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ID1416725300

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    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak und Karl-Heinz Scherhag . . . . . . . . . . . . . . 16265 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 16265 A Absetzung des Tagesordnungspunktes 15 . . . 16265 D Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 16266 A Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Republik Litauen, Herrn Arturas Paulauskas, und seiner Delegation . . . . . . . . 16283 A Tagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über verfassungskonkretisierende allge- meine Maßstäbe für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens, für den Fi- nanzausgleich unter den Ländern sowie für die Gewährung von Bundesergän- zungszuweisungen (Maßstäbegesetz) (Drucksachen 14/5951, 14/5971) . . . . . . . 16266 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 16266 B Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 16270 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16272 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . 16274 D Gisela Frick F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16275 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16277 C Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16279 A Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident (Thüringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16280 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16283 B Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16285 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16285 D Ortwin Runde, Erster Bürgermeister (Hamburg) 16287 A Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16288 A Erwin Huber, Staatsminister (Bayern) . . . . . . 16289 A Dr. Harald Ringstorff, Ministerpräsident (Mecklenburg-Vorpommern) . . . . . . . . . . . . . 16290 D Gerhard Stratthaus, Minister (Baden-Württem- berg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16292 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . 16293 B Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16294 B Peter Jacoby, Minister (Saarland) . . . . . . . . . 16296 A Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Steuerliche Gleichstellung des Mittelstands (Drucksache 14/5551) . . . . . . . . . . . . . . . 16297 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Hildebrecht Braun (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der F.D.P.: Steuerliche Benachteili- gung des Mittelstands beseitigen (Drucksache 14/5962) . . . . . . . . . . . . . . . 16297 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16297 C Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16301 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 16301 C Plenarprotokoll 14/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 I n h a l t : Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16303 D Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16304 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . . . . . . . . 16304 C Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16304 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16306 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16309 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16311 A Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 16312 B Jelena Hoffmann (Chemnitz) SPD . . . . . . . . . 16314 C Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16315 C Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . . . . . 16316 D Tagesordnungspunkt 22: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Abkommen vom 11. Ok- tober 1999 über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ih- ren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits (Drucksache 14/5713) . . . . . . . . . . . . . 16318 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu den Verträgen vom 27. April 1999 und 8. Juli 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über grenzüberschreitende polizeili- che Zusammenarbeit, Auslieferung, Rechtshilfe sowie zu dem Abkommen vom 8. Juli 1999 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Schwei- zerischen Eidgenossenschaft über Durchgangsrechte (Drucksache 14/5735) . . . . . . . . . . . . . 16319 A c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illega- len Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr (GüKBillBG) (Drucksache 14/5934) . . . . . . . . . . . . . 16319 A d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Organisationsreform in der landwirtschaftlichen Sozialversiche- rung (LSVOrgG) (Drucksache 14/5928) . . . . . . . . . . . . . 16319 B e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung von Geset- zen und anderer Vorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens auf Euro (Achtes Euro-Einführungs- gesetz) (Drucksache 14/5930) . . . . . . . . . . . . . 16319 B Tagesordnungspunkt 23: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates mit Hygienevorschrif- ten für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Neben- produkte KOM (00) 574 endg.; Rats- dok. 12648/00 (Drucksachen 14/5172 Nr. 2.26, 14/5774) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16319 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates über die Ge- währung von Beihilfen für die Koor- dinierung des Eisenbahnverkehrs, des Straßenverkehrs und der Binnen- schifffahrt KOM (00) 5 endg.; Rats- dok. 10166/00 (Drucksachen 14/4441 Nr. 1.31, 14/5785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16319 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Bundespolitische Auswirkungen neuer Vorwürfe einer Verletzung des Parteiengesetzes durch die CDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16319 D Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . . 16319 D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU . . . . 16320 D Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16322 B Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16323 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16324 B Inge Wettig-Danielmeier SPD . . . . . . . . . . . . 16325 A Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 16326 A Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16327 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001II Harald Friese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16328 C Dietmar Schlee CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16329 C Gabriele Fograscher SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16330 C Andrea Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16331 B Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16332 C Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Wohngeld- und Mietenbe- richt 1999 – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Wohngeld- und Mietenbericht 1999 (Drucksachen 14/3070, 14/4248, 14/4705) 16333 D Wolfgang Spanier SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16334 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 16336 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16338 B Hans-Michael Goldmann F.D.P. . . . . . . . . . . 16340 B Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16342 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16343 D Gabriele Iwersen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16345 D Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Eduard Lintner, Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bahn- reform 2 – Neuer Schwung für die Bahn – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans- Michael Goldmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: Bahnreform fortsetzen, Schienenverkehr stärken – vom Staatsbahnmonopol zum europä- ischen Wettbewerb um den Eisen- bahnkunden (Drucksachen 14/2691, 14/2781, 14/5952) 16347 A b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Dehnel, Bernward Müller (Jena), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Ausbau des Mitte- Deutschland-Schienenverkehrsnetzes konsequent vorantreiben (Drucksache 14/5756) . . . . . . . . . . . . 16347 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling- Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Bürgerbahn statt Bör- senbahn (Drucksachen 14/3784, 14/5953) . . . . . . . 16347 C Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16347 C Karin Rehbock-Zureich SPD . . . . . . . . . . . . . 16349 D Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 16351 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16352 C Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 16354 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16354 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16354 D Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16355 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16356 D Wieland Sorge SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16358 A Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der inter- nationalen Sicherheitspräsenz im Ko- sovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Mi- litärisch-Technischen Abkommens zwi- schen der internationalen Sicherheits- präsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 (Drucksache 14/5972) . . . . . . . . . . . . . . . 16359 A in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 III Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktion der PDS: Bundeswehr- einsätze beenden – Politische Lösungen auf dem Balkan durch UNO und OSZE durchsetzen (Drucksache 14/5964) . . . . . . . . . . . . . . . 16359 B Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 16359 B Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16361 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 16363 C Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16364 A Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16364 B Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 16364 D Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16366 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 16366 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16367 D Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16368 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 16368 D Tagesordnungspunkt 8: a) Große Anfrage der Abgeordneten Ulrike Flach, Birgit Homburger, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Biologisch abbaubare Werk- stoffe (Drucksachen 14/2437, 14/3448) . . . . 16369 B b) Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Marita Sehn, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der F.D.P.: Umsetzung der EU-Altfahrzeugricht- linie ökologisch sinnvoll und ökono- misch verantwortlich gestalten (Drucksache 14/5466) . . . . . . . . . . . . . 16369 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16369 C Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16371 A Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16372 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16373 C Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16374 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 16375 A Ulrich Kelber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16375 D Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 16376 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16377 C Dr. Paul Laufs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 16377 D Tagesordnungspunkt 9: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Straßenbaubericht 2000 (Drucksache 14/5064) . . . . . . . . . . . . . 16379 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bay- reuth), Hans-Michael Goldmann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: A 6 modellhaft ausbauen – Deutschlands Fernstraßennetz für Europa fit machen (Drucksachen 14/5229, 14/5557) . . . . 16379 B Reinhold Strobl (Amberg) SPD . . . . . . . . . . . 16379 B Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 16381 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16382 D Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 16383 D Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16384 C Stephan Hilsberg, Parl. Staatssekretär BMVBW 16385 B Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Wohnort- prinzips bei den Vereinbarungen über die ärztliche Gesamtvergütung (Drucksache 14/5694) . . . . . . . . . . . . . . . 16386 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte (Drucksache 14/5960) . . . . . . . . . . . . . . . 16386 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuregelung der Krankenkas- senwahlrechte (Drucksache 14/5957) . . . . . . . . . . . . . . . 16387 A Eckhart Lewering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16387 A Ulf Fink CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16388 C Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16390 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16391 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001IV Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16391 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16393 A Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) SPD 16394 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16395 B Dr. Martin Pfaff SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16397 B Tagesordnungspunkt 11: Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ Teilbericht zu dem Thema: Schutz des geistigen Eigentums in der Biotechno- logie (Drucksache 14/5157) . . . . . . . . . . . . . . . 16399 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 16399 B Dr. Gerhard Scheu CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16400 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16402 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig F.D.P. . . . . . . . . . 16403 B Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16404 B Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . 16404 D Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16405 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16406 D Dr. Gerhard Scheu CDU/CSU . . . . . . . . . 16407 B René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16407 D Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16408 B Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der PDS: Aufhebung der nationalsozialistischen Unrechts- urteile gegen Deserteure (Drucksache 14/5612) . . . . . . . . . . . . . . . 16409 B Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16409 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16410 B Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- ments und des Rates zur 20. Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Ver- waltungsvorschriften der Mitgliedstaa- ten für Beschränkungen des Inverkehr- bringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (kurzkettige Chlorparaffine) KOM (2000) 260 endg.; Ratsdok. 09773/00 (Drucksachen 14/4170 Nr. 2.70, 14/5374) 16411 B Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2000/52/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der fi- nanziellen Beziehungen zwischen den Mit- gliedstaaten und den öffentlichen Unter- nehmen (Transparenzrichtlinie-Gesetz) (Drucksache 14/5956) . . . . . . . . . . . . . . . 16411 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16411 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16413 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Unterrichtung und des Entschließungsantrages: Wohngeld und Mietenbericht 1999 (Tagesord- nungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16413 D Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 16413 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts: Teilbericht zu dem Thema: Schutz des geistigen Eigentums in der Bio- technologie (Tagesordnungspunkt 11) . . . . . . 16415 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16415 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 16416 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Aufhebung der nationalsozialis- tischen Unrechtsurteile gegen Deserteure (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . 16417 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16417 A Bernd Wilz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16417 B Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16418 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Richtlinie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 V des Europäischen Parlaments und des Rates zur 20. Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (kurzkettige Chlor- paraffine) (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . . . 16418 C Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16418 D Marie-Luise Dött CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16420 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16422 A Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16423 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 16423 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2000/52/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanzi- ellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaa- ten und den öffentlichen Unternehmen (Transparenzrichtlinie-Gesetz – TranspRLG) (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . . . . . . . . . . 16424 B Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 16424 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16426 B Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16427 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16428 A Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16428 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001VI Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 Volker Beck (Köln) 16411 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 5 2) Anlage 6 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16413 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 10.05.2001 Barthel (Berlin), SPD 10.05.2001 Eckhardt Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 10.05.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 10.05.2001* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 10.05.2001** Bindig, Rudolf SPD 10.05.2001* Bohl, Friedrich CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ 10.05.2001 DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 10.05.2001 Peter Fuhrmann, Arne SPD 10.05.2001 Geis, Norbert CDU/CSU 10.05.2001 Hauser (Bonn), Norbert CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Haussmann, F.D.P. 10.05.2001 Hirche, Walter F.D.P. 10.05.2001 Holetschek, Klaus CDU/CSU 10.05.2001 Klappert, Marianne SPD 10.05.2001 Kopp, Gudrun F.D.P. 10.05.2001 Kramme, Anette SPD 10.05.2001 Lamp, Helmut CDU/CSU 10.05.2001 Leidinger, Robert SPD 10.05.2001 Marquardt, Angela PDS 10.05.2001 Müller (Berlin), PDS 10.05.2001 Manfred Pfeifer, Anton CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 10.05.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 10.05.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Scheer, Hermann SPD 10.05.2001 Schily, Otto SPD 10.05.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 10.05.2001 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 10.05.2001 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 10.05.2001 Schulz, Gerhard CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Schuster, R. SPD 10.05.2001 Werner Dr. Spielmann, Margrit SPD 10.05.2001 Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 10.05.2001 Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 10.05.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 10.05.2001 DIE GRÜNEN Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 10.05.2001 Wimmer (Karlsruhe), SPD 10.05.2001 Brigitte Wistuba, Engelbert SPD 10.05.2001 Wohlleben, Verena SPD 10.05.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 10.05.2001* Zöller, Wolfgang CDU/CSU 10.05.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Sitzung der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Unterrichtung durch die Bun- desregierung und des Entschließungsantrages: Wohngeld- und Mietenbericht 1999 (Tagesord- nungspunkt 5) Christine Ostrowski (PDS): Das Fettnäpfchen kann ich mir aussuchen: Entweder ich rede zur Sache, zum Be- richt – dann bin ich nicht aktuell – oder ich rede über ak- tuelle Wohnungspolitik; dann spreche ich nicht zur Sache. Das Dilemma ist: Der Wohngeld- und Mietenbericht beschreibt die Jahre 1997 und 1998. Heute, im Mai 2001, steht er erst auf der Tagesordnung, zu einer Zeit, in der be- reits der nächste Wohngeld- und Mietenbericht vor der Tür steht. Diese Kluft von drei, vier Jahren, in denen sich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht in der Wohnungspolitik vieles, zum Teil auch dramatisch, verändert hat, hat auch damit zu tun, dass zwischen Ein- bringung des Berichts und seiner heutigen Beratung über ein Jahr vergangen ist. Das muss man sich vorstellen. Ich kann nur hoffen, dass dieses Zögern nicht etwa Absicht war; sonst läge die Vermutung nahe, der späte Zeitpunkt wäre Ihnen deshalb recht, weil es jetzt so viel „Erfreuli- ches“ darzustellen gibt. Denn in der Wohnungspolitik scheint alles Friede, Freude, Eierkuchen: entspannte Wohnungsmärkte; sanfte Mietanstiege bis ins vergangene Jahr, in dem der Anstieg der Mieten sogar erstmalig seit 20 Jahren unter den Le- benshaltungskosten lag. Der Anstieg der Wohnnebenkos- ten hat sich verlangsamt. Ein neues Wohngeldrecht ist in Kraft. Das Mietrecht ist durch. Die Reform des sozialen Wohnungsbaus ist eingebracht; sie klingt modern: nach Ökologie, sozialer Durchmischung, Innenstadtentwick- lung, Flexibilität. Selbst die Leerstandskrise Ost – im Bericht kaum thematisiert – scheint verbal gelöst zu wer- den. Durch die Medien schwirren „Sonderprogramm Ost“, „6 Kanzler-Milliarden“, „Solidarpakt II“, „Sanie- rungsprogramme Innenstädte Ost“ usw. Eherne wohnungspolitische Thesen, die noch vor vier, fünf Jahren die Debatten beherrschten – besonders von SPD und Grünen –, sind jetzt aus dem Sprachgebrauch der Koalitionsfraktionen verschwunden, werden jetzt gar „seitenverkehrt“ von CDU/CSU und F.D.P. geäußert. Bei- spielsweise „Verstetigung des Wohnungsbaus“, „antizy- klisches Verhalten der Politik“, „Finanzierungsverant- wortung des Staates“. Heute erwecken Sie den Eindruck, meine Damen und Herren der Koalition, als wären diese Grundsätze überholt. Ich glaube, da irren Sie. Es beunruhigt, dass Ihre langfristigen Weichenstellun- gen in der Wohnungspolitik durch die Augenblicksbrille getroffen zu werden scheinen. Dass zum Beispiel die Mietrechtsreform eine Jahrzehntereform ist, dazu bedarf es keines Beweises. Ihre dominierende Begründung für die 20-Prozent-Kappungsgrenze aber war, dass der Woh- nungsmarkt eine 30-prozentige Mieterhöhung sowieso nicht hergibt. Sie gingen also gedanklich von der mo- mentanen Situation eines entspannten Marktes aus. Sol- che Begründung haben Sie von mir nie gehört, obwohl auch wir für die Senkung der Kappungsgrenzen eingetre- ten sind. Unsere Begründung hieß: Den Preis eines Pro- duktes, gesetzlich sanktioniert, zu erhöhen, ohne an ihm etwas zu verbessern, ist nicht legitim. Und wenn man das dennoch tut, dann nutzt man die Sonderstellung des Gutes Wohnen aus, die bekanntlich dadurch gekennzeichnet ist, dass der Mensch wohnen muss und auf eine Wohnung nicht verzichten kann. Ein prägnantes Beispiel für Ihre Momentsicht ist auch Ihre andauernde Wiederholung, dass der Neubau von Wohnungen nahezu überflüssig sei. Drei Anmerkungen dazu: Erstens. Tatsächlich sind zwar so viel Mietwohnun- gen am Markt wie noch nie – den Osten in seiner Sonder- situation klammere ich hier bewusst aus –, aber der Spa- tenstich für diese Wohnungen vollzog sich noch unter der alten Regierung. Das Fehl an Wohnungen – die Differenz zwischen Haushalten und Wohnungen – hat sich auf rund 500 000 verringert. Was mit anderen Worten heißt, dass immer noch eine halbe Million Wohnungen fehlt. Zweitens. Die Zahl der Haushalte wird bis 2015 weiter ansteigen, was einen weiteren Bedarf bis dahin signali- siert. Drittens. Selbst wenn – theoretisch angenommen – die Zahl der Haushalte mit der Zahl der Wohnungen überein- stimmen würde – auch qualitativ –, selbst wenn also jeder Haushalt nicht nur eine, sondern seine Wohnung hätte, käme man bei Strafe des Verfalls der Wohnungen nicht umhin, alljährlich den erforderlichen Erhaltungs- und Er- satzbau zu sichern. Welchen Umfang der hat, kann man leicht ausrechnen. Bei 38 Millionen Wohnungen ist das eben ein Umfang von 380 000 Wohnungen jedes Jahr. Und wenn man diesen Umfang nicht gewährleistet, ihn nicht finanziert, dann kommt es mit Sicherheit zum „Stau“, zu neuer Verknappung und zu ansteigenden Mie- ten. In Ballungsräumen wie München, Stuttgart, Düssel- dorf ist das bereits zu beobachten. Im Übrigen konstatiert der RDM aktuell erstmals nach sechs Jahren einen An- stieg bei Neuvermietungen und zwar 2 Prozent im Altbau und 1,6 Prozent im Neubau. Ich werfe Ihnen auch vor, dass Ihnen der Wille zur dif- ferenzierten, gründlicheren analytischen Betrachtung ab- handen gekommen ist. So sagt allein ein – wenn auch er- freulich niedriger – Mietanstieg nichts aus. Zu einer realen Beurteilung der Lage kommt man erst, wenn Ein- kommen und Miete in Relation gestellt werden, wie es im Armuts- und Reichtumsbericht geschieht. Wenn 35 Pro- zent aller Haushalte eine Mietbelastung von 30 Prozent und mehr haben, sind es bei den reichen Haushalten eben nur 6 Prozent, die mehr als ein Drittel für das Wohnen aus- geben. Am höchsten liegt die Wohnkostenbelastung bei den Einkommensschwächsten. Haushalte mit einem Ein- kommen von unter 1 000 DM geben 67 Prozent für das Wohnen aus. Das ist eigentlich gar nicht nachvollziehbar. Alleinstehende mit Kindern haben besonders hohe Belas- tungen, ebenso Familien mit Kindern. Und eine hohe Wohnkosten- bzw. Mietbelastung paart sich mit kleineren Wohnungen und schlechterer Ausstattung. Finden Sie nicht auch, dass das eine ernst zu nehmende Schieflage ist? Es ist ja nicht nur die Wohnung. Diese Personengrup- pen sind generell in vielfacher Weise benachteiligt. Wie Sie diese Schieflage beseitigen wollen, weiß ich nicht. Ich höre ja noch nicht einmal davon, dass Sie diese überhaupt erkannt hätten. Ihre Reform des Sozialwohnungsbaus löst das Problem nicht. Allein die Tatsache, dass Sie die Ein- kommensgrenzen nahezu unverändert lassen, ist Beleg genug dafür. Auch beim Wohngeld bleiben Sie oberflächlich, reden stets nur von der Erhöhung, die – was mich auch freut – zahlreichen Haushalten zugute kommt. Aber Sie sparen gänzlich aus der öffentlichen Debatte aus, dass im Osten zusätzliche Freibeträge weggefallen, pauschale Abzugs- beträge gekürzt worden sind, sodass es sogar zur Minde- rung von Wohngeldansprüchen kommen kann. Für solche Härtefälle haben Sie mit den Ländern insgesamt 20 Mil- lionen DM eingeplant. Es muss also viele Haushalte be- treffen. Wie viel, wissen Sie nicht – so Ihre Antwort auf meine entsprechende Frage. Ich sage es Ihnen: Theore- tisch betroffen sind 260 000 Arbeitslose, 140 000 Rent- nerhaushalte, 78 000 Alleinerziehendenhaushalte. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116414 (C) (D) (A) (B) Auch haben Sie nie wirklich den Widerspruch reflek- tiert, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten der soziale Wohnungsbau mit Milliarden und Abermilliarden geför- dert wurde. Mit dem Ergebnis, dass dessen Ziel – bezahl- bares Wohnen für „breite Schichten des Volkes“ zu si- chern – exakt nie erreicht wurde. Und wegen dieses verfehlten Ziels – wiederum mit Milliarden und Abermil- liarden – das Wohngeld auch noch herhalten musste und muss. Ohne Reflexion dieses Widerspruchs haben Sie sich Hals über Kopf in die Reform des Sozialwohnungs- baus gestürzt, die von der kümmerlichsten Finanzausstat- tung in der Geschichte der Bundesrepublik geprägt ist. Nur nebenbei: Es interessiert Sie auch nicht, wie sich – quantitativ und qualitativ – die Zielgruppen entwickeln. Es interessiert Sie auch nicht, wie sich deren Wohnungs- bedarf entwickelt. Das alles habe ich schriftlich als Ant- wort Ihrer Regierung auf eine Anfrage. Von Augenblickssicht getrübt ist auch Ihr Verhalten, was die Leerstandskrise im Osten angeht: Wo auch immer Sie dazu öffentlich auftreten – und es gab ausreichend öf- fentliche Foren, Veranstaltungen und Konferenzen –, im- mer habe ich Ihre Einschätzung gehört, dass Ihre küm- merliche Novelle des Altschuldenhilfegesetzes als Hilfe und Verantwortung des Bundes an sich genug sei. Nun sei der Ball bei den ostdeutschen Ländern und Kommunen. Übrigens: Außer dieser in keiner Weise der Krise gerecht werdenden Novelle haben Sie seither – das wollen wir ausdrücklich feststellen – nichts weiter unternommen. Für die Inszenierung „Expertenkommission wohnungswirt- schaftlicher Strukturwandel in den neuen Ländern“ – welch eine Wortschöpfung – fiel der Vorhang im No- vember vergangenen Jahres. Seither ging auch das Licht in zahlreichen weiteren Wohnungen ostdeutscher Städte aus. Berichte sind dann gut, wenn sie von wirklicher Pro- blemsicht geprägt sind. Berichte sind dann sinnvoll, wenn sie von der Politik und von den Politikern als Handlungs- grundlage begriffen werden. Ihr Vorgehen mit dem Wohn- geld- und Mietenbericht spricht eher dafür, dass er letzt- lich für die Ablage taugt. Schade um die Bäume. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Teilberichts zu dem Thema: Schutz des geistigen Eigentums in der Biotech- nologie (Tagesordnungspunkt 11) Dr. Ilja Seifert (PDS): Erstmals wird heute im Plenum des Deutschen Bundestages über ein konkretes Arbeitser- gebnis der im März 2000 mit Zustimmung aller Fraktio- nen eingesetzten Enquête-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ debattiert. Allein diese Tatsache verdient bereits Würdigung. Damit wird ein wichtiger und durchaus strittiger Dis- kussionsprozess über den ethischen und rechtlichen Um- gang mit Biotechnologien im Parlament auch für die Öffentlichkeit und jeden Bürger transparent. Dass die Enquête-Kommission des Bundestages damit also auch für die Bevölkerung wieder etwas greifbarer wird, halte ich angesichts der Tendenz zur Einsetzung konkurrieren- der „Ethikräte“ für einen Fortschritt. Nach der im letzten Jahr bekannt gewordenen Patent- vergabe des Europäischen Patentamtes auf genmanipu- liertes menschliches Erbgut, gegen die die PDS Einspruch eingelegt hat, gibt es hier noch genügend Anlass zu be- kräftigen: Weder das menschliche Genom noch Teile da- von, noch Organe oder Zellen des menschlichen Körpers dürfen patentierbar sein. Eine Patentierung von Pflanzen und Tieren mit ihren Genen darf ebenso wenig infrage kommen. Ausgangspunkt für den Teilbericht war die Notwendig- keit, eine möglichst gemeinsame Position zur Biopatent- Richtlinie 98/44 der Europäischen Union zu erarbeiten und zur Diskussion zu stellen. Nun ist aber bekannt, dass diese EU-Richtlinie und ihre Umsetzung in nationales Recht seit längerer Zeit umstritten sind. Die Parlamentari- sche Versammlung des Europarates forderte schon 1999 eine Neuverhandlung der Biopatent-Richtlinie, insbeson- dere wegen Art. 5 Abs. 2, der eine Patentierung isolierter Teile des menschlichen Körpers nicht ausschließt und so- mit entsprechende Stoffpatente ermöglicht. In der EU sei hier auf die kritischen Positionen der Nie- derlande, Italiens und auch Frankreichs verwiesen. Bisher gibt es seitens des Europäischen Gerichtshofes noch keine Entscheidung über die Klage der Niederlande gegen die Biopatent-Richtlinie, jedenfalls nicht in der Hauptsache. In Deutschland ist die EU-Richtlinie ebenfalls in der Kri- tik. Das reicht von der Stellungnahme des Bundesrates vom Dezember 2000 über den Deutschen Ärztetag, die Bundesärztekammer bis hin zur grundsätzlichen Kritik von Greenpeace, die in der Anhörung der Enquête-Kom- mission vorgetragen wurde. Deshalb wäre es vernünftig, wenn sich die Bundesregierung in Brüssel dafür einge- setzt hätte, die Umsetzung dieser EU-Richtlinie auszuset- zen und erneute Verhandlungen zu ermöglichen. Sie hat sich aber stattdessen entschlossen, ein Biopatentgesetz vorzulegen, das – nach eigenem Bekunden – eine „nahezu wörtliche Umsetzung“ dieser viel kritisierten EU-Richtli- nie vorsieht. Erst auf solcher Grundlage verpflichtet sie sich, in der EU einen Änderungsprozess zu initiieren und „für erforderliche Verbesserungen und Präzisierungen des europäischen Patentrechts einzutreten“. Dieser Versuch, das Pferd von hinten aufzuzäumen, ist weder elegant noch akzeptabel. Einen „Umsetzungszwang“ der EU-Richtlinie in na- tionales Recht, auf den sich die Bundesregierung beruft, hat die Enquête-Kommission mehrheitlich nicht erkennen können. Mehr noch: Von einer „übereilten deutschen Im- plementierung“ wird abgeraten. Den Kern des Teilberichts der Enquête-Kommission bildet die mehrheitlich beschlossene Stellungnahme zur nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen. Auf der Grundlage einer Bewertung der EU-Biopatent-Richtlinie hat die Enquête- Kommission in ihrer Stellungnahme Eckpunkte und Er- wägungen entwickelt, deren Einhaltung bei der Umset- zung in nationales Recht unumgänglich ist. In diesem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16415 (C) (D) (A) (B) Sinne werden konkrete Initiativen der Bundesregierung zur Verbesserung des Patentrechts auf europäischer Ebene gefordert. In der Stellungnahme wird ausdrücklich begrüßt, dass die Biopatent-Richtlinie versucht, europaweit zu normie- ren, für welche Erfindungen keine Patente erteilt werden. Dazu gehören unter anderem das Klonen von menschli- chen Lebewesen, Verfahren zur Veränderung der mensch- lichen Keimbahn sowie die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwe- cken. Es ist positiv, dass der Entwurf für ein Biopatent- gesetz diesen Katalog übernimmt und ihn durch einen di- rekten Hinweis auf das Embryonenschutzgesetz präzi- siert. Angesichts der schnellen Entwicklung in den Biotech- nologien und „grundsätzlicher Probleme der Biopatentie- rung“, die ebenfalls im Teilbericht aufgezeigt wurden, fordert die Stellungnahme aber weiter, „unmissverständ- lich deutlich zu machen, dass sich der im Gesetz – der Bundesregierung – aufgeführte Katalog nicht patentierba- rer Erfindungen nicht als abschließend versteht“. Ange- sichts der Begehrlichkeiten in Forschung und Wirtschaft ist nämlich ebenso dringend zu gewährleisten, dass Erfin- dungen, die auf einen Eingriff in den Körper eines Men- schen ohne dessen Einwilligung zurückgehen, explizit von einer Patentierung ausgeschlossen werden. Über die sichtlichen Divergenzen in der Enquête- Kommission hinweg möchte ich feststellen, dass sich wohl alle in folgendem Punkt einig waren: Die Übertragung des Patentschutzes auf den Bereich des Lebendigen hat einen Paradigmenwechsel ein- geleitet, für den das Recht erst noch eine angemes- sene Systematik entwickeln muss. Ich füge für die PDS hinzu: Die Praxis des Lebens for- dert von der Politik nicht allein formalrechtliche Rege- lungen, sondern auch adäquate ethische Maßstäbe, damit kein Machbarkeitswahn zu nicht mehr rückholbaren Ent- wicklungen führt. Als Menschen haben wir eine besondere Verantwor- tung für die „Bewahrung der Natur, nicht nur der eigenen Gattung. Viele nennen dies Bewahrung der Schöpfung“. Für mich ist es ein humanistisches Ideal, das ich mit mög- lichst vielen Menschen teilen möchte. Dr. Eckard Pick, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Durch die Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfin- dungen wird kein besonderes und auch kein neues Patent- recht geschaffen. Mir ist dieser Hinweis sehr wichtig – nicht zuletzt wegen der bisherigen Diskussion! Es werden bereits seit vielen Jahrzehnten überall auf der Welt Patente auf biotechnologische Erfindungen er- teilt. Die Biopatent-Richtlinie schafft in diesem Bereich in erster Linie größere Rechtsklarheit und Rechtssicher- heit. Dabei – dies betone ich – weitet die Biopatent-Richt- linie das Patentrecht nicht aus, sondern sie schränkt es ein. Lassen Sie mich dies ganz konkret verdeutlichen: Die Richtlinie stellt klar, dass nur Erfindungen, nicht aber Entdeckungen patentierbar sind. Dies ist zwar nichts Neues, jedoch fehlte bisher diese Klarstellung im Gesetz. Nach der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten der EU ferner bestimmte und fundamental wichtige Patentie- rungsverbote in ihre Patentgesetze aufnehmen. Hier geht es um die gesetzliche Festschreibung der ethisch gebote- nen Grundsätze, die die Würde und die Unversehrtheit der Menschen gewährleisten. Auch das ist nichts Neues. Es war dem europäischen Richtliniengeber aber wichtig, dass die wichtigsten Verbote ausdrücklich im Gesetz ge- nannt werden. Hier ist insbesondere zu nennen: Der menschliche Körper ist in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung nicht patentierbar. Um der Richtlinie in vollem Umfang gerecht zu wer- den, muss man sich aber auch vor Augen führen, was die Richtlinie nicht regelt: Die Richtlinie enthält nichts, was bestimmte gentechnische Verfahren erlaubt oder verbie- tet. Sie erlaubt mit keiner Vorschrift irgendein biotechno- logisches Verfahren. Sie ermöglicht oder verbietet keine Forschungen. Sie regelt nicht das, was Wissenschaftler tun dürfen oder besser bleiben lassen. Kurz gesagt: Die Biopatent-Richtlinie schafft also größere Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und führt die ethischen Grenzen der Patentierung ins Bewusstsein und benennt sie konkret. Und die Umsetzung dieser Richtlinie überträgt dies alles in das deutsche Recht. Ich betone dies so nachdrücklich, weil es leider immer wieder übersehen wird. Der Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ mit seinen zwei Stellungnahmen berücksichtigt diese Gesichtspunkte. Während ein Minderheitenvotum vor allem die Vorteile der Biopatent-Richtlinie deutlich herausstreicht, emp- fiehlt die Stellungnahme selbst die Umsetzung erst für ei- nen Moment, zu dem die herausgearbeiteten Eckpunkte verwirklicht worden sind. Beim Betrachten dieser Eck- punkte komme ich unweigerlich zu dem Schluss: Im Er- gebnis empfiehlt die Enquête-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ die Umsetzung der Bio- patent-Richtlinie! Die meisten der in neun Eckpunkten aufgestellten For- derungen der Enquête-Kommission sind ja bereits seit vielen Jahren im deutschen Recht verwirklicht. Nur ein paar Stichworte: Patente dürfen nicht für Entdeckungen erteilt werden; Patente, deren Verwertung gegen die öf- fentliche Ordnung verstößt, sind verboten; die Vorschrif- ten zum Schutz von Patenten sind einzuhalten; die unbe- fristete Möglichkeit von Nichtigkeitsklagen. Andere Eckpunkte werden mit der Umsetzung der Bio- patent-Richtlinie deutsches Recht: das Erfordernis einer konkreten Funktionsbeschreibung von Genen als Patent- erteilungsvoraussetzung; die Erleichterung der Zwangsli- zenzierung; die Berücksichtigung der Interessen der Landwirte durch die Einführung des Landwirteprivilegs. Nun zum Stoffpatent: Auch die Bundesregierung will eine Überprüfung seiner Reichweite. Es geht um eine Prü- fung der Voraussetzungen einer Patentierbarkeit von Ge- nen, Gensequenzen und Teilen von Gensequenzen, die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116416 (C) (D) (A) (B) von menschlichen oder tierischen Lebewesen, Pflanzen oder Mikroorganismen stammen. Das Bundesministe- rium der Justiz hat damit bereits begonnen. Die Europä- ische Kommission ist informiert. Wir haben sie gebeten, bald in einen Meinungsaustausch darüber einzutreten. Über eines müssen wir uns aber klar sein. Das Patent- recht ist eine Materie, die wie kaum eine andere inter- national verflochten ist. Eine Weiterentwicklung des Pa- tentrechts hat nur dann einen Sinn, wenn wir sie im inter- nationalen Raum diskutieren. Ein rechtstreues Verhalten der EU gegenüber ist dabei eine unabdingbare Vorausset- zung für den Erfolg des von der Bundesregierung be- schlossenen Änderungsprozesses. Hier ist also die Bun- desregierung auf die Unterstützung des Deutschen Bundestages angewiesen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Aufhebung der na- tionalistischen Unrechtsurteile gegen Deserteure (Tagesordnungspunkt 12) Margot von Renesse (SPD): Zu dem Antrag der PDS braucht nicht viel gesagt zu werden, weil nichts zu ent- scheiden ist außer seiner Ablehnung. Der Antrag ist das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht, und er ist die Zeit nicht wert, die man zu seiner Ablehnung benötigt. Nach einem in der Tat quälend langen Beratungspro- zess hat der Bundestag in der letzten Legislaturperiode al- les nachgeliefert, was den Wehrdienstverweigerern, Fah- nenflüchtigen und „Wehrkraftaktzersetzern“ des Zweiten Weltkrieges schon lange zugestanden hätte: volle Rehabi- litierung und Anspruch auf Entschädigungsleistung. Der Antrag der PDS ist daher, wie man bei Gericht sagt, in der Hauptsache erledigt. Man kann nur noch darüber disku- tieren, was die PDS dazu veranlasst haben mag, ihn zu stellen. Die Wiedergutmachung von Unrecht zugunsten von Menschen, die zu Opfern wurden, kann es nicht ge- wesen sein. Bernd Wilz (CDU/CSU): Die Fraktion der CDU/CSU lehnt den Antrag der PDS ab. Er greift erneut eine The- matik auf, die bereits mehrfach Gegenstand von Debatten und Entscheidungen des Bundestages war. Die in diesem Zusammenhang getroffenen Entscheidungen des Parla- ments stellen eine in jeder Hinsicht ausreichende Rege- lung für die Aufhebung von NS-Urteilen dar; dies gilt auch für Deserteure. Durch das in der vergangenen Legislaturperiode ver- abschiedete Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege wurde ein Kom- promiss zur pauschalen Aufhebung vieler NS-Urteile ge- funden. Der Gesetzgeber von 1998 hat ausdrücklich klar- gestellt, dass dies auch für militärische Unrechtsurteile gilt. Insgesamt kam es uns – der Union – bei der Verab- schiedung des damaligen Gesetzes und früherer Entschei- dungen darauf an, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit für die Betroffenen herbeizuführen. Schon damals hatten wir auf unsere Bedenken gegen eine pauschale Aufhebung aller Urteile hingewiesen. Wie Sie zum Beispiel dem Plenarprotokoll vom 15. Mai 1997 und vom 28. Mai 1998 entnehmen können, gingen bereits diese Entscheidungen einem Teil meiner Kolleginnen und Kollegen zu weit. Mit ihrem Antrag will die PDS nun in Wahrheit die pauschale Aufhebung aller Urteile gegen Deserteure kraft Gesetzes erreichen, ganz gleich ob Entscheidungen mit oder ohne Todesstrafe, ob von der Militärjustiz oder an- deren Gerichtszweigen. Damit schießen sie eindeutig über das Ziel hinaus. Ein solcher Freibrief ist aus folgen- den Gründen nicht sachgerecht: Erstens. Es ist völlig unbestritten, dass es Deserteure gab, die aus ehrenhaften Motiven handelten. Dies gilt ins- besondere für überzeugte Widerstandskämpfer. Aller- dings gab es – und auch dies dürfte unbestritten sein – De- serteure, die aus verwerflichen Motiven handelten und die auch aus heutiger Sicht strafrechtlich relevant wären. Dafür möchte ich nur zwei Beispiele nennen: Ein Sol- dat, der desertiert, um sich der Verfolgung wegen einer von ihm zuvor begangenen Straftat zu entziehen, verstößt gegen Recht und Gesetz. Die von der PDS geforderte pau- schale Aufhebung einer entsprechenden Ahndung führte geradezu zu einer Billigung eines solchen rechtswidrigen Verhaltens. Darüber hinaus: Denken Sie einmal an das Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, als die Wehrmacht sich im Abwehrkampf gegen die eindringende Rote Armee be- fand, um zum Beispiel Ostpreußen die Flucht zu ermögli- chen, die zuvor massenhaft Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen durch die Sowjets ertragen mussten. Wenn in einer solchen Situation ein deutscher Soldat seine eigenen Kameraden im Stich ließ, sie damit vorsätzlich der Gefahr des Todes oder der Gefangenschaft aussetzte und zu den Sowjets überlief, dann ist ein solches Verhal- ten, wie ich finde, zutiefst verwerflich. Es sind zahlreiche Fälle belegt, in denen Soldaten aufgrund solchen Verhal- tens ihr Leben verloren haben. Zweitens. Würde man alle Entscheidungen pauschal aufheben, so würde man damit auch die Bewertung ver- binden, dass alle Richter rechtswidrig und willkürlich ge- handelt hätten. Sicherlich gab es Richter, die aus natio- nalsozialistischer Ideologie Unrechtsurteile sprachen. Unbestritten dürfte aber auch sein, dass Richter nach Recht und Gesetz und damit nach bestem Wissen und Ge- wissen gehandelt haben. Dies galt auch für Richter der Militärjustiz. Die pauschale Aufhebung sämtlicher Ur- teile käme faktisch einer Diskriminierung der ganzen Richterschaft gleich. Und das wollen wir nicht. Drittens. Die Aufhebung aller Urteile gegen Deserteure würde per se deren pauschale Rehabilitierung bedeuten. Dies käme inzidenter einer Herabsetzung der vielen Mil- lionen deutscher Soldaten gleich, die sich anständig ver- hielten und tapfer kämpften – zutiefst davon überzeugt, ihre Pflicht zu erfüllen. Es ist leider wahr, dass die Wehrmacht von dem verbre- cherischen NS-Regime instrumentalisiert und missbraucht Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16417 (C) (D) (A) (B) wurde. Allein aber aus der Pflichterfüllung Rückschlüsse auf eine negative Gesinnung ziehen zu wollen, ist un- zulässig. Die Wehrmachtsangehörigen insgesamt zu ver- urteilen oder aber einer niederen Gesinnung zu bezichti- gen, wäre wahrheitswidrig und ist eindeutig abzulehnen. Auch die mit dem PDS-Antrag verfolgte Forderung der Ausweitung der Entschädigungspraxis verdient keine Zu- stimmung. Sie ist mit dem gefundenen überparteilichen Kompromiss aus dem Jahre 1997 nicht vereinbar. Die beschlossene Regelung über die einmalige Ent- schädigung war eine Geste des guten Willens und von dem Gedanken getragen, die unmittelbar betroffenen An- tragsteller über bestehende Anspruchsgrundlagen hinaus zu begünstigen. Dabei war von vornherein beabsichtigt, Leistungen grundsätzlich nur an die Überlebenden zu erbringen. Die Einbeziehung deren Angehöriger sollte indes sicherstel- len, dass sich der Staat nicht durch verzögerte Bearbei- tung der Zahlungspflicht entziehen konnte oder kann. Im Übrigen bedarf es einer Ausweitung der Entschädi- gungszahlung auch deshalb nicht, weil den Angehörigen bereits Ansprüche zustehen, die sich aus dem Bundesver- sorgungsgesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz oder dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz ableiten lassen. Jörg van Essen (F.D.P.): In den vergangenen Jahren haben wir uns wiederholt mit der Frage der Aufhebung der NS-Unrechtsurteile befasst. Erst vor wenigen Wochen hat der Deutsche Bundestag mit überragender Mehrheit die pauschale Aufhebung der NS-Unrechtsurteile gegen Homosexuelle beschlossen. Die überragende Mehrheit, die es damals für diese wichtige Initiative gab, hat in ein- drucksvoller Weise gezeigt, dass der Bundestag sehr wohl in der Lage ist, seiner besonderen Verantwortung für die Opfer des Naziregimes gerecht zu werden. Wir müssen al- les tun, um dem Eindruck der Fortgeltung nationalsozia- listischen Unrechts zu begegnen. Bei den Beratungen über das NS-Aufhebungsgesetz haben wir uns bereits vor einigen Jahren auch mit den Ur- teilen der NS-Militärjustiz gegen Deserteure der Wehr- macht intensiv beschäftigt. Der Bundestag hat dabei fest- gestellt, dass die Gerichte der Militärjustiz im NS-Staat keine Gerichte im rechtsstaatlichen Sinne waren. Sie waren vielmehr ein Terrorinstrument der nationalsozialis- tischen Willkürherrschaft. Das gilt insbesondere für Verurteilungen wegen der Tatbestände „Desertion/Fah- nenflucht“, „Wehrkraftzersetzung“ und „Wehrdienstver- weigerung“ zu Todesurteilen. Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil im Jahre 1991 deutliche Worte gefun- den. Darin heißt es, maßgeblich für die Bewertung der Verurteilungen im NS-Staat müsse die Feststellung sein, dass nicht die aktive Teilnahme am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Nazideutschlands die von der Rechtsord- nung anerkannte Norm darstelle; Maßstab sei gerade die Verweigerung der Teilnahme. Im NS-Aufhebungsgesetz haben wir 1998 geregelt, dass Todesurteile des Reichskriegsgerichts und der Mi- litärgerichte wegen Desertion aufgehoben werden sollen, soweit sie nicht auf Delikten beruhen, die auch vor dem 20. Januar 1933 nach allgemeinem Strafrecht mit der To- desstrafe bedroht waren. Darüber hinaus können die Ur- teile nach einer Einzelfallprüfung aufgehoben werden, falls sie die Voraussetzungen der Generalklausel erfüllen. Die vielfältigen Initiativen der vergangenen Jahre be- legen in eindrucksvoller Weise, dass der Bundestag sich sehr verantwortungsvoll mit den unterschiedlichen Op- fergruppen auseinander gesetzt hat und die jeweiligen In- teressen berücksichtigt hat. Wir waren uns bei den Bera- tungen darüber einig, dass wir mit unseren Beschlüssen dem Problem der Rehabilitierung gerecht geworden sind. Wenn die PDS nun weiteren Klärungsbedarf sieht, dann muss sie hier auch schlüssig darlegen, warum die bisher vorliegenden Regelungen nicht getragen haben und zu Ungerechtigkeiten geführt haben sollen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur 20. Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mit- gliedstaaten für Beschränkung des Inverkehr- bringens und der Verwendung gewisser gefährli- cher Stoffe und Zubereitungen (kurzkettige Chlorparaffine) (Tagesordnungspunkt 13) Dr. Carola Reimann (SPD): Kurzkettige Chlorparaf- fine sind leider ein sehr fachspezifisches Thema. Eine Aussprache über diesen Gegenstand ist längst nicht so te- legen wie eine Debatte über Grundsatzfragen. Trotz der wenig prominenten Platzierung auf der Tagesordnung ist eine Auseinandersetzung mit diesem Thema notwendig. Wir diskutieren heute die Stellungnahme des Bundes- tages zu einer Richtlinie der Europäischen Union, in der es um die Verwendung von kurzkettigen Chlorparaffinen geht. Ich will mich diesem Thema nüchtern naturwissen- schaftlich nähern, denn ideologische Voreingenommen- heit hat hier keinen Platz. Zuerst will ich erklären, was Paraffine und was Chlor- paraffine sind. Paraffine entstehen bei der Erdölfraktion, das heißt beim Aufspalten von Erdöl in unterschiedliche Bestandteile, die unterschiedlich weiterverarbeitet wer- den. Paraffine kennen wir alle: Sie sind im Handel meist als dick- oder dünnflüssiges Paraffinöl erhältlich. Che- misch sind sie sehr reaktionsträge. Paraffine können nicht einfach mit einem Streichholz entzündet werden: Erst wenn ein Docht vorhanden ist, kann es brennen. Paraffine sind Gemische langkettiger, aliphatischer und gesättigter Kohlenwasserstoffe, es gibt also weder Ring- noch Doppel- und Dreifachbindungen. Sie können sich das Ganze wie eine Kette von einfach verbundenen Kohlenstoffatomen vorstellen. An jedem Kettenglied hängen zwei Wasserstoffatome, am ersten und letzten Kohlenstoffatom hängen drei Wasserstoffatome. Bei den Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116418 (C) (D) (A) (B) Chlorparaffinen hängen nun an den Kohlenstoffatomen ein oder mehrere Chloratome. Sie sind also Chlorierungs- produkte des Paraffins mit einem Chlorgehalt von 15 bis 70 Prozent. Um diese sehr theoretische Debatte über chemische Wirkstoffe etwas praktischer zu gestalten, habe ich hier ein kleines Modell von einem Chlorparaffin mitgebracht: Chemisch gesprochen, habe ich hier das Modell eines C12H23Cl3-Moleküls in der Hand. Bei diesem Modell se- hen Sie eine Kette von 12 Kohlenstoffmolekülen. Jedes der Kohlenstoffmoleküle kann vier Bindungen eingehen. An jedem Molekül, das in der Mitte der Kette ist, hängen zwei Wasserstoffatome. An den beiden Endstellen hängen drei Wasserstoffatome. Ein Paraffin-Molekül würde nur aus der Kohlenstoffkette und den daran hängenden weißen Wasserstoffmolekülen bestehen. Bei diesem Chlorparaffin sind drei Wasserstoffatome durch Chloratome ersetzt wor- den. Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei den chemischen Instituten der Charité bedan- ken, bei denen ich dieses Modell ausleihen konnte. Chlorparaffine sind farblose oder gelbliche Flüssigkei- ten oder Feststoffe. Sie haben sehr unterschiedliche Ei- genschaften: leicht beweglich bis stark zähflüssig oder glasig erstarrt bis wachsartig. Ebenso wie die Paraffine sind Chlorparaffine chemikalien- und lichtbeständig. Bis 200 Grad Celsius sind die Chlorparaffine temperaturbe- ständig und schwer entflammbar. Wie in dem vom Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beschlossenen Antrag beschrieben, werden insgesamt 200 verschiedene Chlorparaffine ge- nutzt. In der Anwendung sind Chlorparaffine uns auch al- len vertraut: Sie werden als wetterfeste Imprägnierung in Kleidungsstücken eingesetzt, als Flammschutzmittel, als Lösungsmittel für die Farbstoffe im Durchschreibepapier oder als Weichmacher im PVC und in der Metallverarbei- tung. In der Metallverarbeitung werden sie besonders als Schmierstoffe benutzt. Unterschieden werden die langkettigen Chlorparaf- fine, die eine Kettenlänge von mehr als 17 Kohlenstoffa- tomen haben, die mittelkettigen Chlorparaffine mit zwi- schen 14 und 17 Chloratomen und die kurzkettigen Chlorparaffine, die eine Kettenlänge zwischen 10 und 13 Kohlenstoffatomen haben. Was sind nun die Probleme der Chlorparaffine, die es notwendig machen, sich politisch mit ihnen auseinander zu setzen? Zwar sind Chlorparaffine nicht akut giftig, aber von ihnen geht eine andere Gefahr aus, die wir nicht un- terschätzen dürfen: Chlorparaffine persistieren in der Um- welt. Das bedeutet, sie können nicht natürlich abgebaut werden und akkumulieren so in der Umwelt. Jährlich wer- den nach Schätzungen von Prof. Wolfgang Rotard von der Technischen Universität Berlin 300 000 Tonnen Chlor- paraffine hergestellt, die nicht biologisch abgebaut wer- den. Dabei ist es ganz egal, ob wir über kurzkettige, mit- telkettige oder langkettige Chlorparaffine sprechen: Alle diese Stoffe akkumulieren sich in unserer Umwelt. Das heißt, Chlorparaffine reichern sich in der Nahrungskette an. Chlorparaffine konnten in Muscheln und Fischen, aber auch in Vögeln nachgewiesen werden. Und sie konnten auch im menschlichen Fettgewebe nachgewiesen werden. Kurzkettige Chlorparaffine werden heutzutage vor al- lem in der Metallverarbeitung eingesetzt. Im PVC werden mittelkettige Chlorparaffine als Weichmacher eingesetzt. Man benutzt sie, weil sie flammhemmend wirken. Sie ha- ben aber die gleichen Nachteile wie alle anderen Chlor- paraffine. Von besonderer Gefährlichkeit für den Menschen und die Umwelt sind die kurzkettigen Chlorparaffine: Sie begünstigen den Ausbruch von Tumoren, sie wirken als Tumorpromotoren. Daher kommt der Deutsche Bundestag nicht umhin, sich mit Chlorparaffinen zu beschäftigen. Uns stellt sich ganz grundsätzlich die Frage: Wollen wir Stoffe herstel- len und nutzen, die in der Umwelt dauerhaft bestehen blei- ben und das Ökosystem belasten und unsere Gesundheit gefährden? Die Antwort, die wir in dem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegeben haben, ist eindeutig: Nein. Wir wollen diese Stoffe aus dem Verkehr ziehen, denn es gibt in allen Bereichen Alternativen, sowohl im Bereich der Metallverarbeitung bis hin zu den Weichmachern für PVC-Produkte. Wir können daher sicherlich gemeinsam von allen Seiten des Hauses feststellen, dass wir diese Richtlinie begrüßen: Kurzkettige Chlorparaffine gefähr- den Mensch und Umwelt. Auf diese Stoffe wollen wir in Zukunft verzichten. Dabei bleibt aber eine Frage offen – und das ist der po- litische Streitpunkt: Reichen die Festlegungen in dieser Richtlinie des Rates und des Europäischen Parlamentes aus? Ganz eindeutig: Diese Richtlinie geht nicht weit ge- nug! In der Richtlinie wird nur eine Gruppe der Chlorpa- raffine berücksichtigt: Es geht leider nur um die kurzket- tigen Chlorparaffine. Die Richtlinie bleibt weit hinter dem PARCOM-Be- schluss von 1995 zurück. Zehn Mitglieder der Europä- ischen Union – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – haben schon 1995 die Einstellung der Ver- wendung von kurzkettigen Chlorparaffinen beschlossen. Bis zum 31. Dezember 1999 sollten keine Chlorparaffine mehr verwandt werden. Lediglich zwei Ausnahmen sind vorgesehen: im Dammbau und als Flammschutzmittel für Förderbänder im Untertagebau. Doch auch hier sollte bis Ende des Jahres 2004 die Verwendung untersagt werden. Wir führen hier also keine parteipolitische Auseinander- setzung um Umweltfragen: Dieser Beschluss ist 1995 von CDU/CSU und F.D.P., damals in der Regierungsverant- wortung, mitgetragen worden. Deshalb ist es für mich un- verständlich, wie Sie innerhalb des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit diskutiert und abgestimmt haben. Bei der vorliegenden EU-Richtlinie geht es lediglich um die Einschränkung der Verwendung von kurzkettigen Chlorparaffinen in zwei Anwendungsgebieten, bei der Verarbeitung von Metall und dem Fetten von Leder. Das ist inkonsequent. Wenn wir unsere Umwelt und letztlich uns wirksam schützen wollen, müssen wir ganz auf Chlor- paraffine verzichten! Kurzkettige Chlorparaffine werden sonst auch weiter- hin in Farben, Beschichtungen, Dichtungsmitteln und als Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16419 (C) (D) (A) (B) Flammschutzmittel in Gummi, Kunststoffen und Tex- tilien verwandt. Die vorliegende Richtlinie will nur in- nerhalb von drei Jahren nach Verabschiedung Maßnah- men prüfen, die die Risiken verringern. Doch das reicht nicht aus! Dem Verbot von Chlorparaffinen stehen auch keine wirtschaftlichen Gründe im Weg: Kurzkettige Chlorpa- raffine werden in Deutschland seit 1995 nicht mehr pro- duziert. Der Markt für mittelkettige Chlorparaffine lag 1994 bei etwa 5 000 Tonnen. Das ist wirtschaftlich be- trachtet eine sehr geringe Menge. Hauptanwendungsge- biet ist das PVC und hier gibt es – wie gesagt – genügend Ersatzstoffe. Das Problem, vor dem wir stehen, ist ein bürokrati- sches: In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind gefährliche Chemikalien im Einsatz. Entsprechend der EU-Verordnung zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken bestimmter Altstoffe findet eine Risikobe- wertung statt. Chlorparaffine sind ein sehr gutes Beispiel, an dem sich zeigt, dass die Langsamkeit in der Bürokra- tie dazu führt, dass eine gefährliche Stoffgruppe weiter eingesetzt werden kann, weil die Überprüfungen und Ent- scheidungen so lange dauern. Deshalb ist das neue Weißbuch Chemiepolitik der Eu- ropäischen Union der Schritt in die richtige Richtung: Wir brauchen zugunsten der Verbraucherinnen und Verbrau- cher eine grundsätzliche Veränderung des Systems. Eine Chemikalie darf nur noch dann eingesetzt werden, wenn sie unschädlich ist. Diese Beweislast muss umgekehrt werden. Es muss vom Hersteller oder Importeur, vom Verkäufer oder Benutzer nachgewiesen werden, dass sein Produkt keine negativen Wirkungen auf die Umwelt hat. Nur dann darf ein Stoff auch eingesetzt werden. Das ist die Chemiepolitik des 21. Jahrhunderts. Im 19. – 20.? – Jahrhundert war es so, dass eine nützliche chemische Ver- bindung so lange und ohne Rücksicht auf Verluste einge- setzt werden konnte, bis sie verboten wurde. Dieses über- kommene Verständnis, in dem Natur einfach verbraucht werden kann, muss beendet werden. Deshalb hat dieses Verfahren der Umkehr der Beweis- last auch eine breite Unterstützung im Umweltausschuss des Bundesrates am 26. April gefunden: Auch Bayern hat diesem Prinzip dort zugestimmt! Im Umweltausschuss hat die Fraktion von CDU/CSU leider gegen unseren Antrag gestimmt: Sie haben ausge- führt, dass nur im Bereich der Leder- und Metallverarbei- tung Probleme bestehen und die weitere Verwendung der kurzkettigen Chlorparaffine ungefährlich sei. Das ist lei- der falsch. Es sind nur die Bereiche mit den größten Emis- sionen. Und auch die Auffassung der F.D.P. trifft nicht zu, dass es Anwendungsbereiche gibt, in denen Chlorparaf- fine ungefährlich sind. Persistierende Stoffe führen auf- grund der Akkumulation in der Umwelt zu Problemen. Mit dem Antrag fordern wir eine Konkretisierung der Richtlinie. Nicht das Inverkehrbringen kurzkettiger Chlorparaffine, sondern der Einsatz dieser Stoffe muss untersagt sein. Darüber hinaus wollen wir eine Kenn- zeichnung der Produkte, die Chlorparaffine enthalten. Wir wollen die Lacke, Textilien und anderen Stoffe, die Chlor- paraffine beinhalten, für den Verbraucher und die Ver- braucherin sichtbar machen. Dagegen hat auch im Aus- schuss niemand protestiert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der F.D.P., ich bitte Sie heute die gleiche Auffassung zu vertreten, die Sie vor sechs Jahren hatten, als Sie die Regierung stellten: Unterstützen Sie die Position, die Sie selbst im PARCOM-Beschluss festgeschrieben haben. Kurzkettige Chlorparaffine müssen aus dem Verkehr ge- zogen werden. Ohne Ausnahme. Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Trotz steigender Ar- beitslosigkeit und hoher Benzinpreise gehört der Schutz der Umwelt noch immer zu den aktuellen Themen unse- rer Gesellschaft. Ein großer Teil der Bevölkerung hält den Umweltschutz unabhängig von der aktuellen Tagespolitik für „wichtig“. Immerhin steht er nach Angaben des Um- weltbundesamtes aus dem Jahre 2000 auf Platz vier der größten Probleme in Deutschland. Das heute geltende Umweltschutzrecht wurde in den 16 Jahren christdemokratischer Regierungszeit gestaltet und geprägt. Aufgrund der Durchsetzung verschiedener medienbezogener Gesetze – wie das Bundesbodenschutz- gesetz – durch die vorherige Bundesregierung, hat sich ein hoher Standard des deutschen Umweltschutzes ent- wickelt. Das erfolgreiche Wirken christdemokratischer Umweltminister hat die Umweltpolitik zu einem Gütesie- gel Deutschlands gemacht. Trotzdem müssen sich heutige und zukünftige Generationen noch immer mit den Gefah- ren chemischer Stoffe in Natur und Umwelt auseinander setzen. Aufgrund ihrer Langlebigkeit verbreiten sich Chemi- kalien in allen Umweltmedien. Sowohl Luft und Boden als auch die Gewässer sind davon betroffen. Deshalb ist die seit 1994 erreichte Reduzierung der Schadstoffbelas- tung in der Umwelt fortzusetzen. Dafür sollten einfache und praktikable Lösungen gefunden werden, die eine si- chere Anwendung gefährlicher Stoffe sicherstellen. Zu einem dieser gefährlichen Stoffe gehören Chlorpa- raffine. Chlorparaffine enthalten Kohlenstoffketten – Pa- raffine – unterschiedlicher Länge, an denen Wasserstoff durch Chlor ersetzt wurde. Sie sind je nach Kettenlänge und Chlorgehalt farblose oder gelbliche, leichtbewegliche bis hochviskose Flüssigkeiten oder glasig erstarrte bis wachsartige Feststoffe. Chlorparaffine sind chemikalien- und lichtbeständig sowie temperaturbeständig bis circa 200 Grad Celsius. Darüber hinaus sind sie vergleichs- weise wenig flüchtig und schwer entflammbar. Sie wer- den aufgrund ihrer hohen chemischen und physikalischen Beständigkeit als Weichmacher in Farben, Lacken und Dichtungsmaterialien sowie als Flammschutzmittel in Gummi, Kunststoffen und Textilien eingesetzt. Anzutreffen sind Chlorparaffine in Fugendichtungsmas- sen, Beschichtungen, Farben, Gehäusen, Gummi und PVC- Produkten wie zum Beispiel Bodenbelägen. Hauptanwen- dungsbereich für die hier zu behandelnden kurzkettigen Chlorparaffine ist die Metall- und Lederverarbeitung. Dem vielfältigen Nutzen dieses Stoffes stehen jedoch die umfangreichen Umweltschäden, die er verursacht, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116420 (C) (D) (A) (B) gegenüber: Chlorparaffine sind biologisch schlecht ab- baubar. Sie reichern sich in der marinen Umwelt an und finden Eingang in die Nahrungskette. Dadurch gefährden sie nicht nur die natürliche Umwelt, sondern auch die Ge- sundheit der Bevölkerung. Es ist demnach nicht verwun- derlich, dass Chlorparaffine in Kleinkrebsen, Fischen und letztlich auch im menschlichen Körper nachgewiesen wurden. Chlorparaffine sind wie die anderen chlorierten Kohlenwasserstoffe sehr langlebig – in Standardtests bio- logisch nicht abbaubar – und fettlöslich. Sie reichern sich im Fettgewebe, in der Niere und in der Leber an. Dies ist deshalb so besorgniserregend, weil kurzkettige Chlorparaffine möglicherweise krebserregend sind. In der MAK-Liste sind Chlorparaffine in Abschnitt III B einge- stuft, das heißt: es besteht ein begründeter Verdacht auf krebserzeugendes Potenzial. Auf bestimmte Organismen wirken Chlorparaffine so- gar toxisch. Im Brandfall entstehen Salzsäure sowie poly- chlorierte Furane. Chlorparaffinhaltige Abfälle müssen als Sondermüll entsorgt werden. Chlorparaffine sind in die Wassergefährdungsklasse 3 – stark wassergefährdend – eingestuft. Die Reinhaltung der Gewässer von Chlorparaffinen ist in Anbetracht der überragenden Bedeutung von Wasser als Grundnahrungsmittel unablässig. Wasser ist Lebens- grundlage für Mensch und Tier. Die mögliche Aufnahme von Chlorparaffinen auf den verschiedensten Wegen der Nahrungskette gefährdet die Gesundheit von Erwachse- nen und Kindern. Um Risiken für Mensch und Umwelt zu vermeiden, die auf die Verwendung von kurzkettigen Chlorparaffinen zurückgehen, sind Schutzmaßnahmen daher dringend erforderlich. Bei der Ausarbeitung solcher Maßnahmen ist aber immer der Grundsatz der Verhältnis- mäßigkeit zu wahren. Insbesondere darf die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht unnötig beeinträchtigt werden. Im Rahmen des Oslo-Paris-Meeresschutzabkommens bestehen bereits umfassende, über den vorliegenden Richtlinienentwurf hinausgehende Regelungen zur Ver- wendung von kurzkettigen Chlorparaffinen. Durch diesen so genannten PARCOM-Beschluss wurde normiert, dass die Verwendung kurzkettiger Paraffine als Plastifiziermit- tel in Farben und Lacken, die Verwendung in Schmier- stoffen zur Metallbearbeitung und die Verwendung als Flammschutzmittel in Gummi, Kunststoff und Textilien bis zum 31. Dezember 1999 und die Verwendung als Plas- tifizierungsmittel in Dichtmassen bis zum 31. Dezember 2004 einzustellen ist. Leider haben nicht alle Mitglied- staaten der Europäischen Union diesem Abkommen zu- gestimmt. Dies hat ein weiteres Mal Wettbewerbsverzer- rungen zulasten der deutschen Unternehmen zur Folge. Dies ist aber nicht der einzige Nachteil. Daneben be- steht auch der grenzüberschreitende Charakter der Ver- schmutzung von Gewässern. Das verunreinigte Grund- oder Oberflächengewässer macht vor Staatengrenzen eben nicht Halt. Die Bemühungen der deutschen Indus- trie, diese Stoffe nicht mehr zu verwenden und dadurch die Landesbevölkerung zu schützen, werden damit hin- fällig. Das Problem des Schadstoffeintrags in Gewässer ist nur international zu lösen. Durch den vorliegenden Richtlinienentwurf wird nun endlich eine Harmonisierung des europäischen Rechts an- gestrebt und der von deutschen Unternehmen bereits seit langem praktizierte Umweltschutz im Bereich der Chlor- paraffine wird nun endlich europaweit eingefordert. Die Vorreiterrolle deutscher Unternehmen in Bezug auf die kurzkettigen Chlorparaffine ist zwar durchweg zu be- grüßen, die damit verbundenen Belastungen dürfen aber nicht übersehen werden. Die Bundesregierung hat hier einmal die Möglichkeit, ganz entgegen Ihrer sonstigen Gewohnheit, eine Regelung zu unterstützen, die Wettbe- werbsverzerrungen entgegenwirkt. Bisher hat die Bundesregierung Benachteiligungen deutscher Unternehmen auf dem europäischen und inter- nationalen Markt durch nationale Alleingänge ja nicht nur hingenommen, sondern regelrecht gefördert. Gerade im Umweltbereich hat die „Politik des deutschen Sonder- weges“ von Herrn Trittin dazu geführt, dass sich deutsche Betriebe Belastungen ausgesetzt sehen, die wirtschafts- politisch nicht mehr tragbar sind. Die Umsetzung europäischer Richtlinien, welche eine Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten bewirken sollte, wurde dazu genutzt, Reglementierungen und bürokratischen Aufwand für die Unternehmen zu erhö- hen. Der vor 1998 eingeschlagene positive Weg der De- regulierung wurde durch die Bundesregierung zuneh- mend verlassen. Substitutionsfördernde Instrumente wie der Erlass einer Privilegierungsverordnung für solche Unter-nehmen, die sich aktiv im Umweltschutz en- gagieren, wurden verschleppt und vernachlässigt. Durch diese Politik wird die Verlagerung von Investitionen ins Ausland riskiert und der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet. Die durch den Richtlinienentwurf verfolgte Angleichung der Bestimmungen der Mitgliedstaaten ist daher ausdrücklich zu begrüßen. Der Entwurf bezieht sich richtigerweise lediglich auf kurzkettige Chlorparaffine. Die Aufnahme anderer Klas- sen von Chlorparaffinen ist nicht notwendig; denn die öko- toxikologischen Eigenschaften hängen von der Ketten- länge ab. Lediglich die kurzkettigen Vertreter neigen stark zur Verbreitung im aquatischen Ökosystem und sind für einig Organismen giftig. Nur sie stellen daher die pro- blematischen Vertreter der Chlorparaffine dar. Nicht um- sonst liegt für andere Chlorparaffine auch gar keine Risikobewertung gemäß der EU-Altstoffverordnung vor. Diese unterschiedliche Gefährlichkeit der verschiedenen Chlorparaffinklassen kommt nur in der getroffenen Un- terscheidung richtig zum Ausdruck. Auch die Beschränkung der Einsatzbereiche auf die Metallbearbeitung und Lederverarbeitung ist zweck- mäßig. Es werden konsequenterweise nur diejenigen Einsatzbereiche genannt, für die im Rahmen der Kom- missionsempfehlung Risikominderungsmaßnahmen vor- geschlagen werden. Ein vollständiges Verbot von kurzkettigen Chlorparaffinen wäre vor dem Hintergrund der Kommissionsempfehlung zu den Ergebnissen der Risikobewertung kurzkettiger Chlorparaffine nicht mit der Auffassung der EU-Kommission zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vereinbar. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16421 (C) (D) (A) (B) Die Richtlinie ist also im Grundsatz richtig gestaltet. Allerdings ist der Regelungsbereich der vorliegenden Richtlinie missverständlich und inhaltlich unpräzise. Ins- besondere der Änderungsvorschlag zu Ziffer 1 ist miss- glückt. Die vorgeschlagene Fassung vermittelt den Ein- druck, dass lediglich das Inverkehrbringen kurzkettiger Chlorparaffine als Ersatzstoffe für Zubereitungen unter- sagt werden soll. Ziel ist doch aber, den Einsatz des Stoffs als solchen zu versagen, was den Einsatz im Zuberei- tungsverfahren natürlich mit umfasst. Darüber hinaus ist eine Konkretisierung des Gesetzes- entwurfs notwendig. Es muss auf eine klare Regelung hingewirkt werden, die präzise aufführt, welche Prozesse der Metallverarbeitung unter die Norm fallen sollen. Ich fordere die Bundesregierung daher auf, in diesen Punkten Einfluss auf das Gesetzgebungsverfahren zu nehmen und eine Klarstellung und Präzisierung zu erreichen. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn wir heute über ein Einsatzverbot von Chorparaffi- nen sprechen, dann beraten wir einmal mehr nach dem Motto: „Wer ist der Schadstoff der Woche?“. Gestern die Phthalate, heute die Chlorparaffine und morgen die POPs – und richtig schreiben müssen das die Journalisten auch noch. Das ist so flapsig dahergesagt, aber eigentlich ernst ge- meint: Vorsorgende Chemiepolitik sollte nicht mehr Ein- zelstoffen oder Stoffgruppen hinterherhecheln müssen. Das ist Politikstil von gestern. Solange aber die europä- ische Chemieindustrie nicht aktiv Verantwortung für ihre gefährlichen Stoffe trägt, solange sie nicht aktiv ihr Motto „Responsible Care“ auf die von ihr hergestellten Stoffe anwendet, solange wird sich die Politik auch mit völlig unaussprechlichen Einzelstoffen befassen müssen – sehr zur Freude des Stenographischen Dienstes. Und deshalb reden wir heute wieder einmal über ein Stoffverbot, auf das die Chemiker gerne den Grundsatz des Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracel- sus) anwenden, wonach die Dosis erst das Gift mache. Doch hier haben wir es nicht mit dosisabhängigen Wir- kungen zu tun: Chlorparaffine stehen im begründeten Verdacht, Krebs erregend zu sein, krebsfördernd wirken sie allemal. Nicht nur, dass es für solche Stoffe keinen Grenzwert geben kann, Chlorparaffine sind auch noch schwerst abbaubar und reichern sich im Fettgewebe und in der Muttermilch an. Auch niedrigste Dosen werden im Nahrungskreislauf zum unkalkulierbaren Risiko in einer sich immer stärker auffüllenden „Vorratskammer“ Mensch. Heute finden sich so gefährliche Stoffe wie die Chlor- paraffine in jedem Winkel unserer Haushalte wieder. Al- lein über die Hälfte der Produktion wird als Weichmacher und Flammschutzmittel für PVC eingesetzt. Im Haushalt gasen diese Chlorparaffine dann aus Böden, Computer- gehäusen, Weichfolien, Radiergummis, Farben, Kitt, Tex- tilien, Lederwaren und Autositzen aus und verpesten uns die Innenraumluft. Im Brandfall oder beim Verschwelen werden ultragiftige Dioxine und Furane gebildet. Unter- suchungen des Umweltbundesamtes bestätigen dabei Überschreitungen der in der Gefahrstoffverordnung fest- gehaltenen Grenzwerte. Aber nicht nur der Mensch ist betroffen. Über unsere Flüsse gelangen diese Stoffe in die Nord- und Ostsee. Be- sonders das sensible Wattenmeer ist betroffen und da Chlorparaffine reproduktionstoxisch wirken, schädigen sie die dortige Tierwelt noch über Generationen hinaus. Also sage ich: Kant statt Paracelsus. Der kategorische Imperativ als Grundsatz nachhaltiger Chemiepolitik – ge- recht gegenüber der Umwelt und gegenüber künftigen Generationen. Daran müssen wir arbeiten. Und deshalb nehmen wir die OSPAR-Verpflichtung von 1995 sehr ernst, die Einleitung derartiger Stoffe in den Nordost-At- lantik innerhalb einer Generation zu stoppen. Leider beraten wir heute aber nur über einen ver- schwindend geringen Teil dieser Stoffgruppe. Wir reden nur über die kurzkettigen Chlorparaffine und wir reden nur über Einsatzverbote in der Metall- und Lederverar- beitung, also über eine Teilmenge in einem kleinen Ein- satzbereich. An dieser Stelle spreche ich ein großes Lob an die deut- sche Chemieindustrie aus, die bereits seit 1995 ganz auf die Produktion der Kurzkettigen verzichtet. Das war nahe liegend, weil die Krebs erregende Wir- kung der Chlorparaffine mit dem relativen Gehalt an Chlor ansteigt und bei den kurzkettigen der schwere Chloranteil also überwiegt. Sie sind am gesundheitsschädlichsten. Trotzdem werden diese Chemikalien auch bei uns ein- gesetzt. Das EU-weite Verbot greift zu kurz: Wir brauchen rasch ein europaweites Verbot in allen Bereichen indus- trieller Verwendung: Elektro- und Verkehrsmittelindus- trie, Bau- und Möbelindustrie. Wir brauchen auch ein Verbot aller langkettigen Chlor- paraffine. In Persistenz und Bioakkumulation stehen sie den Kurzkettigen in nichts nach. Eine europäische Harmonisierung ist wünschenswert, aber sie darf nicht zu Minimallösungen führen. Heute sieht es doch so aus: Nur für Kurzkettige und nur für die Bereiche Metall- und Lederverarbeitung liegen abge- schlossene Risikobewertungen vor, also werden nur sie verboten. Als ob wir nicht immer wieder zum Beispiel auf Alternativen in der Metallbranchen hingewiesen hätten: Bohr- und Schneidöle auf Pflanzenbasis, insbesondere aus Rapsöl; als ob der Vorsorgegrundsatz nicht schon spä- testens seit 1995 – OSPAR, Einstellung deutscher Pro- duktion – für ein Verbot ausreichend gewesen wäre. Die Chlorparaffine sind das beste Beispiel dafür, dass die bisherige Überprüfung von Altstoffen kläglich ge- scheitert ist. Von über 30 000 marktrelevanten Chemika- lien sind gerade eine Handvoll Risikobewertungen abge- schlossen. Sisyphus – so sagte Camus – sei ja eigentlich ein glück- licher Mensch gewesen, war seine Tätigkeit doch seine Existenz und seine Existenz seine Tätigkeit. Für die Sisy- phusarbeit der Risikobewertung von Chemikalien trifft das nicht zu: Wir wälzen keine Steine, wir wälzen Gift- tonnen und die gefährden unsere Existenz. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116422 (C) (D) (A) (B) Es ist Zeit, den Stein liegen zu lassen und die Tonnen zu öffnen, Zeit, den gordischen Knoten einer nahezu er- gebnislosen, jahrzehntelangen Prüfung zu zerschlagen. Das Beispiel der Chlorparaffine zeigt: Wir brauchen eine Wende in der europäischen Chemikalienpolitik. Statt zeitaufwendiger und kostenintensiver Risikobewertun- gen, statt einer Unmenge von Tierversuchen brauchen wir eine Einstufung nach Stoffeigenschaften: Chlorparaffine – ob kurz- oder langkettige – stehen im Verdacht, kanze- rogen zu sein, sie sind fruchtbarkeitsschädigend, sie sind schwer abbaubar und reichern sich im Körper an. Dieser Katalog an Grausamkeiten zeigt: Wir brauchen für Chemikalien ein Zulassungsverfahren mit Umkehr der Beweislast. Daran muss sich nun auch die Chemieindus- trie messen lassen, die mit ihrer „Responsible Care“-Ini- tiative bereits seit Jahren den nachhaltigen Umgang mit Chemikalien ankündigt. Verantwortliches Handeln heißt, diese gefährlichen Substanzen künftig einer Rezeptpflicht zu unterwerfen und erst über ein Zulassungsverfahren Einsatzgebiete zu erlauben. So sollen bis 2012 alle wich- tigen Altstoffe registriert und aufgrund ihrer Eigenschaf- ten bewertet sein. Wir begrüßen daher im Grundsatz das Weißbuch der Europäischen Kommission zur „Strategie für eine künf- tige Chemikalienpolitik“. Wir werden demnächst eine parlamentarische Initiative vorlegen, um weitere Verbes- serungen zu erreichen. Chemieindustrie und Umweltverbände sollten jetzt „ruhig Blut“ bewahren. Das neue Weißbuch zur Chemi- kalienpolitik bedeutet weder den Untergang der industri- ellen, chemischen Produktion noch das Ende einer Vor- sorgeorientierung in der Chemiepolitik. Das Weißbuch ist vielmehr ein mutiger Schritt hin zu einer Chemie, die den Generationen übergreifenden Ansprüchen der Nachhal- tigkeit genügen soll. Denn eines ist sicher: Die heutige chemische Praxis – Beispiel Chlorparaffine – ist nicht nachhaltig. Birgit Homburger (F.D.P.):Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie zur zwanzigsten Änderung der Richtlinie des Rates über die Beschränkungen des Inverkehrbrin- gens und der Verwendung kurzkettiger Chlorparaffine verfolgt die EU-Kommission das Ziel der Angleichung des Binnenmarkts zur Vermeidung von Verzerrungen auf- grund der Unterschiede in den einzelstaatlichen Rechts- vorschriften in Bezug auf Chlorparaffine und den Schutz des aquatischen Ökosystems gegen die möglichen Um- weltgefahren in Zusammenhang mit dem Lebenszyklus von Chlorparaffinen. Vor dem Hintergrund der anzustrebenden Angleichung der Umweltschutzvorschriften und der Gewährleistung eines möglichst hohen Umweltschutzstandards in Europa ist der Vorschlag zu begrüßen. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf die Situation deutscher Unternehmen im europäischen Wettbewerb, denn die deutsche Industrie hat die Produktion und Verwendung von kurzkettigen Chlor- paraffinen weitgehend eingestellt und auf Ersatzstoffe umgestellt. Als Umweltpolitikerin begrüße ich auch das Ziel des Schutzes der aquatischen Ökosysteme. Mögliche Um- weltrisiken, die von kurzkettigen Chlorparaffinen ausge- hen können, werden in den letzten Jahren von der Wis- senschaft verstärkt diskutiert. Der Wissenschaftliche Ausschuss für Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt des Europäischen Parlaments hat darauf hingewiesen, dass kurzkettige Chlorparaffine nicht nur für die Umwelt, son- dern auch für die Gesundheit der Menschen gefährlich sein können. Der Kommissionsvorschlag setzt den Beschluss der Oslo- und Paris-Kommissionen, wonach sich die Zeich- ner – darunter die Bundesrepublik Deutschland – ver- pflichtet haben, die Verwendung von als umweltgefähr- dend eingestuften kurzkettigen Chlorparaffinen für bestimmte Anwendungen zu verbieten, nur teilweise um. Auch der von Rot-Grün vorgelegte Antrag lässt unter Punkt III. 3 die Möglichkeit offen, bestimmte Ausnahmen zuzulassen. Es gibt also Bereiche, in denen keinerlei Ge- fährdung besteht. Daher wäre es nach meiner Auffassung besser, man würde insoweit Verbote nur da erlassen, wo sie nötig sind, anstatt nachträglich Ausnahmen vorzuse- hen. Dies sorgt für einen erheblichen Unterschied zum Beispiel beim Kontrollaufwand. Wenn dem so wäre, dass kurzkettige Chlorparaffine per se gefährlich sind, dann stellt sich schon die Frage, warum das unmittelbar geltende Verbot der Verwendung kurzkettiger Chlorparaffine nur in der Metall und Leder verarbeitenden Industrie vorgesehen ist. Insoweit ist der Richtlinienvorschlag inkonsequent. In dem Richtlinienvorschlag ist weiterhin ein großer Anwendungsbereich von Chlorparaffinen nicht geregelt. So werden auch mittel- und langkettige Chlorparaffine von dem Vorschlag nicht erfasst. Hierauf muss die Bun- desregierung in den weiteren Beratungen über den Richt- linienvorschlag hinweisen. Sie muss sich dafür einsetzen, dass für diese Stoffe eine Risikobewertung durchgeführt wird und – sollte es nötig sein – darauf hinwirken, dass der Anwendungsbereich der Richtlinie entsprechend ausge- weitet wird. Dem Kritikpunkt des Bundesrats, wonach eine inhalt- liche Klarstellung und Präzisierung des Regelungsbe- reichs nötig sind, möchte ich mich anschließen: Nicht das Inverkehrbringen als „Ersatzstoffe für Zubereitungen“, sondern der Einsatz der Stoffe als solcher und als Be- standteil von Zubereitungen sollte – soweit nötig – unter- sagt werden. Es muss auch konkret geregelt werden, wel- che Prozesse der Metallverarbeitung unter die geplante Regelung fallen. Ich fordere daher die Bundesregierung auf, die ge- nannten Hinweise aufzugreifen und insbesondere auf die inhaltliche Klarstellung und Präzisierung des Regelungs- bereichs in den weiteren Beratungen hinzuwirken. Eva Bulling-Schröter (PDS): Die PDS unterstützt den Vorschlag der Kommission zur Richtlinienänderung bezüglich der kurzkettigen Chlorparaffine-Verbindung mit dem Entschließungsantrag der Koalition. Die Richt- linienänderung übernimmt jetzt EU-weit in wesentlichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16423 (C) (D) (A) (B) Bereichen die deutsche Praxis. Damit wird neben der Zurückdrängung dieser toxischen Stoffe in Produkten auch der Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt ent- zerrt. Ein Umstand, den übrigens immer wieder die Ver- treter der chemischen Industrie angemahnt hatten. Der freiwillige Produktionsverzicht in Deutschland wird nun durch einheitliche Rahmenbedingungen ersetzt. Eine EU- weite Ausdehnung des Verwendungsverbotes auch auf den Kunststoff- sowie Farb- und Lackbereich sollte mög- lichst schnell erfolgen. Entsprechende Schritte hin zu Verwendungsverboten bei mittel- und langkettigen Chlorparaffinen sollten eben- falls schnellstens nach Prüfung eingeleitet werden. Wir sehen dabei auch die Probleme bei der Abgrenzung zwi- schen diesen Stoffgruppen. Hier ist Forschung vonnöten, um belastbare Aussagen zu erhalten. Auch hierbei muss allerdings das Vorsorgeprinzip im Vordergrund stehen. Also. nicht so lange Gutachten schrei- ben, bis der letzte Zweifel, ob denn ein Produkt nicht womöglich doch unschädlich wäre ausgeräumt werden wird. Schließlich stehen nach dem neuen Weißbuch der EU-Kommission zur Chemiepolitik die Zeichen in der an- deren Richtung: Die Beweislast für .die Ungefährlichkeit eines Stoffes soll künftig bei den Unternehmen liegen. In diesem Zusammenhang stimmt folgendes bedenk- lich: Vor zwei Wochen hat Kanzler Schröder vor der In- dustrie verkündet, die Umsetzung des Chemikalien- Weißbuches der EU-Kommission würde „zur Vertreibung der Chemieindustrie aus Europa führen“. Und weiter die „Financial Times“: „Der Kanzler verglich das Weißbuch mit der Altauto-Verordnung, die Deutschland in letzter Minute angehalten und im Sinne der deutschen Industrie entschärft hatte.“ Ich habe dies schon vorhin bei der Debatte zur Umset- zung der Altauto-Richtlinie erwähnt. Und ich wiederhole es hier noch einmal, weil hier alle Alarmglocken läuten sollten. Wir wollen nicht noch einmal, wie bei der Altauto- Richtlinie, einen vor Scham in den Boden versinkenden Umweltminister sehen, der – nun zusätzlich durch Gewalt- und Entschuldigungsdebatten weich geprügelt – in Brüs- sel den Konzernlobbyisten, diesmal als VCI-Vertreter gibt. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2000/52/EG der Kom- mission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mit- gliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (Transparenzrichtlinie-Gesetz – TranspRLG) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Die neue EU- Transparenzrichtlinie wurde im Juli 2000 von der Kom- mission verabschiedet und trat am 18. August 2000 in Kraft. Damit will die Kommission die öffentliche Hand für Marktverzerrungen aufgrund von Monopolstellung oder Subventionierung sensibilisieren. Ein Zitat aus der Begründung: „Sie verfolgt das Ziel, der Kommission der Europäischen Gemeinschaft die An- wendung der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrages auf Unternehmen zu erleichtern, die einer- seits auf öffentlich-rechtlich geschützten Märkten agieren und/oder Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftli- chem Interesse erbringen und hierfür Beihilfen erhalten, und andererseits – in weiteren Geschäftsbereichen – unter chancengleichen Marktbedingungen mit dritten Unter- nehmen konkurrieren. Hier kann es zu Quersubventionen aus dem geschützten bzw. finanziell unterstützten Bereich in den Wettbewerbsbereich kommen, die möglicherweise mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Das soll die europäische Wettbewerbsaufsicht verhindern. Will die Kommission prüfen, ob Quersubventionierungen stattfin- den, können die Unternehmen bisher die gewünschten Informationen oft erst nach umfänglichen und langwieri- gen Ermittlungen im Einzelfall erteilen, weil aus ihren Büchern nicht eindeutig hervorgeht, welche Kosten und Erlöse den jeweiligen Geschäftsbereichen zuzurechnen sind. Die Änderungsrichtlinie soll sicherstellen, dass diese Informationen über die interne Finanz- und Organisationsstruktur zukünftig bei den Unternehmen vorhanden sind und bei Bedarf von der Kommission ab- gefragt werden können.“ Bund und Länder hatten die Richtlinie im Vorfeld ihrer Verabschiedung aus zwei wesentlichen Gründen massiv kritisiert: Erstens. Es bestand die Sorge, dass die Transparenz- pflichten kleine und mittlere Unternehmen über Gebühr belasten könnten. Diese Befürchtung ist jedoch gegen- standslos geworden, weil unsere Regierung sorgsam da- rauf geachtet hat dass kleine Unternehmen bevorzugt be- handelt werden: Sie hat in Abstimmung mit dem VKU eine Umsatzschwelle von 40 Millionen Euro für Unter- nehmen bzw. einer Bilanzsumme von 800 Millionen Euro für Kreditinstitute erreicht, unterhalb der getrennte Kon- ten etc. entbehrlich bleiben. Zweitens. Die Länder befürchteten außerdem, dass im Rahmen der Umsetzung politisch höchst sensible beihil- ferechtliche Fragen, vor allem in Bezug auf öffentliche Kreditinstitute und Rundfunkanstalten, präjudiziert wer- den könnten. Angesichts des nun vorliegenden minimalis- tischen Umsetzungskonzepts des BMF, das die politisch sensiblen Fragen in keiner Weise präjudiziert, haben sich die Länder für eine bundeseinheitliche Umsetzung ausge- sprochen. Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der neuen EU-Transparenzrichtlinie. Unternehmen, die sowohl in öffentlich privilegierten Bereichen als auch zusätzlich rein kommerziell tätig sind, müssen danach getrennte Konten für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche führen und hierüber auf Verlangen der Kommission Aus- kunft geben. Damit soll der EG-Kommission die Kon- trolle über wettbewerbsrechtlich unzulässige Quer- subventionen erleichtert werden. Wir halten diese Zielsetzung für sinnvoll. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116424 (C) (D) (A) (B) Das Gesetz sollte so bald wie möglich in Kraft treten, da die Richtlinie bis zum 31. Juli 2001 umgesetzt werden muss. Außerdem sollten wir sicherstellen, dass die Unter- nehmen einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf für die Umstellung ihrer Kosten- und Leistungsrechnung, die zum 1. Januar 2002 erfolgen muss, haben. Gelegentlich wird die Sorge formuliert, die Transpa- renzrichtlinie könnte sich negativ auf den in den Kom- munen häufig zu findenden steuerlichen Querverbund auswirken. Diese Sorge ist unbegründet. Ein Beispiel: Im liberalisierten Strommarkt erwirtschaftete Gewinne zur Finanzierung des öffentlichen Bereichs Nahverkehr wer- den von diesem Gesetz nicht tangiert. Der steuerliche Querverbund ist hier nicht betroffen, weil spezielle Rege- lungen existieren und für diesen Fall greifen. Genauso wenig ist die Gewinnverwendung betroffen. Es geht bei diesem Gesetz vielmehr um Haushaltsklar- heit. Auch hier einige Beispiele: Erstens. Eine gemeinnützige GmbH, sofern sie sowohl im privaten Markt operiert als auch in allgemeinem wirt- schaftlichen Interesse von der öffentlichen Hand betraut ist, bestimmte Leistungen zu erbringen, muss das Trans- parenzrichtlinie-Gesetz beachten, sofern sie die Umsatz- schwelle von 80 Millionen DM überschreitet. Zweitens. Eine Stadtgärtnerei, sofern sie private Dienstleitungen erbringt, muss das Transparenzrichtlinie- Gesetz beachten. Drittens. Ein städtisches Busunternehmen bietet am Wochenende einem privaten Konzertveranstalter einen Bustransfer an – zu besonders günstigen Preisen. Auch dann ist das Transparenzrichtlinie-Gesetz zu beachten. Es geht also darum, dass keine Verzerrungen an einem privaten Markt dadurch entstehen, dass Quersubventio- nen aus dem geschützten bzw. öffentlich finanziell unter- stützten Bereich in den privaten Wettbewerbsbereich kommen. Bei all dem handelt es sich um unternehmensinterne Kontentrennung. Auskünfte werden der Kommission nur aufgrund eines Auskunftsersuchens erteilt. Es geht also nicht um zu veröffentlichende Bilanzen. Auch innerhalb der kommunalen Spitzenverbände ent- wickelt sich eine Diskussion im Zusammenhang mit der öffentlichen Daseinsvorsorge darüber, wie transparent die Vorgänge in städtischen Betrieben – auch für Bürgermeis- ter und Gemeinderäte – eigentlich sind. Zitat eines Käm- merers: „Viele Kommunen wissen nicht, was ihre Be- triebe machen“. In diesem Sinne verbessert mehr Transparenz auch den demokratischen Entscheidungspro- zess in der Kommune. Erste Schritte werden in fortschrittlichen Gemeinden schon gegangen: Betriebswirtschaftliche Elemente wie dezentrale Ressourcenverantwortung, optimierte Regie- betriebe, „contract-management“ und Zielvereinbarung etc. ersetzen langsam die kamerale Haushaltsführung. Ähnlich liegt das Interesse großer Wohlfahrtsverbände, zum Beispiel der Caritas oder der Diakonie. Ein Beispiel für ein bereits gut funktionierendes System sind die Kran- kenhäuser, die auf der Basis des SGB V mit einer Buch- führungsverordnung im Sinne dieses Gesetzes eine hin- reichend getrennte Buchführung eingeführt haben. An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass die mit diesem Gesetz zusammenhängenden Belastungen vertretbar sind. Nachfolgend einige besondere Aspekte: Öffentliche Kreditinstitute: Die Richtlinie geht davon aus, dass auch öffentliche Kreditinstitute transparenzpflichtig sein kön- nen. Vom Anwendungsbereich gänzlich ausgenommen sind lediglich solche Institute, deren jährliche Bi- lanzsumme 800 Millionen Euro nicht überschreitet. Das betrifft circa 210 von insgesamt 560 deutschen Sparkas- sen. Die übrigen öffentlichen Kreditinstitute sind von die- sem Gesetz sicher dann nicht erfasst, wenn man Anstalts- last und Gewährträgerhaftung abschafft, die von der Kommission als Beihilfen angesehen werden. Hier gibt es also noch einiges zu tun. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein Konfrontationskurs zielführend ist. Wir sind froh, dass Staatssekretär Koch-Weser gemeinsam mit Länder- und Bankenvertretern, also im Austausch mit dem DSGV, zurzeit intensiv mit der Kommission verhandelt, um diese Problematik zu lösen. Die Regierung hat im Wesentlichen zwei Modelle vor- gestellt, die auf eine gemeinsame beihilfeneutrale Platt- form passen: Erstens. Modifikation der Anstaltslast bzw. Abschaffung der Gewährträgerhaftung. Zweitens. Die rechtliche Verselbstständigung des Wettbewerbsgeschäfts. Die Kommission hat diese „Plattformlösung“ im Grund- satz begrüßt. Sobald die Details der „Plattformlösung“ im Einvernehmen mit der Kommission umgesetzt worden sind, kommt eine Anwendung des Gesetzes auf öffent- liche Kreditinstitute auch aus Sicht der Kommission nicht mehr in Betracht. Für die Übergangszeit bemüht sich die Bundesregierung um eine „stand still“-Vereinbarung mit der Kommission. Zum Adressatenkreis: Wir halten es für sehr sinnvoll, dass der Entwurf bewusst davon absieht, den Kreis der be- troffenen Unternehmen zu konkretisieren. Er beschränkt sich darauf, die abstrakten Kriterien der Richtlinie abzu- bilden. Die Konkretisierung wird den für die Geset- zesanwendung zuständigen Landesbehörden überlassen. Das hat zwei Gründe: Erstens lässt sich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles feststellen, welches Unternehmen betrof- fen ist. Nehmen wir beispielsweise eine GmbH, die der- zeit unter das Gesetz fällt, weil sie sich einerseits im öffentlichen Auftrag um eine Altlastensanierung kümmert und andererseits im privatwirtschaftlichen Interesse Bera- tungsdienste vermarktet. Würde das Unternehmen seine privatwirtschaftlichen Aktivitäten aus betriebswirtschaft- lichen Gründen einstellen, fiele es aus dem Anwendungs- bereich des Gesetzes heraus. Umgekehrt ist es natürlich auch denkbar, dass eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege rein privatwirtschaftliche Aktivitäten aufnimmt, um Deckungsbeiträge zu erzielen. Hierdurch würde sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes hineinwachsen. Diese Beispiele zeigen, dass es nicht sinnvoll wäre, in diesem Gesetz eine Positivliste oder eine Negativliste der betroffenen Unternehmen aufzunehmen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16425 (C) (D) (A) (B) Zweitens sind sich die Kommission und Deutschland nicht in allen Punkten darüber einig, wie das Anknüp- fungskriterium „Beihilfen“ auszulegen ist. Wichtigste Beispiele sind Anstaltslast und Gewährträgerhaftung oder die Frage, ob die deutschen Rundfunkgebühren Beihilfen sind. Um ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzu- reichender Umsetzung zu vermeiden, begnügt sich das Gesetz damit, das Anknüpfungskriterium „Beihilfe“ zu übernehmen und überlässt es den Ländern, ihre Rechts- auffassungen bei der Anwendung des Gesetzes auf die be- troffenen Unternehmen zum Tragen zu bringen, eine ele- gante Lösung. Nicht betroffene Unternehmen: Wahrscheinlich ist der Anwendungsbereich des Gesetzes sehr beschränkt. Unternehmen, die nur im öffentlichen Interesse tätig sind, fallen gar nicht darunter. Das wird auch für zahlreiche Wohlfahrtsverbände und -einrichtungen gelten. Außer- dem sind Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz bis zu knapp 80 Millionen DM bzw. Kreditinstitute mit einer jährlichen Bilanzsumme bis zu knapp 1,6 Milliarden DM ausgeschlossen. Eine große Anzahl weiterer Unterneh- men ist nicht erfasst, weil für ihre Geschäftstätigkeit Spezialvorschriften der Europäischen Gemeinschaften zum rechnungsmäßigen „unbundling“ gelten. Das gilt beispielsweise für den Strom- und Gasbereich, die Flug- häfen, eine Vielzahl von Verkehrsunternehmen und dem- nächst wohl auch für die Hafenbetreiber. Bußgeldtatbestand: Mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof, der mehrfach festgestellt hat, dass die Mitgliedstaaten Verstöße bei der Umsetzung von Richtli- nien nach den gleichen Regeln ahnden müssen, wie Ver- stöße gegen gleichartiges nationales Recht, ist eine Bußgeldregelung im Transparenzrichtlinie-Gesetz not- wendig. Das ergibt sich daraus, dass das Handelsgesetz- buch, das Kreditwesengesetz, das Gesetz gegen Wettbe- werbsbeschränkungen und andere deutsche Gesetze Verstöße gegen Buchführungs- und Auskunftspflichten mit Bußgeldern ahnden. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass das Trans- parenzrichtlinie-Gesetz sehr transparent die finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öf- fentlichen Unternehmen regelt und dass die Bundesregie- rung sehr erfolgreich für unsere kleinen Unternehmen verhandelt hat. Eine Umsatzschwelle von 40 Millionen Euro kann sich ja wirklich sehen lassen. Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Würden tatsäch- lich so viele Leute in den Himmel wollen, wenn sie nicht Angst vor der Hölle hätten? Strengen sich Menschen stär- ker mehr an, wenn sie nicht nur Zulagen für gute Leistun- gen, sondern auch Abgaben für schlechte befürchten müs- sen? Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, dass das Prinzip des Wettbewerbs mit seinen positiven und mit sei- nen negativen Sanktionsmöglichkeiten die beste trei- bende Kraft für mehr Wohlstand, Innovation und Moder- nisierung in unserer Wirtschaft ist. Letzte Zweifler sollten die Erfahrungen der Geschichte überzeugt haben, insbe- sondere der Zusammenbruch der kommunistischen Staatswirtschaften. Intensiver Wettbewerb und ein Level- Playing-Field für alle Marktteilnehmer sind der beste Kunden- und Verbraucherschutz. Leider gibt es in Deutschland immer noch zu viele Be- reiche, die sich mit staatlicher Schützenhilfe dem Leis- tungswettbewerb entziehen und an überkommenen, lieb- gewonnen Privilegien hängen, die Privatwirtschaft in Bedrängnis bringen und dadurch volkwirtschaftliche Wohlfahrtspotenziale verhindern. Ich spreche von den öf- fentlichen Unternehmen. Laut belastbaren Schätzungen erwirtschaften öffentliche Unternehmen in unserem Land jährlich rund 400 Milliarden DM. Gemessen am Brutto- sozialprodukt sind dies rund 11 Prozent. Mehr als 50 Pro- zent ihres jährlichen Gesamtauftragsvolumens entfallen auf kommunale Betriebe. Bei der Vergabe gehen jährlich öffentliche Aufträge in Höhe von 200 Milliarden DM an die kommunalen Betriebe statt an den freien Wettbewer- ber. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Kann es Aufgabe des Staates sein, der Privatwirtschaft, vor al- lem dem schon genügend geschröpften Mittelstand, Kon- kurrenz zu machen? Die öffentliche Hand dehnt ihre wirtschaftlichen Akti- vitäten immer weiter aus und besetzt zunehmend Tätig- keitsfelder, die bislang der Privatwirtschaft vorbehalten waren. Der konturlose Deckmantel der „Daseinsvor- sorge“ muss dazu herhalten, dass insbesondere Länder und Gemeinden vor allem in den Märkten, die gerade erst liberalisiert worden sind, ihre wirtschaftlichen Tätigkei- ten ausweiten. Städtische Gartenbaubetriebe übernehmen die Pflege privater Grünflächen, kommunale Abfallent- sorger steigen in das Geschäft der Verwertung gewerbli- cher Abfälle ein, städtische Einrichtungen übernehmen die Bewirtschaftung von Gebäuden oder bieten Consul- ting- und Ingenieurleistungen an. Im Gegensatz zu priva- ten Unternehmen erhalten öffentliche Unternehmen Auf- träge häufig freihändig oder sie nutzen die amtliche Nähe zur Verwaltung, um die Auftragsvergabe zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Private Unternehmen, vor allem der Mittelstand, kön- nen diese massiven Wettbewerbsverzerrungen kaum wirt- schaftlich auffangen. Dies gilt auch gegenüber scheinpri- vatisierten Unternehmen, die trotz ihrer Rechtsform von der öffentlichen Hand beherrscht werden. Öffentliche Un- ternehmen tragen kein echtes Konkursrisiko und kein echtes Beschäftigungsrisiko. Diese Risiken trägt der Steu- erzahler. Öffentliche und scheinprivatisierte Unterneh- men haben die Möglichkeit, das hinter ihnen stehende Personal der Verwaltung zu nutzen. Personelle Verflech- tungen zwischen Aufsichtsbehörden und Gesellschaftsor- ganen ermöglichen durch Verquickung amtlicher und pri- vater Informationen Wettbewerbsvorsprünge gegenüber der privaten Konkurrenz. Bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten der Körperschaften des öffentlichen Rechts sind von der Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit. Private Unternehmen müssen für die gleiche Tätigkeit Steuern zahlen. Nicht der schlanke Staat, sondern der aufgeblähte Staat wird zum Leitbild rot-grüner Wirtschaftspolitik. Die Aus- weitung staatlicher Wirtschaftsaktivitäten ist nicht geeig- net, die öffentlichen Haushalte dauerhaft zu sanieren. Die Suche nach immer neuen Tätigkeitsfeldern, die Auswei- tung von Kapazitäten und die daraus folgende Aufnahme neuer Haushaltsposten löst keine finanziellen Probleme der öffentlichen Hand. Im Gegenteil: Mit zunehmender Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116426 (C) (D) (A) (B) wirtschaftlicher Betätigung des Staates verschlimmern sich langfristig ihre finanziellen Probleme, weil die ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen in aller Regel immer ein Hindernis sind, effizient am Wett- bewerb orientiert zu wirtschaften. Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Privatwirt- schaft durch Marktzutrittsschranken im Energie-, Abfall- und Telekommunikationssektor, verzerrter Preiswettbe- werb und die Benachteiligung bei der öffentlichen Auf- tragsvergabe können wir nicht weiter hinnehmen. Mit Da- seinsvorsorge hat dies nichts mehr zu tun, mit verfehlter rot-grüner Wettbewerbspolitik schon eher. Wohin soll es führen, wenn die Privatwirtschaft Steuern zahlt und der Staat ihr mit ihren eigenen Steuergeldern ernsthaft wirt- schaftliche Konkurrenz macht? Wie soll die Privatwirt- schaft nachhaltig Arbeitsplätze schaffen, wenn staatliche Wettbewerber sie in ihrer Existenz bedrohen? Was hat dies alles mit dem heute Abend zur Beratung anstehenden Umsetzungsgesetzentwurf der Bundesregie- rung zur europäischen Transparenzrichtlinie zu tun? Je in- tensiver öffentliche Hand und Wirtschaft zusammenhän- gen, desto größer der volkswirtschaftliche Wohlfahrts- verlust und desto größer die Gefahr der Versumpfung. Trennung ist hier die beste Medizin. Einen kleinen Schritt in die richtige Richtung ist der wesentliche Inhalt des vor- liegenden Gesetzes: Unternehmen, die sowohl in staatlich geschützten als auch in liberalisierten Märkten tätig sind, sollen künftig zur getrennten Kontenführung für die ent- sprechenden Geschäftsbereiche verpflichtet werden. Den Wettbewerbsbehörden soll es damit erleichtert werden, Wettbewerbsverzerrungen infolge unerlaubter Quersub- ventionierung aufzudecken und zu verfolgen. Damit soll verhindert werden, dass öffentliche Hilfen aus geschütz- ten Bereichen in freie Bereiche überführt werden und dort den Wettbewerb verfälschen. Die Transparenzrichtlinie der Europäischen Union ist im Sinne eines intensiven und unverzerrten Wettbewerbs grundsätzlich zu begrüßen. Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf ist die ordnungsgemäße Umsetzung in natio- nales Recht in den wesentlichen Zügen gewährleistet. Gleichwohl ist besonders an zwei Stellen Wachsamkeit geboten. Zum einen baut der Anwendungsbereich des Entwurfes auf ungeklärten Rechtsbegriffen des EU- Rechts auf und ist damit a priori unscharf. Zwar würde eine weitergehende Konkretisierung einer Entwicklung des europäischen Rechts vorgreifen. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass diese Interpretationsfähigkeit als Ein- fallstor für die Schaffung von Ausnahmetatbeständen dient, die aus wettbewerbsrechtlicher Sicht problematisch sind. Zum Zweiten beschränkt sich die Sanktionierung etwaiger Verstöße gegen das Gesetz auf vorsätzliche Handlungen. Fahrlässigkeit wird damit nicht als Ord- nungswidrigkeit geahndet. Diese Beschränkung darf bei der Umsetzung durch die Landesbehörden nicht zu einem Persilschein für Verstöße gegen die Transparenz-Vor- schriften werden. Die Landesbehörden müssen mit Un- terstützung des Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsmi- nisteriums auf eine strenge und dem Zweck der Transparenzrichtlinie angemessene Buchführung hinwir- ken. Nur so kann das Gebot der getrennten Buchführung zu einem wirksamen Instrument einer strengen Beihilfe- kontrolle werden, die wir seit langem fordern. Getrennte Buchführung darf allerdings nicht zum Fei- genblatt einer konturlosen Daseinsfürsorge-Auswei- tungspolitik gemacht werden. Trennung zwischen öffent- licher Hand und Wirtschaft im grundsätzlichen Sinne, Deregulierung und Liberalisierung sind die beste Medizin für mehr Wettbewerb, mehr Effizienz, Innovation und nachhaltiges Gemeinwohl. Der Überweisung in die Ausschüsse stimmen wir zu. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In vielen Bereichen der Daseinsvorsorge, die früher in Mo- nopolen von der Kommune organisiert wurden, wird Schritt für Schritt Wettbewerb eingeführt. Wir begrüßen dies. Aber Marktwirtschaft und Wettbewerb sind für Bündnis 90/Die Grünen kein Selbstzweck. Sie sind In- strumente, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Wir wollen keine Marktwirtschaft um ihrer selbst willen, son- dern eine Wirtschaft, die den Markt nutzt, um soziale und ökologische Ziele zu erreichen. Der Staat schafft den Ordnungsrahmen, damit Märkte überhaupt entstehen und funktionieren können. Wir wol- len den Ordnungsrahmen so gestalten, dass soziale und ökologische Ziele erreicht werden können. Politik muss über die Gestaltung von Märkten entscheiden. Wenn dem Markt ökologische und qualitative Kriterien vorgegeben werden, werden die Unternehmen die besten Lösungen und Technologien entwickeln, um die Ziele zu erreichen. Es ist gute Tradition in der Bundesrepublik, dass der Staat unter der Überschrift „Daseinsvorsorge“ garantiert, dass jeder Bürger und die Industrie mit lebensnotwendi- gen Produkten und Dienstleistungen versorgt werden. Zu diesem Bereich gehören die Sparkassen, der öffentlich- rechtliche Rundfunk, der öffentliche Nahverkehr, die Ab- fallentsorgung, die Energieversorgung, die Telekommu- nikations- und Postdienstleistungen. Wie aktuell das ist, zeigt das Beispiel der Energiekrise in Kalifornien. Unternehmen erbringen hier Dienstleistungen im öf- fentlichen Interesse. Sie erhalten Subventionen, sind im öffentlichen Besitz oder besitzen Exklusivlizenzen, die es ihnen ermöglichen, zu Monopolbedingungen anzubieten. Von der Europäischen Kommission geht ein kräftiger Im- puls für mehr Wettbewerb auch in diesem Bereich aus. Das ist gut so. Es ist notwendig, dass alle Bereiche auf den Prüfstand gestellt werden. Die Telekommunikation hat gezeigt, wel- che Preissenkungen und Dienstleistungsverbesserungen durch die Einführung von Markt erreicht werden können. Die Aufrechterhaltung von Subventionen und Monopolen in Bereichen, in denen der Markt bessere Ergebnisse er- zielt, lehnen wir ab. Ebenso lehnen wir Versuche ab, den reinen Preiswettbewerb an die Stelle der Berücksichti- gung ökologischer und sozialer Kriterien zu stellen. Wett- bewerbliche Maßstäbe dürfen auch nicht dazu führen, dass zum Beispiel die Versorgung von kleinen und mittle- ren Unternehmen mit Krediten nicht mehr gewährleistet wird. Deshalb wollen wir das System der Sparkassen er- halten. Ebenso wenig dürfen Unternehmen, die aus guten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001 16427 (C) (D) (A) (B) Gründen in bestimmten Bereichen alleiniger Anbieter sind oder Subventionen halten, diese nutzen, um in ande- ren Bereichen private Anbieter „niederzukonkurrieren“. Hier ist eine Entflechtung, ein „unbundling“, notwendig. Wir begrüßen daher die Transparenzrichtlinie und set- zen sie in nationales Recht um. Unternehmen, die einer- seits in öffentlich-rechtlichen Märkten agieren und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Inte- resse erbringen und hierfür Beihilfen erhalten und die an- dererseits in anderen Geschäftsfeldern mit Unternehmen konkurrieren, müssen getrennte Konten für diese unter- schiedlichen Geschäftsbereiche führen. Das gilt für Spar- kassen genauso wie für die Post. Kosten und Erlöse müs- sen strikt getrennt werden. Diese Vorgabe halten wir für eine minimale Anforde- rung, um fairen Wettbewerb zu ermöglichen, denn es darf nicht sein, das private Unternehmen mit Monopolrenten „niederkonkurriert“ werden. Rainer Funke (F.D.P.): Der Gesetzentwurf der Frak- tionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen wird, was Sie vielleicht wundern wird, von uns ausdrücklich begrüßt. So ganz aus freien Stücken kommt dieser Gesetz- entwurf jedoch nicht und er widerspricht in vielen Punkten dem bisherigen tatsächlichen Verhalten der Regierungsko- alition. Der Gesetzentwurf setzt nämlich lediglich die Transparenzrichtlinie der EU um. Dazu ist die Regierung bzw. sind die sie tragenden Fraktionen rechtlich verpflich- tet. Hinter dem ziemlich verquasten Deutsch des vorgeleg- ten Gesetzentwurfs verbirgt sich nämlich Folgendes: Die Kommission bemüht sich, anders als mancher Mitglied- staat – einschließlich der Bundesrepublik Deutschland – um Subventionsabbau. Man kann mit anderen Worten sa- gen, der politische Wille zum Subventionsabbau ist in den letzten Jahren mehr und mehr von Berlin nach Brüssel ge- wandert. Mit zum Teil fadenscheinigen Argumenten und so schönen Worten wie „Daseinsvorsorge“, „Planungssicher- heit“, „Universaldienst“, „Marktstabilisierung“ werden der Subventionsabbau behindert und der Strukturwandel hi- nausgezögert. Dabei sind öffentliche Unternehmen oft fe- derführend. Die Kommission hat daher in der Transparenz- richtlinie gefordert, dass die finanziellen Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unterneh- men offen gelegt werden. Weiterhin sollen Unternehmen, die auf öffentlich-rechtlich geschützten Märkten agieren und für ihre Dienstleistungen Beihilfen erhalten, diese Sub- ventionen gesondert ausweisen, damit Quersubventionen einfacher als bisher festgestellt werden können. Das Thema der Quersubventionen hat uns ja auch zum Beispiel bei der Deutschen Post AG hinreichend beschäftigt. Gerade dieses Beispiel hat gezeigt, wie schwer diese Quersubventionen zu quantifizieren sind. Hier wird uns die Transparenzricht- linie hoffentlich weiterhelfen, denn wir wollen durch die Transparenz auch erreichen, dass zum Nutzen des Verbrau- chers mehr Wettbewerb entsteht als bisher. Aber etwas wundern darf man sich schon, dass diesel- ben Sozialdemokraten, die dieses Gesetz unterschrieben haben, angeblich öffentliche Belange in Postdiensten durch besondere Universaldienste schützen, Wettbewerb behindern und Postmonopole verlängern wollen, dass die- selben Sozialdemokraten die Privatisierung der Bahn AG noch immer nicht auf das richtige Gleis geschoben haben, dass die Sozialdemokraten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dabei unterstützen, jenseits ihres öf- fentlich-rechtlichen Auftrags zusätzliche Programme ein- zurichten, und dass die Sozialdemokraten die Vermen- gung von strukturpolitischem Förderauftrag und „private banking“ bei den öffentlichen Landesbanken und die da- mit verbundene Gewährträgerhaftung und Anstaltslast ge- genüber der Europäischen Kommission verbissen vertei- digt haben, bis es nicht mehr ging. Wenn die Sozialdemokraten und die Grünen bei all die- sen Sündenfällen durch dieses Gesetz Abbitte leisten wol- len, freuen wir Liberale uns natürlich aufrichtig. Heidemarie Ehlert (PDS): Fast über Nacht ereilte uns ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der nun auch noch bis zum Sommer abgenickt werden soll. Die EU- Richtlinie über die Transparenz der finanziellen Bezie- hungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentli- chen Unternehmen, beschlossen im Juli 2000, muss umgesetzt werden. Der Entwurf ist so spannend wie die Richtlinie, denn diese wurde de facto nur übersetzt. Auch zu den Inhalten gibt es nicht allzu viel Aufregendes festzustellen. Grund- anliegen ist, staatliche Beihilfen und Quersubventionen transparenter für die EU-Kommission zu machen, um schneller gegen Missbrauch vorgehen zu können bzw. Missbrauch zu vermeiden. Dem kann angesichts der Mil- liarden Steuergelder, die jährlich irgendwo verschwinden, nur zugestimmt werden. Die Führung von intern getrenn- ten Konten wird bei manchen Unternehmen zwar wieder zu einem Aufschrei führen, aber von der rechnungstech- nischen Seite und mit der modernen Technik ist das ohne weiteres zu lösen. Aus den Erfahrungen mit Subventionsmissbrauch – er- innert sei an die Bremer Vulkan, kann so, wenn es denn gewollt ist, schnell geprüft werden, ob die Gelder auch wirklich dort hinkommen, wo sie hinkommen sollen, und wofür sie verwendet werden. Nur zu unterstützen ist auch der § 5, der den Unternehmen Auskunfts- und Vorlage- pflichten auferlegt, wenn die Kommission der Europä- ischen Union dies verlangt. Spannend ist hier die Frage, wer von der Transparenz- richtlinie betroffen ist. Sind es auch die deutschen Lan- desbanken und Sparkassen? Neben dem grundlegenden Konflikt zwischen der EU-Kommission und der Bundesre- gierung über das Beihilfesystem der Landesbanken ist ein Streitpunkt ja auch die Anwendung der Transparenzrichtli- nie auf die Landesbanken. Aber hier wird uns sicher die Dis- kussion in den Ausschüssen wichtige Erkenntnisse bringen. Die Praxis wird zeigen, wie mit dem Gesetz umgegan- gen wird, denn leider bewahrheitet sich immer wieder die alte Erkenntnis, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 200116428 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Monika Knoche


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Ich
    bin sehr froh, Herr Scheu, dass Sie darauf verweisen. Frau
    Professor Dr. Nüsslein-Volhard, ist – wie wir alle wissen –
    Nobelpreisträgerin und hat wegweisende Forschungen
    durchgeführt. Die Phänomene des Lebendigen, wie ich
    es gern beschreibe, sind uns in ihren Wirkungsmechanis-
    men heute nicht vollständig erklärbar. Das Wesen des Le-
    bendigen bleibt ein Geheimnis. Wenn renommierte For-
    scherinnen wie sie uns das öffentlich mitteilen, sollten wir
    als Politikerinnen und Politiker das zumindest zur Kennt-
    nis nehmen und daran denken, dass wir Gewissheit darü-
    ber haben, dass wir nicht mehr wissen und in Gesetzes-
    form gießen können, als Wissenschaftlerinnen wissen
    oder was sie zugeben, noch nicht zu wissen. Ich glaube,
    das ist eine sehr wichtige Mitteilung. Ich danke Ihnen für
    diese Frage.

    Aber sehr wesentlich ist, dass damit, dass wir keine
    Stoffpatente erteilen, eine mögliche Nutzbarmachung für
    medizinische und pharmakologische Entwicklungen nicht
    verhindert wird, ganz im Gegenteil. Auch Herr Professor
    Dr. Hoppe sagte heute, dass wir uns Fortschritte in der
    Medizin selbst verwehren würden, würden wir den Nor-
    men der Richtlinie folgen.

    Im Übrigen hat sich in der Zwischenzeit durch eine et-
    was nüchternere Betrachtung herausgestellt, dass wir hin-
    sichtlich der europäischen Richtlinie überhaupt nicht un-
    ter einem Umsetzungszwang stehen. Über die Argumente
    der Niederlande, Frankreichs und Italiens ist in der Sache
    noch nicht entschieden. Aber sehr wichtig ist mir, darauf
    hinzuweisen, dass wir als Enquête-Kommission mit den
    Ergebnissen, die wir dem Parlament heute vorstellen, in
    der Tat ein großes Bemühen zeigen, Erkenntnisse über
    eine mögliche medizinische Nutzung zugänglich zu ma-
    chen, Forschung aber nicht zu behindern. Ich meine, das
    ist eine wesentliche Voraussetzung, um zu erkennen, dass
    wir dann, wenn wir Gesetze machen, zukunftsfähige Ge-
    setze zu machen haben. Deshalb haben die Regierung und
    die Koalition bereits beschlossen, die EU-Richtlinie als
    solche einer Revision zu unterwerfen. Es wird sicher nicht
    mehr lange dauern, bis man erkennt, dass die Enquête-
    Kommission mit ihrem Bericht zukunftsweisende Emp-
    fehlungen gegeben hat. Ich hoffe, wir werden in den
    nächsten Debatten darauf positiv Bezug nehmen können.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der PDS)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als letz-
ter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kol-
lege René Röspel von der SPD-Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von René Röspel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Liebe Kollegin-
    nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
    ren! Ich möchte einen Punkt des Teilberichts, den wir nur

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 167. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 10. Mai 2001

    Monika Knoche

    16407


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    sehr kurz angesprochen haben, herausgreifen, und zwar
    die Frage: Welchen Einfluss haben Patente auf die For-
    schung? Im Wesentlichen werden dazu zwei Antworten
    genannt. Die erste ist: Patente fördern Forschung. Die
    zweite ist: Patente blockieren oder behindern Forschung.

    Ich bin der tiefen Überzeugung, dass für die meisten
    technischen Gebiete die erste Antwort richtig ist und gilt,
    dass Patente Forschung fördern, weil sie Anreiz und Be-
    lohnung bieten und ihr Inhalt in der Regel begrenzbar ist.
    Aber ich bin auch der Überzeugung, dass das für mindes-
    tens einen Bereich, nämlich im Bereich der Patentierung
    von Genen nicht gilt. Für ihn gilt die zweite Antwort.
    Ich bin der Überzeugung – und die wächst zunehmend in
    mir –, dass Patente dort Forschung behindern und blockie-
    ren, weil Gene eine besondere Bedeutung haben.


    (Beifall des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU])

    Warum blockieren und behindern Patente die For-

    schung? Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der Praxis nen-
    nen. Stellen Sie sich vor, da ist ein Forscherteam, das in
    mühevoller Arbeit mehrere Jahre lang eine gesunde Zelle
    und eine Krebszelle vergleicht und das Gen findet, das
    möglicherweise die Krankheit hervorruft. Sie geben dies
    in einen Computer ein und stellen fest: Die Sequenz ist be-
    reits bekannt. Möglicherweise gibt es sogar jemanden, der
    darauf bereits ein Patent angemeldet hat. Für diese
    Gruppe stellt sich dann die Frage: Lohnt sich die weitere
    Arbeit überhaupt oder tangieren wir Patentrechte? Kön-
    nen wir an diesem Gen weiter forschen?