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    Tagesordnungspunkt 14: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS: Gegen Rechtsextremismus, Frem- denfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Nachhaltige Bekämp- fung von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit – zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Vogt (Pforzheim), Ernst Bahr, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Annelie Buntenbach, Cem Özdemir, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gegen Rechtsextremis- mus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt – zu dem Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der F.D.P.: Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS: Handeln gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeind- lichkeit und daraus resultieren- der Gewalt (Drucksachen 14/5456, 14/4067, 14/3516, 14/3106, 14/4145, 4/5695) 15801 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Bekämpfung des politischen Extremismus (Drucksachen 14/295, 14/1556) . . . . . 15801 C Sebastian Edathy SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15801 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 15804 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 15804 D Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15807 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 15809 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15811 C Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 15812 C Christel Hanewinckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 15813 A Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15814 A Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 15815 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 15818 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 15819 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ge- setz zur Neuordnung des Gerichtsvoll- zieherkostenrechts – GvKostRNeuOG (Drucksachen 14/3432, 14/4913, 14/5385, 14/5685) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Plenarprotokoll 14/162 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 162. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. März 2001 I n h a l t : Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung derVerordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobenen Daten (Drucksachen 14/4721, 14/5142, 14/5384, 14/5686) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15821 C Tagesordnungspunkt 15: Große Anfrage der Fraktion der PDS: Kriegsbilanz (Drucksachen 14/3047, 14/5677) . . . . . . . 15821 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 15822 A Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 15823 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 15824 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 15824 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15826 D Hildebrecht Braun (Augsburg) F.D.P. . . . . . . . 15828 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15830 A Dr. Christian Schwarz-Schilling CDU/CSU 15831 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 15833 A Dr. Gregor Gysi PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15835 B Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Sozialordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Doris Barnett, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Ekin Deligöz, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Jobrotation im Arbeitsförderungs- recht verankern – zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Schnieber-Jastram, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Bessere Erwerbsaus- sichten für ältere Arbeitnehmer durch bessere Qualifizierung (Drucksachen 14/5245, 14/2909, 14/5608) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15837 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15838 B Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15840 C Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . . . . . . 15840 D Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15841 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15844 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15845 B Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Dr. Heinz Riesenhuber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Steuerliche Rahmenbe- dingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock options) verbessern Drucksache 14/5318) . . . . . . . . . . . . . 15846 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Keine Steuer beim Aktien- tausch (Drucksache 14/3009) . . . . . . . . . . . . . 15846 C Dr. Heinz Riesenhuber CDU/CSU . . . . . . . . . 15846 C Nina Hauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15848 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. . . . . . . . . . . . 15850 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15851 B Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 15852 C Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 15854 B Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Sonderprogramm zur Sicherung und Erhöhung des Ni- veaus der Landes- und Hochschulbiblio- theken am Wissenschafts- und For- schungsstandort Deutschland (Drucksache 14/5105) . . . . . . . . . . . . . . . 15855 B Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15855 C Dr. Peter Eckardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15856 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 15857 A Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 15857 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15859 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15860 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15861 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15863 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 15865 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001II Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ulla Jelpke (PDS) zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremden- feindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15866 A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewährung von Aktienoptionen an Mitar- beiter (stock options) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 A Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15867 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 III 15867 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 Jörg Tauss 15863 (C)(A) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15865 (C) (D) (A) (B) Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30.03.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 30.03.2001** Dr. Blank, CDU/CSU 30.03.2001*** Joseph-Theodor Bodewig, Kurt SPD 30.03.2001 Bohl, Friedrich CDU/CSU 30.03.2001 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 30.03.2001 Herta Friedhoff, Paul K. F.D.P. 30.03.2001 Griefahn, Monika SPD 30.03.2001 Hartnagel, Anke SPD 30.03.2001 Hempelmann, Rolf SPD 30.03.2001 Heubaum, Monika SPD 30.03.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Hofbauer, Klaus CDU/CSU 30.03.2001 Homburger, Birgit F.D.P. 30.03.2001 Hörster, Joachim CDU/CSU 30.03.2001 Ibrügger, Lothar SPD 30.03.2001 Irber, Brunhilde SPD 30.03.2001 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 30.03.2001 Kirschner, Klaus SPD 30.03.2001 Klappert, Marianne SPD 30.03.2001 Dr.-Ing. Krüger, Paul CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lamers CDU/CSU 30.03.2001 (Heidelberg), Karl A. Lengsfeld, Vera CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 30.03.2001 Klaus W. Louven, Julius CDU/CSU 30.03.2001 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30.03.2001 Erich Mascher, Ulrike SPD 30.03.2001 Mattischeck, Heide SPD 30.03.2001 Meckel, Markus SPD 30.03.2001*** Neumann (Gotha), SPD 30.03.2001 Gerhard Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Poß, Joachim SPD 30.03.