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    Nachruf auf den Abgeordneten Dr. Werner Schuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16429 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Vereinbarte Debatte zur Rentenpolitik 16429 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16429 B Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16431 B Kerstin Müller (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16434 D Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . 16437 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16439 B Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16440 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16441 C Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 16443 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 16446 A Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversi- cherung und zur Förderung eines kapitalge- deckten Altersvorsorgevermögens (Alters- vermögensgesetz) (Drucksachen 14/4595, 14/5068, 14/5146, 14/5150, 14/5367, 14/5383, 14/5970) . . . 16446 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 16447 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16449 D Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Monika Griefahn, Eckhardt Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordne- ten Rita Grießhaber, Dr. Antje Vollmer, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Auswär- tige Kulturpolitik für das 21. Jahrhundert (Drucksache 14/5799) . . . . . . . . . . . . . . . 16447 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: „Pu- blic Private Partnership“ in der aus- wärtigen Kulturpolitik (Drucksache 14/5963) . . . . . . . . . . . . . . . 16447 B Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16447 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . 16452 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16454 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16455 A Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16456 A Dr. Elke Leonhard SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16457 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 16458 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . 16460 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16460 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 16461 A Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . . . . . 16462 C Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . 16464 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16465 B Tagesordnungspunkt 17: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Karl Lamers, Christian Plenarprotokoll 14/168 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 168. Sitzung Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 I n h a l t : Schmidt (Fürth), Hartmut Koschyk und der Fraktion der CDU/CSU: Chancen des deutsch-polnischen Nachbarschaftsver- trages für Versöhnung stärker nutzen (Drucksachen 14/5138, 14/5814) . . . . . . . 16466 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16466 C Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16468 C Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16470 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . 16470 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16471 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16473 B Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16473 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16474 B Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . . . . . 16475 B Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung von Be- schränkungen des Brief-, Post- und Fern- meldegeheimnisses (Drucksachen 14/5655, 14/5981) . . . . . . . 16476 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 16477 A Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16477 D Erwin Marschewski CDU/CSU . . . . . . . . . . 16478 B Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . 16479 A Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16479 C Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16480 B Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 B Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16481 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16482 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16483 B Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Drucksache 14/5958) . . . . . . . . . . . . . . . 16485 C Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 16485 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16487 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16489 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16490 D Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16492 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16492 D Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausprägung einer 1-DM-Gold- münze und die Errichtung der Stiftung „Geld und Währung“ und zur Unterstüt- zung der Rekonstruktion der Museumsinsel (Museumsinselunterstützungsgesetz) (Drucksache 14/5274) . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16493 A Ingrid Arndt-Brauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16493 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 16494 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16495 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 16496 A Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Kersten Naumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Drucksache 14/5766) . . . . . . . . . . . . . . . 16496 C Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 16496 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16498 C Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16498 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16499 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Landschaftspflege (Ta- gesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16500 A Christel Deichmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16500 B Franz Obermeier CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16502 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . 16503 C Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16504 D Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16505 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 Vizepräsidentin Petra Bläss 16498 (C)(A) Berichtigung 167. Sitzung, Seite 16353 (C), dritter Absatz, der vierte und der fünfte Satz sind wie folgt zu lesen: „Dies ist für uns nur unter bestimmten Bedingungen akzeptabel und sogar sinnvoll: Ich glaube nicht, dass nur DB Cargo Güterverkehr durchführen kann, um das ganz klar zu sagen.“ Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16499 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 11.05.2001 Barthel (Berlin), SPD 11.05.2001 Eckhardt Barthle, Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 11.05.2001** Bindig, Rudolf SPD 11.05.2001* Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 11.05.2001 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 11.05.2001 Wolfgang Carstens (Emstek), CDU/CSU 11.05.2001 Manfred Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 11.05.2001 Peter H. Dr. Däubler-Gmelin, SPD 11.05.2001 Herta Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 11.05.2001 Peter Fuhrmann, Arne SPD 11.05.2001 Dr. Gerhardt, Wolfgang F.D.P. 11.05.2001 Gleicke, Iris SPD 11.05.2001 Glos, Michael CDU/CSU 11.05.2001 Göllner, Uwe SPD 11.05.2001 Hartnagel, Anke SPD 11.05.2001 Haschke (Großhenners- CDU/CSU 11.05.2001 dorf ), Gottfried Hauser (Bonn), Norbert CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 11.05.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN Hiksch, Uwe PDS 11.05.2001 Hirche, Walter F.D.P. 11.05.2001 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 11.05.2001 Jünger, Sabine PDS 11.05.2001 Dr.-Ing. Kansy, Dietmar CDU/CSU 11.05.2001 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 11.05.2001 Klappert, Marianne SPD 11.05.2001 Kramme, Anette SPD 11.05.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 11.05.2001 Leidinger, Robert SPD 11.05.2001 Lippmann, Heidi PDS 11.05.2001 Müller (Berlin), PDS 11.05.2001 Manfred Müller (Jena), Bernward CDU/CSU 11.05.2001 Müller (Zittau), SPD 11.05.2001 Christian Neumann (Bremen), CDU/CSU 11.05.2001 Bernd Nietan, Dietmar SPD 11.05.2001 Ostrowski, Christine PDS 11.05.2001 Pau, Petra PDS 11.05.2001 Pfeifer, Anton CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 11.05.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 11.05.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 11.05.2001 Rühe, Volker CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Scheer, Hermann SPD 11.05.2001 Schmidt (Mülheim), CDU/CSU 11.05.2001 Andreas Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.05.2001 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 11.05.2001 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 11.05.2001 Schulz, Gerhard CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Schuster, R. Werner SPD 11.05.2001 Dr. Spielmann, Margrit SPD 11.05.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 11.05.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 11.05.2001 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 11.05.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 11.05.2001 Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 11.05.2001 Wimmer (Karlsruhe), SPD 11.05.2001 Brigitte Wissmann, Matthias CDU/CSU 11.05.2001 Wistuba, Engelbert SPD 11.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 11.05.2001 Dr. Wolf, Winfried PDS 11.05.2001 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 11.05.2001 Margareta DIE GRÜNEN Zierer, Benno CDU/CSU 11.05.2001* Zöller, Wolfgang CDU/CSU 11.