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ID1416811100

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14168

  • date_rangeDatum: 11. Mai 2001

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    Nachruf auf den Abgeordneten Dr. Werner Schuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16429 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Vereinbarte Debatte zur Rentenpolitik 16429 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16429 B Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16431 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16434 D Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . 16437 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16439 B Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16440 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16441 C Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 16443 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 16446 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversi- cherung und zur Förderung eines kapitalge- deckten Altersvorsorgevermögens (Alters- vermögensgesetz) (Drucksachen 14/4595, 14/5068, 14/5146, 14/5150, 14/5367, 14/5383, 14/5970) . . . 16446 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 16447 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16449 D Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Monika Griefahn, Eckhardt Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordne- ten Rita Grießhaber, Dr. Antje Vollmer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Auswär- tige Kulturpolitik für das 21. Jahrhundert (Drucksache 14/5799) . . . . . . . . . . . . . . . 16447 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: „Pu- blic Private Partnership“ in der aus- wärtigen Kulturpolitik (Drucksache 14/5963) . . . . . . . . . . . . . . . 16447 B Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16447 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 16452 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16454 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16455 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16456 A Dr. Elke Leonhard SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16457 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 16458 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . 16460 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16460 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 16461 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 16462 C Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . 16464 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16465 B Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Karl Lamers, Christian Plenarprotokoll 14/168 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 I n h a l t : Schmidt (Fürth), Hartmut Koschyk und der Fraktion der CDU/CSU: Chancen des deutsch-polnischen Nachbarschaftsver- trages für Versöhnung stärker nutzen (Drucksachen 14/5138, 14/5814) . . . . . . . 16466 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16466 C Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16468 C Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16470 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . 16470 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16471 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16473 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16473 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16474 B Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . . . . . 16475 B Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung von Be- schränkungen des Brief-, Post- und Fern- meldegeheimnisses (Drucksachen 14/5655, 14/5981) . . . . . . . 16476 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 16477 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16477 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 16478 B Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . 16479 A Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16479 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16480 B Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16482 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16483 B Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Drucksache 14/5958) . . . . . . . . . . . . . . . 16485 C Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 16485 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16487 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16489 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16490 D Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16492 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16492 D Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausprägung einer 1-DM-Gold- münze und die Errichtung der Stiftung „Geld und Währung“ und zur Unterstüt- zung der Rekonstruktion der Museumsinsel (Museumsinselunterstützungsgesetz) (Drucksache 14/5274) . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Ingrid Arndt-Brauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16493 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 16494 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16495 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 16496 A Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Kersten Naumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Drucksache 14/5766) . . . . . . . . . . . . . . . 16496 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 16496 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16498 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16498 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16499 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ta- gesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16500 A Christel Deichmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16500 B Franz Obermeier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16502 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 16503 C Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16504 D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16505 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 Vizepräsidentin Petra Bläss 16498 (C)(A) Berichtigung 167. Sitzung, Seite 16353 (C), dritter Absatz, der vierte und der fünfte Satz sind wie folgt zu lesen: „Dies ist für uns nur unter bestimmten Bedingungen akzeptabel und sogar sinnvoll: Ich glaube nicht, dass nur DB Cargo Güterverkehr durchführen kann, um das ganz klar zu sagen.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16499 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 11.05.2001 Barthel (Berlin), SPD 11.05.2001 Eckhardt Barthle, Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 11.05.2001** Bindig, Rudolf SPD 11.05.2001* Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 11.05.2001 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 11.05.2001 Wolfgang Carstens (Emstek), CDU/CSU 11.05.2001 Manfred Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2001 Peter H. Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11.05.2001 Herta Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 11.05.2001 Peter Fuhrmann, Arne SPD 11.05.2001 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 11.05.2001 Gleicke, Iris SPD 11.05.2001 Glos, Michael CDU/CSU 11.05.2001 Göllner, Uwe SPD 11.05.2001 Hartnagel, Anke SPD 11.05.2001 Haschke (Großhenners- CDU/CSU 11.05.2001 dorf ), Gottfried Hauser (Bonn), Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11.05.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN Hiksch, Uwe PDS 11.05.2001 Hirche, Walter F.D.P. 11.05.2001 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 11.05.2001 Jünger, Sabine PDS 11.05.2001 Dr.-Ing. Kansy, Dietmar CDU/CSU 11.05.2001 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 11.05.2001 Klappert, Marianne SPD 11.05.2001 Kramme, Anette SPD 11.05.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 11.05.2001 Leidinger, Robert SPD 11.05.2001 Lippmann, Heidi PDS 11.05.2001 Müller (Berlin), PDS 11.05.2001 Manfred Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 11.05.2001 Müller (Zittau), SPD 11.05.2001 Christian Neumann (Bremen), CDU/CSU 11.05.2001 Bernd Nietan, Dietmar SPD 11.05.2001 Ostrowski, Christine PDS 11.05.2001 Pau, Petra PDS 11.05.2001 Pfeifer, Anton CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 11.05.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 11.05.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 11.05.2001 Rühe, Volker CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Scheer, Hermann SPD 11.05.2001 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 11.05.2001 Andreas Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2001 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 11.05.2001 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 11.05.2001 Schulz, Gerhard CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Schuster, R. Werner SPD 11.05.2001 Dr. Spielmann, Margrit SPD 11.05.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 11.05.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 11.05.2001 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11.05.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 11.05.2001 Wimmer (Karlsruhe), SPD 11.05.2001 Brigitte Wissmann, Matthias CDU/CSU 11.05.2001 Wistuba, Engelbert SPD 11.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 11.05.2001 Dr. Wolf, Winfried PDS 11.05.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2001* Zöller, Wolfgang CDU/CSU 11.