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    Tagesordnungspunkt 14: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS: Gegen Rechtsextremismus, Frem- denfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Nachhaltige Bekämp- fung von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Vogt (Pforzheim), Ernst Bahr, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Cem Özdemir, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gegen Rechtsextremis- mus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Handeln gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeind- lichkeit und daraus resultieren- der Gewalt (Drucksachen 14/5456, 14/4067, 14/3516, 14/3106, 14/4145, 4/5695) 15801 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Bekämpfung des politischen Extremismus (Drucksachen 14/295, 14/1556) . . . . . 15801 C Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 15804 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 15804 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15807 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 15809 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15811 C Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 15812 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 15813 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15814 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 15815 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 15818 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 15819 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur Neuordnung des Gerichtsvoll- zieherkostenrechts – GvKostRNeuOG (Drucksachen 14/3432, 14/4913, 14/5385, 14/5685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Plenarprotokoll 14/162 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 162. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. März 2001 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung derVerordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobenen Daten (Drucksachen 14/4721, 14/5142, 14/5384, 14/5686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Tagesordnungspunkt 15: Große Anfrage der Fraktion der PDS: Kriegsbilanz (Drucksachen 14/3047, 14/5677) . . . . . . . 15821 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 15822 A Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 15823 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 15824 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 15824 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15826 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . . 15828 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15830 A Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 15831 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 15833 A Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15835 B Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Doris Barnett, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Jobrotation im Arbeitsförderungs- recht verankern – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bessere Erwerbsaus- sichten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksachen 14/5245, 14/2909, 14/5608) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15838 B Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15840 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15840 D Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15841 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15844 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15845 B Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Dr. Heinz Riesenhuber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Steuerliche Rahmenbe- dingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock options) verbessern Drucksache 14/5318) . . . . . . . . . . . . . 15846 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Keine Steuer beim Aktien- tausch (Drucksache 14/3009) . . . . . . . . . . . . . 15846 C Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . . 15846 C Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15848 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . . . . . . . . 15850 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15851 B Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 15852 C Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15854 B Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Sonderprogramm zur Sicherung und Erhöhung des Ni- veaus der Landes- und Hochschulbiblio- theken am Wissenschafts- und For- schungsstandort Deutschland (Drucksache 14/5105) . . . . . . . . . . . . . . . 15855 B Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15855 C Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15856 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 15857 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 15857 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15859 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15860 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15861 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15863 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 15865 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001II Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremden- feindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15866 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitar- beiter (stock options) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 III 15867 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 Jörg Tauss 15863 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15865 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30.03.