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ID1416206700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 14162

  • date_rangeDatum: 30. März 2001

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    Tagesordnungspunkt 14: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS: Gegen Rechtsextremismus, Frem- denfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Nachhaltige Bekämp- fung von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Vogt (Pforzheim), Ernst Bahr, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Cem Özdemir, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gegen Rechtsextremis- mus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Handeln gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeind- lichkeit und daraus resultieren- der Gewalt (Drucksachen 14/5456, 14/4067, 14/3516, 14/3106, 14/4145, 4/5695) 15801 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Bekämpfung des politischen Extremismus (Drucksachen 14/295, 14/1556) . . . . . 15801 C Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 15804 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 15804 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15807 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 15809 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15811 C Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 15812 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 15813 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15814 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 15815 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 15818 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 15819 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur Neuordnung des Gerichtsvoll- zieherkostenrechts – GvKostRNeuOG (Drucksachen 14/3432, 14/4913, 14/5385, 14/5685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Plenarprotokoll 14/162 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 162. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. März 2001 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung derVerordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobenen Daten (Drucksachen 14/4721, 14/5142, 14/5384, 14/5686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Tagesordnungspunkt 15: Große Anfrage der Fraktion der PDS: Kriegsbilanz (Drucksachen 14/3047, 14/5677) . . . . . . . 15821 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 15822 A Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 15823 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 15824 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 15824 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15826 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . . 15828 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15830 A Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 15831 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 15833 A Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15835 B Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Doris Barnett, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Jobrotation im Arbeitsförderungs- recht verankern – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bessere Erwerbsaus- sichten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksachen 14/5245, 14/2909, 14/5608) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15838 B Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15840 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15840 D Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15841 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15844 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15845 B Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Dr. Heinz Riesenhuber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Steuerliche Rahmenbe- dingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock options) verbessern Drucksache 14/5318) . . . . . . . . . . . . . 15846 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Keine Steuer beim Aktien- tausch (Drucksache 14/3009) . . . . . . . . . . . . . 15846 C Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . . 15846 C Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15848 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . . . . . . . . 15850 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15851 B Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 15852 C Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15854 B Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Sonderprogramm zur Sicherung und Erhöhung des Ni- veaus der Landes- und Hochschulbiblio- theken am Wissenschafts- und For- schungsstandort Deutschland (Drucksache 14/5105) . . . . . . . . . . . . . . . 15855 B Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15855 C Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15856 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 15857 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 15857 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15859 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15860 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15861 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15863 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 15865 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001II Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremden- feindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15866 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitar- beiter (stock options) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 III 15867 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 Jörg Tauss 15863 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15865 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30.03.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 30.03.2001** Dr. Blank, CDU/CSU 30.03.2001*** Joseph-Theodor Bodewig, Kurt SPD 30.03.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 30.03.2001 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 30.03.2001 Herta Friedhoff, Paul K. F.D.P. 30.03.2001 Griefahn, Monika SPD 30.03.2001 Hartnagel, Anke SPD 30.03.2001 Hempelmann, Rolf SPD 30.03.2001 Heubaum, Monika SPD 30.03.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Hofbauer, Klaus CDU/CSU 30.03.2001 Homburger, Birgit F.D.P. 30.03.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 30.03.2001 Ibrügger, Lothar SPD 30.03.2001 Irber, Brunhilde SPD 30.03.2001 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 30.03.2001 Kirschner, Klaus SPD 30.03.2001 Klappert, Marianne SPD 30.03.2001 Dr.-Ing. Krüger, Paul CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lamers CDU/CSU 30.03.2001 (Heidelberg), Karl A. Lengsfeld, Vera CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 30.03.2001 Klaus W. Louven, Julius CDU/CSU 30.03.2001 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30.03.2001 Erich Mascher, Ulrike SPD 30.03.2001 Mattischeck, Heide SPD 30.03.2001 Meckel, Markus SPD 30.03.2001*** Neumann (Gotha), SPD 30.03.2001 Gerhard Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Poß, Joachim SPD 30.03.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Rachel, Thomas CDU/CSU 30.03.2001 Robbe, Reinhold SPD 30.03.2001 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 30.03.2001 Hannelore Schloten, Dieter SPD 30.03.2001 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Schmidt-Zadel, Regina SPD 30.03.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.03.2001 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 30.03.2001 Schuhmann (Delitzsch), SPD 30.03.2001 Richard Dr. Schuster, R. Werner SPD 30.03.2001 Singhammer, Johannes CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 30.03.