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an der Sitzung der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Land- schaftspflege (Tagesordnungspunkt 21) Christel Deichmann (SPD): Die grundlegende Mo- dernisierung des Bundesnaturschutzgesetzes ist das we- sentliche umweltpolitische Vorhaben dieser Bundesregie- rung und der sie tragenden Fraktionen. Anfang Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf vorgelegt, der anspruchsvolle und zukunftsweisende Regelungen enthält. Viele der von der SPD seit Jahren immer wieder gestellten Forderungen werden demnach voraussichtlich in die Novellierung ein- fließen. Ein weiterer wesentlicher Punkt aus der Koali- tionsvereinbarung wäre damit umgesetzt. Das erste Bundesnaturschutzgesetz trat 1976 in Kraft. Es wurde bislang dreimal novelliert: 1987 setzte die so genannte Artenschutznovelle internationale Verpflichtun- gen zum Artenschutz um. Die verspätete Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht führte im April 1998 zur zweiten Novellierung. Schließlich wurde mit der drit- ten Novelle kurze Zeit später, nämlich im August 1998, der stark umstrittene § 3 b zum Ausgleich von Nutzungs- beschränkungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Regelungen zum Vertragsnaturschutz und zu Bio- sphärenreservaten eingeführt. Die Anläufe für die überfällige grundlegende Novel- lierung sind in den vergangenen Legislaturperioden je- doch gescheitert. Eine umfassende Novellierung ist aber dringend erforderlich – und das aus folgenden Gründen: Wie im PDS-Entwurf richtig herausgestellt wurde, ist die Natur in einem erbärmlichen Zustand. Die Roten Listen der Pflanzen- und Tierarten sowie zahlreiche Umweltgut- achten dokumentieren diese Situation. Für uns ist das grundlegende Ziel der Gesamtnovelle, die natürlichen Le- bensgrundlagen auch für die nachkommenden Generatio- nen zu sichern. Daher ist es erforderlich, bei der Bevölke- rung mehr Akzeptanz, Verantwortungsbewusstsein und Verständnis für Maßnahmen des Naturschutzes zu schaf- fen. Die Verantwortung für die künftigen Generationen soll unterstreichen, dass für den Schutz von Natur und Landschaft die aktuellen Nutzungsinteressen des Men- schen nicht alleine im Vordergrund stehen. Das alte Bundesnaturschutzgesetz hob bei den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur auf die Leistungsfähigkeit der Natur ab. Erstmalig haben das Prinzip der Nachhaltigkeit, die Regenerationsfähigkeit der Naturgüter und der Bezug zu internationalen Natur- schutzanforderungen in die Ziele und Grundbestimmun- gen Eingang gefunden: Somit entspricht die Neufassung des Gesetzes weitestgehend den gewandelten Anforde- rungen an einen zeitgemäßen Naturschutz. Ich bin sehr froh, dass nach über 20 Jahren Stillstand im Naturschutzrecht – die erwähnten Novellierungen im Jahre 1998 brachten keine Weiterentwicklung in dieser Frage – nun eine echte Chance für Fortschritte beim Schutz der Natur in Deutschland besteht. Die im Entwurf des BMU vorgesehenen Regelungen geben die Richtung vor, die immer noch fortschreitende Naturzerstörung und die Bedrohung vieler einzigartiger Tiere und Pflanzen effektiver zu stoppen. Es ist bekannt, dass die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten in nicht unwesentlichem Maße am Rückgang der Pflanzen- und Tierarten beteiligt waren. Aber auch eines ist uns Umweltpolitikern bewusst. Viele Naturflächen sind erst durch spezielle Bewirtschaftungs- und Nutzungsformen der Landbewirtschaftung entstanden. Entfällt die Bewirt- schaftung, verändern sich die Flächen wieder hin zu natür- lichen Vegetationsformen – der Artenreichtum nimmt ab. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Koope- ration zwischen Naturschützern und den Land- und Forst- wirten für uns Politikerinnen und Politiker der SPD schon immer ein zentraler Punkt in der Naturschutzpolitik ge- wesen ist. Nur durch das Miteinander von Umweltschüt- zern und Landnutzern kann eine flächendeckende natur- verträgliche Nutzung ermöglicht werden. Unter allen Nutzergruppen ist die Landwirtschaft die Bedeutendste – sie beansprucht rund 55 Prozent der Fläche Deutschlands. Auf ihr lastet somit eine erhöhte Verantwortung für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer schützenswer- ten Natur- und Kulturlandschaft. Für uns sind bei der Modernisierung des Naturschutz- rechtes nachfolgende Punkte besonders wichtig: die be- reits erwähnte Formulierung der guten fachlichen Praxis unter naturschutzfachlicher Sicht, die Umwandlung der bestehenden Ausgleichsregelung in eine Rahmenrege- lung, die Schaffung eines Biotopverbundsystems auf min- destens 10 Prozent der jeweiligen Landesfläche, die Auf- wertung und Konkretisierung der Landschaftsplanung, die Erweiterung der Eingriffsregelung, die Einführung der bundesweiten Verbandsklage, die Aufnahme des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116500 (C) (D) (A) (B) Entwicklungsaspektes bei den Nationalparks und Ein- führung des Umgebungsschutzes sowie die Erweiterung des Geltungsbereiches auf die AWZ. Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben die Koaliti- onsfraktionen Fachgespräche und Diskussionen mit den betroffenen Nutzergruppen, mit Naturschützern, mit Ver- tretern der Bundesländer und auch mit kommunalen Ver- tretern geführt, um die unterschiedlichsten Aspekte und Anforderungen bei der Novellierung des Naturschutzrech- tes mit einzubeziehen. Der von dem BMU erarbeitete Ge- setzentwurf enthält im Wesentlichen auch die von uns für wichtig erachteten oben genannten Punkte. Die Umweltverbände NABU und BUND bestätigen in ihren Presseerklärungen von Anfang März dieses Jahres, dass der Entwurf eine wesentliche Verbesserung der bishe- rigen Rechtslage darstellt. Dass an einigen Stellen noch Korrekturen notwendig sind, das sehen auch wir. Zurzeit befindet sich der Entwurf aber noch in der Ressortabstim- mung – das endgültige Ergebnis ist erst einmal abzuwarten. Eines muss ich den Kolleginnen und Kollegen der PDS lassen: Es ist in einer Art ziemlich clever, die Stellung- nahmen verschiedener Naturschutz- und Umweltexperten anlässlich der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf zu analysieren, die besten Teile herauszunehmen und dann daraus ein neues Gesetzeswerk zu präsentieren. Sie schießen mit Ihrem Gesetzentwurf jedoch ins Leere, be- vor das begehrte Zielobjekt überhaupt vollständig auf der Bildfläche erschienen ist. Voraussichtlich soll noch vor der Sommerpause ein Kabinettsentwurf parallel an den Bundesrat und an den Bundestag überwiesen werden. Dann werden. auch wir uns im Plenum konkret mit der Novellierung auseinander setzen können. Bis dahin empfehle ich Ihnen, sich erst einmal konstruktiv mit dem gegenwärtigen Referenten- entwurf zu befassen. Gleiches gilt natürlich auch für die Damen und Herren der CDU/CSU und F.D.P. Viele der im PDS-Entwurf aufgeführten Punkte sind auch im Referentenentwurf enthalten – welch Wunder! Im Folgenden will ich nur auf einige eingehen: Die Schaf- fung eines bundesweiten Biotopverbunds auf mindestens 10 Prozent der Landesfläche ist ein herausgehobener Grundsatz im Referentenentwurf des BMU. Dies ent- spricht auch, wie erwähnt, einer der zentralen umweltpo- litischen Forderungen der SPD. Aus meiner Sicht ist es noch diskussionswürdig, welche Schutzkategorien in die- sen Verbund mit einbezogen werden sollen. Im PDS-Entwurf wird einmal ein Mindestanteil von 15 Prozent und im nächsten Satz wieder ein Anteil von 10 Prozent der Landesfläche gefordert. Ich bitte Sie – wir sind hier doch nicht bei „Wünsch dir was“. Aber wahr- scheinlich ist Ihnen dieser Fehler beim Zusammenschnei- den der verschiedenen Vorlagen von Umweltexperten un- terlaufen. Es ist ein hehres Ziel, wenn Sie in Ihrer Ge- setzesvorlage in § 3 Biotopverbund fordern: Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind als vorrangige Flächen für den Naturschutz durch die Unterschutz- stellung als Naturschutzgebiet, als Nationalpark oder als Biosphärenreservat zu sichern, um einen Biotop- verbund dauerhaft zu gewährleisten. Und das auf 15 Prozent der Landesfläche! Es ist richtig, wenn die Kolleginnen und Kollegen von der PDS sagen, dass in der Vergangenheit umfassende Na- turschutznovellierungsversuche insbesondere am Land- wirtschaftsministerium gescheitert sind. Die vom BM- VEL jetzt eingeleitete Agrarreform unterstützt jedoch unsere Bestrebungen, den Naturschutz insgesamt zu ver- bessern und auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. In ihrer Regierungserklärung vom 8. Februar 2001 bestätigte die Ministerin ihre aktive Unterstützung für neue Ideen im Naturschutz. Die europäische Rechtsgrundlage, die EAGFL-Verord- nung, gibt ebenfalls vor, dass die „gute fachliche Praxis“ auch im Sinne des biotischen Ressourcenschutzes näher zu definieren ist. Sie gibt weiterhin vor, dass überprüfbare Kriterien festgelegt werden müssen. Ergebnisse eines vom Bundesamt für Naturschutz aus- geschriebenen Forschungsvorhabens verdeutlichen, dass Naturschutzaspekte in den landwirtschaftlichen Fachge- setzen bisher weitgehend unberücksichtigt blieben. Die vergleichsweise wenigen quantitativen Vorgaben sind viel zu lasch und der überwiegende Teil der Anforderungen ist ungenau und rechtlich kaum durchsetzbar formuliert. Die jetzt gefundene Regelung zur „guten fachlichen Praxis“ halte ich für einen Kompromiss, der von allen Sei- ten mit getragen werden kann. Die hier vorgeschlagenen Kriterien sind zwar allgemein gehalten – schließlich han- delt es sich um ein Rahmengesetz –, können aber von den Ländern noch weiter konkretisiert werden, um regionale Gegebenheiten besser zu berücksichtigen. Ich freue mich, dass auch die PDS weitestgehend den Vorschlägen zur guten fachlichen Praxis zustimmt. Mit welcher heißen Nadel der heute eingebrachte Ge- setzentwurf gestrickt wurde, zeigt sich auch im § 7 Abs. 2: Ein finanzieller Ausgleich erfolgt nur für Nutzungs- beschränkungen, welche die gute fachliche Praxis einschränken und die Maßgabe der Sozialpflichtig- keit des Eigentums überschreiten. Und wie bitte ist dies in Abs. 5 desselben Paragraphen zu verstehen „Anstelle eines Ausgleichs können vertrag- liche Vereinbarungen treten.“ Noch nicht ganz trocken ist die Tinte ebenfalls in § 18, „Eingriffe in Natur und Landschaft“: Auszugleichen sind auch Beeinträchtigungen durch Immissionen in der Umgebung der Eingriffsfläche, die auf planerischer Abwägung beruhen, sowie stoff- liche Beeinträchtigungen. Neben der flächendeckenden Landschaftsplanung, die auch wir wollen, fordert der Entwurf der PDS in § 12 ein Bundeslandschaftsprogramm und in § 13 Landesland- schaftsprogramme, in § 14 regionale Landschaftsrahmen- pläne und in § 15 Landschaftspläne. Ein weiterer positi- ver Punkt ist die Forderung nach einer stärkeren Nutzung von erneuerbare Energien. Bravo! Es ist unbestritten, dass Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16501 (C) (D) (A) (B) der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Ener- gieaufkommen erhöht werden kann und muss: Da kommen aber zum Beispiel im Bereich der Offshore- Windenergieanlagen einige Probleme auf uns zu, denen wir uns bei grundsätzlicher Befürwortung dieser Art der Energieerzeugung stellen werden. Auch im Meeresbe- reich müssen die Belange des Naturschutzes akzeptiert und bei der Durchsetzung konkurrierender Nutzungsan- sprüche be-rücksichtigt werden. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz, BfN, liegt bereits eine Vielzahl von Daten vor, um Schutzgebiete im deutschen Meeresbereich ausweisen zu können. Trotz guter Ansätze und fortschrittlicher Forderungen hält der Gesetzesentwurf insgesamt einer inhaltlichen und formalen Überprüfung jedoch nicht stand. So steht zum Beispiel das von Ihnen in § 6 geforderte absolute „Priva- tisierungsverbot“ für ökologisch bedeutsame Flächen im Widerspruch mit dem Einigungsvertrag. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Prozedere zum Ver- mögensrechtsergänzungsgesetz, als es um die Sicherung für den Naturschutz bedeutsamer BVVG-Flächen ging. Wir werden den begonnenen Diskussionsprozess fort- führen, um Verständnis für unsere Positionen werben und auch Argumente der oben angeführten Gruppen, mit de- nen wir seit Beginn der Legislaturperiode dieses Thema erörtern, mit aufnehmen. Dabei sind wir auf eine breite Unterstützung unterschiedlicher Fachbereiche angewie- sen; das ist uns schon klar. Den von der PDS eingebrach- ten Gesetzentwurf sehe ich als einen Beitrag in der brei- ten Diskussion an, ohne die bereits angeführten Mängel bzw. Differenzen zu verschweigen. Wir werden, wie bekannt, einen eigenen Gesetzent- wurf einbringen, der den Anforderungen an ein Rahmen- gesetz Rechnung trägt, für den Naturschutz anspruchs- volle und zukunftsweisende Regelungen festschreibt und den Bundesländern den erforderlichen Spielraum für eine substanzielle Umsetzung lässt. Ich kann daher Sie alle nur ausdrücklich auffordern, sich an der Diskussion zur No- vellierung des Bundesnaturschutzgesetzes aktiv zu betei- ligen. Franz Obermeier (CDU/CSU): Gerade für CDU und CSU hat bisher der Umwelt- und Naturschutz eine beson- dere Rolle gespielt. Dies bleibt auch künftig so. Deshalb haben wir uns zu unseren Regierungszeiten besonders mit den Herausforderungen in diesem Zusammenhang be- schäftigt, sind diese angegangen und – das darf ich hier ausdrücklich formulieren – haben deutliche Erfolge er- zielen können. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Luft- und Was- serreinhaltung, den Bereich der Abfallwirtschaft, den inter- nationalen Klimaschutz, aber auch die ökologische Neu- orientierung in der Entwicklungspolitik. Gerade Bayern ist zum Beispiel vorbildlich mit seinem Vertragsnaturschutz- programm und mit dem Arten- und Biotopschutzpro- gramm, mit dem Aufbau seines Verbundsystems – Bayern- netz-Natur – und gibt dort 80 Millionen DM pro Jahr für den Naturschutz aus. Dazu kommen noch rund 400 Milli- onen DM für die Förderung einer umweltverträglichen Landwirtschaft. Der PDS-Gesetzentwurf springt zu kurz. Immerhin -hat es die PDS in der Drucksache 14/5766 vom 5. April 2001 auf 48 Seiten Gesetzentwurf gebracht. Darin enthal- ten sind eine ganze Reihe von Zielen und Forderungen aus dem beschlossenen Gesetz der CDU/CSU von 1998. Kri- tisch beleuchten möchte ich in diesem Zusammenhang, dass sich die PDS in ihrem Gesetzentwurf – wie auch die SPD und die Grünen – sehr stark mit der Theorie, mit der Formulierung von Festsetzungen, ja mit der Formulierung von Prozentzahlen auseinander setzt, ohne deutlich zu machen, wo der Bund mehr als bisher Verantwortung übernehmen kann, und Verantwortung übernehmen be- deutet in diesem Zusammenhang auch finanzielle Verant- wortung. Das Bundesnaturschutzgesetz vom 24. Dezember 1976 wurde am 1. Januar 1987 sowie am 30. April 1998 und zu- letzt am 26. August 1998 geändert. Zuletzt ging es im We- sentlichen um die Umsetzung der FFH-Richtlinie und die Stärkung des Vertragsnaturschutzes. Der jetzt vorliegende Entwurf vermag von der Notwendigkeit einer Novelle nicht zu überzeugen, zumal noch nicht einmal der 98er- Beschluss durch die Länder vollends realisiert worden ist. Der jetzige Rahmen gibt die Möglichkeiten, um im Mit- einander mit den Betroffenen mehr zu erreichen, wie die Umsetzung in einzelnen Bundesländern – ich habe Bei- spiele aus Bayern genannt – zeigen. Die Bundesregierung ist tatenlos. Das Konzept der Bundesregierung aus SPD und Grünen ist bisher kein Konzept. Die Vorgehensweise ist geprägt durch ein Hin und Her, durch Schönformuliererei, ohne aber konkret zu werden und wirklich auch zu handeln. Schauen wir uns den Haushalt des BMU an, so ist er von 1999 auf 2000 zunächst abgesenkt worden, um in 2001 in etwa wieder die Höhe der früheren Bundesregie- rung zu erreichen. Der Gesamthaushalt Umwelt hat sogar Defizite gegenüber der Zeit der CDU/CSU-geführten Re- gierung und zudem – hören Sie genau zu – hat sich eine Verschiebung zum Verwaltungsanteil hin vollzogen. Das zeigt deutlich: Man kürzt bei Heimatvereinen und lehnt Anträge zum Vertragsnaturschutz ab. Dies macht deut- lich: Trittin zeichnet sich aus durch Sprüche, will die Na- tionalhymne nicht singen, und der Kanzler tut so, als ginge ihn dies alles nichts an. Oder er gibt eine Presse- konferenz und verkündet, dass jetzt auf dem Papier 10 Prozent – die PDS will 15 Prozent nehmen – Schutzge- biete formuliert werden. Was passiert tatsächlich? Die Prozentzahlen sind ge- griffen, die Definition der Schutzgebiete ist ungenau und wird in der Konkretisierung des Schutzes eher abgesenkt. Die Betroffenen vor Ort wissen nicht, was auf sie zu- kommt. Dies gilt für PDS, SPD und Grüne gleicher- maßen. Statt Kooperation Konfrontation. Was wollen CDU und CSU? CDU und CSU wollen im Vertrauen und im Miteinander mit den Betroffenen etwas für den Naturschutz erreichen. Dies wird nicht gelingen durch Schönfärberei oder Schönrederei, sondern indem beispielsweise der Bund Verantwortung übernimmt in den Naturparken, in Gebieten mit nationaler Bedeutung, in Gebieten von europäischer Bedeutung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116502 (C) (D) (A) (B) Wenn es dazu kommt, die gute fachliche Praxis über die Fachgesetze hinaus aufzuweichen, gefährdet das die Zusammenarbeit von Naturschutz und den vor Ort Wirt- schaftenden. Es gefährdet zudem die Förderung durch EU-Programme, die jetzt so gut angelaufen ist. Die PDS hat in § 7 ihres Gesetzentwurfs dies ja formuliert – „Aus- gleich von Nutzungsbeschränkungen in der Land- und Forstwirtschaft“ – und dort dargelegt, dass sie die erhöh- ten Anforderungen über die der guten fachlichen Praxis hinaus auch angemessen ausgleichen will. Allerdings ist dann Voraussetzung, nicht die gute fachliche Praxis zunächst aufzuweichen und auszuweiten, wie dies in § 20 unter „Naturverträgliche Landschafts- und Naturnut- zung“ geschehen ist. Vielmehr müssen das Landwirt- schaftsgesetz und die entsprechenden Fachgesetze aktua- lisiert und überarbeitet werden. Eine flächendeckende Landschaftsplanung wird von uns abgelehnt. Neben der Biotopkartierung, neben den Möglichkeiten der Befliegung und damit der Zustellungs- und Veränderungsfeststellung wollen wir nicht immer neue Planungsinstrumente, die bürokratisieren und das Geld in Personal und Plänen binden. Immer neue Gesetze, Verordnungen, Leitbilder, Richtlinien werden uns nicht voranbringen, sondern es kommt auf den praktischen Na- turschutz vor Ort an. Die PDS fordert in § 19 ihres Gesetzentwurfes, dass Baubehörden und Naturschutzbehörden gleichgestellt werden. Hier gilt es aber insbesondere darauf zu achten, dass der ländliche Raum nicht zu kurz kommt. Lückenbe- bauung muss auch im Außenbereich weiterhin möglich bleiben, die Verfahren dürfen nicht zu lange dauern. Zu Eigentumsrechten: Nicht unsinnige bürokratische, überzogene Regelungen sind gefragt, die die Beteiligten vor den Kopf stoßen und die Eigentumsrechte aushöhlen, sondern praktikable Regelungen. Wir müssen auch darauf achten, dass Naturschutz nicht an den Grenzen Halt macht. Gerade ein Land im Zentrum Europas muss im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortsicherung darauf achten, nicht auf Allein- gänge zu setzen, sondern im Konsens mit den beteiligten Nachbarn Naturschutz möglichst voranbringen zu wollen. Dies gilt auch für internationale Vereinbarungen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein Natur- schutzkonzept mit abgestuften Schutz- und Nutzungs- funktionen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Kernge- bieten und der Vorgehensweise auf großer Fläche. Hoheitlicher Naturschutz muss durch Vertragsnaturschutz ergänzt oder muss teilweise durch ihn ersetzt werden. Es muss mehr über extensivere Nutzungsformen nachge- dacht werden. Aber auch in diesem Zusammenhang kommt es auf die Rahmenbedingungen EU-weit an. Hier sind Umweltminister und Landwirtschaftsministerin mehr als bisher gefordert. Auch wenn im Gesetzentwurf wichtige Grundsätze und Ziele formuliert sind, so sind wir mit der Vorgehens- weise der Ausweisung von Schutzgebieten unzufrieden. Vor allem vermissen wir aber, dies vorrangig mit den Be- troffenen vor Ort tun zu wollen. Hier sind insbesondere vertragliche Vereinbarungen gefragt. Ohne die Bereit- schaft, finanzielle Ressourcen effektiv und für den prakti- schen Naturschutz einzusetzen, wird sich tatsächlich nur sehr wenig verändern. Hier gilt es anzusetzen. CDU und CSU werden in ihren Initiativen nicht nachlassen, dies einzufordern. Nicht Pressekonferenzen des Bundeskanz- lers und des Umweltministers sind gefragt, sondern nach- haltiges und konkretes Handeln, um wirklich etwas errei- chen zu können. CDU und CSU lehnen den Gesetzentwurf ab. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer es wirklich wissen will, kann es wissen und, nebenbei ge- sagt, wir alle, die hier entscheiden, sollten es auch wissen: Der Zustand von Natur und Landschaft in Deutschland verschlechtert sich nach wie vor, und ganz besonders ra- sant seit den 60er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, er ist Besorgniserregend. Dieser Umstand wird leider in der Öffentlichkeit, mehr aber noch in der Wirtschaft und der Politik auf allen Ebenen immer wieder verdrängt. Die biologische Vielfalt ist durch anhaltende Umwelt- belastung und Naturzerstörung gefährdet. Ständig verrin- gert sich die Fläche, die für frei lebende Tier- und wild- wachsende Pflanzenarten zur Verfügung steht, die Lebensräume der meisten Arten sind qualitativ beein- trächtigt. Täglich werden 120 Hektar Fläche allein durch Siedlung und Verkehr versiegelt. Das entspricht immerhin der Fläche von etwa 150 Fußballfeldern. Wenn schon nicht im Fußball, so ist Deutschland doch Weltmeister in der Straßendichte. Allein in den letzten 25 Jahren wurden im alten Bun- desgebiet 863 300 Hektar Land für Siedlungs- und Ver- kehrszwecke verbraucht oder fielen dem Abbau von Bo- denschätzen zum Opfer – das entspricht der dreifachen Fläche des Saarlandes. Über 360 000 Kilometer Fließgewässer wurden seit den 50er-Jahren mit Milliarden von Steuergeldern begra- digt. Im selben Zeitraum verlor Westdeutschland über die Hälfte seiner Feuchtgebiete. Trotz der ständigen Zunahme und Verschärfung von Hochwasserereignissen werden weiterhin Fließgewässer zu Wasserstraßen ausgebaut und wird auf die notwendige Ausweisung von Retentions- flächen verzichtet. Gerade noch 10 Prozent unserer Fließ- gewässer gelten als halbwegs intakt. Lebensräume wurden besonders im Verlauf des letzten Jahrhunderts zunehmend zerteilt und zersplittert, aber auch alte Kulturlandschaften wurden und werden mehr und mehr durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und durch „Flurbereinigungen“ zerstört, was insgesamt zu gravierenden Bestandseinbußen bei Tier- und Pflan- zenarten geführt hat. Von den in Deutschland heimischen Pflanzen sind 40 Prozent der Arten ausgestorben oder ge- fährdet. Noch dramatischer ist die Situation bei einigen Tiergruppen. Jeweils mehr als die Hälfte der Arten von Reptilien, Amphibien und Fischen stehen auf der roten Liste gefährdeter Arten. Der Einsatz von Pestiziden und Dün- gemitteln, aber auch der Ferneintrag durch industrielle, zum Teil unkontrollierte Emissionen führt zu einer massi- ven Beeinträchtigung von Biotopen. Über zwei Drittel der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16503 (C) (D) (A) (B) in Deutschland vorkommenden Biotoptypen sind als ge- fährdet eingestuft, über zwei Drittel. Ich denke, mit diesen wenigen Daten deutlich gemacht zu haben, dass es in puncto Naturschutz wirklich keiner- lei Anlass gibt, in den Anstrengungen um den Natur- schutz nachzulassen; wir vielmehr über die Stärkung be- währter, aber auch über neue Wege und Instrumente des Naturschutzes nachdenken müssen und über neue Allian- zen zwischen Naturschützern und Naturnutzern. Wichtig ist, dass Menschen Natur und Wildnis auch erleben und erfahren können, sich begeistern an den vielfältigen Schönheiten unserer Heimat. Wer die Natur erlebt hat, wird sie lieben und deshalb auch schützen wollen. Des- halb werden wir