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ID1417108800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14171

  • date_rangeDatum: 18. Mai 2001

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    Zusatztagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung des Schuldrechts (Drucksache 14/6040) . . . . . . . . . . . . . . . 16719 A Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16719 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16721 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16723 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16725 C Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16727 C Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16728 B Dr. Andreas Birkmann, Minister (Thüringen) 16730 B Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16732 A Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Reck- linghausen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: EU-Richt- linienvorschlag zu Mindestnormen in Asylverfahren überarbeiten (Drucksache 14/5759) . . . . . . . . . . . . . 16734 A b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Reckling- hausen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: EU-Richtlini- envorschlag zurGewährung vorüber- gehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms überarbeiten (Drucksache 14/5754) . . . . . . . . . . . . . 16734 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: EU-Richtlinienvor- schlag zu Mindeststandards in Asylver- fahren ist ein wichtiger Schritt für einen wirksamen Flüchtlingsschutz in Europa (Drucksache 14/6050) . . . . . . . . . . . . . . . 16734 B Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16734 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 16735 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16738 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16739 B Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16740 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16742 A Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . 16742 D Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16744 D Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16745 A Tagesordnungspunkt 16: a) Antrag der Abgeordneten Jella Teuchner, Matthias Weisheit, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD sowie der Plenarprotokoll 14/171 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 I n h a l t : Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Vorsorgende Verbraucher- politik gestalten und stärken (Drucksache 14/6067) . . . . . . . . . . . . . 16746 C b) Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Verbraucherschutz auf nationaler und EU-Ebene fortentwickeln (Drucksache 14/6039) . . . . . . . . . . . . . 16746 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Acht Maß- nahmen für eine umfassende und eigen- ständige Verbraucherpolitik (Drucksache 14/6053) . . . . . . . . . . . . . . . 16747 A Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 16747 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 16748 D Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16750 B Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16751 D Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16753 A Ilse Janz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16754 A Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16755 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16757 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 16758 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16759 A Heinz Schmitt (Berg) SPD . . . . . . . . . . . . . . 16760 B Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Günter Nooke, Ulrich Adam, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Be- reinigung von SED-Unrecht (Drittes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz) (Drucksachen 14/3665, 14/6064, 14/6065) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16761 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder zu dem Antrag der Frak- tion der PDS: Erleichterte und erwei- terte Rehabilitierung und Entschädi- gung für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR (Drucksachen 14/2928, 14/6062) . . . . 16761 D Barbara Wittig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16762 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16763 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16765 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16766 B Jürgen Türk F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16767 B Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16768 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16768 D Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 16769 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16770 C Tagesordnungspunkt 18: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz) (Drucksache 14/5640, 14/6063, 14/6073) 16771 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Claudia Nolte, Manfred Grund, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Einheitliches Ver- sorgungsrecht für die Eisenbahner herstellen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner, Monika Balt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Regelung von An- sprüchen und Anwartschaften aus den Systemen der Altersversor- gung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post der DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Balt, Petra Bläss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Anerkennung von renten- rechtlichen Zeiten von Selbststän- digen und deren mithelfenden Fa- milienangehörigen in Land- und Forstwirtschaft und im Hand- werk der DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Balt, Petra Bläss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Anerkennung der Renten- versicherungszeiten von Blinden- und Sonderpflegegeldempfänge- rinnen und Sonderpflegegeldemp- fängern der DDR (Drucksachen 14/2522, 14/2729, 14/4038, 14/4041, 14/6063) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16771 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001II Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16772 A Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 16772 B Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16774 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16776 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . 16776 C Monika Balt PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16777 C Tagesordnungspunkt 21: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Zweite Verordnung zur Änderung der Ver- packungsverordnung (Drucksachen 14/5941, 14/6019 Nr. 2.2, 14/6072) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16779 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Novellie- rung der Verpackungsverordnung und Flexibilisierung der Mehrweg- quote (Drucksachen 14/3814, 14/5301) . . . . 16779 B Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16779 C Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16782 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 16784 A Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16785 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 16786 C Tagesordnungspunkt 19 Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Für eine wirk- same und vernunftgeleitete Chemikalien- gesetzgebung (Drucksache 14/5761) . . . . . . . . . . . . . . . 16787 C Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung eines register- gestützten Zensus (Zensusvorbereitungs- gesetz) (Drucksachen 14/5736, 14/6068, 14/6069) 16787 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16788 A Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Absicherung der verfassten Stu- dierendenschaft (Drucksache 14/5760) . . . . . . . . . . . . . . . 16788 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16788 D Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Hin- terbliebenenrentenrechts (Drucksache 14/6043) . . . . . . . . . . . . . . . 16789 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Horst Seehofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Unzumutbare Belastungen in der Hinterbliebenensiche- rung zurücknehmen (Drucksache 14/6042) . . . . . . . . . . . . . . . 16789 D Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Eindämmung illegaler Betäti- gung im Baugewerbe (Drucksachen 14/4658, 14/6071) . . . . . . . 16790 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16790 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16791 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des An- spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG- Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 18 a) . . . . . . . . . . . . . . . 16792 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 III Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG- Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesord- nungspunkt 18 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16792 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Zweite Verordnung zur Änderung der Verpackungs- verordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) . . . . . 16793 C Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bernhard Brinkmann (Hildesheim), René Röspel, Willi Brase, Heino Wiese (Hannover) und Andrea Nahles (alle SPD) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Zweite Verordnung zur Änderung der Verpackungs- ordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) . . . . . . . 16794 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine wirksame und vernunftgelei- tete Chemikaliengesetzgebung (Tagesordnungs- punkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16794 D Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16794 D Dr. Paul Laufs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16795 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16796 D Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16797 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 16798 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung ei- nes registergestützten Zensus (Zensusvorberei- tungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . 16798 D Barbara Wittig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16798 D Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16799 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16800 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . . . . . . 16800 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 16801 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung der verfassten Studierendenschaft (Zusatztages- ordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16802 B Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16802 B Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16803 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16804 C Ulrike Flach F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16805 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung des Hinterbliebenenrentenrechts – des Antrags: Unzumutbare Belastungen in der Hinterbliebenenversicherung zurück- nehmen (Tagesordnungspunkt 24 und Zusatztagesord- nungspunkt 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16805 C Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16805 C Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 16807 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16808 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . 16809 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 16809 C Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung ille- galer Betätigung im Baugewerbe (Tagesord- nungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16810 A Dieter Grasedieck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16810 A Elke Wülfing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 16810 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16811 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16812 C Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16813 A Anlage 11 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16813 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 Custode 16790 (C) (D) (A) (B) 2) Anlage 101) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16791 (C) (D) (A) (B) Albowitz, Ina F.D.P. 18.05.2001 Dr. Bergmann-Pohl, CDU/CSU 18.05.2001 Sabine Dr. Blank, CDU/CSU 18.05.2001 Joseph-Theodor Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 18.05.2001 Bodewig, Kurt SPD 18.05.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 18.05.2001 Brüderle, Rainer F.D.P. 18.05.2001 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 18.05.2001 Bulmahn, Edelgard SPD 18.05.2001 Carstens (Emstek), CDU/CSU 18.05.2001 Manfred Catenhusen, SPD 18.05.2001 Wolf-Michael Ehlert, Heidemarie PDS 18.05.2001 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 18.05.2001 DIE GRÜNEN Elser, Marga SPD 18.05.2001 Eppelmann, Rainer CDU/CSU 18.05.2001 Erler, Gernot SPD 18.05.2001 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 18.05.2001 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 18.05.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 18.05.2001 Peter Goldmann, F.D.P. 18.05.2001 Hans-Michael Gröhe, Hermann CDU/CSU 18.05.2001 Hauser (Bonn), Norbert CDU/CSU 18.05.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 18.05.2001 DIE GRÜNEN Hoffmann (Chemnitz), SPD 18.05.2001* Jelena Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 18.05.2001 Klappert, Marianne SPD 18.05.2001 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 18.05.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 18.05.2001 Lamers, Karl CDU/CSU 18.05.2001 von Larcher, Detlev SPD 18.05.2001 Leidinger, Robert SPD 18.05.2001 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 18.05.2001 Lennartz, Klaus SPD 18.05.2001 Leutheusser- F.D.P. 18.05.2001 Schnarrenberger, Sabine Link (Diepholz), CDU/CSU 18.05.2001 Walter Lippmann, Heidi PDS 18.05.2001 Lörcher, Christa SPD 18.05.2001* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 18.05.2001 Erich Mogg, Ursula SPD 18.05.2001 Ost, Friedhelm CDU/CSU 18.05.2001 Ostertag, Adolf SPD 18.05.2001 Pieper, Cornelia F.D.P. 18.05.2001 Dr. Rössel, Uwe-Jens PDS 18.05.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 18.05.2001 Scharping, Rudolf SPD 18.05.2001 Dr. Scheer, Hermann SPD 18.05.2001 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 18.05.2001 Christian Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 18.05.2001 Hans Peter Schöler, Walter SPD 18.05.2001 Freiherr von CDU/CSU 18.05.2001 Schorlemer, Reinhard Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 18.05.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 18.05.2001 Reinhard Schütz (Oldenburg), SPD 18.05.2001 Dietmar Sebastian, CDU/CSU 18.05.2001 Wilhelm-Josef entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 18.05.2001 Sigrid Dr. Spielmann, Margrit SPD 18.05.2001 Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 18.05.2001 Steinbach, Erika CDU/CSU 18.05.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 18.05.2001 Stetten, Wolfgang Störr-Ritter, Dorothea CDU/CSU 18.05.2001 Wieczorek-Zeul, SPD 18.05.2001 Heidemarie Wiesehügel, Klaus SPD 18.05.2001 Wissmann, Matthias CDU/CSU 18.05.2001 Wistuba, Engelbert SPD 18.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 18.05.2001 Zapf, Uta SPD 18.05.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 18.05.2001** Zöller, Wolfgang CDU/CSU 18.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergän- zung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 18 a) Der vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich an den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundes- sozialgerichts und berücksichtigt nicht die besonderen Ansprüche, die aus der strukturellen Gestaltung der Al- tersversorgung der DDR heraus einem großen Teil der Bevölkerung der neuen Bundesländer zustehen. Dies betrifft mithelfende Familienangehörige in der Land- und Forstwirtschaft, Beschäftigte der Deutschen Post und der Reichsbahn der DDR wie auch Behinderte und Angehörige bestimmter Berufsgruppen – Gesund- heitswesen der DDR – ebenso wie alle in die willkürlich festgelegte Kategorie „staatsnah“-eingestuften Bürger. Letztere sind meist Angehörige der Intelligenz der DDR wie Theaterregisseure, Filmemacher, Direktoren, Ärzte, Musiker etc. Unserer Verantwortung als Abgeordnete haben wir für die Bürger in Ost und West gleichermaßen gerecht zu wer- den. An uns liegt es, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, sondern sie zu korrigieren. Die heute zur Abstimmung stehende abschließende Regelung der Rentenansprüche der Bürger der neuen Bundesländer trägt diesem Anspruch nicht ausreichend Rechnung; siehe oben genannte Beispiele. Aus diesem Grund lehne ich diesen Gesetzesentwurf ab. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hans-Joachim Hacker (SPD) zurAbstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des An- spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) (Tagesordnungspunkt 18 a) Mit dem heute zur Verabschiedung stehenden Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Än- derungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) werden die Reste po- litisch motivierter Entgeltbegrenzungen – in der Öffent- lichkeit kurz „Rentenstrafrecht“ genannt – leider nicht beseitigt. Vielmehr wird nur eine halbherzige Korrektur bisher geltender Regelungen vorgenommen. Ich halte es für falsch, die Gesetzesnovellierung nur auf die Umsetzung dessen zu beschränken, was sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf diesem Gebiet unmittelbar zwingend ergibt, aber die dem Gesetzgeber gegebenen Möglichkeiten für Verbesserun- gen, die aus staatspolitischer Weitsicht im Interesse unse- res Landes geboten sind, nicht wahrzunehmen. Gerade darauf kommt es aber an, um den Menschen in Deutschland den hohen Wert des Rechtsstaates zu ver- deutlichen, der wegen der Wertneutralität des Renten- rechts die bestehenden Ungleichbehandlungen nicht zulässt. Meine Kritikpunkte beziehen sich auf folgende Rege- lungen, die mit der heutigen Novellierung des Renten- rechts hätten beseitigt werden sollen: Regelung in § 6 AAÜG in der Fassung des Renten- überleitungs-Ergänzungsgesetzes für den Personenkreis, der aufgrund der Wahrnehmung politischer Verantwor- tung oder Mitverantwortung in der DDR ein besonders hohes Einkommen hatte, bei der es auch nach der Geset- zesnovellierung bleiben soll. Diese Regelung wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung selbst als „nicht unproblematisch“ bezeichnet, „da sich das Bun- desverfassungsgericht bislang zwar nicht ausdrücklich mit dieser Frage befasst hat, aber bereits Verfahren an- hängig sind, die offensichtlich lediglich wegen der Akti- vitäten des Gesetzgebers zum Ruhen gebracht wurden“. Mit einer solchen Verfahrensweise wird aus meiner Sicht der Vorwurf in der Öffentlichkeit genährt, dass politische Verantwortung von Legislative und Exekutive auf das Bundesverfassungsgericht abgeschoben wird. Beibehaltung der generellen Entgeltbegrenzung bei den Renten für ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, das heißt lediglich Anhe- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116792 (C) (D) (A) (B) bung der Begrenzung von jetzt 70 Prozent des DDR-Ein- kommensdurchschnitts auf 100 Prozent des DDR-Ein- kommensdurchschnitts. Ich habe mich, wie auch andere Mitglieder des Deut- schen Bundestages, stets und insbesondere gegenüber den Wählerinnen und Wählern in meinem Wahlkreis gegen jegliche Ungleichbehandlung im Rentenrecht ausgespro- chen und für den Fall meiner Wiederwahl 1998 meinen aktiven Einsatz in diesem Sinne zugesagt. Zu diesem Wort stehe ich und werde gegen die heute zur Abstim- mung stehende Fassung des 2. AAÜG-Änderungsgeset- zes trotz der darin enthaltenen Verbesserungen – zum Bei- spiel für die ehemaligen Mitarbeiter von Reichsbahn und Post in der DDR – stimmen, da ich die Beibehaltung der dargestellten Entgeltbegrenzungen nicht mittragen kann. Dabei ist mir bewusst, dass diese meine Auffassung nicht auf die ungeteilte Zustimmung der Öffentlichkeit – insbesondere bei den Opfern des SED-Regimes, für de- ren berechtigte Interessen ich mich immer eingesetzt habe – stoßen wird. Trotzdem halte ich eine Instrumenta- lisierung des Rentenrechts zur Auseinandersetzung mit SED-Unrecht und dem DDR-Staat wegen des begrenzten Erfolgs anderer Formen der Auseinandersetzung bzw. Aufarbeitung prinzipiell für falsch und warne davor, die politische Wertneutralität des Rentenrechts, die ein tragen- der Grundsatz des Rechts der Bundesrepublik Deutsch- land ist, weiter zu verletzen. Meine Auffassung wird auch dadurch bestärkt, dass im Zuge der Novellierung des AAÜG Rentenkappungen für Funktionäre der SED und der Blockparteien – bis auf die bereits erwähnte Gruppe, die aufgrund ihrer politischen Verantwortung oder Mitverantwortung in der DDR ein besonders hohes Einkommen hatte – aufgehoben wurden. Somit realisieren frühere Funktionäre des SED-Partei- und Staatsapparates, die nach dem Staatsverständnis der DDR auch gegenüber dem MfS die „führende Rolle“ aus- übten, ihre vollen Rentenansprüche, abgesehen von der allgemeinen 1.8-Entgeltpunktebegrenzung. Dazu kommt, dass die bestehenden und von mir kriti- sierten Rentenkappungen in keiner Weise bei höheren und hohen Funktionsträgern des NS-Staates und seinen „Son- dergliederungen“ vorgenommen wurden, sondern Versor- gungsansprüche von Personen, die am 8. Mai 1945 im öf- fentlichen Dienst standen, nach meiner Kenntnis – gemäß der Intention des Art. 131 GG – gleichwertig übergeleitet wurden. Die bestehenden kollektiven rentenrechtlichen Kap- pungen für Dienstverhältnisse während der DDR-Zeit ohne Prüfung der individuellen Anspruchsverwirkung er- scheinen im Übrigen nicht nachvollziehbar, wenn man die Dienst- und Rechtsverstöße von Verantwortungsträgern aus Politik und öffentlicher Verwaltung der Bundesrepu- blik Deutschland – nicht nur in der jüngsten Zeit – in Be- tracht zieht, die keinerlei Auswirkungen auf bereits er- worbene versorgungsrechtliche Anwartschaften hatten. Besonders bedaure ich, dass es nicht gelungen ist, eine Mehrheit dafür zu finden, eine Änderung des Regie- rungsentwurfs zum 2. AAÜG-Änderungsgesetz im Sinne von Vorschlägen aus dem Kreis der Betroffenen vorzu- nehmen. Diese hatten bekanntlich als Kompromiss vor- geschlagen, zusätzlich zum Durchschnitt (1.0-Entgelt- punkte) lediglich die Hälfte des darüber hinausgehenden Gehalts bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenbe- rechnung zugrunde zu legen. Aus allen diesen Gründen werde ich gegen das 2. AAÜG-Änderungsgesetz stimmen. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/ CSU) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung: Zweite Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) Der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Verpackungs- verordnung werde ich zustimmen. Begründung: Die unter der CDU/CSU-geführten Bun- desregierung erlassene Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 2379) sieht – wie bereits die Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 (Bundesgesetzblatt I Seite 1234) – einen besonderen Schutz für ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackun- gen, also regelmäßig Mehrwegverpackungen, vor. Als In- strument dient eine Pfandpflicht für Einweg-Getränke- verpackungen, die im Falle des Unterschreitens eine Mehrwegmindestquote von bundesweit 72 Prozent in den Getränkebereichen greift, bei denen der Anteil von Mehr- wegverpackungen des Jahres 1991 unterschritten ist. Nachdem in den letzten Jahren eine starke Beschleuni- gung des Abwärtstrends des Anteils der umweltfreundli- chen Mehrwegverpackungen festzustellen war, wäre nach geltendem Recht noch im Jahre 2001 eine Pfandpflicht in den Bereichen Bier und Mineralwasser einzuführen. Mit der vom Bundeskabinett am 2. Mai 2001 be- schlossenen Zweiten Verordnung zur Änderung der Ver- packungsverordnung soll nunmehr ab 1. Januar 2002 ein Pflichtpfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro für alle Getränkeverpackungen gelten, die keine ökologisch vor- teilhaften Verpackungen sind; ab einem Füllvolumen von mehr als 1,5 Liter beträgt dieses Pfand mindestens 0,50 Euro. Ausgenommen sind die Getränkebereiche Wein, Sekt und Spirituosen. Die vorgeschlagene Novellierung der Verpackungsver- ordnung trägt dem Ziel, ökologisch vorteilhafte Geträn- keverpackungen zu stabilisieren und zu fördern, um damit Abfall zu vermeiden und Ressourcen zu schonen, Rech- nung und führt zu einer Vereinfachung der bisherigen Rechtslage. Sowohl wissenschaftliche Untersuchungen als auch Erfahrungen im Ausland belegen, dass eine Pfand- pflicht für Einweg-Getränkeverpackungen Lenkungswir- kung pro Mehrweg entfaltet. Mit der Neuregelung wird das Abstellen auf die Unterschreitung einer Mehrweg- mindestquote von 72 Prozent entbehrlich. Auch werden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16793 (C) (D) (A) (B) alle Getränkebereiche, für die die Pfandpflicht gilt, gleich behandelt, während nach der geltenden Rechtslage zum gegenwärtigen Zeitpunkt beispielsweise Bierdosen mit 50 Pfennig Pfand belegt werden würden, wohingegen dies für Erfrischungsgetränke wie Coca-Cola aber nicht der Fall wäre. Der Schutz der Abfall vermeidenden und umwelt- freundlichen Getränkemehrwegsysteme hat besonders für den Freistaat Bayern Bedeutung. Bayern hat neben Ba- den-Württemberg bundesweit die höchsten Mehrwegquo- ten und zeichnet sich durch eine funktionierende mittel- ständische Getränkewirtschaft aus. Dies gilt vor allem für die Brauwirtschaft, da 667 von insgesamt noch 1 270 deut- schen Brauereien in Bayern beheimat sind. Gerade mein Bundeswahlkreis Bayreuth zeichnet sich durch eine hohe Dichte kleiner und mittelständischer Brauereien aus. Ge- meinsam mit der Stadt und dem Landkreis Bayreuth ha- ben diese Brauereien eine vorbildliche Aktion „Let’s go Mehrweg“ ins Leben gerufen, die in der Bevölkerung großen Zuspruch gefunden hat. Brauereien, Getränkeabfüller sowie Getränkefach- großhandel und Getränkeeinzelhandel befürworten das Pflichtpfand auf ökologisch nachteilige Getränkever- packungen und haben im Vertrauen auf die seit 1991 gel- tende Verpackungsverordnung alleine in Bayern Hunderte von Millionen DM in das Getränkemehrwegsystem inves- tiert. Die Kosten für den Aufbau eines Einweg-Rücknah- mesystems für Hersteller und Vertreiber sind vertretbar, wobei sich Erlöse für das in die Verwertung eingebrachte Sekundärmaterial, das darüber hinaus zu einer sortenrei- nen Erfassung führt, kostenreduzierend auswirken. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bernhard Brinkmann (Hil- desheim), René Röspel, Willi Brase, Heino Wiese (Hannover) und Andrea Nahles (alle SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Zweite Verordnung zur Änderung der Ver- packungsverordnung (Tagesordnungspunkt 21 a) Wir stimmen der Änderung der Verpackungsverord- nung zu, obwohl wir in einigen Bereichen grundsätzliche umweltpolitische Bedenken haben, die wir nachfolgend noch einmal deutlich benennen möchten. Die Ver- packungsverordnung von 1991 und die Novellierung von 1998 sehen bei Unterschreiten einer Mehrwegquote die Einführung eines Pfandes für Getränkeeinwegverpackun- gen vor. Ohne hier auf die einzelnen Unzulänglichkeiten der alten Verpackungsverordnung einzugehen, möchten wir feststellen, dass für uns eine Abgabe auf Einwegver- packungen die deutlich bessere Lösung darstellen würde. Trotz intensiver Verhandlungen ist es der Bundesregie- rung nicht gelungen, die Wirtschaftsverbände von der Vorteilhaftigkeit einer Abgabe zu überzeugen. Der BDI hat im Sommer des Jahres 2000 grundsätzliche ordnungs- politische Bedenken geäußert. Daher wurde dieses Ziel nicht mehr weiter verfolgt. Ob die jetzt vom Bundestag zu verabschiedende Ver- packungsverordnung wirklich die ökologischen Auswir- kungen hat und zu einem Anstieg oder auch nur zu einer Stabilisierung der Mehrwegquote führt, halten wir für fraglich. Jedenfalls lassen die Erfahrungen aus Schweden einen solchen Schluss nicht zwingend zu. Allerdings sind die vorliegenden alternativen Überle- gungen aus den Bundesländern und den Oppositionsfrak- tionen nicht weiterführend, sondern würden einen um- weltpolitischen Offenbarungseid bedeuten. Im Kern zielen sie auf ein Moratorium, was zu einer weiteren Ab- senkung der Mehrwegquote führen würde, die nach neu- esten Erhebungen im Frühjahr des Jahres 2001 nur noch bei 66 Prozent liegt. Eine wirksame Erhöhung der Mehrwegquote kann nur dann erreicht werden, wenn die Getränke in ökologisch nachteiligen Einwegverpackungen deutlich verteuert werden und somit auch durch Quersubventionierungen kein Preisvorteil mehr erzielt werden kann. Statt einer Abgabe hätte man hier auch an eine Verteuerung der Li- zenzentgelte denken können, die den Verteuerungseffekt gebracht hätten. Auch hierfür gab es leider keine Mehr- heiten. Wir stimmen somit der zweitbesten Lösung zu, da die anderen zur Abstimmung stehenden Alternativkonzepte ökologisch und ökonomisch keinen Sinn machen. Insbe- sondere muss neben den umweltpolitischen Vorstellungen auch wirtschaftspolitisch vernünftig gehandelt werden. Hierbei geht es uns insbesondere um die Sicherung der mittelständischen Brauereien und Mineralwasserbrun- nen, die angesichts der Einwegflut erhebliche wirtschaft- liche Probleme bekommen. Die Aufrechterhaltung mittel- ständischer Strukturen in allen Wirtschaftsbereichen ist ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Politik. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Für eine wirksame und vernunftgeleitete Chemikaliengesetzgebung (Tagesordnungspunkt 19) Dr. Carola Reimann (SPD): Zum zweiten Mal inner- halb von zwei Sitzungswochen steht heute die Chemiepo- litik auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Daran können die Bürgerinnen und Bürger ablesen, dass wir uns mit diesem Thema auseinander setzen. Und daran lässt sich ablesen, dass wir uns derzeit intensiv mit diesem Themenbereich beschäftigen. Thema heute ist das vorliegende Weißbuch zur Che- mikalienpolitik. Bislang besteht die unbefriedigende Si- tuation, dass Stoffe, die seit 1981 auf den Markt kommen, einem Zulassungsverfahren unterliegen, in dem die Ge- fährdung für Mensch und Umwelt beurteilt wird. Alle Stoffe, die jedoch vor 1981 bereits auf dem Markt waren – und das ist die Mehrzahl aller verwendeten Chemika- lien –, sind niemals einer systematischen Bewertung hin- sichtlich ihrer Gefährlichkeit für Umwelt und Gesundheit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116794 (C) (D) (A) (B) von Verbrauchern und Verbraucherinnen unterzogen wor- den. Derzeit gibt es nur einzelne Regelungen zu einzelnen Stoffen und Zubereitungen. Das ist der Grund, weshalb wir uns letzte Woche mit den kurzkettigen Chlorparaffi- nen auseinander setzen mussten. Aber es fehlt eine um- fassende Regelung; sonst sitzen wir hier Woche für Wo- che, um für jeden Stoff die Diskussion von vorne zu beginnen. Einen Vorgeschmack boten die kurzkettigen Chlorparaffine – die Kette der zu behandelnden Stoffe ist dagegen lang. Die gegenwärtige Chemikalienpolitik der EU ist dabei durch enorme Datenlücken, Bewertungs- rückstände und Managementdefizite bei den Altstoffen gekennzeichnet. Das vorliegende Weißbuch sieht jetzt eine einheitliche, systematische Beurteilung aller Chemikalien vor – nicht nur der Neustoffe, sondern auch der Altstoffe. Dies möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen. Eine nachhaltige, verbraucherschutzorientierte Chemikalien- politik braucht eine systematische, seriöse Datengrund- lage. Herz des Weißbuches für eine zukünftige Chemikali- enpolitik ist ein Verfahren zur Registrierung, Evaluierung und Zulassung von Chemikalien, kurz REACh genannt. Auch diesen Vorschlag des Weißbuches möchte ich aus- drücklich begrüßen. Die darin von der Kommission vor- gelegte Strategie ist ein richtiger, ein positiver Schritt hin zu einem zukunftsorientierten und in sich schlüssigen Ri- sikomanagement. Das vorgeschlagene REACh-System bietet eine realistische Perspektive zur Beseitigung der enormen Datenlücken und Bewertungsrückstände. Das System basiert auf Kooperation der Behörden und der In- dustrie, die ich ausdrücklich begrüße. Dennoch bedarf es weiterer Konkretisierungen; wich- tige Detailfragen für die Umsetzung sind noch zu klären. Dabei berücksichtigen die Kollegen der F.D.P. mit den von ihnen aufgeführten Punkten nur einzelne Bereiche. Konkretisierungen im Sinne des Umwelt- und Verbrau- cherschutzes kommen da zu kurz. Lassen sie mich exem- plarisch drei nennen. Wir müssen auch Stoffe in Produkten berücksichtigen. Wer einen gefährlichen Stoff in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union herstellt und verarbeitet, darf nicht anderen Bestimmungen unterliegen als jemand, der ein Produkt einführt, das denselben gefährlichen Stoff verarbeitet enthält. Das benachteiligt die Produzenten in- nerhalb der Europäischen Union gegenüber den Impor- teuren. Das benachteiligt die chemische Industrie in Deutschland und bietet keinen wirksamen Schutz von Umwelt und Gesundheit vor gefährlichen Stoffen. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen wir eine Kennzeichnungspflicht. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden kön- nen, welche Inhaltsstoffe sie mit ihrem Kauf unterstützen. Die Beweislast für die Unschädlichkeit eines Produk- tes wird in Zukunft bei den Unternehmen liegen, die diese Stoffe herstellen oder importieren. Bei der Erhebung der Daten in Kooperation mit der Industrie müssen wir den zügigen Informationstransfer sicherstellen. Das bedeutet auch, dass wir Sanktionen brauchen, wenn Fristen nicht eingehalten werden. Sie sehen selbst: Der Antrag, den wir heute diskutieren, ist in vielen Punkten unvollständig. Aber ich freue mich besonders, dass Sie sich positiv auf die Bundesregierung beziehen, wenn Sie ganz im Sinne der Antwort der Bun- desregierung auf Ihre kleine Anfrage das weitere Handeln fordern. Übereinstimmungen bestehen hier im Hause ge- nug. Ich hoffe, dass wir über unsere unterschiedlichen An- sichten konstruktiv streiten und uns auseinander setzen können. Unsere Ziele in der Chemiepolitik sind eindeutig: Wir wollen den Schutz des Menschen und der Umwelt errei- chen und wir wollen den für uns wichtigen Bereich der chemischen Industrie international wettbewerbsfähig er- halten. Wir wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Produkte, die sie benutzen, aufklären und Ge- fahrstoffe aus dem Verkehr ziehen. Um diese Ziele zu er- reichen, ist das vorliegende Weißbuch ein Schritt in die richtige Richtung. Die von mir genannten Punkte wollen wir in der Dis- kussion ergänzen und dann gemeinsam politische Lösun- gen auf EU-Ebene erreichen, die den Menschen sowie der Umwelt nützen und mit der die chemische Industrie ar- beiten kann. Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Das Chemikalienrecht ist stoff- und produktbezogen und wird deshalb weitge- hend von der Europäischen Union gesetzt und ausgestal- tet. Es ist in viele Einzelrichtlinien aufgesplittert und ist inzwischen überkompliziert, unübersichtlich und im Voll- zug unnötig bürokratisch und ineffizient geworden. Die EU-Altstoff-Verordnung von 1993 ist gründlich fehlge- schlagen. Wir begrüßen deshalb, dass die Europäische Union die systematische Reform und grundlegende Modernisierung des Chemikalienrechts in Angriff genommen hat. Die Kommission hat dazu ein Weißbuch mit Eckpunkten vor- gelegt, das bis Mitte dieses Jahres im Europäischen Par- lament und vom Ministerrat beraten wird. Danach wird die Kommission einen Gesetzentwurf, vermutlich in Form eines Richtlinienentwurfs, vorlegen. Es ist also jetzt der richtige Zeitpunkt, um aus deutscher Sicht im Inte- resse des Chemiestandorts Deutschland Stellung zu neh- men. Es ist das Verdienst der F.P.D.-Fraktion, mit ihrer Initiative dazu Gelegenheit zu geben. Die im Weißbuch für eine zukünftige Chemikalienpo- litik enthaltenen Zielsetzungen werden von uns ganz überwiegend gutgeheißen, insbesondere auch das einheit- liche Konzept für neue und alte Stoffe. Bei der Lektüre des Weißbuches hat man allerdings den Eindruck, als müsse der Prozess der Risikobewertung von Altstoffen erst noch beginnen. In staatlicher Regie gemäß der EU- Altstoff-Verordnung sind in der Tat erst ganz wenige der über 100 000 Chemikalien, die schon vor September 1981 auf dem Markt waren, abschließend untersucht worden. In Deutschland hat sich die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie bereits seit dem Jahr 1977 mit der Prüfung von Altstoffen befasst und für nunmehr 224 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16795 (C) (D) (A) (B) Stoffe toxikologische Bewertungen ausgearbeitet. Wir be- grüßen ausdrücklich, dass die Kommission in Anlehnung an das deutsche Verfahren vorschlägt, die systematische Überprüfung der etwa 1 000 in Deutschland produzierten Großstoffe in die Hauptverantwortung der Industrie zu le- gen. Wir merken aber kritisch an, dass es an einem einfa- chen und transparenten Schutz der Eigentumsrechte an Daten und Risikobewertungen der Hersteller, Weiterver- arbeiter und Anwender gegenüber ihren Wettbewerbern noch fehlt. Die Kommission will den Verbrauchern Zugang zu In- formationen über Chemikalien geben, damit sie selbst entscheiden können, welche Chemikalien sie benutzen wollen. In der jüngsten Ergänzungslieferung der Berufs- genossenschaft finden wir Untersuchungsergebnisse für 17 Stoffe wie zum Beispiel Chlornitrobenzole, Triisobu- tylphosphat, Vinylethylether oder Carbamidsäurebutyles- ter. Wir finden Angaben unter anderem über akute und subakute, chronische und subchronische Toxizitäten, Gen-, Neuro- und Reproduktionstoxizitäten, Toxikokine- tik und Metabolismus, parenterale und dermale Applika- tionen und ich bezweifle, ob der normale Verbraucher ir- gendetwas Vernünftiges damit anfangen kann. Man hat Umfragen gemacht und Mütter befragt, ob sie ihren Kindern Nahrungsmittel anbieten würden, die Dihy- drogenoxid enthalten. Dieses Ansinnen wurde entrüstet zurückgewiesen. Nur wenige erkannten, dass es sich da- bei um H2O, also um Wasser handelt. Auch die Europäische Kommission wird dem informa- tionsbedürftigen Verbraucher nicht helfen können, wenn sie nicht gemeinsam getragene Arbeitsregelungen und Konventionen für allgemein verständliche Bewertungen für die Öffentlichkeit vorschlägt. Wir fordern sie dazu auf. Wir begrüßen im Weißbuch die Zielsetzung, unnötige Tierversuche zu vermeiden. Wir kritisieren, dass ein sehr starres bürokratisches, zeitaufwendiges Zulassungsver- fahren für Chemikalien vorgesehen ist. Dazu gibt es in- novationsfreundliche, effizientere Alternativen. In Japan und den USA werden risikoabhängige Testsysteme ver- wendet, bei denen die jeweils anfallenden Testergebnisse dazu benutzt werden, über weitere Prüfanforderungen zu entscheiden. Dadurch werden risikoreichere Substanzen genauer analysiert, bei risikoärmeren Stoffen aber kann der Testbedarf reduziert werden. Bei der Masse der risi- koarmen Chemikalien können Zeit und Kosten gespart werden. Auch für kritische Verwendungen von Substanzen mit bestimmten, besorgniserregenden Eigenschaften können die Entscheidungen über erforderliche Schutzmaßnah- men, Verwendungsbeschränkungen und -verbote effizien- ter und schneller getroffen werden, als dies im vorgesehe- nen so genannten REACh-System möglich ist. Für persistente organische, krebserregende, frucht- und erb- gutschädigende Stoffe hat der Verband der Chemischen Industrie ein praktikables Entscheidungsverfahren vorge- schlagen, das es zumindest verdient, sorgfältig geprüft zu werden. Die Kommission betont im Weißbuch, dass das Vor- sorgeprinzip die Grundlage der chemikalienpolitischen Neuausrichtung ist. Sie hat sich in einer Mitteilung vom vergangenen Jahr ausführlich zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips geäußert. Dort heißt es, dass die Ent- scheidungsträger ständig mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert sind, die Freiheiten und Rechte von Einzel- personen, Unternehmen und Verbänden einerseits und die Notwendigkeit einer Verringerung der Gefahr negativer Folgen für Umwelt und Gesundheit andererseits abzuwä- gen. Alles, was im Vorsorgebereich getan wird, muss ver- hältnismäßig sein, also daraufhin geprüft werden, welche Kosten und welcher Nutzen damit verbunden sind. Eine nachhaltige Chemiepolitik umfasst entsprechend dem Dreisäulenkonzept neben den ökologischen auch ökono- mische und soziale Aspekte. Das Weißbuch ist aber sehr einseitig und beachtet den bereits erreichten hohen Stan- dard des Arbeits-, Verbraucher- und Umweltschutzes nicht. Neben der Erhaltung dieses hohen Schutzniveaus müssen aber auch die Standortinteressen der Betriebe und der Millionen Arbeitnehmer der chemischen Indu- strie und der von ihr abhängigen Branchen nachdrück- lich verteidigt werden. Der Ministerrat hat in seinen Schlussfolgerungen zur EU-Chemikalienpolitik vom 24. Juni 1999 nicht nur gefordert, die chemikalienpoliti- schen Rechtsakte effizient, integriert und leicht durch- führbar auszugestalten, sondern auch die Kohärenz mit anderen Rechtsbereichen herzustellen. Davon ist bisher nichts zu sehen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich bei den derzeit laufenden Beratungen nach Kräften für ein in sich schlüssiges und ausgewogenes Ge- samtkonzept des neuen Chemikalienrechts einsetzt. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Titel des F.D.P.-Antrags gibt einem ja wahrlich zu denken: „Für eine wirksame und vernunftgeleitete Che- mikaliengesetzgebung“. Der sagt ja schon viel über den Charakter des Antrags und die Denkweise der F.D.P. aus. Wer würde schon für eine unwirksame und unvernünftige Chemiepolitik sein? Da stellt sich einem doch sofort die Frage: Ja, welche Vernunft meint die F.D.P. denn? Meint sie die Vernunft der 16 Jahre Kohl-Regierung, in der das chemische Dreigestirn Hoechst, BASF und Bayer mit F.D.P.-Hilfe bis in das Chemikalien- und Gefahrstoffrecht hineinregierte? Dann halte ich es mit Mephisto: „Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage“. Oder meinen Sie die neue Vernunft der ökologischen Modernisierung der Chemie- politik – die neue Vernunft des Weißbuchs und damit auch unsere Vernunft der nachhaltigen Entwicklung? Diese lautet: Risikominimierung und Vorsorge vor Schäden durch gefährliche Chemikalien, Beseitigung der Informationsdefizite über Chemikalien – besonders über die so genannten Altstoffe – als Voraussetzung für einen wirkungsvollen Schutz, und Beweislastumkehr der che- mischen Industrie, so wie sie im neuen EU-Weißbuch zur Chemikalienpolitik als Produktverantwortung angelegt ist – und das alles in einem straffen Zeitplan und unter strenger behördlicher Überwachung, so wie es das Weiß- buch vorsieht. Man sollte nicht – wie die F.D.P. an einigen Stellen ih- res Antrags – so tun, als sei das Weißbuch in seiner jetzi- gen Fassung das Ende der chemischen Produktion in Deutschland. Die ganzseitigen Anzeigen des deutschen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116796 (C) (D) (A) (B) Chemieverbandes erwecken jedoch diesen Eindruck. Der von der F.D.P. besonders hervorgehobene Mittelstand der Recyclingwirtschaft jedenfalls – die Reyclingbranche wird im Antrag explizit genannt – begrüßte ausdrücklich das Weißbuch. Summa summarum: Der Antrag der F.D.P. bedeutet keine „konstruktive“ Stellungnahme zum Weißbuch, wie diese von der Bundesregierung gefordert wird. Er ist nicht nur inhaltsleer, schlimmer noch, er strotzt vor Phrasen. Sehen wir einmal auf das Vokabular und die Zumutung, die die F.D.P. dem Leser oder Zuhörer damit abverlangt: Die Bundesregierung soll vernunftgeleitet, rational, ein- fach und praktikabel, verantwortungsvoll, intensiv be- gleitend und beeinflussend, dabei aber nicht unangemes- sen und keinesfalls sachlich nicht begründbar, flexibel, qualifiziert und konstruktiv, angemessen, ausgewogen, aber wirksam die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemiewirtschaft wie überhaupt der ge- samten Industrie, insbesondere der kleinen und mittel- ständischen Unternehmer und nicht ohne Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung handeln und dafür das Steuerungsinstrument der freiwilligen Selbstverpflich- tung nutzen. Alle Achtung vor so viel erschöpfender Leer- formel-Rhetorik! Um mit einem bedeutenden Automobil- hersteller zu sprechen: „Wir haben verstanden!“ Wir haben verstanden, dass die F.D.P. Chemiepolitik noch im- mer vor allem ausschließlich marktwirtschaftlich betrach- tet und Arbeits-, Umwelt-, Verbraucher- und Gesund- heitsschutz als eher zweitrangig außer Acht lässt. Unsere Vorstellungen einer vorsorgeorientierten, einer „wirksa- men und vernunftgeleiteten Chemiekaliengesetzgebung“ werden wir Ihnen gern in der nächsten Sitzungswoche präsentieren. Birgit Homburger (F.D.P.): Mit ihrem Weißbuch hat die EU-Kommission die Weichen für einen neuen Rah- men der Chemikalienpolitik in Deutschland und in ganz Europa gestellt. Die Vorschläge für ein gemeinschaftli- ches Vorgehen im Bereich der Chemikalienpolitik werden weitreichende Folgen für die gesamte Industrie sowie für kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland und Europa haben. Die Konsequenzen müssen aus ökologischer und ge- sundheitspolitischer sowie aus ökonomischer Sicht sorg- fältig geprüft werden. Wichtigstes Ziel der Chemikalien- politik ist es, für Mensch und Umwelt die Sicherheit im Umgang mit Chemikalien zu gewährleisten. Wir nehmen dieses Ziel ernst: Als erste Fraktion im Deutschen Bun- destag legt die F.D.P. mit ihrem Antrag eine konkrete Be- ratungsgrundlage für den künftigen Rahmen der Chemi- kalienpolitik in Deutschland und auf europäischer Ebene vor. Der F.D.P. geht es um eine wirksame und vernunft- geleitete Chemikaliengesetzgebung. Die F.D.P. unter- stützt das Ziel einer systematischen Überprüfung alter und neuer Stoffe nach einem einheitlichen Konzept mit klaren Fristsetzungen. Die Neuausrichtung der Chemika- lienpolitik muss dafür genutzt werden, ein widerspruchs- freies, transparentes und praktikables System zu schaffen. Die Bundesregierung darf dabei auch die wirtschaftlichen Folgen für den Chemiestandort Deutschland nicht aus dem Blick verlieren. Umweltminister Trittin trägt hier be- sondere Verantwortung. Bei der Chemikaliensicherheit müssen alle Beteiligten mit verantwortlichem Handeln angemessen in die Pflicht genommen werden. Der Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Stoffen muss gewährleistet sein, ohne die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemiewirtschaft unnötig zu beeinträchtigen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der F.D.P. hat die Bun- desregierung die bedeutenden Beiträge der deutschen Chemiewirtschaft im Sinne von Selbstverpflichtungen und freiwilligen Kooperationsleistungen ausdrücklich ge- würdigt. Die F.D.P. fordert die Bundesregierung auf, die- sen Worten auch Taten folgen zu lassen. Gewährleistet werden muss eine sichere Anwendung gefährlicher Stoffe. Problematisch ist jedoch eine be- stimmte Grundlinie des Weißbuchs. Das mit Chemikalien verbundene Risiko soll demnach vor allem aus den Ei- genschaften bestimmter Stoffe abgeleitet werden. Ent- scheidend für eine Risikobewertung ist neben diesen Ei- genschaften aber vor allem die Art der Anwendung von Chemikalien. Gefahren entstehen nämlich erst durch die Anwendung: Ein Abflussreiniger ist nicht giftig und ge- fährlich, weil er Natronlauge enthält oder freisetzt, son- dern beispielsweise wenn man ihn verschluckt. Auch eine noch so sorgfältige und vorsorgliche Stoffbewertung kann Risiken also nicht völlig ausschließen. Eine allein stoffbezogene Risikobewertung wird der Sache nicht gerecht und kann bürokratische und kosten- trächtige Folgen haben, ohne dass damit ein gesundheits- oder umweltpolitischer Nutzen verbunden wäre. Der Ak- zent im Weißbuch ist also falsch gesetzt. Entscheidend für Umwelt und Gesundheit sind die konkreten Verarbei- tungsbedingungen sowie die Anwendungen und sich da- raus ergebende Expositionsszenarien. Die Verantwortung für Chemikalien im Sinne eines vernünftigen Sicher- heitsmanagements liegt damit in erster Linie bei den Her- stellern, Weiterverarbeitern und Anwendern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass in Deutschland jetzt bereits strenge Vorschriften für den umsichtigen Gebrauch von Chemikalien gelten. Diese Standards müssen verpflich- tend sein und bleiben; daran lässt die F.D.P. keinen Zwei- fel. Insbesondere für kleinere Unternehmen sind die im Weißbuch vorgesehenen Regelungen nicht praxistaug- lich. Ökologisch sinnlose Anforderungen bei der Regis- trierung und Bewertung von Stoffen dürfen nicht dazu führen, dass die Existenz und Wettbewerbsfähigkeit klei- ner und mittelständischer Unternehmen gefährdet wird. Wichtig ist dabei auch die Sicherung von Eigentumsrech- ten an Stoffdaten. Das für bestimmte Stoffgruppen vor- gesehene Zulassungsverfahren ist in der im Weißbuch vorgeschlagenen Form jedenfalls zu bürokratisch; es wirkt entscheidungsverzögernd und innovationshem- mend, ohne dass für Umwelt und Gesundheit etwas Sinn- volles erreicht würde. Das geplante Zulassungsverfahren bedeutet massive, ökologisch und gesundheitspolitisch nicht gerechtfer- tigte Wettbewerbsnachteile für die deutsche chemische Industrie und den Mittelstand. Erforderlich sind faire Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16797 (C) (D) (A) (B) Bestimmungen auch für importierte Erzeugnisse, die im Nicht-EU-Ausland mit ungeprüften und nicht registrier- ten – und somit billigeren – Chemikalien hergestellt wer- den. Ansonsten drohen Wettbewerbsnachteile für die in Europa produzierten Chemikalien und Produktionsverla- gerungen ins außereuropäische Ausland. Wenn überzoge- ner Dirigismus zu Standortverlagerungen führt, fügt dies dem Gesundheits- und dem Umweltschutz letztlich Scha- den zu. Die F.D.P. fordert die Bundesregierung auf, unverzüg- lich konkrete Vorschläge für eine wirksame und vernunft- geleitete Chemikaliengesetzgebung in Deutschland und Europa vorzulegen. Es geht um wichtige Entscheidungen. Der erforderliche Schutz für Mensch und Umwelt beim Umgang mit Chemikalien muss gewährleistet werden. Dies ist jedoch auch mit weniger bürokratischen und teu- ren Verfahren möglich. Die Bundesregierung muss recht- zeitig, engagiert und kompetent handeln. Umweltminister Trittin ist in der Pflicht. Er muss seiner besonderen Ver- antwortung für den Chemiestandort Deutschland gerecht werden. Eva Bulling-Schröter (PDS): Wenn nächste Woche in Stockholm die Zeichnungskonferenz zu der völker- rechtlich bindenden POP-Konvention zu einigen der schlimmsten Giftstoffe („Dreckiges Dutzend“) statt- findet, dann kann man sicherlich einerseits von einem Meilenstein der globalen Chemiepolitik sprechen. Doch andererseits werden damit Stoffe weltweit verbannt, de- ren Gefährlichkeit schon seit Jahrzehnten bekannt war, die daher schon in den Industriestaaten verboten oder mit scharfen Grenzwerten versehen waren. Das Gros der gefährlichen Chemikalien bleibt jedoch vorerst ohne Regelung und die Chemieindustrie sorgt dafür, dass ihre Zahl nicht gerade abnimmt. Von daher er- warten wir, dass die Bundesregierung die wesentlichen Komponenten für die Erweiterung der Konvention schon jetzt zu nutzen beginnt. Die erfreulicherweise gelungene Implementation des Vorsorgeprinzips gerade bei der Neu- aufnahme von Stoffen sowie die entfallende Ratifizie- rungsnotwendigkeit gebietet dies geradezu. Beispielhaft möchten wir nur das Pentachlorphenol nennen, das auch heute noch Haupteintragspfad für die unter die Konvention fallenden polychlorierten Dioxine und Furane ist, ein Pfad, der endlich verstopft werden muss. Es sei auch noch das teuflische Herbizid Paraquat genannt, von dem man seit kurzem weiß, dass es Parkin- son-typische Hirnschäden auslösen kann. Auf dem nationalen Parkett könnte die Bundesregierung wegweisende Schritte hin zu einer modernen Chemiepoli- tik einleiten. Die von der Bundesregierung geforderte Agrarwende wäre – würde sie denn jemals kommen unter dieser Regierung – im Kern auch eine kleine Chemie- wende. Denn viele Bauern hängen doch am Tropf der Che- mie. Weniger Chemie in der Landwirtschaft müsste also schnellstens das Motto dieser Bundesregierung sein. Auch in einem speziellen Bereich könnte die Bundes- regierung Modernität und konsequente Vorsorge walten lassen. Es ist ein Skandal, wenn von einem Stoff wie dem 3,4-Benzpyren die Gefährlichkeit bestens bekannt ist, wenn er bei der beruflichen Exposition strengsten Be- schränkungen unterworfen ist und wenn dann die Bun- desregierung für den privaten Bereich eine Übertragung dieser strengsten Beschränkungen ablehnt – so geschehen im Fall der mit 3,4-Benzpyren und anderen Giftstoffen verseuchten Wohnungen aus der Hinterlassenschaft der alliierten Streitkräfte. Die von der Bundesregierung her- ausgegebenen so genannten PAK-Hinweise dokumentie- ren somit, dass es ihr gar nicht um die Herstellung beden- ken- und gefahrloser Wohnverhältnisse geht, sondern allein um eine kostensparende Vorgehensweise. Wir for- dern die Bundesregierung auf, auch in diesen Fällen eine konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips zu prakti- zieren oder durchzusetzen. Alles andere wäre eine Verlet- zung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit. Was die EU-Chemikalienpolitik Deutschlands angeht, so stimmt bedenklich: Vor zwei Wochen hat Kanzler Schröder vor der Industrie verkündet, die Umsetzung des Ckemikalien-Weißbuches der EU-Kommission würde „zur Vertreibung der Chemieindustrie aus Europa führen“. Doch dieses Weißbuch will für die Zulassung be- sonders gefährlicher Stoffe die Beweislast dafür umkeh- ren, dass mit den betreffenden Produkten sicher umge- gangen werden kann. Die Hersteller sollen hier in die Pflicht genommen werden, nicht mehr die Behörden. Was, so frage ich den Kanzler, soll daran schlecht sein? Wollen die Deutschen in Brüssel wieder mal den VCI-Vertreter geben? In dieser Richtung liest sich letztlich auch der Antrag der F.D.P., den wir darum auch ablehnen werden. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus (Zensusvorbereitungsgesetz) (Tagesordnungs- punkt 22) Barbara Wittig (SPD): Volkszählungen liefern wich- tige und unverzichtbare Daten über die Bevölkerung, die Erwerbstätigkeit oder die Wohnsituation. Mit einer Volks- zählung wird unter anderem die amtliche Einwohnerzahl festgestellt. Diese ist die maßgebliche Bemessungsgrund- lage für den Finanzausgleich zwischen dem Bund, den Ländern und den Kommunen. Darüber hinaus werden diese Daten für die Mittelausstattung der Strukturfonds der Europäischen Union benötigt. Der derzeit gültige Fi- nanzrahmen umfasst die Jahre 2000 bis 2006. Auch für die Einteilung der Wahlkreise sind aktuelle und verlässli- che Zahlen unabdingbar. In den alten Bundesländern fand die letzte Volkszäh- lung im Jahre 1987 statt. In den neuen Bundesländern wurde 1995 nur eine Gebäude- und Wohnraumzählung durchgeführt. Wünschenswert wäre es, etwa alle zehn Jahre einen Zensus durchzuführen, damit für Bund, Län- der und Gemeinden aktuelle Grundinformationen bereit- gestellt werden können, die wiederum die Basis für die Bevölkerungsfortschreibung darstellen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116798 (C) (D) (A) (B) Da sowohl Fortschreibungs- als auch Stichproben- ergebnisse mit der Zeit zunehmend ungenauer werden, wird es höchste Zeit, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland unseren nächsten Zensus durchführen. Eine primärstatistische Vollerhebung mit Befragungen aller Einwohner nach dem Vorbild der Volkszählung 1987 ist sowohl aus Kostengründen als auch aus Gründen der Ak- zeptanz bei der Bevölkerung problematisch. Auch die alte Bundesregierung sah dies bereits so. Dazu muss man wis- sen, dass ein Zensus der herkömmlichen Art Kosten in Höhe von circa 2 Milliarden DM verursachen würde. Deshalb wurde eine Arbeitsgruppe mit Statistikexper- ten aus Bund und Ländern eingesetzt, die alternativ zur herkömmlichen Zählung brauchbare Konzepte für einen registergestützten Zensus zu entwickeln hatte. Diesen Experten sei an dieser Stelle Dank gesagt für ihre mühevolle Kleinarbeit. Ihnen ist es letztlich zu ver- danken, dass die amtliche Statistik mit dem Methoden- wechsel hin zum registergestützten Zensus auch dem weit vorangeschrittenen Einsatz moderner Informationstech- nologien in den öffentlichen Verwaltungen Rechnung trägt und dass eine enorme Einsparung von Kosten mög- lich wird. Mit dem Methodenwechsel von einer primärstatisti- schen Vollerhebung zu einer hauptsächlich registerge- stützten Datengewinnung kann von einer Befragung der Bevölkerung weitestgehend abgesehen werden, denn der registergestützte Zensus wird die Bevölkerung von Aus- kunftspflichten entlasten. Der Methodenwechsel ist für die amtliche Statistik eine große Herausforderung. Zunächst müssen die Register und Verfahren getestet wer- den, um beurteilen zu können, worauf bei einem künfti- gen Zensus verzichtet werden kann bzw. wodurch die Qualität der Zensusergebnisse noch verbessert werden kann. Wichtig ist mir im Zusammenhang mit allen Vorberei- tungen und Durchführungen der Testerhebungen, dass der Bundesbeauftragte für den Datenschutz keine Bedenken und Einwände hinsichtlich des Datenschutzes geäußert hat. Wir können also davon ausgehen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung voll gewährleistet ist. Lassen Sie mich das an einigen Beispielen exemplarisch darstellen: Alle personenbezogenen Daten fallen unter die statisti- sche Geheimhaltung. Sie werden nur in besonders abge- schotteten Räumen der statistischen Landesämter bzw. des Statistischen Bundesamtes bearbeitet und so bald wie möglich anonymisiert. Rückmeldungen an die register- führenden Verwaltungsbehörden sind nicht zulässig. Ich wünsche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den statistischen Ämtern viel Erfolg bei ihrer verantwor- tungsvollen Arbeit. Beatrix Philipp (CDU/CSU): Viele von Ihnen werden sich noch gut an die Begleitumstände erinnern, mit denen im Jahr 1987 die Volkszählung durchgeführt wurde. Boy- kottaufrufe, Demonstrationen ... Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Komik, dass die, die damals zum Boykott auf- und das Bundesverfas- sungsgericht anriefen, heute zu denen gehören, die unter anderem aus „Kosten- und Akzeptanzgründen“ einen Wechsel zu einem registergestützten Zensuskonzept befürworten. Aber das nur nebenbei. Schon 1998 hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder die Resultate einer Arbeitsgemein- schaft, die Alternativen zur Vollerhebung, wie sie 1987 durchgeführt wurde, entwickeln sollte, positiv zur Kennt- nis genommen. Das Ergebnis einer von der damaligen Bundesregierung beauftragten Arbeitsgemeinschaft war der Vorschlag eines Wechsels von einer so genannten „Volkszählung“, der primärstatistischen Vollerhebung, zu einer registergestützten Datengewinnung. Hier liegt nun heute das Ergebnis vor, das im Zuge der Planung der EU, im Jahr 2001 einen gemeinschaftsweiten Zensus durchzuführen, entstanden ist. Die neue Methode soll durch einen Test geprobt werden. Und dieser Gesetz- entwurf ist nun die rechtliche Grundlage für diesen Test. Der Gesetzentwurf sieht zur Vorbereitung des Zensus Testerhebungen vor, die die Qualität der als Datenquellen vorgesehenen Registerdaten und die statistischen Verfah- ren bzw. methodischen Untersuchungen überprüfen. Als Datenquellen sind die Melderegister und die Dateien der Bundesanstalt für Arbeit, Gebäude- und Wohnungsstich- proben und Befragung von Personen vorgesehen. Zahlen zur amtlichen Einwohnerzahl werden dringend benötigt. So bilden sie beispielsweise die Bemessungs- grundlage für den Finanzausgleich von Bund und Län- dern, sind aber auch Kriterium für die Einteilung der Wahlkreise. Bevölkerungsdaten werden insbesondere auch im Rahmen der EU-Politik benötigt – so sind diese Zahlen nicht nur für die Regional- und Sozialpolitik von Bedeutung, sondern sind auch entscheidende Bewer- tungskriterien bei der Vergabe von Mitteln aus den EU-Strukturfonds. Nach persönlicher Rücksprache mit dem Bundesda- tenschutzbeauftragten, Dr. Jacob, gibt es keine daten- schutzrechtlichen Bedenken zu sehen. Auch Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte und die informationelle Selbst- bestimmung der Bürgerinnen und Bürger sind bei einer solchen Erhebung nicht zu befürchten. Obwohl wir diesem Gesetzentwurf positiv gegenüber- stehen, gibt es von unserer Seite Kritikpunkte bzw. Fra- gen: Erstens. Dass die Bundesregierung nun Zeitdruck bei diesen Beratungen aufkommen lässt, ist nicht zu verste- hen. Aus dem EU-Arbeitspapier geht hervor, dass der ge- meinschaftsweite Zensus bis Mai 2001 durchgeführt wer- den soll. Nun haben wir bereits Mai und debattieren im Deutschen Bundestag noch über einen Gesetzentwurf über ein Testverfahren. Wann beabsichtigt die Bundesre- gierung denn nun dem europäischen Drängen Rechnung zu tragen, das heißt mit der Durchführung zu beginnen? Zweitens. Wer garantiert, dass die Daten dieser Erhe- bung repräsentativ sind und wie wird dies kontrolliert? Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16799 (C) (D) (A) (B) Drittens. Was passiert eigentlich, wenn der Test nega- tiv verläuft oder gar fehlschlägt, das heißt, wie wird das festgestellt? Viertens. Die Kostenfrage ist unzureichend geklärt. Die Hauptlast der Kosten tragen wieder einmal die Län- der – 27,1 Millionen DM versus Bund mit 11,6 Millionen DM. Insbesondere die Kommunen werden erneut mit ei- nem beträchtlichen Teil der Kosten bei der Durchführung dieser Zensusvorbereitung – 5,8 Millionen DM – belastet. Hinzu kommt ein nicht kalkulierbarer Mehraufwand an Personal für die Koordination zwischen den Meldebehör- den und den statistischen Ämtern. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in seiner Stel- lungnahme vom 9. März 2001 aufgefordert, die Beteili- gung des Bundes in Höhe von mindestens 50 Prozent an den Kosten der Länder und Gemeinden zu übernehmen. Ich denke, dass es an dieser Stelle noch einmal ange- bracht ist, an die Bundesregierung zu appellieren, die zur- zeit sowieso schon stark belasteten Kommunen mit die- sem Vorhaben nicht noch stärker in Anspruch zu nehmen. Das heißt: „nachbessern“. Eine Vokabel, die – wie wir alle wissen – zum Standardwortschatz dieser Bundesregie- rung gehört. Wie gesagt: Der heute beratene Gesetzesentwurf dient lediglich zur Durchführung des Tests der registergestütz- ten Zensusdurchführung. Trotz unserer eben vorgetra- genen Fragen stimmen wir zu, auch wenn eine viel frühere Befassung mit dieser Thematik vielleicht der Sache dien- licher gewesen wäre. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liest man den Namen „Entwurf eines Gesetzes zur Vorberei- tung eines registergestützten Zensus“, wird die eigentli- che Bedeutung dieses Tages nicht recht deutlich. Wenn ich hier meine große Zufriedenheit ausdrücke, hat dies ei- nen ganz konkreten Anlass: Wir haben eine neue Volks- zählung verhindert. Eigentlich wäre dieses Jahr nach den Planungen der EU ein erneutes Volkszählungsjahr. Den Bürgerinnen und Bürgern kommen aber anders als 1987 keine Zähler ins Haus. Die vielen bürgerrechtlichen Probleme im Zusam- menhang mit diesen unwillkommenen Heimsuchungen bleiben den Menschen erspart – die hohen Kosten und der enorme Verwaltungsaufwand ebenfalls. Die benötigten Daten werden nicht mehr im Wohn- zimmer abgeholt, sondern – versuchsweise – den vorhan- denen Verwaltungsdateien wie den Melderegistern ent- nommen. Hier kommt die Koalition auch einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Volkszäh- lungsurteil nach. Das Gericht hatte schon 1983 die Ent- wicklung neuer Methoden der Informationserhebung und -verarbeitung verlangt. In den kommenden beiden Jahren wird getestet, ob und inwieweit die infrage kommenden Verwaltungsregister brauchbar und aktuell sind. Es wird ebenfalls untersucht, wie die Daten aus den unterschiedlichen Quellen zusam- mengeführt werden können. Dies ist technisch ein durch- aus anspruchsvolles Unterfangen. Getestet wird auch, wie die Vielfalt der Daten gegen Verlust, Verfälschung und Missbrauch geschützt werden kann. Ich habe meine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck gebracht, dass wir keine Volkszählung bekommen wer- den. Das heißt aber nicht, dass wir die realen daten- schutzrechtlichen Probleme anderer Erhebungsverfahren nicht zur Kenntnis nehmen würden. Das Gegenteil ist der Fall. Zunächst einmal verweise ich darauf, dass wir hier eine Art Probegesetz verabschieden. Wir müssen erst Erfah- rungen machen, auswerten und dann gesetzlich umsetzen. Ich teile ausdrücklich die Auffassung des Bundesda- tenschutzbeauftragten, dass der leichtere Zugang zu Ver- waltungsdaten nicht zu einem größeren Informationshun- ger der Statistiker führen darf. Es müssen hier – auch darin stimme ich mit Herrn Jacob überein – Alternativen ge- prüft werden. Er wirft hier die berechtigte Frage auf, ob statistische Ergebnisse nicht auch ohne Qualitätseinbußen aus Stichproben und Hochrechnungen anstelle von Total- erhebungen gewonnen werden können. Wir dürfen auch nicht die Augen vor den Gefahren ei- nes Verbundes der Melderegister verschließen. Eine in- stitutionalisierte Vernetzung von Melderegistern würde erhebliche Datenschutzprobleme aufwerfen. Bei der Ab- gleichung von Daten aus verschiedenen Registern könn- ten letztlich zu umfangreiche Datensammlungen generiert und bedenkliche Persönlichkeitsprofile erstellt werden. Die Register sind keine Milchkühe, die nach Belieben ausgemolken werden dürfen. Es darf kein zentrales Melderegister entstehen, in dem die Daten unterschiedlicher Register dauerhaft erfasst und für beliebige Verwaltungszwecke verwendet werden. Ge- nau so wenig darf es dazu kommen, dass über den Umweg des Zensus eine personenbezogene Verknüpfung ver- schiedenster in der öffentlichen Verwaltung geführter Re- gister stattfindet. Eine solche Entwicklung würden wir nicht mittragen. Wir werden daher ein wachsames Auge auf die Vorberei- tungen haben. Ich möchte Sie bitten, dem Gesetzentwurf zuzustim- men. Es handelt sich hier um ein Testgesetz. Spätestens ab Januar 2004 werden sämtliche Daten gelöscht. Von daher sind die datenschutzrechtlichen Probleme beherrschbar. Angesichts des so erreichten Verzichts auf die Volkszäh- lung sollte ein Ja daher nicht schwer fallen. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.): Mit dem heute abschließend zu beratenden Gesetzentwurf sollen die rechtlichen Grundlagen für Tests geschaffen werden, um zu prüfen, ob statistisch benötigte Basisdaten künftig durch so genannte registergestützte Erhebungen gewon- nen werden können. Spätestens seit den Erfahrungen mit der letzten Volkszählung im Jahre 1987 wird nach alter- nativen Methoden gesucht, um Bestands- und Strukturda- ten der Bevölkerung zu ermitteln, die als Grundlage für den politischen Planungsprozess unentbehrlich sind. Für die F.D.P. steht die Notwendigkeit, diese Daten zu gewin- nen, außer Frage. Die Suche nach Alternativen zu der so Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116800 (C) (D) (A) (B) genannten primärstatistischen Vollerhebung, also einer Befragung aller Einwohner, ist dem Gesetzgeber durch das so genannte Volkszählungsurteil des Bundesverfas- sungsgerichts vom 15. Dezember 1983 aufgegeben wor- den. Das Gericht hat festgestellt, dass nach dem damali- gen Erkenntnis- und Erfahrungsstand die möglichen Alternativen zu einer Totalerhebung noch mit zu großen Fehlerquellen behaftet seien. Vor künftigen Entscheidun- gen für eine Erhebung werde sich der Gesetzgeber jedoch erneut mit dem dann erreichten Stand der Methodendis- kussion auseinander setzen müssen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang die herkömmlichen Methoden der Informationserhebung und -verarbeitung beibehalten werden können. Der Gesetzgeber dürfe die Weiterent- wicklung der Methoden der amtlichen Statistik und der Sozialforschung nicht unberücksichtigt lassen. Dies ge- biete der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insofern kommt der Deutsche Bundestag heute also einer aus- drücklichen Aufforderung des Bundesverfassungsge- richts nach. Bereits die frühere Bundesregierung hat sich aus Kos- ten- und Akzeptanzgründen für die Zukunft gegen eine herkömmliche Vollerhebung nach dem Vorbild der Volks- zählung von 1987 ausgesprochen. Diese Entscheidung hat der Deutsche Bundestag im Jahre 1998 unterstützt und die Überlegungen der Bundesregierung begrüßt, eine stich- tagsbezogene Auswertung der Melderegister vorzuneh- men. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat in seinem 16. Tätigkeitsbericht auf die Vorteile einer Registerauswer- tung als Alternative zur Volkszählung herkömmlicher Art hingewiesen, gleichzeitig aber die berechtigte Frage aufge- worfen, ob die Melderegister tatsächlich präzise genug sind, um den statistischen Anforderungen gerecht zu wer- den. Er hat deshalb folgerichtig die Untersuchung der Re- gisterqualität – mit akzeptablen Ergebnissen – als unab- dingbare Voraussetzung für das Ersetzen der Befragung durch die Auswertung der Melderegister bezeichnet. Genau dies soll durch den vorliegenden Gesetzentwurf geschehen. Es liegt auf der Hand, dass die Ergebnisse einer regis- tergestützten Erhebung umso genauer sind, je mehr per- sonenbezogene Informationen miteinander verknüpft werden. Deshalb müssen wir darauf achten, dass wir nicht zu weit gehen. Statistik geht nicht über Datenschutz. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich festgestellt, dass die Übernahme sämtlicher Daten aus bereits vorhandenen Dateien der Verwaltung keine zulässige Alternative zu ei- ner Totalzählung ist. Ferner ist großer Wert auf die Trans- parenz gegenüber den Bürgern zu legen. Eine Volkszäh- lung hinter dem Rücken der Bürger darf es nicht geben! Nur so erreichen wir die erforderliche Akzeptanz, die bei der letzten Volkszählung vielfach gefehlt hat. Niedrigere Kosten oder eine gegenüber einer Volkszählung geringere Belästigung der Bürger durch Hausbesuche sind sicher gute Gründe für eine registergestützte Erhebung. Aus- schlaggebend dürfen sie, wenn es um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geht, nicht sein. Einen gläsernen Bürger wollen wir nicht. Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf bestehen diese Befürchtungen jedoch nicht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat ausdrück- lich bestätigt, dass durch den Testlauf die von den Verfas- sungsrichtern aufgestellte Messlatte für Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht unangetastet bleibt. Er hält den Gesetzentwurf für ausgewogen und mit dem Datenschutz vereinbar. Die F.D.P. legt allerdings Wert darauf, dass durch die Testerhebung noch keine Festlegung der Methodik für ei- nen späteren Zensus erfolgt. Es handelt sich jetzt nur um eine Sondierung, welche Daten und Verfahren tragfähig sind und welche nicht. Erst nach Auswertung dieser Pro- beerhebung wird bestimmt, wie eine zukünftige Volks- zählung durchgeführt werden soll. Das hat auch der Bun- desdatenschutzbeauftragte gefordert. Dieser Gesichtspunkt wird in dem Gesetzentwurf nicht deutlich genug herausgestellt. In der Begründung wird vielmehr der Eindruck erweckt, als sei der Methoden- wechsel zu einem registergestützten Zensus bereits vor- genommen. Die F.D.P. sieht diese Entscheidung dagegen noch als offen an. Mit dieser Maßgabe stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. Fritz Rudolf Körper, Parlamentarischer Staatssekre- tär beim Bundesminister des Innern: Mit dem vorliegen- den Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung eines regis- tergestützten Zensus will die Bundesregierung einen Methodenwechsel zu einem neuen Zensusverfahren ein- leiten. Anstelle einer herkömmlichen Volkszählung durch Befragung aller Einwohner sollen so weit wie möglich Daten aus Verwaltungsregistern und -dateien genutzt wer- den; dadurch können die Bürger entlastet und die Kosten eines Zensus erheblich reduziert werden. Damit will die Bundesregierung einen weiteren Beitrag zur Modernisie- rung der Verwaltung leisten und der Forderung Rechnung tragen, anstelle von Primärerhebungen verstärkt vorhan- dene Verwaltungsdateien für Zwecke der amtlichen Sta- tistik zu nutzen. Der Einsatz moderner Informationstech- nologie in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, insbesondere die Automatisierung der Melderegister, ver- anlasst die Bundesregierung, die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für einen Methodenwechsel zu einem re- gistergestützten Zensus zu nutzen. Volkszählungen sind in größeren Zeitabständen not- wendig. Sie liefern Grunddaten über die Bevölkerung, de- ren Erwerbstätigkeit und Wohnsituation. Die Ergebnisse sind Grundlage für politische Planungen und Entschei- dungen auch der Europäischen Union sowie wissen- schaftliche Untersuchungen. Wesentliches Ziel eines Zen- sus ist die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl des Bundes, der Länder und Gemeinden. Sie ist eine vielfäl- tig verwendete Bemessungsgrundlage, unter anderem für den horizontalen und vertikalen Finanzausgleich sowie die Einteilung der Wahlkreise. Die amtliche Statistik benötigt die Zensusergebnisse beispielsweise als Aus- wahlgrundlage und Hochrechnungsrahmen für Stichpro- benerhebungen, als neue Basis der Bevölkerungsfort- schreibung. Die Europäische Union hat ihren Mitgliedstaaten für das Jahr 2001 einen gemeinschaftsweiten Zensus emp- fohlen. Herkömmliche Volkszählungen verursachen er- hebliche Kosten und werden von der Bevölkerung immer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16801 (C) (D) (A) (B) wenig akzeptiert. So wurden für die letzte traditionelle Zählung im Jahre 1987 im alten Bundesgebiet rund 500 000 Zähler gebraucht, sie kostete nahezu 1 Milli- arde DM. Eine neue Zählung in dieser Form würde schät- zungsweise 2 Milliarden DM kosten. Deutschland hat aus den genannten Gründen die Auf- forderung der Europäischen Union, im Jahr 2001 ge- meinschaftsweit die Bevölkerung zu zählen, zum Anlass genommen, ein Alternativkonzept zu entwickeln, bei dem so weit wie möglich auf vorhandene Verwaltungsregister zurückgegriffen werden soll. Die demographischen Daten sollen aus den Melderegistern und erwerbsstatistische Daten aus den Dateien der Bundesanstalt für Arbeit ge- wonnen werden. Gebäude- und Wohnungsdaten müssen bei den Gebäudeeigentümern erfragt werden, da es keine Registerdaten gibt. Ein solcher Methodenwechsel bedarf eingehender vorbereitender Verfahrenstests, einer Prü- fung der Qualität der relevanten Register sowie der Vali- dität der aus den verschiedenen Quellen gewonnenen Da- ten. Diese Tests ordnet der vorliegende Gesetzentwurf an. Dem Datenschutz der Bürger wird entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Ur- teil zur Volkszählung 1983 in vollem Umfang Rechnung getragen. Alle für die Testuntersuchungen erforderlichen personenbezogenen Daten werden von den statistischen Ämter der Länder und dem Statistischen Bundesamt er- hoben und verarbeitet. Die Einzeldaten verbleiben in den besonders geschützten Bereichen der statistischen Ämter und fallen unter die strikte statistische Geheimhaltung. Eine Rückübermittlung der Daten an die registerführen- den Verwaltungsbehörden ist nicht zulässig. Mit dem Gesetzentwurf, der das Informationsinteresse der Länder umfassend berücksichtigt, wird der Grund- stein zu einem Zensusverfahren gelegt, das die öffentli- chen Haushalte spürbar entlasten wird. Diese entlastende Wirkung wird meines Erachtens übersehen, wenn der Bundesrat verlangt, der Bund solle neben seinen eigenen Kosten mindestens 50 Prozent des Aufwandes der Länder und Gemeinden für die Tests tragen. Der Hinweis, der Bund habe sich bei früheren herkömmlichen Volkszäh- lungen an den Belastungen der Länder und Gemeinden beteiligt, geht fehl. Wir befinden uns noch in einer Vorbe- reitungsphase; im Vergleich zum Aufwand für eine her- kömmliche Zählung sind die Kosten der Testuntersu- chungen eher niedrig. Bund, Länder und Kommunen sollten deshalb gemeinsam das angestrebte Ziel finanzie- ren, die Kosten eines Zensus nachhaltig zu reduzieren. Es geht, wenn Sie es so sehen, um eine lohnende Investition in die Zukunft. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung der verfassten Studierendenschaft (Tagesordnungspunkt 10) Dr. Peter Eckardt (SPD): Als ich vor einem Monat den Gesetzentwurf der PDS zum ersten Mal gelesen habe, fühlte ich mich in die Zeit meines Studiums an der FU in Berlin in den 60er-Jahren zurückversetzt. Die damalige Studentengeneration protestierte gegen die Beschränkun- gen ihrer Rechte, als das Land Berlin für die FU und an- dere Hochschulen 1969 die verfasste Studentenschaft für zehn Jahre abschaffte. In den 70er-Jahren folgten die Län- der Bayern und Baden-Württemberg und beendeten eben- falls die verfasste Studentenschaft als selbstverwaltete Körperschaft mit allgemeinen Rechten. Nun sind die Zeiten weitergegangen und die Studen- tengeneration des Jahres 2001 ist eine andere – mit ande- ren Interessen, mit einem anderen Demokratieverständ- nis, mit einer anderen Lebenswelt, in der die Hochschule nicht mehr der zentrale Lebensmittelpunkt wie früher ist und das Interesse an den studentischen Selbstverwaltun- gen stark nachgelassen hat, was zwar zu bedauern, aber Tatsache ist. Diese Veränderungen scheint die PDS nicht wahrgenommen zu haben und sie ließe sich, wenn sie sie wahrnähme, davon vermutlich auch nicht beeindrucken. Sie ist auf dem Stand der 60er-Jahre in der alten Bundes- republik stehen geblieben. Gestern abend formuliert die Kollegin Maritta Böttcher über die Presse der PDS, sie unterstütze vorbe- haltlos die Aktion „Demokratie statt Zwang – Aufstehen für freie Bildung und kritische Wissenschaft“ ihrer Klien- tel an den Hochschulen; sie sehe die innerparlamentari- sche Opposition der PDS gegen die Hochschulpolitik der leeren Versprechungen der Bundesregierung bestätigt. Offensichtlich soll das Thema Studierendenschaft als vor- zeitiges Wahlkampfthema genutzt werden. Aber zur realen Situation an deutschen Hochschulen. Das Kampfbündnis der PDS am bundesweiten studenti- schen Aktionstag am Mittwoch dieser Woche ist nach meinen Kenntnissen an den Hochschulen nicht so recht in Gang gekommen. An vielen Unis wurde noch nicht ein- mal ein Infostand der PDS am Eingang zur Hauptmensa gesichtet. Die PDS sollte sich deshalb im Jahre 2001 von der Erkenntnis verabschieden – was schmerzlich ist, wie ich selbst weiß – die Herbert Marcuse einst formuliert hat: Die Universitäten und ihre Angehörigen allein seien die Quelle gesellschaftlicher revolutionärer Umwälzungen und die hochschulpolitischen Aktivitäten im Deutschen Bundestag könnten diese Wünsche verstärken. Die Frage, die heute hier ansteht, ist sehr viel pragma- tischer: Sollen wir § 41 des Hochschulrahmengesetzes än- dern und alle Länder verpflichten, in ihre Hochschulge- setze die verfasste Studierendenschaft aufzunehmen? Die Antwort auf diese Frage einer möglichen Veränderung des § 41 HRG muss nüchtern, ohne ideologischen Ballast und unter Beachtung der vorherrschenden Realitäten gesehen werden. Konkret heißt dies heute: Welche Rechte haben gewählte Studentenvertreter im Rahmen der Körperschaft „verfasste Studentenschaft“ oder außerhalb dieser Kör- perschaft innerhalb der Hochschule und Öffentlichkeit? Diese Frage hat in den letzten 20 Jahren bisher jeden begleitet, der in dieser Zeit Kontakt mit engagierten und politisch interessierten Studierenden hatte und sich für dieses Thema interessierte. Die PDS kann also nicht für sich in Anspruch nehmen, dass sie dieses Thema für sich allein entdeckt hat. Auch ihre Behauptung, die Arbeit der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116802 (C) (D) (A) (B) Studierendenvertreter sei zunehmend Verunsicherungen ausgesetzt, stimmt nicht. Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen, die allerdings nicht zur Zierde unserer Hochschulpolitik in den letzten Jahren zu zählen sind. 1994: OVG NRW gegen den AStA Münster, es werde untersagt, politische Erklärungen ab- zugeben. 1997: VGH Hessen gegen den AStA Gießen; 10 000 DM Ordnungsgeld wegen eines Antrages an das StuPa. 2000: Verfassungsgerichtshof NRW entscheidet gegen die CDU-Landtagsfraktion, die behauptet hatte, §§ 3 und 71 des Hochschulgesetzes NRW verstießen ge- gen die Verfassung. 1999: Staatsanwaltschaft Marburg gegen Studenten wegen Veruntreuung von AStA-Geldern, zum Beispiel für den Kauf von Büchern für ein „Feminis- tisches Archiv Marburg“. 1997: OVG Bremen untersagt dem AStAAktivitäten gegen die Castortransporte. 1999: VerwG Berlin verhängt gegen den AStA der Humboldt- Universität ein Ordnungsgeld wegen eines Verstoßes gegen das Hochschulrecht: nicht spezifische und unmit- telbar hochschulbezogene Äußerungen; Erklärungen, Forderungen, Stellungnahmen. Diese Liste könnte ich fortsetzen. Es geht also politisch bei der Frage nach der verfassten Studentenschaft um zwei Probleme: Erstens. Haben die gewählten Studierendenvertreter ein politisches Mandat zur Abgabe von allgemeinen Erklärungen und Stellung- nahmen im Namen der Studierenden? Zweitens. Darf der AStA oder Vertreter des AStA für die Aktivitäten Finanz- mittel des AStA, die aus allgemeinen Gebühren der Stu- dierenden stammen, einsetzen oder macht er sich dann der Untreue schuldig und ist persönlich schadenersatzpflich- tig? In NRW ist der Handlungsspielraum der Studieren- denvertreter aufgrund der Formulierung im Hochschulge- setz, sie hätten die Aufgabe, „die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Be- reitschaft zur aktiven Toleranz ihrer Mitglieder (zu) för- dern“, hinreichend genau formuliert. Diese Formulierun- gen sind in anderen Ländern nicht so präzise. Das HRG formuliert bisher, dass der Landesgesetzge- ber die Möglichkeit – nicht die Pflicht – hat, an den Hoch- schulen Studentenschaften zu bilden. Diese sind dann aber Zwangskörperschaften im Rahmen der Körperschaft Hochschule und dürfen kein allgemeinpolitisches Mandat wahrnehmen. Diese Bestimmung des § 41 zu ändern, so wie es die PDS vorschlägt, greift tief in das föderale Verständnis der Bundesländer ein und ist weder schnell noch etwa als Ergänzung zur Novelle der Dienstrechtsreform zu leis- ten. Die Länder haben kein eigenes Gestaltungsrecht der Inhalte des § 41 HRG und werden ihre Interessen im Bundesrat, dessen Zustimmung benötigt wird, vorbrin- gen. In § 41 Abs. 3 der Studierendenschaft das Recht zum allgemeinen politischen Mandat zu geben und dazu die Finanzmittel des ASta als Zwangsmitgliedschaft zu nut- zen stößt nach der Rechtssprechung auf erhebliche Be- denken. Es ist richtig, dass die Trennung von Wissen- schaft, Forschung und allgemeiner Politik antiquiert ist und nicht der Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft entspricht. Insofern müssen wir über das Thema HRG § 41 nachdenken. Ich sage zu, dass es eine Koalitions- initiative zum Thema geben wird, sobald die Dienst- rechtsreform im Deutschen Bundestag und Bundesrat er- folgreich verabschiedet worden ist. Es bleibt der PDS aber unbenommen, über eine mögli- che Bundesratsinitiative das Thema erneut aufzugreifen. Wir sollten Ihren Gesetzentwurf heute erst einmal an die Ausschüsse überweisen. Thomas Rachel (CDU/CSU): Die PDS-Fraktion hat der rot-grünen Bundesregierung heute ein besonderes Ei ins Nest gelegt. So legt die PDS einen Gesetzentwurf zur Absicherung der verfassten Studierendenschaften im Hochschulrahmengesetz vor. Damit tut sie genau das, was – übrigens leichtfertigerweise – SPD und Grüne in ihrer eigenen Koalitionsvereinbarung zu Beginn dieser Legis- laturperiode angekündigt haben. Wie heißt es doch, Frau Ministerin Bulmahn, in der von SPD und Grünen in Person von Gerhard Schröder und Joschka Fischer unterzeichneten Koalitionsvereinba- rung? Ich zitiere: Wir werden das Hochschulrahmengesetz im Einver- nehmen mit dem Bundesrat weiterentwickeln und die verfasste Studierendenschaft absichern. Dieses Koalitonsversprechen war nicht nur leichtfertig, sondern es war von der Sache her falsch, weil es die Län- derrechte nicht berücksichtigt. Aber eines wird durch den vorliegenden Gesetzesantrag ganz klar: SPD und Grüne haben ihr Versprechen aus dem Wahlkampf und ihre schriftliche Zusage in der Koalitionsvereinbarung gebro- chen; denn bis heute haben sie ihre Zusage nicht eingelöst und Rot und Grün werden gegen den Antrag der PDS, der ihr eigenes Vorhaben beinhaltet, stimmen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen himmelweit auseinander. Dies ist Kennzeichen sozialdemokratischer und grüner Hoch- schulpolitik. Wie stellt sich denn eigentlich der Sachverhalt dar? Im geltenden Hochschulrahmengesetz ist in § 41 geregelt: Das Landesrecht kann vorsehen, dass an den Hoch- schulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer, sozialer und kultureller Belange der Studierenden, zur Pflege der überregionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur Wahrnehmung studentischer Belange in Bezug auf die Aufgaben der Hochschulen Studentenschaften gebildet wer- den. Dies zeigt: Das Hochschulrahmengesetz lässt sehr wohl verfasste Studentenschaften zu. Die Regelung wird der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer überlassen. Diese Regelung entspricht der Aufgabenverteilung des Grundgesetzes und der besonderen Rolle der Bundeslän- der. Die derzeit gültige Fassung des § 41 kam im Übrigen nur nach einem langen Tauziehen zwischen Bundestag und Bundesrat zustande. Die Bildung von Studenten- schaften soll dem Ermessen und der Entscheidung der Länder überlassen sein. Dies hat sich grundsätzlich be- währt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16803 (C) (D) (A) (B) Entscheidet sich der Landesgesetzgeber dafür, eine Studentenschaft zu bilden, so fasst er die immatrikulierten Studenten einer Hochschule in einer Zwangskörperschaft im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Hochschule zusammen. Aus dieser Form der Zwangskör- perschaft ergeben sich bestimmte Konsequenzen. Unter anderem ergibt sich diejenige, dass die Studentenschaften ein hochschulpolitisches Mandat haben, nicht aber ein all- gemeinpolitisches Mandat. Damit sind wir auch mitten beim Kernpunkt des An- trags der PDS. Wer den Gesetzesantrag aufmerksam liest, wird feststellen, dass es der PDS gar nicht um die Studie- rendenschaft im eigentlichen Sinne geht, sondern darum, ein so genanntes allgemeinpolitisches Mandat durchzu- setzen. Heute haben die Studierendenschaften ein hoch- schulpolitisches Mandat, das ihnen die Möglichkeit gibt, zu allen hochschulrelevanten Themen und der spezifi- schen Situation ihrer Ausbildung Stellung zu beziehen. Dies hat sich als richtig herausgestellt, zumal so die Stu- dienbedingungen kritisiert und Verbesserungen durchge- setzt werden können. Darum geht es der PDS aber nicht. Sie will ein allge- meinpolitisches Mandat, das manche ASten in der Ver- gangenheit schon rechtswidrig in Anspruch zu nehmen versucht haben. Ich erinnere mich gut an Aktivitäten von ASten, die, mit riesigen Steuergeldern finanziert, rechts- widrig Kampagnen für Kuba und Nicaragua und gegen den NATO-Doppelbeschluss veranstaltet haben. Dies ging zulasten der Steuerzahler. Es nervte die Studieren- den, die wollten, dass sich die ASten endlich um ihre konkrete hochschulpolitische Situation kümmern und nicht eine allgemeine Politik der Weltverbesserung be- treiben. Eine Veränderung, die die politische Linke bisher nicht hat durchsetzen können und die die deutschen Gerichte bis zum Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 1969 eben- falls untersagt hat, versucht die PDS nun in einem neuen Aufgalopp mittels einer Gesetzesänderung durchzuset- zen. Das allgemeinpolitische Mandat ist auch deshalb un- zweckmäßig und ein Rechtsverstoß, weil es sich bei ein- gerichteten Studentenschaften um Zwangskörperschaften handelt. So hat auch das Oberverwaltungsgericht in Müns- ter am 6. September 1994 entschieden, dass eine nicht unmittelbar auf den Bereich der Hoch- schule und die spezifischen Interessen von Studenten begrenzte politische Betätigung der Studentenschaft verfassungswidrig in den individuellen Freiheitsbe- reich der Mitglieder eingreift. Da sich die Studierenden unsinniger und ideologischer Äußerungen oder allgemeinpolitischer Kampagnen von ASten nicht durch Austritt aus der Studentenschaft als Zwangskörperschaft entziehen können, stellt die Wahr- nehmung des allgemeinpolitischen Mandats durch Stu- dentenvertretungen einen verfassungswidrigen Eingriff in den individuellen Freiheitsbereich der Studierenden dar. Aus diesen Gründen lehnt die CDU/CSU-Bundestags- fraktion ein allgemeinpolitisches Mandat für die Studie- rendenschaften weiterhin nachdrücklich ab. Der Gesetz- entwurf der PDS wird im Plenum und im Bildungs- und Forschungsausschuss auf unsere Ablehnung stoßen. An- gesichts der Identität zwischen dem Gesetzesantrag der PDS zur Absicherung der verfassten Studierendenschaf- ten im Hochschulrahmengesetz und derselben Ankündi- gung im rot-grünen Koalitionsvertrag sollten SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Schamesröte nicht mehr aus dem Gesicht weichen. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bündnis 90/ DIE Grünen haben sich im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die verfassten Studierendenschaften bundesweit festzuschreiben. Dies war kein Lippenbe- kenntnis, sondern steht weiterhin auf der Agenda. Im Dia- log mit den Studierendenvertretern und -vertreterinnen und in enger Abstimmung mit der Bundestagsfraktion der SPD erarbeiten wir eine entsprechende Novellierung des § 41 HRG, die wir nach der Sommerpause in den parla- mentarischen Prozess einbringen wollen. Insofern unter- stützen wir das Anliegen der PDS, da es auch unseres ist, die verfassten Studierendenschaften zu verankern. Wir setzen uns über die rechtliche Festschreibung der verfassten Studierendenschaften hinaus auch für gute Ar- beitsbedingungen der Studierenden ein, weil wir der Mei- nung sind, dass die verfassten Studierendenschaften ganz wesentlich dazu beitragen, die demokratische Kultur an den Hochschulen zu verbessern – nur dort, wo die Mit- glieder einer Institution auch die Möglichkeit haben, ak- tiv mitzugestalten und ihre Interessen einzubringen, ent- stehen auch Anreize, sich mit der Institution zu identifizieren –, dass verfasste Studierendenschaften die Grundlage für eine demokratische Gestaltung an den Hochschulen bieten und dass dann, wenn das Recht der Studierendenschaften zur kritischen Reflexion über gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die wiederum ei- nen maßgeblichen Einfluss auf ihre Situation als Studie- rende haben, fundamental eingeschränkt wird, eine aktive Vertretung keinen Sinn mehr macht. Positiv beurteilen wir die Regelung zu den verfassten Studierendenschaften im neuen Hamburger Hochschulge- setz. Hier hat die grüne Wissenschaftssenatorin Krista Sager Maßstäbe gesetzt: zum einen mit dem moderierten Verfahren, mit dem das Hamburger Hochschulgesetz in Kooperation mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen erarbeitet wurde und zum anderen auch mit der Einbeziehung der Studierenden. In Bezug auf die verfassten Studierendenschaften garantiert das Gesetz die Bildung von Fachschaften durch die Studierenden in den Selbstverwaltungseinheiten. Die Fachschaften können wiederum eigene Organe wählen. Ebenfalls wurde das politische Mandat der Studieren- den erweitert. Die Studierendenschaft nimmt demnach die Belange der Studierenden wahr und kann sich in die- sem Rahmen mit allen Fragen befassen, die die Grund- rechte, die gesellschaftliche Aufgabenstellung der Hoch- schulen und das Hochschulwesen berühren und die erkennbar an hochschulpolitische Themen anknüpfen. Im verfassungsrechtlichen Rahmen kann sie sich in der poli- tischen Bildung der Studierenden engagieren und für die Grund- und Menschenrechte eintreten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116804 (C) (D) (A) (B) Da wir eine eigene, umfassende Gesetzesinitiative er- greifen werden, lehnen wir den Antrag der PDS ab. Ulrike Flach (F.D.P.): Über diesen PDS-Antrag kann man wirklich nur staunen. – Sie versuchen, die alten Schlachten der westdeutschen Hochschulgeschichte noch einmal zu schlagen –, vor allem wenn man sieht, dass die Personen, die den Antrag eingereicht haben, nicht im Westen studiert haben, sondern in einem Hochschulsys- tem, in dem es eine verfasste Studentenschaft überhaupt nicht gab – von der Möglichkeit, zu allgemeinpolitischen Themen Stellung zu nehmen, ganz zu schweigen. Ich habe in den 70er-Jahren studiert und sage Ihnen: Die Diskussion um das allgemeinpolitische Mandat ist ein so alter Hut, der wird auch dadurch nicht neuer, dass ihn sich jemand anders aufsetzt. Die verfasste Studentenschaft ist die Vertretung der Studierenden in ihrer Eigenschaft als Studierende. Es ist nicht Aufgabe der ASten, zu allen politischen Themen Stellung zu nehmen. Das ist geltende Rechtslage und das soll so bleiben. Im Übrigen ist das hochschulpolitische Mandat recht weit gefasst: Man kann darunter schon einiges fassen, wenn man es phantasievoll anstellt. Und dass es in den po- litischen Hochschulgruppen einige Leute gibt, die sich gern mit Unterlassungsklagen überziehen, werden Sie da- mit auch nicht abstellen. Gehen Sie mal an eine Hoch- schule und fragen nach: Die allermeisten Studierenden haben für den Streit um das allgemeinpolitische Mandat nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Wenn Sie sich die AStA- und StuPa-Wahlen der letzten Jahre einmal ansehen, dann stellen Sie einen Trend fest: Erfolgreich sind Gruppen, die Service für die Studie- renden anbieten. Die Zeit der Ideologien ist vorbei; heute geht es darum; die Studienbedingungen konkret zu ver- bessern. Der Antrag enthält noch zwei Forderungen, zu denen ich kurz Stellung nehmen möchte. Sie wollen, dass die verfasste Studierendenschaft in § 41 HRG festgeschrie- ben wird. In einer Zeit, wo wir mehr Unterschiedlichkeit, Autonomie und Eigenständigkeit an den Hochschulen brauchen, wollen Sie den Bundesländern Regelungen auf- zwingen. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Studie- renden in Bayern und Baden-Württemberg darunter lei- den, dass es dort seit 1974 bzw. 1977 keine verfasste Studentenschaft gibt. Alles alte Kamellen, die Sie hier bringen! Sie wollen den Hochschulen im § 2 Abs. 1 HRG eine Forschungsfolgenabschätzung verordnen, die Sie Re- flexionspflicht nennen. Gehen Sie doch mal an eine Uni- versitätsklinik und sprechen mit dem Ethikrat, dann wer- den Sie sehen, dass diese Reflexion bereits vielfach Praxis ist. Natürlich sind Ihre Beispiele in der Begründung ver- räterisch. Sie nennen angebliche „Risikotechnologien“ wie Atom- und Gentechnologie, bei denen die Reflexion besonders notwendig wäre. Das sind die Technologien, die Ihre Fraktion ablehnt. Wir brauchen eine Entrümpelung des HRG von büro- kratischen Vorschriften. Die Hochschulen sollen sich selbst verwalten und selbst organisieren. Dazu kann auch eine Verpflichtung zur Folgenabschätzung der eigenen Forschungsergebnisse gehören, aber dann in einer von den Hochschulen selbst erlassenen Satzung und nicht per staatlicher Verordnung. Ihr Antrag soll einigen Alt-68ern Balsam auf die wun- de Seele schmieren. Mit der Wirklichkeit der heutigen Hochschulen und der Lebenswelt der allermeisten Studie- renden hat das wenig zu tun. Lassen Sie uns über diesen Antrag schnell abstimmen und uns wieder an die Arbeit machen für leistungsfähige und moderne Hochschulen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Hinterbliebenrechts – des Antrags: Unzumutbare Belastungen in der Hin- terbliebensicherung zurücknehmen (Tagesordnungspunkt 24 und Zusatztagesordnungs- punkt 11) Erika Lotz (SPD): Die Frage, wie viel Rente Witwen bekommen, hat in den letzten Monaten für viel Aufregung gesorgt. Dabei ist eigentlich schon seit Jahren klar, dass die Hinterbliebenenversorgung reformiert werden muss. Wie junge Familien heute leben, das unterscheidet sich erheblich davon, wie ihre Eltern gelebt haben. Den übli- chen Alltag der 50er-Jahre – heiraten, Kinder bekommen, Vater arbeitet und Mutter erzieht die Kinder – gibt es heute nur noch in seltenen Fällen. Damals haben die Trümmerfrauen ihre Arbeitsplätze für die Männer ge- räumt, die aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt sind. Heute erobern sie mit jedem Jahr ein weiteres Stück der Arbeitswelt. Seit der Nachkriegszeit hat sich noch viel mehr verän- dert: Die Zahl der Scheidungen und der Alleinerziehen- den steigt an. Es wird immer selbstverständlicher, dass Frauen schon kurz nach der Geburt wieder erwerbstätig werden – entweder weil sie den Anschluss nicht verpas- sen wollen oder weil es für die Familie existenziell not- wendig ist, dass beide Partner Geld verdienen. Ebenso steigt aber auch die Zahl der Frauen, die überhaupt keine Kindern haben. Beruf und Familie miteinander zu verein- baren ist auch heute noch sehr schwierig und bleibt meis- tens an den Frauen hängen. Viele Frauen entscheiden, keine Kinder haben zu wollen. Kurz und gut: Die Le- bensentwürfe sind vielfältiger und bunter geworden, und das nicht erst seit gestern. Das alles wirkt sich im Alter aus. Unsere Hinterbliebe- nenversorgung, wie wir sie heute haben, passt darauf nicht mehr. Deshalb haben wir sie schon mit der Rentenstruk- turreform den neuen Lebensentwürfen angepasst. Jetzt Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16805 (C) (D) (A) (B) – nach den Verhandlungen und Beschlüssen im Vermitt- lungsausschuss – nehmen wir noch einmal ein paar Än- derungen vor. Damit holen wir ein Versäumnis unserer Vorgängerre- gierung nach. Warum Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sich so gegen diese Reform gesträubt ha- ben, das war und ist für mich unverständlich. Dass die jet- zige Hinterbliebensicherung für die jungen Frauen, die in 25 Jahren in Rente gehen, nicht mehr zeitgemäß ist, das ist schon lange bekannt. In 16 Jahren Kohl-Regierung ist trotzdem nichts passiert. Es ist nichts passiert, weil die Union will, dass Familien nach ihrem Leitbild leben: Va- ter bei der Arbeit und Mutter zu Hause bei den Kindern. Aber so leben Familien schon lange nicht mehr, und sie haben so auch nicht gelebt, als Sie ihnen das noch schmackhaft machen konnten. Was wir jetzt tun, ist schon lange überfällig: Wir voll- ziehen mit der Reform der Hinterbliebenenrente Ände- rungen in der Gesellschaft nach. Wir tun das ganz frei- willig. Bis zum Regierungswechsel mussten Frauen sich die Verbesserungen des Systems, die ihnen zugute kamen, regelmäßig vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten. Ich erinnere da nur an die Anerkennung von Erziehungs- zeiten oder die gleichzeitige Anerkennung von Erziehung und Erwerbstätigkeit. Beides wurde erst nach Urteilen des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Beides waren damals schon alte Forderungen der SPD. Mit dieser Ren- tenreform setzen wir jetzt noch weitere Verbesserungen für Frauen um. Wir haben die Hinterbliebenensicherung zielgenau re- formiert: für Frauen und Männer, die unter 40 sind, und für die Ehen, die in Zukunft geschlossen werden. Wir verändern nichts an den Renten, die jetzt schon ge- zahlt werden. Auch die Renten der Frauen, die erst in den nächsten Jahren Witwen werden, werden weiterhin nach jetzt geltendem Recht gezahlt. Erst die Frauen, die in 25 Jahren in Rente gehen, werden die Veränderungen er- leben, die wir mit dem Altersvermögensgesetz beschlos- sen haben und heute auf den Weg bringen. Ich sage das alles deshalb so deutlich, weil es genau an diesem Punkt die größten Unsicherheiten und Ängste gibt. Angst haben dabei vor allem diejenigen, die gar keine Änderung zu erwarten haben: 80-jährige Männer zum Beispiel, die fürchten, dass ihre Frauen nach ihrem Tod von der Witwenrente nicht mehr leben können. Sie fürchten sich, weil Sie, meine Damen und Herren von der Union, versuchen, mit den Ängsten älterer Leute Stim- mung zu machen. Sie versuchen, ihnen einzureden, sie müssten um ihre wohlverdiente Rente fürchten. Sie schüren diese Ängste, obwohl Sie genau wissen, dass sie völlig unbegründet sind. Das ist nicht einfach nur der unsportliche Versuch, uns schlecht aussehen zu lassen. Darüber könnten wir milde lächeln und weiter tun, was richtig ist. Was mich wirklich zornig macht, das ist die gemeine und unredliche Art, sich der Angst von jemand anderem zu bedienen. Das werden wir nicht vergessen, und daran werden sich im nächsten Jahr ganz sicher auch die Rentnerinnen und Rentner in diesem Land erinnern. Deshalb ist es auch besonders wichtig, gerade an die- sem Punkt – bei der Hinterbliebenensicherung – die Än- derungen genau zu erklären. Das tue ich jetzt. Vorher muss ich aber wie jedes Mal betonen: Die beste Alterssi- cherung ist es, erwerbstätig zu sein und Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen. Das wissen die Frauen auch und verhalten sich entsprechend. Sie bleiben er- werbstätig, auch wenn sie Kinder bekommen, verheiratet oder nicht. Sie verlassen sich heute nicht mehr darauf, dass ein Ehemann sie versorgt, weder aktuell noch fürs Alter. Frauen wollen heute arbeiten – um unabhängig zu sein, weil sie das Geld brauchen, weil es Spaß macht. Uns geht es darum, dass im Alter die Leistungen dieser Frauen und Männer anerkannt werden: die Leistungen derjenigen, die Kinder erzogen haben und damit dazu bei- getragen haben, dass diese Gesellschaft und unser Ren- tensystem Bestand haben. In Zukunft werden Rentenanwartschaften von Frauen, die in den ersten zehn Lebensjahren ihres Kindes nur we- nig verdienen, um die Hälfte erhöht. Davon profitieren alle Mütter, vor allem auch die Alleinerziehenden, die ge- zwungen sind, erwerbstätig zu bleiben, und oft schlecht bezahlte Jobs annehmen müssen. Diejenigen, die nicht erwerbstätig sein können – weil sie mehr als ein Kind oder ein pflegebedürftiges Kind ha- ben –, werden ebenfalls gefördert: mit einem Drittel Ent- geltpunkt während der zehn Jahre Kinderberücksichti- gungszeit. Das erhöht die Renten von Frauen, die Kinder erzogen haben – unabhängig davon, ob sie verheiratet wa- ren oder nicht. Darauf legen wir Wert. Auch bei der Hinterbliebenenrente selbst bekommt die Kindererziehung ein stärkeres Gewicht. In Zukunft wird es immer weniger Frauen geben, die im Alter ausschließ- lich darauf angewiesen sind, und es wird fast keine Frauen mehr geben, die nur von Witwenrente leben, obwohl sie keine Kinder haben. Die maßvolle Absenkung der Hinterbliebenenrente in 25 Jahren ist also geboten. Bei Müttern wird diese Ab- senkung vom ersten erzogenen Kind an durch die Kin- derkomponente ausgeglichen. Sie bekommen für das erste Kind zusätzlich zur Hinterbliebenenrente zwei Ent- geltpunkte. Bei einer durchschnittlichen Rente macht das in Mark und Pfennig im alten und neuen System dasselbe – rund 1 200 Mark im Monat bei aktueller Berechnung. Diejenigen, die eine unterdurchschnittliche Rente be- kommen, stehen sich nach der Rentenreform besser. Auch die Situation der Mütter, die mehrere Kinder erzogen ha- ben, verbessert sich. Für jedes weitere Kind gibt es einen weiteren Entgeltpunkt und damit nach heutigem Stand rund 50 DM pro Monat. Das alles gilt für Ehen, die heute noch nicht geschlossen sind oder bei denen beide Partner unter 40 sind; ich wiederhole das ganz bewusst. Wie wir alle wissen, ist Altersarmut vorwiegend weib- lich. Ich weise deshalb auch noch darauf hin, dass es in Zukunft für alle diejenigen, die sich keine existenzsi- chernde Rente erarbeiten konnten, die bedarfsorientierte Grundsicherung geben wird, und die wird es nicht erst in 25 Jahren geben, sondern sobald die Rentenreform in Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116806 (C) (D) (A) (B) Kraft getreten ist, also zu Beginn des nächsten Jahres. Da- mit helfen wir vor allem den derzeitigen Rentnerinnen. Da das Altersvermögensgesetz bereits verabschiedet ist, geht es heute um ein weiteres, ergänzendes Gesetz, das Gesetz zur Verbesserung des Hinterbliebenenrechts. Dazu gehören zwei der Verbesserungen, die ich schon erwähnt habe: ein weiterer Entgeltpunkt für das erste erzogene Kind, und der Grundfreibetrag bei der Einkommensan- rechnung wird auf Dauer dynamisch bleiben. Diese Regelungen werden auch in der Alterssicherung der Landwirte und in der gesetzlichen Unfallversicherung nachvollzogen. Darüber hinaus wird die Zuständigkeit der Bundesknappschaft auf alle Versicherten mit mindes- tens einem Monat Beitragszeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung ausgedehnt. Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Frauen erhalten in Deutschland eine wesentlich geringere Rente als Män- ner. Die durchschnittliche Rente der Männer liegt bei fast 2 000 DM, die der Frauen bei nur 950 DM. Deshalb wären Verbesserungen für die Frauen bei der Rente dringend er- forderlich. Herr Riester brüstet sich damit, dass die Frauen in der Rentenversicherung mit Ihrer Reform jetzt besser gestellt werden. Das ist aber nicht wahr. Genau das Gegenteil ist der Fall. Frauen sind eindeutig die großen Verliererinnen Ihrer Rentenreform. Wir haben daher unseren Antrag in den Bundestag eingebracht und fordern die Bundesregie- rung auf, unzumutbare Belastungen in der Hinterbliebe- nensicherung zurückzunehmen. Mit Ihrem Nachbesserungsgesetz, über das wir heute beraten, nehmen Sie lediglich einen Teil der drastischen Benachteiligungen von Frauen zurück; und das sind Be- nachteiligungen, die Sie selbst eingeführt haben. Deshalb ist auch der Titel Ihres Gesetzes „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Hinterbliebenenrechts“ ein Witz. Auch ist Ihr Nachbesserungsgesetz typisch für die Entste- hungsgeschichte Ihrer Rentenreform, die von Durchei- nander und Chaos geprägt war. Bevor das Gesetz in Kraft tritt, müssen wir bereits über die ersten Änderungen Ihrer Rentenreform beschließen. Wir haben gegen die von Ihnen beschlossenen massi- ven Einschnitte in der Hinterbliebenensicherung gekämpft. Wir haben immer wieder gefordert, dass die Witwenrente erhalten bleiben muss. Dass Sie jetzt dieses Nachbesserungsgesetz vorlegen, ist unser Verdienst. Nur weil wir im Vermittlungsausschuss hart geblieben sind, haben Sie sich in letzter Sekunde doch noch bewegt. Al- lerdings geben Sie den Frauen damit nur zurück, was Sie ihnen vorher genommen haben. Die SPD ist mit dem Versprechen angetreten, die ei- genständige Alterssicherung für Frauen zu verbessern. Aber die rot-grüne Rentenreform bewirkt genau das Ge- genteil: Sie bringt massive Verschlechterungen für die Frauen. Die willkürliche Kürzung des staatlich garantierten Rentenniveaus auf 64 Prozent trifft Frauen doppelt. Ei- nerseits wird ihre eigene Rente gesenkt, andererseits zu- sätzlich auch die Witwenrente. Da Frauen durchschnitt- lich erheblich weniger Beitragsjahre aufweisen als Män- ner, wird das tatsächliche Rentenniveau vieler Frauen da- her im Jahr 2030 unter 50 Prozent sinken. Hinzu kommt, dass jetzt auch Vermögenswerte wie Miete oder Kapitaleinkünfte und nicht nur wie bisher Er- werbseinkommen und Sozialleistungen auf die Hin- terbliebenenrenten angerechnet werden. Dadurch werden die Menschen diskriminiert, die sich neben ihrer Rente noch selber etwas angespart haben, um sich den Lebens- standard im Alter etwas aufzubessern. Darüber hinaus kürzen Sie die Witwenrente von 60 auf 55 Prozent. Trotz der geplanten Kinderzuschläge werden Witwen schon bald deutlich weniger Witwenrente erhal- ten. Ihre Rentenpolitik ist eine Rentenpolitik mit der Pla- nierraupe – ohne Rücksicht auf Verluste. Im Gegenteil, Verluste sind sogar eingeplant. Auch die Ausgestaltung der zusätzlichen privaten Al- terssicherung richtet sich gegen die Frauen. Gleiche Ta- rife für Männer und Frauen – Unisex – bei der geförder- ten zusätzlichen Alterssicherung sind nicht vorgesehen. Frauen bekommen bei gleicher Sparleistung um bis zu 15 Prozent geringere Erträge. Auch das ist nicht akzepta- bel. Rentnerinnen in den neuen Bundesländern, die arbeits- los geworden sind, sind durch eine weitere Maßnahme hart getroffen, und zwar durch die von Ihnen durchge- setzte Herabsetzung der Beitragszahlungen für die Bezie- her von Arbeitslosenhilfe. Das entspricht einer Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge und infolge der Renten um mehr .als die Hälfte. Die Union hat dagegen während ihrer Regierungszeit eine ausgewogene und sozial gerechte Rentenpolitik be- trieben, die Frauen und Familien mit Kindern bei der Rente besser gestellt hat. 1986 haben wir die Kinderer- ziehungszeiten eingeführt. 1992 haben wir dann die An- rechnung der Kindererziehungszeiten auf drei Jahre für Geburten nach 1991 verlängert und erstmals Rentenan- sprüche für häusliche Pflegezeiten anerkannt. Mit dem Rentenreformgesetz 1999 haben wir eine höhere Bewer- tung der Kindererziehungszeiten und die additive An- rechnung von Kindererziehungszeiten erreicht. Wir haben also etwas für Frauen und Familien mit Kindern getan. Sie machen das jetzt wieder kaputt. Die Union hatte während ihrer Regierungszeit von ei- ner Änderung der Witwenrente Abstand genommen, so- lange keine verlässlichen Daten vorlagen. Seit Vorliegen der von Norbert Blüm in Auftrag gegebenen AVID-Studie ist die Union der Auffassung, dass auf absehbare Zeit auf die Witwenrente als wichtiges Element der Altersversor- gung von Frauen nicht verzichtet werden kann. Denn nach diesen Expertenberechnungen werden Frauen auch in 30 Jahren im Durchschnitt nur halb so viel eigene Rente haben wie Männer. Ein weiterer Punkt: Sie tricksen bei der Hinterbliebe- nensicherung herum, wie es Ihnen gerade gefällt. Ein Beispiel: Bei den Gesprächen im Vermittlungsausschuss zum Altersvermögensgesetz haben Sie uns immer vorge- worfen, wir würden unbezahlbare Forderungen bei der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16807 (C) (D) (A) (B) Hinterbliebenensicherung stellen. Sie präsentierten uns verschiedene Berechnungen mit astronomischen Zahlen. Nach Ihren Berechnungen im Vermittlungsausschuss sollte etwa ein Kinderzuschuss von einem Entgeltpunkt pro Kind 1,4 Milliarden DM kosten. Jetzt haben Sie in diesem Gesetz selber den Kinderzuschuss um einen Ent- geltpunkt erhöht. Und plötzlich kostet ein Entgeltpunkt nur noch 800 Millionen DM, also eine halbe Milliarde weniger. Wenn wir etwas fordern, rechnen Sie es teuer, wenn Sie es selber machen, kostet es plötzlich nur noch die Hälfte. Das ist unredlich. Ein weiteres Beispiel: Sie dynamisieren den Freibetrag bei der Einkommensanrechnung bei Witwen- und Wit- werrenten wieder. Das ist zu begrüßen. Aber eigentlich müsste der Beitragssatz durch diese Maßnahme steigen, nach Ihren Berechnungen um 2,5 Milliarden DM im Jahr 2030. Bei Ihnen sinkt der Beitragssatz aber von 22,0 auf 21,8 Prozent, und zwar nur deshalb, weil Sie wieder trick- sen. Sie erhöhen einfach die Zuwanderungsquote von 150 000 auf 200 000. Das ist keine seriöse Rentenpolitik. Das ist mit uns nicht zu machen. Auch ist das von Ihnen vorgesehene Rentensplitting ein unzumutbares Rentenroulette. Die Wahlmöglichkeit zwischen Splitting der Anwartschaften und der bisherigen abgeleiteten Hinterbliebenenrente ist unzumutbar. Die Höhe der Rente ist davon abhängig, ob das Rentensplit- ting oder die traditionelle Hinterbliebenenrente gewählt wird. Die Wahl führt zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nachdem, welcher Ehegatte zuerst stirbt. Die Ehegatten können also die für sie günstigere Wahl nur treffen, wenn Sie wissen, wer von ihnen überleben wird. Eine solche Entscheidung darf den Eheleuten aber nicht zugemutet werden. Die Union schlägt dagegen ein Konzept vor, das zur besseren sozialen Absicherung von Familien und zum Ausbau der eigenständigen Alterssicherung der Frau führt. Frauen müssen insbesondere durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf günstigere Chancen zum Erwerb eigenständiger Anwartschaften haben. Familienarbeit muss deshalb in der Rentenversiche- rung stärker honoriert werden. Deshalb sollen Zeiten der Kindererziehung besser als bisher in der Alterssicherung berücksichtigt werden. Auch soll die Witwen-/Witwer- rente den Charakter einer eigenständigen Sicherung er- halten. Folglich soll neben der selbst erworbenen Rente ein angemessener Teil der Rentenanwartschaften aus der Hinterbliebenenrente in eine neue Ehe mitgenommen werden können. Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie die unsozialen Ren- tenkürzungen in der Hinterbliebenensicherung zurück. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Katrin Göring-Eckhardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wenn ich die Verhandlungen um die Rentenreform noch einmal in Erinnerung rufe, dann fällt auf, dass Sie, verehrte Damen und Herren von der Opposition, an Kon- zepten nur unrealistische Blütenträume vorgelegt oder sich in trotziger und unentschlossener Manier der Moder- nisierung der Rentenversicherung bis zum Schluss ver- weigert haben. Was haben wir gemacht? Wir haben eine Rentenreform beschlossen, die die Generationengerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Gerecht heißt für uns: Die Beitrags- sätze bleiben langfristig stabil. Das schafft eine verlässli- che Grundlage für die heute jungen und die zukünftigen Generationen. Die Beitragssatzstabilität ist und bleibt ein vorrangiges Ziel dieser Regierung. Und das ganz im Gegensatz zu Po- litik der Opposition, die die Beitragssätze jahrelang in horrende Höhen getrieben hat, ohne dass die Menschen dafür eine adäquate Gegenleistung bekommen hätten. Wir wollen mit den niedrigen Beiträgen erreichen, dass junge und ältere Menschen bessere Chancen auf dem Arbeits- markt haben. Wir wollen der jungen Generation eine eigenständige Altersvorsorge an die Hand geben. Mit einer staatlichen Förderung, die sich für sie lohnt, selbst vorzusorgen. Mit der Förderung werden gerade Familien bevorzugt. Wir haben innerhalb der Rentenreform wegweisende Schritte unternommen, Kindererziehung als eigenständige Leis- tung, ähnlich der einer „normalen Arbeit“, anzuerkennen. Denn nach der Rentenreform erhalten Eltern, welche in den ersten zehn Lebensjahren eines Kindes lediglich un- terdurchschnittliche Beiträge zur Rentenversicherung zahlen konnten, zudem eine Höherbewertung ihrer einge- zahlten Beiträge. Ihre Beiträge werden um 50 Prozent auf- gewertet. Konnten sie wegen der Erziehung von zwei und mehr Kindern keine Beiträge zur Rentenversicherung leisten, erhalten sie eine pauschale Gutschrift. Für Eltern von pflegebedürftigen Kindern gilt dies sogar bis zum 18. Lebensjahr des Kindes. Das Argument, die Rentenre- form benachteilige die Frauen, ist also schlicht falsch. Dieses Argument ist auch aus dem Grund falsch, weil wir durch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss die Versorgung von Hinterbliebenen deutlich verbessert haben. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf zur Um- setzung des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses wird die Kinderkomponente für das erste Kind von einem Entgeltpunkt auf zwei Entgeltpunkte erhöht. Außerdem wird der Grundfreibetrag für andere Einkünfte bei der Einkommensanrechnung auf Hinterbliebenenrenten wei- terhin dynamisiert. Das bedeutet, wir lassen diesen Grund- freibetrag auch weiterhin steigen. Wir haben die Hinterbliebenenrenten modern und zu- kunftsfähig gemacht. Der Versorgungssatz wird lediglich für die kinderlosen Hinterbliebenen verringert. Dies ist annehmbar, denn angesichts der zunehmenden Berufs- tätigkeit von Frauen werden diese Frauen eigene Renten- ansprüche aufgebaut haben und sind nicht, wie viele heu- tige Witwen, auf die Hinterbliebenrente des Mannes angewiesen. Für die heutigen Witwen ändert sich nichts, denn die neuen Regelungen gelten erst für die unter 40-Jährigen. Diese Frauen haben meist ihren Beruf auf- gegeben, um sich um die Erziehung ihrer Kinder zu küm- mern. Diese Erziehungsleistung erkennen wir an. Für die Zukunft wollen wir aber eine eigenständige Alterssiche- rung der Frauen – auch damit sie im Falle einer Scheidung besser abgesichert sind. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116808 (C) (D) (A) (B) Wir wollen bei der Rentenreform keine sozialen Här- ten. Für die meisten ist das Häuschen die Altersvorsorge schlechthin. Deshalb bin ich erfreut, dass uns die Einbe- ziehung des Wohneigentums als nahezu gleichrangige Form der privaten Alterssicherung gelungen ist. Familien müssen die Chance haben, beides zu tun: für das Alter vorzusorgen und die eigenen vier Wände zu finanzieren. Verehrte Damen und Herren der Union, das müssen Sie den Menschen erst einmal erklären: Warum sie nicht wol- len, dass sich die Menschen eine eigenständige, zweite Altersvorsorge aufbauen können, mit der sie auch ihr Häuschen zwischenfinanzieren können. Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Die F.D.P. be- grüßt, dass jetzt doch noch Veränderungen am bereits ver- abschiedeten Rentenreformgesetz gemacht werden. Da- durch wird die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass diese Reform insgesamt zu kurz gegriffen hat. Aber we- nigstens wird die Verunsicherung der Frauen abgebaut, die sich besorgt gefragt haben, wie ihre Hinterbliebenen- versorgung aussieht. Die gute Botschaft des heutigen Ta- ges lautet: Auch für die jüngeren Frauen ist sichergestellt, dass sie mit ihrer Gesamtversorgung im Alter an der all- gemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen. Festhalten darf ich allerdings, dass der Titel des Regie- rungsentwurfs – höflich formuliert – eine staunenswerte Frechheit ist. In Wirklichkeit geht es nicht um eine Ver- besserung, sondern um die Rücknahme der im kürzlich verabschiedeten Altersvermögensergänzungsgesetz von der rot-grünen Mehrheit beschlossenen Verschlechterung der Hinterbliebenenversorgung. Dass wir hier darüber de- battieren, dürfte ein wesentlicher Erfolg des Vermitt- lungsverfahrens sein. Wir begrüßen, dass bei der Rentenberechnung die bis- her auf einen Entgeltpunkt je Kind festgesetzte Kinder- komponente für das erste Kind auf zwei Entgeltpunkte erhöht wird. Wir begrüßen gleichermaßen, dass der Grundfreibetrag bei der Einkommensanrechnung auf Witwen- und Witwerrenten, der durch das Altersvermö- gensergänzungsgesetz eingefroren wurde, auf Dauer dy- namisiert bleibt. Wir bezweifeln die Sinnhaftigkeit der geforderten Ausdehnung der Zuständigkeit der Bundes- knappschaft im Leistungsfall auf alle Versicherten mit mindestens einem Monat Beitragszeit in der knapp- schaftlichen Rentenversicherung. Es ist sicher richtig, zu sagen, dass hier eine Behörde, die offensichtlich nach neuen Aufgabengebieten sucht, bedacht und der Minis- terpräsident eines großen Bundeslandes besänftigt wer- den soll. Einen wichtigen Punkt monieren wir nach wie vor: Leider fehlt in dem Entwurf der Bundesregierung die For- derung, dass die Anrechnung von Vermögenseinkünften in der Hinterbliebenensicherung auf Dauer unterbleibt. Eine vollständige Anrechnung aller Einkommensarten hat die F.D.P. abgelehnt, da dies mit dem Anreiz zur pri- vaten Eigenvorsorge nicht vereinbar ist. Wenn Vermö- genseinkommen wie Miete und Kapitaleinkünfte und nicht nur wie bisher Erwerbseinkommen auf die Hin- terbliebenenrenten angerechnet werden, werden die Men- schen diskriminiert, die sich neben ihrer Rente noch sel- ber etwas angespart haben, um sich den Lebensstandard im Alter aufzubessern! Nicht angerechnet wird Einkom- men, wenn bei In-Kraft-Treten der Reform in einer Ehe einer der Partner das 40. Lebensjahr erreicht hat. Wir wer- den dies in den Ausschussberatungen nochmals themati- sieren. Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wir alle kennen diesen schönen Spruch. Er lässt sich auch auf die Rentenreform anwenden. Nach der Rentenreform ist vor der Rentenreform. Dagegen wäre ja auch wenig zu sagen, wenn nicht gerade die Regierung immer von einem Jahrhundertwerk gesprochen hätte, das nun in einem Guss auf Jahrzehnte Bestand hat. Warum nicht ein bisschen bescheidener, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Regierungskoalition. Die Pro- bleme der Alterssicherung sind doch nicht in einem Wurf, schon gar nicht in einem Jahrhundertwurf zu lösen, son- dern verlangen Reformschritte, die als Prozess begriffen werden. Die Prognose, dass die heutige Debatte im Zu- sammenhang mit Nachbesserungen, die aufgrund des Er- gebnisses der Sitzungen des Vermittlungsausschusses notwendig sind, nur die erste von einer Reihe weiterer Debatten zur Veränderung der jetzt beschlossenen Re- form ist, kommt nicht nur von der PDS. Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und den Rentenversiche- rungsträgern gehen davon aus, dass Ihre Annahmen zu optimistisch sind, die Finanzierungsgrundlage nicht ab- gesichert ist und schon in kurzer Zeit die Diskussion er- neut begonnen werden muss. Heute geht es neben Regelungen zur knappschaftli- chen Rentenversicherung um Verbesserungen der Hin- terbliebenenrente. Kindererziehungszeiten sollen aufge- wertet werden, um die Absenkung der Witwenrente von 60 Prozent auf 55 Prozent zu kompensieren. Eine Besser- stellung sicher – aber kinderlose Witwen müssen weiter mit der Kürzung ihrer Hinterbliebenrente rechnen. Auch der Grundfreibetrag für die Einkommensanrech- nung soll dynamisiert werden – auch ein wichtiger Schritt zur Absicherung der Lebenssituationen von Hinterbliebe- nen. Die Regierung muss sich allerdings fragen lassen, warum solche wichtigen sozialen Weichenstellungen erst unter dem Druck der notwendigen Mehrheitsbeschaffung für das Jahrhundertwerk Rente zustande kommen. Es stellt sich auch die Frage, wie die offensichtlichen sozialen Besserstellungen der Witwen und Witwer nun plötzlich trotz stabiler Beiträge finanziert werden können. Aber zurück zur Hinterbliebenenrente und der dort zu- sätzlich vorgesehenen Aufwertung der Kindererziehung. Die PDS ist der Auffassung, wenn diese Debatte schon wieder neu aufgemacht wird, sollte gleichzeitig eine ge- rechte Lösung im Interesse der erziehenden erwerbstäti- gen Frauen angepackt werden. Die mit der Rentenreform beschlossene Ungleichbehandlung von Kindererziehung ist nicht verfassungskonform, wie bereits 1992 vom Bun- desverfassungsgericht festgestellt wurde. Schon hier wurde der Grundsatz, dass die Erziehung eines Kindes un- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16809 (C) (D) (A) (B) abhängig vom Einkommen der Erziehenden einheitlich zu bewerten ist, aufgestellt. Genau dies aber leistet die Rentenreform nicht. Die PDS hatte bereits während der Beratung der Ren- tenreform einen Antrag eingebracht, der die hier einkom- mensunabhängige lineare Aufwertung von Kindererzie- hungszeiten für erwerbstätige Mütter und Väter regelt. Wir werden in der weiteren Beratung einen Vorstoß in diese Richtung machen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Bauge- werbe (Tagesordnungspunkt 25) Dieter Grasedieck (SPD): 500000 Arbeitsplätze ge- hen durch die Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung verloren. 125 Milliarden DM Steuern fehlen dadurch den Kommunen, den Ländern und dem Bund. Schwarzarbeit vernichtet aber auch 110 Milliarden DM Sozialversiche- rungsbeiträge. 10 Prozent der Arbeitsplätze am Bau sind nachweislich illegale Arbeitsplätze. Legal handelnde Be- triebe werden vom Markt gedrängt. Sie haben keine Chance gegen Subunternehmen, die keine Steuern und keine Versicherungen zahlen. Sie können gegen einen Stundenlohn von 5 DM bis 8 DM nicht konkurrieren. Le- gale Arbeitsplätze fallen weg, weil die illegale Beschäfti- gung mehr und mehr professionell betrieben wird. Es ent- steht ein Geflecht von vielen unüberschaubaren Ketten von Subunternehmern. Viele Menschen aus dem Ausland suchen einen Arbeitsplatz auf dem deutschen Schwarz- markt, weil das Gefälle beim Arbeitslohn zu groß ist. 100 000 verhinderte illegale Beschäftigungen können zu mehr als 60 000 legalen Beschäftigungsverhältnissen füh- ren. Deshalb muss die illegale Beschäftigung mit allen Mitteln bekämpft werden. Wir müssen unsere Anstren- gungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erhöhen. Wie können wir das erreichen? An der Bundesgrenze darf die Ermittlung gegen Steu- erkriminalität nicht enden. Unsere Finanzämter an den Grenzen zu den Niederlanden, zu Belgien und Frankreich und zu den osteuropäischen Ländern müssen direkt mit den ausländischen Finanzämtern kooperieren können. Der heutige Umweg über die Bundeszentralen führt zu unnötigen Zeitverzögerungen. Wechselseitige Informa- tionen sind dringend erforderlich. Das neue Gesetz will die Lücke in der Bekämpfung der illegalen Arbeit schließen. Alle Organisationen begrüßen diesen Gesetzesvorschlag des Bundesrates. Das Hearing im Finanzausschuss zeigte das sehr deutlich. Der Arbeit- geber unterstützte den Gesetzentwurf genauso wie die Gewerkschaft. Das Gesetz berücksichtigt das EU-Recht. Vereinfachungen bei der Ausstellung der Freistellungsbe- scheinigung sind ebenso vorgesehen wie eine zügige Er- stattung des Abzugsbeitrages. Der Steuerabzug von 15 Prozent der Gesamtkosten wird an der Quelle beim Auftraggeber – Bauherr – vorgenommen. Inländische und ausländische Unternehmen müssen vor Beginn der Arbeit eine Anzeige beim Finanzamt abgeben. Nur so kann die Steuerhinterziehung effektiv bekämpft werden. Natürlich kann der Steuerabzug unterbleiben, falls der Unternehmer eine Freistellung vorlegt. Selbstverständlich kann der Leis- tungsempfänger die Kosten als Betriebsausgaben abzie- hen, wenn 15 Prozent der Gesamtkosten dem Finanzamt überwiesen wurden. Kritisch hinterfragt wurde bei dem Hearing: Welches Finanzamt überprüft den Auftrag? – Ich meine, es spricht vieles für eine zentrale Zuständigkeit durch das Finanz- amt am Unternehmenssitz. Nur durch diese gebündelten Informationen über die Aufträge der Firma können Steu- erkriminalität und Missbrauch bekämpft werden. Selten ist ein Gesetz so einheitlich positiv beurteilt worden. Unsere Unternehmen und unsere Bauarbeiter warten auf das Gesetz. Ehrliche Unternehmen dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Steuerkriminalität, Steuer- missbrauch und Steuerflucht dürfen keine Zukunft haben. Elke Wülfing (CDU/CSU): Anfang dieser Woche ha- ben Münchener Steuerfahnder einen millionenschweren Steuerbetrug im Baugewerbe aufgedeckt. Der Schaden durch Hinterziehung von Lohnsteuer und Sozialabgaben beträgt mindestens 34 Millionen DM. Es scheint so zu sein, dass ein unübersichtliches Netz von Scheinfirmen und Nachfolgefirmen gegründet worden ist, zwischen de- nen Verträge und illegale Arbeitskräfte hin und her ge- schoben wurden. Auf diese Weise wurden sowohl die Lohnsteuer, die Umsatzsteuer als auch Sozialabgaben in Deutschland hinterzogen. Leidtragende dieser Praktiken sind vor allem ausländische Arbeitnehmer, die oft zu Hun- gerlöhnen arbeiten müssen. Leidtragende sind aber auch die deutschen arbeitslosen Bauarbeiter, die durch die Be- schäftigung illegaler Arbeitnehmer keinen Arbeitsplatz finden können. Leidtragende sind vor allem aber die große Zahl deutscher Baufirmen, die gesetzestreu Steuern und Sozialversicherungsabgaben entrichten. Sie gehen in Konkurs, weil Steuern und Lohnnebenkosten in Deutsch- land zu hoch sind und weil sie deswegen im Wettbewerb mit der illegalen Konkurrenz im Preis hoffnungslos un- terlegen sind. Diese Art illegaler Betätigung im Baugewerbe gibt es in ganz Europa, aber leider sind alle Bemühungen um eine einheitliche EU-weite Regelung gescheitert. Die rot- grüne Bundesregierung ist mit ihrem 25-prozentigen Pflichtsteuerabzug für ausländische Werksvertragsunter- nehmen im Steuerentlastungsgesetz 1999 allerdings an dem von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsver- letzungsverfahren ebenfalls gescheitert. Inzwischen ha- ben