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 30.03.2001 Thönnes, Franz SPD 30.03.2001 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 30.03.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 30.03.2001 Wissmann, Matthias CDU/CSU 30.03.2001 Wistuba, Engelbert SPD 30.03.2001 Wohlleben, Verena SPD 30.03.2001 Wolf, Aribert CDU/CSU 30.03.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 30.03.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO **** für die Teilnahme an der 105. Jahreskonferenz der Interparlamen- tarischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht **** Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) Ulla Jelpke (PDS):Die Entschließung ist ein wichti- ges Signal für den gemeinsamen Kampf gegen Rechtsex- tremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt. Sie ist deshalb hoffentlich auch eine Ermutigung für den zivilen, den gesellschaftlichen Widerstand gegen den menschenverachtenden Neofaschismus. Ich unter- stützte sie. Ich sage aber auch: Wenn es uns gemeinsam gelungen wäre, dafür zu sorgen, dass endlich auch die Opfer der NS-Zwangsarbeit etwas Geld bekommen, dann hätte unsere heutige Entschließung sicher eine größere Tragweite, wäre das Eintreten der deutschen Politik und Gesellschaft gegen Rechtsextremismus glaubwürdiger. Die Entschließung ist auch eine klare Absage an Ver- suche der CDU/CSU, den Kampf gegen Rechtsextremis- mus zu ersetzen durch eine scheinbar gleichgewichtige Bekämpfung gegen „Extremismus“ von links und rechts, durch schärfere Strafgesetze und durch eine Einschrän- kung des Versammlungsrechts. Die CDU/CSU will die PDS aus dem gemeinsamen Bündnis gegen rechts ausgrenzen und den Kampf gegen Neofaschismus für die Einschränkung von Bürgerrechten und den Ausbau von Polizei und Geheimdiensten instru- mentalisieren. Die Gleichsetzung von rechts und links ist ein demagogischer Trick der Konservativen, der zur Ba- gatellisierung des Rechtsextremismus führt, während die Sicherheitsorgane die angeblichen Gefahren von links aufbauschen und ihre Repression gegen Linke verstärken. Das war schon immer falsch und verwerflich. Fast einhundert Menschen sind in den letzten Jahren durch braune Gewalt gestorben. Wie viele dieser Men- schen könnten noch leben, wenn die Bagatellisierung der rechten Gewalt früher korrigiert worden wäre? Die Verantwortung für diese falsche Politik trifft aber nicht nur die alte Regierung aus CDU/CSU und F.D.P. Auch die neue Regierung und ihr Innenminister Schily setzen diese falsche Politik fort, bagatellisieren weiter rechte Gewalt, verbreiten weiter falsche Zahlen über die Todesopfer der Neonazis und diffamieren antifaschisti- sche Organisationen wie die VVN-BdAund den Bund der Antifaschisten. Auch zu einer Verschärfung der Strafgesetze gegen rechts besteht kein Grund – nicht nur, weil die bestehen- den Gesetze völlig ausreichen. Abbau von Bürgerrechten, um so angeblich Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Nötig sind nicht weniger, sondern mehr Bürgerrechte, vor allem für Flüchtlinge, für Migrantinnen und Migranten, die Hauptopfer rechter Gewalt waren und sind. Ich habe als Berichterstatterin meiner Fraktion im In- nenausschuss an der Formulierung der Entschließung mitgewirkt. Dabei ist es gelungen, wichtige Anliegen wie den Ausbau des Opferschutzes, ein Plädoyer für eine un- abhängige Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die zumindest verbale Unterstüt- zung von Bündnissen gegen rechts und andere Anliegen zu einem Votum aller Fraktionen zu machen, die diese Re- solution nun unterstützen. Aber es gibt auch weiter viele berechtigte Kritik. In vielen Bereichen ist die Entschlie- ßung noch immer von Eigenlob der Regierung durchzo- gen. Statt klarer Aufträge gibt es Bitten, Empfehlungen, Ratschläge. Für Basisinitiativen, Bündnisse gegen rechts, antifaschistische Initiativen, Einrichtungen zur Flücht- lingshilfe und demokratische Jugendprojekte gibt es gute Worte, aber viel zu wenig Geld. Ohne die gesellschaftlichen Initiativen und Organisatio- nen, ohne die Anstrengungen von vielen Menschen wird es keine Erfolge gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeind- lichkeit und Antisemitismus geben. Der Kampf gegen rechts darf nicht an Behörden, an Polizei und Geheimdiens- te delegiert werden. Bündnisse gegen rechts, antirassisti- sche und antifaschistische Initiativen, die vor Ort tätig sind, sind das A und O des Kampfes gegen rechts. Die Gering- schätzung, die die Bundesregierung diesen Initiativen noch immer entgegenbringt, indem sie ihnen kein Geld, keine Unterstützung gewährt, ist ein schwerer Fehler. Auch die Auffassung, Rechtsextremismus sei sozial begründet oder könne durch soziale Maßnahmen zurück- gedrängt werden, ist für mich falsch. Rechtsextremismus ist vor allem ideologisch und politisch begründet. Hier muss die Auseinandersetzung ansetzen und geführt wer- den. „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbre- chen“, „Nazis raus aus den Köpfen!“ sind dazu richtige Forderungen. Ein entscheidender Schritt für den Kampf gegen rechts steht weiter aus. Wer Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft wirklich bekämpfen will, der muss auch die staatliche Flüchtlings- und Migrationspolitik end- lich grundlegend korrigieren. Denn diese Politik ist selbst rassistisch und fremdenfeindlich. Die Reform des Staats- bürgerschaftsrechts ist ein Flop. Die Hoffnungen vieler Migrantinnen und Migranten, nicht mehr Menschen zwei- ter Klasse zu sein, sind enttäuscht worden. Die ausländer- feindlichen Kampagnen gehen weiter. Selbst in der EU steht diese Regierung bei allen Reformversuchen, die mehr Menschenrechte für Flüchtlinge und Migranten er- reichen wollen, weiter auf der Bremse. Ich nenne nur die Blockade der Reform des Familiennachzugs, ich nenne die Weigerung der Bundesregierung, die Konvention des Eu- roparats zur Staatsbürgerschaft mit ihrer Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft zu unterzeichnen, ich nenne weiter die UN-Konvention über die Rechte der Wander- arbeiter, die die Regierung nicht ratifizieren will. Solange Flüchtlinge weiter an den Grenzen abgewehrt oder in Abschiebehaft gesteckt und gewaltsam abgescho- ben werden, das Asylbewerberleistungsgesetz und andere rassistische Gesetze weiter in Kraft sind, so lange werden braune Gewalttäter weiter behaupten, sie vollstreckten mit ihren Gewalttaten nur den stillschweigenden Willen der Mehrheit der Menschen in diesem Land. Auf diesem wichtigen Feld bringt die heutige Entschließung keine Verbesserung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115866 (C) (D) (A) (B) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewäh- rung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock op- tions) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Dr. Barbara Höll (PDS): Wenn man den CDU/ CSU-Antrag liest, möchte man meinen, die Entlohnung über Aktienoptionen solle steuerlich begünstigt werden. Das ist nicht ganz korrekt. Denn die CDU/CSU möchte nicht nur schlechthin eine Begünstigung von Aktienoptio- nen, sondern sie möchte diese noch mehr begünstigen. In Ihrem Antrag unterschlagen Sie nämlich, dass schon jetzt Aktienoptionen steuerlich subventioniert werden. Die Hauptursache liegt in der gerade verabschiedeten Un- ternehmensteuerreform, nach der Unternehmensgewinne deutlich niedriger besteuert werden als Löhne und Gehäl- ter. Aber das reicht der CDU/CSU noch nicht. Sie möchte gern noch draufsatteln. Vielleicht einigen Sie sich doch einmal auf eine Linie in Ihrer Steuerpolitik. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie gerade den Vorschlag für eine große Steuerreform im Parlament eingebracht, die mit allen Steuerprivilegien und steuerlichen Subventio- nen aufräumen wollte. Aber schauen wir uns etwas näher an, was Ihnen so am Herzen liegt. Aktienoptionen sind besonders risikoanfäl- lig – da die Bewertung von Aktien durch die Börse erfolgt. Wie die jüngste Entwicklung zeigt, reflektiert der Bör- senwert in den seltensten Fällen den wirklichen Wert und die Erfolgsaussichten eines Unternehmens. Hier fließen subjektive Erwartungen, spekulative Überhöhungen bzw. Untertreibungen ein, die oft mit der wirklichen Wirt- schaftssituation des jeweiligen Unternehmens kaum et- was zu tun haben. Und dies gilt in besonderen Maße für die viel gerühm- ten Unternehmen der New Economy. Ein Bruchteil der Unternehmen des Neuen Marktes erwirtschaftete in den vergangenen Jahren Gewinn. Trotzdem stiegen die Kurse ins Unermessliche. Diesem rasanten Anstieg folgte – wie nicht anders zu erwarten – ein rasanter Fall. Hinzu kommt bei diesen Unternehmen, dass ihre Pflichten zur Offenle- gung der wirtschaftlichen Situation unzureichend ausge- staltet sind. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die betrügerischen Aktivitäten von Geschäftsführungen ge- rade von Unternehmen des Neuen Marktes. Die Zeitun- gen der letzten Wochen sind voll von Meldungen, wonach die „Bosse“ von so genannten New Economy-Unterneh- men rechtzeitig vor dem Sinken der Börsenkurse große Ak- tienpakete verkauft haben. So verkaufte der EM.TV- Boss Anteile für 20 Millionen Euro, der Intertainment-Boss Aktien im Wert von über 2 Millionen Euro. Während die Mitarbeiter dann in aller Regel auf ihren Optionen festsitzen und sich nicht einfach aus dem Un- ternehmensrisiko zurückziehen können, haben das ihre Bosse schon längst getan. Und damit nicht genug: Mit dem massenhaften Verkauf eigener Anteile wird weiter Druck auf die Börsenkurse ausgeübt und der Lohnraub dadurch noch erhöht. Angesichts dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass selbst im gelobten Land der New Economy – nach kurzer Euphorie – die Entlohnung über Aktienoptionen die Beschäftigten kaum noch wirklich beeindruckt. Die Beschäftigten wollen sich auch in der New Economy nicht mehr auf imaginäre Zukunftsaussichten vertrösten lassen – sie wollen für ihre Arbeit zum Zeitpunkt ihrer Ar- beit das Geld sehen, dass ihnen zusteht. Ganz im Zeichen der verrufenen Old Economy fordern sie Betriebsräte ein, bilden zur Durchsetzung ihrer Forderungen gewerk- schaftliche Vertretungen. Es ist ganz in der Tradition der CDU/CSU, dass Sie diesen Lohnraub mit steuerlichen Instrumenten auch noch fördern wollen, dass Sie nun auch die Löhne der Speku- lation und Betrug aussetzen wollen. Dies lehnen wir aber ab. Ähnlich verhält es sich mit dem F.D.P.-Antrag zur Steuerfreiheit des Aktientauschs. Es reicht der F.D.P. nicht, dass Spekulationsgewinne nur zur Hälfte besteuert werden. Nein, sie möchte – zumindest, wenn Aktien ge- gen Aktien verkauft werden – diese gänzlich von der Ein- kommensteuer befreien. Sie ignoriert dabei gänzlich, dass diese Aktien oftmals gerade in Hinblick auf eine zu er- wartende Fusion und die damit einhergehenden Kursstei- gerungen erworben wurden. Das Bild, das die F.D.P. uns hier von dem armen Aktionär zeichnen will, der sich völ- lig überraschend und hilflos einer Fusion ausgesetzt sieht, ist doch etwas ergänzungsbedürftig. Begründet wird das alles mit der Ungleichbesteuerung von privaten Spekulationsgewinnen und Gewinnen der Kapitalanlagegesellschaften. Mit der Unternehmensteu- erreform des Herrn Minister Eichel sind Gewinne von Ka- pitalgesellschaften aus der Veräußerung von Untenehmen steuerfrei gestellt, während kurzfristige Spekulationsge- winne des Privatanlegers besteuert werden – wenn auch nur zur Hälfte Die F.D.P. sollte, wenn ihr die Gleichbesteuerung wirk- lich so sehr am Herzen liegt, mit der Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne von großen Konzernen, Banken und Versicherungen aufräumen. Das wäre wirklich ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und Besteuerungs- gleichheit! Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15867 (C) (D) (A) (B) Finanzausschuss Drucksache 14/4309 Nr. 1.39 Drucksache 14/5172 Nr. 2.14 Drucksache 14/5172 Nr. 2.87 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/671 Nr. 1.5 Drucksache 14/4441 Nr. 1.26 Drucksache 14/4570 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.61 Drucksache 14/5172 Nr. 2.99 Drucksache 14/5281 Nr. 2.13 Drucksache 14/5281 Nr. 2.14 Drucksache 14/5281 Nr. 2.15 Drucksache 14/5363 Nr. 2.16 Drucksache 14/5363 Nr. 2.17 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5172 Nr. 2.80Drucksache 14/5281 Nr. 2.11Drucksache 14/5281 Nr. 2.19 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/1617 Nr. 2.30 Drucksache 14/3428 Nr. 1.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.3 Drucksache 14/4170 Nr. 2.4 Drucksache 14/4170 Nr. 2.5 Drucksache 14/4170 Nr. 2.6 Drucksache 14/4170 Nr. 2.7 Drucksache 14/4170 Nr. 2.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.9 Drucksache 14/4170 Nr. 2.10 Drucksache 14/4170 Nr. 2.11 Drucksache 14/4170 Nr. 2.12 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5281 Nr. 2.2 Drucksache 14/5281 Nr. 2.4 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4865 Nr. 2.1 Drucksache 14/5363 Nr. 2.9 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5114 Nr. 2.6 Drucksache 14/5281 Nr. 3.2 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4945 Nr. 2.21 Drucksache 14/4945 Nr. 2.22 Drucksache 14/5172 Nr. 2.40 Drucksache 14/5172 Nr. 2.27 Drucksache 14/5172 Nr. 2.28 Drucksache 14/5172 Nr. 2.43 Drucksache 14/5172 Nr. 2.75 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/4309 Nr. 1.13 Drucksache 14/5172 Nr. 2.42 Drucksache 14/5172 Nr. 2.72 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/5114 Nr. 1.2 Drucksache 14/5114 Nr. 1.3 Drucksache 14/5114 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 1.3 Drucksache 14/5363 Nr. 1.1 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/4570 Nr. 1.4 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115868 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ent-
    scheidung über Krieg und Frieden ist die schwerste poli-
    tische Entscheidung, die politisch Verantwortliche – bei uns
    sind es die Parlamentarier – treffen können. Ich halte es des-
    wegen für richtig und wichtig, solche Entscheidungen auch
    im historischen Rückblick immer wieder zu überprüfen. Da-
    her hoffe ich, dass dies nicht die letzte Debatte über dieses
    Thema ist. Für mich persönlich war es die schwerste Ent-
    scheidung, an der ich in meinem bisherigen politischen Le-
    ben mitzuwirken hatte. Dies gilt unabhängig davon, dass ich
    zu diesem Zeitpunkt Bundesaußenminister war. Ich habe
    nämlich als Oppositionsabgeordneter der Actord-Entschei-
    dung – dem Befehl zur Inkraftsetzung des NATO-Operati-
    onsplans „Allied Force“, in der letzten Legislaturperiode zu-
    gestimmt, weil ich von meiner früheren Position, dass man
    nicht eingreifen solle, seit Srebrenica unter dem Eindruck
    einer Gewaltpolitik, die vor Massenmord und vor Massen-
    vertreibung zum Zwecke der gewaltsamen Änderung der
    Grenzen nicht zurückschreckt, nicht mehr überzeugt war.
    Im Zuge der Eroberung der UN-Schutzzone in Srebrenica,
    in die die Menschen geflüchtet waren, für deren körperliche
    Unversehrtheit die internationale Staatengemeinschaft die
    Garantie übernommen hatte, wurden alle Männer und
    männlichen Heranwachsenden ermordet und ihre Leichen
    in Massengräbern verscharrt.