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an der Sitzung der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzes und der Land- schaftspflege (Tagesordnungspunkt 21) Christel Deichmann (SPD): Die grundlegende Mo- dernisierung des Bundesnaturschutzgesetzes ist das we- sentliche umweltpolitische Vorhaben dieser Bundesregie- rung und der sie tragenden Fraktionen. Anfang Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf vorgelegt, der anspruchsvolle und zukunftsweisende Regelungen enthält. Viele der von der SPD seit Jahren immer wieder gestellten Forderungen werden demnach voraussichtlich in die Novellierung ein- fließen. Ein weiterer wesentlicher Punkt aus der Koali- tionsvereinbarung wäre damit umgesetzt. Das erste Bundesnaturschutzgesetz trat 1976 in Kraft. Es wurde bislang dreimal novelliert: 1987 setzte die so genannte Artenschutznovelle internationale Verpflichtun- gen zum Artenschutz um. Die verspätete Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht führte im April 1998 zur zweiten Novellierung. Schließlich wurde mit der drit- ten Novelle kurze Zeit später, nämlich im August 1998, der stark umstrittene § 3 b zum Ausgleich von Nutzungs- beschränkungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Regelungen zum Vertragsnaturschutz und zu Bio- sphärenreservaten eingeführt. Die Anläufe für die überfällige grundlegende Novel- lierung sind in den vergangenen Legislaturperioden je- doch gescheitert. Eine umfassende Novellierung ist aber dringend erforderlich – und das aus folgenden Gründen: Wie im PDS-Entwurf richtig herausgestellt wurde, ist die Natur in einem erbärmlichen Zustand. Die Roten Listen der Pflanzen- und Tierarten sowie zahlreiche Umweltgut- achten dokumentieren diese Situation. Für uns ist das grundlegende Ziel der Gesamtnovelle, die natürlichen Le- bensgrundlagen auch für die nachkommenden Generatio- nen zu sichern. Daher ist es erforderlich, bei der Bevölke- rung mehr Akzeptanz, Verantwortungsbewusstsein und Verständnis für Maßnahmen des Naturschutzes zu schaf- fen. Die Verantwortung für die künftigen Generationen soll unterstreichen, dass für den Schutz von Natur und Landschaft die aktuellen Nutzungsinteressen des Men- schen nicht alleine im Vordergrund stehen. Das alte Bundesnaturschutzgesetz hob bei den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nur auf die Leistungsfähigkeit der Natur ab. Erstmalig haben das Prinzip der Nachhaltigkeit, die Regenerationsfähigkeit der Naturgüter und der Bezug zu internationalen Natur- schutzanforderungen in die Ziele und Grundbestimmun- gen Eingang gefunden: Somit entspricht die Neufassung des Gesetzes weitestgehend den gewandelten Anforde- rungen an einen zeitgemäßen Naturschutz. Ich bin sehr froh, dass nach über 20 Jahren Stillstand im Naturschutzrecht – die erwähnten Novellierungen im Jahre 1998 brachten keine Weiterentwicklung in dieser Frage – nun eine echte Chance für Fortschritte beim Schutz der Natur in Deutschland besteht. Die im Entwurf des BMU vorgesehenen Regelungen geben die Richtung vor, die immer noch fortschreitende Naturzerstörung und die Bedrohung vieler einzigartiger Tiere und Pflanzen effektiver zu stoppen. Es ist bekannt, dass die Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten in nicht unwesentlichem Maße am Rückgang der Pflanzen- und Tierarten beteiligt waren. Aber auch eines ist uns Umweltpolitikern bewusst. Viele Naturflächen sind erst durch spezielle Bewirtschaftungs- und Nutzungsformen der Landbewirtschaftung entstanden. Entfällt die Bewirt- schaftung, verändern sich die Flächen wieder hin zu natür- lichen Vegetationsformen – der Artenreichtum nimmt ab. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die Koope- ration zwischen Naturschützern und den Land- und Forst- wirten für uns Politikerinnen und Politiker der SPD schon immer ein zentraler Punkt in der Naturschutzpolitik ge- wesen ist. Nur durch das Miteinander von Umweltschüt- zern und Landnutzern kann eine flächendeckende natur- verträgliche Nutzung ermöglicht werden. Unter allen Nutzergruppen ist die Landwirtschaft die Bedeutendste – sie beansprucht rund 55 Prozent der Fläche Deutschlands. Auf ihr lastet somit eine erhöhte Verantwortung für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer schützenswer- ten Natur- und Kulturlandschaft. Für uns sind bei der Modernisierung des Naturschutz- rechtes nachfolgende Punkte besonders wichtig: die be- reits erwähnte Formulierung der guten fachlichen Praxis unter naturschutzfachlicher Sicht, die Umwandlung der bestehenden Ausgleichsregelung in eine Rahmenrege- lung, die Schaffung eines Biotopverbundsystems auf min- destens 10 Prozent der jeweiligen Landesfläche, die Auf- wertung und Konkretisierung der Landschaftsplanung, die Erweiterung der Eingriffsregelung, die Einführung der bundesweiten Verbandsklage, die Aufnahme des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116500 (C) (D) (A) (B) Entwicklungsaspektes bei den Nationalparks und Ein- führung des Umgebungsschutzes sowie die Erweiterung des Geltungsbereiches auf die AWZ. Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben die Koaliti- onsfraktionen Fachgespräche und Diskussionen mit den betroffenen Nutzergruppen, mit Naturschützern, mit Ver- tretern der Bundesländer und auch mit kommunalen Ver- tretern geführt, um die unterschiedlichsten Aspekte und Anforderungen bei der Novellierung des Naturschutzrech- tes mit einzubeziehen. Der von dem BMU erarbeitete Ge- setzentwurf enthält im Wesentlichen auch die von uns für wichtig erachteten oben genannten Punkte. Die Umweltverbände NABU und BUND bestätigen in ihren Presseerklärungen von Anfang März dieses Jahres, dass der Entwurf eine wesentliche Verbesserung der bishe- rigen Rechtslage darstellt. Dass an einigen Stellen noch Korrekturen notwendig sind, das sehen auch wir. Zurzeit befindet sich der Entwurf aber noch in der Ressortabstim- mung – das endgültige Ergebnis ist erst einmal abzuwarten. Eines muss ich den Kolleginnen und Kollegen der PDS lassen: Es ist in einer Art ziemlich clever, die Stellung- nahmen verschiedener Naturschutz- und Umweltexperten anlässlich der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf zu analysieren, die besten Teile herauszunehmen und dann daraus ein neues Gesetzeswerk zu präsentieren. Sie schießen mit Ihrem Gesetzentwurf jedoch ins Leere, be- vor das begehrte Zielobjekt überhaupt vollständig auf der Bildfläche erschienen ist. Voraussichtlich soll noch vor der Sommerpause ein Kabinettsentwurf parallel an den Bundesrat und an den Bundestag überwiesen werden. Dann werden. auch wir uns im Plenum konkret mit der Novellierung auseinander setzen können. Bis dahin empfehle ich Ihnen, sich erst einmal konstruktiv mit dem gegenwärtigen Referenten- entwurf zu befassen. Gleiches gilt natürlich auch für die Damen und Herren der CDU/CSU und F.D.P. Viele der im PDS-Entwurf aufgeführten Punkte sind auch im Referentenentwurf enthalten – welch Wunder! Im Folgenden will ich nur auf einige eingehen: Die Schaf- fung eines bundesweiten Biotopverbunds auf mindestens 10 Prozent der Landesfläche ist ein herausgehobener Grundsatz im Referentenentwurf des BMU. Dies ent- spricht auch, wie erwähnt, einer der zentralen umweltpo- litischen Forderungen der SPD. Aus meiner Sicht ist es noch diskussionswürdig, welche Schutzkategorien in die- sen Verbund mit einbezogen werden sollen. Im PDS-Entwurf wird einmal ein Mindestanteil von 15 Prozent und im nächsten Satz wieder ein Anteil von 10 Prozent der Landesfläche gefordert. Ich bitte Sie – wir sind hier doch nicht bei „Wünsch dir was“. Aber wahr- scheinlich ist Ihnen dieser Fehler beim Zusammenschnei- den der verschiedenen Vorlagen von Umweltexperten un- terlaufen. Es ist ein hehres Ziel, wenn Sie in Ihrer Ge- setzesvorlage in § 3 Biotopverbund fordern: Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind als vorrangige Flächen für den Naturschutz durch die Unterschutz- stellung als Naturschutzgebiet, als Nationalpark oder als Biosphärenreservat zu sichern, um einen Biotop- verbund dauerhaft zu gewährleisten. Und das auf 15 Prozent der Landesfläche! Es ist richtig, wenn die Kolleginnen und Kollegen von der PDS sagen, dass in der Vergangenheit umfassende Na- turschutznovellierungsversuche insbesondere am Land- wirtschaftsministerium gescheitert sind. Die vom BM- VEL jetzt eingeleitete Agrarreform unterstützt jedoch unsere Bestrebungen, den Naturschutz insgesamt zu ver- bessern und auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen. In ihrer Regierungserklärung vom 8. Februar 2001 bestätigte die Ministerin ihre aktive Unterstützung für neue Ideen im Naturschutz. Die europäische Rechtsgrundlage, die EAGFL-Verord- nung, gibt ebenfalls vor, dass die „gute fachliche Praxis“ auch im Sinne des biotischen Ressourcenschutzes näher zu definieren ist. Sie gibt weiterhin vor, dass überprüfbare Kriterien festgelegt werden müssen. Ergebnisse eines vom Bundesamt für Naturschutz aus- geschriebenen Forschungsvorhabens verdeutlichen, dass Naturschutzaspekte in den landwirtschaftlichen Fachge- setzen bisher weitgehend unberücksichtigt blieben. Die vergleichsweise wenigen quantitativen Vorgaben sind viel zu lasch und der überwiegende Teil der Anforderungen ist ungenau und rechtlich kaum durchsetzbar formuliert. Die jetzt gefundene Regelung zur „guten fachlichen Praxis“ halte ich für einen Kompromiss, der von allen Sei- ten mit getragen werden kann. Die hier vorgeschlagenen Kriterien sind zwar allgemein gehalten – schließlich han- delt es sich um ein Rahmengesetz –, können aber von den Ländern noch weiter konkretisiert werden, um regionale Gegebenheiten besser zu berücksichtigen. Ich freue mich, dass auch die PDS weitestgehend den Vorschlägen zur guten fachlichen Praxis zustimmt. Mit welcher heißen Nadel der heute eingebrachte Ge- setzentwurf gestrickt wurde, zeigt sich auch im § 7 Abs. 2: Ein finanzieller Ausgleich erfolgt nur für Nutzungs- beschränkungen, welche die gute fachliche Praxis einschränken und die Maßgabe der Sozialpflichtig- keit des Eigentums überschreiten. Und wie bitte ist dies in Abs. 5 desselben Paragraphen zu verstehen „Anstelle eines Ausgleichs können vertrag- liche Vereinbarungen treten.“ Noch nicht ganz trocken ist die Tinte ebenfalls in § 18, „Eingriffe in Natur und Landschaft“: Auszugleichen sind auch Beeinträchtigungen durch Immissionen in der Umgebung der Eingriffsfläche, die auf planerischer Abwägung beruhen, sowie stoff- liche Beeinträchtigungen. Neben der flächendeckenden Landschaftsplanung, die auch wir wollen, fordert der Entwurf der PDS in § 12 ein Bundeslandschaftsprogramm und in § 13 Landesland- schaftsprogramme, in § 14 regionale Landschaftsrahmen- pläne und in § 15 Landschaftspläne. Ein weiterer positi- ver Punkt ist die Forderung nach einer stärkeren Nutzung von erneuerbare Energien. Bravo! Es ist unbestritten, dass Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16501 (C) (D) (A) (B) der Anteil der erneuerbaren Energie am gesamten Ener- gieaufkommen erhöht werden kann und muss: Da kommen aber zum Beispiel im Bereich der Offshore- Windenergieanlagen einige Probleme auf uns zu, denen wir uns bei grundsätzlicher Befürwortung dieser Art der Energieerzeugung stellen werden. Auch im Meeresbe- reich müssen die Belange des Naturschutzes akzeptiert und bei der Durchsetzung konkurrierender Nutzungsan- sprüche be-rücksichtigt werden. Nach Einschätzung des Bundesamtes für Naturschutz, BfN, liegt bereits eine Vielzahl von Daten vor, um Schutzgebiete im deutschen Meeresbereich ausweisen zu können. Trotz guter Ansätze und fortschrittlicher Forderungen hält der Gesetzesentwurf insgesamt einer inhaltlichen und formalen Überprüfung jedoch nicht stand. So steht zum Beispiel das von Ihnen in § 6 geforderte absolute „Priva- tisierungsverbot“ für ökologisch bedeutsame Flächen im Widerspruch mit dem Einigungsvertrag. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an das Prozedere zum Ver- mögensrechtsergänzungsgesetz, als es um die Sicherung für den Naturschutz bedeutsamer BVVG-Flächen ging. Wir werden den begonnenen Diskussionsprozess fort- führen, um Verständnis für unsere Positionen werben und auch Argumente der oben angeführten Gruppen, mit de- nen wir seit Beginn der Legislaturperiode dieses Thema erörtern, mit aufnehmen. Dabei sind wir auf eine breite Unterstützung unterschiedlicher Fachbereiche angewie- sen; das ist uns schon klar. Den von der PDS eingebrach- ten Gesetzentwurf sehe ich als einen Beitrag in der brei- ten Diskussion an, ohne die bereits angeführten Mängel bzw. Differenzen zu verschweigen. Wir werden, wie bekannt, einen eigenen Gesetzent- wurf einbringen, der den Anforderungen an ein Rahmen- gesetz Rechnung trägt, für den Naturschutz anspruchs- volle und zukunftsweisende Regelungen festschreibt und den Bundesländern den erforderlichen Spielraum für eine substanzielle Umsetzung lässt. Ich kann daher Sie alle nur ausdrücklich auffordern, sich an der Diskussion zur No- vellierung des Bundesnaturschutzgesetzes aktiv zu betei- ligen. Franz Obermeier (CDU/CSU): Gerade für CDU und CSU hat bisher der Umwelt- und Naturschutz eine beson- dere Rolle gespielt. Dies bleibt auch künftig so. Deshalb haben wir uns zu unseren Regierungszeiten besonders mit den Herausforderungen in diesem Zusammenhang be- schäftigt, sind diese angegangen und – das darf ich hier ausdrücklich formulieren – haben deutliche Erfolge er- zielen können. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Luft- und Was- serreinhaltung, den Bereich der Abfallwirtschaft, den inter- nationalen Klimaschutz, aber auch die ökologische Neu- orientierung in der Entwicklungspolitik. Gerade Bayern ist zum Beispiel vorbildlich mit seinem Vertragsnaturschutz- programm und mit dem Arten- und Biotopschutzpro- gramm, mit dem Aufbau seines Verbundsystems – Bayern- netz-Natur – und gibt dort 80 Millionen DM pro Jahr für den Naturschutz aus. Dazu kommen noch rund 400 Milli- onen DM für die Förderung einer umweltverträglichen Landwirtschaft. Der PDS-Gesetzentwurf springt zu kurz. Immerhin -hat es die PDS in der Drucksache 14/5766 vom 5. April 2001 auf 48 Seiten Gesetzentwurf gebracht. Darin enthal- ten sind eine ganze Reihe von Zielen und Forderungen aus dem beschlossenen Gesetz der CDU/CSU von 1998. Kri- tisch beleuchten möchte ich in diesem Zusammenhang, dass sich die PDS in ihrem Gesetzentwurf – wie auch die SPD und die Grünen – sehr stark mit der Theorie, mit der Formulierung von Festsetzungen, ja mit der Formulierung von Prozentzahlen auseinander setzt, ohne deutlich zu machen, wo der Bund mehr als bisher Verantwortung übernehmen kann, und Verantwortung übernehmen be- deutet in diesem Zusammenhang auch finanzielle Verant- wortung. Das Bundesnaturschutzgesetz vom 24. Dezember 1976 wurde am 1. Januar 1987 sowie am 30. April 1998 und zu- letzt am 26. August 1998 geändert. Zuletzt ging es im We- sentlichen um die Umsetzung der FFH-Richtlinie und die Stärkung des Vertragsnaturschutzes. Der jetzt vorliegende Entwurf vermag von der Notwendigkeit einer Novelle nicht zu überzeugen, zumal noch nicht einmal der 98er- Beschluss durch die Länder vollends realisiert worden ist. Der jetzige Rahmen gibt die Möglichkeiten, um im Mit- einander mit den Betroffenen mehr zu erreichen, wie die Umsetzung in einzelnen Bundesländern – ich habe Bei- spiele aus Bayern genannt – zeigen. Die Bundesregierung ist tatenlos. Das Konzept der Bundesregierung aus SPD und Grünen ist bisher kein Konzept. Die Vorgehensweise ist geprägt durch ein Hin und Her, durch Schönformuliererei, ohne aber konkret zu werden und wirklich auch zu handeln. Schauen wir uns den Haushalt des BMU an, so ist er von 1999 auf 2000 zunächst abgesenkt worden, um in 2001 in etwa wieder die Höhe der früheren Bundesregie- rung zu erreichen. Der Gesamthaushalt Umwelt hat sogar Defizite gegenüber der Zeit der CDU/CSU-geführten Re- gierung und zudem – hören Sie genau zu – hat sich eine Verschiebung zum Verwaltungsanteil hin vollzogen. Das zeigt deutlich: Man kürzt bei Heimatvereinen und lehnt Anträge zum Vertragsnaturschutz ab. Dies macht deut- lich: Trittin zeichnet sich aus durch Sprüche, will die Na- tionalhymne nicht singen, und der Kanzler tut so, als ginge ihn dies alles nichts an. Oder er gibt eine Presse- konferenz und verkündet, dass jetzt auf dem Papier 10 Prozent – die PDS will 15 Prozent nehmen – Schutzge- biete formuliert werden. Was passiert tatsächlich? Die Prozentzahlen sind ge- griffen, die Definition der Schutzgebiete ist ungenau und wird in der Konkretisierung des Schutzes eher abgesenkt. Die Betroffenen vor Ort wissen nicht, was auf sie zu- kommt. Dies gilt für PDS, SPD und Grüne gleicher- maßen. Statt Kooperation Konfrontation. Was wollen CDU und CSU? CDU und CSU wollen im Vertrauen und im Miteinander mit den Betroffenen etwas für den Naturschutz erreichen. Dies wird nicht gelingen durch Schönfärberei oder Schönrederei, sondern indem beispielsweise der Bund Verantwortung übernimmt in den Naturparken, in Gebieten mit nationaler Bedeutung, in Gebieten von europäischer Bedeutung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116502 (C) (D) (A) (B) Wenn es dazu kommt, die gute fachliche Praxis über die Fachgesetze hinaus aufzuweichen, gefährdet das die Zusammenarbeit von Naturschutz und den vor Ort Wirt- schaftenden. Es gefährdet zudem die Förderung durch EU-Programme, die jetzt so gut angelaufen ist. Die PDS hat in § 7 ihres Gesetzentwurfs dies ja formuliert – „Aus- gleich von Nutzungsbeschränkungen in der Land- und Forstwirtschaft“ – und dort dargelegt, dass sie die erhöh- ten Anforderungen über die der guten fachlichen Praxis hinaus auch angemessen ausgleichen will. Allerdings ist dann Voraussetzung, nicht die gute fachliche Praxis zunächst aufzuweichen und auszuweiten, wie dies in § 20 unter „Naturverträgliche Landschafts- und Naturnut- zung“ geschehen ist. Vielmehr müssen das Landwirt- schaftsgesetz und die entsprechenden Fachgesetze aktua- lisiert und überarbeitet werden. Eine flächendeckende Landschaftsplanung wird von uns abgelehnt. Neben der Biotopkartierung, neben den Möglichkeiten der Befliegung und damit der Zustellungs- und Veränderungsfeststellung wollen wir nicht immer neue Planungsinstrumente, die bürokratisieren und das Geld in Personal und Plänen binden. Immer neue Gesetze, Verordnungen, Leitbilder, Richtlinien werden uns nicht voranbringen, sondern es kommt auf den praktischen Na- turschutz vor Ort an. Die PDS fordert in § 19 ihres Gesetzentwurfes, dass Baubehörden und Naturschutzbehörden gleichgestellt werden. Hier gilt es aber insbesondere darauf zu achten, dass der ländliche Raum nicht zu kurz kommt. Lückenbe- bauung muss auch im Außenbereich weiterhin möglich bleiben, die Verfahren dürfen nicht zu lange dauern. Zu Eigentumsrechten: Nicht unsinnige bürokratische, überzogene Regelungen sind gefragt, die die Beteiligten vor den Kopf stoßen und die Eigentumsrechte aushöhlen, sondern praktikable Regelungen. Wir müssen auch darauf achten, dass Naturschutz nicht an den Grenzen Halt macht. Gerade ein Land im Zentrum Europas muss im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortsicherung darauf achten, nicht auf Allein- gänge zu setzen, sondern im Konsens mit den beteiligten Nachbarn Naturschutz möglichst voranbringen zu wollen. Dies gilt auch für internationale Vereinbarungen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will ein Natur- schutzkonzept mit abgestuften Schutz- und Nutzungs- funktionen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Kernge- bieten und der Vorgehensweise auf großer Fläche. Hoheitlicher Naturschutz muss durch Vertragsnaturschutz ergänzt oder muss teilweise durch ihn ersetzt werden. Es muss mehr über extensivere Nutzungsformen nachge- dacht werden. Aber auch in diesem Zusammenhang kommt es auf die Rahmenbedingungen EU-weit an. Hier sind Umweltminister und Landwirtschaftsministerin mehr als bisher gefordert. Auch wenn im Gesetzentwurf wichtige Grundsätze und Ziele formuliert sind, so sind wir mit der Vorgehens- weise der Ausweisung von Schutzgebieten unzufrieden. Vor allem vermissen wir aber, dies vorrangig mit den Be- troffenen vor Ort tun zu wollen. Hier sind insbesondere vertragliche Vereinbarungen gefragt. Ohne die Bereit- schaft, finanzielle Ressourcen effektiv und für den prakti- schen Naturschutz einzusetzen, wird sich tatsächlich nur sehr wenig verändern. Hier gilt es anzusetzen. CDU und CSU werden in ihren Initiativen nicht nachlassen, dies einzufordern. Nicht Pressekonferenzen des Bundeskanz- lers und des Umweltministers sind gefragt, sondern nach- haltiges und konkretes Handeln, um wirklich etwas errei- chen zu können. CDU und CSU lehnen den Gesetzentwurf ab. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer es wirklich wissen will, kann es wissen und, nebenbei ge- sagt, wir alle, die hier entscheiden, sollten es auch wissen: Der Zustand von Natur und Landschaft in Deutschland verschlechtert sich nach wie vor, und ganz besonders ra- sant seit den 60er-Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, er ist Besorgniserregend. Dieser Umstand wird leider in der Öffentlichkeit, mehr aber noch in der Wirtschaft und der Politik auf allen Ebenen immer wieder verdrängt. Die biologische Vielfalt ist durch anhaltende Umwelt- belastung und Naturzerstörung gefährdet. Ständig verrin- gert sich die Fläche, die für frei lebende Tier- und wild- wachsende Pflanzenarten zur Verfügung steht, die Lebensräume der meisten Arten sind qualitativ beein- trächtigt. Täglich werden 120 Hektar Fläche allein durch Siedlung und Verkehr versiegelt. Das entspricht immerhin der Fläche von etwa 150 Fußballfeldern. Wenn schon nicht im Fußball, so ist Deutschland doch Weltmeister in der Straßendichte. Allein in den letzten 25 Jahren wurden im alten Bun- desgebiet 863 300 Hektar Land für Siedlungs- und Ver- kehrszwecke verbraucht oder fielen dem Abbau von Bo- denschätzen zum Opfer – das entspricht der dreifachen Fläche des Saarlandes. Über 360 000 Kilometer Fließgewässer wurden seit den 50er-Jahren mit Milliarden von Steuergeldern begra- digt. Im selben Zeitraum verlor Westdeutschland über die Hälfte seiner Feuchtgebiete. Trotz der ständigen Zunahme und Verschärfung von Hochwasserereignissen werden weiterhin Fließgewässer zu Wasserstraßen ausgebaut und wird auf die notwendige Ausweisung von Retentions- flächen verzichtet. Gerade noch 10 Prozent unserer Fließ- gewässer gelten als halbwegs intakt. Lebensräume wurden besonders im Verlauf des letzten Jahrhunderts zunehmend zerteilt und zersplittert, aber auch alte Kulturlandschaften wurden und werden mehr und mehr durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und durch „Flurbereinigungen“ zerstört, was insgesamt zu gravierenden Bestandseinbußen bei Tier- und Pflan- zenarten geführt hat. Von den in Deutschland heimischen Pflanzen sind 40 Prozent der Arten ausgestorben oder ge- fährdet. Noch dramatischer ist die Situation bei einigen Tiergruppen. Jeweils mehr als die Hälfte der Arten von Reptilien, Amphibien und Fischen stehen auf der roten Liste gefährdeter Arten. Der Einsatz von Pestiziden und Dün- gemitteln, aber auch der Ferneintrag durch industrielle, zum Teil unkontrollierte Emissionen führt zu einer massi- ven Beeinträchtigung von Biotopen. Über zwei Drittel der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16503 (C) (D) (A) (B) in Deutschland vorkommenden Biotoptypen sind als ge- fährdet eingestuft, über zwei Drittel. Ich denke, mit diesen wenigen Daten deutlich gemacht zu haben, dass es in puncto Naturschutz wirklich keiner- lei Anlass gibt, in den Anstrengungen um den Natur- schutz nachzulassen; wir vielmehr über die Stärkung be- währter, aber auch über neue Wege und Instrumente des Naturschutzes nachdenken müssen und über neue Allian- zen zwischen Naturschützern und Naturnutzern. Wichtig ist, dass Menschen Natur und Wildnis auch erleben und erfahren können, sich begeistern an den vielfältigen Schönheiten unserer Heimat. Wer die Natur erlebt hat, wird sie lieben und deshalb auch schützen wollen. Des- halb werden wir mehr für Image und Marketing bezüg- lich unserer Nationalparke, Biosphärenreservate und Na- turparke tun. Die