die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Irland nationale Regelungen zur Eindämmung illegaler Betäti- gung auf dem Bausektor geschaffen. Sie schreiben zum Beispiel einen pauschalen Vorausabzug von einem Teil der Steuern und Sozialabgaben von der Rechnung vor. Trotz der immer rascher ansteigenden illegalen Betäti- gung im Bausektor hat die rot-grüne Bundesregierung zwei Jahre untätig zugesehen, wie die deutsche Bauwirt- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116810 (C) (D) (A) (B) schaft aufgrund der illegalen und unfairen Wettbewerbs- situation den Bach herunterging. Das CDU/F.D.P. regierte Hessen hat auf diese Situation reagiert und Ende letzten Jahres mit Unterstützung der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg im Bun- desrat einen EU-konformen Gesetzentwurf eingebracht, der einen 15-prozentigen Pflichtabzug für Steuern aus in- ländischen wie ausländischen Subunternehmerverträgen einführt. Die deutsche Bauindustrie, der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt haben sich vehement für diese ge- setzliche Regelung zum Schutz vor illegaler Konkurrenz ausgesprochen. In der öffentlichen Anhörung des Finan- zausschusses zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates ist gerade von den Vertretern des mittelständischen Bauge- werbes geäußert worden, dass die Konjunkturlage in der Bauwirtschaft stark angegriffen sei, die Tendenzen Null- wachstum zeigen und es noch weiter bergab gehe. Durch die Dumpingpreise, die illegale Firmen auf den deut- schen Markt einschleusen und ihn damit weiter belasten, sei zu befürchten, dass sich der Mittelstand selbst bei anziehender Konjunkturlage nicht erholen könne. Dar- um befürwortet die Baubranche diesen Gesetzentwurf sehr. Bei illegaler Betätigung sind drei Gruppen zu unter- scheiden: erstens Besteuerung des ausländischen Bauun- ternehmens einschließlich der Lohnsteuer der von ihm im Inland eingesetzten Arbeitnehmer, zweitens Besteuerung der im Inland eingesetzten Arbeitnehmer des ausländi- schen Bauunternehmens, und drittens Erfassung der grenz- überschreitenden Arbeitnehmerüberlassung. Aus denAnregungen der Experten bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses hat das Bundesfinanz- ministerium in Zusammenarbeit mit den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen Gesetzesänderungen erarbeitet, die sowohl den Begriff der Bauleistung, den Unternehmensbegriff, die Erlan- gung einer Freistellungsbescheinigung, die Haftung des Leistungsempfängers und den Betriebsausgabenabzug präziser regeln. Damit hat der Finanzausschuss Kri- tikpunkte des Deutschen Industrie- und Handelstages und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks aufge- griffen, die sich zum Beispiel darauf bezogen, dass jeder private Vermieter, der sein Haus renoviert, der Abzug- steuer unterliegt. Wir haben den Begriff des Unterneh- mers präzisiert und die Bagatellgrenze für private Ver- mieter auf 30 000 DM angehoben. Auch die Kritik an der Haftung des Leistungsempfängers haben wir aufgegriffen und formuliert, dass die Haftung nur bei grober Fahrläs- sigkeit eintritt. Des Weiteren war die Regelung zum Be- triebsausgabenabzug in der Anhörung kritisiert worden. Deswegen haben wir beschlossen, dass der Betriebsaus- gabenabzug nach Vorlage der Freistellungsbescheinigung bzw. nach Durchführung des Steuerabzugs für den deut- schen Auftraggeber in voller Höhe gesichert ist. Die Frage nach einer zusätzlichen Abzugsregelung der Sozialversicherungsbeiträge wird im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung im Baubereich auch immer wie- der gestellt. Der Finanzausschuss hat diesen Bereich nicht neu geregelt, da die Einbeziehung der Sozialversiche- rungsbeiträge in ein Steuergesetz sachfremd wäre. Ganz abgesehen davon gibt es ein solches Abzugsverfahren im Baubereich. Ein ausländischer Bauunternehmer muss 14,5 Prozent der Lohnsumme in die Urlaubs- und Aus- gleichskasse zahlen. Die Anwendung und vernünftige Durchführung dieses schon vorhandenen Abzugsverfah- rens ist, glaube ich, eher das Problem. Den in weiten Bereichen in krimineller Absicht began- genen Verstößen gegen die Abgabenordnung, das Ein- kommensteuergesetz sowie das Umsatzsteuergesetz wer- den wir hoffentlich mit diesem Gesetzentwurf besser begegnen können. Die ausgeklügelte Einschaltung von unseriös operierenden Subunternehmen oder Scheinfir- men, die zu Wettbewerbsverzerrung führt und die seriöse Anbieter vom Markt verdrängt, kostet nach Angaben des Bundesfinanzministeriums jährlich 500 000 deutsche Arbeitsplätze, 125 Milliarden DM Steuerausfälle und 110 Milliarden DM Sozialversicherungsbeiträge. Diese Zahlen machen deutlich, dass offensichtlich immer weiter verfeinerte Verschleierungs- und Umgehungsmethoden zum Schaden der gesetzestreuen Arbeitgeber und Arbeit- nehmer und zum Schaden des Gemeinwohls in kriminel- ler Absicht entwickelt wurden. Daher war dringender Handlungsbedarf gegeben. Ich bin deshalb den Bundesländern Hessen, Baden- Württemberg und Bayern für diese Bundesratsinitiative außerordentlich dankbar und bin auch froh darüber, dass sich die Bundesregierung wie auch die sie tragenden Koalitionsfraktionen dazu durchringen konnten, diesen Gesetzentwurf mit den Oppositionsfraktionen im Bun- destag gemeinsam zu beschließen. Möge die Übung ge- lingen. Trotzdem kann ich mir zum Schluss die Bemerkung nicht verkneifen: Das Grundübel in Deutschland ist die zu hohe Steuer- und Sozialabgabenbelastung. Sie verteuert die Produkte und Dienstleistungen und führt direkt in die Schwarzarbeit. Deshalb: Ceterum censeo: Runter mit den Steuern und den Lohnnebenkosten. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollen die illegale Betätigung im Baugewerbe zurückdrängen. Schwarzarbeit ist zu einem volkswirt- schaftlichen Problem geworden, dem in der Zukunft noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Die IG Bauen-Agrar-Umwelt hat uns auf der Anhörung einen Umfang der Schwarzarbeit von jährlich ca. 640 Milliar- den DM genannt. Sie geht davon aus, dass die illegale Bestätigung und Schwarzarbeit in den letzten 4 Jahren 170 000 Arbeitsplätze allein im Baugewerbe gekostet hat. Auch wenn diese Mittel zum Teil wieder in den normalen Wirtschaftskreislauf zurückfließen, sie fehlen den Sozial- versicherungen und dem Fiskus. Wir müssen hier Abhilfe schaffen, auch deshalb, weil man es dem, der ehrlich und pünktlich seine Steuern und Abgaben bezahlt, nicht zu- muten kann, mit schwarz arbeitenden Firmen um Auf- träge konkurrieren zu müssen. Grundsätzlich können wir Schwarzarbeit vor allem dadurch reduzieren, dass wir die Steuersätze und die Lohnnebenkosten senken. Eine nied- rige Belastung senkt den Anreiz zur Schwarzarbeit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16811 (C) (D) (A) (B) erheblich. Diesen Weg haben wir seit 1998 konsequent verfolgt. Innerhalb weniger Jahre haben wir bei der Einkommensteuer den Eingangssteuersatz um knapp 11 Prozentpunkte und den Spitzensteuersatz um genau 11 Punkte gesenkt. Gleichzeitig haben wir bei der Ren- tenversicherung den Beitragssatz von 20,3 Prozent auf 19,1 Prozent dieses Jahr gesenkt und er wird weiter sin- ken – dank Ökosteuer und Rentenreform. Wir haben einiges erreicht! Aber: Null-Mark-Belas- tung kann man nicht weiter unterbieten. Es wäre naiv zu glauben, dass man allein durch Steuer- und Abgaben- senkung der Schwarzarbeit den Hahn abdreht. Wir bauen deshalb auch die Kontrollmöglichkeiten aus. Die Zolläm- ter haben schon im letzten Jahr 700 zusätzliche Stellen be- kommen und in diesem Jahr werden noch einmal 700 Stellen eingerichtet. Zoll und Arbeitsämter organisieren sich effektiver und haben ihre Zusammenarbeit verbes- sert. Auch die Steuerfahndung hat ihre Ergebnisse ver- bessert. 1999 holten die Steuerfahnder 2,9 Milliarden DM zusätzliche Steuereinnahmen herein, das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Aber bei allen diesen Bemühungen ist es mir wichtig festzuhalten: wir können und wir wol- len nicht hinter jedes kleine Bauunternehmen einen Be- amten stellen, der es überwacht. Wir wollen aber den steuerehrlichen und abgabenehrlichen Firmen die Chance geben zu überleben, denn die starken Wettbe- werbsverzerrungen durch Schwarzarbeit führen zuneh- mend zur Verdrängung von seriösen Anbietern. Wir haben deshalb den Vorschlag des Bundesrates, eine 15-prozentige Abzugssteuer im Baugewerbe einzu- führen, genau geprüft. Besonders auch, weil wir ja 1999 schon einmal eine solche Abzugssteuer eingeführt hatten und wir diese aber wegen EU-rechtlicher Bedenken gleich wieder abschaffen mussten. Wir hatten vor allem drei Fragen: Ist eine solche Regelung wirksam? Ist sie EU-Recht konform? Ist die Neuregelung verwaltungssei- tig angemessen und umsetzbar? Die Experten in der Anhörung, auch die Bauwirtschaft selbst, haben uns be- stätigt, dass eine Abzugsbesteuerung ein erfolgverspre- chender Weg ist, Schwarzarbeit einzudämmen. Die Neu- regelung bedeutet zunächst einmal mehr Bürokratie für die Unternehmen und für die Finanzverwaltung – darüber muss man sich klar sein. Aber: Mittel- bis langfristig wird sich eine solche Regelung auszahlen. Gerade für die be- troffenen Unternehmen. Denn bisher bestand ja zum Bei- spiel immer das Risiko, dass das Finanzamt im nachhi- nein Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anerkannt und den Vorsteuerabzug verweigert hat, weil sich heraus- gestellt hat, dass der Auftragnehmer illegal tätig war. Darüber hinaus haben wir viele Anregungen der Sachver- ständigen zu Verwaltungsvereinfachung und zu EU-recht- lichen Bedenken in die Ausschussempfehlung aufgenom- men und insbesondere die kleinen Vermieter sind jetzt durch eine hohe Freigrenze von 15 000 Euro in diesem Bereich im wesentlichen nicht mehr betroffen. Wir kön- nen also heute die drei Kernfragen mit Ja beantworten. Der Gesetzentwurf ist wirksam, er entspricht dem EU- Recht und der entstehende Verwaltungsaufwand ist ange- messen und zu bewältigen. Ich stimme dem Gesetzent- wurf deshalb zu. Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.): Der Anlass zur Bera- tung dieses Gesetzes muss uns allen Grund zu Sorge ge- ben: Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates, der maß- geblich von den Bundesländern Baden-Württemberg und Hessen betrieben wurde, nimmt die illegale Beschäfti- gung in allen Bereichen zu. Nach den Berechnungen des Bundesministeriums der Finanzen gehen durch Schwarz- arbeit circa 500 000 Arbeitsplätze und jährlich etwa 125 Milliarden DM Steuereinnahmen und rund 110 Mil- liarden DM Sozialversicherungsbeiträge verloren. Des- halb hat die F.D.P. immer wieder darauf gedrängt, dass die Steuer- und Abgabenquote gesenkt wird. Nur wenn es uns gelingt, die Differenz zwischen Brutto und Netto für je- den einzelnen Arbeitnehmer zu verringern, werden wir Anreize für illegale Beschäftigung unterbinden können. An dieser Stelle versagt die rot-grüne Bundesregie- rung. Durch die Ökosteuer, durch eine auf fast 3 Prozent gestiegene Inflation, durch die Verschlechterungen der Abschreibungsbedingungen – um nur einige wenige Bei- spiele zu nennen – werden die Bürger, die Selbstständigen und die Unternehmer in unserem Land Jahr für Jahr stär- ker belastet. Die Entlastung durch die Steuerreform droht zu verpuffen. Es ist deshalb im Interesse des Mittelstan- des, der Selbstständigen und der Unternehmer erforder- lich, die weiteren Stufen der Steuerreform vorzuziehen, damit hier eine echte Entlastung für alle erfolgt. Dem Bür- ger muss endlich mehr von dem verbleiben, was er selbst erarbeitet hat. Die Differenz zwischen Brutto und Netto muss sinken. Wenn dieses geschieht, sinkt auch automa- tisch der Anreiz für Schwarzarbeit. Den heute hier zu debattierenden Gesetzentwurf hat deshalb die F.D.P. immer wieder als „second best“, also als die zweitbeste Lösung, bezeichnet. Die F.D.P. hofft, dass mit dieser Regelung die illegale Betätigung im Bau- gewerbe maßgeblich eingeschränkt werden kann. Auch auf Betreiben der F.D.P. hat es zu diesem Ge- setzentwurf eine öffentliche Anhörung gegeben. Durch nachfolgende Beratungen konnten maßgebliche Verbes- serungen am Gesetzentwurf erreicht werden. Für die F.D.P. stand von vornherein im Vordergrund, unnötige zusätzliche Bürokratie auf ein notwendiges Mi- nimum zu reduzieren. Deshalb begrüßen wir es, dass schon direkt nach Beschlussfassung dieses Gesetzes die Unternehmen die Möglichkeit erhalten, eine Freistel- lungsbescheinigung bei den zuständigen Behörden anzu- fordern. Zudem ging es der F.D.P. darum, dass die Auf- traggeber von Bauleistungen nicht einer zu starken unnötigen Bürokratie ausgesetzt sind. Deshalb begrüßen wir, dass die Haftung des Leistungsempfängers auf Fälle grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beschränkt wird. Die F.D.P. bedauert es natürlich, dass unser Antrag, die Bagatellgrenze für den Steuerabzug bei der umsatzsteuer- freien Vermietung von 15 000 Euro auf 25 000 anzuheben, bei Enthaltung der Union mit den Stimmen von Rot-Grün abgelehnt wurde. Gerade im Bereich der privaten Bau- herren ist eine Akzeptanz dieser Regelung dringend er- forderlich. Diese Akzeptanz kann gefährdet sein, wenn die Bagatellgrenze zu niedrig angesetzt ist. Die F.D.P. setzt sich ferner dafür ein, dass das Steuerabzugsverfah- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116812 (C) (D) (A) (B) ren nach entsprechender Erfahrung mit seiner Anwen- dung überprüft wird. Trotz dieser Bedenken stimmt die F.D.P. dem heutigen Gesetzentwurf zu und hofft, dass dieses Gesetz die Hand- habe dafür bietet, illegale Betätigung im Baugewerbe ein- zudämmen. Heidemarie Ehlert (PDS): Die Problematik, um die es im vorliegenden Gesetzentwurf geht, ist nicht neu, um nicht zu sagen, wir haben es doch schon immer gewusst. Zumindest haben wir schon im November 1999 im Zu- sammenhang mit der Diskussion um das Steuerbereini- gungsgesetz 1999 in einem Änderungsantrag darauf ver- wiesen, dass der Steuerabzug von Vergütungen an ausländische Werkunternehmer – § 50 a Abs. 7, § 52 Abs. 58 des Einkommensteuergesetzes – bis zu einer grund-sätzlichen Neuregelung zumindest für das Bauge- werbe als branchenspezifische Sonderregelung beibehal- ten werden sollte. Die bis dahin übliche Form der Rege- lung des Steuerabzugs hatte sich gerade in der Bauwirtschaft, wo das Problem der illegalen Tätigkeit am größten war, bewährt. Es gab nachweisbare erste Erfolge im Kampf gegen illegale Scheinfirmen, die durch die Auf- hebung der damals gültigen Regelung des Steuerabzugs von Vergütungen an ausländische Werkunternehmer im Zuge des Steuerbereinigungsgesetzes zunichte gemacht wurden. Unser Antrag wurde damals einhellig von den Koalitionsparteien wie auch von den anderen Oppositi- onsparteien abgelehnt. Aber so unrecht hatten wir wohl damals doch nicht – nur mussten jetzt die Länder die In- itiative ergreifen. Zunehmende Pleiten und steigende Ar- beitslosenzahlen haben die Situation im Baugewerbe zu- gespitzt. Betriebe, die nach Tarif zahlen, geraten mehr und mehr ins Abseits. Die illegale Betätigung im Baugewerbe gehört zu den drückendsten Problemen. Der Bundesrat ging deshalb mit einem Gesetzentwurf in die Offensive. Das ist zu begrüßen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist nun ein ernst- hafter Anfang gemacht, Lösungen, die auch mit den Vor- stellungen der EU konform gehen, anzubieten. Die PDS- Fraktion unterstützt die Gesetzesinitiative, auch wenn wir sie uns an manchen Stellen noch konkreter und fassbarer gewünscht hätten. Die ursprünglichen Überlegungen zur Änderung der Abgabenordnung – im Entwurf § 138 a – hätten an ausländische Bauunternehmer hohe Anforde- rungen gestellt, aber zumindest Voraussetzungen geschaf- fen, um illegale Betätigung besser erfassen zu können. Aber abgesehen davon, dass diese Fassung nicht EU-kon- form gewesen wäre, wären damit nicht die illegal Be- schäftigten bei deutschen Unternehmen erfasst worden, denn auch so etwas soll es geben. Diese illegal Beschäf- tigten sind auch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht viel besser dran. Sollte ihr Unternehmen auffliegen, stehen sie nicht nur ohne die paar Pfennige da, die sie mühsam verdient haben, sondern auch ohne jeden An- spruch auf Versicherungsleistungen. Eine Einbeziehung auch der Sozialversicherungsbeiträge in das Abzugsver- fahren halte ich deshalb für notwendig. Die Meldepflicht kann nach wie vor umgangen werden, da man die ur- sprüngliche Erweiterung der Meldepflicht nach § 3 Ar- beitnehmerentsendegesetz zurückgenommen hat, um nicht in die gemeinschaftsrechtlich garantierte Dienstleis- tungsfreiheit im Ausland ansässiger Unternehmen einzu- greifen. Diese Meldepflicht hätte doch auch auf die inlän- dischen Unternehmen ausgedehnt werden können, denn, wie gesagt, schwarze Schafe gibt es auch hier. In der Hoffnung, dass durch diese gesetzliche Neure- gelung Arbeitsplätze geschaffen werden, Steuermehrein- nahmen und Sozialversicherungsbeiträge erzielt werden, stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu. Anlage 11 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 763. Sitzung am 11. Mai 2001 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zur Umstellung von Vorschriften im land- und forstwirtschaftlichen Bereich auf Euro (Fünftes Euro- Einführungsgesetz) – Zweites Gesetz zur Änderung des Künstlersozial- versicherungsgesetzes und anderer Gesetze – Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgeset- zes und anderer Gesetze – Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungs- ausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersu- chungsausschussgesetz) – Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) – Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) – Gesetz zur Sicherstellung der Nachsorgepflichten bei Abfalllagern – Gesetz zur Umstellung soldatenversorgungsrechtli- cher und anderer Vorschriften auf Euro (Elftes Euro-Einführungsgesetz) – Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2000 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechts- hilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Er- leichterung seiner Anwendung – Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2000 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 12. April 1999 zum Schutz des Rheins – Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsor- gevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16813 (C) (D) (A) (B) Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Nach Zustimmung zum Altersvermögensgesetz erwar- tet der Bundesrat, dass die Bundesregierung dem Gesetz- geber folgende Vorschläge unterbreitet: 1. Zur Verbesserung der im Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Renten- versicherung und zur Förderung eines kapitalge- deckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermö- gensergänzungsgesetz – AVmEG) geregelten Hinterbliebenenversorgung: – Die nach dem Altersvermögensergänzungsge- setz auf einen Entgeltpunkt je Kind festgesetzte Kinderkomponente wird für das erste Kind auf zwei Entgeltpunkte erhöht. Damit soll für Wit- wen und Witwer, die Kinder erzogen haben, die Absenkung des Versorgungssatzes bei der gro- ßen Witwenrente von 60 auf 55 Prozent ange- messen ausgeglichen werden. – Der Grundfreibetrag bei der Einkommens- anrechnung auf Witwen- und Witwerrenten, der durch das Altersvermögensergänzungsgesetz eingefroren worden ist, bleibt auf Dauer dyna- misiert. – Beide Änderungen werden auch in der gesetzli- chen Unfallversicherung und in der Alterssi- cherung der Landwirte nachvollzogen. 2. Zur Neuregelung der Zuständigkeit der Bundes- knappschaft: Die Zuständigkeit der Bundesknappschaft wird im Leistungsfall auf alle Versicherten mit mindestens einem Monat Beitragszeit in der knappschaftli- chen Rentenversicherung ausgedehnt. Dies führt zu Effizienzgewinnen in der Rentenversicherung insgesamt und zu einer entsprechenden Kostenre- duktion. Angesichts des Ziels der Beitragssatzsta- bilisierung müssen auch innerhalb der Verwaltung der Rentenversicherung alle Einsparmöglichkei- ten genutzt werden. Die Änderungen sollten zeitgleich mit dem Altersver- mögensgesetz in Kraft treten. – Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX) Reha- bilitation und Teilhabe behinderter Menschen Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: Die Drucksache 278/01 weicht gegenüber der Ent- wurfsfassung des SGB IX, die den Beratungen des Bun- desrates im Februar/März dieses Jahres zugrunde lag, in einer Reihe von finanzwirksamen Regelungen für Teilha- beleistungen ab. Dies betrifft vor allem Leistungen, die seitens der Sozial- und Jugendhilfeträger zu finanzieren sind. Die von der Bundesregierung ursprünglich vorge- legten Kostenschätzungen sind daher nicht mehr aktuell. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in dem laut § 66 SGB IX zu erstattenden „Bericht über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung der Teilhabe“ die tatsächlichen und finanziellen Folgewirkungen für die Träger der Sozialhilfe und Jugendhilfe, unter besonderer Berücksichtigung der erst im Laufe des Beratungsverfah- rens aufgenommenen Teilhaberegelungen, ausführlich zu berichten und die Erhebungsvariablen sowie die Kosten- Refinanzierungsrechnung für die Jugend- und Sozialhil- feträger im Vorfeld mit den Vertretern der Länder im Bei- rat für die Teilhabe behinderter Menschen abzustimmen. Ergeben sich nach den Ergebnissen der Evaluation in- folge der gesetzlichen Neuregelungen nicht kompensierte finanzielle Mehraufwendungen für die Träger der Sozial- und Jugendhilfe, sind diese zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel des Ausgleichs zu verhandeln. Der Bundesrat hat in seiner 763. Sitzung am 11. Mai 2001 beschlossen, dem nachstehenden Gesetz gemäß Ar- tikel 84 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen: – Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsge- setzes Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 15. Mai 2001 den Antrag der Koalitionsfraktionen „Initiative des Europäischen Parlaments zur Buchpreisbindung in Europa unterstützen“ – Drucksache 14/5976 – zurück- gezogen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver- sammlung der Westeuropäischen Union über die Tagungen der Versammlung vom 14. bis 17. Juni und vom 29. November bis 2. Dezember 1999 in Paris – 45. Sitzungsperiode – Drucksachen 14/3932, 14/4093 Nr. 1.5 – – Unterrichtung durch die Delegation der Interparlamentari- schen Gruppe der Bundesrepublik Deutschland über die 103. Interparlamentarische Konferenz vom 30. April bis 6. Mai 2000 in Amman/Jordanien – Drucksachen 14/5073, 14/5729 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Eu- roparates für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2001 – Drucksachen 14/5063, 14/5275 Nr. 1 – Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- wirtschaft – Unterrichtung durch die Bundesregierung Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derAgrarstruktur und des Küstenschutzes“ für den Zeit- raum 2000 bis 2003 – Drucksache 14/3498 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 200116814 (C) (D) (A) (B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung derGemeinschaftsaufgabe „Verbesserung derAgrarstruk- tur und des Küstenschutzes“ (GAK)hier: Rahmenplan 2001 bis 2004 – Drucksache 14/4472 – Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Be- rufskrankheitengeschehen in der Bundesregierung Deutsch- land 1997 – Unfallverhütungsbericht Arbeit 1997 – – Drucksache 14/156 – Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1999 (Subsidiaritäsbericht 1999) – Drucksache 14/4017 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Finanzausschuss Drucksache 14/5730 Nr. 2.44 Haushaltsausschuss Drucksache 14/5503 Nr. 2.2 Drucksache 14/5503 Nr. 2.5 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/5281 Nr. 2.1 Drucksache 14/5281 Nr. 2.3 Drucksache 14/5281 Nr. 2.17 Drucksache 14/5281 Nr. 2.21 Drucksache 14/5281 Nr. 2.22 Drucksache 14/5610 Nr. 2.6 Drucksache 14/5610 Nr. 2.41 Drucksache 14/5610 Nr. 2.42 Drucksache 14/5610 Nr. 2.43 Drucksache 14/5610 Nr. 2.48 Drucksache 14/5610 Nr. 2.50 Drucksache 14/5610 Nr. 2.55 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5281 Nr. 2.18 Drucksache 14/5503 Nr. 1.1 Drucksache 14/5503 Nr. 2.4 Drucksache 14/5503 Nr. 2.10 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/5503 Nr. 2.22 Drucksache 14/5610 Nr. 2.20 Drucksache 14/5836 Nr. 1.3 Drucksache 14/5836 Nr. 1.4 Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3341 Nr. 2.16 Drucksache 14/4665 Nr. 3.2 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 171. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Mai 2001 16815 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrike Mascher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin!
    Sehr geehrte Damen und Herren! Der zur Beratung anste-
    hende Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur
    Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwart-
    schaftsüberführungsgesetzes setzt die zwingenden Vor-
    gaben des Bundesverfassungsgerichtes um. Das Ge-
    richt hat mit seinen Urteilen vom 28. April 1999 den
    Gesetzgeber beauftragt, verfassungswidrige Teile der
    Überleitung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme
    der ehemaligen DDR in das bundesdeutsche Rentenrecht
    dem Grundgesetz entsprechend zu ändern. Gleichzeitig
    hat das Gericht die Grundsatzentscheidung des Gesetzge-
    bers bestätigt, die Ansprüche und Anwartschaften aus Zu-
    satz- und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche
    Rentenversicherung zu überführen.

    Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
    und die konkretisierende Rechtsprechung des Bundes-
    sozialgerichts haben die notwendige Klärung herbeige-
    führt. Bei der Umsetzung der Vorgaben der Gerichte für
    eine verfassungskonforme Regelung der Überführung
    setzt der Gesetzgeber die zwingenden Vorgaben des Ge-
    richts 1:1 verbindlich um. Die daraus resultierenden Kor-
    rekturen, für die vom Bund und von den neuen Ländern
    erhebliche finanzielle Leistungen erbracht werden müs-
    sen, haben für die betroffenen Menschen ganz erhebliche
    Auswirkungen.

    Im Einzelnen regelt der Gesetzentwurf Folgendes: Der
    Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge wird auf den
    Zeitraum bis zum 30. Juni 1995 ausgedehnt. Die in ver-
    fassungskonformer Auslegung geforderte Dynamisie-
    rung des besitzgeschützten Zahlbetrages wird entspre-
    chend der Auslegung des Bundessozialgerichtes mit den
    Anpassungswerten der alten Bundesländer durchgeführt.
    Die Zahlbetragsbegrenzung wird für die nicht system-
    nahen Zusatzversorgungssysteme aufgehoben; im Übri-
    gen bleibt die Zahlbetragsbegrenzung 2 010 DM für
    Sonderversorgungs- und systemnahe Zusatzversorgungs-
    systeme bestehen.