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 30.03.2001** Dr. Blank, CDU/CSU 30.03.2001*** Joseph-Theodor Bodewig, Kurt SPD 30.03.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 30.03.2001 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 30.03.2001 Herta Friedhoff, Paul K. F.D.P. 30.03.2001 Griefahn, Monika SPD 30.03.2001 Hartnagel, Anke SPD 30.03.2001 Hempelmann, Rolf SPD 30.03.2001 Heubaum, Monika SPD 30.03.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Hofbauer, Klaus CDU/CSU 30.03.2001 Homburger, Birgit F.D.P. 30.03.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 30.03.2001 Ibrügger, Lothar SPD 30.03.2001 Irber, Brunhilde SPD 30.03.2001 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 30.03.2001 Kirschner, Klaus SPD 30.03.2001 Klappert, Marianne SPD 30.03.2001 Dr.-Ing. Krüger, Paul CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lamers CDU/CSU 30.03.2001 (Heidelberg), Karl A. Lengsfeld, Vera CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 30.03.2001 Klaus W. Louven, Julius CDU/CSU 30.03.2001 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30.03.2001 Erich Mascher, Ulrike SPD 30.03.2001 Mattischeck, Heide SPD 30.03.2001 Meckel, Markus SPD 30.03.2001*** Neumann (Gotha), SPD 30.03.2001 Gerhard Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Poß, Joachim SPD 30.03.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Rachel, Thomas CDU/CSU 30.03.2001 Robbe, Reinhold SPD 30.03.2001 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 30.03.2001 Hannelore Schloten, Dieter SPD 30.03.2001 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Schmidt-Zadel, Regina SPD 30.03.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.03.2001 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 30.03.2001 Schuhmann (Delitzsch), SPD 30.03.2001 Richard Dr. Schuster, R. Werner SPD 30.03.2001 Singhammer, Johannes CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 30.03.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 30.03.2001 Thönnes, Franz SPD 30.03.2001 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 30.03.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 30.03.2001 Wissmann, Matthias CDU/CSU 30.03.2001 Wistuba, Engelbert SPD 30.03.2001 Wohlleben, Verena SPD 30.03.2001 Wolf, Aribert CDU/CSU 30.03.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 30.03.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO **** für die Teilnahme an der 105. Jahreskonferenz der Interparlamen- tarischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht **** Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) Ulla Jelpke (PDS):Die Entschließung ist ein wichti- ges Signal für den gemeinsamen Kampf gegen Rechtsex- tremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt. Sie ist deshalb hoffentlich auch eine Ermutigung für den zivilen, den gesellschaftlichen Widerstand gegen den menschenverachtenden Neofaschismus. Ich unter- stützte sie. Ich sage aber auch: Wenn es uns gemeinsam gelungen wäre, dafür zu sorgen, dass endlich auch die Opfer der NS-Zwangsarbeit etwas Geld bekommen, dann hätte unsere heutige Entschließung sicher eine größere Tragweite, wäre das Eintreten der deutschen Politik und Gesellschaft gegen Rechtsextremismus glaubwürdiger. Die Entschließung ist auch eine klare Absage an Ver- suche der CDU/CSU, den Kampf gegen Rechtsextremis- mus zu ersetzen durch eine scheinbar gleichgewichtige Bekämpfung gegen „Extremismus“ von links und rechts, durch schärfere Strafgesetze und durch eine Einschrän- kung des Versammlungsrechts. Die CDU/CSU will die PDS aus dem gemeinsamen Bündnis gegen rechts ausgrenzen und den Kampf gegen Neofaschismus für die Einschränkung von Bürgerrechten und den Ausbau von Polizei und Geheimdiensten instru- mentalisieren. Die Gleichsetzung von rechts und links ist ein demagogischer Trick der Konservativen, der zur Ba- gatellisierung des Rechtsextremismus führt, während die Sicherheitsorgane die angeblichen Gefahren von links aufbauschen und ihre Repression gegen Linke verstärken. Das war schon immer falsch und verwerflich. Fast einhundert Menschen sind in den letzten Jahren durch braune Gewalt gestorben. Wie viele dieser Men- schen könnten noch leben, wenn die Bagatellisierung der rechten Gewalt früher korrigiert worden wäre? Die Verantwortung für diese falsche Politik trifft aber nicht nur die alte Regierung aus CDU/CSU und F.D.P. Auch die neue Regierung und ihr Innenminister Schily setzen diese falsche Politik fort, bagatellisieren weiter rechte Gewalt, verbreiten weiter falsche Zahlen über die Todesopfer der Neonazis und diffamieren antifaschisti- sche Organisationen wie die VVN-BdAund den Bund der Antifaschisten. Auch zu einer Verschärfung der Strafgesetze gegen rechts besteht kein Grund – nicht nur, weil die bestehen- den Gesetze völlig ausreichen. Abbau von Bürgerrechten, um so angeblich Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Nötig sind nicht weniger, sondern mehr Bürgerrechte, vor allem für Flüchtlinge, für Migrantinnen und Migranten, die Hauptopfer