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Rachel, Thomas CDU/CSU 30.03.2001 Robbe, Reinhold SPD 30.03.2001 Rönsch (Wiesbaden), CDU/CSU 30.03.2001 Hannelore Schloten, Dieter SPD 30.03.2001 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 30.03.2001 Schmidt-Zadel, Regina SPD 30.03.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.03.2001 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 30.03.2001 Schuhmann (Delitzsch), SPD 30.03.2001 Richard Dr. Schuster, R. Werner SPD 30.03.2001 Singhammer, Johannes CDU/CSU 30.03.2001 Dr. Freiherr von CDU/CSU 30.03.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 30.03.2001 Thönnes, Franz SPD 30.03.2001 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 30.03.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 30.03.2001 DIE GRÜNEN Dr. Westerwelle, Guido F.D.P. 30.03.2001 Wissmann, Matthias CDU/CSU 30.03.2001 Wistuba, Engelbert SPD 30.03.2001 Wohlleben, Verena SPD 30.03.2001 Wolf, Aribert CDU/CSU 30.03.2001 Zierer, Benno CDU/CSU 30.03.2001* * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO **** für die Teilnahme an der 105. Jahreskonferenz der Interparlamen- tarischen Union entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht **** Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über den Antrag: Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Anti- semitismus und Gewalt (Drucksache 14/5456) Ulla Jelpke (PDS):Die Entschließung ist ein wichti- ges Signal für den gemeinsamen Kampf gegen Rechtsex- tremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt. Sie ist deshalb hoffentlich auch eine Ermutigung für den zivilen, den gesellschaftlichen Widerstand gegen den menschenverachtenden Neofaschismus. Ich unter- stützte sie. Ich sage aber auch: Wenn es uns gemeinsam gelungen wäre, dafür zu sorgen, dass endlich auch die Opfer der NS-Zwangsarbeit etwas Geld bekommen, dann hätte unsere heutige Entschließung sicher eine größere Tragweite, wäre das Eintreten der deutschen Politik und Gesellschaft gegen Rechtsextremismus glaubwürdiger. Die Entschließung ist auch eine klare Absage an Ver- suche der CDU/CSU, den Kampf gegen Rechtsextremis- mus zu ersetzen durch eine scheinbar gleichgewichtige Bekämpfung gegen „Extremismus“ von links und rechts, durch schärfere Strafgesetze und durch eine Einschrän- kung des Versammlungsrechts. Die CDU/CSU will die PDS aus dem gemeinsamen Bündnis gegen rechts ausgrenzen und den Kampf gegen Neofaschismus für die Einschränkung von Bürgerrechten und den Ausbau von Polizei und Geheimdiensten instru- mentalisieren. Die Gleichsetzung von rechts und links ist ein demagogischer Trick der Konservativen, der zur Ba- gatellisierung des Rechtsextremismus führt, während die Sicherheitsorgane die angeblichen Gefahren von links aufbauschen und ihre Repression gegen Linke verstärken. Das war schon immer falsch und verwerflich. Fast einhundert Menschen sind in den letzten Jahren durch braune Gewalt gestorben. Wie viele dieser Men- schen könnten noch leben, wenn die Bagatellisierung der rechten Gewalt früher korrigiert worden wäre? Die Verantwortung für diese falsche Politik trifft aber nicht nur die alte Regierung aus CDU/CSU und F.D.P. Auch die neue Regierung und ihr Innenminister Schily setzen diese falsche Politik fort, bagatellisieren weiter rechte Gewalt, verbreiten weiter falsche Zahlen über die Todesopfer der Neonazis und diffamieren antifaschisti- sche Organisationen wie die VVN-BdAund den Bund der Antifaschisten. Auch zu einer Verschärfung der Strafgesetze gegen rechts besteht kein Grund – nicht nur, weil die bestehen- den Gesetze völlig ausreichen. Abbau von Bürgerrechten, um so angeblich Rechtsextremismus zu bekämpfen, ist wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Nötig sind nicht weniger, sondern mehr Bürgerrechte, vor allem für Flüchtlinge, für Migrantinnen und Migranten, die Hauptopfer rechter Gewalt waren und sind. Ich habe als Berichterstatterin meiner Fraktion im In- nenausschuss an der Formulierung der Entschließung mitgewirkt. Dabei ist es gelungen, wichtige Anliegen wie den Ausbau des Opferschutzes, ein Plädoyer für eine un- abhängige Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die zumindest verbale Unterstüt- zung von Bündnissen gegen rechts und andere Anliegen zu einem Votum aller Fraktionen zu machen, die diese Re- solution nun unterstützen. Aber es gibt auch weiter viele berechtigte Kritik. In vielen Bereichen ist die Entschlie- ßung noch immer von Eigenlob der Regierung durchzo- gen. Statt klarer Aufträge gibt es Bitten, Empfehlungen, Ratschläge. Für Basisinitiativen, Bündnisse gegen rechts, antifaschistische Initiativen, Einrichtungen zur Flücht- lingshilfe und demokratische Jugendprojekte gibt es gute Worte, aber viel zu wenig Geld. Ohne die gesellschaftlichen Initiativen und Organisatio- nen, ohne die Anstrengungen von vielen Menschen wird es keine Erfolge gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeind- lichkeit und Antisemitismus geben. Der Kampf gegen rechts darf nicht an Behörden, an Polizei und Geheimdiens- te delegiert werden. Bündnisse gegen rechts, antirassisti- sche und antifaschistische Initiativen, die vor Ort tätig sind, sind das A und O des Kampfes gegen rechts. Die Gering- schätzung, die die Bundesregierung diesen Initiativen noch immer entgegenbringt, indem sie ihnen kein Geld, keine Unterstützung gewährt, ist ein schwerer Fehler. Auch die Auffassung, Rechtsextremismus sei sozial begründet oder könne durch soziale Maßnahmen zurück- gedrängt werden, ist für mich falsch. Rechtsextremismus ist vor allem ideologisch und politisch begründet. Hier muss die Auseinandersetzung ansetzen und geführt wer- den. „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbre- chen“, „Nazis raus aus den Köpfen!“ sind dazu richtige Forderungen. Ein entscheidender Schritt für den Kampf gegen rechts steht weiter aus. Wer Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft wirklich bekämpfen will, der muss auch die staatliche Flüchtlings- und Migrationspolitik end- lich grundlegend korrigieren. Denn diese Politik ist selbst rassistisch und fremdenfeindlich. Die Reform des Staats- bürgerschaftsrechts ist ein Flop. Die Hoffnungen vieler Migrantinnen und Migranten, nicht mehr Menschen zwei- ter Klasse zu sein, sind enttäuscht worden. Die ausländer- feindlichen Kampagnen gehen weiter. Selbst in der EU steht diese Regierung bei allen Reformversuchen, die mehr Menschenrechte für Flüchtlinge und Migranten er- reichen wollen, weiter auf der Bremse. Ich nenne nur die Blockade der Reform des Familiennachzugs, ich nenne die Weigerung der Bundesregierung, die Konvention des Eu- roparats zur Staatsbürgerschaft mit ihrer Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft zu unterzeichnen, ich nenne weiter die UN-Konvention über die Rechte der Wander- arbeiter, die die Regierung nicht ratifizieren will. Solange Flüchtlinge weiter an den Grenzen abgewehrt oder in Abschiebehaft gesteckt und gewaltsam abgescho- ben werden, das Asylbewerberleistungsgesetz und andere rassistische Gesetze weiter in Kraft sind, so lange werden braune Gewalttäter weiter behaupten, sie vollstreckten mit ihren Gewalttaten nur den stillschweigenden Willen der Mehrheit der Menschen in diesem Land. Auf diesem wichtigen Feld bringt die heutige Entschließung keine Verbesserung. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115866 (C) (D) (A) (B) Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Steuerliche Rahmenbedingungen für die Gewäh- rung von Aktienoptionen an Mitarbeiter (stock op- tions) verbessern – Keine Steuer beim Aktientausch (Tagesordnungspunkt 17 a und b) Dr. Barbara Höll (PDS): Wenn man den CDU/ CSU-Antrag liest, möchte man meinen, die Entlohnung über Aktienoptionen solle steuerlich begünstigt werden. Das ist nicht ganz korrekt. Denn die CDU/CSU möchte nicht nur schlechthin eine Begünstigung von Aktienoptio- nen, sondern sie möchte diese noch mehr begünstigen. In Ihrem Antrag unterschlagen Sie nämlich, dass schon jetzt Aktienoptionen steuerlich subventioniert werden. Die Hauptursache liegt in der gerade verabschiedeten Un- ternehmensteuerreform, nach der Unternehmensgewinne deutlich niedriger besteuert werden als Löhne und Gehäl- ter. Aber das reicht der CDU/CSU noch nicht. Sie möchte gern noch draufsatteln. Vielleicht einigen Sie sich doch einmal auf eine Linie in Ihrer Steuerpolitik. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie gerade den Vorschlag für eine große Steuerreform im Parlament eingebracht, die mit allen Steuerprivilegien und steuerlichen Subventio- nen aufräumen wollte. Aber schauen wir uns etwas näher an, was Ihnen so am Herzen liegt. Aktienoptionen sind besonders risikoanfäl- lig – da die Bewertung von Aktien durch die Börse erfolgt. Wie die jüngste Entwicklung zeigt, reflektiert der Bör- senwert in den seltensten Fällen den wirklichen Wert und die Erfolgsaussichten eines Unternehmens. Hier fließen subjektive Erwartungen, spekulative Überhöhungen bzw. Untertreibungen ein, die oft mit der wirklichen Wirt- schaftssituation des jeweiligen Unternehmens kaum et- was zu tun haben. Und dies gilt in besonderen Maße für die viel gerühm- ten Unternehmen der New Economy. Ein Bruchteil der Unternehmen des Neuen Marktes erwirtschaftete in den vergangenen Jahren Gewinn. Trotzdem stiegen die Kurse ins Unermessliche. Diesem rasanten Anstieg folgte – wie nicht anders zu erwarten – ein rasanter Fall. Hinzu kommt bei diesen Unternehmen, dass ihre Pflichten zur Offenle- gung der wirtschaftlichen Situation unzureichend ausge- staltet sind. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die betrügerischen Aktivitäten von Geschäftsführungen ge- rade von Unternehmen des Neuen Marktes. Die Zeitun- gen der letzten Wochen sind voll von Meldungen, wonach die „Bosse“ von so genannten New Economy-Unterneh- men rechtzeitig vor dem Sinken der Börsenkurse große Ak- tienpakete verkauft haben. So verkaufte der EM.TV- Boss Anteile für 20 Millionen Euro, der Intertainment-Boss Aktien im Wert von über 2 Millionen Euro. Während die Mitarbeiter dann in aller Regel auf ihren Optionen festsitzen und sich nicht einfach aus dem Un- ternehmensrisiko zurückziehen können, haben das ihre Bosse schon längst getan. Und damit nicht genug: Mit dem massenhaften Verkauf eigener Anteile wird weiter Druck auf die Börsenkurse ausgeübt und der Lohnraub dadurch noch erhöht. Angesichts dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass selbst im gelobten Land der New Economy – nach kurzer Euphorie – die Entlohnung über Aktienoptionen die Beschäftigten kaum noch wirklich beeindruckt. Die Beschäftigten wollen sich auch in der New Economy nicht mehr auf imaginäre Zukunftsaussichten vertrösten lassen – sie wollen für ihre Arbeit zum Zeitpunkt ihrer Ar- beit das Geld sehen, dass ihnen zusteht. Ganz im Zeichen der verrufenen Old Economy fordern sie Betriebsräte ein, bilden zur Durchsetzung ihrer Forderungen gewerk- schaftliche Vertretungen. Es ist ganz in der Tradition der CDU/CSU, dass Sie diesen Lohnraub mit steuerlichen Instrumenten auch noch fördern wollen, dass Sie nun auch die Löhne der Speku- lation und Betrug aussetzen wollen. Dies lehnen wir aber ab. Ähnlich verhält es sich mit dem F.D.P.-Antrag zur Steuerfreiheit des Aktientauschs. Es reicht der F.D.P. nicht, dass Spekulationsgewinne nur zur Hälfte besteuert werden. Nein, sie möchte – zumindest, wenn Aktien ge- gen Aktien verkauft werden – diese gänzlich von der Ein- kommensteuer befreien. Sie ignoriert dabei gänzlich, dass diese Aktien oftmals gerade in Hinblick auf eine zu er- wartende Fusion und die damit einhergehenden Kursstei- gerungen erworben wurden. Das Bild, das die F.D.P. uns hier von dem armen Aktionär zeichnen will, der sich völ- lig überraschend und hilflos einer Fusion ausgesetzt sieht, ist doch etwas ergänzungsbedürftig. Begründet wird das alles mit der Ungleichbesteuerung von privaten Spekulationsgewinnen und Gewinnen der Kapitalanlagegesellschaften. Mit der Unternehmensteu- erreform des Herrn Minister Eichel sind Gewinne von Ka- pitalgesellschaften aus der Veräußerung von Untenehmen steuerfrei gestellt, während kurzfristige Spekulationsge- winne des Privatanlegers besteuert werden – wenn auch nur zur Hälfte Die F.D.P. sollte, wenn ihr die Gleichbesteuerung wirk- lich so sehr am Herzen liegt, mit der Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne von großen Konzernen, Banken und Versicherungen aufräumen. Das wäre wirklich ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und Besteuerungs- gleichheit! Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 2001 15867 (C) (D) (A) (B) Finanzausschuss Drucksache 14/4309 Nr. 1.39 Drucksache 14/5172 Nr. 2.14 Drucksache 14/5172 Nr. 2.87 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/671 Nr. 1.5 Drucksache 14/4441 Nr. 1.26 Drucksache 14/4570 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 2.61 Drucksache 14/5172 Nr. 2.99 Drucksache 14/5281 Nr. 2.13 Drucksache 14/5281 Nr. 2.14 Drucksache 14/5281 Nr. 2.15 Drucksache 14/5363 Nr. 2.16 Drucksache 14/5363 Nr. 2.17 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/5172 Nr. 2.80Drucksache 14/5281 Nr. 2.11Drucksache 14/5281 Nr. 2.19 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/1617 Nr. 2.30 Drucksache 14/3428 Nr. 1.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.3 Drucksache 14/4170 Nr. 2.4 Drucksache 14/4170 Nr. 2.5 Drucksache 14/4170 Nr. 2.6 Drucksache 14/4170 Nr. 2.7 Drucksache 14/4170 Nr. 2.8 Drucksache 14/4170 Nr. 2.9 Drucksache 14/4170 Nr. 2.10 Drucksache 14/4170 Nr. 2.11 Drucksache 14/4170 Nr. 2.12 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5281 Nr. 2.2 Drucksache 14/5281 Nr. 2.4 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4865 Nr. 2.1 Drucksache 14/5363 Nr. 2.9 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5114 Nr. 2.6 Drucksache 14/5281 Nr. 3.2 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/4945 Nr. 2.21 Drucksache 14/4945 Nr. 2.22 Drucksache 14/5172 Nr. 2.40 Drucksache 14/5172 Nr. 2.27 Drucksache 14/5172 Nr. 2.28 Drucksache 14/5172 Nr. 2.43 Drucksache 14/5172 Nr. 2.75 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/4309 Nr. 1.13 Drucksache 14/5172 Nr. 2.42 Drucksache 14/5172 Nr. 2.72 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/5114 Nr. 1.2 Drucksache 14/5114 Nr. 1.3 Drucksache 14/5114 Nr. 1.5 Drucksache 14/5172 Nr. 1.3 Drucksache 14/5363 Nr. 1.1 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 14/4570 Nr. 1.4 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 162. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. März 200115868 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
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    Rede von Christian Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsi-
    dent! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich kann auf ei-
    niges, was Kollege Brecht gerade vorgetragen hat,
    zurückgreifen und im Sinne der demokratischen Gemein-
    samkeit nahtlos daran anschließen.