Koalitionsfraktionen haben die grundlegende Neugestaltung des deutschen Naturschutzrechts in der Koalitionsvereinbarung von 1998 vereinbart und die Ar- beiten am Regierungsentwurf können – wie wir hoffen und wünschen – demnächst abgeschlossen werden. Von- seiten der Koalitionsfraktionen wurden umfangreiche in- haltliche Vorarbeiten geleistet und es wurde auch eine Fülle von Fachgesprächen mit allen relevanten Interes- sengruppen geführt. Die Erwartungen an das Neurege- lungsgesetz sind hoch und ich hoffe, dass in der derzeit noch laufenden Ressortabstimmung alle Bundesministe- rien auf der Höhe unserer Zeit agieren – nicht nur das Umweltministerium. Einige, nur wenige Sätze nun zur Philosophie unserer Novellierungsvorstellungen. Wirksame Schutzgebiete sind im Rahmen einer Natur- schutz-Gesamtstrategie von entscheidender Bedeutung. Landschaftsmodelle mit einer Trennung von Produkti- onsflächen und von Naturschutzflächen sind zweifelsfrei erforderlich. Dabei wissen wir, dass die vom Menschen genutzten, veränderten und geprägten Teile unserer Land- schaften entscheidende Träger von Artenvielfalt sind. Deshalb kann auch ein Artenschutz, reduziert auf Schutz- gebietaktivitäten, nicht erfolgreich sein. Was wir brau- chen, ist eine flächenhafte Berücksichtigung von Schutz- zielen in allen Landnutzungsbereichen: also in Landwirtschaft, in Forstwirtschaft, in Fischereiwirtschaft, bei Natursport-, Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Das ist für uns die Kernfrage eines nachhaltigen Natur- schutzes. Obwohl die Notwendigkeit des Schutzes der Natur von niemandem ernsthaft bestritten wird, zeigt die Praxis, dass Naturschutz nur zu oft hinter andere Ziele zurückge- stellt wird. Ob es um den Bau neuer Straßen geht, um die Ausweisung von Gewerbegebieten oder um land- und forstwirtschaftliche Nutzungen oder auch touristische Großprojekte – ökonomische und soziale Gründe wiegen in Entscheidungsprozessen zumeist mehr als Natur- schutzaspekte. Prominenter Präzedenzfall für das Wegwägen von Schutzbestimmungen ist das Mühlenberger Loch, Euro- pas größtes Süßwassenwatt, das der Erweiterung der DASA-Flugzeugwerft in Hamburg-Finkenwerder geop- fert werden soll, ein Ansinnen, das auch insofern bedau- erlich ist, als es in Deutschland alternative Produktions- standorte gäbe. Solche Entscheidungen werden uns nicht nur ökologisch teuer zu stehen kommen: Unzureichender Naturschutz wird mittel- und langfristig auch zu erhebli- chen finanziellen Folgekosten für die gesamte Gesell- schaft führen. Auch die Fraktion der Demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten erkennt den Novellierungsbedarf des Bundesnaturschutzgesetzes an und legt heute diesem Hause einen eigenen Entwurf vor. Dass dieser Entwurf stark die Handschrift der Umweltverbände trägt, ist für Kenner der Szene unübersehbar, insgesamt aber sicher- lich nicht von Nachteil für den Antrag, im Einzelnen aber gelegentlich auch problematisch spätestens dann, wenn sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite des Hauses, Gespräche auch mit anderen Akteuren des Naturschutzes führen werden – zum Beispiel den Län- dern. Da reifen dann nicht alle Träume. Ich bin gespannt auf den Debattenbeitrag des Landes Mecklenburg-Vor- pommern, spätestens im Bundesrat, wenn es um die Be- ratung unseres Neuregelungsgesetzes gehen wird. Wir werden uns mit Ihrem Antrag im Ausschuss und bei An- hörungen zu unserem Novellierungsvorschlag konkret auseinander setzen. Um es aber hier an dieser Stelle deutlich zu sagen: Ich finde es erfreulich, dass die PDS sich in dieser überaus wichtigen Frage so konstruktiv engagiert – wie ich gene- rell meine, dass die Fragen der Zukunft von Natur und Landschaft so wichtig sind, dass sie das volle Engagement aller Fraktionen dieses Hauses verdienen. Auf die konstruktiven Beiträge von der rechten Seite des Hauses allerdings werden wir – nach allem, was im Vorfeld der Debatte von dort zu vernehmen war – wohl vergebens warten. Marita Sehn (F.D.P.): Die Qualität einer Demokratie zeigt sich in ihrem Umgang mit Minderheiten! Unsere Bauern sind eine Minderheit in unserem Land. Und die Politik lässt sie dieses deutlich spüren. Was macht eine Regierung, die einerseits kein Geld ausgeben will, andererseits aber große Ideen verwirkli- chen möchte? Sie macht Auflagen und Verordnungen und lässt andere die Zeche zahlen. Verordnungen sollten immer das letzte Mittel sein, wenn alle Versuche, einen Konsens zu finden, gescheitert sind. Sie sollten aber nicht am Anfang eines Dialogprozesses stehen. Diese Regierung geht aber genau den umgekehrten Weg. Sie schreibt zuerst einmal vor und schaut dann, ob es auch durchführbar ist. Das höchste Gut des Naturschutzes ist die Akzeptanz bei allen Beteiligten. Dieses Gut ist ein sehr empfindli- ches und es kann sehr leicht zerstört werden. Maßnahmen und Vorschriften, die über das Ziel hinausschießen, zu- sätzliche Auflagen ohne Entschädigung, das ist die Ket- tensäge am Baum der Akzeptanz. Aber nur Bestimmun- gen, die akzeptiert sind, werden auch respektiert. Werden Verordnungen als ungerecht empfunden, so werden sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116504 (C) (D) (A) (B) auch nicht eingehalten, das heißt die Einhaltung muss kontrolliert werden. Das wäre der erste Schritt hin zu ei- nem Öko-Überwachungsstaat. Auf diese Weise können auch fachlich sinnvolle Vorha- ben nachhaltig diskreditiert werden. Ein weiterer Schritt hin zu einem Mehr an Akzeptanz ist die Ausgewogenheit der Lastenverteilung. Aber während der Nutzen des Na- turschutzes allen unseren Bürgern zugute kommt, müssen die Lasten vor allem unsere Landwirte tragen. Als ob diese durch MKS und BSE nicht schon genug gebeutelt wären! Der Fachpresse zufolge kommen durch die Novellie- rung des Bundesnaturschutzgesetzes Mehrkosten in Höhe von 850 DM pro Hektar auf die Landwirte zu. Bezogen auf das von der Bundesregierung propagierte Biotopver- bundsystem auf 10 Prozent der Fläche Deutschlands bedeutet dies Mehrkosten in Höhe von circa 1,6 Milliar- den DM für die deutsche Landwirtschaft. Dies ist eine Zu- mutung! Eine Regierung, die Monate braucht, um eine Regelung für die BSE-Folgekosten zu finden, die Monate benötigt, eine tragfähige Lösung für die Agrardieselbe- steuerung zu finden, dass eine solche Regierung der Land- wirtschaft Kosten in solcher Höhe zumutet, ist eine Un- verschämtheit. Wer es ernst meint mit der Ausdehnung des Natur- schutzes, der wird sich zunächst um Akzeptanz der Betei- ligten bemühen. Da die Landwirtschaft circa 55 Prozent der Fläche Deutschlands bewirtschaftet, ist es offensicht- lich, dass kein Weg an einem Dialog mit den Landwirten vorbeiführt. Anstatt nun aber den Dialog mit unseren Bau- ern zu suchen, schreibt diese Regierung lieber Gesetze und Verordnungen. Das Letzte, was dieses Land braucht, sind mehr Vorschriften, wir haben ohnehin schon einen regelrechten Verwaltungs-Overkill! Aus naturschutzfachlicher Sicht kann die Schaffung ei- nes Biotopverbundsystems durchaus sinnvoll sein. Aber bitte nicht auf diese Weise! Das ist glatte Enteignung! Die PDS hat damit, wohl historisch bedingt, weniger Pro- bleme, zumindest kann man sich dieses Eindruckes nicht erwehren, wenn man Ihren Gesetzentwurf durchliest. Der PDS-Entwurf wie auch die Vorschläge des BMU führen vor allem zu einem Mehr an Verwaltung, aber nicht unbe- dingt zu einem Mehr an Naturschutz. Naturschutz in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland ist immer ein Kompromiss. Radikalforde- rungen sind da wenig hilfreich. Der Naturschutz braucht das offene und von gegenseitigem Verständnis geprägte Gespräch und keine neuen Verordnungen. Die Ignoranz für die Probleme der Landwirte werden letztendlich zu ei- ner geringeren Akzeptanz führen. Damit wird dem Natur- schutz ein Bärendienst erwiesen. Die F.D.P. lehnt deshalb diese Novelle auf die Schnelle ebenso wie den Entwurf der PDS-Fraktion als kontraproduktiv ab. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/5172 Nr. 1.2 Drucksache 14/5172 Nr. 2.15 Drucksache 14/5281 Nr. 1.2 Drucksache 14/5363 Nr. 1.4 Rechtsausschuss Drucksache 14/3341 Nr. 2.41 Drucksache 14/4441 Nr. 1.16 Drucksache 14/4865 Nr. 2.2 Finanzausschuss Drucksache 14/5172 Nr. 2.18 Drucksache 14/5172 Nr. 2.38 Drucksache 14/5172 Nr. 2.44 Drucksache 14/5172 Nr. 2.65 Drucksache 14/5172 Nr. 2.90 Drucksache 14/5172 Nr. 2.91 Drucksache 14/5363 Nr. 2.11 Drucksache 14/5503 Nr. 2.7 Drucksache 14/5503 Nr. 2.27 Drucksache 14/5610 Nr. 2.32 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 14/5172 Nr. 2.3 Drucksache 14/5172 Nr. 2.4 Drucksache 14/5172 Nr. 2.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.6 Drucksache 14/5172 Nr. 2.7 Drucksache 14/5172 Nr. 2.8 Drucksache 14/5172 Nr. 2.9 Drucksache 14/5172 Nr. 2.10 Drucksache 14/5172 Nr. 2.11 Drucksache 14/5172 Nr. 2.12 Drucksache 14/5172 Nr. 2.19 Drucksache 14/5172 Nr. 2.20 Drucksache 14/5172 Nr. 2.23 Drucksache 14/5172 Nr. 2.24 Drucksache 14/5172 Nr. 2.33 Drucksache 14/5172 Nr. 2.36 Drucksache 14/5172 Nr. 2.45 Drucksache 14/5172 Nr. 2.66 Drucksache 14/5172 Nr. 2.67 Drucksache 14/5172 Nr. 2.68 Drucksache 14/5172 Nr. 2.83 Drucksache 14/5172 Nr. 2.92 Drucksache 14/5172 Nr. 2.93 Drucksache 14/5172 Nr. 2.97 Drucksache 14/5172 Nr. 2.98 Drucksache 14/5172 Nr. 2.100 Drucksache 14/5172 Nr. 2.101 Drucksache 14/5503 Nr. 2.8 Drucksache 14/5503 Nr. 2.9 Drucksache 14/5503 Nr. 2.26 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5281 Nr. 2.7 Drucksache 14/5281 Nr. 2.8 Drucksache 14/5281 Nr. 2.9 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5281 Nr. 1.1 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4092 Nr. 2.3 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001 16505 (C) (D) (A) (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5114 Nr. 2.7 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/5363 Nr. 2.2 Drucksache 14/5363 Nr. 2.3 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/4665 Nr. 1.2 Drucksache 14/4945 Nr. 1.5 Drucksache 14/4945 Nr. 2.34 Drucksache 14/5281 Nr. 2.23 Drucksache 14/5363 Nr. 2.5 Drucksache 14/5503 Nr. 2.12 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/3576 Nr. 1.12 Drucksache 14/5172 Nr. 1.1 Drucksache 14/5172 Nr. 2.29 Drucksache 14/5281 Nr. 2.5 Drucksache 14/5281 Nr. 2.6 Drucksache 14/5363 Nr. 2.13 Drucksache 14/5730 Nr. 2.31 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/5610 Nr. 2.9 Drucksache 14/5610 Nr. 2.10 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 200116506 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine
    sehr geehrten Damen und Herren! In rund einem Monat
    jährt sich zum zehnten Mal der Abschluss des deutsch-
    polnischen Nachbarschaftsvertrages. Der Vertrag über
    gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenar-
    beit ist ein historischer Meilenstein in den deutsch-polni-
    schen Beziehungen. Zusammen mit dem Grenzvertrag
    vom 14. November 1990 bildet er das rechtliche und po-
    litische Fundament für das deutsch-polnische Verhältnis
    nach der Wiedervereinigung unseres Landes. Die Tragik
    der gemeinsamen Geschichte in eine positive europäische
    Zukunft zu wenden war und ist der Kern der Botschaft,
    die der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unseren
    beiden Völkern zur Verfügung stellt.

    Deutsche und Polen leben in einer Schicksalsgemein-
    schaft. Unsere Geschichte ist eine gemeinsame Ge-
    schichte. In seiner Rede zur Verleihung des Karlspreises
    im Jahre 1998 hat der damalige polnische Außenminister
    Geremek auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Er
    sagte damals:

    Dank der Wiedervereinigung Deutschlands konnte
    Polen frei werden und dank der im großen Epos So-
    lidarnosc errungenen Freiheit Polens konnte die Wie-
    dervereinigung Deutschlands stattfinden.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Geremek hatte Recht. Ohne die Freiheitsbewegung und
    die Solidarnosc wäre die deutsche Einheit nicht möglich
    gewesen. Die deutsche Wiedervereinigung begann in
    Danzig.

    Deutsche und Polen sind seit Jahrhunderten Nachbarn.
    Aber noch nie waren ihre Beziehungen so gut wie heute.
    Aus Angehörigen feindlicher Militärblöcke sind Partner
    in der NATO geworden und sie werden es auch bald in der
    Europäischen Union sein. Durch eine Vielzahl von Kon-
    takten und Beziehungen sind Politik und Gesellschaft,
    Wirtschaft und Wissenschaft, aber nicht zuletzt auch die
    Bürger in unseren beiden Ländern eng miteinander ver-
    bunden. Vor allem im Denken der Menschen ist ein Stück
    Normalität erreicht. Das ist gut so.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Hartmut Koschyk