rechter Gewalt waren und sind. Ich habe als Berichterstatterin meiner Fraktion im In- nenausschuss an der Formulierung der Entschließung mitgewirkt. Dabei ist es gelungen, wichtige Anliegen wie den Ausbau des Opferschutzes, ein Plädoyer für eine un- abhängige Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die zumindest verbale Unterstüt- zung von Bündnissen gegen rechts und andere Anliegen zu einem Votum aller Fraktionen zu machen, die diese Re- solution nun unterstützen. Aber es gibt auch weiter viele berechtigte Kritik. In vielen Bereichen ist die Entschlie- ßung noch immer von Eigenlob der Regierung durchzo- gen. Statt klarer Aufträge gibt es Bitten, Empfehlungen, Ratschläge. Für Basisinitiativen, Bündnisse gegen rechts, antifaschistische Initiativen, Einrichtungen zur Flücht- lingshilfe und demokratische Jugendprojekte gibt es gute Worte, aber viel zu wenig Geld. Ohne die gesellschaftlichen Initiativen und Organisatio- nen, ohne die Anstrengungen von vielen Menschen wird es keine Erfolge gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeind- lichkeit und Antisemitismus geben. Der Kampf gegen rechts darf nicht an Behörden, an Polizei und Geheimdiens- te delegiert werden. Bündnisse gegen rechts, antirassisti- sche und antifaschistische Initiativen, die vor Ort tätig sind, sind das A und O des Kampfes gegen rechts. Die Gering- schätzung, die die Bundesregierung diesen Initiativen noch immer entgegenbringt, indem sie ihnen kein Geld, keine Unterstützung gewährt, ist ein schwerer Fehler. Auch die Auffassung, Rechtsextremismus sei sozial begründet oder könne durch soziale Maßnahmen zurück- gedrängt werden, ist für mich falsch. Rechtsextremismus ist vor allem ideologisch und politisch begründet. Hier muss die Auseinandersetzung ansetzen und geführt wer- den. „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbre- chen“, „Nazis raus aus den Köpfen!“ sind dazu richtige Forderungen. Ein entscheidender Schritt für den Kampf gegen rechts steht weiter aus. Wer Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft wirklich bekämpfen will, der muss auch die staatliche Flüchtlings- und Migrationspolitik end- lich grundlegend korrigieren. Denn diese Politik ist selbst rassistisch und fremdenfeindlich. Die Reform des Staats- bürgerschaftsrechts ist ein Flop. Die Hoffnungen vieler Migrantinnen und Migranten, nicht mehr Menschen zwei- ter Klasse zu sein, sind enttäuscht worden. Die ausländer- feindlichen Kampagnen gehen weiter. Selbst in der EU steht diese Regierung bei allen Reformversuchen, die mehr Menschenrechte für Flüchtlinge und Migranten er- reichen wollen, weiter auf der Bremse. Ich nenne nur die Blockade der Reform des Familiennachzugs, ich nenne die Weigerung der Bundesregierung, die Konvention des Eu- roparats zur Staatsbürgerschaft mit ihrer Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft zu unterzeichnen, ich nenne weiter die UN-Konvention über die Rechte der Wander- arbeiter, die die Regierung nicht ratifizieren will. Solange Flüchtlinge weiter an den Grenzen abgewehrt oder in Abschiebehaft gesteckt und gewaltsam abgescho- ben werden, das Asylbewerberleistungsgesetz und andere rassistische Gesetze weiter in Kraft sind, so lange werden braune Gewalttäter weiter behaupten, sie vollstreckten mit ihren Gewalttaten nur den stillschweigenden Willen der Mehrheit der Menschen in diesem Land. Auf diesem wichtigen Feld bringt die heutige Entschließung keine Verbesserung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115866 (C) (D) (A) (B) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewäh- rung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock op- tions) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Dr. Barbara Höll (PDS): Wenn man den CDU/ CSU-Antrag liest, möchte man meinen, die Entlohnung über Aktienoptionen solle steuerlich begünstigt werden. Das ist nicht ganz korrekt. Denn die CDU/CSU möchte nicht nur schlechthin eine Begünstigung von Aktienoptio- nen, sondern sie möchte diese noch mehr begünstigen. In Ihrem Antrag unterschlagen Sie nämlich, dass schon jetzt Aktienoptionen steuerlich subventioniert werden. Die Hauptursache liegt in der gerade verabschiedeten Un- ternehmensteuerreform, nach der Unternehmensgewinne deutlich niedriger besteuert werden als Löhne und Gehäl- ter. Aber das reicht der CDU/CSU noch nicht. Sie möchte gern noch draufsatteln. Vielleicht einigen Sie sich doch einmal auf eine Linie in Ihrer Steuerpolitik. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie gerade den Vorschlag für eine große Steuerreform im Parlament eingebracht, die mit allen Steuerprivilegien und steuerlichen Subventio- nen aufräumen wollte. Aber schauen wir uns etwas näher an, was Ihnen so am Herzen liegt. Aktienoptionen sind besonders risikoanfäl- lig – da die Bewertung von Aktien durch die Börse erfolgt. Wie die jüngste Entwicklung zeigt, reflektiert der Bör- senwert in den seltensten Fällen den wirklichen Wert und die Erfolgsaussichten eines Unternehmens. Hier fließen subjektive Erwartungen, spekulative Überhöhungen bzw. Untertreibungen ein, die oft mit der wirklichen Wirt- schaftssituation des jeweiligen Unternehmens kaum et- was zu tun haben. Und dies gilt in besonderen Maße für die viel gerühm- ten Unternehmen der New Economy. Ein Bruchteil der Unternehmen des Neuen Marktes erwirtschaftete in den vergangenen Jahren Gewinn. Trotzdem stiegen die Kurse ins Unermessliche. Diesem rasanten Anstieg folgte – wie nicht anders zu erwarten – ein rasanter Fall. Hinzu kommt bei diesen Unternehmen, dass ihre Pflichten zur Offenle- gung der wirtschaftlichen Situation unzureichend ausge- staltet sind. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die betrügerischen Aktivitäten von Geschäftsführungen ge- rade von Unternehmen des Neuen Marktes. Die Zeitun- gen der letzten Wochen sind voll von Meldungen, wonach die „Bosse“ von so genannten New Economy-Unterneh- men rechtzeitig vor dem Sinken der Börsenkurse große Ak- tienpakete verkauft haben. So verkaufte der EM.TV- Boss Anteile für 20 Millionen Euro, der Intertainment-Boss Aktien im Wert von über 2 Millionen Euro. Während die Mitarbeiter dann in aller Regel auf ihren Optionen festsitzen und sich nicht einfach aus dem Un- ternehmensrisiko zurückziehen können, haben das ihre Bosse schon längst getan. Und damit nicht genug: Mit dem massenhaften Verkauf eigener Anteile wird weiter Druck auf die Börsenkurse ausgeübt und der Lohnraub dadurch noch erhöht. Angesichts dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass selbst im gelobten Land der New Economy – nach kurzer Euphorie – die Entlohnung über Aktienoptionen die Beschäftigten kaum noch wirklich beeindruckt. Die Beschäftigten wollen sich auch in der New Economy nicht mehr auf imaginäre Zukunftsaussichten vertrösten lassen – sie wollen für ihre Arbeit zum Zeitpunkt ihrer Ar- beit das Geld sehen, dass ihnen zusteht. Ganz im Zeichen der verrufenen Old Economy fordern sie Betriebsräte ein, bilden zur Durchsetzung ihrer Forderungen gewerk- schaftliche Vertretungen. Es ist ganz in der Tradition der CDU/CSU, dass Sie diesen Lohnraub mit steuerlichen Instrumenten auch noch fördern wollen, dass Sie nun auch die Löhne der Speku- lation und Betrug aussetzen wollen. Dies lehnen wir aber ab. Ähnlich verhält es sich mit dem F.D.P.-Antrag zur Steuerfreiheit des Aktientauschs. Es reicht der F.D.P. nicht, dass Spekulationsgewinne nur zur Hälfte besteuert werden. Nein, sie möchte – zumindest, wenn Aktien ge- gen Aktien verkauft werden – diese gänzlich von der Ein- kommensteuer befreien. Sie ignoriert dabei gänzlich, dass diese Aktien oftmals gerade in Hinblick auf eine zu er- wartende Fusion und die damit einhergehenden Kursstei- gerungen erworben wurden. Das Bild, das die F.D.P. uns hier von dem armen Aktionär zeichnen will, der sich völ- lig überraschend und hilflos einer Fusion ausgesetzt sieht, ist doch etwas ergänzungsbedürftig. Begründet wird das alles mit der Ungleichbesteuerung von privaten Spekulationsgewinnen und Gewinnen der Kapitalanlagegesellschaften. Mit der Unternehmensteu- erreform des Herrn Minister Eichel sind Gewinne von Ka- pitalgesellschaften aus der Veräußerung von Untenehmen steuerfrei gestellt, während kurzfristige Spekulationsge- winne des Privatanlegers besteuert werden – wenn auch nur zur Hälfte Die F.D.P. sollte, wenn ihr die Gleichbesteuerung wirk- lich so sehr am Herzen liegt, mit der Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne von großen Konzernen, Banken und Versicherungen aufräumen. Das wäre wirklich ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und Besteuerungs- gleichheit! Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15867 (C) (D) (A) (B) Finanzausschuss Drucksache 14/4309 Nr. 1.39 Drucksache 14/5172 Nr. 2.14 Drucksache 14/5172 Nr. 2.87 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/671 Nr. 1.5 Drucksache 14/4441 Nr. 1.26 Drucksache 14/4570 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.61 Drucksache 14/5172 Nr. 2.99 Drucksache 14/5281 Nr. 2.13 Drucksache 14/5281 Nr. 2.14 Drucksache 14/5281 Nr. 2.15 Drucksache 14/5363 Nr. 2.16 Drucksache 14/5363 Nr. 2.17 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5172 Nr. 2.80Drucksache 14/5281 Nr. 2.11Drucksache 14/5281 Nr. 2.19 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/1617 Nr. 2.30 Drucksache 14/3428 Nr. 1.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.3 Drucksache 14/4170 Nr. 2.4 Drucksache 14/4170 Nr. 2.5 Drucksache 14/4170 Nr. 2.6 Drucksache 14/4170 Nr. 2.7 Drucksache 14/4170 Nr. 2.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.9 Drucksache 14/4170 Nr. 2.10 Drucksache 14/4170 Nr. 2.11 Drucksache 14/4170 Nr. 2.12 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5281 Nr. 2.2 Drucksache 14/5281 Nr. 2.4 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4865 Nr. 2.1 Drucksache 14/5363 Nr. 2.9 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5114 Nr. 2.6 Drucksache 14/5281 Nr. 3.2 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4945 Nr. 2.21 Drucksache 14/4945 Nr. 2.22 Drucksache 14/5172 Nr. 2.40 Drucksache 14/5172 Nr. 2.27 Drucksache 14/5172 Nr. 2.28 Drucksache 14/5172 Nr. 2.43 Drucksache 14/5172 Nr. 2.75 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/4309 Nr. 1.13 Drucksache 14/5172 Nr. 2.42 Drucksache 14/5172 Nr. 2.72 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/5114 Nr. 1.2 Drucksache 14/5114 Nr. 1.3 Drucksache 14/5114 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 1.3 Drucksache 14/5363 Nr. 1.1 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/4570 Nr. 1.4 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115868 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Winfried Nachtwei