    Es ist schon bizarr – da gebe ich Ihnen Recht –: Diese
    Große Anfrage der PDS und die Fragen, worauf eine
    Fleißarbeit des Auswärtigen Amtes folgte, belegen für
    mich zweifelsfrei, wes Geistes Kind die Fragesteller sind.
    Man braucht nicht zwischen den Zeilen zu lesen, um zu
    erkennen, mit welcher Einseitigkeit die notwendige
    NATO-Intervention im Frühjahr 1996 hinterfragt wird.

    Wenn die PDS als Nachfolgepartei der SED mit ihrer
    eigenen Vergangenheit ähnlich kritisch umginge und dazu
    Fragenkataloge erstellen würde, wären wir bei der Aufar-
    beitung unserer jüngsten Vergangenheit wesentlich wei-
    ter.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Außerdem vermisse ich – der Kollege Gehrcke ist vor-
    sorglich schon darauf eingegangen, wahrscheinlich weil
    er befürchtet hat, dass diese Frage gestellt wird, und sie
    wird gestellt – in diesem Katalog die Frage, inwieweit der




    Dr. Eberhard Brecht
    15824


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Bundesregierung Erkenntnisse darüber vorliegen, wie
    sehr der Belgrad-Besuch des Kollegen Gysi dazu beige-
    tragen hat, dass Milosevic das Gefühl haben konnte, es
    gebe in Deutschland Sympathien für seine politische Po-
    sition, und der Konflikt dadurch noch verlängert wurde.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch die rot-grüne Bundesregierung war im Frühjahr

    1999 im Vorfeld der Kosovo-Intervention hinsichtlich ih-
    rer eigenen politischen Prinzipien und ihrer politischen
    Vergangenheit in einer bizarren Situation, musste sie doch
    den ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr in deren Ge-
    schichte unter Zuhilfenahme sehr überzogener Argu-
    mente begründen. Bewaffnete Konflikte waren aber – das
    wollen wir doch noch einmal festhalten – immer besten-
    falls eine Tragik, schlimmstenfalls eine Katastrophe, aber
    auf jeden Fall eine Kapitulation der Politik vor der blan-
    ken Gewalt.

