Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001
Dr. Uwe-Jens Rössel
14179
(C)(A)
1) Anlage 5
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14181
(C)
(D)
(A)
(B)
Albowitz, Ina F.D.P. 19.01.2001
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 19.01.2001
Dr. Blank, CDU/CSU 19.01.2001
Joseph-Theodor
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 19.01.2001
Bodewig, Kurt SPD 19.01.2001
Brähmig, Klaus CDU/CSU 19.01.2001
Brunnhuber, Georg CDU/CSU 19.01.2001
Bulmahn, Edelgard SPD 19.01.2001
Catenhusen, SPD 19.01.2001
Wolf-Michael
Deß, Albert CDU/CSU 19.01.2001
Fischer (Berlin), Andrea BÜNDNIS 90/ 19.01.2001
DIE GRÜNEN
Friedhoff, Paul K. F.D.P. 19.01.2001
Friedrich (Altenburg), SPD 19.01.2001
Peter
Friedrich (Bayreuth), F.D.P. 19.01.2001
Horst
Friedrich (Mettmann), SPD 19.01.2001
Lilo
Fuchs (Köln), Anke SPD 19.01.2001
Gehrcke, Wolfgang PDS 19.01.2001
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 19.01.2001
Dr. Gysi, Gregor PDS 19.01.2001
Hanewinckel, Christel SPD 19.01.2001
Haschke (Großhenners- CDU/CSU 19.01.2001
dorf), Gottfried
Heise, Manfred CDU/CSU 19.01.2001
Dr. Hendricks, Barbara SPD 19.01.2001
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 19.01.2001
DIE GRÜNEN
Homburger, Birgit F.D.P. 19.01.2001
Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 19.01.2001
Irber, Brunhilde SPD 19.01.2001
Jünger, Sabine PDS 19.01.2001
Klappert, Marianne SPD 19.01.2001
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 19.01.2001
Lamp, Helmut CDU/CSU 19.01.2001
Lehn, Waltraud SPD 19.01.2001
Dr. Leonhard, Elke SPD 19.01.2001
Dr. Lippold (Offen- CDU/CSU 19.01.2001
bach), Klaus W.
Dr. Luft, Christa PDS 19.01.2001
Matschie, Christoph SPD 19.01.2001
Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ 19.01.2001
DIE GRÜNEN
Nahles, Andrea SPD 19.01.2001
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 19.01.2001
DIE GRÜNEN
Otto (Erfurt), Norbert CDU/CSU 19.01.2001
Otto (Frankfurt), F.D.P. 19.01.2001
Hans-Joachim
Dr. Pfaff, Martin SPD 19.01.2001
Pflug, Johannes SPD 19.01.2001
Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 19.01.2001
Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 19.01.2001
Reiche, Katherina CDU/CSU 19.01.2001
Rübenkönig, Gerhard SPD 19.01.2001
Rühe, Volker CDU/CSU 19.01.2001
Schmidt (Aachen), Ulla SPD 19.01.2001
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 19.01.2001
Hans Peter
Dr. Stadler, Max F.D.P. 19.01.2001
Steiger, Wolfgang CDU/CSU 19.01.2001
Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 19.01.2001
Vogt (Pforzheim), Ute SPD 19.01.2001
Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 19.01.2001
DIE GRÜNEN
Welt, Jochen SPD 19.01.2001
Wohlleben, Verena SPD 19.01.2001
Dr. Wolf, Winfried PDS 19.01.2001
Zapf, Uta SPD 19.01.2001
Zierer, Benno CDU/CSU 19.01.2001
Anlage 2
Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung
der Unterrichtung: 4. Bericht der Bundesregie-
rung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1999 (Ta-
gesordungspunkt 12, 143. Sitzung)
Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU): Auswärtige
Kulturpolitik gewinnt im Rahmen der Globalisierung ei-
nen steigenden Stellenwert und eine wachsende Bedeu-
tung.
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Alte Erwartungen und Interessen an den bilateralen
kulturellen Austausch, an den kulturellen Eigenarten des
jeweils anderen Landes oder anderen Kulturwerten blei-
ben erhalten: an Sprache, Literatur, Theater, Film, bil-
dende Kunst, Musik. Das Wissen um die Kultur des an-
deren ist ein Schlüssel zur Identität und Wertschätzung
der anderen Nation oder der grenzüberschreitenden Kul-
turräume.
Dabei vermitteln sich Bilder und Beurteilungen von ei-
nem Land mit seinen Besonderheiten, Stärken und
Schwächen. Sosehr die Kultur weltweit im Fluss ist, Kul-
turen durch immer stärkere Internationalisierung Eigen-
prägung zu verlieren scheinen, sind sie weltweit ein
Kernbereich des Selbstverständnisses wie auch des Selbst-
wertes, aber auch notwendig zum Verständnis anderer
Länder und ihrer Menschen.
Kultur sagt Entscheidendes aus über die Gestaltungs-
kraft der Menschen in den verschiedenen Lebensberei-
chen, über kreative Entwürfe, die sich in ihren Siedlungs-
und Bauformen, in Sprache und Schrift, in bildender
Kunst und Musik, in Mode und Design, in der Gestaltung
der öffentlichen Räume, in den alltäglichen Gebrauchsge-
genständen, vor allem im individuellen und im Gruppen-
verhalten niederschlagen. Zur Kultur gehören entschei-
dend die privaten und öffentlichen Lebensformen.
Menschen identifizieren sich über ihre jeweiligen Kul-
turen, über das je Eigene und das von außen Hinzukom-
mende. Der Anteil der „Wiedererkennbarkeit“ im moder-
nen Großstadtbild – ob New York, Jakarta, Singapur,
Frankfurt, Berlin oder Paris – wächst, ebenso der des in-
ternationalen englischsprachigen Unterhaltungssektors,
aber gleichzeitig bleibt in der Unverwechselbarkeit die
Vielfalt mit dem je Unterschiedlichen, der individuellen
und kollektiven Andersartigkeit.
In dieser europäischen, afrikanischen, asiatischen,
amerikanischen und lateinamerikanischen Vielfalt gibt es
wiederum ein verbindendes gesellschaftliches und kultu-
relles Thema: die Zivilgesellschaft mit ihren Freiheits-
rechten, ihrer freiheitlichen und sozial verpflichtenden
Lebensgestaltung, mit Beteiligung und Selbstbestim-
mung, mit den Prinzipien der Gewaltlosigkeit, der Tole-
ranz, des friedlichen Zusammenlebens mit Menschen an-
derer Religionen und Kulturen, anderer Hautfarbe,
anderer politischer Überzeugungen. Die Zivilgesellschaft
oder auch Bürgergesellschaft ist ein kulturelles Gesamt-
konzept für Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft,
für den Umgang zwischen Menschen und Völkern. Na-
tionen weisen sich über ihre Kultur bzw. ihre Kulturen
aus. Dazu gehören weltweit immer stärker die Werte und
Normen von Zivilgesellschaften, von der Achtung und
dem Schutz des anderen als unverletzbar in seiner Men-
schenwürde, in der Bindung an das Recht und die Abkehr
von Willkür, des Miteinanders anstelle von Diskriminie-
rung bzw. gesellschaftlicher und individueller Ausgren-
zung, an nachhaltigen Entwicklungschancen, Wohlfahrt,
Freiheit und Frieden.
Dabei geht es um eine Kultur der Partnerschaft und
Kooperation. Im Gegensatz zu Herrschaft und Konfronta-
tion wird das Prinzip der Kooperation und des kooperati-
ven Wettbewerbs gesetzt.
Diese zentralen Veränderungen werden auch im 4. Be-
richt der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik
deutlich angesprochen. Aber wie das erweiterte, auf die
Globalisierung und die Sparzwänge antwortende Konzept
umgesetzt werden soll, bleibt in zentralen Punkten offen.
Wenn die Kultur – von der politischen bis zur Unter-
haltungskultur – die Grundlage aller Entwicklung und
Beziehungen ist, dann muss ihre Priorität in den zentralen
ereichen auch sichtbar werden. Stattdessen wird an den
Kultureinrichtungen und ihrer Förderung sichtbar ge-
spart. Es gibt eine Reihe von sinnvollen und innovativen
Ansätzen, zum Beispiel die Zusammenführung von
Goethe-Instituten und Inter Nationes. Aber dort, wo
Goethe-Institute geschlossen werden, tritt nichts Ver-
gleichbares an ihre Stelle. Wo Kulturarbeit und -austausch
abnehmen oder ganz entfallen, hat das mittel- und lang-
fristig Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft.
Während Frankreich oder auch Großbritannien ihre
kulturelle Attraktivität im Ausland massiv ins Spiel brin-
gen, ausländische Studenten in großer Zahl anwerben, wie
zum Beispiel in England, um im Wettbewerb um Zuwan-
derung erforderliche Hochqualifizierte für den Arbeits-
markt zu gewinnen und zugleich die Exportchancen zu er-
höhen, bleibt bei uns eine solche Werbung bislang aus.