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Seit
    Wochen und Monaten erleben wir im Kosovo und in den
    Anrainerregionen des Kosovo eine gefährlich zuneh-
    mende Gewalt. Da stellt sich natürlich die Frage: Was soll
    in einem solchen Moment eine Debatte über den Kosovo-
    Krieg vor zwei Jahren? Die Antwort darauf ist einfach:




    Christian Schmidt (Fürth)

    15826


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    weil die Beschäftigung mit den Erfahrungen des Kosovo-
    Krieges sehr hilfreich ist, um zu einer wirksameren Kri-
    seneindämmung und Gewaltvorbeugung zu kommen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die erste Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik
    Deutschland war eine historische Zäsur und – wir erin-
    nern uns deutlich – heiß umstritten, auch hier im Haus,
    aber vor allem in der Gesellschaft.

    Was die Aufarbeitung des Kosovo-Krieges angeht,
    so haben wir, wie ich meine, einen unübersehbaren Nach-
    holbedarf; denn auf der einen Seite steht die Verdrängung
    durch die Gesellschaft, aber auch durch die Politik, und
    auf der anderen Seite eine rechthaberisch orientierte Aus-
    einandersetzung. Was verhältnismäßig zu kurz kommt, ist
    die schlichte, aber äußerst schwierige Suche nach der
    Wahrheit. Vorhin sind – auch vom Kollegen Brecht – sehr
    wichtige, unabhängige Kommissionsberichte von der
    OSZE und von der Independent International Commis-
    sion on Kosovo genannt worden, die bei dieser Wahr-
    heitssuche sehr hilfreich sein können. Auch die heute zur
    Diskussion stehende Antwort der Bundesregierung auf
    die Große Anfrage der PDS soll einen Beitrag zur Wahr-
    heitsfindung leisten.

    In der letzten Zeit sind zunehmend Publikationen er-
    schienen, in denen bestritten wird, dass damals, Anfang
    1999, eine humanitäre Katastrophe gedroht hat. In diesen
    Publikationen wird behauptet, es habe einen schlimmen
    Bürgerkrieg gegeben, der aber keine – vor allen Dingen
    durch das Milosevic-Regime verursachte – humanitäre
    Katastrophe hervorgerufen habe.


    (Zuruf von der PDS: Richtig!)

    Die Antwort der Bundesregierung macht zu Recht ei-

    niges deutlich, nämlich dass Krieg und Vertreibung im
    Kosovo nicht erst am 24. März 1999 begannen,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P.)


    sondern dass der Nährboden der Gewalt durch das serbi-
    sche Apartheidregime gegen die Kosovo-Albaner seit An-
    fang der 90er-Jahre gelegt wurde.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: So ist es!)


    Es gab also einen Vorlauf von ungefähr zehn Jahren.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN)

    Nach diesen unabhängigen Untersuchungsberich-

    ten begannen die offenen Kämpfe und gezielten Vertrei-
    bungen ungefähr im März 1998 mit sehr vielen Vertriebe-
    nen und mit auf ungefähr 1 000 geschätzten getöteten
    Zivilisten auf kosovo-albanischer Seite. Es gab ungefähr
    400 000 bis 500 000 Flüchtlinge und Vertriebene. Eine
    Wiederverschärfung der Kämpfe und Vertreibungen gab
    es seit Anfang 1999. Auch dies ist vom UNHCR und an-
    deren eindeutig belegt.

    Schließlich gab es die Erinnerung der Staatengemein-
    schaft, geteilt von der Mehrheit dieses Hauses, an den

    Bosnienkrieg, wo die Staatengemeinschaft zu spät ge-
    kommen war und – daran denken viele heute nicht –
    200 000 Menschen umgebracht worden sind.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


    Das steckte uns allen in den Knochen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Allerdings wird auch immer deutlicher, dass das Kon-
    fliktmuster der Kämpfe und bewaffneten Auseinander-
    setzungen im Kosovo komplexer war, als es damals teil-
    weise in der Öffentlichkeit verbreitet wurde oder als es
    heutzutage von manchen Kritikern des NATO-Krieges
    behauptet wird. Die Bundesregierung deutet in ihrer Ant-
    wort dieses komplexere Konfliktmuster an, indem darin
    von dem bekannten Schema des unverhältnismäßigen
    Vorgehens serbischer Sicherheitskräfte als Reaktion auf
    UCK-Aktivitäten die Rede ist.

    In dem vorhin schon genannten WDR-Film wird das
    Beispiel des Ortes Rogovo gebracht, wo am 29. Ja-
    nuar 1999 24 tote Kosovo-Albaner gefunden wurden. In
    dem WDR-Film wird behauptet, das seien schlimme, aber
    normale Bürgerkriegsauseinandersetzungen gewesen. Ich
    habe noch gestern mit einem deutschen Polizeibeamten
    gesprochen, der dort bis zum Erstellen des Abschlussbe-
    richtes ermittelt hat, der nach Den Haag gegangen ist. Er
    hat gesagt: Als sie dort hinkamen, hätten sie einen toten
    serbischen Polizisten, sechs UCK-Kämpfer und darüber
    hinaus viele eindeutig willkürlich exekutierte Zivilperso-
    nen gefunden. – Der Fall Rogovo ist beispielhaft für das
    übliche Konfliktmuster. Von der Independent Internatio-
    nal Commission on Kosovo wird das zusammengefasst
    mit der Beschreibung: ein Gemenge von bewaffnetem
    Aufstand, staatlicher Aufstandsbekämpfung und Krieg,
    der so genannten ethnischen Säuberung, gegen die Zivil-
    bevölkerung.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das ist eben Bürgerkrieg! – Gegenruf des Abg. Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Herr Gehrcke, was soll diese Verniedlichung?)


    – Wenn man genauer hinhört, weiß man, was ich eben ge-
    sagt habe.