    Ich war, wie auch Sie, vorher über Jahre Nichtinter-
    ventionist. Ich begreife das heute im Rückblick als Fehler.
    Insofern sollte man diese Debatte – ich bedauere es, dass
    das nicht geschieht – ehrlich führen, und zwar ausgehend
    von den möglichen Alternativen. Vor allen Dingen sollten
    wir uns nicht gegenseitig falsche Motive unterstellen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU])


    Ich bedauere es, dass die PDS eine große Chance ver-
    tan hat; da kann ich Dr. Schwarz-Schilling nur zustim-
    men. Sie hat nämlich in der gesamten Anlage der Großen
    Anfrage Täter und Opfer verkehrt. Das ist, wie ich glaube,
    der Grundfehler. Warten wir einmal die weitere Entwick-
    lung ab. Die Akten des Internationalen Kriegsverbrecher-
    tribunals zum Beispiel werden von Ihnen nicht herange-
    zogen. Diese sind zugänglich, darin könnte man schon
    heute Erstaunliches finden. Milosevic wird vor Gericht
    kommen, und eines Tages auch vor ein internatio-
    nales Gericht. Dann werden die Akten insgesamt geöffnet
    werden.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Darauf baue ich!)


    Das wird sehr bitter für Sie werden.
    Der Kern dieses Konfliktes geht meines Erachtens auf

    eine historisch-politische Frage zurück, die im 19. und im
    20. Jahrhundert in ganz Europa virulent war. Gerade wir
    Deutschen haben dieses gespürt. Die Frage des deutschen
    Nationalstaates hat zu zwei Weltkriegen geführt. Bis zur
    Wiedervereinigung, zum deutsch-polnischen Grenzver-
    trag und zum Zwei-plus-Vier-Vertrag hingen Stabilität
    und Sicherheit in Europa von der zentralen Frage ab, wel-
    che Position Deutschland einnimmt. Mit der Anerken-
    nung unserer Ostgrenze und damit der polnischen West-
    grenze wurde diese definitiv entschieden. Ähnliche
    Konflikte gibt es noch heute auf dem Balkan. Hier liegt
    der Kern des Problems in der Bildung neuer National-
    staaten nach dem Untergang des alten Jugoslawiens,
    das – ich bedauere es – leider nicht reformfähig war. Mir
    war schon damals klar, dass hiermit ein enormes Risiko
    verbunden war. In dieser Frage liegt in der Tat ein riesiges
    Gewaltpotenzial. Das ist ja auch aus der europäischen Ge-
    schichte des 19. und 20. Jahrhunderts ersichtlich.