    Letztlich ist auch im Kosovo-Konflikt die Politik an
    ihre Grenzen gestoßen und es bedurfte des Einsatzes von
    Gegengewalt, um Milosevic an seinem gewalttätigen
    Werk der Zerstörung zu hindern. Ob nun die „ethnischen
    Säuberungen“ ganzer Landstriche bereits den Tatbestand
    des Völkermords erfüllt haben, darüber mögen sich die
    Juristen streiten. Ich will es dahingestellt sein lassen. Tat-
    sache bleibt, dass es angesichts der Gefahr für die Men-
    schen dort, aber auch für unsere eigene europäische Si-
    cherheit und Stabilität nicht zugelassen werden konnte,
    dass dieser Mann zum vierten Mal ungestraft einen Krieg
    im früheren Jugoslawien anzettelt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Daher dürfen Ursache und Wirkung, Täter und Opfer
    nicht verwechselt werden. Der Krieg begann nicht mit
    dem Eingreifen der NATO, sondern mit der rücksichtslo-
    sen Durchsetzung der Politik des Milosevic-Regimes seit
    Beginn der 90er-Jahre.

    Die militärische Intervention der NATO war die Ul-
    tima Ratio aufgrund der strikt ablehnenden Haltung Ser-
    biens in Rambouillet. Das war kein Zwang zum Ab-
    schluss, sondern das war das letzte Angebot.

    Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es noch
    der alte Bundestag war, der nach der Wahl am 27. Sep-
    tember 1998 im Oktober zusammengetreten ist, um den
    Actord, das heißt die grundsätzliche Bereitschaft der
    NATO, sofort zuzuschlagen, unterstrichen und genehmigt
    hat. Wir alle haben damals zugestimmt. Die damals noch
    nicht im Amt befindliche Bundesregierung war sicherlich
    froh, dass sie keine eigene Mehrheit sammeln musste,
    sondern dass die alte Mehrheit des 13. Bundestages bereit
    war, diesen Schritt, der nicht ohne Probleme war und bei
    dem viel bedacht werden musste, mitzugehen. Es bleibt
    anzuerkennen, dass dann, als Monate später in Rambouil-
    let der letzte Versuch gescheitert war, dieser Weg konse-
    quent fortgeführt wurde. Wäre das nicht passiert, wäre das
    eine Einladung für alle weiteren Aggressionen nicht nur
    in Südosteuropa gewesen. Es ist nicht auszumalen, was
    dann passiert wäre.

    Um nicht missverstanden zu werden, sage ich: Wir
    sperren uns nicht gegen eine Bilanz, sondern wir halten

    eine solche für sinnvoll und notwendig. Sie wird im Laufe
    der nächsten Jahre auf der Grundlage vieler Beiträge er-
    stellt werden müssen. Letztendlich wird auch die Ge-
    schichtsschreibung, werden die Journalisten und auch Po-
    litiker und vor allem Betroffene immer wieder
    reflektieren müssen, welche Lektion wir aus dem Ko-
    sovo-Konflikt gelernt haben. Aber wir sind nicht bereit,
    bei dem Versuch der PDS mitzumachen, diese Vorge-
    hensweise im Sinne einer einseitigen Abrechnung und un-
    ter Ausblendung der Umstände und Ursachen, die zur In-
    tervention der NATO geführt haben, zu diffamieren.

    Europa und die westliche Welt hatten sich gegen die
    Denkschule entschieden, die es ja auch schon bei vorher-
    gehenden Jugoslawienkonflikten gab, und die da heißt:
    Lasst sie sich doch auskämpfen!


    (Joseph Fischer, Bundesminister: Ausbluten!)

    – Jawohl, ausbluten. – Diese Frage ist in offenen Gesell-
    schaften, die demokratisch verfasst sind und auf be-
    stimmten Grundwerten und Grundprinzipien beruhen,
    nicht mit einer Handbewegung zu beantworten. Wir ste-
    hen in Verantwortungen, die wir wahrnehmen müssen.
    Das heißt auch, dass wir Diktatoren oder jenen, bei denen
    die Gefahr besteht, dass sie ihr Land diktatorisch umge-
    stalten, dann Einhalt gebieten müssen, wenn es für die
    dort lebenden Menschen um die blanke Existenz geht.


    (Beifall bei der PDS)

    Davon allein darf man sich allerdings nicht leiten las-

    sen. Dazu kommen müssen nicht nur eine objektive
    Notwendigkeit, sondern hinsichtlich des hohen eigenen
    Risikoeinsatzes auch die Angemessenheit und die Er-
    folgsträchtigkeit der Maßnahmen. Etwas nur deshalb zu
    tun, damit etwas getan wird, ist kontraproduktiv.

    Gegenüber den Soldaten, die uns im Sinne dessen, dass
    wir darüber entscheiden, ob sie in den Einsatz gehen oder
    nicht, anvertraut sind, haben wir eine Fürsorgepflicht. Wir
    müssen entscheiden, ob es tatsächlich notwendig ist, sie
    Gefahren auszusetzen.


    (Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] und der Abg. Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    In die Abwägung muss auch explizit die eigene Inte-
    ressenlage einbezogen werden. Das darf nicht mit einer
    egozentrischen Bewertung der Risikolage verwechselt
    werden. Aber wir müssen auch bereit sein, zu sagen, dass
    es im Kosovo nicht nur um humanitäre Fragen im enge-
    ren Sinne ging, sondern auch um die Stabilität bei uns bis
    hin zu der Festellung, dass massive Flüchtlingsbewegun-
    gen, die immer Not und Elend mit sich bringen, verhin-
    dert werden müssten, indem für die Leute die Möglichkeit
    geschaffen wird, in ihrer Region zu bleiben.