mehr für Image und Marketing bezüg- lich unserer Nationalparke, Biosphärenreservate und Na- turparke tun. Die Koalitionsfraktionen haben die grundlegende Neugestaltung des deutschen Naturschutzrechts in der Koalitionsvereinbarung von 1998 vereinbart und die Ar- beiten am Regierungsentwurf können – wie wir hoffen und wünschen – demnächst abgeschlossen werden. Von- seiten der Koalitionsfraktionen wurden umfangreiche in- haltliche Vorarbeiten geleistet und es wurde auch eine Fülle von Fachgesprächen mit allen relevanten Interes- sengruppen geführt. Die Erwartungen an das Neurege- lungsgesetz sind hoch und ich hoffe, dass in der derzeit noch laufenden Ressortabstimmung alle Bundesministe- rien auf der Höhe unserer Zeit agieren – nicht nur das Umweltministerium. Einige, nur wenige Sätze nun zur Philosophie unserer Novellierungsvorstellungen. Wirksame Schutzgebiete sind im Rahmen einer Natur- schutz-Gesamtstrategie von entscheidender Bedeutung. Landschaftsmodelle mit einer Trennung von Produkti- onsflächen und von Naturschutzflächen sind zweifelsfrei erforderlich. Dabei wissen wir, dass die vom Menschen genutzten, veränderten und geprägten Teile unserer Land- schaften entscheidende Träger von Artenvielfalt sind. Deshalb kann auch ein Artenschutz, reduziert auf Schutz- gebietaktivitäten, nicht erfolgreich sein. Was wir brau- chen, ist eine flächenhafte Berücksichtigung von Schutz- zielen in allen Landnutzungsbereichen: also in Landwirtschaft, in Forstwirtschaft, in Fischereiwirtschaft, bei Natursport-, Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Das ist für uns die Kernfrage eines nachhaltigen Natur- schutzes. Obwohl die Notwendigkeit des Schutzes der Natur von niemandem ernsthaft bestritten wird, zeigt die Praxis, dass Naturschutz nur zu oft hinter andere Ziele zurückge- stellt wird. Ob es um den Bau neuer Straßen geht, um die Ausweisung von Gewerbegebieten oder um land- und forstwirtschaftliche Nutzungen oder auch touristische Großprojekte – ökonomische und soziale Gründe wiegen in Entscheidungsprozessen zumeist mehr als Natur- schutzaspekte. Prominenter Präzedenzfall für das Wegwägen von Schutzbestimmungen ist das Mühlenberger Loch, Euro- pas größtes Süßwassenwatt, das der Erweiterung der DASA-Flugzeugwerft in Hamburg-Finkenwerder geop- fert werden soll, ein Ansinnen, das auch insofern bedau- erlich ist, als es in Deutschland alternative Produktions- standorte gäbe. Solche Entscheidungen werden uns nicht nur ökologisch teuer zu stehen kommen: Unzureichender Naturschutz wird mittel- und langfristig auch zu erhebli- chen finanziellen Folgekosten für die gesamte Gesell- schaft führen. Auch die Fraktion der Demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erkennt den Novellierungsbedarf des Bundesnaturschutzgesetzes an und legt heute diesem Hause einen eigenen Entwurf vor. Dass dieser Entwurf stark die Handschrift der Umweltverbände trägt, ist für Kenner der Szene unübersehbar, insgesamt aber sicher- lich nicht von Nachteil für den Antrag, im Einzelnen aber gelegentlich auch problematisch spätestens dann, wenn sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hauses, Gespräche auch mit anderen Akteuren des Naturschutzes führen werden – zum Beispiel den Län- dern. Da reifen dann nicht alle Träume. Ich bin gespannt auf den Debattenbeitrag des Landes Mecklenburg-Vor- pommern, spätestens im Bundesrat, wenn es um die Be- ratung unseres Neuregelungsgesetzes gehen wird. Wir werden uns mit Ihrem Antrag im Ausschuss und bei An- hörungen zu unserem Novellierungsvorschlag konkret auseinander setzen. Um es aber hier an dieser Stelle deutlich zu sagen: Ich finde es erfreulich, dass die PDS sich in dieser überaus wichtigen Frage so konstruktiv engagiert – wie ich gene- rell meine, dass die Fragen der Zukunft von Natur und Landschaft so wichtig sind, dass sie das volle Engagement aller Fraktionen dieses Hauses verdienen. Auf die konstruktiven Beiträge von der rechten Seite des Hauses allerdings werden wir – nach allem, was im Vorfeld der Debatte von dort zu vernehmen war – wohl vergebens warten. Marita Sehn (F.D.P.): Die Qualität einer Demokratie zeigt sich in ihrem Umgang mit Minderheiten! Unsere Bauern sind eine Minderheit in unserem Land. Und die Politik lässt sie dieses deutlich spüren. Was macht eine Regierung, die einerseits kein Geld ausgeben will, andererseits aber große Ideen verwirkli- chen möchte? Sie macht Auflagen und Verordnungen und lässt andere die Zeche zahlen. Verordnungen sollten immer das letzte Mittel sein, wenn alle Versuche, einen Konsens zu finden, gescheitert sind. Sie sollten aber nicht am Anfang eines Dialogprozesses stehen. Diese Regierung geht aber genau den umgekehrten Weg. Sie schreibt zuerst einmal vor und schaut dann, ob es auch durchführbar ist. Das höchste Gut des Naturschutzes ist die Akzeptanz bei allen Beteiligten. Dieses Gut ist ein sehr empfindli- ches und es kann sehr leicht zerstört werden. Maßnahmen und Vorschriften, die über das Ziel hinausschießen, zu- sätzliche Auflagen ohne Entschädigung, das ist die Ket- tensäge am Baum der Akzeptanz. Aber nur Bestimmun- gen, die akzeptiert sind, werden auch respektiert. Werden Verordnungen als ungerecht empfunden, so werden sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116504 (C) (D) (A) (B) auch nicht eingehalten, das heißt die Einhaltung muss kontrolliert werden. Das wäre der erste Schritt hin zu ei- nem Öko-Überwachungsstaat. Auf diese Weise können auch fachlich sinnvolle Vorha- ben nachhaltig diskreditiert werden. Ein weiterer Schritt hin zu einem Mehr an Akzeptanz ist die Ausgewogenheit der Lastenverteilung. Aber während der Nutzen des Na- turschutzes allen unseren Bürgern zugute kommt, müssen die Lasten vor allem unsere Landwirte tragen. Als ob diese durch MKS und BSE nicht schon genug gebeutelt wären! Der Fachpresse zufolge kommen durch die Novellie- rung des Bundesnaturschutzgesetzes Mehrkosten in Höhe von 850 DM pro Hektar auf die Landwirte zu. Bezogen auf das von der Bundesregierung propagierte Biotopver- bundsystem auf 10 Prozent der Fläche Deutschlands bedeutet dies Mehrkosten in Höhe von circa 1,6 Milliar- den DM für die deutsche Landwirtschaft. Dies ist eine Zu- mutung! Eine Regierung, die Monate braucht, um eine Regelung für die BSE-Folgekosten zu finden, die Monate benötigt, eine tragfähige Lösung für die Agrardieselbe- steuerung zu finden, dass eine solche Regierung der Land- wirtschaft Kosten in solcher Höhe zumutet, ist eine Un- verschämtheit. Wer es ernst meint mit der Ausdehnung des Natur- schutzes, der wird sich zunächst um Akzeptanz der Betei- ligten bemühen. Da die Landwirtschaft circa 55 Prozent der Fläche Deutschlands bewirtschaftet, ist es offensicht- lich, dass kein Weg an einem Dialog mit den Landwirten vorbeiführt. Anstatt nun aber den Dialog mit unseren Bau- ern zu suchen, schreibt diese Regierung lieber Gesetze und Verordnungen. Das Letzte, was dieses Land braucht, sind mehr Vorschriften, wir haben ohnehin schon einen regelrechten Verwaltungs-Overkill! Aus naturschutzfachlicher Sicht kann die Schaffung ei- nes Biotopverbundsystems durchaus sinnvoll sein. Aber bitte nicht auf diese Weise! Das ist glatte Enteignung! Die PDS hat damit, wohl historisch bedingt, weniger Pro- bleme, zumindest kann man sich dieses Eindruckes nicht erwehren, wenn man Ihren Gesetzentwurf durchliest. Der PDS-Entwurf wie auch die Vorschläge des BMU führen vor allem zu einem Mehr an Verwaltung, aber nicht unbe- dingt zu einem Mehr an Naturschutz. Naturschutz in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist immer ein Kompromiss. Radikalforde- rungen sind da wenig hilfreich. Der Naturschutz braucht das offene und von gegenseitigem Verständnis geprägte Gespräch und keine neuen Verordnungen. Die Ignoranz für die Probleme der Landwirte werden letztendlich zu ei- ner geringeren Akzeptanz führen. Damit wird dem Natur- schutz ein Bärendienst erwiesen. Die F.D.P. lehnt deshalb diese Novelle auf die Schnelle ebenso wie den Entwurf der PDS-Fraktion als kontraproduktiv ab. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/5172 Nr. 1.2 Drucksache 14/5172 Nr. 2.15 Drucksache 14/5281 Nr. 1.2 Drucksache 14/5363 Nr. 1.4 Rechtsausschuss Drucksache 14/3341 Nr. 2.41 Drucksache 14/4441 Nr. 1.16 Drucksache 14/4865 Nr. 2.2 Finanzausschuss Drucksache 14/5172 Nr. 2.18 Drucksache 14/5172 Nr. 2.38 Drucksache 14/5172 Nr. 2.44 Drucksache 14/5172 Nr. 2.65 Drucksache 14/5172 Nr. 2.90 Drucksache 14/5172 Nr. 2.91 Drucksache 14/5363 Nr. 2.11 Drucksache 14/5503 Nr. 2.7 Drucksache 14/5503 Nr. 2.27 Drucksache 14/5610 Nr. 2.32 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 14/5172 Nr. 2.3 Drucksache 14/5172 Nr. 2.4 Drucksache 14/5172 Nr. 2.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.6 Drucksache 14/5172 Nr. 2.7 Drucksache 14/5172 Nr. 2.8 Drucksache 14/5172 Nr. 2.9 Drucksache 14/5172 Nr. 2.10 Drucksache 14/5172 Nr. 2.11 Drucksache 14/5172 Nr. 2.12 Drucksache 14/5172 Nr. 2.19 Drucksache 14/5172 Nr. 2.20 Drucksache 14/5172 Nr. 2.23 Drucksache 14/5172 Nr. 2.24 Drucksache 14/5172 Nr. 2.33 Drucksache 14/5172 Nr. 2.36 Drucksache 14/5172 Nr. 2.45 Drucksache 14/5172 Nr. 2.66 Drucksache 14/5172 Nr. 2.67 Drucksache 14/5172 Nr. 2.68 Drucksache 14/5172 Nr. 2.83 Drucksache 14/5172 Nr. 2.92 Drucksache 14/5172 Nr. 2.93 Drucksache 14/5172 Nr. 2.97 Drucksache 14/5172 Nr. 2.98 Drucksache 14/5172 Nr. 2.100 Drucksache 14/5172 Nr. 2.101 Drucksache 14/5503 Nr. 2.8 Drucksache 14/5503 Nr. 2.9 Drucksache 14/5503 Nr. 2.26 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5281 Nr. 2.7 Drucksache 14/5281 Nr. 2.8 Drucksache 14/5281 Nr. 2.9 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5281 Nr. 1.1 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4092 Nr. 2.3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16505 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5114 Nr. 2.7 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/5363 Nr. 2.2 Drucksache 14/5363 Nr. 2.3 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/4665 Nr. 1.2 Drucksache 14/4945 Nr. 1.5 Drucksache 14/4945 Nr. 2.34 Drucksache 14/5281 Nr. 2.23 Drucksache 14/5363 Nr. 2.5 Drucksache 14/5503 Nr. 2.12 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3576 Nr. 1.12 Drucksache 14/5172 Nr. 1.1 Drucksache 14/5172 Nr. 2.29 Drucksache 14/5281 Nr. 2.5 Drucksache 14/5281 Nr. 2.6 Drucksache 14/5363 Nr. 2.13 Drucksache 14/5730 Nr. 2.31 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/5610 Nr. 2.9 Drucksache 14/5610 Nr. 2.10 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116506 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anni Brandt-Elsweier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin!
    Meine Damen und Herren! Prostitution ist das älteste Ge-
    werbe der Welt und seit mehr als 2 000 Jahren werden
    Prostituierte nicht nur gesellschaftlich, sondern auch,
    juristisch diskriminiert. Hier in Deutschland ist Prostitu-
    tion seit der Strafrechtsreform in den 70er-Jahren eine
    rechtlich zulässige Tätigkeit. Seriösen Schätzungen zu-
    folge gehen ihr circa 400 000 Personen nach, überwie-
    gend Frauen, und ihre Dienste werden täglich von über
    1 Million Männern in Anspruch genommen.