    Es wurde jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass
    dieser Krieg nicht am 24. März 1999 begann. Er begann
    in Slowenien, führte über Kroatien und Sarajevo nach
    Bosnien. Eigentlich liegt sein Ursprung schon in der Auf-
    hebung des Autonomiestatus des Kosovo bzw. noch
    früher in der Erklärung der serbischen Akademie 1986.
    Das dürfen wir nicht vergessen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Wir tun Serbien wirklich keinen Gefallen – ich sage das
    als jemand, der die traditionelle Einteilung in Kroaten und
    Serben nicht für richtig hielt –, wenn wir diese teilweise
    auch in der demokratischen Opposition noch vorhandene
    Vorstellung von Serbien als Opfer durch Positionen, wie
    sie die PDS vertreten hat, unterstützen. Serbien muss aus
    seiner Sichtweise herausfinden; es wird herausfinden, da
    bin ich mir sicher, und seinen Platz – einen guten – inner-
    halb der europäischen Völkerfamilie einnehmen.

    Dieser Krieg begann also nicht am 24. März 1999, son-
    dern früher. In diesem Zusammenhang wird eine ent-
    scheidende Frage von Ihnen nicht beantwortet, nämlich,
    ob eine Einbindung Milosevics bei einer Lösung für die
    gesamte Region mit einer europäischen Perspektive ohne
    Gewalt möglich war. Sie hätten Recht, wenn eine Lösung
    ohne Gewalt möglich gewesen wäre. Hier ist das Äußers-
    te versucht worden. Dayton stellte leider einen unzurei-
    chenden Schritt dar. Ich kritisiere nicht diejenigen, die für
    das Abkommen von Dayton verantwortlich sind. Aber die
    Zeichen zur Zeit von Dayton – kluge Leute haben dies da-
    mals gesagt – haben bereits auf einen Konflikt im Kosovo
    hingedeutet. Christian Schwarz-Schilling hat das gerade
    noch einmal angesprochen. Ich hätte mir gewünscht, dass
    die Resolution 1244, die dann unter der deutschen
    G-8-Präsidentschaft in Köln realisiert wurde, bereits ein
    Jahr früher zustande gekommen wäre. Wer hat denn
    Russland wieder ins Boot geholt? Wer hat denn dem Si-
    cherheitsrat wieder seine Handlungsfähigkeit zurückge-
    geben?


    (Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [PDS])





    Dr. Christian Schwarz-Schilling

    15833


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    – Entschuldigung, die Verantwortung dafür können Sie
    aber nicht nur auf einer Seite abladen. Ich hätte mir auch
    gewünscht, Russland – das habe ich in Moskau im inter-
    nen Gespräch selbstverständlich auch gesagt – konstruk-
    tiv und gestaltend im Sinne von Kriegsprävention tätig
    geworden wäre und von einem Veto im Sicherheitsrat Ab-
    stand genommen hätte. Das wäre richtig gewesen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Das stellt aber keine Schuldzuweisung, weder an die eine
    noch an die andere Seite dar, sondern ist eine realistische
    Beschreibung.

    Ich war unmittelbar nach Ende des Krieges in Belgrad
    und konnte feststellen, dass man dort zehn Jahre verloren
    hatte. Die Situation war genauso wie 1990 in einigen an-
    deren Wendedemokratien. György Konrad hat gestern
    Abend gesagt, dass es dort heute noch so aussieht wie
    1990 in anderen Volksdemokratien nach dem Ende der
    Sowjetherrschaft. Genauso war es damals auch dort, dass
    nämlich plötzlich Leute aus der Opposition höchste
    Staatsämter einnahmen.

    Das heißt, es sind zehn verlorene Jahre für ein Land,
    das, dem damaligen Ostblock nicht zugehörend, von einer
    kommunistischen Parteiendiktatur – unter Tito und da-
    nach – regiert wurde. Bei diesem Land, das im Grunde
    genommen am weitesten entwickelt war, die größten Po-
    tenziale hatte, ist diese zehnjährige Tragödie des Rück-
    falls in eine nationalistische Politik, in einen Prozess der
    Selbstblockade und teilweisen Selbstzerstörung eingetre-
    ten. Ich bin froh, dass die demokratische Revolution in
    Belgrad jetzt eine europäische Entwicklung ermöglicht.

    Die entscheidende Frage ist für mich: Wogegen haben
    wir dort gekämpft? Wir haben, nachdem alle politischen
    Möglichkeiten ausgelotet waren und es nicht mehr anders
    ging, gegen einen gewaltsamen Nationalismus und Ge-
    walt gekämpft. Wofür haben wir dort gekämpft? Wir ha-
    ben für die europäische Integration dieser Region, für Ge-
    waltverzicht und friedliche Lösungen gekämpft. Genau
    dies ist die Perspektive, die wir dann mit dem Stabilitäts-
    pakt, mit der Sicherheitspräsenz in der Region umgesetzt
    haben. Wir werden dort selbstverständlich keinen Groß-
    nationalismus, weder einen großserbischen noch einen
    großalbanischen noch sonst irgendeinen, akzeptieren dür-
    fen und wir werden dort keine Unterdrückung von Min-
    derheiten zulassen dürfen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


    Zur Zeitperspektive von 18 Monaten möchte ich Sie
    an die Zeit 18Monate nach dem 8. Mai 1945 erinnern. Ich
    frage mich manchmal, ob wir angesichts der Zerstörung
    und des Hasses in den richtigen Dimensionen denken. Am
    8. Mai 1945 haben in Europa die Waffen geschwiegen.
    Wo stand dieses Europa 18 Monate danach? Glaubt man
    denn allen Ernstes, man könnte solche historischen Kon-
    flikte in so kurzen Zeiträumen überwinden und nicht nur
    den realen Wiederaufbau, sondern auch eine Orientierung
    auf europäische Integration und Gewaltverzicht in den
    Köpfen und Emotionen erreichen? Ich glaube das nicht.