    16466


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Vor dem Hintergrund unserer Geschichte wären Ver-
    ständigung und Versöhnung ohne die offene und wahr-
    haftige Auseinandersetzung mit den belastenden Aspek-
    ten der Vergangenheit nicht möglich gewesen. Kein Land
    hat so sehr unter der nationalsozialistischen Diktatur
    gelitten wie Polen. 6 Millionen Polen, darunter 3 Milli-
    onen Juden, sind durch Krieg und Diktatur ums Leben ge-
    kommen und Millionen von Deutschen mussten als Folge
    des Krieges ihre Heimat verlassen.

    Viele haben seitdem geholfen, dass die schmerzliche
    Vergangenheit und das Trauma des erlittenen Unrechts
    überwunden werden konnten. Ich erinnere an das mutige
    Wort der polnischen Bischöfe aus dem Jahre 1965. Sie ha-
    ben damals geschrieben: „Wir vergeben und bitten um
    Vergebung.“ Ich erinnere auch an den Besuch des dama-
    ligen Bundeskanzlers Willy Brandt 1970 in Warschau, an
    die gemeinsame Erklärung von Ministerpräsident Mazo-
    wiecki und Bundeskanzler Helmut Kohl vom 14. No-
    vember 1989 und an die Stuttgarter Charta der Heimat-
    vertriebenen vom 5. August 1950 mit ihrem Verzicht auf
    Rache und Vergeltung und ihrem Bekenntnis zu einem
    „geeinten Europa, in dem die Völker ohne Furcht und
    Zwang leben können“.

    In Deutschland werden heute der hohe Stellenwert der
    Beziehungen unseres Landes zu Polen und die Ziele der
    Politik von allen politischen Kräften und der überwiegen-
    den Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen. Das ist gut
    für die Beziehungen und gut für unser Land. Es bleibt un-
    ser Ziel, zu dauerhafter und tiefer Freundschaft zwischen
    Deutschen und Polen zu kommen. Freundschaft aufzu-
    bauen ist ein Prozess, der von beiden Seiten Anstrengun-
    gen erfordert.

    Der Vertrag von 1991 war und ist Ausdruck des Wil-
    lens von Polen und Deutschen, ihre Zukunft in Europa ge-
    meinsam zu gestalten. Er ist Ausdruck des Mutes und der
    Verantwortung vor der Geschichte, sich auch den Proble-
    men im bilateralen Verhältnis offen zu stellen und nach für
    beide Seiten akzeptablen Lösungen zu suchen, auch bei
    der Unterstützung der deutschen Minderheit, beim Ju-
    gendaustausch und bei der regionalen Kooperation. Auf
    allen diesen Feldern hat sich der Vertrag in den letzten
    zehn Jahren bewährt.

    Nirgendwo wird dies deutlicher als an der Lage der
    deutschen Minderheit in Polen. Ihr Recht auf die eigene
    Sprache, auf Wahrung ihrer Traditionen und auf Entwick-
    lung der eigenen Kultur wird heute durch Art. 35 der pol-
    nischen Verfassung geschützt. Politisch ist die deutsche
    Minderheit im polnischen Staatswesen fest verankert. Die
    wirtschaftliche Lage hat sich spürbar verbessert. Die deut-
    sche Minderheit in Polen gibt uns ein Beispiel, dass in Eu-
    ropa verschiedene Kulturen und Völker vernünftig und
    friedfertig zusammenleben können.


    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)


    Heute, zu Beginn eines neuen Jahrhunderts und in der
    Perspektive von Integration und Freizügigkeit, haben wir
    die Chance, auch bei der Lösung der noch verbliebenen
    Probleme der deutschen Minderheit in Polen weitere
    Fortschritte zu erzielen: bei der Förderung der deutschen

    Sprache, bei der Verwendung offizieller topographischer
    Bezeichnungen in den traditionellen Siedlungsgebieten
    der deutschen Minderheit, bei der Rückführung von
    kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern, bei der Nieder-
    lassungsfreiheit, beim Erwerb von Eigentum und bei der
    Anerkennung deutscher Wehrdienstzeiten, Zeiten der
    Kriegsgefangenschaft und Zeiten in polnischen Internie-
    rungs- und Arbeitslagern nach 1945 im polnischen Ren-
    tenrecht.