    Aber, meine Damen und Herren, es gibt wohl keinen
    anderen Bereich, in dem das Geschäft mit der Doppelmo-
    ral so blüht. Pecunia non olet, Geld stinkt nicht, das wuss-
    te schon der römische Kaiser Vespasian im ersten Jahr-
    hundert nach Christus. Knapp 2 000 Jahre später weiß
    dies auch der deutsche Fiskus; denn Prostituierte sind
    einkommensteuerpflichtig und sie unterliegen der
    Umsatzsteuerpflicht. Prostituierte haben also Pflichten in
    diesem Staat. Bei einem geschätzten Jahresumsatz der
    Branche von bis zu 12 Milliarden DM sind das nicht ge-
    rade geringe Pflichten.

    Mit der Zuerkennung von Rechten sieht es aller-
    dings schlecht aus. Freiwillige Prostitution ist zwar nicht
    verboten, sie wird aber nach überwiegender Rechtspre-
    chung gemäß § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig bewer-
    tet. Als Maßstab für die guten Sitten gilt noch immer „das
    Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“,
    eine Formel, die das deutsche Reichsgericht im
    Jahre 1901 – immerhin vor 100 Jahren – entwickelt hat.
    Aufgrund dieser verstaubten Formel sind Vereinbarun-
    gen von Prostituierten nicht rechtswirksam. Das bedeutet
    im Klartext: Sexuelle Leistung ist steuerpflichtig, der An-
    spruch auf Lohn für diese Leistung wird aufgrund der Sit-
    tenwidrigkeit jedoch rechtlich nicht anerkannt.