    Deswegen ist langfristiges Engagement notwendig.
    Man kann doch die ganzen positiven Veränderungen se-
    hen. Ich hätte mir gewünscht, dass die internationale Staa-
    tengemeinschaft schon 1992 so weit gewesen wäre, wie
    sie es heute ist, und dass sie schon 1992, spätestens aber
    nach der völligen Zerstörung von Vukovar in Ostslawo-
    nien, dem heutigen Kroatien, oder allerspätestens nach
    der Zerstörung von Dubrovnik entsprechend reagiert
    hätte, nämlich geschlossen und entschlossen zu sagen,
    dass eine gewaltsame, großnationalistische Politik nicht
    akzeptiert wird, sondern in dem Fall interveniert wird
    bzw. sich alle am Verhandlungstisch wiederfinden,


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das ist es!)

    um eine friedliche, gewaltfreie Lösung der Probleme her-
    beizuführen, unter Anerkennung der Grenzen, die nicht
    gewaltsam verändert werden dürfen, und auf der Grund-
    lage von Gewaltverzicht, auf der Grundlage des Schutzes
    der Minderheiten.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Sehr richtig!)

    Aber dies hätte, wenn Sie „sehr richtig“ sagen, nur funk-
    tioniert, wenn wir damals bereit gewesen wären, auch die
    notwendige Militärpräsenz ins Spiel zu bringen. Das eine
    ohne das andere – das ist die bittere Wahrheit – hätte es
    nicht gegeben.

    Deswegen bin ich froh, dass wir heute in Mazedonien
    in einer anderen Lage sind. Die Probleme sind mitnichten
    gelöst; das innerethnische Gleichgewicht zu erhalten ist
    extrem schwierig. Aber es ist völlig klar: Wir haben dort
    nicht gegen einen großserbischen Nationalismus und
    seine Gewaltpolitik gekämpft, um einen anderen Großna-
    tionalismus wirken zu lassen,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    sondern wir wollen die gesamte Region an Europa heran-
    führen. Die Frage der territorialen Integrität Mazedoni-
    ens, auch die Frage der Multiethnizität Mazedoniens ist
    für uns von entscheidender Bedeutung, genauso wie die
    Umsetzung der Resolution 1244 im Kosovo die Grund-
    lage sein muss.

    Die Probleme sind noch nicht gelöst und sie werden
    ohne die beteiligten Völker nicht lösbar sein. Aber – das
    sage ich in Richtung CDU/CSU; ich weiß, dass nicht alle
    bei Ihnen diese Meinung vertreten, aber manche, ich habe
    es gerade gestern wieder gelesen – ich halte überhaupt
    nichts davon, dass wir uns jetzt mit einem Berliner Kon-
    gress oder, wie es Lord Owen vorgeschlagen hat, einer
    Berliner Konferenz – in Erinnerung an die Berliner
    Konferenz zu Bismarcks Zeiten – zur Neuordnung des
    Balkans aufhalten. Die heutige Perspektive heißt Europa.
    Das ist der entscheidende Punkt. Wenn wir nicht bereit
    sind, diese europäische Perspektive in der ganzen Region
    unter der Beteiligung der dortigen Verantwortlichen und
    Völker langfristig zu organisieren, dann werden wir in die
    Untiefen des Nationalismus und eines blutigen Nationen-
    schaffens hineingeraten.

    Deswegen dürfen wir, wenn wir darüber nachdenken,
    eine Gesamtlösung zu erreichen – in der Tat sind die Fra-
    gen um Bosnien-Herzegowina, um Montenegro, um das




    Bundesminister Joseph Fischer
    15834


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Presevo-Tal in Südserbien oder um Mazedonien noch
    nicht gelöst –, nicht damit beginnen, Grenzen zu verän-
    dern und Ähnliches mehr. Wenn wir über eine Gesamtlö-
    sung sprechen, müssen wir erst einmal die Energien, die
    dort vorhanden sind, in Richtung Europa kanalisieren.
    Das heißt, die Grundsätze, mit denen Lösungen gesucht
    werden sollen, sind wichtiger, als heute schon über die
    Substanz der Konfliktlösung zu sprechen. Das ist das
    Erste.

    Das Zweite ist, dass man in diesem Rahmen in der Tat
    so etwas wie eine Konferenz für Sicherheit und Stabi-
    lität ins Auge fassen sollte, aber nicht in der Perspektive
    des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sondern in der Per-
    spektive europäischer Integration. Das ist der entschei-
    dende Punkt. Dafür gibt es bereits wichtige Elemente
    – die albanische Regierung und andere haben sich in die-
    sem Zusammenhang sehr verantwortlich verhalten – mit
    dem Stabilitäts- und Assoziationsabkommen und mit dem
    Stabilitätspakt. Es gibt Möglichkeiten, darüber nachzu-
    denken, wie weit man in Richtung einer Zollunion geht,
    um hier auch die ökonomischen Kräfte zu stärken; denn
    die ökonomische Perspektive ist für politische Stabilität
    und Sicherheit von überragender Bedeutung. Die Frage
    von Schutzgarantien für Minderheiten, die Frage kultu-
    reller Autonomierechte und Ähnliches mehr werden mei-
    nes Erachtens eine entscheidende Rolle bei der Anerken-
    nung der Grenzen spielen. Dies alles muss auf den
    Prinzipien des Gewaltverzichts, des Verzichts auf gewalt-
    same Änderung von Grenzen und des friedlichen Austra-
    gens aller offenen Fragen und Probleme auf dem Ver-
    handlungswege gründen und die Perspektive beinhalten,
    den langen Weg Richtung Brüssel zu gehen. Das scheint
    mir die Antwort zu sein.