    Diese Forderungen unseres Antrages berühren – das
    wissen wir – sensible Fragen; aber sie sind keineswegs
    rückwärts gewandt. Ihre Lösung wird die Partnerschaft
    weiter fördern. Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte ha-
    ben gezeigt: Die in Polen lebenden Deutschen wie auch
    die Heimatvertriebenen können, was das Verhältnis unse-
    rer Völker angeht, Brückenbauer sein.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es ist daher nur berechtigt, dass wir uns auch für ihre In-
    teressen einsetzen. Wir fordern die Bundesregierung auf,
    die genannten Fragen aufzugreifen und die Chancen zur
    Vertiefung unserer Beziehungen mit Polen stärker zu nut-
    zen – im Interesse beider Völker und beider Länder.

    Ich will an dieser Stelle zugleich unseren Appell an alle
    Beteiligten erneuern, so schnell wie möglich das Tauzie-
    hen bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern zu be-
    enden. Die betroffenen Menschen erwarten zu Recht kein
    Spiel gegen die Zeit, sondern nur eines: dass mit den Zah-
    lungen aus der Stiftung umgehend begonnen werden
    kann. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, in der nächsten
    Woche im Deutschen Bundestag Rechtssicherheit festzu-
    stellen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir stehen jetzt vor der Osterweiterung der Europä-
    ischen Union. CDU und CSU wollen die Osterweiterung.
    Wir wollen sie aus politischen Gründen, weil wir damit
    das europäische Modell von Demokratie und sozialer
    Marktwirtschaft auch in den Staaten Mittel- und Osteuro-
    pas fest verankern. Mit der Erweiterung rückt Deutsch-
    land in die geopolitische Mitte der Europäischen Union.

    Aber neben allen politischen Gründen gibt es auch
    wichtige ökonomische Gründe für die Osterweiterung.
    Neue und wichtige Absatzmärkte, die gerade für Deutsch-
    land als Anrainer der Beitrittsländer große Bedeutung ha-
    ben, werden in den europäischen Binnenmarkt integriert.

    Die politische, die ökonomische und die zivilisatorische
    Vereinigung der Völker und der Staaten des europäischen
    Kontinents in einer demokratischen, rechtsstaatlichen, von
    den Bürgern getragenen Ordnung ist das wichtigste Pro-
    jekt, das wir am Beginn des 21. Jahrhunderts begreifen, ge-
    stalten, fortsetzen und vollenden wollen.

    Wir wünschen uns Polen dabei in der ersten Reihe der
    künftigen Mitglieder. Wir haben das Europaabkommen,
    das 1991 unterzeichnet wurde und 1994 in Kraft getreten
    ist, immer mit Nachdruck unterstützt. Heute müssen wir
    darauf achten, dass es bei der Erweiterung gerecht zugeht.
    Wir dürfen nicht zulassen, dass Polen und die anderen

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    Kandidatenländer in der Europäischen Union zu Mitglie-
    dern zweiter Klasse gemacht werden, weil ein Kartell von
    Besitzstandswahrern die notwendige Solidarität verwei-
    gert.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. – Susanne Kastner [SPD]: Bayern!)


    Ich will es noch deutlicher sagen: Die spanische For-
    derung, die Ansprüche der künftigen EU-Mitglieder in der
    europäischen Strukturförderung auf einer deutlich
    schlechteren Grundlage als bei der EU der 15 zu berech-
    nen, ist ganz und gar inakzeptabel.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Susanne Kastner [SPD]: Das müssen Sie dem Stoiber sagen!)


    Das Gleiche gilt für den Versuch, die Zustimmung der
    Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen
    Union insgesamt zu Übergangsfristen bei der Freizügig-
    keit gegen neue Zugeständnisse bei der Struktur- und der
    Agrarpolitik zu erkaufen.


    (Beifall des Abg. Ulrich Irmer [F.D.P.])


    Ein solches Verhalten ist nicht solidarisch, sondern ego-
    istisch; es untergräbt den politischen Zusammenhalt der
    Union und es zerstört das Fundament der gemeinsamen
    europäischen Werte.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Ob wir zudem durchgängig siebenjährige Übergangs-
    fristen für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und im
    Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit brauchen, wie
    dies der Bundeskanzler in Weiden und vor kurzem erneut
    im Entwurf für den SPD-Parteitag gefordert hat, ist aus
    unserer Sicht keineswegs ausgemacht. Was wir brauchen,
    ist vielmehr eine größere Differenzierung: Die Situation
    im Handwerk oder im Baugewerbe, vor allem in den
    grenznahen Räumen, ist eben eine völlig andere als etwa
    im Bereich der Finanzdienstleistungen, zum Beispiel bei
    Banken und Versicherungen, die aus guten Gründen auf
    beiden Seiten keine Übergangsfristen wollen.

    Umgekehrt möchte ich aber auch an die Adresse unse-
    rer polnischen Nachbarn sagen, dass Übergangsfristen für
    den Erwerb von landwirtschaftlichem Grund und Boden
    von 18 Jahren, die nach einem Beitritt faktisch noch eine
    ganze Generation vom Erwerb in Polen ausschließen, aus
    unserer Sicht nicht akzeptiert werden können.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Das Treffen der
    Finanzminister der Europäischen Union im schwedischen
    Malmö mit den Finanzministern der Beitrittsländer vor
    gut zwei Wochen hat gezeigt, dass auch die Beitrittslän-
    der noch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen,
    um die Kriterien von Kopenhagen zu erfüllen und im
    Wettbewerb mit den jetzigen EU-Mitgliedern tatsächlich
    bestehen zu können, insbesondere bei der Entwicklung
    des Finanzsektors und der wirtschaftlichen Leistungskraft
    der Beitrittsländer.

    Ich begrüße es sehr, dass die EU-Finanzminister deut-
    lich gemacht haben, dass niemand die Absicht hat, neue
    Kriterien zu formulieren, sondern dass es im Interesse der
    Beitrittsländer wie der jetzigen EU-Mitglieder darum
    geht, vereinbarte Kriterien zu erfüllen und soziale Ver-
    werfungen zu vermeiden. Deshalb habe ich mich auch
    über die besonnene und sehr abgewogene Erklärung ge-
    rade des polnischen Finanzministers Bauc nach dem Tref-
    fen in Malmö sehr gefreut.

    Die Europäische Union ist eine Interessengemein-
    schaft. Europa ist aber auch eine Wertegemeinschaft. Die
    Erweiterung ist ein Testfall, wie weit die europäische So-
    lidarität trägt und die jahrzehntelange Spaltung Europas
    dauerhaft überwunden werden kann. Das gilt für die bis-
    herigen Mitglieder ebenso wie für die künftigen. Der
    deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni
    1991 war nicht nur ein Wendepunkt in den deutsch-polni-
    schen Beziehungen. Er ist auch die Brücke für eine ge-
    meinsame Zukunft in der Europäischen Union.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)




Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Markus Meckel.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Markus Meckel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Lieber Kollege Merz, ich sehe die
    Schwierigkeit, vor der Sie standen, als Sie Ihre Rede vor-
    bereitet haben: Sie mussten sich entscheiden, ob Sie auf
    die Überschrift des heute zur Debatte stehenden Antrages
    reagieren oder ob Sie auf den Inhalt dieses Antrages ein-
    gehen. Sie haben sich entschieden, die Überschrift zum
    Thema zu machen. Ich entscheide mich für den Inhalt Ih-
    res Antrages und dafür, dass wir die Würdigung dieses
    wirklich wichtigen Nachbarschaftsvertrages, dessen Ab-
    schluss sich jetzt zum zehnten Male jährt, in der verein-
    barten Debatte in der zweiten Junihälfte hier vollziehen.
    Dazu liegt – darüber freue ich mich sehr – ja bereits ein
    gemeinsamer Antrag der Fraktionen vor, der Ihrer Rede in
    der Themenbreite eher entspricht als der vorliegende An-
    trag.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Der Antrag, der heute zur Debatte steht, ist auch inso-
    fern thematisch eng geführt, als es in der Würdigung des
    zehnten Jahrestages des Nachbarschaftsvertrages durch-
    aus nicht nur um die Frage der Vertriebenen und der deut-
    schen Minderheit geht. Wir müssen uns aber erinnern,
    dass in diesem Vertrag die deutsche Minderheit und die
    Polen in Deutschland parallel behandelt werden. Leider
    taucht dieser Gesichtspunkt in dem Antrag nur in dem al-
    lerletzten Absatz auf, während die anderen Fragen, die die
    Polen in Deutschland betreffen, leider nicht weiter behan-
    delt werden.