    Dies hat schwerwiegende Folgen für die materielle
    und soziale Existenzsicherung der betroffenen Frauen; denn
    sie können zum Beispiel ihren Lohn nicht einklagen. Es be-
    deutet auch, dass sie derzeit keinen Anspruch auf Pflicht-
    versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Vizepräsidentin Petra Bläss

    16485


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    der Arbeitslosenversicherung sowie in der Rentenversi-
    cherung haben. Dies sind unhaltbare Zustände.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


    Die herrschende Ungerechtigkeit, auf der einen Seite
    Steuern zu kassieren, auf der anderen Seite aber den Men-
    schen jede Möglichkeit zur sozialen Absicherung zu ver-
    weigern, ist nicht länger hinnehmbar und sie entspricht
    auch nicht mehr dem Zeitgeist. Darum freue ich mich,
    dass wir unser Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um-
    setzen und damit gleichzeitig einer Aufforderung der
    Vereinten Nationen nachkommen können. Wir haben
    eine Regelung gefunden, die sowohl die rechtliche als
    auch die soziale Situation der betroffenen Frauen und
    auch der Männer in diesem Gewerbe verbessern wird. Sie
    erfasst sowohl die selbstständig Tätigen als auch die ab-
    hängig Beschäftigten.

    Unser Gesetzentwurf stellt ganz klar fest, dass sexuelle
    Handlungen, die gegen ein vorher vereinbartes Entgelt
    vorgenommen worden sind, eine rechtswirksame Forde-
    rung nach sich ziehen, das heißt, derartige Vereinbarun-
    gen verstoßen nicht mehr gegen die guten Sitten.

    Die Abschaffung der Sittenwidrigkeit entspricht
    dem Wandel im Moral- und Rechtsempfinden unserer Ge-
    sellschaft, dem wir endlich Rechnung tragen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)


    Gerade im Bereich der Sexualität hat im letzten Jahrhun-
    dert eine besonders schnelle Veränderung der Wertvor-
    stellungen stattgefunden. Wer kann sich heute noch vor-
    stellen, dass sich eine Mutter der Kuppelei schuldig
    machte, wenn sie ihre Tochter und deren Verlobten bei
    sich übernachten ließ? Oder wer weiß noch, dass Ehe-
    bruch strafbar war und Beamte wegen dieses Deliktes ent-
    lassen werden konnten?

    Auch die Gerichte haben diesen Wertewandel erkannt.
    Der BGH hat bereits 1976 in einer Entscheidung anklin-
    gen lassen, dass angesichts der Legalität der Prostitution
    durchaus ein Wandel in der Beurteilung nach § 138 BGB
    möglich ist. Eines der letzten – nicht rechtskräftigen – Ur-
    teile in diesem Zusammenhang erließ das Verwaltungsge-
    richt Berlin im Dezember 2000. Es stellt fest, dass „Pros-
    titution ... heute grundsätzlich nicht mehr als sittenwidrig
    einzustufen ist“.

    Das vonseiten der CDU/CSU vorgebrachte Argument,
    das Angebot sexueller Dienste sei mit dem in Art. 1 des
    Grundgesetzes verankerten Schutz der menschlichen
    Würde unvereinbar, zieht nicht. Wir haben dies eingehend
    prüfen lassen. Ich zitiere aus dem Rechtsgutachten von
    Frau Dr. Susanne Baer von der Humboldt-Universität hier
    in Berlin:

    Das ... freiwillige Angebot sexueller Dienstleistun-
    gen gegen Entgelt, die weder Verletzungen noch Ge-
    walt beinhalten, ist kein Verstoß gegen die Men-
    schenwürde. Entsprechende Verträge sind daher
    nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen nichtig.

    Die Verfassung steht demnach unserer Gesetzesvorlage
    nicht entgegen.

    Durch die Abschaffung der Sittenwidrigkeit erreichen
    wir vor allem zwei Ziele: Die Frauen können zukünftig
    rechtswirksame Vereinbarungen treffen, das heißt, sie
    können ihren Lohn wirksam einklagen, und Prostituierte
    erhalten dadurch über ihre eigentliche Tätigkeit, nicht
    über Scheinberufe, Anspruch auf Pflichtversicherung
    in der gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen- sowie Ren-
    tenversicherung.

    Wir haben des Weiteren bei unserem Gesetz eine be-
    sondere rechtliche Ausgestaltung gewählt. Die Vereinba-
    rung einer Prostituierten über die Erbringung sexueller
    Handlungen wird als einseitig verpflichtender Vertrag an-
    gesehen. Die Forderung, die eine Prostituierte erwirbt,
    kann nicht abgetreten werden. Wir haben dies bewusst so
    geregelt, denn es ist unser Anliegen, die Rechtsstellung
    der Frauen zu verbessern und nicht die anderer Beteilig-
    ter.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Konkret heißt das: Kunden können aus diesem Vertrag
    keine Ansprüche auf bestimmte sexuelle Leistungen ge-
    genüber Prostituierten herleiten. Die Prostituierte behält
    auch gegenüber dem Bordellbesitzer ihr Recht auf die
    freie Auswahl der Kunden und das alleinige Bestim-
    mungsrecht, welche Art von sexueller Dienstleistung sie
    erbringt. Durch die Nichtabtretbarkeit der Forderung wird
    sichergestellt, dass Bordellbesitzer gegenüber den Prosti-
    tuierten kein Erpressungspotenzial in die Hände bekom-
    men.

    Ich möchte klarstellen, dass wir mit diesem Gesetzent-
    wurf Prostitution nicht als einen normalen Beruf anerken-
    nen. Dies hat seine Gründe. Wir wollen damit nicht die
    Prostituierten abwerten, sondern tragen lediglich den Be-
    sonderheiten ihrer Tätigkeit Rechnung. Zu einem Beruf
    im arbeitsrechtlich korrekten Sinne gehört nämlich zum
    Beispiel auch, dass in diesem ausgebildet werden kann
    oder dass dem Arbeitsamt freie Stellen gemeldet werden
    können, und dieses seinerseits in freie Stellen vermitteln
    kann. Ich sage hier und klar deutlich: Das ist von uns nicht
    gewollt und das wird es auch nicht geben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Prostituierte können sich zukünftig gegen Arbeitslo-
    sigkeit versichern, sich nach Einhaltung der Fristen bei
    Verlust ihrer Arbeit arbeitslos melden und haben An-
    spruch auf Arbeitslosengeld. Sie haben vor allem die
    Möglichkeit, über das Arbeitsamt eine Umschulung zu
    beantragen oder sich ohne Umschulung in einen anderen
    Beruf vermitteln zu lassen. Ich halte dies für eine deutlich
    verbesserte Perspektive.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sehen wir uns doch einmal die Realität an: Wenn Prosti-
    tuierte ihren Beruf nicht mehr ausüben können, sind viele
    von ihnen auf die Sozialhilfe angewiesen. Der vorlie-
    gende Gesetzentwurf schafft hier Abhilfe.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Anni Brandt-Elsweier

    16486


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    Ich betone noch einmal ausdrücklich unser Ziel, die Si-
    tuation der Prostituierten zu verbessern, ihnen mehr
    Rechte an die Hand zu geben, ihr Selbstverständnis und
    ihre Position gegenüber Freiern und Zuhältern zu stärken.