Das große Interesse an Deutschland, an deutscher Sprache
in Mittel- und Ost- wie Südosteuropa vermögen wir aus
finanziellen Engpässen heraus nicht abzudecken.
Die Diskrepanzen zwischen gewollter Neuorientie-
rung Auswärtiger Kulturpolitik und faktischer Umsetzung
sind zu groß. Bei Einsparungen von 3,2 Prozent von 1999
auf 2000 bei den Bundesaufgaben insgesamt entfällt ein
Minus von 4,7 Prozent auf den Kulturhaushalt beim Aus-
wärtigen Amt. Besonders einschneidend sind die Kürzun-
gen im Bereich der Sprachförderung im Ausland, einer
der vordringlichen Aufgaben deutscher Auswärtiger Kul-
turpolitik. Die Förderung der deutschen Sprache in Mit-
tel- und Osteuropa ist nicht nur für die dort lebenden Men-
schen und deutschen Minderheiten von Bedeutung.
Sprache ist auch ein Element einer Brücke, ein tragendes
Element, das in seiner Funktion nicht unterschätzt werden
sollte. Wer beim Sprachunterricht Stellen abbaut, nimmt
wissentlich die Verschlechterung von Kommunikations-
möglichkeiten in Gegenwart und Zukunft in Kauf.
Nicht hinzunehmen ist der Umfang der Kürzungen der
Mittel für die deutschen Minderheiten in Mittel- und Ost-
europa. Ich will einmal an Zahlen deutlich machen, was
hier vorgesehen oder bereits auf den Weg gebracht wor-
den ist. Die Zahl der nach Polen entsandten Programm-
lehrer soll im Schuljahr 2000/2001 auf 80 reduziert wer-
den, im Schuljahr 1998/1999 waren dort noch 132 Pro-
grammlehrer tätig. Und schon diese Zahl war, wie wir
wissen, nicht ausreichend! Die Zahlen für Ungarn: 65 statt
bisher 87; für Russland: 58 statt bisher 65; für Tschechien:
44 statt bisher 61; für Rumänien; 53 statt bisher 55 Pro-
grammlehrer. Gerade im deutsch-polnischen und
deutsch-tschechischen Verhältnis werden solche Kürzun-
gen nicht zur Intensivierung unserer bilateralen Bezie-
hungen – über die Kulturbeziehungen hinaus – beitragen.
Von immer größerer Dringlichkeit ist die Art der
Medien im Ausland. Deutschlandbilder – Bilder unserer
Kultur, das heißt zugleich Bilder des Miteinanders von
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114182
(C)
(D)
(A)
(B)
Menschen unterschiedlicher Kulturen und Hautfarben,
die bei uns leben, mit uns leben – vermitteln sich so stark
wie nie zuvor über das Medium Fernsehen. Der Hörfunk
behält seine Rolle, ist schnell einsetzbar in Krisensitua-
tionen und Konfliktzeiten. Wenn es um die Präsenz von
Bildern aus unserem Land weltweit geht, dann müssen
wir feststellen, dass hier Defizite vorhanden sind, wenn
wir über die Grenzen Europas hinweg in andere Erdteile
schauen. Dort erfährt man wenig über uns – es sei denn,
andere berichten über Deutschland.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zurBeratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetz-
buch (Erstes SGB IV – Änderungsgesetz –
1. SGB IV-ÄndG) (Tagesordungspunkt 18)
Renate Jäger (SPD): Mit dem heute zu diskutieren-
den Gesetzentwurf wollen wir das Haushaltsrecht der So-
zialversicherung an die 1998 flexibilisierten Grundsätze
des öffentlichen Haushaltswesens anpassen. Die Neure-
gelungen sollen insgesamt zu einer wirtschaftlicheren und
sparsameren Haushaltsführung der Sozialversicherungs-
träger beitragen.
Im Wesentlichen werden drei Änderungen in den haus-
haltsrechtlichen Vorschriften des SGB IV vorgenommen:
Erstens. In Zukunft werden die Sozialversicherungs-
träger bei allen finanzwirksamen Maßnahmen zur Durch-
führung von angemessenen Wirtschaftlichkeitsunter-
suchungen verpflichtet. Bislang sieht das SGB IV nur bei
Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung sol-
che Untersuchungen vor. Das reicht angesichts des großen
Finanzvolumens in der Sozialversicherung nicht aus.
Mir ist bewusst, dass die Sozialversicherungsträger
schon heute in hohem Maße ihrer Verantwortung für eine
wirtschaftliche und sparsame Verwendung der Mittel ih-
rer Beitragszahler gerecht werden. Ich möchte dies an die-
ser Stelle ausdrücklich betonen und auch all denen Dank
und Anerkennung aussprechen, die sich in Verwaltung,
Geschäftsführung und Selbstverwaltung diese Aufgabe zu
Eigen gemacht haben. Dennoch wollen wir mit der neuen
Vorschrift erreichen, dass auf allen Verantwortungsebe-
nen ein noch stärkeres Kostenbewusstsein entsteht.
Der Umfang der durchzuführenden Wirtschaftlich-
keitsuntersuchung richtet sich nach der Bedeutung der
Maßnahme. Damit entsteht kein unnötiger Verwal-
tungsaufwand und die Regelung ist in der Praxis gut um-
setzbar.
Zweitens. Die Sozialversicherungsträger werden
außerdem verpflichtet, in geeigneten Bereichen eine Kos-
ten- und Leistungsrechnung einzuführen. Mit der Kosten-
und Leistungsrechnung wird ein betriebswirtschaftliches
Instrument eingeführt, das als Informations-, Steuerungs-
und Kontrollinstrument das öffentliche Haushaltsrecht er-
gänzen soll. Sie schafft eine in dieser Form bisher nicht
vorhandene Transparenz von Kosten und Leistungen.
Da die Sozialversicherungsträger bereits über Erfah-
rungen damit verfügen, bieten sie sich für eine Einführung
der Kosten- und Leistungsrechnung geradezu an. Außer-
dem sind sie in ihrer Kunden- und Produktorientiertheit
mehr und mehr vergleichbar mit privaten Unternehmen.
Außerdem können Träger die Kosten vergleichbarer
Produkte gegenüberstellen, sodass auch ein Behörden-
vergleich möglich ist. Ich gehe davon aus, dass dies auch
für uns als Gesetzgeber zu zusätzlichen, wertvollen Er-
kenntnissen führt und für die Versicherten eine verbes-
serte Beratung bringt sowie eine schnellere Antragsbear-
beitung ermöglicht.
Auch in diesem Bereich haben wir besonderes Au-
genmerk auf die Praxistauglichkeit gelegt. Wie in der Ge-
setzesbegründung festgehalten, muss die Einführung der
Kosten- und Leistungsrechnung selbst wirtschaftlich sein.
Deshalb wird es Bereiche (einzelne Sozialversicherungs-
träger oder Teile von ihnen) geben, die zum Beispiel we-
gen ihrer geringen Größe oder atypischen Struktur für die
Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung nicht
geeignet sind und dabei dann auch nicht einbezogen wer-
den.
Die Spitzenverbände haben die Aufgabe, die fachli-
chen und technischen Vorgaben der Kosten- und Leis-
tungsrechnung innerhalb von zwei Jahren zu erstellen.
Damit haben die Träger auch ausreichend Zeit, Erfahrun-
gen mit diesem Instrument zu sammeln.
Drittens. Die Rentenversicherungsträger werden unter
Berücksichtigung der Besonderheiten der Träger an die
Bewertungs- und Bewirtschaftungsmaßstäbe des Bundes
bzw. der aufsichtsführenden Länder gebunden. Der Bund
hat angesichts der finanziellen Größenordnung der Mittel,
die an die Rentenversicherungsträger gezahlt werden, ein
hohes Interesse daran, stärkere Einflussmöglichkeiten in
Bezug auf die Haushalte der Träger zu erhalten und so
eine wirtschaftliche Verwendung der gezahlten Bundes-
mittel sicherzustellen. Die Vorschrift sieht vor, dass die
landesunmittelbaren Träger daher an die Bewertungs- und
Bewirtschaftungsmaßstäbe der aufsichtsführenden Län-
der und die bundesunmittelbaren Träger an die des Bun-
des gebunden werden.
Unter dem Begriff „Bewertungs- und Bewirtschaf-
tungsmaßstäbe“ werden Grundsätze und Richtlinien zu-
sammengefasst, die für eine Vielzahl von Fällen gelten.
Dies sind zum Beispiel haushaltsgesetzliche Vorgaben,
Richtlinien über die Haltung und Beschaffung von Dienst-
fahrzeugen und Richtlinien über die Personalbedarfser-
mittlung.
Alle Stellen der öffentlichen Hand stehen zu Recht in
der kritischen Beobachtung der Bürger und der Medien.