    Wenn wir uns darauf einigen könnten, dann wird die
    Debatte über die Ursachen dieses Krieges zwar nicht un-
    wichtig; aber viel wichtiger scheint mir zu sein, dass wir
    die historische Chance nutzen, der gesamten Region, die
    ein Teil Europas ist, den Weg zu einem dauerhaften Frie-
    den im europäischen Kontext zu ermöglichen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.])




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für die
PDS-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Liebe Kol-
    leginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr
    Bundesaußenminister, die Antwort auf die Große Anfrage
    stellt eines klar: Eine völkerrechtliche Grundlage für den
    Krieg gab es nicht; denn in der Antwort auf die diesbe-
    zügliche Frage sprechen Sie von Ultima Ratio sowie da-
    von, dass nichts anderes gemacht werden konnte; Sie be-
    nutzen also das Argument der Alternativlosigkeit. Aber
    Sie nennen keinen einzigen völkerrechtlichen Artikel
    oder Vertrag, auf den Sie sich hätten stützen können, nicht
    einen! Schauen Sie sich die Antwort an.

    Nun gibt es in diesem Zusammenhang ja viele Argu-
    mente. Herr Kollege Brecht hat zum Beispiel in der letz-

    ten Debatte gesagt, er habe damals dagegen gestimmt,
    weil er die Bombardierung als illegal, wenn auch niemals
    als illegitim empfunden habe. Ich kann nur davor warnen,
    im Recht diese Unterscheidung zuzulassen.


    (Beifall bei der PDS)

    Wer sagt, etwas möge zwar illegal sein, aber dennoch sei
    es legitim, stellt das Recht völlig auf den Kopf. Das gilt
    für das innerstaatliche Recht genauso wie für das Völker-
    recht. Das halte ich für eine fatale Herangehensweise.

    Immer wieder werden die Kritiker des Krieges vor die
    Frage gestellt, welche Alternativen sie anzubieten gehabt
    hätten. Dazu sage ich Ihnen Folgendes:

    Erstens ist es die Aufgabe von Politik, Alternativen zu
    schaffen, nicht aber dafür zu sorgen, dass eine Situation
    entsteht, in der es zumindest scheinbar keine Alternative
    zu einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gibt.


    (Beifall bei der PDS)

    Zweitens hat es selbstverständlich eine Alternative ge-

    geben. Hier wird etwas Unlauteres gemacht. Man ver-
    weist – wegen des historischen Zusammenhangs natürlich
    nicht ganz zu Unrecht – auf die drei vorhergehenden
    Kriege und überträgt die dort begangenen Verbrechen auf
    das Kosovo, als seien sie dort schon geschehen oder we-
    nigstens jederzeit möglich. So einfach ist es natürlich
    nicht.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Der Milosevic war natürlich geläutert!)


    – Das hat gar nichts mit Läuterung zu tun; das ist doch
    Quatsch. – Jeder dieser Kriege hatte einen anderen Cha-
    rakter; sie hatten auch unterschiedliche Ziele. Vergessen
    wir doch Folgendes nicht, wenn wir damit schon anfan-
    gen: Das Auseinanderfallen Jugoslawiens und die Art und
    Weise, wie dies geschehen ist, waren ein großer Destabi-
    lisierungsfaktor für den Frieden, die Sicherheit und die
    ökonomische Entwicklung in Europa. Aber an diesem
    Auseinanderfallen war ja nicht nur Jugoslawien, sondern
    waren auch Regierungen außerhalb Jugoslawiens betei-
    ligt. Das ist auch eine Wahrheit.


    (Beifall bei der PDS)

    Tudjman war ebenso ein Nationalist wie Milosevic.

    Aber es wurde – nicht von Ihnen, aber von Ihrer Vorgän-
    gerregierung – stets zwischen den beiden unterschieden:
    Der eine blieb immer ein Guter, auch als Kriegsverbrechen
    in Bosnien-Herzegowina begangen wurden, während der
    andere zum Ungeheuer hochstilisiert wurde.

    Ich bin gegen jede Verharmlosung der Verbrechen von
    Milosevic. Wir wollen genau wie Sie, dass er dafür zur
    Verantwortung gezogen wird.


    (Beifall bei der PDS)

    Ich bin aber auch dagegen, ihn durch maßlose Übertrei-
    bungen sozusagen zu benutzen und zu instrumentalisie-
    ren,


    (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Na, na, na!)





    Bundesminister Joseph Fischer

    15835


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    um sich durch maßlose Übertreibungen gerade in den ei-
    genen Reihen eine Zustimmung zu organisieren, von der
    man befürchtet hatte, sie nicht zu bekommen.


    (Beifall bei der PDS)

    Das zieht sich bis heute durch und wird täglich deutlicher.

    Auch der Vergleich mit dem Apartheidsystem in Ihrer
    Antwort – es ist mir unangenehm, darauf hinweisen zu
    müssen – stimmt natürlich nicht. Das wissen Sie doch. Es
    gab kein Verbot von Eheschließungen. Soweit es Wahlen
    gab, konnten die Angehörigen der Minderheiten daran teil-
    nehmen. Auf Bänken durften sie auch sitzen. Was sollen
    also immer diese unsinnigen Vergleiche? Die tatsächlichen
    Verhältnisse waren doch schlimm genug. Machen Sie es
    doch nicht immer schlimmer, als es in Wirklichkeit war.