    Von diesem Gedanken haben wir uns auch bei den Än-
    derungen im Strafrecht leiten lassen. Durch die Strei-
    chung des § 180 a Abs. 1 Ziffer 2 StGB ist die Schaffung
    angemessener Arbeitsbedingungen zukünftig nicht mehr
    strafrechtlich sanktioniert. Das bedeutet für die Praxis,
    dass es zum Beispiel möglich sein wird, in einem Bordell
    Kondome auszulegen, einen Sicherheitsdienst zu be-
    schäftigen oder ein angenehmes Ambiente herzustellen.

    Die Änderung im Strafrecht stellt auch klar, dass sich
    ein Bordellbesitzer, der Prostituierte beschäftigt, nicht
    mehr strafbar macht. Die Frauen können also zukünftig
    mit einem Bordellbesitzer eine Vereinbarung eingehen
    und dafür einen monatlichen Lohn bekommen. Diese
    Tätigkeit ist dann, wie jede andere berufliche Tätigkeit
    auch, sozialversicherungspflichtig.

    Wir haben jedoch den § 181 a StGB, Zuhälterei, nicht
    geändert – auch dies zum Schutze der Frauen. Zwang,
    Ausbeutung oder unzumutbare Beeinflussung der Betrof-
    fenen bleiben weiterhin strafbar, auch der Schutz der Min-
    derjährigen bleibt gewährleistet.

    Prostituierte können also zukünftig einen eigenen Bei-
    trag zu ihrer Absicherung leisten. Wir schaffen ihnen da-
    mit auch einen größeren Spielraum, aus ihrer Tätigkeit
    auszusteigen, wenn sie dies wollen. Sie können die Hilfe
    des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen, haben die Mög-
    lichkeit, für Alter und Krankheit vorzusorgen.

    Ich befürworte hiermit ausdrücklich, weitere Modell-
    projekte für ausstiegswillige Prostituierte zu fördern und
    zu unterstützen. In Nordrhein-Westfalen läuft seit 1997
    ein derartiges Modellprojekt in Zusammenarbeit mit Or-
    ganisationen der Prostituierten. Ich halte dies für den rich-
    tigen Ansatz und wünschte mir, mehr Projekte dieser Art
    auf Länderebene zu finden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Ich möchte auch noch kurz auf den Einwand eingehen,
    unser Gesetz würde vor allem für die ausländischen Pros-
    tituierten keine Verbesserungen bringen. Auch das stimmt
    so nicht. Das Gesetz gilt natürlich auch für ausländische
    Prostituierte, soweit sie einen legalen Aufenthaltsstatus
    haben. Dies ist allerdings kein Gesetz, das organisierte
    Kriminalität, Frauenhandel und Zwangsprostitution be-
    kämpft. Das ist eine völlig andere Problematik, mit der
    wir uns an anderer Stelle zu beschäftigen haben. Wir kön-
    nen mit dieser Regelung auch nicht den Menschenhandel
    bekämpfen. Wir können jedoch dazu beitragen, dass das
    Prostitutionsgewerbe insgesamt durchsichtiger wird. Es
    wird den Tätern künftig schwerer fallen, ihre Taten im
    Dunkeln zu halten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Einflussnahme durch Zuhälter wird zurückge-
    drängt, das Selbstverständnis der Prostituierten wird
    gestärkt. Dadurch verstärken wir auch die Steuerungs-

    möglichkeiten der Behörden und damit auch die Mög-
    lichkeiten der Bekämpfung der organisierten Kriminalität
    in diesem Bereich.

    Ich halte unsere Regelungen für eine gute und ausge-
    wogene Lösung und würde mir wünschen , dass wir in den
    uns bevorstehenden Diskussionen Einvernehmen über
    diesen Gesetzentwurf erreichen.

    Zum Abschluss möchte ich die betroffenen Frauen bit-
    ten, von den Möglichkeiten, die das Gesetz ihnen einräu-
    men wird, Gebrauch zu machen. Es wird nur dann wirk-
    lich Verbesserungen im praktischen Alltag bringen, wenn
    die Frauen ihre Rechte auch nutzen. Dazu fordere ich sie
    mit allem Nachdruck auf.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht jetzt die Kollegin Ilse Falk.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ilse Falk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
    ginnen und Kollegen! Unendlich lange scheint es her zu
    sein, seit wir uns 1992 von Bonn aus nach Berlin auf den
    Weg machten, um uns neben anderen Themen auch mit
    der Problematik der Prostitution zu befassen. Wir, das wa-
    ren Mitglieder des Ausschusses Frauen und Jugend, die
    im Gespräch mit Prostituierten vom Projekt Hydra Nähe-
    res über deren Lebenswirklichkeit erfahren wollten. Wir,
    das waren acht oder zehn Frauen und ein junger Parla-
    mentsreferent.

    Wir lernten damals Frauen kennen, die selbstbewusst
    ihren Beruf vertraten und vehement forderten, diesen
    auch als solchen anerkannt zu bekommen. Klagen über
    Doppelmoral, fehlende arbeitsvertragliche Regelungen
    und damit verbunden einen versperrten Zugang zur Sozi-
    alversicherung waren wesentliche Gesprächsschwer-
    punkte. Sie berichteten uns, die Arbeit mache ihnen im
    Übrigen Spaß und sie sähen nichts Unsittliches dabei. Wir
    waren beeindruckt, aber auch höchst irritiert, weil wir uns
    eigentlich nicht vorstellen konnten, dass diese Tätigkeit
    tatsächlich so angenehm sein könnte, und beschlossen,
    dies intensiv zu hinterfragen.

    Vieles haben wir seitdem über Schicksale und Wege er-
    fahren, die in die Prostitution geführt haben. Mitnichten
    war es immer freiwillig und schon gar nicht immer schön.
    Was wir damals schon vermutet hatten, hat sich bestätigt:
    Frauen wie bei Hydra oder in anderen Hurenorganisatio-
    nen sind eher die Starken, also diejenigen, die in der Lage
    sind, sich zu wehren und für ihre Rechte zu kämpfen. Sie
    sind ganz sicher nicht die Mehrheit.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun sind wir nicht
    mehr nur zu Besuch in Berlin, sondern leben hier, zumin-
    dest wochenweise. Jeder, der nicht mit Blindheit geschla-
    gen ist, kann sehen, dass Nacht für Nacht Frauen und
    Mädchen, aber auch Männer und Jungen ihren Körper als
    Ware anbieten und ganz offensichtlich genügend Freier
    ihre Dienste nachfragen. Was wir aber immer noch nicht

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Anni Brandt-Elsweier

    16487


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    sehen und nicht wissen können, ist, ob sich die Prostitu-
    ierten freiwillig oder unter Druck anbieten, ob sie anstän-
    dig behandelt werden oder Gewalt erleben und ausgebeu-
    tet werden. Wir wissen aber, dass sich tagtäglich viel zu
    vieles im Milieu abspielt, was an Erniedrigung weit über
    unser Vorstellungsvermögen hinausgeht. Unvorstellbar
    ist auch die Zahl der Kinder, die in diesem Gewerbe an-
    zutreffen ist.

    Aber heute können weder sie noch diejenigen, die der
    Beschaffungsprostitution nachgehen oder unter unvor-
    stellbaren Zwängen illegal in diesem Metier eine Art
    Sklavenarbeit leisten, im Mittelpunkt der Überlegungen
    stehen. Für sie müssen wir andere Antworten finden, Ant-
    worten die zum Beispiel bei der Bekämpfung von Sucht
    und Menschenhandel ansetzen.

    Heute kann es nur um die Menschen gehen, die mehr
    oder weniger freiwillig der Prostitution nachgehen. Aber
    auch von ihnen wissen wir, dass sie oft in einen Teufels-
    kreis geraten. Da sind zum Beispiel die Frauen, die nach
    Scheidung oder Trennung als Alleinerziehende massive
    finanzielle Probleme haben. Da verweigert der Mann die
    Unterhaltszahlung. Die Frau geht zum Sozialamt, um dort
    zu erfahren, dass sie zunächst ihren Mann auf Unterhalt
    verklagen müsse, ehe Sozialhilfe zur Auszahlung kom-
    men könne. Geld braucht sie aber sofort und da ist es
    schnell passiert, dass sie der Versuchung von Kleinanzei-
    gen erliegt, die mit leicht verdientem Geld in Saunaclubs
    oder ähnlichen Etablissements locken.