Deshalb ist es wichtig, besonders für die Entscheidungs-
träger vor Ort, über vergleichbare Standards für die Ver-
waltungskosten zu verfügen und damit besser für eine
wirtschaftliche und sparsame Mittelverwendung sorgen zu
können.
Auch hier zeigt sich, dass es uns auf eine handhabbare
Rechtsvorschrift ankommt. Insoweit ist auch den Bedenken
von Rentenversicherungsträgern, die im Rahmen einer
Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
geäußert wurden, Rechnung getragen worden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14183
(C)
(D)
(A)
(B)
So ist über einen entsprechenden Änderungsantrag
noch mal verdeutlicht worden, dass bei der Anwendung
dieser Maßstäbe die Besonderheiten der einzelnen Versi-
cherungsträger zu berücksichtigen sind. So bleibt den Trä-
gern ein weiter Spielraum und Flexibilität für eigene
Entscheidungen und zur Ausübung ihres Selbstverwal-
tungsrechts.
Des Weiteren soll mit dem vorliegenden Gesetzent-
wurf das Problem der selbstständigen Lehrer, Pflegeper-
sonen und auch Hebammen gelöst werden, die eigentlich
seit 1922 rentenversicherungspflichtig waren bzw. sind
und ihrer Versicherungspflicht nicht nachgekommen sind.
Durch die Neuregelungen zur Bekämpfung der Schein-
selbstständigkeit und die Einführung der Renten-
versicherungspflicht für so genannte arbeitnehmerähnli-
che Selbstständige sah sich die BfA genötigt, im Rahmen
der Verjährung erhebliche Beitragsnachforderungen zu
stellen.
Zu Recht warfen die Lehrer ihren Auftraggebern und
den Sozialversicherungsträgern mangelnde Aufklärung
vor. Die Mehrzahl der Lehrer sei gutgläubig davon aus-
gegangen, nicht der Rentenversicherungspflicht zu unter-
liegen, und hatte zum Teil anderweitige Altersvorsorge
getroffen.
Nun schaffen wir für selbstständige Lehrer, aber auch
für selbstständige Pflegepersonen und Hebammen eine
befristete Befreiungsmöglichkeit von der Rentenversi-
cherungspflicht unter denselben Voraussetzungen, unter
denen auch arbeitnehmerähnliche Selbstständige ein Be-
freiungsrecht haben. Dazu müssen sie in einem Antrag
glaubhaft machen, dass sie von der Versicherungspflicht
keine Kenntnis hatten, und sie mussten am 1. Januar 1999
das 50. Lebensjahr vollendet haben oder vor dem 10. De-
zember 1998 eine anderweitige Vorsorge getroffen haben.
Ich will nicht verhehlen, dass es auch weitere Forde-
rungen vonseiten der Betroffenen gab. Aus Gerech-
tigkeitsgründen ist es aber nicht möglich, die Gruppen,
die schon lange der Versicherungspflicht unterliegen, wie
das bei den selbstständigen Lehrern der Fall ist, besser
zu stellen als diejenigen, die bis zum In-Kraft-treten der
neuen Regelungen tatsächlich nicht rentenversicherungs-
pflichtig gewesen sind.
Durch eine weitere Ergänzung sollen alle Bürger der
Europäischen Union, die für eine begrenzte Zeit im Aus-
land beschäftigt sind, die Möglichkeit der Pflichtversi-
cherung erhalten unter der Voraussetzung, dass sie zuvor
in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung die all-
gemeine Wartezeit von fünf Versicherungsjahren zurück-
gelegt haben und nicht in einem anderen Mitgliedstaat
versichert sind. Bisher stand diese Möglichkeit nur
Entwicklungshelfern und deutschen Staatsangehörigen
zu, die für eine begrenzte Zeit im Ausland beschäftigt
sind. Die darin liegende Diskriminierung von Unionsbür-
gern soll mit der vorgeschlagenen Änderung beseitigt
werden.
Alle drei Regelungssachverhalte sind zustimmungs-
würdig, weil sie zu mehr Transparenz und Sparsamkeit
führen – der erstgenannte –, weil sie aus einem Dilemma
heraushelfen, nämlich den versicherungspflichtigen Selbst-
ständigen enorme Nachzahlungen ersparen – der zweite –,
und weil sie mehr Gerechtigkeit in die EU-Landschaft
bringen.
Heinz Schemken (CDU/CSU): Das Gesetz zur Än-
derung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch geht von
mehr Kontrolle über die Sozialversicherungsträger aus.
Es sieht vor, dass von den Aufsichtsbehörden die Haus-
haltspläne der Rentenversicherungsträger beanstandet
werden können, wenn diese die Bewertungs- und Bewirt-
schaftungsmaßstäbe des Bundes bzw. der Länder nicht
beachten. Aus der Gesetzesbegründung zum 1. SGB IV-
Änderungsgesetz ergibt sich mittelbar, dass die Renten-
versicherungen ihre Mittel unwirtschaftlich verwenden.
Die Notwendigkeit einer strengeren aufsichtlichen
Kontrolle der Rentenversicherungsträger wird unter ande-
rem mit der Erhöhung des Bundeszuschusses an die Ren-
tenversicherung begründet. Damit liegen bei den Bewer-
tungs- und Bewirtschaftungsmaßstäben teilweise reine
Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde. Für die selbst-
verwalteten Sozialversicherungsträger ist allerdings nur
eine Rechtmäßigkeitskontrolle zulässig. Die Versiche-
rungsträger sind bereits nach jetziger Rechtslage an die
Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit streng
gebunden. Sie stehen unter der Aufsicht des Prüfungs-
rechtes des Bundes und der Länder durch die jeweiligen
Rechnungshöfe. Dieses Recht wird auch nachdrücklich,
wie die die Vergangenheit zeigt, wahrgenommen.
Viel gewichtiger ist die Frage zu stellen, wie es die
Bundesregierung und die Koalition SPD-Bündnis 90/Die
Grünen mit der Selbstverwaltung hält. Diese Einschrän-
kung der Selbstverwaltungskompetenzen geht im Grunde
genommen in eine völlig falsche Richtung. Mehr Mitwir-
kung und Teilhabe an Verantwortung ist in einer Zeit ge-
fordert, in der die Fragen der Zukunft unserer Sozialsys-
teme immer mehr auch eine Herausforderung für die
Gesellschaft insgesamt werden. Deshalb wäre ein größe-
res Vertrauen gegenüber den Selbstverwaltungsträgern
die richtige Antwort. Stattdessen soll hier mehr staatliche
Kontrolle eingeführt werden. Die geplante Bindung an
Bewertungsmaßstäbe von außen bedeutet einen Eingriff
in die Finanzorganisation und Personalhoheit der Selbst-
verwaltung. Ein Kernbereich unseres sozialen Rechts-
staates wird hier empfindlich getroffen. Hier wird der
Kontrolle mehr Gewicht beigemessen als dem Grundsatz
der Selbstverwaltung, wo die Arbeitnehmer und Arbeit-
geber in Partnerschaft mit großem Verantwortungsbe-
wusstsein am Konsens in der schwierigen Lage unserer
sozialen Sicherungssysteme mitwirken.
Die ungleiche Behandlung der Träger der Rentenversi-
cherung, zu denen die Unfall- und Krankenversicherun-
gen gehören, bringt im Übrigen eine weitere Spaltung des
Selbstverwaltungsrechtes. Die CDU/CSU steht ohne Ab-
striche zur Selbstverwaltung und deren Kompetenzen, die
bisher mit viel Engagement und großer Verantwortlich-
keit wahrgenommen werden. Dies ist für uns ein Herz-
stück im Sozialstaat, der in seiner Verpflichtung auch die
uneingeschränkte Mitwirkung der Menschen in der
Selbstverwaltung respektieren sollte.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114184
(C)
(D)
(A)
(B)
Es geht bei dieser Gesetzesänderung letztlich nur um
eine stärkere Einflussmöglichkeit des Bundes. Auch das
Argument, dass die Größenordnung des Bundeszuschus-
ses eine stärkere Einflussmöglichkeit erforderlich macht,
zieht nicht. Denn immerhin wird die eigentliche Gewich-
tung der Verantwortung und Aufgaben, die bei den Bei-
tragszahlern liegen, über die Selbstverwaltung auch wirt-
schaftlich und sparsam organisiert und verwaltet. Im
Übrigen werden die Mittel des Bundes im Wesentlichen
durch die Vorgaben des Bundes reguliert, da sie sich aus
nicht beitragsgedeckten Leistungen der gesetzlichen Ren-
tenversicherung rekrutieren. Hinzu kommt das Argument,
dass durch diesen Gesetzeseingriff mindestens mittelfris-
tig mehr Verwaltungsaufwand und damit Kosten entste-
hen, die zu Beitragserhöhungen und weiterer Belastung
der Löhne führen.
All das sollte uns mehr Zurückhaltung auferlegen,
wenn es um immer mehr staatlichen Einfluss geht, denn
im Spannungsverhältnis zwischen Selbstverwaltung und
staatlichem Einfluss liegt der Anreiz, die Möglichkeit und
das Recht der Mitwirkung der Versicherten. Dies zu si-
chern wäre das Gebot der Stunde.