    Die Zahlbetragsbegrenzung für das Versorgungssys-
    tem des Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Am-
    tes für Nationale Sicherheit wird verfassungskonform
    festgelegt. Sie orientiert sich an den Bestimmungen des
    Volkskammergesetzes über die Aufhebung der Versor-
    gungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssi-
    cherheit. Die Entgeltbegrenzung für die Bemes-
    sungsgrundlage zur Rentenberechnung für Angehörige
    des Versorgungssystems des Ministeriums für Staatssi-
    cherheit wird von 70 Prozent auf 100 Prozent des Durch-
    schnittsentgelts angehoben. Entsprechend den Vorgaben
    des Bundessozialgerichtes wird die Neuberechnung von
    Bestandsrenten zum Zeitpunkt der Rentenüberleitung im
    Wege der Vergleichsberechnung vorgenommen.

    Bestandteil des Änderungsgesetzes sind darüber hi-
    naus Regelungen zu den Beschäftigungszeiten bei der
    Deutschen Reichsbahn und bei der Deutschen Post. Sie
    berücksichtigen die Entscheidungen des Bundessozialge-
    richts vom 10. November 1998 über die Anrechnung des
    Arbeitsverdienstes oberhalb von 600 Mark für Beschäfti-
    gungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und der Deut-
    schen Post. Dabei wird klargestellt, dass auch für Be-
    schäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und bei
    der Deutschen Post bei der Rentenberechnung grundsätz-
    lich nur der erzielte Arbeitsverdienst, für den tatsächlich
    Beiträge gezahlt worden sind, in die Ermittlung der Ent-
    geltpunkte eingeht.

    Für Beschäftigungszeiten vom 1. März 1971 bis zum
    31. Dezember 1973 soll das tatsächlich erzielte Arbeits-
    entgelt auch ohne Beachtung der Beitragszahlung zur
    Freiwilligen Zusatzrentenversicherung der ehemaligen
    DDR berücksichtigt werden. Für Versicherte, die am
    31. Dezember 1973 bereits zehn Jahre bei der Deutschen
    Reichsbahn oder bei der Deutschen Post beschäftigt ge-
    wesen sind, soll für den Zeitraum vom 1. Januar 1974 bis
    zum 30. Juni 1990 ein Arbeitsverdienst bis zu 1 250 Mark
    monatlich ebenfalls ohne Beitragszahlung zur FZR
    berücksichtigungsfähig sein.




    Vizepräsidentin Petra Bläss
    16772


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Ich möchte es bei dieser Gelegenheit noch einmal ganz
    klar sagen: Die beabsichtigten Rechtsänderungen ergeben
    sich daraus, dass von 1956 bis 1973 für Post und Reichs-
    bahn besondere betriebliche Alterssicherungssysteme be-
    standen haben, die ab dem 1. Januar 1974 bereits in die
    Sozialversicherung der ehemaligen DDR überführt wor-
    den sind. Wegen dieser betrieblichen Alterssicherung hat-
    ten Beschäftigte mit langjähriger Betriebszugehörigkeit
    von März 1971 bis Dezember 1973 keine Veranlassung,
    der FZR beizutreten. Denn eine Beitragszahlung zur FZR
    hätte nicht zu höheren Rentenanwartschaften geführt, als
    sie bereits die zusätzliche Alterssicherung einräumte.

    Für andere wären solche Beitragszahlungen zur FZR
    wegen des Versorgungsanspruches nach den ab 1. Januar
    1974 bei der Überleitung der Ansprüche und Anwart-
    schaften in die allgemeine Sozialversicherung geltenden
    Vorschriften nicht wirtschaftlich gewesen. Die Verbes-
    serungen bei der rentenrechtlichen Bewertung der Be-
    schäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn und bei
    der Deutschen Post sollen deshalb für einen großzügig be-
    messenen Zeitraum, nämlich bis 30. Juni 1990, gelten.

    Allerdings wollen wir nicht die Regelungen der bereits
    1974 geschlossenen betrieblichen Altersvorsorgesysteme
    der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post un-
    eingeschränkt in das Rentenrecht des Sechsten Buches
    Sozialgesetzbuch übertragen. Denn bei der beabsichtigten
    Neuregelung ist nicht nur die Grundentscheidung der
    Rentenüberleitung zu beachten, nämlich nur die Arbeits-
    verdienste rentenwirksam zu machen, für die tatsächlich
    Beiträge gezahlt worden sind. Auch zu berücksichtigen
    sind die sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen an-
    derer Beschäftigtengruppen in der ehemaligen DDR, die
    eine höhere Alterssicherung ausschließlich über eine Bei-
    tragszahlung an die FZR erlangen konnten. Dies trifft zum
    Beispiel für Personen zu, die zum Zeitpunkt der Überlei-
    tung der Versorgungsregelungen in die allgemeine Sozial-
    versicherung Berufsanfänger waren und demzufolge noch
    nicht zehn zusammenhängende Beschäftigungsjahre vor-
    weisen konnten.

    Der Gesetzentwurf hat sich im parlamentarischen
    Verfahren bzw. in den Erörterungen in den zuständigen
    Ausschüssen als sachgerecht erwiesen. Die von verschie-
    denen Seiten erhobenen Forderungen würden demge-
    genüber nicht nur erhebliche weitere Kosten auslösen. Sie
    würden auch den von der Rechtsprechung vorgegebenen
    rechtlichen Rahmen sprengen und darüber hinaus im Wi-
    derspruch zu den im Einigungsvertrag getroffenen Rege-
    lungen stehen. Ich spreche hier zum Beispiel von der For-
    derung, die Vertrauensschutzregelung über den 30. Juni
    1995 hinaus zu verlängern. Wer eine Erweiterung des Be-
    standsschutzes über den 30. Juni 1995 hinaus fordert, wi-
    derspricht damit den im Einigungsvertrag festgelegten
    Regelungen und verlässt den Grundsatz einer 1:1-Umset-
    zung des Bundesverfassungsgerichtsurteils.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Nein, das nun wirklich nicht!)


    Dann zur Forderung, den bestandsgeschützten Zahlbe-
    trag gemäß dem Rentenwert Ost anzupassen: Auch diese
    steht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtspre-
    chung. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass

    der bestandsgeschützte Zahlbetrag zu dynamisieren ist,
    und hat es dem höchsten deutschen Fachgericht, dem
    Bundessozialgericht, überlassen, festzulegen, mit wel-
    chem Betrag zu dynamisieren ist. Das Bundessozialge-
    richt hat, diesen Vorgaben folgend, in seiner Entscheidung
    vom 3. August 1999 festgelegt, dass die Dynamisierung
    dieses Vertrauensschutzbetrages mit dem aktuellen Ren-
    tenwert, also mit dem Westwert, zu dynamisieren ist.
    Denn Grundlage für die Anpassung mit dem Rentenwert
    Ost sind Renten, denen ihrerseits Entgeltpunkte Ost zu-
    grunde liegen.

    Bei dem bestandsgeschützten Zahlbetrag handelt es
    sich dagegen um einen Zahlbetrag, der sich gerade nicht
    auf die jeweiligen Entgelte des Versicherten während sei-
    nes gesamten Versicherungslebens bezieht, sondern der
    vielmehr auf das letzte Gehalt abstellt. Das Bundesver-
    fassungsgericht hat betont, dass sich der Mehraufwand,
    der durch die Dynamisierung des bestandsgeschützten
    Betrages ergibt, laufend durch die Anpassung der neu
    berechneten SGB-VI-Rente vermindert. Diese vom Bun-
    desverfassungsgericht beschriebene Folge wäre aber aus-
    geschlossen, wenn eine Dynamisierung der SGB-VI-
    Rente und auch des bestandsgeschützten Betrages mit den
    gleichen Werten erfolgen würde. Auf all dies hat das Bun-
    dessozialgericht hingewiesen. Daran hat sich auch der
    Gesetzgeber zu halten.

    Nun zur Forderung, auch Nachzahlungen für die Zeit
    vor dem 1. Mai 1999 in den Fällen vorzunehmen, in de-
    nen ein Überführungsbescheid oder Rentenbescheid be-
    reits bestandskräftig geworden ist: Der Gesetzgeber war
    aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
    gerichtes von Verfassung wegen nicht verpflichtet, die
    Wirkung der vorliegenden Entscheidungen auf bereits
    bestandskräftige Bescheide zu erstrecken. Dies ent-
    spricht allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsät-
    zen und ist sowohl im Steuerrecht als auch im Sozial-
    recht üblich.

    Wir haben das im Gesetz noch einmal klargestellt.
    Auch wenn das Argument für den einzelnen Betroffenen
    nicht einsichtig sein mag: Würde man – entgegen der dem
    Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht eingeräum-
    ten Möglichkeit – Nachzahlungen nicht auf die Personen
    beschränken, die Rechtsmittel gegen die Bescheide von
    Rentenversicherungsträgern und Versorgungsträgern ein-
    gelegt haben, würden sich die Kosten für Nachzahlungen
    rund verfünffachen auf ein Ausgabevolumen von rund
    3,25Milliarden DM. Dies hält der Gesetzgeber angesichts
    der aktuellen Notwendigkeit zur Stabilisierung der finan-
    ziellen Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung
    aber für nicht tragbar.

    Der Gesetzentwurf hält sich an die höchstrichterlichen
    Vorgaben: die des Bundesverfassungsgerichts und die des
    Bundessozialgerichts. Er beachtet sie und setzt sie verfas-
    sungsgemäß um. Deshalb bitte ich Sie, unserem Entwurf
    zuzustimmen.

    Danke.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





    Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher

    16773


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht jetzt die Kollegin Claudia Nolte.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Claudia Nolte


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Liebe
    Kolleginnen und Kollegen! Schon beim vorhergehenden
    Tagesordnungspunkt haben wir gespürt, dass diese beiden
    Themen sehr eng zusammengehören.


    (Barbara Wittig [SPD]: Eben nicht! Dann haben Sie nicht richtig zugehört!)


    – Doch, das eine hat sehr wohl mit dem anderen zu tun.
    Dieses unaussprechliche Gesetz, das AAÜG, behandelt
    rentenrechtliche Fragen der Überführung von DDR-Recht
    auf heute bundesdeutsches Recht. Aber es enthält natür-
    lich Teile, die uns – das sage ich zumindest für mich – aus
    den neuen Ländern sehr wohl berühren. Ich hatte auch den
    Eindruck, dass es Ihnen zum Teil genauso ging, als die Ur-
    teile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundes-
    sozialgerichts verkündet worden sind.

    Mich hat die Schärfe in dieser Auseinandersetzung
    schon sehr überrascht. Es kann – positiv unterstellt – ei-
    gentlich nur daran liegen, dass Sie uns, wenn es nach
    Ihrem Herzen ginge, eigentlich gern folgen würden, es
    aber aus fiskalischen Gründen nicht dürfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


    Ich kann mir wirklich nicht vorstellen – das haben die
    Redner Ihrer Partei in meinen Augen auch nicht plausibel
    machen können –, dass es sachliche Gründe dagegen gibt,
    mehr für die Opfer des alten Systems zu tun, vor allem
    wenn wir beauflagt werden, etwas zu tun, was nicht un-
    bedingt unserer Überzeugung entspricht, nämlich Ren-
    tensteigerungen für ehemalige Mitarbeiter des MfS
    durchzusetzen, ohne auf der anderen Seite etwas für Op-
    fer zu tun, die genau unter diesen Leuten gelitten haben.
    Das passt nicht zusammen, ist nicht zu verstehen und auch
    nicht nach außen hin zu vertreten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die Balken biegen sich schon!)


    Ich finde es unerträglich und nicht akzeptabel, dass Sie
    uns hier unterstellen, die Opfer zu instrumentalisieren.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Ja!)

    Nur weil wir uns intensiv mit ihnen zusammensetzen, mit
    ihnen sprechen und deren Belange verstehen und ihnen
    entgegenkommen wollen,


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das macht ihr schlechtes Gewissen deutlich!)


    können Sie uns diese Instrumentalisierung nicht unter-
    stellen. Auch Sie wissen, dass bestimmte Dinge Anfang
    der 90er-Jahre nicht so leistbar waren, wie wir sie leisten
    wollten.

    Die Abgeordneten meiner Fraktion aus den neuen Län-
    dern haben auch damals dafür gefochten, dass wir eine
    Haftentschädigung in Höhe von 600 DM statt 300 DM
    bekommen. Auch wir unterlagen diesen fiskalischen
    Zwängen. Deswegen haben wir auch Verständnis für die

    Zwänge auf Ihrer Seite. Aber dann sagen Sie dies ehrlich
    und tun Sie nicht so, als ob wir in der Sache auseinander
    wären. Meines Erachtens gibt es keinen Grund für Diffe-
    renzen in der Sache.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wir haben die 600 DM gemacht!)


    Ich halte es auch für fatal, wenn sich hier die demo-
    kratischen Parteien Kampfbegriffe der PDS zu Eigen
    machen. Dazu gehört unter anderem der Begriff „Renten-
    strafrecht“. Ich weiß nicht, wer von Ihnen mit in der
    Volkskammer war. Aber ich glaube, damals gab es aus tie-
    fer Überzeugung einen sehr großen Konsens unter uns
    Abgeordneten der deutschen Volkskammer darüber,
    durch unsere Gesetzgebung wenigstens ein Stück weit
    Dinge zurechtzurücken, Ungerechtigkeiten abzumildern.
    Dazu gehörten auch die Pensions- und Rentenansprüche
    von bestimmten Berufsgruppen der ehemaligen DDR.
    Jetzt kann man zu Recht sagen, dass wir vielleicht mit zu
    viel Überschwang gehandelt und vielleicht an einigen
    Stellen überzogen haben. Im Bundestag haben wir in der
    Tat noch einmal eine Verschärfung gegenüber dem Volks-
    kammerrecht vorgenommen.

    Aber jetzt haben wir durch das Bundesverfassungsge-
    richt sogar ausdrücklich bestätigt bekommen, dass die
    Entgeltbegrenzung auf 100 Prozent in Ordnung ist. Also
    lassen Sie uns an dieser Stelle nicht von Rentenstrafrecht
    sprechen, sondern von einer Schaffung eines stückweiten
    Ausgleichs für in einem Unrechtssystem geschehene
    Dinge, welche sich nach so langer Zeit in der Tat nur
    schwer beseitigen lassen. Ungerechtigkeiten bleiben be-
    stehen.

    Ich denke, wir werden in unseren Sprechstunden die
    gleichen Überraschungen erleben wie schon zu Zeiten der
    Volkskammer. Dort wird nämlich gefragt werden: Kann
    es denn wirklich sein, dass die Leute vom MfS jetzt mehr
    Geld bekommen? Was wird für uns getan? – In Ihre
    Sprechstunden kommen doch auch diese Menschen. Mir
    fällt es schwer, zu begründen, warum wir hier etwas tun,
    auf der anderen Seite aber nichts, obwohl Anträge vor-
    liegen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Unser Fraktionsvorsitzender, Herr Friedrich Merz, hat

    den Bundeskanzler rechtzeitig angeschrieben mit der
    Bitte, über diese Frage zu sprechen. Dies ist auch in der
    Sache vernünftig, wenn wir einen Konsens zum AAÜG
    herstellen wollen. Sie waren aber nicht einmal bereit, über
    die so genannte Bonzenklausel zu sprechen, also über die
    Überlegung, diejenigen, die gegen die Grundsätze der
    Menschlichkeit verstoßen haben, von der Aufhebung der
    Rentenbegrenzung auszuschließen. Wenn so wenig Ge-
    sprächsbereitschaft besteht, dann können wir Ihnen die
    Hand nicht reichen. Das habe ich für unsere Fraktion
    schon in der Rede zur Einbringung dieses Gesetzentwur-
    fes sehr deutlich gesagt.

    Dieser Gesetzentwurf behandelt aber noch einige an-
    dere Fragen. Ich muss Ihnen sagen, sehr geehrte Frau
    Staatssekretärin, dass ich mit Ihnen in einigen Punkten
    nicht übereinstimme. Sie sagen, dass Sie sich hier streng
    an Urteilen orientieren und versuchen, keine Ungleich-
    heiten zu schaffen. Es gibt aber sehr wohl Punkte, wo man






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    hätte anders entscheiden können; darüber haben wir be-
    reits im Ausschuss diskutiert.

    Hier geht es insbesondere um die Überführung der Zu-
    satz- und Sonderversorgungssysteme in die Rentenver-
    sicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufge-
    tragen, bei diesen Renten eine Dynamisierung
    vorzunehmen. Dies ist derzeit nicht der Fall; denn als die
    Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in die gesetzliche
    Rentenversicherung übernommen wurden, hat man ga-
    rantierte Zahlbeträge festgelegt. Wir hatten damals durch-
    aus eine Begründung dafür, die wir für rechtens hielten:
    Da diese Renten nicht beitragsbezogen sind, gibt es kei-
    nen Grund, sie wie eine normale Rente zu dynamisieren.

    Das Bundesverfassungsgericht sagt hierzu eindeutig
    etwas anderes; in diesem Punkt mussten wir uns belehren
    lassen.


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Richtig!)

    Das Bundesverfassungsgericht kam zu der Auffassung,
    dass die Entscheidung, alle Zusatz- und Sonderversor-
    gungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung zu
    überführen, nur dann mit der Verfassung in Übereinstim-
    mung gebracht werden kann, wenn die Besonderheiten
    dieses Systems berücksichtigt werden. Zu diesen Beson-
    derheiten gehört natürlich, dass aufgrund der individuel-
    len Erwerbsbiografien und der Stellung im Berufsleben
    unterschiedliche Ansprüche erwachsen sind. Dieser Un-
    terschied im Niveau darf laut Bundesverfassungsgericht
    durch die Überführung in die gesetzliche Rentenversiche-
    rung nicht nivelliert werden. Er wird aber nivelliert, wenn
    man einen fixen Betrag festsetzt. Ergo muss dynamisiert
    werden.

    Diese Nivellierung findet aber auch dann statt, wenn
    ein im Vergleich zu anderen Renten deutlich geringerer
    Dynamisierungsfaktor gewählt wird. Wenn man also das
    Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen will, ent-
    spricht es doch der Logik, den gleichen Faktor für die Dy-
    namisierung zu verwenden, wie er auch für die anderen
    Renten gilt, also den Rentenwertfaktor Ost.

    Nun stützt sich die Bundesregierung auf ein Urteil des
    Bundessozialgerichts. Sie wissen aber genauso gut wie
    wir, dass dieses Urteil durchaus juristisch umstritten ist.
    Als Gesetzgeber haben wir aber die Freiheit zu sagen:


    (Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Wir machen mehr!)


    Wir möchten das umsetzen, was unserer Meinung nach
    dem Sinn des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ent-
    spricht.

    Es gibt noch andere Punkte, zum Beispiel die Berech-
    nung nach dem 20-Jahres-Zeitraum – darüber haben wir
    im Ausschuss bereits ausführlich gesprochen – und die
    Frage der besonderen Steigerungssätze für andere
    Berufsgruppen, zum Beispiel für die Beschäftigten im
    Gesundheitswesen. Ich möchte dazu nur sagen, dass wir
    auch hier eine andere Regelung vorgezogen hätten.

    Dies gilt auch für die Frage der Übergangszeiten. Es
    ist richtig, Frau Mascher, dass im Einigungsvertrag als
    Übergangsdatum Mitte 1995 festgelegt worden ist. Wir
    haben aber recht schnell festgestellt, dass dieser Zeitraum

    nicht ausreicht, und deshalb schon beim Renten-Überlei-
    tungsgesetz ein anderes Übergangsdatum gewählt, näm-
    lich Ende 1996. Wenn man also schon von Gleichbehand-
    lung spricht, wenn man die Zusatz- und Sonderversorgten
    den übrigen Rentnern gleichstellen will, dann bietet es
    sich doch an, den Vertrauensschutz in diesem Fall auf das
    gleiche Datum auszudehnen, also auf den 31. Dezem-
    ber 1996.

    Die Tatsache, dass wir zu den Punkten, die ich ange-
    sprochen habe, keine eigenen Änderungsanträge einge-
    bracht haben – es wird schnell nachgefragt: Warum bringt
    ihr keine eigenen Anträge ein? –, erklärt sich zum einen
    daraus, dass wir dieses Gesetz aus grundsätzlichen Erwä-
    gungen ablehnen. Daher macht es keinen Sinn, eigene
    Änderungsanträge einzubringen. Zum anderen muss man
    respektieren, dass die neuen Bundesländer höchstwahr-
    scheinlich anders abstimmen werden, wobei sie dafür si-
    cherlich ihre Gründe haben werden.

    Es ist mir wichtig, einen Punkt anzusprechen, der in
    diesem Gesetzentwurf in der Tat befriedigend geregelt
    worden ist. Das sind die Überführungen der Ansprüche
    der Reichsbahner und der Postler.Wir haben uns um die-
    ses Thema sehr bemüht und – das weiß auch Frau
    Mascher – viele Gespräche geführt.


    (Lachen bei der SPD und der PDS)

    – Das ist in der Tat so. Sie können die betroffenen Grup-
    pen selber fragen. Diese werden Ihnen dies guten Gewis-
    sens bestätigen können.

    Wir haben uns sehr darum bemüht, dass es mit diesem
    Gesetzentwurf zu einer befriedigenden Regelung kommt.
    Die betroffenen Gruppen bekommen sowohl den
    anderthalbprozentigen Steigerungssatz als auch die FZR
    zuerkannt. Auch das Problem der Anrechnungszeiten zwi-
    schen 1971 und 1973 wird geregelt.

    Was offen bleibt – das ist allerdings ein Punkt, der nicht
    im AAÜG geregelt werden kann; das wissen wir –, ist die
    betriebliche Versorgung. Ich finde, das Verkehrsministe-
    rium sollte noch einmal prüfen, inwieweit es nicht auch
    für die Reichsbahner äquivalent zu den Bundesbahnern
    die betriebliche Altersversorgung endlich einräumt und
    gewährleistet.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fürchte – das ist

    deutlich geworden –, dass das Ziel dieses Gesetzentwurfs,
    Rechtsfrieden zu schaffen, verfehlt wird. Es wird zu
    neuen Klagen kommen. Vor dem Bundesverfassungsge-
    richt, vor dem Bundessozialgericht und den Sozialgerich-
    ten der Länder werden neue Klagen eingereicht werden,
    sodass ich vermute, dass wir zu diesem Thema nicht die
    letzte Debatte hatten.

    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU)