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    Eintritt des Abgeordneten Gerald Häfner in den Deutschen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . 15933 A Wahl des Abgeordneten Karl-Joseph Laumann als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsaus- schuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15933 B Wahl des Abgeordneten Dietmar Nietan als Mitglied in den Stiftungsrat der „Stiftung CAESAR“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15933 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 15933 B Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 15934 D Absetzung des Tagesordnungspunktes 19 c 15934 D Begrüßung der stellvertretenden UB-General- sekretärin, Frau Dr. Anna Tibaijuka . . . . . . 15976 A Tagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Reform des Betriebsverfas- sungsgesetzes (BetrVerf-Reformgesetz) (Drucksache 14/5741) . . . . . . . . . . . . . 15934 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- nung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ruth Fuchs, Dr. Klaus Grehn, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte – Eckpunkte für die Reform des Betriebsverfassungsge- setzes (Drucksachen 14/4071, 14/5213) . . . . 15935 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Peter Rauen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Soziale Part- nerschaft stärken – Betriebsverfassungs- gesetz zukunftsfähig modernisieren (Drucksache 14/5753) . . . . . . . . . . . . . . . 15935 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Reform der Mitbestimmung zur Stärkung des Mit- telstandes (Drucksache 14/5764) . . . . . . . . . . . . . . . 15935 A Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 15935 B Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . 15937 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15939 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 15942 A Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15942 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 15945 A Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15946 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . 15947 C Gunnar Uldall CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15949 A Wolfgang Weiermann SPD . . . . . . . . . . . . . . . 15951 B Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15952 C Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15953 D Plenarprotokoll 14/164 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 164. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 4: a) Große Anfrage der Abgeordneten Klaus- Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Eine internationale soziale Marktwirtschaft als Grundmodell für eine globale Struktur- und Ordnungs- politik – Chancen und Risiken der Globalisierung der Weltwirtschaft für die Entwicklungsländer (Drucksachen 14/1960, 14/3967) . . . . 15955 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der Kohärenz von EU- Agrarpolitik und Entwicklungspoli- tik im Rahmen der WTO-II-Ver- handlungen (Drucksachen 14/1860, 14/2794) . . . . 15956 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu dem Antrag der Abgeordne- ten Ursula Lötzer, Carsten Hübner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Zukunftsfähiger Handel und umfassende Reform der WTO (Drucksachen 14/1834, 14/2700) . . . . 15956 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung – zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Adelheid Tröscher, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD sowie der Abgeordne- ten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Agrarreform in der Entwicklungs- zusammenarbeit einen höheren Stellenwert geben – zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bemü- hungen fürAgrarreformen in Ent- wicklungsländern verstärken – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der F.D.P.: Agrarpolitische Entwicklungszu- sammenarbeit fördern (Drucksachen 14/1194, 14/1663, 14/3102, 14/4324) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15956 C Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15956 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15959 B Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 15962 A Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 15963 C Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15965 C Adelheid Tröscher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 15966 C Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . . . 15968 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 15970 A Joachim Günther (Plauen) F.D.P. . . . . . . . . . . 15971 A Ursula Lötzer PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15972 A Dagmar Schmidt (Meschede) SPD . . . . . . . . 15972 D Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 15974 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15976 B Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 15977 B Reinhold Hemker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15979 A Tagesordnungspunkt 24: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Podolo- gin und des Podologen (Podologenge- setz – PodG) (Drucksache 14/5593) . . . . . . . . . . . . . 15981 B b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Umstellung der umweltrecht- lichen Vorschriften auf den Euro (Siebtes Euro-Einführungsgesetz) (Drucksache 14/5641) . . . . . . . . . . . . . 15981 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Vorbereitung eines registergestütz- ten Zensus (Zensusvorbereitungsgesetz) (Drucksache 14/5736) . . . . . . . . . . . . . 15981 B d) Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Uwe Hiksch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der PDS: Für den Erfolg des Stockholmer EU-Gipfels zur Beschäftigungs- und Sozialpolitik (Drucksache 14/5585) . . . . . . . . . . . . . 15981 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 24) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001II Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Optimierung der Ost- seesicherheit im Bereich der Kadetrinne (Drucksache 14/5752) . . . . . . . . . . . . . . . 15981 C Tagesordnungspunkt 25: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments und des Ra- tes zur siebten Änderung der Richtli- nie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitglied- staaten über kosmetische Mittel KOM (00) 189 endg.; Ratsdok. 07716/00 (Drucksachen 14/3576 Nr. 2.37, 14/5619) 15981 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu der Verordnung der Bundes- regierung: Vierundfünfzigste Verord- nung zur Änderung der Außen- wirtschaftsverordnung (Drucksachen 14/5069, 14/5171 Nr. 1.1, 14/5672) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15982 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu der Verordnung der Bundes- regierung: Aufhebbare Einhundert- zweiundvierzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste – Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz (Drucksachen 14/5071, 14/5171 Nr. 1.2, 14/5673) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15982 A d) – g) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 254, 255, 256, 257 zu Petitionen (Drucksachen 14/5699, 14/5698, 14/5697, 14/5696) . . . . . . . . . . . . . . . 15982 B Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache (Ergänzung zu TOP 25) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umstellung soldatenversorgungsrechtlicher und an- derer Vorschriften auf Euro (Elftes Euro-Einführungsgesetz) (Drucksachen 14/5436, 14/5748) . . . . 15925 C b) – i) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265 zu Petitionen (Drucksachen 14/5775, 14/5776, 14/5777, 14/5778, 14/5779, 14/5780, 14/5781, 14/5782) . . . . . . . . . . . . . . . 15983 A Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zum rechtlichen Umgang mit Arbeitslosen vor dem Hintergrund der jüngsten Vorschläge des nordrhein- westfälischen Arbeitsministers . . . . . . . 15983 D Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15983 D Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 15984 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 15986 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15988 A Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15989 A Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15990 B Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 15991 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15992 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15993 C Harald Schartau, Minister (Nordrhein- Westfalen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15994 D Franz Romer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 15996 D Renate Rennebach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 15997 C Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 15998 C Tagesordnungspunkt 5: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Rabatt- gesetzes und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (Drucksache 14/5441) . . . . . . . . . . . . 15999 D b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Zugabe- verordnung und zur Anpassung wei- terer Rechtsvorschriften (Drucksache 14/5594) . . . . . . . . . . . . 15999 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Hartmut Schauerte, Gunnar Uldall, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 III Innovation und fairer Wettbewerb im Handel nach Abschaffung von Rabattge- setz und Zugabeverordnung (Drucksache 14/5751) . . . . . . . . . . . . . . . 16000 A Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi . . 16000 A Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16001 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16003 D Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16005 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16006 B Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16007 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 16008 C Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Klaus Brähmig, Otto Bernhardt, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet (Drucksachen 14/4144, 14/5737) . . . . . . . 16009 D Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16010 B Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU . . 16011 C Cem Özdemir BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16013 C Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . 16014 A Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16015 A Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16015 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatsse- kretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16016 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 16017 B, 16022 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16017 C, 16022 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: Distanzierung der Bundesministerin Renate Künast von einem Aufruf zur Freilassung als Mitglieder einer terroris- tischen Vereinigung verdächtigter Per- sonen (Drucksache 14/5765) . . . . . . . . . . . . . . . 16020 A Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16020 A Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16021 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . 16021 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 16024 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16026 A Dr. Guido Westerwelle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 16027 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16027 C Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 16027 C Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Durchsetzung der Gleichstel- lung von Frauen und Männern (Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz – DGleiG) (Drucksache 14/5679) . . . . . . . . . . . . . 16028 C b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Vierter Bericht der Bundesre- gierung über die Förderung der Frauen im Bundesdienst – Berichts- zeitraum 1995 bis 1998 (Drucksache 14/5003) . . . . . . . . . . . . . 16028 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16028 D Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16030 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16032 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16033 C Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16035 B Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16036 B Anke Eymer (Lübeck) CDU/CSU . . . . . . . . . 16037 A Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16038 C Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Für eine Tschet- schenien-Resolution der VN-Men- schenrechtskommission (Drucksache 14/3186) . . . . . . . . . . . . . 16039 C b) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: 57. Tagung der Menschenrechtskom- mission der Vereinten Nationen (Drucksache 14/5768) . . . . . . . . . . . . . 16039 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Dr. Helmut Haussmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Stärkeres deutsches Engagement auf der 57. Sitzung der Menschenrechtskom- mission der Vereinten Nationen (Drucksachen 14/5452, 14/5771) . . . . 16039 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001IV d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: 5. Bericht der Bundesregierung über ihre Men- schenrechtspolitik in den auswärti- gen Beziehungen (Drucksachen 14/3739, 14/5795) . . . . 16039 D Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16040 A Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16041 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16043 A Hermann Gröhe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16044 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16044 D Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 16045 A Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16046 B Rolf Stöckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16047 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16048 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . 16050 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 16052 B Tagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber- Jastram, Karl-Josef Laumann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für mehr Wettbewerb und Subsidiarität in den sozialen Sicherungssystemen – durch Neuorganisation der aktiven Ar- beitsmarktpolitik die Langzeitarbeitslo- sigkeit in Deutschland senken (Drucksache 14/5552) . . . . . . . . . . . . . . . 16054 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Pia Maier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Zusätzliche Arbeits- plätze fördern – soziale Sicherungssys- teme festigen (Drucksache 14/5794) . . . . . . . . . . . . . . . 16054 A Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 16054 B Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16056 C Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16058 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16060 C Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16061 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16062 A Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16063 A Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16063 B Tagesordnungspunkt 11: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungs- richtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Um- weltschutz (Drucksachen 14/4599, 14/5750) . . . . 16065 A – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG- Richtlinien zum Umweltschutz (Drucksachen 14/5204, 14/5750) . . . . 16065 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Marie-Luise Dött, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Prüfung der Umwelt- verträglichkeit den Erfordernissen einer modernen Umweltpolitik an- passen – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrike Flach, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der F.D.P.: Umsetzung der IVU-Richtlinie – Um- weltgesetzbuch auf den Weg bringen (Drucksachen 14/5546, 14/3397, 14/5750) 16065 B Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16065 C Marie-Luise Dött CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 16067 B Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16069 C Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16071 D Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 16074 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 16075 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 16076 A Petra Bierwirth SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16078 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der F.D.P.: Ausreichende Rechtssicherheit für deutsche Unter- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 V nehmen und Bereitstellung der Mittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Un- recht aus der Zeit des Nationalsozialis- mus Betroffene nach dem Gesetz zur Er- richtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Drucksache 14/5787) . . . . . . . . . . . . . . . 16080 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Fraktion der PDS: Sofortige Auszahlung an die Opfer der NS-Zwangs- arbeit (Drucksache 14/5788) . . . . . . . . . . . . . . . 16080 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16080 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16081 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16082 B Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16083 D Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16084 D Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16086 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16086 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16087 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (Drucksache 14/5680) . . . . . . . . . . . . . . . 16088 A Tagesordnungspunkt 12: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hartmut Schauerte, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb stärken (Drucksache 14/4753) . . . . . . . . . . . . . 16088 A b) Antrag der Abgeordneten Walter Hirche, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Kraft- Wärme-Kopplung auf dem Prüfstand (Drucksache 14/4614) . . . . . . . . . . . . . 16088 B c) Antrag der Abgeordneten Walter Hirche, Birgit Homburger, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der F.D.P.: Markt- wirtschaftliche Förderung des Ein- satzes erneuerbarer Energieträger (Drucksache 14/5328) . . . . . . . . . . . . . 16088 C Tagesordnungspunkt 13: Große Anfrage der Abgeordneten Maritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der PDS: Situa- tion und Perspektiven der beruflichen Ausbildung und des Systems der Weiter- bildung als Stufen eines lebenslangen Lernens (Drucksachen 14/2813, 14/5060) . . . . . . . 16088 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16088 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 16089 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Bernd Wilz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS: Entwurf eines Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet – Drucksache 14/5802 (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16089 D Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der In- solvenzordnung und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 10) . . . . . . . . . . . . . . . . 16090 A Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 16090 A Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16090 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16092 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16093 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16093 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 16094 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb stärken – Kraft-Wärme-Kopplung auf dem Prüfstand – Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Jung (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . . . . 16095 B Christoph Matschie SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 16097 A Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 16098 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001VI 16095 B Hartmut Schauerte CDU(/CSU) . . . . . . . . . . . 16099 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16101 B Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 16102 B Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16103 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Situation und Perspektiven der beruflichen Ausbildung und des Systems der Weiterbildung als Stufen eines lebenslan- gen Lernens (Tagesordnungspunkt 13) . . . . . . Ernst Küchler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16104 A Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 16105 A Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 16106 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16108 A Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16109 B Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 16110 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 VII 16104 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 15933 (C) (D) (A) (B) 164. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 Ludwig Stiegler 16088 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 3 2) Anlage 4 3) Anlage 5 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16089 (C) (D) (A) (B) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Behrendt, Wolfgang SPD 05.04.2001* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 05.04.2001 Binding (Heidelberg), SPD 05.04.2001 Lothar Bodewig, Kurt SPD 05.04.2001 Dr. Brecht, Eberhard SPD 05.04.2001**** Brudlewsky, Monika CDU/CSU 05.04.2001 Ehlert, Heidemarie PDS 05.04.2001 Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 05.04.2001 Andrea DIE GRÜNEN Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 05.04.2001**** Graf (Rosenheim), SPD 05.04.2001 Angelika Griefahn, Monika SPD 05.04.2001 Hartnagel, Anke SPD 05.04.2001 Hasenfratz, Klaus SPD 05.04.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 05.04.2001 DIE GRÜNEN Hirche, Walter F.D.P. 05.04.2001 Hornung, Siegfried CDU/CSU 05.04.2001* Irber, Brunhilde SPD 05.04.2001 Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 05.04.2001 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 05.04.2001 Klappert, Marianne SPD 05.04.2001 Dr. Köster-Loßack, BÜNDNIS 90/ 05.04.2001**** Angelika DIE GRÜNEN Dr. Lamers CDU/CSU 05.04.2001*** (Heidelberg), Karl A. Leidinger, Robert SPD 05.04.2001 Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 05.04.2001 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 05.04.2001 Erich Michels, Meinolf CDU/CSU 05.04.2001 Müller (Berlin), PDS 05.04.2001 Manfred Nolte, Claudia CDU/CSU 05.04.2001 Pieper, Cornelia F.D.P. 05.04.2001 Raidel, Hans CDU/CSU 05.04.2001**** Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 05.04.2001 Hannelore Schloten, Dieter SPD 05.04.2001**** Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 05.04.2001 Hans Peter Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 05.04.2001 Andreas Schuhmann (Delitzsch), SPD 05.04.2001 Richard Schultz (Everswinkel), SPD 05.04.2001 Reinhard Dr. Schuster, R. SPD 05.04.2001 Werner Sehn, Marita F.D.P. 05.04.2001 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 05.04.2001 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 05.04.2001 Wistuba, Engelbert SPD 05.04.2001 Wohlleben, Verena SPD 05.04.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 05.04.2001* Zöller, Wolfgang CDU/CSU 05.04.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union **** für die Teilnahme an der 105. Jahreskonferenz der Interparlamenta- rischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Bernd Wilz (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Fraktion der PDS: Entwurf ei- nes Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet – Drucksache 14/5802 (Tagesordnungspunkt 9) In der Abstimmungsliste ist mein Name nicht aufge- führt. Mein Votum lautet: „Nein“. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 10) Alfred Hartenbach (SPD): Von der zehnten bis zur zwölften Legislaturperiode haben die Beratungen über ein neues Insolvenzrecht gedauert. Mit dem Insolvenz- verfahren wollten wir damals ein Verfahren schaffen, dass den Bedürfnissen von Verbrauchern und Kleingewerbe- treibenden angepasst ist und nicht zu einer übermäßigen Belastung der Gerichte führt. Für den genannten Perso- nenkreis stellt dieses Verfahren nämlich den einzigen Weg dar, um über eine Restschuldbefreiung einen wirtschaftli- chen Neuanfang zu erreichen und damit wieder eine Per- spektive zu haben. Leider hat das Verfahren, welches nach zähen Ver- handlungen erst seit 1998 praktiziert werden konnte, die Erwartungen nur ansatzweise erfüllt. Deshalb ist dieses Änderungsgesetz notwendig, um dem Insolvenzrecht neue Impulse zu geben. Wer aber nun glaubt, wir debattierten hier über eine unsäglich trockene Materie, der irrt gewaltig. Wir debat- tieren heute über das Leben. Wir bringen heute Änderun- gen auf den Weg, die das Leben von Millionen von Men- schen entscheidend beeinflussen können. Die soziale Dimension dieser Änderung wird erst richtig deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Überschul- dungssituation nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf den Schuldner selbst hat, sondern insbesondere auch seine gesamte Familie belastet. In dieser Familie, die es schwer genug hat, treffen die negativen Folgen ganz besonders die Kinder. Wir rechnen zurzeit mit etwa 2 Millionen Kinder, die aufgrund der Überschuldung ihrer Eltern in Armut leben. Armut ge- fährdet die Chancen von Kindern bei der Ausbildung ihrer Fähigkeiten und ihrer persönlichen Autonomie, ge- fährdet das Niveau ihrer Schulbildung und ihrer berufli- chen Ausbildung. Armut beschädigt das Selbstwertgefühl von Kindern und kann sie nachhaltig entmutigen. Den von Armut betroffenen Kindern werden Entwicklungsmög- lichkeiten vorenthalten, auf die sie in einer modernen Ge- sellschaft angewiesen sind. Wir aus der rot-grünen Koalition setzen uns deshalb gerade auch im Interesse überschuldeter Familien und ih- rer Kinder für ein funktionstüchtiges Entschuldungsma- nagement ein und rufen alle verantwortlichen Kräfte im Bundestag auf, hieran mitzuwirken. Wegen der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Re- dezeit kann ich mich nur auf einige wesentliche Punkte beschränken. Ein Punkt ist, dass wir dem mittellosen Schuldner den Zugang zum Verfahren erleichtern. Nachdem der Wille des Gesetzgebers, die Vorschriften über die Prozesskos- tenhilfe anzuwenden, von den Gerichten nicht akzeptiert wurde, musste nunmehr eine klare und eindeutige gesetz- liche Regelung gefunden werden. Mit der Stundung der Verfahrenskosten ist diese Regelung gefunden. Das heißt, das Verfahren kann auch dann eröffnet werden, wenn ein Schuldner nicht über die nötigen Mittel verfügt, um die Verfahrungskosten zu decken. Ich appelliere hier sehr eindringlich an die Länder, sich nicht auf fiskalische Ge- sichtspunkte zurückzuziehen. Neben dem Interesse der Kinder steckt dahinter auch ein ganz handfestes wirtschaftliches Interesse: Derjenige, der Licht am Ende des Tunnels seiner Schulden sieht und weiß, dass er nach einer gewissen Wohlverhaltensphase wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann und auch teilnehmen will, wird nämlich dann auch wieder zu den Steuerzahlern gehören. Das ist ein Kreislauf, der letzt- endlich drei Gewinner hat: die Schuldner, die Gläubiger und die öffentlichen Kassen, wenn man bedenkt, dass diese Menschen auch nicht mehr auf Sozialhilfe angewie- sen sind. Dazu gehört auch die Möglichkeit, aus Gründen der Waffengleichheit in komplizierten Verfahren Schuld- nern einen Rechtsanwalt zur Seite zu stellen und diesen Rechtsanwalt dann auch entsprechend vergüten zu können. Leider mussten wir aus Gründen der Übersichtlichkeit den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucher- insolvenzverfahrens in einem Punkt einschränken. Dort, wo Kleingewerbetreibende einbezogen werden können, müssen wir diese Chance auf diejenigen ehemaligen Ge- werbetreibenden beschränken, deren Zahl der Gläubiger nicht ins Unermessliche steigt. Wir haben hier ganz be- wusst eine Beschränkung auf 20 Gläubiger vorgesehen. Lassen Sie mich abschließend sagen: Alles in allem bringen wir mit diesem Gesetz für viele Menschen Hoff- nung. Wir sollte diese Hoffnung unterstützten, wir sollten sie nähren und wir sollten nicht im kleinlichen Parteien- gezänk oder im Aufrechnen zwischen Bund und Ländern diese Hoffnung wieder zunichte machen. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Am 18. Februar 2000, also fast vor genau einem Jahr, hat- ten wir in einer Bundestagsdebatte über das Insolvenzge- setz das Justizministerium aufgefordert, die Entwicklung der Anwendung der Insolvenzordnung unter allen Aspek- ten genauestens zu begleiten und dem Deutschen Bun- destag Bericht zu erstatten, bzw. gegebenenfalls schon Änderungsvorschläge vorzulegen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der beinahe endgültigen Fassung vom 28. März 2001 entspricht diesem Auftrag und versucht, die aus der Pra- xis heraus sichtbaren Mängel zu beseitigen. Es soll insbe- sondere die Teilnahme völlig mittelloser Personen an der Restschuldbefreiung ermöglicht werden und eine klare Trennung zwischen ehemaligen Unternehmern von so ge- nannten Kleingewerbetreibenden durchgeführt werden. Die Praxis bemängelt, dass ehemalige Unternehmer mit vielen Hundert oder mehr Gläubigern die Verfahrenswege bei den Insolvenzgerichten blockieren, und sie sollten auf das normale Insolvenzverfahren verwiesen werden. Dies ist einerseits sinnvoll, andererseits muss aber auch ge- scheiterten Unternehmern die Möglichkeit gegeben wer- den, ohne persönliche Schuldtitel nach einer gewissen Wohlverhaltenszeit wieder von vorne anzufangen. Dabei Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116090 (C) (D) (A) (B) werden auch volkswirtschaftlich positive Auswirkungen erwartet, denn wer einmal Pleite gegangen ist, um es dras- tisch auszudrücken, hat gelernt aus seinen Fehlern und wird es beim nächsten Mal besser machen. Zudem haben sich – zum Teil auch, weil die Länder, obwohl sie eine Vorlaufzeit von sechs Jahren hatten – nicht die nötigen Voraussetzungen ergeben. Weitere Schwierigkeiten wurden angesammelt, weil Verordnun- gen nicht erlassen oder die vorgesehenen Schuldnerbera- tungsstellen nicht ausreichend errichtet wurden. Auch bei Unternehmensinsolvenzverfahren haben sich verschie- dene Vorschriften so nicht handhaben lassen, wie ur- sprünglich gedacht, und sollen nun mit dem Änderungs- gesetz reformiert werden. Bei allem Eifer, den Schuldner nach einer Wohlverhal- tensfrist von alten Schulden zu befreien, darf das Gesetz aber nicht die Rechte des Gläubigers noch weiter ein- schränken, es sei denn, diese Einschränkung führt insge- samt zu einer Beschleunigung des Verfahrens und zu ei- ner besseren Akzeptanz durch die Schuldner. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es allgemein wirtschafts- politisch sinnvoll ist, überschuldete Menschen oder Fa- milien wieder in den ordentlichen Arbeits- und Wirt- schaftskreislauf zurückzuführen. Zu begrüßen ist daher auch, dass es für völlig „pleite“ Schuldner die Möglichkeit der Prozesskostenstundung gibt, gegebenenfalls auch unter Beiordnung eines An- walts. Die Bedenken der Verbände, dass durch den Ent- wurf die Wohlverhaltenszeit dadurch von sieben bis auf elf Jahre ausgedehnt wird, gegebenenfalls durch eine re- lativ lange Verfahrensdauer noch länger, ist im Gesetzge- bungsverfahren zu berücksichtigen. Meines Erachtens könnte darüber nachgedacht werden, die siebenjährige Frist ab Antragstellung laufen zu lassen mit der Maßgabe, dass diese verlängert wird, wenn der Schuldner nicht konstruktiv bei der Antragstellung bis zum Beschluss mit- arbeitet. Wenn dagegen rechtsdogmatische Gründe spre- chen, sollten wir über eine Verkürzung auf fünf Jahre nachdenken. Ich teile im Übrigen die Bedenken der Länder bei der Sorge über die Einführung der Prozesskostenhilfe nur finanziell, nicht aber in rechtspolitischer oder gesell- schaftspolitischer Hinsicht. Ich bin sicher, dass das, was an Prozesskostenhilfe für die Restschuldbefreiung ausge- geben wird, in wenigen Jahren über das Einsparen von So- zialhilfe, Mietkostenzuschüsse und Ähnlichem wieder hereingeholt wird. Die Sorge der Justizminister, dass da- mit ihr Justizhaushalt belastet wird, ist richtig, könnte aber durch einen Federstrich, zum Beispiel durch Über- nahme aus den Sozialetats, genommen werden. Es gibt heute bereits den § 17 BSHG. Zu Recht versucht der Gesetzentwurf, auch einzelne, angebliche oder tatsächliche Missstände zu beseitigen. Insbesondere darf nicht durch übereifrige Treuhänder zum Beispiel der Wohnraum des Schuldners gekündigt werden, um an die Mietkaution zu kommen. Dies führt zur Zerstörung der noch einzigen Lebensgrundlage des Schuldners. Andererseits kann es nicht richtig sein, wenn „protzige“ Wohnungen beibehalten werden, während die Gläubiger auf Großteile ihrer Forderung verzichten müssen. Die Rechte der Schuldner werden durch die Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen im Wesentlichen schon genü- gend berücksichtigt. Aus diesen freien Mitteln sind Woh- nung und sonstige übliche Lebensverträge zu bestreiten und zusätzlich gelten auch die §§ 850 ff. ZPO. Um nochmals zurückzukommen auf die Frage der Ab- grenzung von Kleingewerbetreibenden zu Unternehmern, ist nach Auffassung der meisten Verbände die starre Rege- lung von 20 Gläubigern zu kurz gegriffen. Wir sollten im Anhörungsverfahren hier änderungsbereit sein. Ob die Anhebung auf 30 Gläubiger genügt, bezweifele ich. Ein von den Verbänden ebenfalls zur Sprache gebrachter Vor- schlag, die Worte „in der Regel“ in § 304 einzuführen, würde eine allgemeine starre Regelung sicher gerechter relativieren. Der Vollstreckungsschutz für den Schuldner für eine gewisse Zeit nach Beginn des Verfahrens wäre richtig. Er ist aber sozusagen über Nacht aus dem Entwurf gestrichen worden, weil die Länder Bedenken hatten und das Gesetz „zustimmungsfrei“ gemacht werden sollte. Die längere Rückwirkung der so genannten Rückschlagsperre gemäß § 88 Insolvenzordnung auf drei Monate ist schon sehr hoch gegriffen und sollte nicht, wie von manchen Ver- bänden vorgeschlagen wurde, noch mehr verlängert werden. Sollte sich aus den Umständen ergeben, dass zum Nachteil anderer Gläubiger in einer Zeit davor Sicherun- gen erworben wurden, müssten sie nach dem allgemeinen Recht angefochten werden. Ebenso schwierig ist die Frage, ob frühere Abtretungsgläubiger zu normalen Gläu- bigern herabgestuft werden sollten. Zu fordern ist aber, dass sowohl Gemeinden als auch insbesondere Finanzbehörden als normale Gläubiger an- gesehen werden und nicht bevorrechtigte Positionen ein- nehmen dürfen. Auch bei der Aufforderung zum Verzicht auf Forderungen müssen die Finanzämter und gegebe- nenfalls die Krankenkassen flexibler sein, auch wenn es sich um so genannte Treuhandgelder, wie Beiträge zur AOK und Lohnsteuer, handelt. Die Entscheidung, dass das Insolvenzgeld für Arbeitnehmer zur normalen Masse gehört, ist ordnungspolitisch bedenklich, wirtschaftspoli- tisch, weil dadurch Einigungen leichter möglich sind, richtig. Auf den Schuldenbereinigungsplan, der sehr wichtig ist, kann nach dem Entwurf richtigerweise vom Gericht verzichtet werden, wenn keine Aussicht auf Zustimmung der Gläubiger besteht und dadurch das Restschuldbefrei- ungsverfahren beschleunigt werden kann. Insgesamt müssen die Bestrebungen, außergerichtliche Einigungen durchzuführen, unterstützt werden, da diese sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner am schnellsten und preiswertesten sind und in der Regel auch zu gerechten Ergebnissen führen. Gerade für diese Verfahren gilt aber flexible Mitwirkung der öffentlichen Hand. Die vom Verbraucherinsolvenzbüro Stuttgart ge- brauchte Äußerung „Die öffentliche Hand ist der Killer des von ihr geschaffenen Verfahrens“ ist sicher überspitzt, fußt aber auf mehreren Hundert Verfahren, wobei außer- gerichtliche als auch gerichtliche Pläne von der öffentli- chen Hand in weit unter 10 Prozent Zustimmung von Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16091 (C) (D) (A) (B) Gläubigern der öffentlichen Hand fanden, obwohl Rund- schreiben vom Bundesminister der Finanzen deutlich auf die Mitwirkungspflicht auch der Finanzämter hinwiesen. Die bei Verabschiedung des Gesetzes von den Ländern an die Wand gemalten Horrorzahlen der Restschuldbe- freiungsverfahren sind nicht eingetreten, zum einen, weil es ein ungeliebtes Kind der Länder ist, zum anderen, weil auch bei den Insolvenzgerichten nicht alle Vorkehrungen getroffen wurden, aber meines Erachtens auch durch eine nicht zu übersehende Sperre, die Veröffentlichung des Verfahrens und damit Preisgabe des Namens, wenn keine außergerichtliche Einigung zustande kommt. Dies hat na- turgemäß eine Prangerwirkung, die viele davon abhält, in eine solches Verfahren zu gehen. Solange man quasi ano- nym überschuldet war, wussten nur die Geschäftspartner davon, nunmehr aber die Nachbarschaft, die Bekannten und Freunde und dies ist eben „unangenehm“. Der Sinn des Gesetzes ist, die überschuldeten Personen in ein geordnetes, finanzielles Leben zurückzuführen, wo- bei die Gläubiger in einem erheblichen Maße dazu beitra- gen, durch Verzicht auf Forderungen, aber auch durch die Aussicht, dass der Schuldner ermutigt ist, durch ein sie- benjähriges Wohlverhalten und Zahlung wenigstens ge- ringer Teile der Verbindlichkeiten neben den laufenden Verfahrenskosten. Insofern ist das Restschuldbefreiungs- verfahren eine sozialpolitische Aktion und nur durch das Rechtskorsett der Insolvenzordnung begleitet. So muss man die rechtspolitisch und ordnungspolitisch gerechtfer- tigte Veröffentlichung des Namens dem sozialen, persön- lichen Gesichtspunkt des Schuldners gegenüberstellen und abwägen. Vielleicht könnte das Risiko eines Miss- brauchs dadurch gelöst werden, dass der Name nur in Lis- ten erscheint, in die bei berechtigtem Interesse Einblick genommen werden kann, weil es sich für den Schuldner leichter wieder aufbauen lässt, ohne das Stigma, dass er „Konkurs“ gemacht hat. Schuldnerberatungsstellen, Verbände, Städtetag und Landkreistag haben eine Vielzahl von Vorschlägen bereits im Vorverfahren eingebracht. Hier nenne ich unter ande- rem das sehr effektiv arbeitende Verbraucherinsolvenz- büro Stuttgart genauso wie die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände, der die Arbeiterwohl- fahrt, die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, der Deutsche Caritas-Verband, das Deutsche Rote Kreuz, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Diakoni- sches Werk angehören. Aber auch andere, die sich in die Diskussion eingebracht haben und noch im Verfahren ein- bringen werden. Die CDU/CSU-Fraktion ist bereit, mit den Koalitions- parteien und den anderen Parteien sowie den Verbänden insgesamt zusammenzuarbeiten und möglichst eine Über- einstimmung in den strittigen Fragen zu erreichen, damit das Instrument der Restschuldbefreiung den Stellenwert bekommt, den wir seinerzeit bei der Verabschiedung ihm geben wollten. Wir wussten, dass wir Neuland betreten, um überschuldete Menschen nicht auf Ewigkeit vom normalen Gesellschafts- und Wirtschaftsleben auszu- schließen und eine Zukunft zu eröffnen. Vorrausetzung ist und bleibt dabei die aktive Mithilfe oder das Wohlverhalten. Dieses Gesetz soll Hilfe zur Selbsthilfe sein und alle Beteiligten sollten in diesem Sinne mitwirken. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit diesem Gesetzentwurf, der das 1999 verabschiedete Insolvenzrecht nachbessert, erleichtern wir vielen Schuldnern nun endlich den Weg aus der Schuldenfalle. Auf diese gesetzgeberische Hilfestellung haben viele Menschen gewartet. Mein Büro haben in den letzten Mo- naten eine Reihe von Anfragen erreicht, wann der Ge- setzgeber das Problem der Prozesskostenhilfe im Insol- venzverfahren endlich zu lösen gedenke. Ich stelle hier noch einmal ganz deutlich fest, was ich den Menschen geantwortet habe: Nicht an der Mehrheit des Deutschen Bundestages oder an der Bundesregierung hat es gelegen, dass wir erst heute über dieses Stundungs- modell diskutieren. Nein, die Bundesländer haben sich vor dem Hintergrund ihrer gespannten Haushalte überaus schwer getan. Wäre es nach uns gegangen, dann wären wir auch über das Stundungsmodell hinausgegangen. Mit diesem, so meine ich, haben wir aber immerhin eine Lö- sung gefunden, die den überschuldeten Menschen den Weg aus der Schuldenfalle tatsächlich ermöglicht. Nur zur Erinnerung: 1999 sind von rund 20 000 beantragten Entschuldungsverfahren nur etwa 2 300 auch eröffnet worden. Den überschuldeten Verbrauchern war manch- mal nur deshalb der Weg in das Verbraucherinsolvenz- verfahren versperrt geblieben, weil ihnen die Mittel für das Verfahren fehlten. Das wird sich mit dieser Reform ändern. Rund 2,8 Millionen Haushalte in diesem Land sind überschuldet. Diese Zahl ist umso alarmierender, wenn man bedenkt, dass jeder dritte überschuldete Haushalt so- gar mit mehr als 50 000 Mark in der Kreide steht. Für viele Menschen sind das keine Peanuts! Indes: Der Einfluss des Gesetzgebers, diese Situation drastisch zu verändern, ist begrenzt. Das liegt an den un- terschiedlichsten Ursachen, die Verschuldung haben kann. Umfragen zufolge zählt dazu nicht nur mangelnde Liquidität aufgrund von Arbeitslosigkeit. Plötzliche Schicksalsschläge wie Unfälle, Krankheit, Tod eines Part- ners oder das Scheitern einer Beziehung und auch die Un- erfahrenheit und Naivität der Verbraucher gegenüber so manchen verlockenden Kredit- und Konsumangeboten gehören dazu. Wenn in der Nachbarschaft zwar wöchent- lich ein großes Versandhaus anliefert, die selben Mieter aber eines Tages ausziehen müssen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, ihre Wohnungsmiete zu bezahlen, dann hat der bunte Katalog einfach den Geldbeutel gesprengt. Mit anderen Worten: Nicht nur bei den Essgewohnheiten müs- sen wir anscheinend viele Bürgerinnen und Bürger noch von einem anderem Konsumverhalten überzeugen. Verantwortlich für ihre Misere sind aber keineswegs immer die Betroffenen selbst: Auch Kredithaie, die die Notlage der Betroffenen ausnutzen, um über horrende Zinsen abzukassieren, sind oft Ursache für Verschuldung. Auch die Banken müssen sich einmal fragen, ob sie nicht vielleicht künftig weniger aggressiv mit vermeintlich pro- blemlosen Konsumentenkrediten werben sollten, wenn doch der Verdacht nahe liegt, dass viele Kreditnehmer später das Geld nicht mehr zurückzahlen können. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116092 (C) (D) (A) (B) Die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsver- bände, AG SBV, hat die Bundesregierung in ihrem Vor- haben bestärkt und hat die Reform der Insolvenzordnung begrüßt. Wir freuen uns darüber. Darüber hinaus aber ha- ben die Verbände Anregungen gemacht, die aus Sicht mei- ner Fraktion durchaus noch im Gesetzgebungsverfahren zu prüfen sind. Berechtigte Kritik ist beispielsweise an der Länge der so genannten Wohlverhaltensperiode, also des Zeitraums, in dem der Schuldner den pfändbaren Teil sei- nes Arbeitseinkommens an einen Treuhänder abzutreten hat, geäußert worden. Die hier geltende Frist von sieben Jahren sei zu lang und erschwere ebenso den wirtschaftli- chen Neuanfang des Schuldners wie auch der Umstand, dass Gehaltsabtretungen noch bis zu drei Jahren nach Ver- fahrenseröffnung ihre Wirksamkeit behalten. Hierdurch, so die Kritik, würden einzelne Gläubiger im Verhältnis zur Gesamtheit der Gläubiger über Gebühr begünstigt. Diese Kritik wird auch im Bundesjustizministerium nach meiner Kenntnis sehr ernst genommen. Das BMJ hat deshalb eine rechtstatsächliche Untersuchung in Auftrag gegeben, auf deren Ergebnisse ich wirklich sehr gespannt bin. Wenn alsbald belastbare empirische Daten vorliegen, die die Kritik insoweit bestätigt, wird sich die Koalition einer Änderung dieser Frist nicht versperren. Rainer Funke (F.D.P.): Lassen Sie mich zunächst in Erinnerung rufen, dass die Insolvenzordnung 1994 prak- tisch einstimmig von allen Fraktionen des Hauses gebil- ligt worden ist. Insbesondere die Verbraucherinsolvenz- ordnung und die Restschuldbefreiung, die vor allem von den Freidemokraten und auch Sozialdemokraten ge- wünscht worden war, wurde als großer Fortschritt für die Privatinsolvenz und als Perspektive für insolvente Schuldner gesehen und gefeiert. Gerade dieser Teil des Gesetzes hat beim Bundesrat Ablehnung gefunden, insbe- sondere wegen der damit verbundenen Kosten. Wir haben uns dann im Vermittlungsausschuss leider auf ein ziem- lich spätes In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung zum 1. Januar 1999 geeinigt. Wenn heute darüber Klage geführt wird, dass seit dem In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung die Anträge der Verbraucherinsolvenzen nur schleppend vorankommen, so liegt dies zum großen Teil daran, dass viele Länder trotz der langen Vorlaufzeit die Schuldnerberatungsstel- len und auch die entsprechenden Dienstanweisungen nur schleppend, zum Teil erst Mitte 1999, in Kraft haben tre- ten lassen. Inzwischen nehmen die Zahlen auf Verbrau- cherinsolvenzen und Schuldenbefreiungen zu. Insgesamt glaube ich, dass die neue Insolvenzordnung nach einer gewissen Eingewöhnungsphase erfolgreich ist. Es kann nicht ausbleiben, dass einzelne Fragen, auch be- dingt durch die Rechtsprechung, überdacht werden müs- sen. Dies gilt sicherlich auch für die Frage der Verfah- renskosten bei Verbraucherinsolvenzverfahren, wenn völlig mittellose Personen an diesem Verfahren teilneh- men wollen. Es war stets die Auffassung aller Fraktionen dieses Hauses und des Bundesjustizministeriums, dass das PKH-Verfahren für diese Personen gelten soll. Dies haben wir auch stets in den Materialien zum Gesetz ver- treten. Ein Teil der Gerichte hat sich dieser Auffassung an- geschlossen, aber der größte Teil der Rechtsprechung nicht, sodass hierzu eine Klarstellung notwendig ist. Die F.D.P. macht keinen Hehl daraus, dass sie das nun vorge- sehene Stundungsverfahren für bürokratisch und für die betroffenen Schuldner für belastend hält. Wir ziehen ein klares PKH-Verfahren vor. Wir wollen diesen Schuldnern eine klare Perspektive für ihre zukünftige wirtschaftliche Situation geben. Soweit vorgeschlagen wird, ehemalige Unternehmer und so genannte Kleingewerbetreibende nicht mehr in das Verbraucherinsolvenzverfahren einzubeziehen, muss aber überlegt werden, ob schon insoweit hinreichend Er- fahrung gesammelt werden konnte. Wir würden es vor- ziehen, wenn hier die Auswirkungen der Insolvenzord- nung in diesem Bereich länger und intensiver betrachtet werden könnten. Die Vorschläge der Bundesregierung hinsichtlich der Entgeltansprücheverfahren der Arbeitnehmer, soweit sie vom vorläufigen Insolvenzverwalter weiter beschäftigt werden, dürften der Praxis entsprechen und werden von uns unterstützt. Wir machen damit deutlich, dass wir an der Novellie- rung der Insolvenzordnung mitwirken werden, soweit Re- paraturen notwendig sind, jedoch ausschließlich fiska- lisch bedingte Vorschläge der Länder, wie bei den Stundungsverfahren, ablehnen werden. Die Beratungen im Rechtsausschuss werden wir intensiv begleiten. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Der Regierungsentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung kommt spät, hof- fentlich jedoch noch nicht zu spät, um das Knäuel von nicht praktikablen, bürokratischen und komplizierten Re- gelungen der Verbraucherinsolvenz zu entwirren, das vor allem viele Schuldner vor unlösbare Finanzprobleme stellt. Deshalb hat meine Fraktion bereits vor einem Jahr einen Änderungsentwurf vorgelegt, der das Insolvenzver- fahren insbesondere für viele mittellose Schuldner öffnen soll. Die Finanzierung des Insolvenzverfahrens für mittel- lose Schuldner ist das Hauptproblem der gesetzlichen Regelung, da ohne praktikable Finanzierungsmöglichkei- ten die beabsichtigte Verbraucherinsolvenz mit dem Ziel der Restschuldbefreiung von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Bei vielen Schuldnern reicht bekanntlich das Vermögen und Einkommen für die Begleichung der Ver- fahrenskosten nicht aus. Während wir hierzu eine klarstellende Regelung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe vorgeschlagen haben, sieht der Regierungsentwurf ein so genanntes Stundungs- modell vor. Grundsätzlich halte ich dieses Modell für möglich, favorisiere jedoch weiterhin unser PKH-Modell. Der Regierungsentwurf weist selbst darauf hin, dass eine klarstellende Regelung für die Anwendung der §§ 114 ff. ZPO im Insolvenzverfahren nahe gelegen hätte. Weil da- mit jedoch erhebliche Kosten auf die Länder zukommen würden, wird ein Stundungsmodell vorgeschlagen. Dieses Argument greift nur bedingt, denn die Stundung suggeriert zwar zunächst die Rückzahlung während bzw. nach der Wohlverhaltensperiode. Bei den so genannten Nullplanverfahren ist die Einkommens- und Vermögens- situation meist so desolat, dass weder vorab die Verfah- renskosten berichtigt noch die Gläubigerforderungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16093 (C) (D) (A) (B) beglichen werden können. Selbst nach der Restschuld- befreiung ist bei vielen Betroffenen nicht mit einer durch- greifenden Änderung ihrer Einkommenssituation zu rech- nen, sodass die Stundung am Ende ebenso wie die Gewährung von PKH, die ja auch nur ein zinsloses Darle- hen darstellt, auf einen Erlass der Verfahrenskosten hi- nausläuft. Hinzu kommt, dass außerdem keine eindeutige Erlassregelung mit Abschluss der Restschuldbefreiung vorgesehen ist. Da in Anlehnung an die PKH-Regelung eine Änderung zum Nachteil des Schuldners erst mit Ablauf von vier Jahren nach Beendigung des Verfahrens ausgeschlossen ist, bedeutet dies faktisch eine Verfah- rensverlängerung bis zur endgültigen Entschuldung um weitere vier Jahre. Überlegenswert sind die Vorschläge zur Einführung ei- nes fakultativen Schuldenbereinigungsverfahrens, zur Senkung der Kosten im Verbraucherinsolvenzverfahren durch Internetnutzung und Verringerung der zuzustellen- den Unterlagen. Und auch die Einführung einer Notfrist von einem Monat im § 307 für die Gläubigerstellung- nahme ist zwecks Verfahrensbeschleunigung sinnvoll. Ausdrücklich begrüße ich die Ausdehnung der Rück- schlagsperre – § 88 InsO – von einem auf drei Monate, zu- mal die in § 765 a Abs. 4 ZPO gewählte Formulierung un- serem Vorschlag in § 314 b InsO sehr nahe kommt. Allerdings wäre eine konsequente Ausdehnung des Voll- streckungsschutzes auf das gesamte Verfahren der außer- gerichtlichen Einigung – wie von uns vorgeschlagen – an- gebracht. Keinesfalls einverstanden bin ich mit der vorgesehe- nen Einschränkung des persönlichen Anwendungsberei- ches des Verbraucherinsolvenzverfahrens nach §§ 304 ff. InsO. Unter dem Vorwand der in der Praxis auftretenden erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten der Kleinge- werbetreibenden von anderen Unternehmern werden diese nunmehr faktisch von der Verbraucherinsolvenz weitgehend ausgeschlossen und wieder an das für sie we- sentlich nachteiligere Regelinsolvenzverfahren verwiesen. Abgesehen davon, dass die „Überschaubarkeit seiner Vermögensverhältnisse“ bei Ausübung der selbstständi- gen Tätigkeit eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen dürfte, bedeutet die weitere Abgrenzung bei einer Gläubigerzahl von weniger als 20 und dem Nicht- vorliegen von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen de facto den Ausschluss von Kleinunternehmern aus der Ver- braucherinsolvenz. Eine solche Regelung wird der beson- deren Situation dieser Schuldnergruppe nicht gerecht, da diese oft weitaus mehr als 20 Gläubiger haben, sich je- doch ihre Einkommens- und Vermögenssituation nicht wesentlich von überschuldeten Privatpersonen unter- scheidet, zumal sie Privat- und Firmenvermögen ein- schließlich der damit verbundenen Forderungen meist nicht voneinander trennen konnten. Meine Fraktion wird hierzu sowie zu weiteren Punkten – wie zur Frage von abgetretenen Forderungen – Ände- rungsvorschläge in die weitere Diskussion einbringen. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär der Bundesmi- nisterin der Justiz: Mit dem neuen Insolvenzrecht sollte auch den vielen völlig überschuldeten Menschen ein Neu- anfang ermöglicht werden. Aber bereits kurz nach dem In- Kraft-Treten des neuen Rechts mussten wir feststellen, dass für diese Schuldner der Zugang zum Verbraucherin- solvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren vielfach versperrt war, weil sie die Verfahrenskosten nicht auf- bringen konnten und ihnen auch keine Prozesskostenhilfe für das Verfahren gewährt wurde. Bisher haben 31 Land- gerichte in letzter Instanz entschieden, dass für das Ver- braucherinsolvenzverfahren keine Prozesskostenhilfe ge- währt werden kann. In den Bezirken dieser Landgerichte können völlig mittellose Schuldner deshalb keine Rest- schuldbefreiung erreichen und haben somit auch keine Chance auf eine Zukunft ohne Schulden und auf einen wirtschaftlichen Neubeginn. Eine der wichtigsten sozial- politischen Zielsetzungen der Insolvenzrechtsreform ist damit infrage gestellt. Es handelt sich deshalb nicht nur um eine technische Änderung der Insolvenzordnung. Um Ihnen die soziale Dimension zu verdeutlichen, möchte ich nur ein paar Zah- len nennen: 1999 waren in Deutschland 2,7 Millionen Haushalte überschuldet. Unter diesen Haushalten befan- den sich rund 1,2 Millionen Familien mit circa 2 Mil- lionen Kindern. Die heute vorliegende Änderung der Insolvenzordnung erschöpft sich deshalb nicht in verfah- rensrechtlichen Vereinfachungen. Vielmehr muss sie als eine Voraussetzung zur Überwindung von Überschuldung angesehen werden, mit der ein wirtschaftlicher Neu- anfang verbunden ist. Dies hat angesichts der aufgezeig- ten Zahlen eine hohe familien- und jugendpolitische Be- deutung. Damit künftig alle Schuldner Zugang zur Restschuld- befreiung haben, soll mit dem vorliegenden Gesetzent- wurf eines Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze das neue Institut der Insolvenzkos- tenhilfe geschaffen werden. Mit der Insolvenzkostenhilfe wird den Schuldnern im Insolvenzrecht ein eigenständi- ger – von der Prozesskostenhilfe unabhängiger – An- spruch auf Unterstützung gewährt, wenn sie die Verfah- renskosten nicht zahlen können. Dieser zielt darauf ab, den Schuldnern, die die Verfahrenskosten nicht aufbrin- gen können, diese Kosten zunächst zu stunden. Gleich- zeitig entsteht für die Vergütung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders ein Sekundäranspruch gegen die Staats- kasse. Während der gesamten Entschuldungsphase sind die gestundeten Kosten aus der Masse vorweg zu befrie- digen und auch nach erteilter Restschuldbefreiung besteht für den Schuldner noch für eine gewisse Zeit die Pflicht zur Zahlung der gestundeten oder vorgestreckten Verfah- renskosten. Ich halte dies für eine sachgerechte und ausgewogene Lösung des Problems. Sachgerecht, weil sie den Zugang aller zum Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefrei- ungsverfahren ermöglicht, und ausgewogen, weil sie nicht zwangsläufig zu einer Entschuldung zum Nulltarif führt. Die teilweise bereits im Vorfeld des Gesetzge- bungsverfahrens geäußerte Kritik, die Stundungslösung wäre rein fiskalisch begründet, ist nicht gerechtfertigt. Diese Kritik berücksichtigt nicht, dass das Stundungsmo- dell auf die Entschuldungsbemühungen des Schuldners vorteilhafte Auswirkungen haben wird. Mit den Pflichten, die mit der Stundung verbunden sind, werden eigene Mit- wirkungshandlungen des Schuldners zwangsläufig akti- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116094 (C) (D) (A) (B) viert. Dadurch werden nicht nur die Gerichte entlastet, sondern auch aussichtslose Verfahren vermieden werden. Die Insolvenzkostenhilfe wird aber auch den außerge- richtlichen Einigungsversuch deutlich stärken. Schulden- regulierungen sind in der Vergangenheit häufig geschei- tert, weil es für die Schuldner, bei denen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe voraussehbar war, keine Chance auf eine gerichtlich erteilte Restschuldbefreiung gab. Diese schwache Position des Schuldners war für einzelne Gläubiger oft der ausschlaggebende Grund für eine Ab- lehnung der einvernehmlichen Schuldenregulierung. Wird der Schuldner zukünftig bei seinen Einigungs- bemühungen aber eine klare rechtliche Option auf das gerichtliche Entschuldungsverfahren haben, ist davon auszugehen, dass sich die Verhandlungs- und Einigungs- bereitschaft der Gläubiger erhöhen wird. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf basiert im We- sentlichen auf den Vorschlägen einer von der Justizminis- terkonferenz eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ich begrüße es nachdrücklich, dass der in der Arbeits- gruppe gefundene Konsens zwischen den berechtigten In- teressen überschuldeter Menschen und den fiskalischen Belangen der Länder als eine tragfähige Grundlage des Änderungsgesetzes auch im Bundesrat im Wesentlichen bestätigt wurde. Was die Kostenbelastung anbetrifft, kann ich Ihnen versichern, dass die finanziellen Auswirkungen des Ge- setzentwurfes mehrfach geprüft wurden. Die zu erwarten- den Verfahrenszahlen und die Höhe der Rückflüsse sind derzeit allerdings schwer zu kalkulieren, da sie von einer Vielzahl von Faktoren abhängen. Besonders schwierig ist die Schätzung der Beträge, die die Schuldner im Laufe der Wohlverhaltensperiode zur Kostentilgung aufbringen werden. Nach meiner Auffassung ist allerdings die An- nahme der Länder sehr pessimistisch, dass in mehr als 50 Prozent der Fälle kein abtretbares Einkommen vor- handen sein wird, aus dem zumindest Teile der Verfah- renskosten beglichen werden können. Zusammengefasst: Das Änderungsgesetz steht in Über- einstimmung mit dem ursprünglichen Ziel des Gesetzge- bers, ein Verfahren zu schaffen, das den Bedürfnissen von Verbrauchern angepasst ist und nicht zu einer übermäßi- gen Belastung der Gerichte führt. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb stärken – Kraft-Wärme-Kopplung auf dem Prüfstand – Marktwirtschaftliche Förderung des Einsatzes er- neuerbarer Energieträger (Tagesordnungspunkt 12) Volker Jung (Düsseldorf) (SPD): Die Diskussion über die Kraft-Wärme-Kopplung in der Regierungskoali- tion und mit den Verbänden dauert an. Dabei war die Taktik der Verbundwirtschaft bislang so einfach wie durchsichtig: Angegriffen wurde das Mittel – die Quotenregelung –, obwohl eigentlich das Ziel – der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung – gemeint war und bekämpft wurde. Daran ist die erste Gesprächsrunde ge- scheitert. Daraufhin hat der Verband der Elektrizitätswirtschaft die Initiative ergriffen, um einen Konsens in der Branche herbeizuführen. Konsensfähig scheint eine Bonusrege- lung zum Erhalt effizienter und zur Modernisierung inef- fizienter KWK-Anlagen zu sein. Aber die konkrete Aus- gestaltung der Bonusregelung ist noch ebenso umstritten wie der Zubau neuer KWK-Anlagen. Daran ist die zweite Gesprächsrunde gescheitert. Deswegen werden wir einen neuen Anlauf machen. Was Sie von der Opposition mit der Kraft-Wärme- Kopplung wollen, ist mir bei der Lektüre Ihrer Anträge nicht ganz klar geworden. Die F.D.P. hält weitere Markt- eingriffe schlicht nicht für vertretbar. Der Wettbewerb soll es alleine richten. Und sie versucht, den Bundeswirt- schaftsminister mit Zitaten gegen das KWK-Gesetz für sich in Anspruch zu nehmen. Deshalb folgendes Zitat aus der letzten Haushaltsrede des Bundeswirtschaftsministers an Ihre Adresse: Ich sage allen Anhängern des völlig liberalen Wettbe- werbs: Der Wettbewerb regelt vieles; er richtet nicht alles, aber er richtet die Zukunft unter Umständen zugrunde. Geradezu erheiternd finde ich, dass die F.D.P. für er- neuerbare Energien den gleichen Fördermechanismus – nämlich eine Quotenregelung mit Zertifikathandel – propagiert, den sie bei der KWK so vehement ablehnt. Das müssen Sie uns noch einmal erklären. Die CDU/CSU will die Kraft-Wärme-Kopplung nach der Überschrift ihres Antrags zwar stärken, führt im Text allerdings nur Argumente und Instrumente auf, um sie zu schwächen. Dies sind samt und sonders Versatzstücke aus den Zuschriften der Verbundwirtschaft, die uns in den vergangenen Monaten erreicht haben. Ein besonders be- liebter wie irreführender Einwand ist es, die Brennstoff- zelle als Opfer eines KWK-Ausbaus hinzustellen. Richtig ist das Gegenteil: Die Brennstoffzelle ist nur in der ge- koppelten Produktion von Wärme und Strom sinnvoll ein- setzbar, also als Kraft-Wärme-Kopplung, und sie ist auf ihre Förderung angewiesen. Aus diesem Grund haben wir sie bereits in dem von Ihnen bekämpfte KWK-Gesetz ein- bezogen. Und genau deshalb wird sie auch in das Aus- baugesetz einbezogen. Soweit sachliche Einwände – zum Beispiel nicht aus- baubarer Wärmeabsatz oder die Erzeugung von Über- schussstrom – geltend gemacht werden, sind sie durch die begleitenden wissenschaftlichen Studien ausgeräumt. Die europarechtlichen Einwände sind inzwischen in unmiss- verständlicher Weise durch den Europäischen Gerichts- hof widerlegt worden, der in seinem Urteil zum deutschen Stromeinspeisungsgesetz den Umweltschutz als Schranke des europäischen Wettbewerbsrechts anerkannt hat. Europarechtlich ist aber ebenso klar, dass sich der KWK-Ausbau als gesetzliche Regelung an die gesamte Stromwirtschaft richten muss. Selbstverpflichtungen und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16095 (C) (D) (A) (B) Verbändevereinbarungen können dabei hilfreich sein, aber sie sind kein Ersatz. Dazu haben wir eindeutige Si- gnale aus Brüssel. Auf jeden Fall müssen sie einem wirk- samen Monitoring unterworfen und mit Sanktionen be- wehrt werden. Ich fürchte also, in Ihnen werden wir in dieser Frage keinen konstruktiven Gesprächspartner haben. Sie haben sich in der Opposition von einer vernünftigen Umwelt- und Klimapolitik und damit auch von wichtigen Zielen der Europäischen Union verabschiedet, die sich eindeutig zur Verdopplung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien und aus KWK in einem 10-Jahres-Zeitraum be- kennt. Im Rahmen des Klimaschutzprogramms der Bundes- regierung kommt dem Ausbau der Kraft-Wärme-Kopp- lung eine herausragende Bedeutung zu. Durch ihn sollen bis zum Jahr 2010 23 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden, das heißt ein gutes Drittel des von Deutschland noch zu erbringenden Beitrages zu den von der Europäischen Union in Kioto eingegangenen Ver- pflichtungen. Weltweit wird die Verbrennung fossiler Energieträger noch auf lange Zeit eine dominierende Rolle spielen. Des- halb stehen zur CO2-Reduzierung die Effizienzsteigerung sowie die Erschließung verbrennungsfreier Energieträger im Vordergrund unserer Bemühungen. Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung ist deshalb ein Kernbestandteil der Klimaschutzstrategie der Regierungskoalition. Mit der Liberalisierung des Strommarktes ist der Be- reinigungsdruck auf die überzähligen Kraftwerkskapa- zitäten in Europa erheblich gestiegen, und bei der un- gleichgewichtigen Marktöffnung wird er stark nach Deutschland gelenkt. Wir verschließen uns keineswegs der Notwendigkeit, im Wettbewerb Unternehmensstruk- turen anzupassen, Synergiepotenziale zu heben, sinnvolle Fusionen durchzuführen und europäische und internatio- nale Marktstrategien zu entwickeln. Wir werden aber alle Anstrengungen unternehmen, dass die im Inland wegfal- lenden Produktionskapazitäten nicht durch billigen Im- portstrom ersetzt werden, der dazu noch aus Kraftwerken kommt, deren Umweltanforderungen und Sicherheits- standards mit unseren Anlagen keinen Vergleich aushalten. Zwei weitere Gesichtspunkte kommen hinzu: Erstens: Mit der Vereinbarung zum schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie in unserem Land fallen in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren über 30 Prozent unserer Stromerzeu- gung insgesamt und fast 60 Prozent in der Grundlast weg. Angaben der Elektrizitätswirtschaft zufolge werden das bereits im Jahr 2010 45 Terawattstunden weniger sein. Diese Lücke gilt es zu schließen. Darin liegt nach meiner Auffassung die Chance für die heimische Braunkohlever- stromung in modernen Kraftwerken. Darin liegen aber auch die Chance und die Notwendigkeit, die Kraft- Wärme-Kopplung auszubauen und erneuerbare Energie- quellen zu entwickeln und marktreif zu machen. Und zweitens: Ein großer Teil unserer Kraftwerkska- pazitäten ist heute über 35 Jahre alt und muss in absehba- rer Zeit erneuert werden. Nach Angaben der Elektrizitäts- wirtschaft wird der Reinvestitionszyklus ab 2005 in Gang kommen. Darum müssen die Weichen schon heute in die richtige Richtung gestellt werden, um ein Mindestmaß an Erzeugung, Wertschöpfung und Beschäftigung am Stand- ort Deutschland zu sichern. Dazu ist die Kraft-Wärme-Kopplung geradezu prä- destiniert, denn anders als der Strom kann die Wärme nicht über große Entfernungen transportiert werden. Eine stärker dezentral ausgerichtete Erzeugung vermindert nicht nur Leitungs- und Transportverluste, sondern bringt auch Gewinne an Versorgungssicherheit. Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung wird unter anderem auch als Bedrohung der heimischen Kohlever- stromung dargestellt. Dazu ist ganz nüchtern folgendes festzuhalten: Die Verstromung heimischer Steinkohle, von der nur ein Bruchteil in die Kraft-Wärme-Kopplung geht, ist we- gen der degressiven Förderung stark rückläufig. Wenn sie allerdings durch Importkohle ersetzt werden soll, dann halte ich das nicht für schützenswert. Die Verstromung der grundsätzlich wettbewerbsfähi- gen Braunkohle findet überwiegend in Grundlastkraft- werken statt. Dort konkurriert sie vor allem mit der Kernenergie. Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie wird die Verstromung der Braunkohle trotz Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zu- und nicht ab- nehmen. Und nicht zuletzt: Die Verstromung von Stein- und Braunkohle ist mit vergleichsweise hohen CO2-Emissio- nen verbunden. Werden sie in hoch effiziente Kraftwerke – wie in der Lausitz geschehen und am Niederrhein ge- plant – und in die Kraft-Wärme-Kopplung gelenkt, dann verbessern sich ihre Umweltfreundlichkeit und Klimaver- träglichkeit erheblich. Das wird auch ihre politische Ak- zeptanz wesentlich erhöhen. Aus diesen Gründen wollen wir die Kraft-Wärme- Kopplung ausbauen. An das künftige Fördermodell stel- len wir folgende Anforderungen: Erstens. Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung muss den Zielen eines kostengünstigen und effizienten Umwelt- und Klimaschutzes und der Standortsicherung, Wertschöpfung und Beschäftigung in unserem Land glei- chermaßen Rechnung tragen. Zweitens. Die Förderung muss sich auf den Erhalt öko- logisch effizienter, die Modernisierung nicht effizienter und den Zubau neuer, moderner KWK-Anlagen er- strecken. Drittens. Da keine zusätzlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, muss die Finanzierung durch ein Um- lagesystem erfolgen. Das erfordert zwingend eine gesetz- liche Regelung und schließt die alleinige Selbstverpflich- tung der Elektrizitätswirtschaft aus. Viertens. Die Förderung müssen alle potenziellen In- vestoren in Anspruch nehmen können. An diesen Anforderungen werden wir jeden Vorschlag messen und darauf eine gesetzliche Regelung zur Siche- rung, Modernisierung und zum Ausbau der Kraft-Wärme- Kopplung stützen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116096 (C) (D) (A) (B) Christoph Matschie (SPD): Damit Deutschland im Klimaschutz weiterhin glaubwürdig eine Vorreiterrolle einnehmen kann, ist es unabdingbar, dass wir zu den uns gesetzten ehrgeizigen Zielen im Klimaschutz stehen. Das nationale Klimaschutzziel, unsere Kohlendioxidemissio- nen bis 2005 gegenüber 1990 um ein Viertel zu reduzie- ren, hat weiterhin hohe Priorität. Wir wissen, dass die bisher erzielten Ergebnisse – eine CO2-Reduzierung von circa 15 Prozent seit 1990 – uns an die Spitze der Länder stellen, die überhaupt Minderungen von CO2-Emissionen vorweisen können. Doch ein großer Teil der Reduktionen der letzten Jahre ist auf den Zusam- menbruch der ostdeutschen Wirtschaft nach 1990 zurück- zuführen; die jetzt noch zu erbringende Reduzierung wird wesentlich schwieriger sein. Um die für die Realisierung des 25-Prozent-Zieles noch bestehende Lücke zu schließen, hat die Bundesregierung im November letzten Jahres ein umfassendes nationales Klimaschutzprogramm auf den Weg gebracht. Insgesamt wollen wir unsere CO2-Emissionen bis 2005 um 50 bis 70 Millionen Tonnen senken. Damit leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag zum globalen Klimaschutz. Ein Kernelement unserer Klimaschutzstrategie ist der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung. Sie ist für eine wirk- same Klimaschutzstrategie unverzichtbar, weil der ver- minderte Energieeinsatz zu deutlich niedrigeren CO2- Emissionen führt. Sie ermöglicht eine hocheffiziente Bereitstellung von Strom und Wärme mit einer Brenn- stoffausnutzung von über 80 Prozent. Schon die heute arbeitenden Anlagen leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz: Derzeit existieren in Deutschland rund 5 700 KWK-Anlagen. Mit diesen An- lagen werden 50 Terawattstunden Strom pro Jahr erzeugt, der Atmosphäre bleiben dadurch zwischen 10 und 30 Mil- lionen Tonnen CO2 pro Jahr erspart. Doch nicht alle die- ser Anlagen arbeiten heute schon sinnvoll und sind effek- tiv eingesetzt. Tatsächlich gibt es großen Bedarf zur Modernisierung und Erneuerung. Allein mit KWK wollen wir eine Minderung der CO2-Emissionen um 10 Milli- onen Tonnen bis 2005 und 23 Millionen Tonnen bis 2010 zum Ziel erreichen. Der derzeitige Anteil von KWK-Anlagen an der Stromerzeugung in Deutschland beträgt heute 10 Prozent. Schon 2010 soll er auf 20 Prozent verdoppelt werden. Dass das KWK-Potenzial damit noch lange nicht erschöpft ist, zeigen Beispiele wie Dänemark und die Niederlande, deren KWK-Anteil mit 35 bis 40 Prozent – Quelle: VIK – und mehr weit höher ist. Um dieses Ziel zu erreichen, reicht es nicht, die beste- henden Anlagen zu sanieren. Daneben brauchen wir ein durchdachtes und wirksames Konzept zum weiteren Aus- bau der Kraft-Wärme-Kopplung. KWK-Förderung macht aus vielen Gründen Sinn: Kli- maschutz ist das eine Motiv, doch damit nicht genug: Po- sitive Effekte sind auch in den Bereichen Wachstum und Beschäftigung zu erwarten. Die Studie der PROGNOS AG Basel belegt: KWK-Förderung schafft Arbeitsplätze: Der positive Beschäftigungseffekt des nationalen Klima- schutzprogrammes liegt allein im KWK-Bereich – Anla- genbau, Betrieb und Wartung von Kraftwerken und Fern- wärmenetzen – bei deutlich über 10 000 Arbeitsplätzen bis 2010. KWK-Förderung steht für Innovation und Zu- kunftsorientierung. Schließlich exportiert Deutschland Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in alle Welt – das Know-how deutscher Anlagenhersteller ist schon längst auch auf dem internationalen Markt sehr gefragt. Wichtig für uns ist deshalb: eine Sicherung der beste- henden, effizienten KWK-Anlagen. Denn entgegenge- setzt zu dem, was in dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu lesen ist, hat sich die Situation der Kraft-Wärme-Kopp- lung gegenüber anderen Technologien im Wettbewerb deutlich verschlechtert. Tatsächlich sind bereits erhebli- che KWK-Leistungen vom Netz gegangen. Die bestehen- den, sanierungsfähigen KWK-Anlagen müssen energe- tisch optimiert und modernisiert werden. Der Ausbau der KWK-Anlagen muss, als Eckpfeiler des nationalen Kli- maschutzprogrammes, mit neuen, hocheffizienten Anla- gen ermöglicht werden. Im CDU-Antrag wird fälschlicherweise behauptet, dass für die zusätzliche elektrische Leistung durch Zubau neuer Kraftwerkskapazitäten keinerlei Bedarf bestünde, sondern stattdessen auch in den folgenden Jahren Über- kapazitäten abgebaut werden müssten. Darauf geben die Untersuchungen des Forschungszentrums Jülich eine deutliche Antwort: Schon ab 2002 wird es entgegen der Behauptungen der CDU/CSU einen Ersatzbedarf für fos- sile und nukleare Stromerzeugungskapazitäten geben. So wird KWK-Strom nicht bestehende Stromerzeugungska- pazitäten verdrängen, sondern kann alte, ineffiziente An- lagen durch ressourcen- und umweltschonende Strom- und Wärmeerzeugung ersetzen. Wie die Ausbauförderung konkret vonstatten gehen soll, da sind wir offen für alle Instrumente, die uns helfen, unser Ziel zu erreichen. Im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist von einer Quotenregelung die Rede. Die KWK-Quote ist tatsächlich ein vielversprechendes Modell, sie ist jedoch kein Dogma. Wir sind dabei, in ei- nem offenen Dialog mit allen Beteiligten eine angemes- sene Lösung zu finden. Dafür hat das BMWi eine Arbeitsgruppe „KWK-Aus- bauregelung“ eingerichtet, in der unter anderem Indus- trie- und Verbandsvertreter, ÖTV und IGBCE an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. Dass bislang kein endgül- tiger Vorschlag vorliegt, liegt vor allem daran, dass die Verbundwirtschaft, aber auch die IGBCE und das Wirt- schaftsministerium von NRW Bedenken gegen eine Quo- tenregelung angeführt haben und versprachen, eine Alter- nativregelung vorzulegen. Diese Alternative sähe eine Kombination aus freiwilliger Selbstverpflichtung und aus Haushaltsmitteln finanzierter Anlagenmodernisierung so- wie Fernwärmeverdichtung vor. Auf dieser Linie liegt auch das von der Verbundwirtschaft vorgelegte „Aktions- programm Klimaschutz“. Versprochen wurde eine belast- bare Alternative gegenüber der Einführung einer Quoten- regelung, die gleichermaßen geeignet ist, die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Bisher gibt es aber die wirklich belastbare Alternative der Wirtschaft nicht. Dass das Aktionsprogramm der Energiewirtschaft nicht den Anforderungen genügt, belegen gutachterliche Studien Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16097 (C) (D) (A) (B) des Öko-Instituts und des Deutschen Instituts für Wirt- schaftsforschung. Ein Konsens der Beteiligten wird angestrebt. Doch auch wenn dieser Konsens nicht erreicht werden kann, muss die Politik handeln. Eine Selbstverpflichtung der Industrie kann für die Weiterentwicklung des Klimaschutzes eine wichtige Rolle spielen. Damit sie auch tatsächlich etwas bewirkt, müssen allerdings einige grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein. So müssen die Ziele der Selbstverpflichtung deutlich über dem normalen Effizienzfortschritt liegen, denn sonst beschreiben sie nur eine Entwicklung, die oh- nehin stattfinden wird. Die vorgelegten Konzepte müssen belastbare und valide sein. Sie dürfen nicht weniger trans- parent, überprüfbar und effektiv als gesetzliche Vorgaben sein. Das beinhaltet auch, dass sie von einem intensiven Monitoring begleitet werden und dass im Falle ihres Scheiterns klare und spürbare Sanktionen greifen. Selbstverpflichtungen können unsere Politik sinnvoll ergänzen – ersetzen können sie beim Bemühen um KWK- Ausbau nicht. Die Instrumente zum KWK-Ausbau müs- sen den folgenden Kriterien genügen: Sie müssen zielge- nau für alle relevanten Einsatzgebiete von KWK förderlich sein, sie müssen Rechtssicherheit für Betreiber und Investoren herstellen und sie müssen haushaltsneutral und EU-kompatibel sein. Wir sind offen für alle Vorschläge, die den genannten Kriterien entsprechen. Denn im Endeffekt ist es das Ziel, das zählt. Über die Mittel, es zu erreichen, können wir verhandeln. Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Seit vielen Monaten gibt es in unserem Land einen erbitterten Streit um das Ob und Wie einer Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung – zwischen den politischen Parteien, innerhalb der Parteien, aber auch zwischen einzelnen Interessenverbänden. Zur- zeit werden wir ja auch Zeugen heftigen Streits um die Förderung von KWK zwischen Energieunternehmen und beispielsweise dem Verband kommunaler Unternehmen, der zum Beispiel in der Meldung gipfelte, dass sich die Verbände und die privaten Unternehmen noch nicht über die Höhe und Ausgestaltung der staatlichen Förderung ei- nigen konnten. So ist es gut, dass auch der Deutsche Bun- destag – wenngleich zu ungünstiger Nachtstunde – über dieses Thema diskutiert, damit deutlich wird, dass es noch immer gewählte Parlamentarier sind, die darüber bestim- men, wie man wofür dem Steuerzahler in die Tasche grei- fen darf. Die CDU/CSU-Fraktion hat der bisherigen Gesetzge- bung von Bundesregierung und Koalition, insbesondere dem KWK-Vorschaltgesetz, wie ich glaube, aus guten Gründen und mit guten Argumenten Widerstand entge- gengesetzt. Nachdem gerade in den letzten Tagen zum Beispiel auch in der SPD-Fraktion und in der Bundesre- gierung frischer Wind in die Diskussion gekommen ist und eine Entscheidung in den nächsten Wochen und Mo- naten ansteht, bieten wir den Kollegen der Koalition un- sererseits eine ehrlich gemeinte und ideologiefreie Dis- kussion an. Gerade jetzt, wo die anstehenden Klimaverhandlungen im Juli in Bonn unter schwierigen Bedingungen vorberei- tet werden, müssen wir uns vor Augen halten, dass wir uns zumindest im Ziel einig sind: Unsere Energiepolitik muss nicht nur Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähig- keit garantieren, sondern auch die Klimaschutzziele ohne Wenn und Aber erfüllen. Lassen Sie mich kurz den derzeitigen Stand der Dis- kussion in unserer Fraktion, wie er in dem heute vorge- stellten Antrag zum Ausdruck kommt, vorstellen. Wir ge- hen von folgenden Prämissen aus: Erstens. KWK-Anlagen leisten einen positiven Beitrag zum Klimaschutz, wenn sie mit einem hohen Energienut- zungsgrad von 70 bis 80 Prozent betrieben werden. Ab diesem Nutzungsgrad ist die kombinierte Erzeugung von Wärme und Kraft einer getrennten Erzeugung überlegen. Dieser Nutzungsgrad wird nur dann erreicht, wenn auch die Wärme ganzjährig und möglichst gleichmäßig abge- nommen wird. Eine ökologisch sinnvolle Förderung kann also nur dort ansetzen, wo diese Bedingungen gegeben sind. Zweitens. Ein ökologisch blinder Zubau von KWK- Anlagen mit staatlicher Förderung ist unverantwortlich. Es wäre nicht nur eine Verschwendung staatlicher Steuer- gelder; wegen der nach wie vor vorhandenen Überkapa- zitäten aus dem Strommarkt würde er zusätzliche „stran- ded investments“ und Kraftwerksstilllegungen an anderen Ecken des Energiemarktes und Tausende weitere Entlas- sungen provozieren. Drittens. Wie auch immer geartete staatliche Förde- rung muss offen, das heißt mit Haushaltsmitteln gesche- hen, darf nicht in eine Dauersubvention ausarten, muss gezielt am ökologischen Tatbestand ansetzen und darf technologischen Fortschritt nicht behindern. Daher lauten unsere drei Kernforderungen: Erstens: Verzicht auf starre Zielvorgaben wie die Ver- doppelung KWK als staatlichem Handlungsauftrag und ein wie auch immer geartetes Quoten-Zertifikatshandel- modell. Solche festen staatlichen Vorhaben sind ökolo- gisch und ökonomisch fragwürdig, technologisch kontra- produktiv und mit 3 bis 4 Milliarden DM geschätzter Kosten pro Jahr für Steuerzahler oder Verbraucher unver- hältnismäßig teuer. Zweitens: Die Förderung existierender KWK-Anlagen ist zeitlich befristet und degressiv auszugestalten und streng an ökologische Kriterien zu binden. Das bedeutet bei uns einen Monatsnutzungsgrad von mindestens 60 Prozent bei monatlicher Abrechnung. Wir erkennen an, dass kommunale und private Energieunternehmen Pla- nungssicherheit brauchen; aber es ist wirklich durch nichts zu rechtfertigen, dass unter der gegenwärtigen Ge- setzeslage kommunale KWK-Anlagen mit indiskutabler Wärmenutzung und damit indiskutabler Energienut- zungsgrade auf Teufel komm raus Strom produzieren und CO2 emittieren. Das ist wirklich die Perversion einer Maßnahme, die als Klimaschutz etikettiert wurde. Wirklich Geld in die Hand nehmen würden wir schließlich – drittens – für eine Intensivierung von For- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116098 (C) (D) (A) (B) schung und Entwicklung innovativer, dezentraler Ener- gieumwandlungsanlagen und gezielte Markteinführungs- programme derartiger KWK-Anlagen, zum Beispiel mit Brennstoffzellentechnologie. Ein solches 100 000-Keller- Programm wäre wesentlich sinnvoller als ihr 100 000- Dächer-Programm der Photovoltaik. Solche KWK-Tech- nologien für private Haushalte und die Industrie sind da, haben ihre Marktreife in drei bis vier Jahren erreicht und ein Einführungsprogramm hätte ähnliche Kostenredukti- onseffekte wie das 100 000-Dächer-Programm. Nur wäre der CO2-Effekt um ein Vielfaches höher, die Kosten für den Steuerzahler wären geringer. Genau das ist es, nämlich der Einsatz von Technologie, die ökologische Treffsicherheit und das volkswirtschaft- lich billigste Instrument, was wir an der Politik der Bun- desregierung vermissen. Dies wird auch in den nächsten Monaten im Zentrum der Diskussion stehen, weil es nach den Äußerungen von Präsident Bush mehr denn je darum geht, ein attraktives Klimaschutzkonzept international einzubringen, und das bedeutet, die gewaltigen Heraus- forderungen im Klimaschutz bis 2005 und noch mehr da- nach zu erfüllen, ohne die Wirtschaft zu überfordern und die Menschen auf die Barrikaden zu bringen. Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Die Rahmenbedin- gungen für eine nachhaltige Energieversorgung im globa- len und liberalisierten Markt zu gestalten gehört zu den großen politischen Herausforderungen unserer Zeit. Eine ausreichende Energieversorgung ist die entscheidende Grundlage für wirtschaftliches Handeln und eine prospe- rierende gesellschaftliche Entwicklung. Energieversor- gung ist folglich von zentraler volkswirtschaftlicher, ge- sellschaftlicher und politischer Bedeutung. Um diese Herausforderungen zu bewältigen und in Chancen für die deutsche Volkswirtschaft umzusetzen, geht die CDU von folgendem energiepolitischen Verständnis aus: Versor- gungssicherheit, Preisgünstigkeit bzw. Effizienz und Um- weltverträglichkeit bleiben unverändert die Grundanfor- derungen, an denen sich Energiepolitik ausrichten muss. Um diese Ziele zu erreichen, muss die künftige Ener- giepolitik an den Maximen Nachhaltigkeit, Globalisie- rung, Zukunftsoffenheit und Marktwirtschaft ausgerichtet werden. Nachhaltig, weil wir nicht nur Verantwortung für das Hier und Heute, sondern auch die Lebensumstände unserer Kinder und Enkelkinder tragen. Global und eu- ropäisch verantwortlich, weil Energiepolitik aufgrund der globalen Zusammenhänge nicht mehr nur im nationalen Rahmen gesehen werden kann. Deutschland muss einen Beitrag zur Lösung der globalen und europäischen Pro- bleme leisten und gleichzeitig seine Wettbewerbsfähig- keit als Energieproduktionsstandort sichern und verbes- sern. Marktwirtschaftlich, weil wir wissen, dass nur dies zu den effizientesten Ergebnissen und zu niedrigsten ge- samtwirtschaftlichen Kosten führt und damit die Wahr- nehmung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Verantwortung überhaupt erst ermöglicht. Marktwirt- schaftlich heißt zugleich auch, ein Level-Playing-Field für alle Marktteilnehmer herzustellen, einen freien und fairen Zugang zu den Versorgungsnetzen zu ermöglichen und das Entstehen sowie den Missbrauch marktbeherr- schender Stellungen zu verhindern. Zukunftsoffen schließlich, weil Bedürfnisse und Risiken bei der Ener- giegewinnung, -wandlung und -nutzung es nicht gestat- ten, Technologieoptionen aufzugeben oder gar zu ver- bieten. Die Diskussion um weitere Schritte zum Klimaschutz und zur CO2-Reduzierung hat sich in den vergangenen Monaten zunehmend auf die politische Forderung nach Einführung einer Quotenregulierung für KWK-Strom zu- gespitzt. Das eigentliche Ziel, eine tatsächliche Senkung des CO2-Ausstoßes und sonstiger Klimagase zu errei- chen, ist dabei immer mehr in den Hintergrund getreten. Durch die Einführung einer solchen Quotenregulierung würden wichtige volkswirtschaftliche Ziele, wie eine si- chere und ausgewogene Energieerzeugungsbasis, die be- schleunigte Entwicklung neuer Technologien sowie die Erhaltung einheimischer Wertschöpfung und Arbeits- plätze, gefährdet. Ich hoffe, wir können den Presseveröf- fentlichungen der letzten Wochen Glauben schenken, dass die Bundesregierung nun endlich von ihren unsinnigen Quotenplänen abgerückt ist. Die Unionsfraktion hat die unsägliche bisherige Ge- setzgebungsarbeit der Bundesregierung im so genannten KWK-Vorschaltgesetz im Frühjahr vergangenen Jahres aus guten Gründen abgelehnt. Ich habe mich selten über eine so offensichtliche Ungleichbehandlung, eine so un- faire, durch Lobbyismus geprägte und produzierte Un- gleichbehandlung durch die Regierungspolitik ärgern müssen wie bei dem KWK-Vorschaltgesetz vom Frühjahr letzten Jahres. Wir können darüber reden, ob die Hilfe nötig war oder nicht. Wir können sogar darüber streiten, ob es Übergänge hätte geben müssen, die verhindert hät- ten, dass bestimmte Investitionen unnötig gestrandet sind, die dafür Sorge getragen hätten, dass bestimmte ökologi- sche Potenziale erhalten werden könnten. Darüber hätten wir diskutieren und streiten können. Aber eine solche Frage kann nie und nimmer daran festgemacht werden, wer die KWK-Betreiber sind. Die Förderungs- oder Be- günstigungsklausel schlicht von den Besitzverhältnissen abhängig zu machen und KWK-Betreiber, die im öffent- lichen Eigentum sind, zu berücksichtigen, private Ei- gentümer aber nicht, ist verfassungswidrig. Wir haben schlicht keine Lust und Zeit, diesen Tatbestand als sol- chen feststellen zu lassen, weil wir die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass es sich doch nur um ein kurzlebiges Vorschaltgesetz handelt. Andernfalls müsste tatsächlich vor dem Hintergrund einer solchen Ungleich- behandlung das Bundesverfassungsgericht bemüht wer- den. Jedenfalls ist die gegenwärtige Regelung an keinem einzigen Punkt gerechtfertigt. Wir haben in dem vorliegenden Antrag unsere Kern- forderungen für eine zielführende, an den Prinzipien von Preisgünstigkeit bzw. Effizienz, Umweltverträglichkeit, Zukunftsoffenheit und Marktnähe orientierte Förderung der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung darge- legt. Dabei stehen für uns folgende Maximen für ein Kon- zept der zukunftsorientierten Energieerzeugung im Vor- dergrund: Erstens. Energiepolitik muss sich am Nachhaltigkeits- prinzip orientieren. Alle Effizienzreserven müssen mobi- lisiert werden. Einsparpotenziale müssen mit neuester Technik und auf marktwirtschaftlichem Wege erschlossen werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16099 (C) (D) (A) (B) Zweitens. Freiwillige Vereinbarungen und Verhand- lungslösungen bei der Realisierung der Klimaschutzziele führen zu langfristig besseren Lösungen und effiziente- rem Wettbewerb. Drittens. Zum Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und zur Erhöhung der Transparenz sind alle direkten und indirekten staatlichen Förderungen im Energiebereich zu erfassen, einheitlich auszuweisen und kritisch auf ihre Ef- fizienz zu bewerten. Alle direkten und indirekten Sub- ventionen sind in einem Topf zusammenzufassen, mit ei- ner degressiven Deckelung zu versehen und aus dem allgemeinen Staatshaushalt zu finanzieren. Viertens. Die Innovationsfähigkeit des Energiestand- ortes Deutschland ist entscheidend für eine zukunfts- fähige Energieversorgung. Technologieoptionen dürfen nicht leichtfertig aufgegeben oder verboten werden. Die Energieforschung muss daher nachhaltig gestärkt werden. Fünftens. Im Zuge des Strukturwandels in der nationa- len und europäischen Energiewirtschaft werden Überka- pazitäten bei der Stromerzeugung abgebaut. Die Chancen, die sich durch diesen notwendigen Strukturwandel erge- ben, müssen im Interesse neuer, dezentraler Technolo- gien, wie innovative Blockheizkraftwerke und Brenn- stoffzellen, konsequent genutzt werden. Sechstens. Im Gebäudebereich müssen verstärkt An- reize zur Energieeinsparung geschaffen werden – energe- tische Sanierung. Im Verkehrsbereich sind die noch viel- fältig vorhandenen technischen und organisatorischen Einsparpotenziale zu aktivieren. Siebtens. Pläne zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopp- lung mittels Quoten-/Zertifikatshandel oder Bonusmodel- len dürfen nicht weiterverfolgt werden. Starre Ziel- vorgaben wie die Verdopplung der gekoppelten Stromerzeugung als staatlicher Handlungsauftrag sind aufzugeben. Eine weitere Belastung der Verbraucher und der Wirtschaft durch zusätzliche Subventionierungen ist zu unterlassen. Die Förderung existierender KWK-Anla- gen ist so zu ändern, dass diese an ökologischen Kriterien gebunden sowie zeitlich befristet und degressiv ausge- staltet werden. Die staatliche Förderung der Markteinfüh- rung neuer innovativer dezentraler KWK-Anlagen muss befristet, degressiv und als Haushaltslösung erfolgen. Die Frage der Preissenkungen in der Energiewirtschaft und die Frage der neuen energiepolitischen Ansätze, wel- che die Preise wieder hochtreiben, möchte ich ebenfalls kurz ansprechen. Sie wissen, dass wir mit der Energieli- beralisierung – Gott sei Dank – für den Standort Deutsch- land einen großen Vorteil erwirtschaften konnten, sowohl für private Verbraucher als auch für die Unternehmen. Und nun fängt die Bundesregierung an – im Ansatz durch- aus nachvollziehbar –, hehren Zielen nachzulaufen, ohne auf das Wie zu achten, und dadurch Schritt für Schritt das bisher Erreichte wieder zurückzubauen. Das hat die jet- zige Bundesregierung mit dem Erneuerbare-Energien- Gesetz getan, indem sie dadurch die Strompreise wieder verteuert hat, und sie tut es ganz aktuell in der KWK-Dis- kussion zusätzlich mit Quotenmodellen und Preisen, die wiederum oben draufgelegt werden. Die kommende Ent- wicklung ist absehbar. Bereits im Jahr 2000 wurden mitt- lerweile etwa 4,5 Milliarden DM an Mehrkosten von den jüngst erreichten Vorteilen wieder durch politische Vorga- ben weggerafft. Wenn der Weg sich so fortsetzt, werden es im Jahr 2010 um die 20 bis 30 Milliarden DM sein. Das heißt, bereits in einem relativ überschaubaren Zeitraum werden die Preisvorteile, die die Liberalisierung gebracht hat, von politischen Vorgaben komplett wieder aufgefres- sen sein. Bei einer solchen Perspektive können einem schon die Haare zu Berge stehen, egal welche Begrün- dung dahinter steht. Dies ist ein gefährlicher Weg. Er ver- schlechtert die Wettbewerbssituation in Deutschland, da er vor allem national stattfindet und die Notwendigkeit ei- ner internationalen Harmonisierung außer Acht lässt. So verschlechtert er nur die deutsche Energiekostensituation. Dies kann nicht tatenlos akzeptiert werden. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir uns nicht selber schweren Schaden zufügen. Dies betrifft sowohl die privaten End- verbraucher als auch industrielle und gewerbliche Ener- gieverbraucher, die gerade ihre Standortentscheidungen auch daran ausrichten, wohin die Energiepreisentwick- lung zeigt. Was kann also die deutsche Energiepolitik tun? Ich sage es noch einmal ausdrücklich: Auch wir sind offen und bereit, bei der Förderung innovativer Ansätze, etwa bei regenerativen Techniken, mitzuhelfen. Erste Bedin- gung bleibt für uns allerdings die Gleichbehandlung. Eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Besitzer- gruppen schließt sich automatisch aus. Dieses Kriterium ist von vornherein so etwas Fremdes, dass ich mich wun- dere, wie es überhaupt im Deutschen Bundestag Gesetz werden konnte. Die zweite Frage ist die nach der Finan- zierung. Und da muss völlig ideologiefrei gesagt werden: Es muss das Ziel sein, mit dem geringsten finanziellen Aufwand den höchsten gewollten Ertrag zu erzielen. So- bald allerdings eine Preiserhöhung in den ganzen Markt gegeben wird und niemand aus dieser Preiserhöhung aus- scheren kann, ist eine Finanzierungsmethode gewählt, die unglaublich bequem, aber auch unglaublich innovations- hemmend, wettbewerbsbehindernd und suboptimal ist. Wir können uns alle daran erinnern, wie sich der Kohlepfennig auswirkte. 6, 7, 8 Pfennig waren es, an die sich die Gesellschaft zu gewöhnen hatte. Es wurde nie da- rüber gesprochen, es war kein Druck auf dem System, der Kohlepfennig war schlicht eine bequeme Einrichtung für die Begünstigten. Und ähnlich wird es mit Strompfenni- gen – welcher Art auch immer – sein. Nichts anderes ist es ja, was momentan in der Energiepolitik passiert. Die begünstigten Bereiche werden sich bequem einrichten, al- lerdings zulasten der Wettbewerbsfähigkeit weiter Teile unserer exportorientierten Industrie. Jährliche Beratun- gen im Vorfeld der Verabschiedungen des Bundeshaus- haltes sind nicht nötig, es gibt keine Degressivität und keine Anreize zu Innovationen, da niemand belohnt wird, der etwas besser macht oder gute Einfälle realisiert. Dies ist wohl der bequemste und gemütlichste Weg, einer Branche in bestimmten Problembereichen zu helfen. Al- lerdings ist es gleichzeitig auch die langfristigste, dauer- hafteste und teuerste, da am wenigsten effiziente Lösung. Deswegen muss an Modellen gearbeitet werden, die den Innovationsdruck und die Effizienzanforderungen unter Berücksichtigung des Preis-Leistungs-Verhältnisses Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116100 (C) (D) (A) (B) erhöhen. Welche Mittel wären also die besseren zur Er- reichung dieses Ziels? Hier ist es meiner Auffassung nach allemal besser, Haushaltsmittel zur Umsetzung dieser Ziele bereitzustellen, als die Kosten über die Preise wei- terzureichen. Dies ist der ehrlichere Weg. Einen Preis in den Markt zu geben ist für Politiker der gefahrlosere Weg, bei dem sie am Ende häufig nicht einmal für ihre Markt- intervention beschimpft werden. Aber Steuern zu erhe- ben, um aus dem öffentlichen Haushalt das eine oder an- dere politisch Gewollte zu realisieren, fällt den Politikern schon schwerer. Und einen Haushalt vor einem solchen Hintergrund nicht mehr ausgleichen zu können, ist erst recht schwer. Fazit: Die Hürden für solche Ansätze müs- sen in unserer demokratischen Gesellschaft so unbequem wie möglich gemacht werden und der Druck auf die Effi- zienz muss so hoch wie möglich sein. Dies wird nicht über eine relativ bequeme Preisfinanzierung, sondern nur durch sehr mühsame, ärgerliche, jährlich im Parlament zu diskutierende Haushaltsfinanzierungen erreicht. Wenn politisch gewollte Ziele aus öffentlichen Haus- halten finanziert werden, kann dies trotzdem in einer ver- lässlichen Weise geschehen. Deswegen müssen keine Brüche auftreten. Entscheidend ist, dass dabei die Finan- zierung unter zentraler Beobachtung bleibt, während sie bei Eingriffen in die Preisgestaltung über Pfennig-Lösun- gen schnell verschwindet und sich der leichten Beobach- tung entzieht. Ich bin nicht so weltfremd zu sagen, dass es eine Lösung über Preise in keinem Fall geben darf. Dies wäre Unsinn. Die Politik muss aber an der einen oder an- deren Stelle eingreifen und Anreize geben können. Das schlechte Gewissen der Politiker bei Lösungen über die Preise aufgrund eines Verstoßes gegen die Marktgesetze darf auf keinen Fall verloren gehen. Nur so bleibt das Ziel einer straff organisierten Problemlösung, die Dauersub- ventions-Tatbestände ausschließt, fest im Blick. Das muss die Leitlinie bei der Lösung all dieser Fragen sein. Wir freuen uns darüber, dass Sie die Quote, wie von uns seit langem gefordert, mittlerweile ablehnen. Wir for- dern ein Ende der preistreibenden Maßnahmen in der Energiepolitik, auch vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen und konjunkturellen Lage. Wir verlan- gen eine Verstärkung der innovativen Anreize. Jede Un- gleichbehandlung von privaten und öffentlich-rechtlichen Betreibern wird abgelehnt. Soweit Förderung erforderlich ist, muss diese klar befristet, degressiv und aus Steuer- mitteln erfolgen. Wir sind sicher, dass die vor uns liegen- den Beratungen die Richtigkeit unserer Grundsätze be- stätigen werden. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich mir die vorliegenden Anträge anschaue, dann fällt mir eines ganz besonders auf. Die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion lassen sich lang und breit über die verschiedenen Maßnahmen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung aus. Was dabei aber nur am Rande auftritt, ist der Klimaschutz. Wir brauchen einen umfassenden Klimaschutz; um die globale Erwärmung zu vermindern. Dies ist eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Die Vereinigten Staaten von Amerika wenden sich von dem Klimaschutzabkommen von Kioto ab. Damit schert das Land, dass ein Viertel der weltwei- ten CO2-Emissionen erzeugt, aus der gemeinsamen Ver- antwortung aus. Europa muss jetzt mit einer Stimme spre- chen und auf die Einhaltung der CO2-Minderungsziele beharren. Dies ist auch eine Aufgabe für Deutschland. Die rot-grüne Koalition wird dieser Aufgabe gerecht und setzt ihr Klimaschutzprogramm konsequent um. Klimaschutz wird in dieser Koalition groß geschrieben. Das konnte man von der Vorgängerregierung nicht behaupten. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Sie diese Position auch in Op- positionszeiten vertreten. Der Ausbau der KWK ist ein unverzichtbarer Bestand- teil des Klimaschutzprogrammes. Und er ist ein wichtiger Impuls für die Arbeitsplätze bei den Kraftwerksbetreibern und -herstellern. In den nächsten Jahren werden eine Reihe von Kraftwerken in Deutschland altersbedingt oder aufgrund des Atomkonsenses vom Netz gehen. Es geht darum, wie diese frei werdenden Kapazitäten ersetzt wer- den. Ich will nicht den Ersatz durch Stromimporte aus dem Ausland. Das würde eine Menge Arbeitsplätze in Deutschland kosten. Außerdem ist der Stromimport von alten Kohleanlagen oder osteuropäischen Kernkraftwer- ken aus umweltpolitischer Sicht völlig widersinnig. Der Ersatz der deutschen Kraftwerkskapazitäten muss also mit ökologisch sinnvoller Technologie in Deutschland er- folgen. Ihr Vorwurf, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, dass wir mit der Förderung von KWK mo- derne Technologien wie die Brennstoffzelle verhindern, ist einfach nicht wahr. Denn: Die Brennstoffzelle ist KWK! Durch eine Regelung zum Ausbau der KWK wird die Brennstoffzelle ebenso gefördert. Wir sind uns einig, dass die Brennstoffzelle das Potenzial zu einem wichtigen Bestandteil einer dezentralen Energieerzeugung hat. Zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschaltet wird diese Form der Energieerzeugung wesentlich flexibler und damit umweltfreundlicher sein als die heutigen Großkraftwerke. Aber ich warne sie davor, meine Damen und Herren von der Opposition, mit einer Lösung von morgen die Probleme von heute liegen zu lassen. Die Brennstoffzelle wird erst in einigen Jahren den Markt- durchbruch erzielen können. Bis dahin auf eine Umwelt- politik in der Energieerzeugung zu verzichten, ist unver- antwortlich. Aber – zu Ihrer Beruhigung – wir vernachlässigen die Brennstoffzelle keinesfalls und haben die Forschungsmittel für diesen Bereich deutlich aufge- stockt. Bei der Förderung von innovativen Technologien zum Umweltschutz ist der Weg zur Förderung von regenerati- ven Energien nicht weit. Ich finde es sehr positiv, dass die F.D.P. unseren Einsatz zur Förderung der erneuerbaren Energien anerkennt. Unsere Erfolge sprechen für sich. Bei den erneuerbaren Energien haben wir gerade Bilanz ge- zogen. Seit einem Jahr ist das Erneuerbare-Energien-Ge- setz in Kraft. Mit dem EEG haben wir in Deutschland das Solarzeitalter eingeleitet. Zusammen mit dem 100 000- Dächer-Programm zur Förderung der Photovoltaik, dem Marktanreizprogramm und den Programmen für die Bio- masse-Nutzung verfolgt Deutschland damit das weltweit engagierteste Programm zur umfassenden Markteinfüh- rung erneuerbarer Energien. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16101 (C) (D) (A) (B) Darüber hinaus ist das EEG zu einem weltweiten Vor- bild und Exportschlager geworden. Luxemburg, Frank- reich, Japan, aber auch Staaten in Südamerika wollen die deutsche Regelung übernehmen, – eine Abnahmepflicht für grünen Strom gekoppelt mit angemessenen Mindest- vergütungen – haben sie bereits übernommen oder pla- nen, dies in nächster Zeit zu tun. Zusammenfassend kann gesagt werden: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat ei- nen Nachfrageboom nach Technologien der Erneuerbaren Energien ausgelöst und Deutschlands wachstumsstärkste Industriebranche geschaffen. Die Stromerzeugung aus regenerativen Energien steigt steil an, seit Rot-Grün die Regierungsverantwortung übernommen hat. Betrug die Stromproduktion 1998 noch knapp 10 Milliarden Kilowattstunden, stieg sie im Jahr 2000 bereits auf 19 Milliarden Kilowattstunden. Dies ent- spricht nach 2 Prozent 1998 aktuell schon 4 Prozent des deutschen Stromverbrauchs. Innerhalb eines Jahres ist da- mit die Produktion des Stromes, der nach dem Erneuer- bare-Energien-Gesetz vergütet wird, um die Hälfte ge- stiegen und hat sich seit Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung insgesamt verdoppelt. Dies hat auch viel mit dem Vertrauen der vielen zehntausend Investoren in die reform-ökologische Bundesregierung zu tun. Die stärksten Zuwachsraten sind dabei bei der Wind- energie und der Biomasse zu beobachten. Insbesondere die Biomasse war ein Stiefkind der alten Bundesregie- rung. Sie steckt deshalb noch in den Kinderschuhen. Aber mit einem Jahr kann man schon ganz gut laufen. Hier lie- gen noch große Wachstumspotenziale. Gerade für die Bauern, die zurzeit unter BSE und MKS leiden, ist dies ein neues, zukunftsträchtiges Standbein. Der Bauer ist der Energiewirt von morgen. Die Tatsachen, dass in den ver- gangenen beiden Jahren jeweils 10 000 neue Arbeits- plätze im Bereich der erneuerbaren Energien geschaffen wurden und die Kurse grüner Stromaktien im letzten Jahr DAX und NEMAX weit überflügelt haben, sprechen für sich. Daher ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass Sie, meine Damen und Herren von der F.D.P., den Mechanis- mus der Förderung so negativ sehen. Die Erfolge spre- chen für sich. Birgit Homburger (F.D.P.): Man muss es leider sa- gen: Ausgerechnet unter dem grünen Minister Trittin ist die deutsche Umweltpolitik nicht weitergekommen. Der Umweltminister zappelt hilflos im Netz enttäuschter Er- wartungen. Geknüpft haben dieses Netz die Grünen selbst. Ein Netz aus unerfüllbaren, leeren Versprechun- gen. Nun sind sie im wahrsten Sinne des Wortes ent- täuscht, all jene, die den Umweltschutz wirklich ernst nehmen. Gerade die Energiepolitik verlangt schlüssige Kon- zepte, um Klima und Umwelt zu schützen. Gerade hier geht es um die ernsthafte und glaubwürdige Verbindung von Umwelt und Wirtschaftspolitik. Wo kann die Ener- giepolitik Akzente setzen, um den Klimaschutz voranzu- bringen? Welchen Beitrag sollen die erneuerbaren Ener- gien dazu leisten? Und nicht zuletzt fehlt eine schlüssige Antwort auf die Frage, wie der Ausstieg aus der Kern- energie mit dem Ziel der CO2-Minderung verknüpft wer- den soll. Aus der Kernenergie ist Rot-Grün ausgestiegen, aus dem Klimaschutz die USA. Zu Wort meldet sich der deut- sche Wirtschaftsminister: Der Atomausstieg lasse den Klimaschutz für Deutschland in weite Ferne rücken. So sieht er das, der deutsche Wirtschaftsminister. Die Grünen sind entsetzt! Sie verbitten sich jeden Hinweis auf die Realität. Unbequeme Wahrheiten stören die heile Welt grüner Ideologien. Schließlich hätten doch Enquete- Kommissionen festgestellt, es gebe keinen Konflikt zwi- schen Atomausstieg und Klimaschutz. Soweit der Herr Kollege Loske messerscharf, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Als Kronzeuge werden die erneuerbaren Energien in den Zeugenstand gerufen. Gerade erst hat Minister Trittin es wieder beteuert: Wenn es um die Förderung von Anla- gen geht, die zugleich Strom und Wärme produzieren, dann sei der Klimaschutz die alleinige Messlatte, sowohl für ihn als auch für den Bundeswirtschaftsminister. Wenn dies so ist, Herr Trittin, weshalb vermischen Sie dann den Klimaschutz mit ganz anderen politischen Zie- len? Warum besteht die Bundesregierung darauf, Preise und Techniken vorzuschreiben? Worauf es wirklich an- kommt, ist die konkrete Verringerung des CO2-Aus- stoßes! Und auf nichts anderes. Weshalb wollen Sie par- tout vorschreiben, wie dieses Ziel erreicht werden soll? Geht es Ihnen um den Klimaschutz oder geht es Ihnen darum, grüne Wähler ideologisch und finanziell zu be- dienen, Herr Minister Trittin? Die selektive und dirigistische Subventionierung einer bestimmten Technik ist ökologisch sinnlos, anmaßend und nichts anderes als eine Verschwendung von Steuer- geldern. Die F.D.P.-Fraktion legt mit ihrem Antrag eine glaubwürdige und kompetente Alternative sowohl zum EEG als auch zur selektiven Förderung der KWK vor. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass die Emission klima- schädlicher Gase in die Erdatmosphäre bei der Energie- gewinnung unbedingt verringert werden muss. Diese Vor- gabe soll über den Markt und damit so wirksam und kostengünstig wie möglich erreicht werden. Neben der Einsparung von Energie und einer höheren Energieeffizi- enz brauchen wir dazu die erneuerbaren Energieträger. Deren Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit muss durch marktliche Mechanismen sowie durch gezielte För- dermaßnahmen verbessert werden. Unser Konzept besteht aus zwei Komponenten: Zum einen wird weiterhin an der konventionellen Förderung der Grundlagenforschung festgehalten. Diese wird jedoch verbessert, indem die Mittelvergabe künftig durch Aus- schreibungswettbewerbe und damit sowohl wirtschaftlich als auch transparent erfolgt: Derjenige kommt zum Zug, der das günstigste Angebot vorlegt. Diese Förderung wird ergänzt, indem ein marktlich organisiertes Zertifikate- modell eingerichtet wird, um ausgereifteren Techniken als Alternative zum verfehlten EEG eine eigenständige Marktteilnahme zu ermöglichen. Charakteristisch ist für das F.D.P.-Modell, dass staatlicherseits weder bestimmte Energieträger noch einzelne Techniken oder gar Preise Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116102 (C) (D) (A) (B) vorgeschrieben werden. Alle genannten Größen werden ausschließlich über Marktprozesse, also dezentral, wett- bewerblich und kostenminimierend bestimmt. Dabei geht es eben nicht um ein Quotenmodell: Vorge- geben wird nicht ein Anteilswert, sondern eine absolute Menge klimafreundlich gewonnener Energie. Als echte Alternative zum EEG und zu rot-grünem KWK-Dirigis- mus ist das F.D.P.-Modell tatsächlich allein dem Klima- schutz verpflichtet. Unser Modell ist sowohl in techni- scher als auch in marktlicher Hinsicht entwicklungsoffen und innovationsfördernd. Die F.D.P. fordert die Bundesregierung auf, die An- maßung von Wissen und politischen Dirigismus auch im Bereich der regenerativen Energien zu unterlassen und stattdessen dem liberalen Konzept zu folgen. Rolf Kutzmutz (PDS): Dass die beiden ausgewiese- nen Gegner des bisherigen KWK-Kurses in diesem Hause, CDU/CSU und F.D.P., ausgerechnet heute Abend mit schon sechs Monate alten Anträgen das Thema wie- der anschieben, verwundert nicht. Schließlich schreit das Durcheinander, welches Koalitionsfraktionen und Bun- deswirtschaftsministerium seit zwei Monaten in der Frage veranstalten, förmlich nach öffentlicher Aufklärung. Fast jede Woche treiben Ministerium und Energiewirtschaft eine neue Sau – pardon: Idee – durchs Dorf, assistiert mal von diesem, mal von jenem Koalitionsabgeordneten. Al- les wird plötzlich neu – auf alle Fälle anders als ein Kabi- nettsbeschluss vom Oktober und ein Bundestagsbeschluss vom März 2000, die aber niemand bisher für nötig erach- tet hat zu revidieren. Ich meine das nationale Klima- schutzprogramm und die vom federführenden Ausschuss beschlossene Fassung des KWK-Vorschaltgesetzes, in der bekanntlich auch ein Paragraph zur Ausbauregelung enthalten war. Nur einer, der bisher das eminent wichtige Thema einer effizienten, weil gleichzeitigen Erzeugung von Nutzwärme und Strom konstruktiv begleitet hat, lei- det plötzlich an Sprachlosigkeit – der Umweltminister. Jürgen Trittin laboriert offensichtlich noch an seinen meyerschen Wortspielereien. Aber zunächst zu den hier vorliegenden Anträgen. Über den der CDU/CSU braucht man eigentlich nicht viele Worte zu verlieren: Sie war und ist gegen KWK, weil sie für die großen Verbundunternehmen ist. Sie be- weist Kontinuität – vom durch sie betriebenen Energie- wirtschaftsgesetz 1998 bis zum jüngsten Antrag. Er ist in seinen Forderungen dazu noch unlogisch: Einerseits soll der Verbraucher keinesfalls höhere Kosten haben, ande- rerseits soll mit wesentlich mehr Steuergeldern als bisher die Markteinführung beispielsweise von Brennstoffzellen finanziert werden. Aber vielleicht ist die Forderung der Kollegen Ruck, Schauerte, Uldall und Fraktion ja doch nicht unlogisch, sondern einfach asozial: Falls sie nämlich meinen, die Energiewende solle von den Rentnern, Studenten und Ar- beitslosen bezahlt werden. Wie wollen sie denn sonst Mehrkosten für alle – ob nun über Erhöhung der Strom- preise oder der Steuern – anders vermeiden als durch wei- tere öffentliche Ausgabenkürzungen, also im Sozial-, Bil- dungs- und Arbeitsmarktbereich? Denn dass sie nicht an die Bundeswehr und die Autobahnen ran wollen, das wis- sen wir ja alle. Wesentlich bemerkenswerter finde ich da schon die Anträge des Kollegen Hirche und seiner Fraktion. Ich weiß natürlich, dass sie von der F.D.P. und wir von der PDS bei KWK politisch das Gegenteil wollen. Dennoch sage ich frank und frei: Ich kann Ihren Antrag „Kraft- Wärme-Kopplung auf den Prüfstand“ nur voll unter- stützen. Die Bundesregierung – und nicht der Bundeswirt- schaftsminister – muss endlich einen Bericht über ihre KWK-Ausbaustrategie, die damit verbundenen Umset- zungsmodalitäten und Kosten sowie mögliche Alternati- ven vorlegen. Bundesminister Müller verfolgt offenkun- dig derzeit nicht den KWK-Ausbau, sondern den Abbau – und selbst den ohne Strategie: Mal versteift er sich auf das so genannte Aktionsprogramm Klimaschutz der sechs großen Energiekonzerne. Dann schwankt – oder schwenkt – er auf einen Branchenkonsens zu, um nun am Montag via „FOCUS“ zu verkünden, im Zweifel mache er eine Vereinbarung ohne Stadtwerke – also nix mit Konsens. Ich glaube in diesem Falle nicht an Unvermögen, son- dern an besondere Zielstrebigkeit – allerdings in einer Richtung, die nicht die des Kabinetts sein kann, weil es nicht die einer Mehrheit dieses Hauses ist, welche be- kanntlich noch über die Grenzen der Koalition hinaus- reicht. Die Position der Regierung – von mir aus auch ei- nes der legendären Machtworte des Kanzlers – ist also mehr denn je gefragt. Nur über eine Formulierung des F.D.P.-Antrags bin ich gestolpert: „Quotenmodell in Vergleich zu einem ord- nungsrechtlichen Förderansatz“. Was soll noch ordnungs- rechtlicher als ein Zertifikathandelsmodell sein? Aber of- fensichtlich wurden auch Sie seit November, als Sie Ihren Antrag einbrachten, eines Besseren belehrt. Denn anders kann ich Ihren Hintersinn nicht interpretieren, zur heuti- gen KWK-Debatte noch einen jüngeren Antrag dazuzule- gen, der nichts mit KWK, aber sehr viel mit Zertifikats- handel im Energiemarkt zu tun hat. Vermutlich sind wir uns tatsächlich einig: Das, was un- ter Ägide des Wirtschaftsministeriums derzeit zusam- mengeschustert wird, droht tatsächlich ordnungspolitisch fatal zu werden. Die mir zumindest als aktuell bekannten Eckpunkte des VDEW für ein Bonusmodell, von denen sich die der müllerschen Energieagentur nicht substanzi- ell unterscheiden, huldigen nicht nur der ja allseits als po- litisch verfehlt angesehenen eigentümerspezifischen För- derung, sondern das auch noch in sechs verschiedenen Förderkategorien. Ein bürokratischeres Monster kann man sich wahrlich kaum noch vorstellen. Solche Entwicklungen bestärken uns von der PDS ein- mal mehr darin, an unserem Gesetzentwurf für ein Zerti- fikathandelsmodell mit zubausichernder Quote festzuhal- ten. Gewiss ist auch der noch nicht der Weisheit letzter Schluss – den könnte er aber bei seiner öffentlichen An- hörung am 27. Juni noch bekommen. Falls den anderen Fraktionen bis dahin noch nichts Besseres in Gesetzesform eingefallen sein sollte, sind sie Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16103 (C) (D) (A) (B) natürlich herzlich eingeladen, daran mitzuwirken. Die Zukunft der Kraft-Wärme-Kopplung und damit einer ef- fizienten Energieversorgung hätte ein zügiges Handeln, gepaart mit dem für langfristige Investitionsentscheidun- gen erforderlichem Augenmaß, auf alle Fälle verdient. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Situation und Perspektiven der beruflichen Aus- bildung und des Systems der Weiterbildung als Stufen eines lebenslangen Lernens (Tagesordnungspunkt 13) Ernst Küchler (SPD): Ich bin der PDS-Fraktion außerordentlich dankbar für ihre Große Anfrage zur be- ruflichen Ausbildung und zur Weiterbildung, deren aus- führliche und aufschlussreiche Beantwortung durch die Bundesregierung uns Gelegenheit gibt, über diesen Teil der Bildungspolitik im Bundestag zu diskutieren, wobei ich mich auf die Aussagen zur Weiterbildung beschränken möchte. Ich verstehe diese kurze Debatte als einen Auf- takt zu einer Diskussion, die wir noch vor der Sommer- pause im Plenum und im Ausschuss führen werden. An- lass hierzu sind die Anträge der Fraktionen und die Ergebnisse des Hearings zur Weiterbildung. Die Anfrage und der von der PDS bei der Anhörung vorgelegte Entwurf eines Antrags lassen bereits erkennen, welche ordnungspolitischen Vorstellungen ihre Fraktion verfolgt. Sie hoffen, mit einer bundesgesetzlichen Rege- lung diesen wichtigen Bildungsbereich neu zu ordnen. Wir teilen diese Auffassung nicht, auch wenn die SPD- Fraktion den Handlungsbedarf in diesem wichtigen Poli- tikfeld durchaus erkennt. Wir sind vielmehr der Meinung, dass wir auf den folgenden drei Handlungsfeldern agieren müssen: Erstens. Die Weiterbildung sollte in den einschlägigen Gesetzen verankert und damit die Möglichkeiten zur Wahrnehmung an Weiterbildung verbreitert werden. Hierzu zählt das SGB III – ich erinnere in diesem Zusam- menhang nur an die SPD-Initiative zu Jobrotation – und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass im Rahmen der Novellierung des SGB III erweiterte Ansprüche und Mög- lichkeiten zur beruflichen Weiterbildung verankert wer- den. Hierzu zählt aber auch das Betriebsverfassungsge- setz, das zur Novellierung ansteht und mit dem die Mitbestimmung auch auf die Weiterbildung ausgedehnt werden soll. Auch das Aufstiegsfortbildungsgesetz wird noch in dieser Legislaturperiode novelliert. Es soll eine breitere Inanspruchnahme im Rahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung eröffnen. Gestern erhielt ich die Stellungnahme des Hauptaus- schusses des Bundesinstituts für Berufsbildung zum Be- rufsbildungsbericht 2001, aus der noch einmal deutlich hervorgeht, welchen Stellenwert die berufliche Weiterbil- dung hat bzw. haben sollte. Ich kann diese Stellungnahme, insbesondere das Votum der Arbeitnehmer nur so verste- hen, dass die Politik alle Anstrengungen unternehmen muss, die berufliche Weiterbildung zu stärken und die er- forderlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Wir werden dieses Thema sicher noch einmal ausführlich erörtern, wenn wir den Berufsbildungsbericht 2001 hier im Plenum beraten. Das zweite Handlungsfeld bezieht sich auf die Mo- dellprojekte und Programme, die den Kriterien der Struk- turbildung, der Nachhaltigkeit und der Integration genü- gen müssen. Wir gehen ab von einer Projektpolitik der Vergangenheit, die zwar sporadisch Projekte, auch im Weiterbildungsbereich, gefördert hat, die jedoch keine nachhaltigen Wirkungen zeitigte. Die in umfangreichen Abschlussberichten festgehaltenen Ergebnisse blieben oft wirkungs- und folgenlos. Wir meinen, dass Projekte dann Sinn machen, wenn sie strukturbildend sind, wenn die ge- wonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse dauerhaft gesi- chert werden und damit zur Verbesserung der Weiterbil- dungsinfrastruktur beitragen und wenn sie Elemente der allgemeinen und der beruflichen Weiterbildung verknüp- fen. Mit dem Projekt „Lernende Regionen“ hat die Bun- desregierung ein Modellvorhaben aufgelegt, das schon heute erkennbar zur Kooperation und zur Vernetzung der Weiterbildungsakteure in den Regionen führt. Auf die Ausschreibung haben sich 250 Institutionen, Initiativen und kooperationswillige Akteure aus dem Weiterbil- dungsbereich beworben. 50 Modellvorhaben wurden in- zwischen ausgewählt und ich bin sehr zuversichtlich, dass sich aus diesem über mehrere Jahre angelegten Projekt dauerhaft neue, effektivere und die Weiterbildung för- dernde Netzwerke entwickeln. Die Projekte erschließen neue Möglichkeiten der Beratung, der Qualitätssicherung und der Herstellung von mehr Transparenz auf dem Wei- terbildungssektor, sie eröffnen eine bedarfsgerechtere An- gebotsstruktur, schöpfen Synergieeffekte ab und tragen, so ist zu hoffen, zu einer Erhöhung der Weiterbildungsbe- reitschaft bei. Auch die Modellversuche zu Jobrotation und deren Auswertung haben dazu beigetragen, die Vo- raussetzungen dafür zu schaffen, dieses Modell in die Fläche zu bringen. Vergleichbares wäre aus meiner Sicht denkbar für die Bereiche „Qualitätssicherung“ oder die Erprobung von Modellen zur Einrichtung von „Lernzeit- konten“. Das dritte Handlungsfeld bezieht sich auf Foren und Verhandlungsebenen, die sich als Plattform der Diskus- sionen, Absprachen und Vereinbarungen anbieten, wie das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbs- fähigkeit, das Forum Bildung und die Konzertierte Aktion Weiterbildung. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf die Gemeinsame Erklärung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit zu den Ergebnis- sen des 7. Spitzengesprächs am 4. März 2001 hingewie- sen, die im Kapitel „Qualifizierungsoffensive“ konkrete Vorhaben zur beruflichen Weiterbildung enthält. Aus- drücklich werden darin die Arbeitszeitpolitik mit Zeitgut- haben für die Weiterbildung, Qualitätssicherungssysteme sowie die Verbesserungen im Bereich der Weiterbil- dungsinformation und Weiterbildungsberatung erwähnt. Und auch im Forum Bildung wurde inzwischen eine Ex- pertengruppe eingesetzt, die – ich zitiere – eine „über- greifende Strategie zur Verwirklichung des lebenslangen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116104 (C) (D) (A) (B) Lernens“ erarbeiten soll. Entsprechende Fachtagungen im Mai und im Juli dieses Jahres stehen auf der Agenda des Forums. Sie können aus dieser kurzen Zusammenstellung er- kennen, dass das Thema Weiterbildung, die Weiterbil- dungspolitik an Aufmerksamkeit gewonnen hat. Nun ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen und Maß- nahmen zu schaffen bzw. zu ergreifen, die dazu beitragen, die allseits bekannten Defizite abzubauen und Strukturen zu schaffen, die diesem bedeutsamen Bildungsbereich an- gemessen sind. Wir sollten uns nicht allzu lange bei den ordnungspolitischen Fragen aufhalten – deren Bedeutung ich nicht verkennen will –, sondern uns sehr schnell und entschlossen daranmachen, Weiterbildungspolitik als ei- genes Politikfeld wahrzunehmen und zu gestalten. Wei- terbildung ist ein zu wichtiges Feld, als dass wir es allein dem Markt, den Lobbyisten und den Zufällen überlassen könnten. Das machen wir nicht in der Schulpolitik, in der Hochschulpolitik oder der Berufsbildungspolitik. Es geht dabei auch um Wirtschaftspolitik – Stichworte Standort- sicherung und Qualifikationssicherung – um Sozialpoli- tik – Stichwort: Arbeitsmarkt und Beschäftigungsförde- rung – und um Bildungspolitik. Denn es geht nicht zuletzt um ein Mehr an Chancengleichheit für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Mit ihrer Großen Anfrage zur Situation und den Perspektiven der berufli- chen Ausbildung und dem System der Weiterbildung als Stufen eines lebenslangen Lernens greift die PDS-Frak- tion Sachverhalte auf, die wir bisher traditionell im Zu- sammenhang mit dem jährlichen Berufsbildungsbericht diskutiert haben. Verdienstvoll an den Fragen der PDS ist allerdings, dass sie im Unterschied zum Berufsbildungs- bericht exakt 50 Prozent ihrer Fragen der Weiterbildung gewidmet hat und damit auch die Regierung dazu ge- bracht hat, ziemlich genau die Hälfte der 60-seitigen Ant- wort der Weiterbildung zuzuordnen. Damit werden die Akzente anders gesetzt als in dem jährlichen Berufsbil- dungsbericht. Mein Kollege Ernst Küchler wird unsere Einschätzung zu den notwendigen Schwerpunkten in der Förderung der Weiterbildung behandeln. Deshalb möchte ich das Anlie- gen der PDS gerne aufgreifen, insbesondere auf die Schnittstelle von beruflicher Erstausbildung und Weiter- bildung in einigen Fragen und Forderungen einzugehen. Erstens. Was ist nun aus unserer Sicht die Basis für die lernende Gesellschaft der Zukunft mit ihren verschiede- nen Stufen eines lebenslangen Lernens? Die Bundesre- gierung geht in ihrer Antwort davon aus, dass eine mög- lichst gute Allgemeinbildung und eine qualifizierte berufliche Erstausbildung die notwendigen Grundlagen für den Einstieg in ein Berufsleben mit lebensbegleiten- der Weiterbildung sind. Verbindliche Ausbildungsberufe mit dem Ziel, volle Berufsfähigkeit am Ende der Ausbil- dung zu erreichen, sind auch in Übereinstimmung mit den Sozialpartnern, dem Bündnis für Arbeit wie auch den Ländern und der Wissenschaft das Fundament, auf dem Weiterbildungsmotivation, -fähigkeit und -praxis wach- sen können. Denn gerade die Breite einer grundständigen Berufsausbildung, die auch allgemeine sprachliche, kul- turelle und politische Bildungsinhalte integriert, macht Spezialisierung, Qualifizierung, Transfer auf andere Um- felder, Entwicklung von Schlüsselkompetenz und das Weiterlernen erst möglich. Die SPD-Fraktion stellt sich hinter das Berufsprinzip. Sie begrüßt entsprechende Positionen der Tarifpartner und sie erwartet gleichzeitig, dass die Übergänge von be- ruflicher Erstausbildung und Weiterbildung fließender und damit die Bildungsbereiche und Bildungswege ins- gesamt durchlässiger werden, wie es im Regierungsbe- richt formuliert ist. Für uns heißt das ausdrücklich: Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – von der echten Berufsausbildung verabschieden will, schwächt gleich- zeitig die Basis, auf der weiter gelernt werden kann und soll. Zweitens. Die Erstausbildung muss mit der Perspek- tive des lebenslangen Lernens entsprechend strukturiert und inhaltlich wie methodisch ausgestaltet werden. Mit Recht weist die Regierung in ihrer Antwort darauf hin, dass die in den vergangenen Jahren entwickelten Strukturmodelle der neuen Ausbildungsberufe hierfür vorbildlich sind: mit neuen Pflichtbausteinen in der Aus- bildungsordnung, mit Rahmenlehrplänen und Zusatzqua- lifikationen. So werden fließende Übergänge in die beruf- liche Weiterbildung eröffnet. Optimal wäre es, wenn neue Aus- und Weiterbildungsordnungen parallel entwickelt werden, wie es zum Beispiel für die neuen Sicherheitsbe- rufe geplant ist. Damit würden § 25 des Berufsbildungs- gesetzes über die Ausbildungsordnung und § 46 über die berufliche Fortbildung näher zusammenrücken. Sollten wir nicht bei einer Novellierung des Berufsbildungsge- setzes in Zukunft auch vorsehen, dass jede Ausbildungs- ordnung bereits aufzeigen muss, welche Fortbildungen es gibt und welche im Entstehen sind, sozusagen die §§ 25 und 46 von vornherein miteinander verbinden? Der Ge- danke von Nordrhein-Westfalen, eine Weiterbildungsbe- ratung bereits in die Berufsschule zu integrieren, geht in die gleiche Richtung. Die Regierung propagiert in ihrer Antwort für die Zukunft verkürzte Berufspraxiszeiten, bei der Zulassung zur Fortbildungsprüfung aufgeteilte Prü- fungen sowie differenzierte Praxis- und Theorieleistun- gen, um ein flexibles Berufsbildungs- und Weiterbil- dungssystem zu erreichen. Wir teilen diese Position und wünschen dem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wett- bewerbsfähigkeit an dieser Stelle die nötige Energie und Durchschlagskraft zum Erfolg. Im Übrigen als kleiner Nachtrag: Hierzu zählt auch die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bil- dung bei dem Erwerb von Abschlüssen und dem Zugang zu den Hochschulen. In Deutschland hat sich hier im Kon- zert mit den Ländern in den vergangenen Jahren vieles verbessert. Wir können es nur bedauern, dass ein einziges Bundesland bisher kein Zugangsrecht zu Hochschulen für beruflich qualifizierte Bewerber geschaffen hat, nämlich Bayern. Dies spricht auch in dieser späten Stunde für sich und jedenfalls gegen Bayern. Drittens. Die Leistungen des dualen Systems mit der Kooperation der Lernorte Betrieb und Schule sind nicht zu bezweifeln, in der Verknüpfung von exemplarischer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16105 (C) (D) (A) (B) Praxis und allgemeiner Theorie, mehr informellem Ler- nen im Lernort Betrieb und stärker institutionellem Lernen in der Schule, mit Differenzierung und Speziali- sierung im Betrieb und Grundlagenbildung und methodi- schem Lernen in der Schule. Die Regierung stellt hierzu in ihrer Antwort auf entsprechende Fragen der PDS fest, dass gerade angesichts zunehmender Differenzierung, Spezialisierung und Individualisierung der beruflichen Qualifikation und Kompetenzen das Lernen im betriebli- chen Kontext immer wichtiger wird. In Zahlen spiegelt sich dieses wider, wenn eine Studie des Instituts der Deut- schen Wirtschaft von 1998 zitiert wird, nach der es ein starkes Wachstum bei internen, das heißt: innerbetriebli- chen Lernveranstaltungen von rund 43 Prozent der Be- schäftigten im Jahr 1992 auf 76 Prozent im Jahr 1998 gibt und gleichzeitig die Zahl der externen betrieblichen Teil- nehmer an Lehrveranstaltungen von 11 Prozent auf 10 Prozent gesunken ist. Die betriebliche Lernkultur hat damit praktisch an Bedeutung gewonnen. Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung hierauf im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms „Lernkultur und Kompetenzentwicklung“ reagiert und die Verbesserung dieses Lernfeldes fördern will. Wir be- grüßen aber insbesondere, dass die Bundesregierung mit dem Förderprogramm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“ zur Vernetzung von verschiedenen Lernorten in der Weiterbildung beitragen und das Cross- over, die Kooperation der Lernorte, den Austausch, die Dualität, fördern will. Wenn dual organisierte Hochschu- len zunehmende Bedeutung bekommen, sollten wir uns rechtzeitig darauf einstellen, auch das System der Fort- und Weiterbildung bis hin zur Umschulung stärker dual auszurichten und hiermit auch in der Weiterbildung auf bewährte Prinzipien der Erstausbildung zurückzugreifen. Viertens. In ihrer Antwort zeigt die Bundesregierung auf den Seiten 47 und 48 auf, dass nicht nur 12 Prozent der heute 20- bis 29-Jährigen ohne abgeschlossene Be- rufsausbildung sind, sondern dass es auch bei Personen mit niedriger schulischer und geringer beruflicher oder ohne berufliche Qualifizierung bei über 50-Jährigen, bei Arbeitern und nicht erwerbstätigen Personen eine sehr ge- ringe Weiterbildungsbeteiligung gibt, selbst wenn sich die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt verdoppelt hat. Nun soll die Weiterbildung ja gerade dazu beitragen, aus der fehlenden Erstausbildung resultierende Probleme abzu- bauen, sie keinesfalls zu festigen oder gar neue Benach- teiligungen zum Beispiel im Bereich der neuen Medien entstehen zu lassen. Wir begrüßen deshalb nachdrücklich die Pläne der Bundesregierung, jetzt vorrangig Ungleich- gewichte in der Weiterbildungsbeteiligung abzubauen und Lernungewohnte zu erreichen. Dass hierbei ein brei- tes Spektrum an Maßnahmen vom Bündnis für Arbeit und Ausbildung im siebten Spitzengespräch am 4. März ver- einbart worden ist, stimmt uns hoffnungsvoll. Die Mög- lichkeiten des Arbeitsförderungsgesetzes – SGB III – sind dabei zu nutzen und auszubauen. Für die Qualifizierung benachteiligter Erwachsener hat die Kombination von Teilzeitbeschäftigung und Teilzeit- qualifizierung erhöhte Bedeutung, weil sie einerseits der Lebenslage dieser Zielgruppe besser entspricht und zu- gleich die Integration in das Beschäftigungssystem wirk- sam fördert. Wir wünschen uns hier mutige Schritte bis hin zu einem Benachteiligtenprogramm für Erwachsene, so wie auch das JUMP-Programm für die Jugendlichen Akzente gesetzt hat, quasi als „Berufs-Schule“ der zwei- ten Chance im Wortsinn konzipiert. Deshalb unser Fazit: In der Schnittstelle von Erstaus- bildung und Weiterbildung hat die PDS ein wichtiges Handlungsfeld in ihren Fragen aufgegriffen. Die Regie- rung hat hierauf überzeugende und perspektivische Ant- worten gegeben. Wir sollten uns darin einig sein und da- raus eine Aufgabe des gesamten Hauses machen. Werner Lensing (CDU/CSU): Seit Ende der 70er- Jahre galt Weiterbildung als vermeintliches Patentrezept für vielerlei Problemlösungen. In der Praxis zeigt sich al- lerdings, dass bisher die hohen Erwartungen an den My- thos Weiterbildung leider nicht erfüllt werden konnten. Die ausgebliebene Verbesserung der Arbeitslosensta- tistik und ernüchternde praktische Erfahrungen der „Wei- terbildungsoffensive Ostdeutschland“ Anfang der 90er- Jahre belegen dies in bedrückender Weise. Eine Rückführung der Weiterbildungsbudgets auf allen Ebenen und eine Stagnation des Weiterbildungsvolumens sind die seit einigen Jahren zu beobachtenden Folgen. Zwar konstatiert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die heute zu debattierende Große Anfrage, dass fast 50 Prozent der 19- bis 64-Jährigen an Lehrgängen, Kur- sen und Seminaren – also lediglich an formaler Weiterbil- dung – teilgenommen haben. Das bedeutet erstens, dass hierbei die informelle Weiterbildung vollkommen un- berücksichtigt bleibt, und zweitens, dass die Bundesre- gierung daraus fälschlicherweise eine quantitative Zu- nahme der Weiterbildung in Deutschland ableitet. Tatsächlich ist der persönliche Zeitaufwand für Wei- terbildung seit der Wiedervereinigung jedoch deutlich ge- sunken. Entfielen 1992 noch durchschnittlich 19,8 Stun- den Weiterbildung auf jeden Beschäftigten, ist dieser Wert für 1995 auf 14 Stunden je Mitarbeiter gefallen. Das sind Zahlen, die in dem vom Bildungsministerium heraus- gegebenen Berichtssystem Weiterbildung nachzulesen sind. Nun frage ich Sie: Woran liegt es eigentlich, dass diese Bestandsaufnahme so negativ ausgefallen ist? Die Ant- wort ist denkbar einfach: Die technokratisch unterstellte Treffsicherheit gegenwärtiger Weiterbildung entspricht leider keineswegs der Realität. Der im Bewusstsein der öffentlichen Wahrnehmung gestiegene Bedeutungszu- wachs von Weiterbildung resultiert einzig aus deren Inef- fektivität. Dabei nimmt insbesondere die Tendenz zu, nach der Weiterbildung zur Kompensation von Proble- men, die an anderer Stelle nicht gelöst werden können, missbraucht wird. Die Anhörung des Bundestagsaus- schusses vom Januar dieses Jahres bewies dies eindeutig. Das antiquierte und vollkommen überholte Verständnis von Weiterbildung und lebenslangem Lernen kommt bei der Großen Anfrage der PDS ebenso klar zum Ausdruck wie bei den Antworten der Regierung. Diese Feststellung will ich Ihnen im Folgenden an einigen Beispielen ver- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116106 (C) (D) (A) (B) deutlichen: Erstens. Die PDS stellt nachstehende völlig unverständliche und unsinnige Forderungen auf: die Ver- abschiedung eines Bundesrahmengesetzes zur Weiterbil- dung, das Einwirken der Bundesregierung auf die Bun- desländer, in denen bisher kein Weiterbildungsgesetz existiert, jetzt unmittelbar ein solches zu beschließen und die Aufnahme eines Grundrechtes auf Weiterbildung in unsere Verfassung. Alle diese Positionen sind angesichts der verfassungs- rechtlichen Realität vollkommen haltlos. Damit zeigt sich dieses erneut in aller Deutlichkeit: Die PDS ist und bleibt primär dem sozialistischen Denken fest verhaftet, denn sie kann nach wie vor nicht davon ablas- sen, bei der Suche nach Problemlösungen immer sofort und ausschließlich nach dem Staat zu rufen. Daher sage ich Ihnen: Sie haben im letzten Jahrzehnt nichts, aber auch gar nichts dazugelernt. Ich bezweifle daher, ob das le- benslange Lernen bei Ihnen überhaupt je einen Sinn ha- ben wird. Zweitens. Allerdings beinhaltet auch die Antwort der Bundesregierung manches unbelehrbares und überholtes Weiterbildungsdenken. Man merkt ihr ganz deutlich an, dass beim internen Kampf der SPD und der Grünen zwi- schen den altgedienten Bildungsideologen und denjeni- gen, die die Notwendigkeit umfassender Neuorientierung in der Weiterbildung bereits erkannt haben, letztere leider deutlich unterlegen sind. Viele Weiterbildungspositionen der Bundesregierung sind denn auch genauso aus der Luft gegriffen wie die der PDS: Der von Rot-Grün gern beschworene „Integrative Ansatz“ einer wie auch immer gearteten Synthese von all- gemeiner, beruflicher und politischer Weiterbildung hat sich schon längst als eine politideologische Luftnummer erwiesen. Reden Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, doch einmal mit den Menschen aus den neuen Bundesländern über diese Art vermeintli- cher „Integrativer Weiterbildung“! Die Menschen werden Sie angesichts soviel technischer Arroganz zu Recht fra- gen: Habt Ihr denn nach den Misserfolgen der giganti- schen Weiterbildungsbemühungen nach der Wende in Ostdeutschland überhaupt nichts dazu gelernt? Auch Ihre Auffassung, Bildungsfreistellungsregelungen seien grundsätzlich gut geeignet, Weiterbildung im Sinne lebensbegleitenden Lernens auf breiter Basis zu fördern, widerspricht vollkommen der Realität, wird doch der Bil- dungsurlaub von lediglich circa 1,5 Prozent der Erwerbs- tätigen genutzt. Ihre Behauptung, die Bundesregierung würde die in dem Memorandum zum lebenslangen Ler- nen von der Europäischen Kommission vorgelegten Grundsätze und gemeinsamen Ziele zur Weiterbildung voll unterstützen, sind absolut haltlos. Es wäre allerdings schön, wenn die Bundesregierung dies wirklich täte! Tatsächlich werden aber diese vorbildlichen Initiativen der Kommission von Rot-Grün eben nicht mitgetragen. Keine verantwortungsbewusste Politikerin und kein gewissenhafter Politiker werden angesichts der gegen- wärtigen Herausforderungen die Notwendigkeit eines le- benslangen Lernens bestreiten wollen. Sind doch ge- sellschaftliche Innovation und wirtschaftlicher Struktur- wandel in hohem Maße von der kontinuierlichen Lernbe- reitschaft der Menschen abhängig. Es scheint jedoch evident: Die tatsächlichen Entwicklungen einer hoch- komplexen und global vernetzten Industriegesellschaft lassen sich mit den überkommenen Formen traditioneller, institutionalisierter Weiterbildung nach schulischem Muster nicht mehr alleine regeln. Bislang war es allerdings in erster Linie das so ge- nannte formale Lernen, welches sowohl die Bildungs- und Ausbildungsangebote als auch die Lernvorstellung der Menschen geprägt hat. Doch das in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen stattfindende und zu aner- kannten Abschlüssen führende Formale Lernen reicht heutzutage bei weitem nicht mehr aus. Vielmehr muss die viel wichtigere Kategorie der ver- schiedenen Lerntätigkeiten, und zwar das so genannte in- formelle Lernen, zukünftig viel stärker in das Bewusst- sein der Menschen rücken. Ist doch das informelle Lernen die älteste Form des Lernens überhaupt. Obgleich es in der Regel nicht als „richtiges“ Lernen empfunden und da- her in seiner Effizienz häufig unterbewertet wird, stellt es nach wie vor die Hauptstütze des Lernens im frühen Kin- desalter dar. Das häufig nicht intentionale informelle Lernen ist eine natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens, die selbst von den Lernenden unter Umständen erst gar nicht als Erweiterung ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten wahrgenommen wird. Angesichts der zunehmenden Dynamik heutiger ge- sellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Prozesse ist ein Paradigmenwechsel in der Weiterbildung unum- gänglich. Dies gilt sowohl für die Lehr- und Lernkulturen als auch für die erstrebte Neuorientierung der Weiterbil- dung hin zur Kompetenzentwicklung. Das Konzept des lebenslangen Lernens führt uns vor Augen, dass Lehren und Lernen Rollen und Tätigkeiten darstellen, die zu unterschiedlichen Zeiten an verschiede- nen Orten in mannigfacher Gestalt stattfinden müssen, und zwar über den Prozess der Arbeit, über das soziale Umfeld und über die traditionelle Weiterbildung. Die Anhörung des Bildungsausschusses des Deutschen Bundestages im Januar hat gezeigt, dass in Deutschland die Bereitschaft zu diesem dringend gebotenen Paradig- menwechsel im Bereich des Lernens und der Lernkultur bedauerlicherweise noch nicht ausreichend ausgeprägt ist. Die europäischen Nachbarstaaten sind in ihrer weiter- bildungspolitischen Diskussion bereits wesentlich weiter. Dies verdeutlicht eindrucksvoll das Memorandum der Europäischen Kommission über lebenslanges Lernen vom Oktober vergangenen Jahres. Daher muss es aktuell Aufgabe unserer Politik sein, auch in Deutschland moderne Rahmenbedingungen für eigenverantwortliches, selbstorganisiertes und lebenslan- ges Lernen in flexiblen und modularen Weiterbildungs- strukturen zu schaffen. Ich fordere Sie daher auf, die notwendigen Konse- quenzen aus der Großen Anfrage einschließlich der Ant- worten der heutigen Debatte – und insbesondere aus der Anhörung des Bundestagsausschusses vom Januar dieses Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16107 (C) (D) (A) (B) Jahres – zu ziehen. Mein Appell gilt insbesondere denje- nigen unter Ihnen, die die Notwendigkeit umfassender Neuorientierung in der Weiterbildung bereits erkannt ha- ben. Nur durch einen schnell zu vollziehenden Paradig- menwechsel hat die Weiterbildung in Deutschland eine realistische Zukunft. Dann ist sie zugleich in der Lage, wieder an den Stand der Debatte im europäischen Ausland anzuschließen. Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, auf Anstoß der Großen Anfrage der PDS, die bündnisgrünen Vorstellun- gen zu den Perspektiven der beruflichen Ausbildung und des Systems der Weiterbildung darzustellen. Aber eins vorweg: Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass berufliche und allgemeine Bildung nicht mehr klar voneinander getrennt werden können. Die Grenzen zwi- schen diesen beiden Themenblöcken waren schon immer schwer zu ziehen. In einer Gesellschaft allerdings, in der die Halbwertzeit von Wissen rapide gesunken ist und allein die Erstausbil- dung nicht ausreichend ist, um seine Qualifikation zu er- halten, ist eine Grenzziehung zwischen den unterschiedli- chen Bildungsbereichen absurd. Alle Teilbereiche bilden ein gemeinsames Ganzes. Der Begriff „lebenslanges Ler- nen“ versucht gerade dies zu umschreiben. Je schneller und unvorhersehbarer sich die beruflichen Anforderungen verändern, desto wichtiger wird zum Beispiel in der be- trieblich-beruflichen Weiterbildung eine über Arbeitsplatz- spezialisierung hinausführende Kompetenzentwicklung. Aber auch wenn die Grenzziehung entfällt, bildet das duale Ausbildungssystem weiterhin die Basis. Heute ist es allerdings nicht mehr die letzte Ausbildungsstufe, sondern ein Segment, dem weitere folgen werden. Aufbauend auf dem schulischen Angebot gilt es auch, neben Fakten die Kompetenz des Lernens zu vermitteln. Denn diese ist maßgeblich dafür verantwortlich, ob „lebenslanges Ler- nen“ als Chance oder Last begriffen wird. Die Bedeutung von Weiterbildung muss demzufolge gestärkt werden. Bereits im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien darauf festgelegt, Weiterbildung zu einem gleichwertigen vierten Bildungsbereich auszu- bauen. Umgesetzt wird die Vereinbarung durch eine Viel- zahl von Programmen unter der Federführung des BMBF. Diese sind nun in dem Aktionsprogramm „Lebensbeglei- tendes Lernen für alle“ gebündelt. Das Programm trägt dafür Sorge, dass alle laufenden und geplanten For- schungs-, Entwicklungs- und Erprobungsmaßnahmen des Bundes, die auf eine Verwirklichung des Prinzips lebens- begleitenden Lernens – insbesondere in der Weiterbil- dung – ausgerichtet sind, aufeinander aufbauen. Ohne vollständig auf alle Bereiche des Lebenslangen Lernens eingehen zu wollen, werde ich kurz einige we- sentliche Zukunftsaufgaben in diesem Bereich nennen: Erstens: Qualitätssicherung. In allen Publikationen und Reden wird das Thema Qualitätssicherung, gerade im Weiterbildungsbereich, gefordert. Die Bundesregierung hat hier bereits erste, wichtige Anstöße gegeben. So wird die Transparenz der Angebote in erster Linie über Infor- mations- und Beratungsmöglichkeiten hergestellt. Ob- wohl Vielfalt oft die Qualität des Angebots erhöht, stellt sich hier die Frage, inwieweit die Vielzahl der unter- schiedlichen bundesweiten und regionalen Datenbanken zu den diversen Weiterbildungsangeboten – nicht einge- rechnet die privaten Datenbanken von nicht-öffentlichen Weiterbildungsträgern – tatsächlich zu mehr Transparenz und damit zu einer wirklichen Qualitätssicherung beiträgt. Ein echter Verbraucherschutz in Bezug auf die Bil- dungsangebote besteht nicht. Einzig der Fernunterricht wird über ein entsprechendes Bundesgesetz einheitlich geregelt. Ziel bündnisgrüner Politik ist es, den Verbraucher- schutz auszudehnen, ohne den Weiterbildungsbereich überzuregulieren. Zumindest für die öffentlich geförder- ten und durch öffentlich-rechtliche Träger veranstalteten Weiterbildungsmaßnahmen sollten kurzfristig wirksame Formen des Verbraucherschutzes eingeführt werden. Mittelfristig muss darüber nachgedacht werden, wie der Verbraucherschutz auch auf alle anderen Weiterbildungs- angebote ausgedehnt werden kann. Diese können beispielsweise folgende Maßnahmen beinhalten: Offenle- gung des Lehrgangscurriculums, Offenlegung der Erfah- rung und Qualifikation der Lehrenden und der eingesetz- ten Lehr- und Lernmittel sowie der Medien, Offenlegung des zu erreichenden Lernziels, Offenlegung der geplanten Zahl der Teilnehmer, der Unterrichtsstunden und der Kos- ten pro Unterrichtsstunde. Zweitens: Chancengleichheit bzw. Offenheit des Zu- gangs zu Weiterbildungsmaßnahmen. Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen verstärkt derzeit die beste- henden sozialen Unterschiede. Bereits Hochgebildete nehmen überproportional an Maßnahmen der Weiterbil- dung teil. Geringerqualifizierte sind in der Weiterbildung unterrepräsentiert; das gilt für innerbetriebliche Fortbil- dungen genauso wie für Angebote von Trägern. Die Teil- nahmequote von Akademikern liegt etwa fünfmal so hoch wie die der „Ungelernten“. Jüngere nehmen häufiger teil als Ältere. Erwerbstätige deutlich häufiger als nicht Er- werbstätige. In den alten Bundesländern beteiligen sich Frauen häufiger an der allgemeinen Weiterbildung und weniger an der beruflichen als Männer. In den neuen Bun- desländern ist der Anteil in etwa gleich. Erheblich unter- repräsentiert sind Migrantinnen und Migranten, gerade äl- tere, die oft über geringe schulische Qualifizierungen verfügen. Weiterbildung für alle zu ermöglichen ist für Bündnis 90/Die Grünen eine der zentralen Aufgaben der staatlichen Weiterbildungspolitik. Drittens: Weiterbildung und Berufsbildung im euro- päischen Kontext. Ziel von Bündnis 90/ Die Grünen ist es, das gemeinsame Europa aktiv zu gestalten. Ein ganz we- sentlicher Bestandteil ist hier, die Kompatibilität der Aus- bildungsgänge und Weiterbildungsmaßnahmen in den eu- ropäischen Mitgliedstaaten zu erreichen. Bisher werden bereits Studienabschlüsse und Ausbildungen zu regle- mentierten Berufen auf der Grundlage von EU-Richtli- nien gegenseitig anerkannt. Im Bereich der beruflichen Bildung werden Ausbildungsinhalte in mehreren Spra- chen zugänglich gemacht, um so die Transparenz der ein- zelnen Ausbildungsgänge international zu gewährleisten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116108 (C) (D) (A) (B) Eine weitere positive Initiative der rot-grünen Re- gierung ist die Einführung des EUROPASS. Seine Ein- führung schafft erstmals europaweit eine einheitliche Be- scheinigung für berufliche Qualifikationen, die im Ausland erworben wurden. Damit wird die Mobilität von Berufsbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmern geför- dert. Hier sind allerdings noch weitere Schritte notwendig. Bisher besteht beispielsweise noch kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem EUROPASS und den EU- Richtlinien zur Anerkennung nationaler Berufsab- schlüsse, da sich der EUROPASS nur auf im Ausland er- worbene Teilqualifikationen bezieht. Darüber hinaus erfolgt die Nutzung des EUROPASS bisher nur auf frei- williger Basis. Kurz- bis mittelfristig sind weitere Anstrengungen not- wendig, um die institutionellen Hürden, die einer Mobi- lität von Auszubildenden in Europa entgegenstehen, ab- zubauen. Dabei geht es nicht darum, die internationale Vielfalt der Ausbildungssysteme zu nivellieren, sondern darum, die gegenseitige Unterschiedlichkeit anzuerken- nen und einheitliche Anrechnungssysteme der individuel- len Bildungsbemühungen zu erarbeiten. Viertens: Träger von Weiterbildungsmaßnahmen. In Zukunft sollten sich auch die Hochschulen im Bereich der Weiterbildung engagieren. Sie verfügen über ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz, die nicht allein Menschen einer bestimmten Alterstufe vorbehalten bleiben sollte. Darüber hinaus bietet die Entwicklung von Multimedia- Technik den Hochschulen eine gute Ausgangslage, neben den herkömmlichen Seminaren Fernstudien anzubieten. In Form von Ergänzungs-, Aufbau- und Vertiefungsstudi- engängen von ein- oder zweijähriger Studiendauer könn- ten die Universitäten und Fachhochschulen so beispiels- weise zusätzliche Diplome oder Masterabschlüsse anbieten. Wir gehen davon aus, dass die Hochschulen sich auch dem lukrativen Markt der Weiterbildung öffnen werden, wenn ihnen ein größeres Maß an Autonomie zugespro- chen wird. Bündnis 90/ Die Grünen begrüßt die Debatte um le- benslanges Lernen. Wir sind überzeugt, dass damit den Menschen Möglichkeiten geschaffen werden, ihren Le- bensweg – oder genauer: ihre Bildungsbiographie – indi- viduell zu gestalten. Sie müssen sich nicht bei der Wahl der Erstausbildung im Alter von 16 bis 19 Jahren auf ei- nen Lebensberuf festlegen, sondern erhalten nun immer wieder die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln und den Beruf zu wechseln. Dies eröffnet die Chance zu einem Leben jenseits von Routine und Selbstentfremdung und baut auf der Neugier des Menschen auf, Neues ent- decken zu wollen und sich ein Leben lang weiterent- wickeln zu wollen. Cornelia Pieper (F.D.P.): Das Thema der Großen An- frage zur beruflichen Aus- und Weiterbildung ist von zen- traler Bedeutung für die Auszubildenden und Arbeitneh- mer sowie die leider immer noch viel zu hohe Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung in Deutschland. Daher ist es sehr schade, dass die Antwort der Bundesregierung erst zu dieser späten Stunde im Parlament behandelt wird. Die Feststellung, dass die gegenwärtige Situation in der beruflichen Ausbildung und im Bereich der Weiterbil- dung weit von einer personellen Absicherung von Lern- zeitansprüchen, von einer Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Stufen des Weiterbildungssystems, von einer Mitbestimmung der Lernenden und der Sicherung von Transparenz und Qualität der Weiterbildung entfernt ist, können auch wir dick unterstreichen. Doch obwohl die PDS in ihrer Großen Anfrage die Selbstverwirklichung der Menschen und deren demokratische Mitgestaltung der Bildungsprozesse in den Mittelpunkt rückt und obwohl sich der Antrag auf die Stichworte Chancen- gleichheit, Demokratisierung der Bildungsinhalte und Bildungsstrukturen, Sicherung einer breiten Allgemein- bildung und politischen Bildung orientiert, wendet sich die PDS – ja, das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Große Anfrage – von einer wirklichen Über- nahme von Verantwortung durch die Mitglieder unserer Gesellschaft ab. Nach Begriffen wie Eigeninitiative und Eigenverant- wortung – und die PDS fordert ja, dass das Individuum in den Mittelpunkt zu stellen ist – sucht man in den Fra- gestellungen vergebens. Die Fragen sind getragen von ei- ner uneingeschränkten Staatsgläubigkeit. Die Akteure von Berufsbildung und Weiterbildung treten dabei abso- lut in den Hintergrund. Wir Liberale meinen jedoch, dass wir auf eine Rück- nahme des Staates drängen müssen. Nur so können wir die Aufgaben der Zukunft wirklich meistern. Das bedeutet aber keinesfalls, dass sich der Staat aus seiner Verantwor- tung zurückziehen muss. Vielmehr muss er sich auf die Kernbereiche seiner Verantwortung konzentrieren und diese auch glaubhaft ausfüllen. Völlig richtig formuliert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Frage 1 – nach dem Recht auf Bildung und ein lebenslanges Lernen als ein Grundrecht mit Indi- vidualanspruch –, dass einklagbare soziale Grundrechte in der Verfassung nicht normiert werden sollen, da der Staat damit überfordert wäre und sich solche Rechte nur unter den Bedingungen einer zentralen Verwaltungswirt- schaft und damit um den Preis der Freiheit einführen ließen. Und genau das ist der Punkt, in dem die sozialisti- sche Gesellschaft, in der ich auch einige Jahre lebte, ver- sagt hat. Doch welchen Preis haben die Menschen im Osten dafür bezahlen müssen, dass jeder einen Arbeits- platz zugesprochen bekam, dass jedem jungen Menschen, staatlich gelenkt, ein Ausbildungsplatz – vielleicht in ei- nem Beruf, den er nie ergreifen wollte – zugewiesen wurde? Den Preis kennen wir alle: ein Leben hinter Mau- ern und Stacheldraht, ein Leben abgeschottet vom Rest der Welt, ein Leben in einer immer ärmer werdenden Na- tur und in teilweise katastrophalen Umweltbedingungen und letztlich mit dem totalen Zusammenbruch dieses Staatsgefüges. Die aufgeworfenen Fragen der PDS sind im Einzelnen gesehen alle wohlüberlegt und gut ausformuliert. Die Ant- worten, für die ich mich bei der Bundesregierung be- danke, bilden eine gute Grundlage für die Erarbeitung von gezielten Vorschlägen und Initiativen für eine längst fäl- lige Reform. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16109 (C) (D) (A) (B) Auf eine Reform können wir in diesem Hause direkt Einfluss nehmen: auf die Reform der dualen Berufsaus- bildung in Deutschland. Die vorgelegten Zahlen zeigen mir erneut, dass längst nicht alle Ausbildungsbetriebe in Deutschland, die es auch wirklich wünschen, ausbilden können. In den Antworten wird zu Recht auf Kleinbe- triebe unter vier Mitarbeitern Bezug genommen. Doch auch diese Betriebe können wir nicht außen vor lassen. Diesen Betrieben müssen wir Angebote unterbreiten und ihnen den Rahmen für ihre Teilhabe an der beruflichen Bildung schaffen. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion hat sich dieses Themas sehr intensiv angenommen und wird noch im Mai dem Hohen Hause einen entsprechenden Antrag vorlegen. Darin werden wir dem Deutschen Bundestag unser Konzept vorstellen und die Bundesregierung auf- fordern, entsprechende Schritte einzuleiten. Wir sind der Auffassung, dass gerade die Reform der beruflichen Bildung einen entscheidenden Beitrag für die eigenverantwortliche Teilhabe unserer Bürger an den ge- sellschaftlichen Entwicklungen leistet. Bloß, dabei muss sie auf die veränderten Bedingungen in der Arbeitswelt eingehen. Dabei haben wir leistungsstarke und leistungs- schwache junge Menschen gleichermaßen im Blick. Auch wir sind zu der Auffassung gelangt, dass die ständige An- passung der Berufsbilder durch den Staat im Wettlauf mit der Zeit steht und den Anforderungen der Wirtschaft nicht mehr gerecht wird. Daher halten wir es für dringend ge- boten, eine Modularisierung der beruflichen Ausbildung vorzunehmen, allerdings eine Modularisierung von Aus- bildungsgängen mit berufsqualifizierenden Abschlüssen, die auch unseren gemeinsamen Auffassungen vom Be- rufsprinzip entsprechen. Wir müssen Leistungsstarke und Leistungsschwache gleichermaßen fördern und Berufsbilder auch auf jene zu- schneiden, die nicht durch ihre guten theoretischen Bega- bungen auffallen und eher praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweisen. Es geht uns eben um echte Chan- cen für den Einstieg in den Beruf. Unser Ansatz ist ein duales, liberales und modulares Berufsausbildungssystem für Deutschland, das einen Weg zur Anpassung dieses Bil- dungsbereiches an die sich immer dynamisch verändern- den Qualifikationsanforderungen in Wirtschaft und Verwaltung aufzeigt. Dazu zählt vor allem, dass wir das Verhältnis von Staat und Wirtschaft neu definieren müssen. Für uns gilt der Grundsatz: Die Verantwortung der Wirtschaft, ihren eigenen Fachkräftenachwuchs primär auch selbst auszubilden, darf nicht durch staatliche diri- gistische Maßnahmen konterkariert werden. Die Berufs- ausbildung ist die zentrale Zukunftsinvestition der Wirt- schaft, die lediglich staatlicher Begleitung bedarf. Ja, es geht um eine enge Partnerschaft von Wirtschaft und Staat. Und da wir als Legislative für den Staat Verantwortung tragen, sage ich es ganz deutlich: Es geht hier darum, die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft zu stärken. Eines muss uns klar sein: Die Hauptlast der beruflichen Ausbil- dung und auch der beruflichen Weiterbildung trägt die Wirtschaft. Unsere Aufgabe ist es, ihnen die Luft zum At- men zu geben. Die Differenzierungsprozesse in der Wirt- schaft und die zunehmende Dienstleistungsorientierung der Branchen führt zu sehr unterschiedlichen Berufsaus- prägungen. Daher braucht die duale Berufsausbildung of- fene Rahmenbedingungen, die der dynamischen Ent- wicklung der Arbeitswelt besser gerecht werden. Dr. Heinrich Fink (PDS): Die Antwort der Bundesre- gierung auf unsere Große Anfrage ist in der Wahrneh- mung der Probleme – vor allem der Probleme, bei denen sie auf Versäumnisse der vorigen Regierung verweisen kann – teilweise nicht sehr weit von meiner Sicht entfernt. Demgegenüber halte ich die angebotenen Ansätze zur Lö- sung der Probleme für völlig unzureichend. Das im Laufe eines Jahres zusammengetragene Mate- rial dient offenbar vor allem dazu, zumindest auf dem Papier die beträchtliche Diskrepanz zu verringern, die zwischen den in der Vorbemerkung aufgeschriebenen An- sprüchen einerseits und der in einzelnen Antworten auf- scheinenden Realität andererseits besteht. Es werden eine Reihe von Aktivitäten aufgezählt. Eine vorbehaltslose und vom wirklichen Leben ausgehende Bewertung der er- zielten Ergebnisse sucht man aber vergeblich. Für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung kann es letztlich nur ein Kriterium geben: Keine einzige Jugend- liche und kein einziger Jugendlicher darf von der gesell- schaftlichen Ausgrenzung erfasst werden, die dadurch entsteht, dass sie keinen perspektivreichen Ausbildungs- platz bekommen oder nach einer mehr schlechten als rechten Ausbildung die Schwelle zum Arbeitsmarkt nicht überwinden können. Die gestern veröffentlichten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit machen sehr deutlich, dass wir von der Erfül- lung dieses Kriteriums noch meilenweit entfernt sind. Ich will mich auf zwei Zahlenpaare beschränken: Ende März gab es in der gesamten Bundesrepublik 336 252 statistisch erfasste Jugendliche, die bisher vergeblich einen Ausbil- dungsplatz gesucht haben, davon allein 120 346 in den neuen Bundesländern. Und 451 466 Jugendliche unter 25 Jahre waren ohne Arbeit, davon wiederum 166 523 in den neuen Bundesländern, die an diesen beiden unrühmlichen Zahlen also merklich überproportional beteiligt sind. An diesen gravierenden Tatbeständen ändern auch die gelegentlichen kleinen Korrekturen zum Besseren nichts grundsätzlich. Eine solche hat uns die Ministerin gestern wieder einmal zur Kenntnis gegeben. Weder die Verein- barungen im Bündnis noch die Sofortprogramme haben zu einem wirklichen Durchbruch geführt. Vor allem die Antworten zu den Fragen 16, 17 und 18 machen die großen Probleme an der so genannten Zweiten Schwelle deutlich. Es müssen endlich die Rahmenbedingungen für ein tatsächlich ausreichendes, auswahlfähiges und qualitativ hochwertiges Ausbildungsangebot her, zu dem alle Ju- gendlichen – auch die im Osten und die leistungs- schwächeren – gleiche Zugangsmöglichkeiten haben. Die durch Sonder- und Sofortprogramme erfolgten Fehlentwicklungen müssen gestoppt werden. Sie haben zwar zur quantitativen Entschärfung der Situation beige- tragen, aber auch dazu, dass ein großer Teil der Ausbil- dung an den Interessen der Jugendlichen und am Arbeits- markt vorbei geht und dass wir es heute mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 200116110 (C) (D) (A) (B) Auszubildenden erster, zweiter und dritter Klasse zu tun haben. Für eine grundlegende Wende in der Ausbildungspoli- tik reichen weder Sofortprogramme noch die Hoffnung auf die Einsicht der Wirtschaft. Ein kontinuierliches Aus- bildungsangebot, das auch Qualitätsansprüchen gerecht wird, kann nur gesichert werden, wenn sich die Ord- nungspolitik ernsthaft der entstandenen Vielfalt von dualen, schulischen und „Ersatz“-Ausbildungsgängen an- nimmt. Qualitative Mindeststandards müssen festge- schrieben werden. Anderenfalls sind weder Gleichwer- tigkeit noch Anerkennung und Anschlussfähigkeit zu erreichen. Natürlich müssen im Rahmen einer solchen Reform die Vorzüge des dualen Systems und das Berufs- prinzip gewahrt werden. Gleichzeitig darf die Wirtschaft als hauptsächlicher Nutzer von Ausbildung nicht aus der Verantwortung ent- lassen werden. Deshalb bleibt es bei unserer Forderung nach einer solidarischen Umlagefinanzierung: Wer nicht ausbildet, obwohl er könnte, soll diejenigen, die ausbil- den, wenigstens finanziell unterstützen. In der Weiterbildung, deren Defizite die Bundesregie- rung in vielerlei Hinsicht einräumt, sieht die Bundesre- gierung den Gipfel ihrer Kompetenz und Verantwortung dadurch erreicht, dass sie die schier unübersehbare Zahl ihrer Projekte und Maßnahmen mit dem „Aktionspro- gramm: Lebensbegleitendes Lernen für alle“ unter ein formelles Dach gebracht hat. Auch wenn diese punktuel- len Aktivitäten neuerdings mit dem Beiwort „strukturbil- dend“ versehen werden, greifen sie nicht weiter. So sind „Wildwuchs“ und Fehlentwicklungen in diesem immer wichtiger werdenden Bildungsbereich nicht zu stoppen oder gar umzukehren. Das haben vor allem die Sachver- ständigen in der Anhörung unseres Ausschusses bestätigt, die die Probleme vorrangig aus der Sicht der Teilnehmer analysieren und Lösungen von deren Bedürfnissen und Interessen aus suchen. Meine Skepsis kann die Bundesregierung mit ihren Antworten nicht ausräumen. Beispielhaft wird das an den Antworten zu den Fragen 43 und 44 deutlich, die sich auf einen Befund beziehen, der die Untauglichkeit des ge- genwärtigen Weiterbildungssystems in besonderer Weise erkennen lässt: Ich meine die bekannte Tendenz, wonach Weiterbildung die bildungsbedingte und soziale Selektion verstärkt statt abbaut. In der Antwort liefert die Bundes- regierung noch einmal die Zahlen, die diese Tendenz be- legen, und gibt ihrer Überzeugung Ausdruck, dass es da- rum gehen müsse, diese Tendenz umzukehren. Allerdings wird in keiner Weise deutlich, wo der Weg zu einer sol- chen Umkehrung ist. Da heißt es mit Bezug auf so ge- nannte bildungsferne Gruppen unter anderem, dass die Beteiligten im Bündnis für Arbeit sich verständigt hätten, „die Bereitschaft und den Zugang dieser Personengruppe zur Weiterbildung verstärkt zu fördern, die medien- und netzgestützten Angebote gerade für Lernungewohnte zu öffnen, Kompetenzentwicklung neben Wissensvermitt- lung als Ziel von Weiterbildungsmaßnahmen zu stärken und mehr Nachqualifizierung für junge Erwachsene zu er- möglichen.“ Man erfährt allerdings nicht, wie das erreicht werden soll, wie hoch diese Förderung ist, worin sie be- steht und wie lange sie wem gewährt wird. Lege ich die bereits wiederholten vollmundigen Ankündigungen des Bündnisses im Bereich der Ausbildung zu Grunde, so sehe ich wenig Veranlassung, zu glauben, dass diese un- verbindlichen Absichtserklärungen zur Weiterbildung größere Durchschlagkraft haben werden. Auf diesem Wege der Projekte und gutgemeinten Ab- sichten wird es nicht gelingen, die Weiterbildung zu ei- nem gleichwertigen vierten Bildungsbereich zu ent- wickeln, wie das noch im Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Um hier voranzukommen, bedarf es einer durchgreifenden systematischen Strukturierung des ge- samten Weiterbildungsbereiches. In diesem Sinne unter- stützen wir die Vorschläge einiger Gewerkschaften für Bundesregelungen in der beruflichen Weiterbildung, se- hen aber auch die Gefahren, die mit einer Beschränkung auf die berufliche Weiterbildung verbunden sind. Zu die- sen Gefahren gehört vor allem, dass damit eine weitere Abwertung der allgemeinen, kulturellen und politischen Weiterbildung einhergehen könnte, die für die individu- elle und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung ist. Deshalb treten die Bil- dungspolitiker meiner Partei für ein Bundesrahmengesetz ein, das alle Bereiche der Weiterbildung umfasst. Die Wi- derstände dagegen sind groß. Aber meiner Meinung nach kann die Weiterbildung so am ehesten ihre vielschichtigen Funktionen erfüllen, von denen ich den Beitrag der Wei- terbildung zu einer erfüllten Lebensgestaltung jedes ein- zelnen Menschen für die wichtigste halte. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001 16111 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich erteile dem Kolle-
    gen Gerald Weiß, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

    Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Herr Präsi-
    dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
    Riester, Ihr rhetorisches Breitwandgemälde vom „großen
    Tag“, wie Sie eben gesagt haben, täuscht nicht darüber
    hinweg, dass Sie soeben eine sehr gestrige Betriebsver-
    fassungsreform vorgestellt haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


    Ich wage die Prognose, dass auch diese Reform wieder ein
    Fall für Ihre politische Nachbesserungsklinik, ein Bruch-
    projekt sein wird.

    Ich möchte zwei Punkte vorwegschicken: Die CDU
    und die CSU sind die Parteien der sozialen Marktwirt-
    schaft und der sozialen Partnerschaft in Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Seit wann das denn?)


    Als andere noch von Klassenkampf, Sozialisierung, Kol-
    lektivierung und Planwirtschaft sprachen und landauf,
    landab den Sozialismus predigten, sind wir für soziale
    Marktwirtschaft und für Teilhabe der Beschäftigten in
    Deutschland eingetreten.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


    – Wenn Sie schon jetzt nervös werden, muss ich Sie vor
    meinen weiteren Ausführungen warnen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Tarifvertragsgesetz,
    Betriebsverfassungsgesetz 1952 – das waren Achsen-
    gesetze der sozialen Marktwirtschaft und übrigens auch
    Geburtshelfer des so genannten deutschen Wirtschafts-
    wunders. Sie kamen unter der Führung der Union in
    Deutschland zustande.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Herr Schröder, Sie pendeln zwischen vermeintlicher
    Neuer Mitte und der alten Linken, je nachdem, was op-
    portun ist und ankommt. Die Volksparteien CDU und
    CSU bestimmen ihre Position so, dass Arbeitnehmerinnen
    und Arbeitnehmer und der Mittelstand sich am Ende glei-
    chermaßen im Sinne eines fairen Interessenausgleichs
    wiederfinden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dieser Geist der sozialen Partnerschaft bestimmte das Be-
    triebsverfassungsgesetz von 1952 und bestimmt auch
    den Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen. Die Weiterent-
    wicklung der Sozialpartnerschaft ist angesagt, nicht eine
    Rückkehr in alte ideologische Gräben.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
    einen Dank an die vielen tausend Menschen sagen, die in
    Deutschland Betriebsratsarbeit leisten. Mein Dank gilt
    auch den jungen Leuten, die in Jugend- und Ausbildungs-
    vertretungen aktiv sind, sowie den Personalräten, auch
    wenn Letztere heute nicht Gegenstand des zu beratenden
    Gesetzes sind. Sie engagieren sich nicht nur für ihre Kol-
    leginnen und Kollegen, sondern machen sich um ihre Be-
    triebe und um diese Gesellschaft insgesamt verdient.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Die betriebliche Mitbestimmung hat sich bewährt
    – hier stimmen wir Ihnen zu –, insbesondere in schwieri-
    gen Zeiten des sozialen und wirtschaftlichen Umbruchs.
    Die Betriebsverfassung ist ein erprobtes Konfliktlösungs-
    modell. Darüber hinaus hat sie eine Ertragsseite, nämlich
    Betriebsverfassung und Tarifautonomie. Streikarmut
    und stabiler Frieden hängen damit eng zusammen. Dass