    An der Bereitschaft, diese Dinge zu artikulieren und zu
    definieren, hat es der Bundesregierung – aus bekannten
    Gründen – allerdings manchmal gefehlt. Man flüchtete
    sich in die Überhöhung und hat sich deswegen auch vor-
    halten zu lassen, dass die Klarheit der Information über
    Hintergründe und Tatsachen zum Teil gelitten hat. Man-
    ches von dem, was in dem inkorrekten Beitrag des WDR




    Christian Schmidt (Fürth)


    15825


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    zur Sprache gekommen ist, wäre vielleicht nicht so leicht
    zur Sprache zu bringen gewesen, wenn nicht ab und an der
    Eindruck entstanden wäre, dass man überzogen hat oder
    versucht hat, Leute mit nicht ganz korrekten Informatio-
    nen zu überzeugen. Diesen Vorwurf muss die Bundesre-
    gierung aushalten. Es ist nur anzumahnen, dass sie das bei
    bevorstehenden Konflikten nicht wieder in ähnlicher
    Weise tut. Sie wird deswegen in diesen Fragen die Unter-
    stützung des Hauses behalten, wenn sie einen entspre-
    chenden Antrag stellt. Ich weise darauf hin, dass wir ja
    bald über die Verlängerung des Kosovo-Mandats werden
    diskutieren müssen. Aber ich erwarte, dass die Bundesre-
    gierung ihr Verhalten hier ändert.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich noch kurz auf die aktuelle Situation

    eingehen. Wir müssen klären, ob wir die geeigneten In-
    strumente zur Hand haben, den Frieden in dieser Region
    nachhaltig abzusichern. Ich habe nicht den Eindruck, dass
    Bodo Hombachs Stabilitätspakt ausreicht, dort Nach-
    haltigkeit zu sichern. Ich will nicht sagen, dass das ein
    falscher Ansatz war. Es war die Rückkehr zur Politik.
    Aber dies genügt offensichtlich nicht. Denn gerade mit
    Blick auf die Entwicklungen in Mazedonien müssen wir
    über die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der
    KFOR, über den Appell an die USA – ich hoffe, dass der
    Bundeskanzler dies bei seinem gestrigen Besuch in den
    USA getan hat –, dass Europäer und Amerikaner inner-
    halb der NATO gemeinsam handeln, und über die Rück-
    kehr der Flüchtlinge sowie die Gewährung eines sicheren
    Umfeldes diskutieren. Wir müssen auch darüber spre-
    chen, was noch politisch Not tut, damit wir in dieser Re-
    gion nachhaltige Ansätze durchsetzen können, die jetzt
    schon wieder in der Gefahr sind zu zerbrechen.

    Ich glaube nicht daran – viele in diesem Hause tun dies
    wohl auch nicht –, dass es mit den Scharmützeln um Te-
    tovo herum sein Bewenden haben wird. Alle Kriege in
    Jugoslawien haben mit solchen Scharmützeln angefangen.
    Es ist zwar noch nicht nach zwölf; aber es ist dringend not-
    wendig, dass wir versuchen, das, was wir in diesem Zu-
    sammenhang tun können, gemeinsam umzusetzen.

    Wir müssen darüber sprechen, ob beispielsweise das
    Konzept der nur teilweisen Entwaffnung, also der fakti-
    schen Nichtentwaffnung, der UCK nicht dazu geführt hat,
    dass die mazedonisch-albanische Irredenta aus dem Ko-
    sovo heraus unterstützt wird. Ich gestehe zu, dass es keine
    Patentrezepte gibt. Aber wir müssen wohl darüber disku-
    tieren, wie wir in Zukunft robuste – vielleicht sogar noch
    robustere – Mandate schaffen. Ich meine nicht, dass wir
    die Art und Weise, wie bereits jetzt bestehende Mandate
    zustande gekommen sind, auf Mazedonien übertragen
    sollten. Ich bin sehr skeptisch, ob der bisherige Weg, zu
    sagen: „Wir lassen den Konflikt entstehen und schlichten
    dann den Streit“, funktioniert.

    Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit kurz von einem
    Erlebnis berichten, das mich diese Woche sehr bewegt
    hat: Hier vor diesem Haus, vor unserem Parlament, sprach
    mich am Mittwoch nach der Ausschusssitzung ein alba-
    nischsprachiger Journalist an – der eine oder andere kennt
    ihn – und fragte nach der Position der CSU hinsichtlich
    der Sprachenfrage an der Universität in Skopje. Er stellte

    mir die Frage, ob wir nicht auch der Meinung seien, dass
    die Albaner ein Recht darauf hätten, dass Albanisch dort
    als Sprache zugelassen wird, und ob die Albaner nicht
    auch das Recht hätten, als Staatsvolk in Mazedonien an-
    gesehen zu werden. Dies sind an sich Fragen, deren Be-
    antwortung aus unserer europäischen Vorstellung heraus
    gar nicht problematisch ist. Ja, man müsste über diese
    Fragen sprechen.

    Ich habe dem Fragesteller sehr deutlich geantwortet,
    dass Fragen des Zusammenlebens, das verbesserungsbe-
    dürftig ist, die eine Sache sind, dass aber die gegenwär-
    tige verrückte und unvorstellbare Meinung in verwirrten
    Köpfen, man müsse diese Probleme mit Gewalt lösen, un-
    verantwortlich ist. Ich habe ihn gebeten, zu berichten,
    dass es in Deutschland ein helles Entsetzen darüber gibt,
    dass Menschen in dieser Region nach vier Waffengängen
    innerhalb von zehn Jahren immer noch meinen, mit der
    Waffe in der Hand ihre Überzeugungen und Wünsche
    durchsetzen zu müssen,


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    und dass sie bei diesem Vorgehen nicht mit der Unterstüt-
    zung des Westens rechnen können. Ich habe ihm gesagt,
    dass ich für meine Fraktion ganz klar sagen kann, dass wir
    auf eine politische Lösung setzen.