    (Beifall bei der PDS – Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gab das Universitätsgesetz!)


    Nun noch einige Bemerkungen zu Alternativen.
    Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einschließlich
    Russlands und Chinas wäre zu Sanktionen bereit gewe-
    sen. Es gab vorher praktisch nur Sanktionen im Hinblick
    auf Rüstungsexporte bzw. Rüstungsimporte. Wirtschafts-
    sanktionen wurden nicht beschlossen.

    Darf ich Sie daran erinnern, dass die Europäische
    Union zwei Wochen nach Beginn des Krieges Sanktionen
    gegen Jugoslawien beschlossen hat? Wer hat denn die Eu-
    ropäische Union daran gehindert, das drei oder sechs Mo-
    nate vorher zu tun?


    (Beifall bei der PDS)

    Das hätte erfordert, auf der einen Seite eine Drohung

    aufzubauen und auf der anderen Seite dann auch eine Per-
    spektive. Wo war damals das Angebot an die Bundesre-
    publik Jugoslawien und an Serbien? Es hätte lauten kön-
    nen: Wenn ihr eine demokratische Entwicklung nehmt, ist
    euch der Weg nach Europa bis hin zur Europäischen
    Union geöffnet.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Da wollte doch der Milosevic gar nicht hin!)


    Das, was Bismarck noch machte, nämlich mit Zuckerbrot
    und Peitsche vorzugehen, hat es in diesem Fall nie gegeben.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Wir haben doch hier keine Märchenstunde!)


    – Ich will ja nicht sagen, dass ich ein Anhänger Bismarcks
    bin.


    (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Sie sind doch klüger, als Sie tun!)


    Außerdem hätte man auch in Rambouillet einen unter-
    zeichnungsfähigen Vertrag vorlegen können. Es ist heute
    auch unstrittig, dass der vorgelegte Vertrag dies nicht war.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: In der PDS mag das unstrittig sein!)


    Insofern glaube ich nicht an die Alternativlosigkeit.
    Wenn Sie, Herr Schwarz-Schilling, sagen, jetzt wisse

    jeder mordende Diktator, dass die NATO eingreifen
    werde, so ist das Unsinn. Wer weiß denn das? Greift die

    NATO in Afghanistan ein? Das ist doch alles Quatsch.
    Das ist eine völlig selektive Wahrnehmung der Welt.


    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb, Herr Braun, sage ich Ihnen: Das, was Sie ge-

    sagt haben, hat mich wirklich erschüttert, weil Sie damit
    wahrscheinlich sogar einen der wahren Gründe genannt
    haben. Sie haben gesagt, wenn das so weitergegangen
    wäre, hätte Deutschland wahrscheinlich 500 000 kosovo-
    albanische Flüchtlinge aufnehmen müssen. Das hätte
    dazu geführt, dass der Rechtsextremismus in Deutschland
    erfolgreich gewesen wäre. Das heißt, weil Sie die Ko-
    sovo-Albaner nicht in Deutschland haben wollten, mein-
    ten Sie, man müsse Belgrad bombardieren.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Das habe ich nicht gesagt!)


    Das ist schon eine sehr merkwürdige Begründung.

    (Zuruf von der SPD: Ein unzulässiger Schluss!)

    Ich nenne Ihnen noch etwas, was mich wirklich ärgert:

    Das ist die selektive Wahrnehmung auch von Resolutio-
    nen des UN-Sicherheitsrates.


    (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das, was Sie jetzt gemacht haben, war mehr als selektiv! Das ist ja sogar unzutreffend!)


    Erstens hatte die entsprechende Resolution nicht nur
    Forderungen an Jugoslawien gestellt, sondern zum Bei-
    spiel auch festgelegt, dass die UCK nicht von außen fi-
    nanziell oder mit Waffen unterstützt werden soll. Das Geld
    für die UCK floss die ganze Zeit über, vornehmlich aus der
    Schweiz und aus Deutschland. Ich kann nicht einschätzen,
    ob wir nicht in der Lage oder nicht willens waren, die Re-
    solution umzusetzen. Auf jeden Fall ist es nicht geschehen.

    Zweitens wurde festgelegt, dass die UCK zu entwaff-
    nen ist. Das hat nie wirklich stattgefunden.

    Drittens wurde festgelegt, dass die Grenze zu Mazedo-
    nien zu schützen ist. Das hat bis heute nicht wirklich statt-
    gefunden.

    Im Verfassungsschutzbericht Bayerns war die UCK
    schon Anfang der 90er-Jahre als extremistische Organisa-
    tion erfasst. Ich erwähne das nur einmal, weil wir später
    nicht nur mit ihnen verhandelt, sondern weil wir sie unter-
    stützt haben, weil sie ausgerüstet worden sind und weil sie
    natürlich bestimmte Ziele verfolgen – jetzt auch in Süd-
    serbien und in Mazedonien –, die auch Sie nicht gut-
    heißen. Ich meine, das hat auch etwas mit diesem Krieg
    zu tun.

    Ich sage nicht, dass die Ursache aller Probleme auf
    dem Balkan der Krieg ist. Ich sage nur: Dieser Krieg war
    nicht nur völkerrechtswidrig, sondern er hat auch die dor-
    tigen Probleme nicht gelöst, sondern sie zum Teil ver-
    schärft. Er hat das militärische Denken weiter geschürt,
    statt nach politischen Lösungen zu suchen.


    (Beifall bei der PDS – Rita Grießhaber [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so ein Quatsch!)


    Das ist meine Kernkritik.




    Dr. Gregor Gysi
    15836


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    (A)



    (B)