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001

    Bundesminister Walter Riester

    15937


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    wir Vizeweltmeister in Bezug auf Streikausfalltage sind,
    hat mit dieser Unternehmensverfassung zu tun. Deshalb
    verteidigen wir sie in ihrem Kern und brauchen sie in
    ihrem Wesen nicht zu verändern. Das ist die Botschaft, die
    wir Ihnen heute mitteilen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.])


    Es geht also nicht um eine fundamentale Neufassung
    und um grundlegende Änderungen – das Rad muss nicht
    neu erfunden werden –, sondern wir müssen eine das
    Wesen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der
    sozialen Marktwirtschaft bestimmende Institution moder-
    nisieren und an neue Fragestellungen und Rahmenbedin-
    gungen anpassen. Es geht also um die sozialpartnerschaft-
    liche Weiterentwicklung der Betriebsverfassung und
    nicht – hier haben wir einen aufkeimenden Verdacht, Herr
    Riester – um die Transformation der Betriebsverfassung
    in Fremdbestimmung hinein.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch Schwachsinn!)


    Sozialpartnerschaft ist nicht von gestern, sondern für
    morgen. Für den Anpassungsbedarf nennen wir einige
    Stichworte: Flexibilität bei der Bildung von Betriebsrä-
    ten, Abbau von Bürokratie, Modernisierung bei der
    Durchführung und Ausgestaltung der Mitbestimmung,
    und zwar vom Wahlverfahren bis zu den Verfahren bei der
    Ausgestaltung der Mitbestimmungsrechte, Modernisie-
    rung bei den Inhalten der Mitbestimmung, Qualifizie-
    rung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Beschäfti-
    gungssicherung, Anpassung der Arbeitsbedingungen der
    Betriebsräte, und zwar angefangen von der Form der Frei-
    stellung bis zu den Technologien, die Betriebsräte heute
    brauchen.