    Ich gehe davon aus, dass das auch für alle anderen in
    diesem Hause gilt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Keiner der an diesem Konflikt Beteiligten sollte im Hinter-
    kopf damit rechnen, dass dann, wenn es schlimme Ent-
    wicklungen gibt, die NATO kommt und ihn wieder heraus-
    holt. Nein, den Frieden müssen zuallererst die Menschen in
    diesem Lande selber schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Wir können nur helfen und gute Dienste leisten. Das al-
    lerdings müssen wir tun.

    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)




Rede von Dr. Rudolf Seiters
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege
Winfried Nachtwei.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Winfried Nachtwei


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Seit
    Wochen und Monaten erleben wir im Kosovo und in den
    Anrainerregionen des Kosovo eine gefährlich zuneh-
    mende Gewalt. Da stellt sich natürlich die Frage: Was soll
    in einem solchen Moment eine Debatte über den Kosovo-
    Krieg vor zwei Jahren? Die Antwort darauf ist einfach:




    Christian Schmidt (Fürth)

    15826


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    weil die Beschäftigung mit den Erfahrungen des Kosovo-
    Krieges sehr hilfreich ist, um zu einer wirksameren Kri-
    seneindämmung und Gewaltvorbeugung zu kommen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die erste Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik
    Deutschland war eine historische Zäsur und – wir erin-
    nern uns deutlich – heiß umstritten, auch hier im Haus,
    aber vor allem in der Gesellschaft.

    Was die Aufarbeitung des Kosovo-Krieges angeht,
    so haben wir, wie ich meine, einen unübersehbaren Nach-
    holbedarf; denn auf der einen Seite steht die Verdrängung
    durch die Gesellschaft, aber auch durch die Politik, und
    auf der anderen Seite eine rechthaberisch orientierte Aus-
    einandersetzung. Was verhältnismäßig zu kurz kommt, ist
    die schlichte, aber äußerst schwierige Suche nach der
    Wahrheit. Vorhin sind – auch vom Kollegen Brecht – sehr
    wichtige, unabhängige Kommissionsberichte von der
    OSZE und von der Independent International Commis-
    sion on Kosovo genannt worden, die bei dieser Wahr-
    heitssuche sehr hilfreich sein können. Auch die heute zur
    Diskussion stehende Antwort der Bundesregierung auf
    die Große Anfrage der PDS soll einen Beitrag zur Wahr-
    heitsfindung leisten.

    In der letzten Zeit sind zunehmend Publikationen er-
    schienen, in denen bestritten wird, dass damals, Anfang
    1999, eine humanitäre Katastrophe gedroht hat. In diesen
    Publikationen wird behauptet, es habe einen schlimmen
    Bürgerkrieg gegeben, der aber keine – vor allen Dingen
    durch das Milosevic-Regime verursachte – humanitäre
    Katastrophe hervorgerufen habe.


    (Zuruf von der PDS: Richtig!)

    Die Antwort der Bundesregierung macht zu Recht ei-

    niges deutlich, nämlich dass Krieg und Vertreibung im
    Kosovo nicht erst am 24. März 1999 begannen,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P.)


    sondern dass der Nährboden der Gewalt durch das serbi-
    sche Apartheidregime gegen die Kosovo-Albaner seit An-
    fang der 90er-Jahre gelegt wurde.


    (Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: So ist es!)


    Es gab also einen Vorlauf von ungefähr zehn Jahren.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN)

    Nach diesen unabhängigen Untersuchungsberich-

    ten begannen die offenen Kämpfe und gezielten Vertrei-
    bungen ungefähr im März 1998 mit sehr vielen Vertriebe-
    nen und mit auf ungefähr 1 000 geschätzten getöteten
    Zivilisten auf kosovo-albanischer Seite. Es gab ungefähr
    400 000 bis 500 000 Flüchtlinge und Vertriebene. Eine
    Wiederverschärfung der Kämpfe und Vertreibungen gab
    es seit Anfang 1999. Auch dies ist vom UNHCR und an-
    deren eindeutig belegt.

    Schließlich gab es die Erinnerung der Staatengemein-
    schaft, geteilt von der Mehrheit dieses Hauses, an den

    Bosnienkrieg, wo die Staatengemeinschaft zu spät ge-
    kommen war und – daran denken viele heute nicht –
    200 000 Menschen umgebracht worden sind.


    (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


    Das steckte uns allen in den Knochen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Allerdings wird auch immer deutlicher, dass das Kon-
    fliktmuster der Kämpfe und bewaffneten Auseinander-
    setzungen im Kosovo komplexer war, als es damals teil-
    weise in der Öffentlichkeit verbreitet wurde oder als es
    heutzutage von manchen Kritikern des NATO-Krieges
    behauptet wird. Die Bundesregierung deutet in ihrer Ant-
    wort dieses komplexere Konfliktmuster an, indem darin
    von dem bekannten Schema des unverhältnismäßigen
    Vorgehens serbischer Sicherheitskräfte als Reaktion auf
    UCK-Aktivitäten die Rede ist.

    In dem vorhin schon genannten WDR-Film wird das
    Beispiel des Ortes Rogovo gebracht, wo am 29. Ja-
    nuar 1999 24 tote Kosovo-Albaner gefunden wurden. In
    dem WDR-Film wird behauptet, das seien schlimme, aber
    normale Bürgerkriegsauseinandersetzungen gewesen. Ich
    habe noch gestern mit einem deutschen Polizeibeamten
    gesprochen, der dort bis zum Erstellen des Abschlussbe-
    richtes ermittelt hat, der nach Den Haag gegangen ist. Er
    hat gesagt: Als sie dort hinkamen, hätten sie einen toten
    serbischen Polizisten, sechs UCK-Kämpfer und darüber
    hinaus viele eindeutig willkürlich exekutierte Zivilperso-
    nen gefunden. – Der Fall Rogovo ist beispielhaft für das
    übliche Konfliktmuster. Von der Independent Internatio-
    nal Commission on Kosovo wird das zusammengefasst
    mit der Beschreibung: ein Gemenge von bewaffnetem
    Aufstand, staatlicher Aufstandsbekämpfung und Krieg,
    der so genannten ethnischen Säuberung, gegen die Zivil-
    bevölkerung.