    Die bemerkenswerte BBC-Dokumentation „Bomben
    und Moral“ konstatiert, das sei eine bewusste Eskalations-
    strategie der UCK gewesen, die terroristische Antiterror-
    einsätze der serbischen Kräfte bewusst einkalkuliert habe.
    Hier stellt sich in der Tat die Frage, ob die Staaten-
    gemeinschaft das damals gebührend berücksichtigt hat.

    Zu den Kriegsopfern und den Kriegsschäden! Die
    Wahrnehmung der Kriegsopfer und Kriegsschäden fällt
    offenkundig schwer, und zwar einmal wegen objektiver
    Ermittlungsprobleme, aber auch wegen gegenläufiger
    Interessen, die die Wahrnehmung erschweren. Für eine
    Demokratie sollte eine offene Erfassung der Kriegsopfer
    aller Seiten selbstverständlich sein. Gestützt auf die Un-
    tersuchung verschiedener internationaler Organisationen
    macht die Bundesregierung konkrete Angaben zu den




    Winfried Nachtwei

    15827


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Flüchtlingszahlen und zu den Gesamtopferzahlen auf ko-
    sovo-albanischer Seite. Zwischen März und Juni 1999
    sind schätzungsweise 10 000 Menschen im Kosovo von
    den serbischen Kräften umgebracht worden. Diese Zahl ist
    ein Abgleich der Informationen verschiedenster Menschen-
    rechtsorganisationen. Wenn wir die geringe Bevölkerungs-
    zahl des Kosovo mit jener der Bundesrepublik vergleichen,
    dann wird deutlich, wie gigantisch die Opferzahlen waren.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die Angaben der
    Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Opfern
    und Schäden der NATO-Luftangriffe dürftig sind. Sie
    könnten durchaus ausführlicher sein, wenn man sich ein-
    fach auf die Angaben der Independent International Com-
    mission on Kosovo stützen würde; diese hat dazu einige
    Ausführungen gemacht, zum Beispiel auch zu den Zer-
    störungen von Brücken und Industriebetrieben.

    Zu den Kriegsergebnissen: Erklärtes Ziel der NATO-
    Luftangriffe war die Verhinderung einer humanitären
    Katastrophe, also einer Neuauflage der Kämpfe und Ver-
    treibungen des Jahres 1998 auf schlimmerem Niveau;
    denn damit – das hatten wir gleichzeitig im Kopf – drohte
    ein Flächenbrand in der ganzen Region und deren umfas-
    sende Destabilisierung. Dieser umfassende regionale
    Flächenbrand wurde eindeutig verhindert. Das Problem
    daran ist allerdings, dass das eine unsichtbare Wirkung
    war. Das erste Ziel, die Verhinderung der humanitären Ka-
    tastrophe, wurde offenkundig verfehlt. Ich glaube, vor
    dieser ernüchternden Feststellung sollten wir uns nicht
    drücken.

    Zuletzt zu den Schlussfolgerungen: Die Antwort der
    Bundesregierung ist ein Beitrag zur Aufarbeitung des Ko-
    sovo-Krieges. Diese Aufarbeitung ist damit selbstver-
    ständlich keineswegs abgeschlossen. Schon angesichts
    der Begrenztheit der Fragestellungen und ihrer großen
    Voreingenommenheit bleiben viele Fragen offen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es wäre enorm interessant, der Frage nachzugehen, wel-
    che Friedenschancen bestanden. Man sollte also noch
    einmal genauer untersuchen, ob mit der OSZE-Mission
    vom Oktober 1998 bis zum März 1999 alle Möglichkei-
    ten ausgereizt worden sind.


    (Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Die sind doch abgezogen worden, weil die Sicherheitslage nicht mehr da war!)


    – Gut, das sind aber Fragen, die man noch einmal genauer
    bearbeiten sollte.

    Man hat auf jeden Fall Konsequenzen daraus gezogen,
    nämlich durch den Aufbau schnell verfügbarer ziviler
    Kräfte gerade für solche Missionen. Bisher gibt es in der
    Bundesrepublik im Unterschied zu etlichen anderen
    NATO-Staaten keine umfassende – ich betone: umfas-
    sende – Überprüfung und Bilanzierung des Kosovo-Krie-
    ges und der deutschen Beteiligung daran. Notwendig ist
    meiner Meinung nach ein gesamtgesellschaftlicher Auf-
    arbeitungsprozess, zu dem Bundestag, Bundesregierung
    und relevante gesellschaftliche Kräfte, zum Beispiel Me-
    dien und Kirchen, beitragen sollten.

    Gehört werden sollten vor allem auch die vielen Frauen
    und Männer, die im Rahmen von Beobachtungs- und Frie-
    densmissionen im Kosovo waren und bisher – so habe ich
    erfahren – kaum gefragt wurden.