    Wenn Sie auf all diesen Feldern, Herr Riester, wirklich
    überzeugende Vorschläge unterbreitet hätten, müssten wir
    uns nicht so kritisch einlassen, wie wir es jetzt tun. Vieles
    von dem, was Inhalt Ihrer gesetzlichen Neuregelung ist,
    nutzt in Wahrheit am Ende weder den Beschäftigten noch
    den Betrieben. Das ist der Kern unserer Kritik.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Heinrich L. Kolb [F.D.P.])


    Ich möchte einige Beispiele nennen: Erstens sieht Ihr
    Gesetzentwurf eine schriftliche Begründung vor, wenn
    der Arbeitgeber Vorschläge des Betriebsrates zur Be-
    schäftigungssicherung zurückweist. Ich bin sehr davon
    überzeugt, dass die Vierfünftelzustimmung der Arbeitge-
    ber zur Mitbestimmung gerade mit der Beschäftigungs-
    sicherung im Zusammenhang steht. Warum muss es eine
    schriftliche Begründung für eine abweichende Position
    geben? Lassen Sie doch diesen bürokratischen, kosten-
    treibenden Nonsens! Wir brauchen keine Bürokratisie-
    rung der Mitbestimmung, sondern eine Modernisierung
    der Mitbestimmung.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt [F.D.P.])


    Zweitens soll nach den Vorstellungen der Bundesre-
    gierung der Betriebsrat auch für allgemeinpolitische Auf-
    gaben zuständig werden. Die Bekämpfung von Rassis-

    mus und Fremdenfeindlichkeit ist ohne Zweifel ein
    wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel. Aber, Herr Riester
    – das ist ein elementarer ordnungspolitischer Fehler –, die
    Betriebsverfassung begründet keine allgemeinpoliti-
    schen, sondern betriebliche, arbeitsplatzbezogene Man-
    date. Das ist ein fundamentaler Unterschied.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Drittens. Im Bereich des Umweltschutzes ist es ähnlich.
    Soweit der Umweltschutz im Kern Arbeitsschutz ist, trägt
    der Betriebsrat längst eine zentrale Mitverantwortung. Das
    ist geltendes Recht. Wenn Sie jetzt den Begriff auf betrieb-
    lichen Umweltschutz erweitern, frage ich Sie: Wie grenzt
    man das ab? Was heißt das? Es schmeckt doch sehr danach,
    dass Sie auch hier dem Betriebsrat eine allgemeinpolitische
    und unternehmenspolitische und nicht betriebsbezogene
    Mitbestimmungsaufgabe zuordnen wollen.

    Als viertes Beispiel nenne ich den skandalösen Abbau
    der Minderheitenrechte im Betrieb. Ihr Motto, Herr
    Riester, lautet: „The winner takes it all.“ Die Gewerk-
    schaft, die 51 Prozent der Betriebsratsmitglieder stellt,
    soll 100 Prozent der Freistellungen, 100 Prozent der Sitze
    im Betriebsausschuss und 100 Prozent der Positionen in
    anderen Gremien beanspruchen können. Man merkt die
    Absicht und ist verstimmt. Wo sind die Teilhabechancen
    der kleinen Gewerkschaften,


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    der christlichen Gewerkschaften, des Beamtenbundes?
    Wo sind die Teilhabechancen der unabhängigen Betriebs-
    räte? Diese schreiben Sie vorsätzlich in den Wind, Herr
    Riester, weil Sie mit diesem Gesetz eine brutale Klientel-
    politik betreiben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


    Auf den vielen Veranstaltungen zur Mitbestimmung
    haben wir bisher keine einzige wirklich überzeugende Be-
    gründung dafür gehört, warum Sie die Minderheiten-
    rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz eisern und bru-
    tal entfernen. Es geht hier um ein Machtkalkül und nicht
    um ein Vernunftkalkül. Entfernen Sie das aus Ihrer No-
    velle, sonst wird es hierzu zum zentralen Streit kommen!


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Die Einführung des vereinfachten Wahlverfahrens
    ist in Ordnung. Das bisherige bürokratische Verfahren
    war oft ein Sperrriegel gegen Betriebsräte. Es soll aber
    nicht manipulationsanfällig sein. Sie haben bei der Zwei-
    stufigkeit schon nachgebessert. Wir wollen aber auch eine
    Nachbesserung in Richtung eines Quorums. Wir wollen
    die Legitimation, die von innen kommt, und nicht die
    Fremdbestimmung, die von außen kommt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Dass Sie den materiellen Spielraum für das Organisa-
    tionsrecht rühmen, ist angesichts Ihres Gesetzesvor-
    schlags lachhaft. Wenn ein Tarifvertrag besteht, auch
    wenn er ein reiner Lohntarifvertrag ist, kann man keine
    Betriebsvereinbarung über Organisationsrechte im Be-
    trieb treffen. Das Recht, das Sie hier als umfassend her-

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001

    Gerald Weiß (Groß-Gerau)


    15938


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    vorgehoben haben, ist in Wahrheit ein ganz schmaler Ge-
    staltungskorridor und völlig unbefriedigend geregelt.

    Zur Modernisierung der Arbeitsbedingungen der Be-
    triebsräte sagen wir Ja: E-Mail und Intranet statt Flug-
    blätter und schwarzes Brett. Wenn der Streit nur darum
    ginge, wäre er schnell beigelegt, Herr Riester. Wir sind für
    eine Chancengleichheit hinsichtlich der Ausstattung.

    Wir wollen qualifizierte Mitarbeiter für die Betriebs-
    ratsarbeit gewinnen. Wir wollen auch Teilfreistellungen
    ermöglichen.


    (Peter Dreßen [SPD]: Machen wir doch!)


    Viele Betriebsräte wollen heute nicht mehr die volle Frei-
    stellung, weil sie mit dem beruflichen Wissen up to date
    bleiben wollen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Also lassen Sie uns über Teilfreistellungen reden, damit
    berufliche Arbeit und Betriebsratsarbeit besser miteinan-
    der verbunden werden können.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wir wollen – ich sage das als Vorsitzender der Arbeit-
    nehmergruppe der CDU/CSU – die Kräfte der mittelstän-
    dischen Betriebe nicht überfordern oder gar zerstören
    – was Sie vorsätzlich tun –, sondern vielmehr durch ef-
    fektive Mitbestimmung stützen. Das ist unser Ansatz.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Wir wissen, dass man großen Unternehmen eine andere
    wirtschaftliche Belastung zumuten kann als kleinen und
    mittelständischen Betrieben.

    Wir brauchen als Anpassung an das gewachsene Tempo
    ökonomischer Abläufe zügigere, beschleunigte Beteili-
    gungsverfahren, allerdings auch eine sozialpartnerschaft-
    liche Rückbindung. Also brauchen wir eine Verpflichtung
    zu frühzeitiger Information durch den Arbeitgeber. Be-
    schleunigung und Prozessorientierung in der Mitbestim-
    mung gehören zwingend und sozialpartnerschaftlich zu-
    sammen; sie sind zwei Seiten ein und derselben Münze.

    Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss in
    der heutigen Zeit Aktionsfeld des Betriebsrats sein. Die
    berufliche Bildung ist sowohl für den Betrieb als auch für
    den einzelnen Arbeitnehmer und seine berufliche Ent-
    wicklung wichtig und entscheidend. Deswegen wollen
    wir hier die Mitbestimmung sozialpartnerschaftlich wei-
    terentwickeln. Qualifizierung und Weiterbildung bilden
    die Schutzimpfung gegen Arbeitslosigkeit. Deshalb müs-
    sen wir hier die Mitbestimmung weiterentwickeln. Aller-
    dings wollen wir sie mit einem Zumutbarkeitskriterium,
    einer Kostenklausel und einer Großbetriebsklausel ver-
    binden.

    Bei der Kernaufgabe auf dem entscheidenden Feld der
    Bündnisse für Arbeit, nämlich der Beschäftigungssiche-
    rung, geben Sie, Herr Riester, keine Antwort, sondern da
    gilt: Augen zu und durch. Wir brauchen ein Stück
    Legalisierung der Bündnisse für Arbeit. Wir müssen sie
    aus der Grauzone herausholen und Sperrriegel gegen den
    Missbrauch schaffen. Wir brauchen beides: saubere,
    ordnungspolitisch durchdachte Regeln und Sperrriegel

    gegen den Missbrauch, um die Tarifautonomie, den Ta-
    rifvertrag und seine Frieden stiftende Wirkung zu ermög-
    lichen. Das ist die Antwort, die Sie geben müssten und die
    Sie in Ihrem Gesetzentwurf verweigern.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Gestern der Genosse der Bosse, heute eine sehr
    gestrige Reform der Betriebsverfassung: Das ist eine Po-
    litik der Beliebigkeit, der Prinzipienlosigkeit und des Op-
    portunismus. Dem will unsere Fraktion einen Politikent-
    wurf im sozialpartnerschaftlichen Geist entgegenstellen.
    Wir wollen eine sozialpartnerschaftliche Alternative zum
    Riester-Entwurf. Deshalb haben wir unseren Antrag vor-
    gelegt. Die Gesellschaft in der Mitte zusammenzuführen
    und in einer Synthese der Interessen von Arbeitnehmer-
    schaft, Mittelstand und Gesellschaft insgesamt zusam-
    menzuhalten, das ist unsere politische Ambition.

    Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich erteile der Kolle-
gin Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thea Dückert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Liebe
    Gäste aus den USA! Es steht heute ein wichtiges Thema
    auf der Tagesordnung. Für uns ist die Reform der Be-
    triebsverfassung ein zentrales Anliegen,


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    im Gegensatz zur F.D.P., die mit ihrem heute zur Debatte
    stehenden Antrag Mitbestimmung erst ab einer bestimm-
    ten Größenschwelle gewähren will. Dies heißt nichts an-
    deres, als dass Teile dieses Hauses in vielen Betrieben in
    diesem Land die Mitbestimmung heraushalten und nicht
    hineinbringen wollen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Selten so einen Käse gehört!)


    Wir wollen die Reform der betrieblichen Mitbestim-
    mung, um die Betriebsräte zu stärken und das Zurück-
    drängen von Betriebsräten aus zahlreichen Betrieben, wie
    wir es in der Vergangenheit verfolgen mussten, auf-
    zuhalten, beispielsweise durch verbesserte Wahlrechte
    und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Be-
    triebsräte insbesondere in kleinen und mittleren Betrie-
    ben.

    Wir wollen die Stärkung der Mitbestimmung – anders,
    als das der Kollege Weiß für die CDU deutlich gemacht
    hat. Der Kollege Weiß hat dafür plädiert, dass sich Be-
    triebsräte zukünftig auch für die Beschäftigungssicherung
    einsetzen sollen – wir haben das in unserem Entwurf
    vorgesehen –, erklärt dann aber ganz leise, es müsse eine
    Großbetriebsklausel her. – 80 Prozent der Beschäftigten
    in diesem Lande sind in kleinen und mittleren Betrieben
    beschäftigt. 98 Prozent der Betriebe haben weniger als
    100 Mitarbeiter. Wenn die CDU unter dem Deckmantel

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001

    Gerald Weiß (Groß-Gerau)


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    (A)



    (B)


    der Beschäftigungssicherung und der Beschäftigungspo-
    litik versichert, sich für die Betriebsräte einzusetzen, aber
    gleichzeitig eine Größenschwelle einziehen will, dann ist
    es klar, was hier gespielt wird: Hier geben einige vor, auf
    den Zug der Mitbestimmung aufspringen zu wollen, ob-
    wohl sie schon längst abgesprungen sind und die Mitbe-
    stimmung in Wahrheit bekämpfen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es gibt gute Gründe, diese Reform hier und heute in
    Angriff zu nehmen. Wir haben dafür drei zentrale Gründe.
    Der erste Grund: Wir haben in der Bundesrepublik
    Deutschland über die Mitbestimmungsregelung der Ver-
    gangenheit eine besondere Kultur der industriellen Ko-
    operation entwickelt, und zwar über einen von vielen
    Seiten immer bekämpften Zwang zur Kooperation, den
    das Mitbestimmungsgesetz letzten Endes ausübt.

    Dieser Zwang zur Kooperation hat dazu geführt, dass
    viele Betriebe erst in den Stand gesetzt worden sind, ko-
    operationsfähig und damit handlungsfähig zu sein. Darin
    liegt das Geheimnis dessen, was wir alle als den sozialen
    Frieden in unserem Land feiern. Diese Kooperation durch
    Mitbestimmung in den Betrieben ist für uns in der Bun-
    desrepublik ein Standortvorteil. Gelingt die schwierige
    Balance zwischen Tarifautonomie auf der einen Seite und
    betrieblicher Mitbestimmung auf der anderen Seite, so
    wird der Boden für flexible Reaktionsmöglichkeiten in
    den Betrieben bereitet.

    Im Bündnis für Arbeit ist im Juni des letzten Jahres an-
    geregt worden, den Flächentarifvertrag zukünftig mög-
    lichst flexibel zu gestalten, zum Beispiel durch den wei-
    teren Ausbau von Öffnungsklauseln, weil flexible
    betriebliche Reaktionen Voraussetzung für eine gute öko-
    nomische Entwicklung sind. Insofern ist die betriebliche
    Mitbestimmung ein Garant dafür, dass Entscheidungen
    betriebsnah getroffen werden können.

    Die Tarifautonomie ist das Standbein und die betrieb-
    liche Mitbestimmung ist das Spielbein. Deswegen wollen
    wir die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes so, wie
    wir sie hier vorschlagen, unter den Schutz – ich sage das
    deutlich in Richtung auf die F.D.P. – von § 77 Abs. 3 stel-
    len, der den Tarifvorbehalt für materielle Regelungen fi-
    xiert. Ohne betriebliche Mitbestimmung wären sozialver-
    trägliche Veränderungen in den Betrieben nicht denkbar
    gewesen und sind diese auch in der Zukunft nicht denk-
    bar; das konzediert ja sogar die CDU/CSU. Ohne
    Mitbestimmung wären die Kreativität und vor allen Din-
    gen die Motivation der Beschäftigten in den Betrieben
    sehr viel geringer.

    Die Kultur der Mitbestimmung, die den Betriebsfrie-
    den ermöglicht, ist also der erste Grund, warum wir in der
    Koalition die Mitbestimmung mit diesem Gesetz ausdeh-
    nen und stärken wollen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der zweite Grund ist für uns ebenfalls sehr zentral: Es
    geht um Demokratie und Partizipation in den Betrieben.
    Mitbestimmung ist ein Element einer demokratischen

    Bürgergesellschaft. Demokratie und Partizipation kön-
    nen nicht von Entscheidungen bestimmter Teile dieser
    Gesellschaft, können nicht von der persönlichen Einstel-
    lung der Unternehmer abhängig gemacht werden. Part-
    nerschaftliche Strukturen, Partizipation und Mitbestim-
    mung brauchen Regeln. Wir wissen, dass wir mit den
    Start-ups junge Unternehmen haben, die im Rahmen der
    demokratischen Kooperation, der Mitbestimmung und
    der Stärkung von Individualrechten ihre eigenen Rege-
    lungen finden. Wir wissen aber auch, dass diese Betriebe
    in der letzten Zeit verstärkt erkannt haben, dass Betriebs-
    räte in Krisensituationen helfen können. Wir brauchen da-
    her die vorgeschlagenen Regelungen, um in allen Betrie-
    ben Mitbestimmung zu ermöglichen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Paternalistische Strukturen, bei denen der Chef ent-
    scheidet, ob er seiner Belegschaft Mitbestimmung ermög-
    licht oder nicht, gehören in die Mottenkiste der Ge-
    schichte. Mitbestimmung ist ein modernes Instrument im
    Hinblick auf eine industrielle Entwicklung. Der mit de-
    mokratischen Rechten ausgestattete Arbeitnehmer kann
    auch nicht als quasi gespaltene Persönlichkeit behandelt
    werden, der sozusagen mit der Betätigung der Stechuhr
    sein Recht auf Partizipation und Mitgestaltung abgibt.
    Der Schutz durch persönliche Arbeitnehmerrechte ist
    auch innerhalb der Betriebe unveräußerlich.

    Auch deswegen brauchen wir die Mitbestimmung.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Ich sage in Richtung der F.D.P., die bestimmte Mitbe-
    stimmungsrechte von der Betriebsgröße abhängig ma-
    chen möchte, das heißt, kleinere Betriebe von der Mitbe-
    stimmung ausschließen möchte


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Nein!)


    – doch, Sie wollen zum Beispiel die Bildung eines Be-
    triebsrates erst dann erlauben, wenn das Unternehmen
    mehr als 20 Mitarbeiter hat –: Partizipation und Mitbe-
    stimmung gehören in die kleinste Hütte. Demokratische
    Rechte darf man nicht von der Größe der Betriebe abhän-
    gig machen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Die 20 können das doch selbst! Die brauchen doch keinen Betriebsrat!)


    – Lieber Herr Kollege Gerhardt, das, was Sie gerade
    dazwischengerufen haben, macht deutlich, dass sich die
    ideologischen Hardliner in dieser Gesellschaft unter Mo-
    dernisierung noch immer die alten dirigistischen Formen
    der Unternehmensstruktur und Unternehmensführung
    vorstellen.

    Der dritte Grund, die bisherige Mitbestimmung zu re-
    formieren, liegt für uns in der gesellschaftlichen Ent-
    wicklung. Das bisherige Betriebsverfassungsgesetz ist
    veraltet und wird den modernen Veränderungen nicht
    mehr gerecht, zum Beispiel den veränderten Arbeitsfor-
    men, den veränderten Arbeitnehmerstrukturen und der
    Entwicklung, dass sich die Unternehmen rapide verän-

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001

    Dr. Thea Dückert

    15940


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    dern, outsourcen und insourcen. Auch deswegen brau-
    chen wir eine Reform der Mitbestimmung.

    Wir haben – das finde ich gerade aus Sicht meiner Frak-
    tion sehr wichtig – zum Beispiel keine abschließende Defi-
    nition des Betriebsbegriffes und des Arbeitnehmerbegriffes
    in diesen Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Be-
    triebsverfassungsgesetzes hineingeschrieben, weil wir
    heute nicht wissen, wie die Entwicklung morgen aussehen
    wird, und weil wir eine Mitbestimmung wollen, die flexi-
    bel auf die Veränderungen reagieren kann. Dies war für
    die Grünen ein ganz wesentlicher Punkt, der in dem Ge-
    setzentwurf der Bundesregierung gut berücksichtigt wor-
    den ist. Unser Ansatz lautet: Wir brauchen flexible Formen
    in der betrieblichen Mitbestimmung. Das, was neu einge-
    führt worden ist, zum Beispiel in § 3 des Betriebsverfas-
    sungsgesetzes zur Organisationsvereinbarung, öffnet
    endlich den Weg zur verhandelten Mitbestimmung, die es
    den Unternehmen ermöglicht, zusammen mit den Be-
    triebsräten eigene Strukturen zu entwickeln.

    In den heutigen Betrieben wird immer stärker in Grup-
    pen und Teams mit flachen Hierarchien gearbeitet. Deswe-
    gen – das ist für uns ein zentrales Anliegen dieses Gesetz-
    entwurfs – wollen wir die Individual- und Gruppenrechte
    stärken, wollen wir, dass Betriebsräte ihre Mitbestim-
    mungsrechte an Gruppen in den Betrieben delegieren kön-
    nen. Wir wollen auch, dass die Betriebsräte ein Stück ihrer
    Macht an Gruppen in den Betrieben abgeben; denn solche
    Gruppen wissen über Inhalt und Struktur ihrer Arbeit Be-
    scheid und sollten deshalb auch selber zum Beispiel über
    Urlaubsregelungen und Arbeitsverteilung entscheiden
    können. Nach unserer Auffassung – das sage ich ganz
    deutlich – gehört die Möglichkeit, Mitbestimmungsrechte
    an Individuen und Gruppen zu delegieren, in jeden Be-
    trieb. Wir finden es nicht richtig, dass Mitbestimmungs-
    rechte von der Größe der Betriebe abhängig gemacht wer-
    den sollen. Ich habe es bereits gesagt: 98 Prozent der
    Betriebe haben weniger als 100 Mitarbeiter.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Gerade auch den neuen kleinen Betrieben wie den Start-
    ups, die ganz andere Arbeitsformen haben, wird mit dem
    Ansatz, Mitbestimmungsrechte an Gruppen zu delegieren,
    ein attraktives Instrument zur Verfügung gestellt, das ih-
    nen die Mitbestimmung sicherlich näher bringen wird.

    Bei der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes sind
    noch viele andere Punkte berücksichtigt worden. Im alten
    Betriebsverfassungsgesetz war zum Beispiel der Um-
    weltschutz nicht berücksichtigt. Jede Arbeitnehmerin
    und jeder Arbeitnehmer muss sich auch mit dem betrieb-
    lichen Umweltschutz auseinander setzen; denn er gehört
    zu den fundamentalen Inhalten des Arbeitsschutzes. Ich
    habe immer wieder festgestellt, dass die Belegschaften
    sehr viel Kreativität bei der Umsetzung des betrieblichen
    Umweltschutzes entfalten. Ich sage deshalb ganz deutlich
    an die Adresse von Herrn Weiß: Es geht um die Einbin-
    dung der Belegschaften auch bei der Entwicklung und
    Durchsetzung des betrieblichen Umweltschutzes.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    In der alten Mitbestimmung waren die Frauenrechte
    in den Betrieben nicht hinreichend verankert. Deswegen
    wollen wir diese über das neue Gesetz voranbringen. Ich
    glaube, wir werden im weiteren Verfahren über die ge-
    naue Ausgestaltung dieser Punkte noch reden müssen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    In der alten Mitbestimmung hat die Jugendvertretung
    nicht hinreichend Gewicht. Wir wollen die Jugendvertre-
    tung noch weiter stärken, aber nicht nur im Betriebsver-
    fassungsgesetz, sondern auch außerhalb. Denn gerade
    auch in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten muss es
    darum gehen, dass die jungen Leute lernen, ihre demo-
    kratischen Rechte, ihr Recht auf Beteiligung zu vertreten.
    Das aber muss dann zum Teil auch außerhalb der Be-
    triebsverfassung geregelt werden.

    Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist
    kein Moloch, der sozusagen über die Hintertür den Sozia-
    lismus in die Betriebe hineintragen will,


    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Doch, genau das ist er!)


    wie das Herr Weiß suggeriert hat. Dies ist ein sehr ausge-
    wogenes, moderates Angebot der Entbürokratisierung,


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Mitvernichtung!)


    der Erleichterung der Bildung von Mitbestimmung und
    der Stützung der Betriebsräte. Es ist ein Angebot zur Ko-
    operation in den Betrieben.

    Wir wollen Mitbestimmung an vielen Stellen vo-
    ranbringen, beispielsweise bei der Stärkung der Qualifi-
    kation, bei der Stärkung der Frauen. Im Fortgang des
    Gesetzgebungsverfahrens, wo wir auf der Basis dieses
    Gesetzentwurfs diskutieren werden, werden wir noch
    viele Änderungsvorschläge, auch die von Ihnen einge-
    brachten, diskutieren. Ich sage Ihnen nur, was unsere
    Perspektive dabei ist: Wir wollen die Demokratie im Be-
    trieb stärken und die Minderheitenrechte schützen.


    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Alles verriegelt und verriestert!)


    Deswegen werden wir uns im Fortgang des Verfahrens
    auch für die Beibehaltung des Verhältniswahlrechts in
    der Mitbestimmung einsetzen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Alles verriegelt und verriestert!)


    Ziel des Gesetzes ist es, die Akzeptanz in den Betrieben
    zu erhöhen und die Mitbestimmung auszuweiten. Ziel des
    Gesetzes ist es, auf der Basis von mehr Demokratie den so-
    zialen Schutz in den Betrieben zu fördern und gleichzeitig
    die Innovationsfähigkeit der Betriebe zu stärken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Mitbestimmung, richtig angewandt, erhöht die Reakti-
    onsfähigkeit der Betriebe und steigert deswegen die

    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 164. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. April 2001

    Dr. Thea Dückert

    15941


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Wettbewerbschancen der Unternehmen in der Bundesre-
    publik Deutschland. Mitbestimmung, richtig angewandt,
    erhöht die Motivation und die Kreativität. Darin, meine
    Damen und Herren, liegt auch eine Chance für die Pro-
    duktivität der Unternehmen. Lassen Sie es uns anpacken!

    Danke schön.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)