    Oft beginnt damit ein zunächst freiwilliges, aber später
    verhängnisvolles Doppelleben, in dem der Traum vom
    Reichtum immer ein Traum bleibt. Miete und Steuern
    müssen bezahlt werden, Zuhälter und Bordellwirte schöp-
    fen 40 bis 60 Prozent vom Lohn ab. Für die Sozialversi-
    cherung reicht das Geld schon gar nicht aus oder aber die
    Krankenversicherung verweigert die Aufnahme, was bei
    entstehenden Krankheitskosten dann definitiv in die Ver-
    schuldung führt. Die Bedingungen, unter denen Prostitu-
    ierte arbeiten, sind womöglich auch noch erbärmlich, weil
    jeder Betreiber eines Etablissements sich der Förderung
    der Prostitution schuldig macht, wenn er angenehmere
    Arbeitsbedingungen schafft. Das ist ein Teufelskreis; es
    gibt viele Fragen, auf die wir endlich Antworten finden
    müssen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der letzten
    Legislaturperiode haben wir uns aus Anlass eines Antrags
    der Grünen intensiv mit diesem Thema befasst, aber
    tatsächlich sind wir seit 1992 der Lösung dieses Problems
    nicht wirklich näher gekommen. Heute starten wir einen
    neuen Versuch.

    Die Abwägung, welche Regelungen notwendig und
    wünschenswert sind, ist schwierig. Neuregelungen dürfen
    die Würde der betroffenen Frauen insbesondere hinsicht-
    lich ihrer sexuellen Selbstbestimmung nicht verletzen,
    müssen von der Gesellschaft mitgetragen werden können
    und sollen gleichzeitig den Frauen mehr Rechte geben.
    Die Erfüllung dieser Erfordernisse gleicht in mancher
    Hinsicht einem Spagat. Wohl auch aus diesen Gründen
    haben die Koalitionsfraktionen den schon so lange an-
    gekündigten Gesetzentwurf erst jetzt vorgelegt.

    Ist der Gesetzgeber aus den genannten Gründen also
    bisher noch nicht erfolgreich gewesen, so hat sich in der
    Gesellschaft ein Wandel in der Einstellung zur Prostitu-
    tion vollzogen. Frauen, die sich offen dazu bekennen, als
    Prostituierte zu arbeiten, werden heute gesellschaftlich
    nicht mehr geächtet. Viele Prostituierte treten selbstbe-
    wusst auf und fordern ihre Rechte ein. Dabei werden sie
    von einem Großteil der Gesellschaft unterstützt. Frauen
    wie Felicitas Weigmann, die in ihrem Café „Pssst!“ ange-
    nehme Arbeitsbedingungen für Prostituierte geschaffen
    hat, gelten als Vorbild, ihr Tun gilt nicht mehr als ver-
    werflich.

    Als Gesetzgeber müssen wir nun die Frage beantwor-
    ten, ob und gegebenenfalls wie dieser Wandel in der Be-
    wertung von Prostitution durch die Gesellschaft auch ge-
    setzgeberisch begleitet werden muss.

    Müssen wir grundlegende Wertvorstellungen tatsäch-
    lich aufgeben, um da zu helfen, wo Hilfe so dringend
    nötig ist? Müssen wir tatsächlich Prostitution als einen
    Beruf wie jeden anderen akzeptieren?


    (Hanna Wolf [München] [SPD]: Das wollen wir ja nicht!)


    Ist es nicht vielmehr richtig, wenn wir es weiterhin für
    moralisch höchst fragwürdig halten, wenn der eigene
    Körper zur Ware gemacht wird und einen großen Käufer-
    kreis findet?

    Als CDU/CSU können und wollen wir Prostitution
    nicht zu einem normalen Beruf machen,


    (Hanna Wolf [München] [SPD]: Wir auch nicht!)


    sondern zuallererst unser Augenmerk darauf richten, wie
    wir Frauen entweder erreichen können, bevor sie auf die
    Straße oder in Bordelle gehen, oder aber darauf, wie wir
    ihnen reale Ausstiegshilfen geben können. Darüber sind
    wir uns sicher fraktionsübergreifend einig.

    Wir sind allerdings nicht so naiv, zu glauben, dass wir
    damit auch nur annähernd alle Probleme gelöst hätten.
    Natürlich wird es die Prostitution in allen Variationen im-
    mer geben. Manchmal ist man auch geneigt, zu sagen, es
    muss sie immer geben, so wie es sie seit Jahrtausenden
    schon immer gegeben hat. Kein noch so gutes Gesetz,
    keine noch so drakonischen Strafen haben daran etwas
    Entscheidendes geändert.

    Seien wir doch ehrlich: Die Gesetze, die wir über all
    die Jahre so heftig verteidigt haben, haben Zustände und
    Entwicklungen, die wir heute diskutieren, mitnichten ver-
    hindert.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Versuchen wir doch einmal neue Ansätze. Fesseln wir
    uns doch nicht immer wieder selber mit dem Begriff der
    Sittenwidrigkeit. Hierzu gibt es in der Gesellschaft so
    vielfältige Meinungen, wie es Menschen gibt, die sich da-
    mit befassen. Wir werden wahrscheinlich niemals auch
    nur annähernd Übereinstimmung erreichen können.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Ilse Falk

    16488


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Dennoch bin ich der Meinung, dass der Gesetzgeber
    hier nicht leichtfertig Wertvorstellungen preisgeben darf,
    die ihre guten Gründe für die Ordnung des Zusammenle-
    bens in unserer Gesellschaft haben.


    (Hanna Wolf [München] [SPD]: Sie reden jetzt vollkommen anders als am Anfang Ihrer Rede!)


    Hier können Grenzen überschritten werden, was die Ach-
    tung und Respektierung der jedem Menschen eigenen
    Menschenwürde aufs Spiel setzt. Das können wir nicht
    wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Natürlich gibt es ein ganz großes Aber. Auch wenn der
    Staat das Recht und die Pflicht hat, hohe moralische Hür-
    den aufrechtzuerhalten, so kann er es nicht allein bei der
    Postulierung dieser Wertvorstellungen bewenden lassen,
    sondern er hat vielmehr auch eine Fürsorgepflicht ge-
    genüber denjenigen, die dieser Fürsorge bedürfen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    So müssen wir einerseits darüber sprechen, dass auch
    diejenigen, die vielleicht nicht unseren moralischen Wert-
    vorstellungen entsprechen, Anspruch auf die Unantast-
    barkeit ihrer Menschenwürde haben. Andererseits müssen
    wir über die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber allen
    Bürgerinnen und Bürgern sprechen und auf den Prüfstand
    stellen, was ihrer Umsetzung dienen könnte. Wenn wir
    uns also darauf verständigen, uns allein von der Fürsor-
    gepflicht leiten zu lassen, wird es vielleicht einfacher,
    Vorschläge unvoreingenommen auf ihre Wirksamkeit zu
    überprüfen und zu wirklichen Problemlösungen zu kom-
    men.

    Dann erst können wir ehrlich nachfragen, wen genau
    wir mit diesen Lösungsvorschlägen überhaupt erreichen
    können und wollen,


    (Zuruf von der SPD: Machen Sie doch einmal welche!)


    ob Arbeitsverträge tatsächlich die ideale Lösung sind, um
    den Zugang zur Sozialversicherung zu bekommen, oder
    ob sie nicht vielmehr ein hohes Druckpotenzial beinhal-
    ten, das Prostituierte womöglich in neue Abhängigkeiten
    bringen kann, ob nicht andere Zugänge zur gesetzlichen
    Krankenversicherung wieder zu öffnen wären und ob
    nicht an die Träger der privaten Krankenversicherung zu
    appellieren ist, auch Prostituierte aufzunehmen.

    Da sei nur am Rande angemerkt: Nachweislich stellt
    diese Gruppe kein erhöhtes Krankheitsrisiko dar. Im Ge-
    genteil: Der Anteil an HIV-Infizierten ist geringer als
    beim Durchschnitt der Bevölkerung. Gesundheit ist das
    Kapital der Prostituierten.

    Gute Arbeitsbedingungen können dann eigentlich kein
    strafbares Delikt mehr sein, sondern müssten eine Forde-
    rung werden.

    Meine Redezeit reicht nicht aus, um im Einzelnen auf
    die konkreten Vorschläge des Gesetzentwurfes einzuge-

    hen. Es werden sicherlich Anhörungen von Sachverstän-
    digen notwendig sein. Mir war es heute aber wichtig, den
    Versuch zu unternehmen, eine Basis herzustellen, die uns
    die weiteren Schritte erleichtern kann. Nicht juristische
    Spitzfindigkeiten, sondern ein gesundes Rechtsempfin-
    den und eine Orientierung an den praktischen Notwen-
    digkeiten lassen uns am Ende vielleicht gute Lösungen
    finden. Versuchen wir es doch einmal!


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Hanna Wolf [München] [SPD]: Da bin ich aber gespannt!)