Gerne hätten wir noch eine bessere Regelung zum
Thema der Freiberufler gehabt, dies insbesondere bei der
Stichtagsregelung. Wir vertrauen aber auf eine der Ren-
tenversicherungsträger, dies insbesondere, wenn es um die
Nachzahlungspflicht zur Rentenversicherung geht. Der
betroffene Personenkreis, der über eine zusätzliche Alters-
versorgung verfügt, sollte von Rentenversicherungsbeiträ-
gen befreit werden. Dies gilt auch für die Betroffenen aus
den EU-Ländern.
Die CDU/CSU lehnt diesen Gesetzentwurf ab, insbe-
sondere weil die Selbstverwaltung durch weitere staatliche
Eingriffe in ihrer ureigensten Aufgabe eingeschränkt wird.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
heute zur Debatte stehende Entwurf hat eigentlich die
Einführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie
die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung für
die Sozialversicherungsträger zum Gegenstand. Dazu
fand am 25. Oktober 2000 eine Anhörung statt.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU,
Drucksache 14/1058, vor. Danach sollen entgegen dem
Entwurf die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Län-
der die Haushaltspläne der Rentenversicherungsträger bei
fehlender Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeits- und
Bewertungsmaßstäbe gar nicht beanstanden. Das läuft
dem Anliegen des Gesetzes völlig zuwider und ist daher
abzulehnen.
Im Änderungsantrag der Regierungskoalition, Druck-
sache 14/1119, wird dagegen den Bedenken der Renten-
versicherungsträger Rechnung getragen, indem bei der
Aufsicht ausdrücklich „die Besonderheiten der Versiche-
rungsträger zu berücksichtigen sind“. Dieser Antrag sieht
also eine Interessenabwägung vor!
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Befreiungsrecht
in der Rentenversicherung. Mit einem bisherigen Ände-
rungsantrag, Drucksache 14/863, wollten die Regierungs-
fraktionen bestimmten Gruppen von Selbstständigen, die
in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert
sind, eine zeitliche begrenzte Befreiungsmöglichkeit in
§ 231 Abs. 3 SGB VI (neu) auf Antrag einräumen. Vo-
raussetzung ist, dass die Betroffenen glaubhaft machen
können, von der Versicherungspflicht nichts gewusst zu
haben, und 50 Jahre und älter sind oder vor der dritten Le-
sung des Scheinselbstständigengesetzes eine ausrei-
chende anderweitige Altersvorsorge getroffen haben.
Die vorgesehene Regelung ist vor allem durch Proteste
von selbstständigen Lehrern ausgelöst worden, die zum
Beispiel an Volkshochschulen unterrichten. Die bisherige
Änderung war zwar formal auf alle Selbstständigen in
§ 2 SGB VI anwendbar, wegen der Beschränkung auf sol-
che Selbstständige, die selbst keinen versicherungspflich-
tigen Arbeitnehmer beschäftigen, und der erforderlichen
Glaubhaftmachung faktisch auf eine „Lex Privatlehrer“
beschränkt.
Dies ist auch aus den Reihen des Koalitionspartners in
der Koordinierungsrunde kritisiert worden, da zum Bei-
spiel nicht auch alle Hebammen von der Möglichkeit
Gebrauch machen könnten.
Im Dezember sind wir seitens eines Berufsverbandes
auf eine weitere Fallgruppe aufmerksam gemacht wor-
den: In § 229 a SGB VI wird die Versicherungspflicht ge-
regelt, die aufgrund eines DDR-Überleitungsgesetzes
(SWG) als Selbstständige und mitarbeitende Familienan-
gehörige rentenversicherungspflichtig geworden sind.
Diese Gruppe hatte von Mitte 1991 bis 31. Dezem-
ber 1994 die Möglichkeit, aus der Versicherungspflicht zu
kommen. Einigen der Betroffenen scheint aber weder die
Versicherungspflicht noch die Befreiung davon bis 1994
bekannt gewesen zu sein. Offenbar liegen zur Zeit circa
50 bis 60 Fälle im Streit mit der BfA wegen Beitrags-
nachforderungen. Die Streitfälle haben sogar gute Chan-
cen auf Glaubhaftmachung, da die BfA in Sozialgerichts-
verfahren schon eingeräumt hat, nicht hinreichend infor-
miert zu haben.
Diese Erfahrungen und Erkenntnisse haben wir in ei-
nen neuen Änderungsantrag eingearbeitet. Dieser modi-
fizierte Änderungsantrag, der Drucksache 14/863 ersetzt,
sieht nun noch vor, auch den Selbstständigen nach
§ 229 a SGB VI die Möglichkeit einer Befreiung einzu-
räumen, wenn diese die Unkenntnis über die Versicherungs-
pflicht glaubhaft machen können und eine adäquate Alters-
vorsorge selbst getroffen haben. Weiterhin sind explizit
genannt: Lehrer und Erzieher (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI),
Pflegepersonen (§ 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), Hebammen
und Entbindungspfleger (§ 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).
Ausgeschlossen sind richtigerweise Handwerker,
Künstler und Publizisten – die ja die Künstlersozialversi-
cherung haben – sowie hausgewerbetreibende und außer-
dem die Küstenschiffer und Küstenfischer.
Somit sind nun alle Gruppen, die sich mehr oder min-
der berechtigt darauf berufen können, von der Versiche-
rungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
nichts gewusst zu haben, von der bis zum 30. Septem-
ber 2001 geltenden „Amnestieregelung“ begünstigt. Da-
mit dürften nun aber wirklich alle Streitfälle bereinigt
sein!
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14185
(C)
(D)
(A)
(B)
Im gleichen Zusammenhang hat die FDP einen Ände-
rungsantrag, Drucksache 14/1033, eingebracht, der nun
entweder obsolet – durch die Gesetzesbegründung klar-
gestellt – ist oder aber inhaltlich abzulehnen ist: Die Aus-
legung der „andersweitigen Vorsorge“ ist zu weitgehend,
und die Ausdehnung des „Handwerkerprivilegs“ auf an-
dere Selbständige ist unsinnig. Prinzipiell bedenkenswert
ist dagegen der Vorschlag, anstelle des bisherigen Stich-
tags – dem 10. Dezember 1998, der Lesung des „Schein-
selbstständigengesetzes“ – einen Stichtag erst nach dem
In-Kraft-Treten des Gesetzes zu nehmen.
Insgesamt ist es der Koalition gelungen, in dieser kom-
plizierten Materie in allen strittigen Einzelpunkten Lö-
sungen zu finden, die vernünftig, sachgerecht und trans-
parent sind. Wir danken dabei insbesondere auch den
beteiligten Sachverständigen für ihre konstruktive Mitar-
beit.
Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Der vorliegende
Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zur Versi-
cherungspflicht von freiberuflichen Lehrern und selbst-
ständigen Dozenten ist geradezu ein Paradebeispiel dafür,
wie SPD, aber auch die Grünen mit den Selbstständigen
und freien Berufen in Deutschland umgehen. Die vielen
Bedingungen, unter denen diese sich nach dem rot-grünen
Antrag von der Versicherungspflicht sollen befreien kön-
nen, führen im Ergebnis dazu, dass sich an der
Sozialversicherungspflicht von selbstständigen Lehrern
grundsätzlich nichts ändert. Während die SPD dies mit ei-
nem vermeintlichen Schutzbedürfnis begründet, empfin-
den die Betroffenen dies zu Recht als Bevormundung. Ich
kann dazu nur schlicht feststellen: Der rot-grüne Gesetz-
entwurf ist einer modernen Gesellschaft nicht würdig.
Worum geht es im Kern? Aufgrund einer Norm aus den
20er-Jahren des letzten Jahrhunderts, im Jahre des Heils
1922, möchte die Bundesversicherungsanstalt für Ange-
stellte selbstständige Lehrer und Dozenten in die gesetz-
liche Rentenversicherung zwingen. Das eigentlich Inte-
ressante daran ist: Nicht nur die Betroffenen, sondern auch
offenbar die Bundesversicherungsanstalt selber wussten
bislang nichts von der Existenz dieser Norm und damit
von einer etwaigen Versicherungspflicht. Daher ist diese
bislang auch nie angewandt worden. Aber es kommt noch
besser: Jetzt fordert die Bundesversicherungsanstalt sogar
Beitragsnachzahlungen von den Betroffenen ein, die exis-
tenzbedrohende Ausmaße annehmen können. All dies soll
nun durch den rot-grünen Antrag sanktioniert werden.
Für die F.D.P. gilt demgegenüber: Entscheidend muss
für Selbstständige die freie Wahl ihrer Vorsorgeform sein,
wie auch eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzli-
chen Rentenversicherung davon unbenommen bleibt. Da-
her hat die F.D.P. einen eigenen Antrag vorgelegt.
Erstens. Nach dem rot-grünen Antrag können sich all
diejenigen nicht befreien lassen, die erst nach dem 2. Ja-
nuar 1949 geboren sind und erst nach dem 10. Dezember
1998 eine private Rentenversicherung abgeschlossen ha-
ben. Dies bedeutet: Sie müssen alle monatlichen Beiträge
seit dem 1. Januar 1999 rückwirkend entrichten. Bei ei-
nem Regelbeitrag von rund 865 DM pro Monat sind dies
für die Jahre 1999 und 2000 allein 20 760 DM!
Die F.D.P. fordert hiergegen: Da viele Versicherungs-
pflichtige hiervon nichts wussten oder wissen konnten,
sollte hier ein Stichtag nach In-Kraft-Treten dieses Geset-
zes gewählt werden. Denn das Erfordernis, wonach
bereits eine eigene Altersvorsorge aufgebaut worden
sein müsse, kann – insbesondere in den neuen Bundes-
ländern – nicht zum Tragen kommen. Dann werden auch
die Nachforderungen obsolet.
Zweitens. Die F.D.P. fordert, dass zur anerkannten Vor-
sorge auch und gerade kapitalgedeckte Vorsorgeformen
gehören müssen. So sollten zum Beispiel Kapitalversi-
cherungen, die seinerzeit unter steuerrechtlichen Ge-
sichtspunkten empfohlen worden sind, Berücksichtigung
finden. Denn für die meisten Betroffenen sind etwa pri-
vate kapitalgedeckte Lebensversicherungen deutlich
günstiger. Auch kann es nicht angehen, dass zum Beispiel
manche ihr Haus verkaufen müssten, um in die gesetzli-
che Rentenversicherung einzuzahlen.
Drittens fordert die F.D.P. darüber hinaus noch fol-
gende Erweiterung: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass
alle Freiberufler, die einen versicherungspflichtigen Ar-
beitnehmer beschäftigen, versicherungsfrei sind; denn
sonst würde es keinen Sinn machen, diese Gruppe von der
Befreiungsmöglichkeit auszunehmen. Allerdings vermag
nicht einzuleuchten, dass freiberuflich tätige Pflegeperso-
nen, die in der Wochenpflege oder in der Säuglingspflege
tätig sind und einen versicherungspflichtigen Arbeitneh-
mer beschäftigen, selbst versicherungsfrei sein sollen (§ 2
Nr. 2 SGB VI), während freiberuflich tätige Hebammen,
die dieselbe Tätigkeit verrichten und einen versicherungs-
pflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, gleichwohl ver-
sicherungspflichtig bleiben sollen.
Diese Ungleichbehandlung hat keine sachliche Recht-
fertigung. Nicht nur Pflegepersonen beschäftigen häufig
andere Pflegepersonen und überschreiten damit den Be-
reich der höchstpersönlichen freiberuflichen Tätigkeit.
Auch Hebammen betreiben Geburtshäuser und Entbin-
dungsheime und beschäftigen dabei andere angestellte
Hebammen. Insoweit besteht zwischen Pflegepersonen
und Hebammen kein Unterschied, der eine unterschiedli-
che gesetzliche Regelung der Versicherungspflicht recht-
fertigen würde.
Daher sollten Hebammen in die Reihe derer aufge-
nommen werden, die bei Beschäftigung eines versiche-
rungspflichtigen Arbeitnehmers versicherungsfrei sind.
Denn was für Lehrer und Erzieher, was für Pflegeperso-
nen gilt, kann Hebammen und Entbindungspflegern,
schlechterdings nicht verwehrt werden.
Ich bedaure, dass im Ausschuss für Arbeit und Sozial-
ordnung unser Änderungsantrag von beiden Volksparteien,
also nicht nur von SPD und Grünen, sondern auch von der
Union abgelehnt worden ist. Offensichtlich bedeuten Ihnen
der Fleiß, das Engagement und die Kreativität der freien
Berufe nicht viel. Ich sichere den betroffenen Selbstständi-
gen zu: Ab Herbst 2002 werden wir dies ändern.
Pia Maier (PDS): Im Zusammenhang mit dieser SGB
IV-Änderung hat die Regierungskoalition auch eine
Änderung der Rentengesetzgebung beschlossen. Diese
Änderung bewahrt wenigstens einige freiberufliche Leh-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114186
(C)
(D)
(A)
(B)
rerinnen und Lehrer vor horrenden Nachzahlungen in die
Rentenkasse, die vorher nicht absehbar waren. Ein Schritt
in die richtige Richtung, aber ein viel zu kurzer Schritt.
Zum Hintergrund: Freiberufliche Lehrkräfte sind
Selbstständige und wurden schon in der Weimarer Repu-
blik in die gesetzliche Rentenkasse aufgenommen. Aller-
dings hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
diese Tatsache jahrzehntelang nicht zur Kenntnis ge-
nommen und folglich auch keine Rentenbescheide ver-
schickt. Die Honorarkräfte kann man für ihre Unwissen-
heit hier sicher nicht in Haftung nehmen. Durch das Gesetz
gegen die Scheinselbstständigkeit fiel die Versicherungs-
pflicht wieder auf und die freiberuflich tätigen Lehrerin-
nen und Lehrer, die nicht in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung waren, sollten massive Nachzahlungen leisten –
es geht hier um mehrere Zehntausend DM. Für Menschen,
die an Volkshochschulen lehren und zumeist in prekären
Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ist das verdammt
viel Geld.
Die Koalition hat nun den Vorschlag gemacht, ältere
Honorarlehrkräfte, die eine andere Alterssicherung nach-
weisen, von der gesetzlichen Rente auf Antrag auszuneh-
men. Damit helfen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Koalition, nur einigen Härtefällen. Aber als Stich-
tag haben Sie den 10. Dezember 1998 bestimmt, den Tag
der Verabschiedung des Scheinselbstständigengesetzes.
Und das bedeutet, dass nur diejenigen, die schon zu die-
sem Zeitpunkt für sich eine anderweitige Altersvorsorge
geschaffen hatten, befreit werden können. Das hilft all je-
nen, die erst beim Erhalt ihres ersten Rentenbescheides
aus allen Wolken fielen, überhaupt nicht und es stürzt
viele Dozentinnen und Dozenten in finanzielle Notlagen.
Besonders hart trifft es die freiberuflichen Lehrerinnen
und Lehrer, die in der Annahme eine Alterssicherung ein-
gegangen sind, dass ihnen eine gesetzliche Rentenversi-
cherung nicht zustünde. Oftmals haben sie kaum eine
Möglichkeit, aus dieser privaten Altersversorgung wieder
heraus zu kommen.
Im Gegensatz zu vielen Lehrerinnen und Lehrern, die
Ihnen sicher auch in den vergangenen Wochen geschrieben
haben, gehe ich davon aus, dass diese Honorarkräfte in die
gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden soll-
ten – und das selbstverständlich zu zumutbaren Bedingun-
gen. Und darum müssen auch hier die Rahmenbedingun-
gen für eine paritätische Finanzierung geschaffen werden.
Sicher, eine Volkshochschule kann die Honorare nicht an-
heben – jedenfalls nicht ohne eine direkte Umlage auf die
Kosten für die Kursteilnehmer und -teilnehmerinnen.
Dasselbe gilt auch für die Anbieter von Deutschkursen und
andere Träger. Wenn das kostengünstige Bildungsangebot
der Volkshochschulen weiter bestehen soll – wofür ich
mich hier ausdrücklich ausspreche –, dann muss der Bund
für den Arbeitgeberanteil seinen Beitrag leisten.
In diesem Sinne hat die PDS-Fraktion einen Entschlie-
ßungsantrag gestellt. Wir treten dafür ein, die Stichtagsre-
gelung so zu verändern, dass die Dozentinnen und Dozen-
ten keinerlei Nachzahlungen leisten müssen! Das ist der
wichtigste Punkt, weil Nachzahlungsforderungen in bis zu
fünfstelliger Höhe für die überwiegende Mehrheit der Be-
troffenen existenzbedrohend sind. Außerdem fordern wir
die Bundesregierung auf, eine Regelung zu schaffen, die
vorsieht, dass der Bund – analog dem System der Künst-
lersozialkasse – einen Zuschuss übernimmt, denn die jetzt
geplante Regelung gefährdet nicht nur die Existenz der
Dozentinnen und Dozenten, sondern auch das Kursangebot
der Bildungsträger. Wenn Bildung von allen Fraktionen in
.diesem Hause immer wieder eingefordert wird, dann dür-
fen wir den Abbau der Bildungsangebote der Volkshoch-
schulen nicht auch noch befördern. Gerade an den Volks-
hochschulen hat schon immer das berühmte lebenslange
Lernen stattgefunden und darum müssen wir dafür sorgen,
dass sich auch weiterhin Menschen das VHS-Angebot leis-
ten können, die zwar nur über einen schmalen Geldbeutel
verfügen, die sich aber dennoch weiterbilden möchten.