    (Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fink [PDS])

    Ein solcher gesamtgesellschaftlicher Aufarbeitungs-

    prozess ist notwendige Voraussetzung, um angemessene
    sicherheits- und friedenspolitische Konsequenzen aus
    dem Kosovo-Krieg ziehen zu können, der für uns alle si-
    cherlich kein Modell, sondern abschreckendes Beispiel
    ist.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Für die
F.D.P.-Fraktion spricht der Kollege Hildebrecht Braun.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hildebrecht Braun


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsi-
    dent! Meine Damen und Herren! Die Bilanz eines Krie-
    ges zu ziehen ist für den Bundestag eine ungewohnte Auf-
    gabe. Schließlich hat sich die deutsche Bundeswehr
    erstmalig seit ihrem Bestehen an einem Friedenseinsatz
    unter Kriegsbedingungen beteiligt.

    Ich möchte das Ergebnis der Überlegungen an die
    Spitze stellen: Selten hat es in der Geschichte ein mi-
    litärisches Eingreifen gegeben, bei dem die insgesamt
    positive Bewertung deutlicher auf der Hand liegt als im
    Kosovo-Konflikt. Ich will folgende Punkte herausstellen:

    Erstens. Seit dem Eingreifen der NATO im Kosovo
    müssen die Millionen von Menschen in der Region, die
    nicht Serben sind, nicht mehr in Angst vor serbischer Ag-
    gression leben. Das ist das wichtigste Ergebnis. Bosnier,
    Albaner, Ungarn, aber auch Kroaten, Slowenen und Bul-
    garen leben als friedliche Nachbarn zu einem friedlichen
    Serbien. Großserbische Bestrebungen und damit einher-
    gehende Bedrohungen der nationalen Identität der Nach-
    barn, aber auch des Lebens der Menschen in diesen Län-
    dern sind Vergangenheit.

    Zweitens. Eine Million Kosovo-Albaner, die von Ser-
    ben vertrieben oder vergewaltigt wurden, die im Winter
    im Wald vor marodierenden Banden paramilitärischer
    serbischer Verbände Schutz suchen mussten, können ru-
    hig in ihrem Land leben.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie waren die am meisten betroffenen Opfer serbischer
    Aggression seit 1988, als dieser unselige Milosevic, ge-
    tragen von der zwanghaften Vorstellung, Kosovo-Albaner
    seien Menschen minderen Rechts, die auf eigentlich
    urserbischem Territorium – so sah er damals die Dinge –
    nichts zu suchen hätten, mit der Unterdrückung begann.

    Drittens. Es ist gelungen, diesen geschundenen Men-
    schen, deren Häuser gebrandschatzt und deren Felder ver-
    mint wurden, ihre Heimat wiederzugeben. Sie haben erst-
    malig eine Chance, ein freies Land mit Zukunft




    Winfried Nachtwei
    15828


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    aufzubauen. Dies ist die direkte Folge des NATO-Ein-
    greifens in Jugoslawien.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Viertens. Dass in Serbien und im Kosovo jetzt demo-

    kratische Strukturen entweder schon bestehen oder im
    Entstehen begriffen sind, ist eine weitere direkte Folge
    des NATO-Militärschlags. Es glaube doch keiner, dass es
    der Diktator Milosevic, der die Presse und die elektroni-
    schen Medien seines Landes beherrschte, zugelassen
    hätte, dass die Bürger seines Landes objektiv informiert
    und aufgrund dieser Informationen zu einer anderen poli-
    tischen Haltung gekommen wären. Er säße nach wie vor
    im Sattel und würde nicht nur sein Land, sondern auch die
    Nachbarländer terrorisieren. Dieser Spuk ist nun vorbei.


    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Fünftens. Der gesamte Balkan hat seit dem Kosovo-

    Krieg eine völlig neue Perspektive. Das Heranrücken an
    die Europäische Union gibt den jungen Menschen im
    Balkan Zuversicht und eine Perspektive für das Verblei-
    ben im Lande. Anstelle der totalen Depression und Zu-
    kunftslosigkeit ist Hoffnung auf den Anschluss an die
    Standards der westlichen Welt getreten. Dies betrifft alle
    Länder des Balkans und stellt eine Wende zum Besseren
    von größter Tragweite dar.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Sechstens. Der Balkan ist seit Jahrhunderten ein Kon-

    fliktherd erster Ordnung. Seit eineinhalb Jahren besteht
    die Aussicht, dass eine gerechte Friedensordnung an die
    Stelle des Rechts des jeweils Stärkeren tritt.

    Siebtens. Wir alle wissen, dass Millionen Kosovo-Al-
    baner – auch das sollten wir im Kopf haben –, die ihr Land
    wegen der serbischen Aggression verlassen mussten,
    nicht etwa in Mazedonien oder in Albanien geblieben
    wären. Sie wären als Flüchtlinge nicht zuletzt in unser
    Land gekommen und hätten die Integrationsfähigkeit und
    Integrationsbereitschaft in Deutschland schlichtweg über-
    fordert. Was das für das friedliche Zusammenleben der
    Menschen in unserem Land bedeutet hätte, mag sich jeder
    selbst ausdenken. Um es etwas konkreter zu sagen: Es
    glaube keiner, es wäre gelungen, die Republikaner aus
    dem Landtag von Baden-Württemberg herauszuhalten,
    wenn wir zusätzlich eine halbe Million Kosovo-Albaner
    im Lande gehabt hätten.