    (Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das ist eben Bürgerkrieg! – Gegenruf des Abg. Hildebrecht Braun [Augsburg] [F.D.P.]: Herr Gehrcke, was soll diese Verniedlichung?)


    – Wenn man genauer hinhört, weiß man, was ich eben ge-
    sagt habe.

    Die bemerkenswerte BBC-Dokumentation „Bomben
    und Moral“ konstatiert, das sei eine bewusste Eskalations-
    strategie der UCK gewesen, die terroristische Antiterror-
    einsätze der serbischen Kräfte bewusst einkalkuliert habe.
    Hier stellt sich in der Tat die Frage, ob die Staaten-
    gemeinschaft das damals gebührend berücksichtigt hat.

    Zu den Kriegsopfern und den Kriegsschäden! Die
    Wahrnehmung der Kriegsopfer und Kriegsschäden fällt
    offenkundig schwer, und zwar einmal wegen objektiver
    Ermittlungsprobleme, aber auch wegen gegenläufiger
    Interessen, die die Wahrnehmung erschweren. Für eine
    Demokratie sollte eine offene Erfassung der Kriegsopfer
    aller Seiten selbstverständlich sein. Gestützt auf die Un-
    tersuchung verschiedener internationaler Organisationen
    macht die Bundesregierung konkrete Angaben zu den




    Winfried Nachtwei

    15827


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Flüchtlingszahlen und zu den Gesamtopferzahlen auf ko-
    sovo-albanischer Seite. Zwischen März und Juni 1999
    sind schätzungsweise 10 000 Menschen im Kosovo von
    den serbischen Kräften umgebracht worden. Diese Zahl ist
    ein Abgleich der Informationen verschiedenster Menschen-
    rechtsorganisationen. Wenn wir die geringe Bevölkerungs-
    zahl des Kosovo mit jener der Bundesrepublik vergleichen,
    dann wird deutlich, wie gigantisch die Opferzahlen waren.

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die Angaben der
    Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu den Opfern
    und Schäden der NATO-Luftangriffe dürftig sind. Sie
    könnten durchaus ausführlicher sein, wenn man sich ein-
    fach auf die Angaben der Independent International Com-
    mission on Kosovo stützen würde; diese hat dazu einige
    Ausführungen gemacht, zum Beispiel auch zu den Zer-
    störungen von Brücken und Industriebetrieben.

    Zu den Kriegsergebnissen: Erklärtes Ziel der NATO-
    Luftangriffe war die Verhinderung einer humanitären
    Katastrophe, also einer Neuauflage der Kämpfe und Ver-
    treibungen des Jahres 1998 auf schlimmerem Niveau;
    denn damit – das hatten wir gleichzeitig im Kopf – drohte
    ein Flächenbrand in der ganzen Region und deren umfas-
    sende Destabilisierung. Dieser umfassende regionale
    Flächenbrand wurde eindeutig verhindert. Das Problem
    daran ist allerdings, dass das eine unsichtbare Wirkung
    war. Das erste Ziel, die Verhinderung der humanitären Ka-
    tastrophe, wurde offenkundig verfehlt. Ich glaube, vor
    dieser ernüchternden Feststellung sollten wir uns nicht
    drücken.

    Zuletzt zu den Schlussfolgerungen: Die Antwort der
    Bundesregierung ist ein Beitrag zur Aufarbeitung des Ko-
    sovo-Krieges. Diese Aufarbeitung ist damit selbstver-
    ständlich keineswegs abgeschlossen. Schon angesichts
    der Begrenztheit der Fragestellungen und ihrer großen
    Voreingenommenheit bleiben viele Fragen offen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es wäre enorm interessant, der Frage nachzugehen, wel-
    che Friedenschancen bestanden. Man sollte also noch
    einmal genauer untersuchen, ob mit der OSZE-Mission
    vom Oktober 1998 bis zum März 1999 alle Möglichkei-
    ten ausgereizt worden sind.


    (Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Die sind doch abgezogen worden, weil die Sicherheitslage nicht mehr da war!)


    – Gut, das sind aber Fragen, die man noch einmal genauer
    bearbeiten sollte.

    Man hat auf jeden Fall Konsequenzen daraus gezogen,
    nämlich durch den Aufbau schnell verfügbarer ziviler
    Kräfte gerade für solche Missionen. Bisher gibt es in der
    Bundesrepublik im Unterschied zu etlichen anderen
    NATO-Staaten keine umfassende – ich betone: umfas-
    sende – Überprüfung und Bilanzierung des Kosovo-Krie-
    ges und der deutschen Beteiligung daran. Notwendig ist
    meiner Meinung nach ein gesamtgesellschaftlicher Auf-
    arbeitungsprozess, zu dem Bundestag, Bundesregierung
    und relevante gesellschaftliche Kräfte, zum Beispiel Me-
    dien und Kirchen, beitragen sollten.

    Gehört werden sollten vor allem auch die vielen Frauen
    und Männer, die im Rahmen von Beobachtungs- und Frie-
    densmissionen im Kosovo waren und bisher – so habe ich
    erfahren – kaum gefragt wurden.


    (Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fink [PDS])

    Ein solcher gesamtgesellschaftlicher Aufarbeitungs-

    prozess ist notwendige Voraussetzung, um angemessene
    sicherheits- und friedenspolitische Konsequenzen aus
    dem Kosovo-Krieg ziehen zu können, der für uns alle si-
    cherlich kein Modell, sondern abschreckendes Beispiel
    ist.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)