Aus all diesen Gründen fordere ich Sie auf: Stimmen
Sie unserem Entschließungsantrag zu und tragen Sie da-
mit zum Zustandekommen einer für alle Betroffenen so-
zialverträglichen Lösung bei.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige wenige
Worte zum eigentlichen Gegenstand des Gesetzes verlie-
ren: Die Versicherungsträger arbeiten schon lange nach
den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
Sie werden auch mit der Einführung von Kosten- und Leis-
tungsrechnungen ihre Arbeit weiter gut leisten. Dass sie
sich gegen eine Umstellung wehren, ist verständlich. Es
gibt allerdings einen guten Grund, diese Umstellung zu
fordern: Für die Aufsichtsbehörde ist die Arbeit einfacher,
wenn überall nach denselben Grundsätzen geprüft werden
kann. Und für die wenigen Bürgerinnen und Bürger, die
es wagen, sich näher mit dem öffentlichen Haushaltswe-
sen einzulassen, zum Beispiel um eine Kontrollfunktion
in Aufsichtsgremien auch tatsächlich und nicht nur formal
auszuüben, wird es auch einfacher: Hat man das System
dann einmal verstanden, kann man es immer anwenden.
Im Sinne des Abbaus und der Vereinfachung von Büro-
kratie, im Sinne von Transparenz und Einflussmöglich-
keiten der Bürgerinnen und Bürger sind gleiche Haus-
haltsführungsgrundsätze ein Fortschritt. Und darum wird
die PDS-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entschließungsantrags: Wett-
bewerbsbedingungen für die deutsche Tourismus-
wirtschaft in Euro-Land (Tagesordnungspunkt 21)
Rosel Neuhäuser (PDS): Seit dem Einbringen des
Entschließungsantrags der F.D.P. zu Wettbewerbsbedin-
gungen für die deutsche Tourismuswirtschaft im Euro-
Land ist geraume Zeit vergangen. Seit dieser Zeit hat sich
in der Entwicklung der Tourismusbranche einiges getan.
Es gibt in den neuen Ländern eine positive Entwicklung.
Nicht nur die Angebote, sondern auch der Umweltschutz
haben im Ausbau und der Weiterentwicklung des Touris-
mus in Deutschland einen wichtigen Platz eingenommen.
Dieser Aufwärtstrend ist erfreulich, weil er unter an-
derem für viele Menschen, besonders in strukturschwa-
chen Regionen, einen wichtigen Faktor für Beschäftigung
und wirtschaftlichen Aufschwung signalisiert. Aber we-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14187
(C)
(D)
(A)
(B)
der Euphorie noch eindeutige Rückschlüsse sind in die-
sem Zusammenhang berechtigt. Die Tourismuswirtschaft
muss sich in den nächsten Jahren noch auf enorme Verän-
derungen einstellen. Nicht nur die Einführung des Euro,
sondern die Fragen des Strukturwandels und die Frage der
Qualität der Angebote sind in der Entwicklung des Tou-
rismus in Deutschland von ausschlaggebender Bedeu-
tung.
Zu allen Fragen kann ich keine Ausführungen machen.
Daher stelle ich zwei Fragen in den Mittelpunkt, die aus
meiner Sicht weiterzuentwickeln sind, die ich allerdings
nicht ausführen kann.
Erstens: die Frage der Arbeitsmarktsituation. Eine
weite Anerkennung der beruflichen Abschlüsse aus mei-
ner Sicht genauso notwendig wie die Schaffung von Dau-
erarbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Befristete
oder auf dem zweiten Arbeitsmarkt funktionierende
Strukturen sind auf Dauer keine Lösung. Deshalb fordere
ich die Verantwortung auf, Lösungswege zur Lösung die-
ser Frage zu suchen.
Zweitens: die Fragen der Harmonisierung bzw. er-
mäßigter Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Arbei-
ten. Über dieses Anliegen wurde bereits in der 13. Wahl-
periode diskutiert. Es wurde von der F.D.P. abgelehnt.
Inzwischen wurde der Inhalt von der Geschichte einge-
holt. Entsprechend einer Initiative des Europaparlamentes
ist es möglich, unter anderem arbeitsintensive Leistungen
mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen.
Tatsächlich entschieden sich nur neun europäische Länder
– ohne Deutschland –, diese Möglichkeit mit eventuellen
positiven Auswirkungen für den Arbeitsmarkt wenigstens
auszuprobieren.
Wir sind uns in diesem Haus sicher darüber einig, dass
Deutschland ein preiswertes, aber kein billiges Reiseland
ist. Das deutsche Gastgewerbe sei insbesondere im Ver-
gleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten durch die Anwen-
dung des vollen Umsatzsteuersatzes gravierend benach-
teiligt. Es gibt Reiseländer in der EU, in denen die Preise
kaum unter den Preisen in Deutschland liegen. Im Ge-
genteil: Sie liegen höher.
Die Umsatzsteuer ist ein Faktor, der preisbestimmend
wirkt, aber in den seltensten Fällen ausschlaggebend ist
für die Entscheidung, wo jemand Urlaub macht. Daher ist
aus meiner Sicht eine Insellösung für Deutschland nicht
sinnvoll. Meine Fraktion ist vielmehr der Überzeugung,
dass die Harmonisierung aller Finanz- und steuerpoliti-
schen Fragen im Rahmen der EU gelingen muss, um die
Wettbewerbschancen zu gewährleisten.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zurBeratung des Antrags: UMTS-Milliarden für
die Einführung einer kommunalen Investitions-
pauschale des Bundes (Tagesordungspunkt 23)
Hans Georg Wagner (SPD): Es ist wohl zu beklagen,
dass die Verfahrensabläufe im Bundestag so sind, wie sie
sind. Ende November 2000 hat der Bundestag mit den
Stimmen der Koalition beschlossen, die Zinsersparnisse
aus den UMTS-Verkäufen in einer Größenordnung von
15 Milliarden DM beginnend mit dem 1. Januar 2001 für
ein dreijähriges Investitionsförderungsgesetz, das Zu-
kunftsinvestitionsprogramm, zu verwenden.
Im Wesentlichen geht es um Investitionen im Baube-
reich: Straßenbau, Schienenausbau, Altbau-Energiesanie-
rung, die soziale Stadt sowie um die Bildungs- und For-
schungspolitik als Zukunftsprogramm für unsere Kinder.
Dies war der politische Wille der Koalition.
Dabei waren wir natürlich offen für Vorschläge der an-
deren Fraktionen. Daher bedauere ich, dass der Antrag der
PDS erst heute, zwei Monate nach dem Beschluss des
Bundestages, diskutiert wird. Das haben eigentlich alle
Fraktionen so nicht verdient. Der Antrag muss im Zusam-
menhang mit anstehenden Entscheidungen diskutiert
werden; deshalb will ich auch heute auf diese Überlegung
noch eingehen.
Die PDS fordert eine kommunale Investitionspau-
schale von 3 Milliarden DM. Bei der zu Recht angespro-
chenen Haushaltslage der Kommunen muss jedoch das
Gesamttableau öffentlicher Haushalte betrachtet werden.
Bei der Klage des Saarlandes und Bremens 1991/1992
wegen des bundesstaatlichen Finazausgleichs und ihre
Haushaltsnotlage war ein Wesentliches Kriterium die
Zinssteuerlastquote.
Diese Quote muss man genau betrachten: Bund 21 Pro-
zent, Länder 11 Prozent, Gemeinden 7 Prozent. Das heißt:
Der Bund hat die schlechteste Haushaltslage aller deut-
schen Gebietskörperschaften.
Die kommunalen Haushalte unterliegen der Genehmi-
gung der Länderinnenminister. Nur diese haben die Mög-
lichkeit, die Haushaltszügel der Kommunen zu lockern,
um damit Investitionen anzuregen. Die vom Zukunftsin-
vestitionsprogramm ausgelösten Investitionen erfolgen
ausschließlich in den Kommunen. Denn der Bau von
125 Ortsumgehungen dient eindeutig den Kommunen.
Zudem erfolgt eine regionale Unterstützung der Bauwirt-
schaft: Die Erhöhung der Städtebauförderungsmittel für
die alten Bundesländer bei Beibehaltung der Förderung in
den neuen Ländern und die Erhöhung der Mittel „Soziale
Stadt“ sind eindeutig auf der Haben-Seite der Kommunen
zu verbuchen. Ich erinnere an das Altschuldenhilfegesetz,
das auch finanzielle Entlastungen für die Kommunen be-
deutet.
Deshalb konnten wir Ihre Forderungen, meine Damen
und Herren Kollegen von der PDS-Fraktion, nicht in un-
sere Überlegungen mit einbeziehen. Mir kommt es jedoch
darauf an, Ihre Argumente aufzunehmen und mit Ihnen zu
diskutieren, obwohl die Entscheidungen, wie Sie selbst
wissen, längst getroffen sind.
