entscheidet und dann
    noch Übergangsregelungen einräumt. Wir sollten nicht
    nur das Mindestmaß verwirklichen, das die EU vor-
    schreibt. Vielmehr ist es uns unbenommen, selber Schritte
    zu ergreifen. Die Richtlinie wird so ausgestaltet sein, dass
    die nationalen Staaten sehr wohl eine Handlungsfreiheit
    haben. Wenn man die Regelungen in den anderen europä-
    ischen Staaten mit denen hier in der Bundesrepublik ver-
    gleicht, so stellt man fest, dass wir ganz hinten liegen und
    viel tun könnten.

    Was wir heute tun, kann nur ein erster kleiner Schritt
    sein – den wir aber natürlich unterstützen.

    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Doris Barnett
von der SPD-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Doris Barnett


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen! Als ich am Montag mit dem Zug
    von Berlin nach Halle fuhr, bin ich aus Versehen in ein
    Raucherabteil gegangen. Das habe ich erst nicht gemerkt,
    weil die beiden Personen, die in diesem Abteil gesessen
    haben, nicht geraucht haben. Als später Raucher dazu ka-
    men, habe ich gedacht, irgendjemand dreht mir den Hahn
    zu. Als Nichtraucher merkt man das sehr schnell. Nun, ich
    konnte in ein anderes Abteil gehen, aber die Leute am Ar-
    beitsplatz, Herr Kolb, die können das nicht, die müssen an
    ihrem Arbeitsplatz bleiben und müssen die verpestete
    Luft einatmen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.])


    Ich bin Nichtraucherin und habe in meinem Leben
    wirklich noch nie geraucht – außer passiv, wenn Sie das
    gut finden; ich tue das nicht. Deshalb bin ich, was das
    Rauchen angeht, wahrscheinlich toleranter als viele
    Exraucher. Aber ich fühle mich als Abgeordnete all den-
    jenigen gegenüber in der Pflicht, die sich am Arbeits-
    platz nicht durchsetzen können gegen rücksichtslose
    Kollegen – die soll es ja geben –, die auch noch damit
    prahlen, nur noch eine halbe Schachtel pro Tag zu rau-
    chen.

    Ich könnte hier eine Analogie zum Problem prügeln-
    der Männer ziehen; jahrelang wurde akzeptiert, dass die
    Frau ausziehen könne. Analog könnte man argumentie-

    ren, der Nichtraucher solle sich in rauchfreie Räume ver-
    ziehen


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder einen anderen Arbeitsplatz suchen!)


    und könne, wie die verprügelte Frau, klagen. In beiden
    Fällen geht es – das wurde mehrfach gesagt – um kör-
    perliche Unversehrtheit, unser wichtigstes Gut über-
    haupt. Das wurde heute Morgen ja schon ausführlich und
    in einer guten Debatte dargelegt.

    So wenig wir die Frauen hilflos ließen, so wenig dür-
    fen wir jetzt die Nichtraucher rechtlos lassen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, also sich
    von Dritten verursachten Gefahren nicht aussetzen zu
    müssen, umfasst auch das Recht auf gesundheitlich zu-
    trägliche, das heißt tabakfreie Atemluft am Arbeits-
    platz. Dieses Recht ist bisher nicht gesichert. Viele
    Nichtraucherbestimmungen in den Betrieben haben
    eine so genannte Vetoregelung. In der Praxis sieht das
    dann so aus, dass der auf sein Recht pochende Nicht-
    raucher zum Störenfried abgestempelt wird. Und richtet
    sich das Veto des Nichtrauchers gar gegen das Rauchen
    des Chefs oder des Vorgesetzten, dann macht er sich si-
    cherlich nicht beliebt. Die Konsequenz ist: Allzu oft
    bleiben die Nichtraucher ruhig und schlucken lieber die
    verpestete Luft.

    Deshalb wollen wir – ich hoffe wirklich auf die Ein-
    sicht aller – den Nichtraucherschutz nicht nur in Pausen-,
    Bereitschafts- und Liegeräumen des Arbeitsplatzes gesi-
    chert wissen und ansonsten auf die Rücksichtnahme hof-
    fen, sondern wollen den Arbeitgeber verpflichten, Vor-
    kehrungen in allen seinen Arbeitsräumen zu treffen, um
    die Nichtraucher zu schützen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Dann geben Sie ihm doch disziplinarische Mittel an die Hand! Das ist doch die Konsequenz!)


    Denn, Herr Kolb, wenn es um den Brandschutz im Betrieb
    geht, dann hat der Arbeitgeber auch keine Nachsicht mit
    seinen Rauchern. Bloß wenn es um den Schutz seiner
    nicht rauchenden Mitarbeiter geht, dann ist ihm deren Ge-
    sundheit seltsamerweise offensichtlich egal. Das kann
    nicht richtig sein.