    Ich möchte auf die Frage der deutschen Minderheit ein-
    gehen, die Sie in Ihrem Antrag inhaltlich behandeln, und
    am Anfang doch deutlich sagen: Ich halte es für ein Defi-
    zit der deutschen Linken in den vergangenen Jahrzehnten,
    dass sie dieses Thema nicht genügend wahrgenommen
    hat. Allerdings hat es die deutsche Minderheit in Polen der
    deutschen Linken auch schwer gemacht, dies zum Thema

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Friedrich Merz

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    zu machen, weil das Beharren auf der Grenzfrage – und
    damit die engen Beziehungen zum BdV, der in der deut-
    schen Politik oft in der rechten Ecke gestanden hat – die
    Kommunikation erschwert hat.

    Ich bin sehr froh – das muss ich deutlich sagen –, dass
    sich diese Lage in den letzten zehn Jahren deutlich verän-
    dert hat, dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestages
    zur deutschen Minderheit in Polen eine offene und gute
    Beziehung haben und dass sich auch die Lage der deut-
    schen Minderheit selber grundlegend verändert hat.
    Grundlage dessen ist nicht zuallererst der deutsch-polni-
    sche Nachbarschaftsvertrag, auch wenn er wichtig war
    und ist. Grundlage dafür ist die Demokratie in Polen. Über
    diese können und müssen wir alle froh sein – und sind es,
    so denke ich, auch.

    Das, was in den letzten zehn Jahren für die deutsche
    Minderheit in Polen geschehen ist – Sie, Herr Merz, ha-
    ben ja darauf hingewiesen –, war beispielhaft: die Pflege
    der Sprache, der eigenen Kultur, auch die Anerkennung
    eigener Organisationen, die ungeheuer lebendig und
    durchaus – das ist wichtig – mit deutscher Unterstützung
    arbeiten, die öffentlichen Vertretungen auf allen politi-
    schen Ebenen. Es gibt dort eine ganze Reihe deutscher
    Bürgermeister, die natürlich nicht nur für die in der
    Kommune lebenden Deutschen Verantwortung tragen,
    sondern für die gesamte Region. In der Woiwodschaft Op-
    peln übernehmen Vertreter der deutschen Minderheit eine
    ganz wesentliche Verantwortung, und zwar bis in den
    Sejm hinein. Die Abgeordneten stimmen dort auch nicht
    nur über Dinge ab, die die deutsche Minderheit betreffen,
    sondern verhalten sich politisch als loyale Bürger und
    Staatsbürger dieses Staates Polen. Dies alles ist eine un-
    geheure Leistung.

    Sehen wir uns einmal an, was der polnische Staat in
    diesen Zeiten gemacht hat. Vieles war nicht immer ein-
    fach. Wir haben die Diskussion miterlebt. So wurde das
    Quorum ausgesetzt. Hier möchte ich einfach einmal die
    heutige polnische Botschafterin in Wien, Irena Lipowicz,
    erwähnen, die damals als Abgeordnete intensiv dafür
    gekämpft hat. Sie hat sich ebenfalls in der Frage der Ge-
    staltung der Territorialstruktur Polens engagiert. Ohne
    dass sich Deutschland darum gekümmert hat, hat Polen
    gesagt: Wir wollen die Woiwodschaft Oppeln wegen der
    besonderen Bedingungen dort erhalten. Der polnische
    Staat ist mit großer Sensibilität mit diesen Fragen umge-
    gangen, was eine ungeheure Leistung ist.

    In den Kommunen, die auf ehemals deutschem Gebiet
    liegen – ob das nun Stettin, Breslau oder andere sind –,
    wird die deutsche Geschichte heute als eigene Tradition
    wahrgenommen, geachtet und für den Tourismus aufbe-
    reitet. Ich halte auch das für eine ungeheure Leistung.

    Seit dem 1. April dieses Jahres ist die Rahmenkonven-
    tion zum Schutz der Minderheiten des Europarates in
    Kraft. Auch dies ist wahrhaftig kein kleiner Schritt der
    polnischen Regierung.

    Sie haben in Ihrem Antrag eine Reihe von Defiziten an-
    gesprochen. Sie bestehen; aber unter dieser Überschrift
    allein diese zum Thema zu machen erschien uns jedenfalls
    problematisch.

    Natürlich ist die Kulturgüterfrage ungeklärt. Wir hof-
    fen wirklich, dass hier in naher Zukunft ein Ergebnis er-
    zielt werden wird.

    Dies gilt auch für die Frage der zweisprachigen Orts-
    schilder. Ich glaube, langsam wächst die Bereitschaft
    dazu. Ich hätte mir dies auch früher gewünscht. Aber dies
    ist kein wirklicher Konfliktpunkt zwischen Deutschland
    und Polen, sondern eine Frage der Entwicklung einer Ge-
    sellschaft, eine Frage der Reife.

    Vor drei Jahren habe ich in Warschau eine Diskussion
    mit Herrn Hupka miterlebt, bei der es um die Fragen der
    Verteidigung ging. Dort saß zum Beispiel der tschechi-
    sche Botschafter in Warschau mit offenem Mund daneben
    und sagte: Was ist hier in dieser Gesellschaft schon alles
    möglich geworden? – Ich glaube, dies sollten wir deutlich
    würdigen.

    Weiterhin haben Sie die Anrechnung der Zeiten in
    Kriegsgefangenschaft oder in polnischen Internierungs-
    und Arbeitslagern für die Angehörigen der deutschen
    Minderheit in Polen, also der Deutschen, die besonders
    unter der deutschen Kriegsschuld gelitten haben, ange-
    sprochen. Auch ich sehe hier wirklich ein Problem. Sie
    wissen selbst, dass es um die Frage der Parallelität geht.
    Hier können wir nur werben und vielleicht auch einiges
    dafür tun. Sie aber schauen nur in Richtung Regierung.
    Ich aber sage: Sie hatten acht Jahre Zeit, Herr Waigel, und
    damals waren die Kassen noch voller.


    (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wir haben etwas erreicht!)


    Jedenfalls haben Sie das Geld tüchtig ausgegeben. Da-
    runter leiden wir heute. Aber hier jetzt nur auf den anderen
    zu blicken, halte ich für problematisch, zumal etwas pas-
    siert, was viele in Deutschland gar nicht wissen: Deutschen
    Wehrmachtsoldaten, die heute noch in Polen leben, wird
    die Zeit in der deutschen Wehrmacht – in der Wehrmacht,
    die Polen überfallen hat – für die Rente angerechnet. Ge-
    nauso bekommt der polnische Soldat, der heute in Deutsch-
    land lebt, die gleiche Zeit anerkannt. Das Problem ist aber,
    dass es für diejenigen, die die Zeit in Lagern verbracht ha-
    ben, keine parallele Regelung gibt. Ich hoffe, dass wir in
    Zukunft hier noch zu einem guten Ergebnis kommen.

    Als Konzeptionsaufgabe für die Zukunft müssen wir
    natürlich unsere Förderung der deutschen Minderheit an-
    sprechen. Hier sehe ich nach wie vor Defizite, nicht in ers-
    ter Linie in Bezug auf die Höhe der Summen, sondern in
    Bezug auf die Gestaltung, wenn Polen in Kürze Mitglied
    der Europäischen Union wird. Ist es zum Beispiel sinn-
    voll, die von Ihnen geerbte Ressortierung im Innenminis-
    terium beizubehalten? Was ist mit der Kulturaufgabe, den
    Kontakten, der Förderung der Minderheit von Deutsch-
    land aus?

    Ich komme noch zu einem letzten Punkt, der ebenfalls
    dort hineingehört. Ich bedaure es ausgesprochen, dass es
    nicht möglich war – Deutschland hat dies mit vorgeschla-
    gen –, die Frage der Minderheiten in der Grund-
    rechte-Charta der Europäischen Union angemessen zu
    behandeln. Ich halte das für ein Defizit; aber dies zeigt,
    dass wir in Europa in diesem Bereich noch etwas zu tun
    haben.

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 168. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Mai 2001

    Markus Meckel

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    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wir in Deutschland sollten wiederum nicht den Zeige-
    finger erheben; denn Anfang der 90er-Jahre, als wir dabei
    waren, unsere Verfassung, das Grundgesetz, zu verändern
    und entsprechende Vorschläge von Bündnis 90/Die Grü-
    nen und SPD vorlagen, auch im deutschen Grundgesetz
    die Minderheitenrechte zu verankern, hat Ihre Fraktion
    dem leider nicht zugestimmt, obwohl das für Europa ein
    ganz wichtiges und gutes Beispiel gewesen wäre. Wir ha-
    ben also noch manche Arbeit vor uns: in Polen, in
    Deutschland und in Europa insgesamt. Wir sollten diese
    Aufgabe anpacken.

    Ich danke Ihnen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Fraktion der F.D.P.)