Peter Götz (CDU/CSU): Wir haben gut die Hälfte der
Legislaturperiode hinter uns. Mit Fug und Recht können
wir feststellen: Diese rot-grüne Regierung macht eine
kommunalfeindliche Politik.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114188
(C)
(D)
(A)
(B)
Der Umgang mit den UMTS-Erlösen ist nur ein gutes
Negativbeispiel für rot-grüne Politik. Diese Regierung
will die kommunale Selbstverwaltung immer weiter aus-
höhlen und lebt alte sozialistische Staatsreflexe unge-
hemmt aus: möglichst alles von der Zentrale her kontrol-
lieren und steuern, kein Vertrauen in die Kreativität und
das Verantwortungsbewusstsein der örtlichen demokrati-
schen Gemeinschaften.
Ich will Ihnen anhand einiger Zahlen die kommunal-
feindliche rot-grüne Politik verdeutlichen. Die Daten
kommen übrigens aus dem Hause von Finanzminister
Eichel, der unverdächtig ist, Zahlen für die Argumenta-
tion der Union liefern zu wollen.
Zunächst zur Steuerschätzung vom November 2000.
Danach verlieren die Kommunen von 2000 auf 2001
– von 112,2 Milliarden DM auf 110,2 Milliarden DM –
2 Milliarden DM. Das scheint auf den ersten Blick nicht
dramatisch zu sein. Aber wenn wir die Auswirkungen
aller Bundesgesetze, die seit 1998 verabschiedet wurden,
auf die kommunalen Haushalte betrachten, dann ergeben
sich für 2001 unmittelbare Einnahmeausfälle von knapp
6,5 Milliarden DM. Dazu kommen mittelbare Einnahme-
ausfälle in Höhe von knapp 5 Milliarden DM, die sich au-
tomatisch über den Mechanismus des kommunalen Fi-
nanzausgleichs ergeben. Dies ergibt sich aus der DStGB-
Dokumentation Nr. 16, 4. Januar 2001, auf der Grundlage
von Zahlen des BMF.
Die Bundesregierung hat den Kommunen seit 1998
fast 11,5 Milliarden DM aus den kommunalen Steuer-
haushalten herausregiert. Das ist eine riesige Summe. Das
Geld fehlt in den Städten und Gemeinden bei der Förde-
rung von Vereinsarbeit, bei Investitionen in Schulen, Kin-
dergärten und vielem mehr.
Ein Weiteres kommt hinzu: Wenn wir uns über die Zu-
kunft der Städte und Gemeinden unterhalten, dürfen den
Kommunen nicht laufend neue Aufgaben übertragen und
gleichzeitig die Gelder weggenommen werden. Es kann
und darf nur nach dem Motto gehen: Wer bestellt, bezahlt.
Ich möchte Sie an Ihre eigene Koalitionsvereinbarung
erinnern. Dort steht:
Wir wollen die Finanzkraft der Gemeinden stärken
und das Gemeindefinanzsystem einer umfassenden
Prüfung unterziehen. Aber genau das Gegenteil tun
Sie hier im Deutschen Bundestag: Sie schaffen im-
mer neue Gesetze zulasten der Kommunen und eine
umfassende Prüfung des Gemeindefinanzsystems
haben Sie bis heute nicht in Angriff genommen.
Stattdessen handeln Sie regelmäßig gegen Ihre eige-
nen Ankündigungen. Sie missbrauchen die kommu-
nalen Haushalte als Verschiebebahnhof für originäre
Aufgaben des Bundes.
Lassen Sie ich nur einige Beispiele nennen – Basis ist
die Steuerschätzung von Mai 1998 –: Das Steuerände-
rungsgesetz 1998 kostet die Gemeinden im Jahre 2001
DM 1,66 Milliarden DM. Mit dem Steuerentlastungs-
gesetz 1999 belasten Sie die Kommunen im Jahr 2000 und
2001 jeweils um weitere 1,06 Milliarden DM.
Es geht noch weiter: Die Familienförderung, mit der
Sie sich immer loben, finanzieren die Kommunen mit
über 700 Millionen DM, das Steuerbereinigungsgesetz
mit 305 Millionen DM. Die Einführung der Entfernungs-
pauschale kostet die kommunalen Haushalte 135 Milli-
onen DM. Aber die Ökosteuer streicht der Finanzminister
ohne eine Miene zu verziehen ein. Und letztlich belastet
die rot-grüne Bundesregierung mit dem so genannten
Steuersenkungsgesetz die Kommunen mit 4,46 Milliar-
den DM.
Fast 100 Milliarden DM hat der Bund im letzten Jahr
durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen eingenom-
men, zum Teil zulasten der Kommunen. Es war nicht ver-
wunderlich, dass daraufhin hier in Berlin viele gute Ideen
zur Finanzierung wichtiger Aufgaben genannt worden
sind. Letztendlich hat die Bundesregierung die gesamte
Summe selbst in ihrem Haushalt belassen. Es wird ver-
fahren nach dem Motto: Erst alles selbst kassieren, dann
Weihnachtsmann spielen und an die braven Kinder ver-
teilen. Die Haushaltsbalance zwischen Bund, Ländern
und Gemeinden wird weiter verzerrt.
Gewerbesteuerausfälle und Effekte aus dem Finanz-
ausgleich treffen die Kommunen insgesamt, vor allem in
einzelnen Gemeinden, auf dramatische Weise. Dies wird
zunehmend konkret. Ich will Ihnen das am Beispiel des
Amts Stahnsdorf, einer Gemeinde mit 12 000 Einwohnern
in Brandenburg, einmal vor Augen führen: In dieser Ge-
meinde sind Unternehmen angesiedelt, die UMTS-Lizen-
zen ersteigert haben. Gewerbesteuereinnahmen der Ge-
meinde von bisher jährlich über 4 Millionen DM fallen
weg. Im Dezember 2000 ist die Gemeinde über ihre Ge-
werbesteuervorauszahlung für 2001 informiert worden:
Sie bekommt nichts, null. Der Grund ist das negative Be-
triebsergebnis wegen der hohen an den Bund zu zahlen-
den UMTS-Lizenzen. Ebenso wird es 2002 sein und wir
wissen, dass diese Situation noch viele Jahre anhalten
wird. Finden Sie das gerecht?
Von den Steuermindereinnahmen für die Kommunen
bei der Einkommensteuer habe ich noch gar nicht gespro-
chen. Dies ist ein Beispiel aus den neuen Ländern, die
dringend auf eigene kommunale Einnahmen angewiesen
sind.
Die Menschen in den neuen Ländern wollen keine Al-
mosen. Aber sie haben einen Anspruch darauf, dass die
Früchte einer erfolgreichen Kommunalpolitik nicht von
Gerhard Schröder abkassiert werden.
Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung hat den Auf-
bau Ost massiv betrieben. Dabei ging es vor allem um die
Stärkung der Kommunen. Und es ist sicher kein Zufall,
dass die wirtschaftlich besonders erfolgreichen Wachs-
tumszentren in den neuen Ländern genau dort sind, wo die
Christdemokraten in Ländern und Kommunen die politi-
sche Verantwortung tragen.
Und wie sieht es seit dem Regierungswechsel aus? In
der rot-grünen Bundesregierung hat der Kanzler, im Ne-
benberuf SPD-Parteivorsitzender, die Förderung der neu-
en Länder zur Chefsache erklärt. Der Bundestagspräsi-
dent, im Nebenberuf stellvertretender SPD-Vorsitzender,
sagt nach gut zwei Jahren rot-grüner Regierungsverant-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14189
(C)
(D)
(A)
(B)
wortung, die Neuen Länder stünden auf der Kippe. Was
heißt das? Weder PDS noch Rot-Grün tun den neuen Län-
dern gut.
Zum Schluss will ich noch auf eine tagesaktuell anste-
hende Parlamentsentscheidung und ihre Wirkung auf die
Gemeinden, Städte, Kreise zu sprechen kommen: die
Rentenreform. Ein klares Bild fehlt bis heute. Nur eines
wird zunehmend deutlich: Sie planen einen erneuten An-
griff auf die kommunalen Haushalte. Die so genannte
Rentenreform wird die Kommunen nach Schätzung des
Deutschen Städtetages weitere 3,2 Milliarden DM kosten.
Völlig unakzeptabel ist für uns ihr Konzept für eine
leistungs- und beitragsfreie Grundrente. Wenn sie so
kommt, wie sie es sich vorstellen, bestrafen Sie alle, die
für ihr Alter vorsorgen; denn wer vorsorgt, wird versorgt
und wer nicht vorsorgt, wird auch versorgt. Dieses Gesetz
hat katastrophale Folgen auf die Selbstverantwortung der
Menschen für Ihre Altersvorsorge. Sozialistisches Gedan-
kengut führt zum unmündigen Bürger. Wir haben ein an-
deres Gesellschaftsbild.