    (Beifall bei der F.D.P. – Angela Marquardt [PDS]: Das ist ja widerlich!)


    Achtens. Auch international hat das Eingreifen der
    NATO langfristige Wirkungen. Der Sicherheitsrat der
    Vereinten Nationen ist handlungsfähiger geworden. Ich
    glaube, die Annahme, dass die Grundsätze der Charta der
    UN wieder stärker als die nationalen Interessen zweier
    ständiger Mitglieder im Mittelpunkt stehen, dürfte zutref-
    fen. Haben vor dem NATO-Angriff noch Russland und
    China in völliger Verkennung ihrer Verantwortung als
    Mitglieder des Sicherheitsrates letztlich Milosevic unter-
    stützt, so wissen sie spätestens seit dem Eingreifen der
    NATO, dass sie durch ihr Veto nicht mehr Nothilfe zu-
    gunsten geschundener und unterdrückter Völker verhin-
    dern können. Die NATO hat sich als einzige funktionie-

    rende Ordnungsmacht erwiesen, die bereit und in der
    Lage ist, Völkermord entgegenzutreten. Russland und
    China wissen nun, dass sie sich durch ein Veto gegen hu-
    manitäre Hilfe nur blamieren, ohne den Gang der Ge-
    schichte aufhalten zu können.

    Dieser außerordentlich positiven Bilanz steht natürlich
    gegenüber, was wir auf der Minusseite verbuchen müs-
    sen: So sind bei den NATO-Angriffen und bei Aktionen
    der serbischen Streitkräfte circa 500 Menschen ums Le-
    ben gekommen. Natürlich bedauern wir das sehr, wissen
    aber, dass für diese Verluste an Menschenleben Milosevic
    verantwortlich ist. Bedenken wir bitte auch, wie viele
    weitere unschuldige Menschen dem Terror der verblende-
    ten Serben zum Opfer gefallen wären, wenn wir nicht ge-
    handelt hätten.

    Es wurden Einrichtungen in Serbien und im Kosovo
    zerstört, die nur mit viel Geld und viel Energie wieder auf-
    gebaut werden können. Die Bevölkerung von Serbien hat
    einen großen Preis für die schreckliche Politik ihres frühe-
    ren Diktators zahlen müssen. Der Westen, insbesondere
    die Europäische Union und unser eigenes Land, steht hin-
    ter der neuen demokratischen Regierung. Wir werden al-
    les tun, um den Wiederaufbau – nicht nur bis zum frühe-
    ren Standard, sondern in Richtung des Niveaus von ganz
    Westeuropa – zu unterstützen.


    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Wir müssen aber einräumen, dass trotz aller Bemühun-
    gen der KFOR-Streitkräfte, insbesondere auch der deut-
    schen Soldaten, Serben und andere Minderheiten im Ko-
    sovo in Angst vor Kosovo-Albanern leben. Wir müssen
    auch feststellen, dass viele Serben aus dem Kosovo ge-
    flohen sind und fliehen mussten, weil sie Angst um Leib
    und Leben hatten. Sie zahlen den größten Preis für die
    Verbrechen, die Milosevic zu verantworten hat.

    Meine insgesamt positive Bilanz des Kosovo-Krieges
    markiert aber nicht das Ende der Akte Kosovo. Es
    herrscht nicht etwa Frieden, sondern nur Abwesenheit von
    Krieg. Ich selbst habe mehrfach – im Verteidigungsaus-
    schuss und darüber hinaus – gefordert, mit der konkreten
    Friedensarbeit zu beginnen. Es darf nicht sein, dass in den
    Medien vor Ort weiterhin gegen die andere Bevölke-
    rungsgruppe gehetzt wird und dass das Ziel eines multi-
    ethnischen Kosovo in Zeitungen durch die Förderung von
    Vorurteilen und von Hass konterkariert wird.


    (Beifall bei der F.D.P.)

    Frieden muss in den Köpfen und in den Seelen der

    Menschen wachsen. Deshalb ist es vordringlich, dass in
    den Kindergärten und Schulen die Fähigkeit zum Frieden
    erlernt und geübt wird. Hier ist UNMIK gefordert.
    Deutschland muss diese Entwicklung sehr aufmerksam
    beobachten. Es darf nicht sein, dass mehrere tausend deut-
    sche Soldaten unter schwierigen Bedingungen, auch in
    den kommenden Jahren, im Kosovo Dienst tun, um Frie-
    den möglich zu machen, während vor Ort die Entwick-
    lung zum Frieden durch friedensunfähige Nationalisten
    gefährdet wird. Wir wollen, dass der Kosovo und die an-
    grenzenden Regionen nicht nur geographisch ein Teil Eu-
    ropas sind, sondern dass die Menschen im Balkan ein Teil




    Hildebrecht Braun (Augsburg)


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    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    unseres Europas werden, das für Menschenrechte, Frie-
    den und Wohlstand für alle steht.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)