Die vorgeschlagene Grundversorgung hat auch kata-
strophale Folgen für die Kommunen, die Sie für die
Grundsicherung verantwortlich machen wollen. Erneut
werden die Städte und Gemeinden zum Zahlmeister für
großzügige Sozialleistungen des Bundes. Diesen Ver-
schiebebahnhof machen wir nicht mit.
Ein Weiteres kommt hinzu: Sie wollen bei den Kom-
munen neue Grundsicherungsämter schaffen – zusätzlich
zu den Sozialämter – das heißt neue Bürokratie. Und da-
mit greifen Sie in die kommunale Organisationshoheit
ein.
Skandalös ist Ihre Arroganz gegenüber den kommuna-
len Spitzenverbänden. Sie verweigern den Kommunen
jede Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren in der
Sache dieser Grundsicherungsämter. Die kommunalen
Spitzenverbände müssen zumindest angehört werden.
Sie hätten sogar schon bei der Erarbeitung des Referen-
tenentwurfs beteiligt werden müssen. Aber das alles
interessiert Rot-Grün nicht. Die Schaffung von Grund-
sicherungsämtern greift empfindlich in die Sphäre der
kommunalen Selbstverwaltung ein.
Sie haben mit Ihrer rot-grünen Mehrheit im Bundes-
ausschuss für Arbeit und Sozialordnung eine Einladung
der kommunalen Spitzenverbände zu der heutigen An-
hörung verweigert, weil Ihnen die Kommunen lästig sind.
In Sonntagsreden das Hohe Lied der kommunalen Selbst-
verwaltung singen und hier, wo die Entscheidungen zu
treffen sind, genau entgegengesetzt handeln – dieses Spiel
lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Die finanzielle Sicherung der Menschen im Alter ist
keine kommunale Aufgabe. Sie darf auch keine kommu-
nale Aufgabe werden.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Im Jahr
2000 gaben die Kommunen über 47 Prozent ihrer Steuer-
einnahmen – 55 Milliarden DM – für soziale Leistungen
aus. Im Jahr 2001 werden es über 50 % sein. Steigerungen
sind vorprogrammiert. – Diese Leistungen sind übertra-
gene Staatsaufgaben, die nach Bundesgesetzen von den
Kommunen erledigt werden müssen. Für eigene Selbst-
verwaltungsaufgaben bleibt immer weniger übrig. Die
Bürgerinnen und Bürger werden bei der Gestaltung des
örtlichen kommunalen Lebensraums zunehmend entmün-
digt. Die im Grundgesetz garantierte kommunale Selbst-
verwaltung bleibt auf der Strecke.
Der Umgang mit den Erlösen aus den UMTS-Lizenzen
ist also nur eines von vielen Beispielen für die sozialisti-
sche Politik dieser rot-grünen Bundesregierung. Die
100 Milliarden DM haben Sie teilweise zulasten der
Kommunen kassiert. Das ist unanständig. Geben Sie den
Gemeinden das ihnen zustehende Geld zurück! Wir brau-
chen in unserem Land lebensfähige Städte und Gemein-
den, die eigenverantwortlich entscheiden können.
Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ge-
rade auf dem Feld der Finanzpolitik macht es mir jedes
Mal Freude, feststellen zu können, dass wir mit unserer
Politik Erfolge haben und einfach besser als die Opposi-
tion sind. Immer mehr hat sich die Finanzpolitik für uns
als ein Heimspiel entwickelt.
Der Erfolg unserer nachhaltigen und soliden Finanz-
politik ist für jedermann greifbar: Wir haben wieder Ver-
trauen in der Bevölkerung und in der Wirtschaft geschaf-
fen. Die Konjunktur gewinnt an Fahrt, der Euro erholt
sich, die Arbeitslosenzahlen sinken und die Beschäfti-
gung steigt. Dies sind Fakten, die nicht kleingeredet wer-
den können.
Mit dem Haushalt 2001 halten wir an unserem Konso-
lidierungskurs fest. Die Neuverschuldung wird weiter ge-
senkt. Unser Zukunftsprogramm 2000 war im letzten Jahr
keine einmalige Kraftanstrengung. Die Konsolidierung
des Bundeshaushalts ist für uns vielmehr eine konsequent
zu verfolgende langfristige Daueraufgabe.
Ziel bleibt, in 2006 einen ausgeglichenen Haushalt
vorzulegen und danach mit dem Schuldenabbau zu be-
ginnen. Wir können nicht immer mehr Lasten auf zukünf-
tige Generationen verschieben. Wir wollen den Schulden-
berg überwinden und ihn nicht einfach hinnehmen – wie
die alte Regierungskoalition es jahrelang getan hat. Er-
folgloses Durchwursteln ohne echten Reformwillen und
ohne Durchsetzungsfähigkeit wäre für die Zukunft
Deutschlands tödlich.
Gesunde Bundesfinanzen sind erforderlich. Bei unse-
rer Regierungsübernahme vor zwei Jahren haben wir ein
katastrophales Finanzchaos vorgefunden. Die Bundes-
finanzen befanden sich nach 16 Jahren Kohl-Regierung in
einer jämmerlichen Verfassung.
In den letzten Jahren der Regierungskoalition hatte der
Bundeshaushalt eine chronische Unterdeckung von 80 bis
90 Milliarden Mark. Waigel konnte die Haushaltslücken
nur mit enormen Neuverschuldungen und Privatisierungs-
einnahmen schließen.
Mit einem Schuldenberg von 1,5 Billionen sitzen wir
daher nun in der schwarz-gelben Schuldenfalle. Mehr als
jede fünfte Steuermark müssen wir jährlich für Zinsen
ausgeben. Das sind jährliche Steuerzahlungen der Bürger
und Bürgerinnen in Höhe von 80 Milliarden DM. Diese
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114190
(C)
(D)
(A)
(B)
Steuerzahlungen hat die alte Regierungskoalition zu ver-
antworten. Ihre Rolle als Steuersenkungsparteien ist da-
her völlig unglaubwürdig.
Durch unseren Kurswechsel in der Finanzpolitik haben
wir den Sinkflug bei der Neuverschuldung eingeleitet und
die Handlungsfähigkeit des Staates wieder hergestellt.
Schritt für Schritt bringen wir den Bundeshaushalt wieder
in ein gesundes Gleichgewicht.
Nun zu den Zukunftsinvestitionen mit Zinserspar-
nissen aus UMTS-Einnahmen: Die UMTS-Einnahmen
von 99,4 Milliarden DM haben wir, wie von Anfang an
von uns gefordert, vollständig zur Tilgung von Bundes-
schulden verwendet. Der Bund hat damit zum ersten Mal
seit 1970 eine echte Nettotilgung geleistet. Die Bundesre-
publik wird deshalb in diesem Jahr beim Schuldenstand
mit 58 Prozent wieder unter der „Maastricht-Grenze“ von
60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen.
Wir stellen damit erneut eindringlich die Solidität un-
serer Finanzpolitik unter Beweis. Dies wird von unserer
Bevölkerung auch anerkannt, was uns freut und die
CDU-Opposition zunehmend ärgert. Sie kann nur noch
durch haltlose persönliche Angriffe gegenüber unserem
Bundesfinanzminister in Erscheinung treten, wie wir ge-
rade diese Woche im Haushaltsausschuss feststellen
konnten.
Bei einem Schuldenberg von 1,5 Billionen ist Ihre Be-
hauptung widersinnig, der Bundesfinanzminister würde
in Geld schwimmen und könnte daher riesige Steuersen-
kungen umsetzen. Mit der Tilgung bereinigen wir von den
16 Jahren Kohl-Regierung lediglich 18 Monate Schulden-
aufwuchs. Weitere 170 Monate müssen noch aufgeholt
werden.
Immer steigende Zinsausgaben haben die Ausgaben
für Zukunftsinvestitionen zunehmend beschnitten. Daher
müssen wir die Investitionen verstärken, aber auch durch
Sparen die Ursache der Investitionsbeschränkungen
bekämpfen. Nur so können wir die Gestaltungsspielräume
langfristig absichern.
Nach dieser Leitlinie haben wir uns bei der Frage der
Verwendung der UMTS-Einnahmen ausgerichtet. Die
durch die Tilgung entstehenden Zinsersparnisse von rund
5 Milliarden DM wollen wir vorrangig für Zukunftsin-
vestitionen einsetzen, die auch den neuen Ländern zugute
kommen. Für die Umweltpolitik ist es ein großer Erfolg,
dass neben Bildung und Forschung ein Löwenanteil für
ökologische Investitionen zur Verfügung gestellt wird.
Die Grünen haben sich schon immer für die Bahn stark
gemacht. Daher freuen wir uns, dass die Mittel für die
Schiene um 2 Milliarden DM aufgestockt wurden. Mit
diesen Mitteln können wir sofort mit der Beseitigung von
Langsamfahrstellen im Bestandsnetz beginnen. Die ehe-
mals 200 Langsamfahrstellen sind auf über 1000 ange-
wachsen. Dies hat verheerende Auswirkungen auf den
Fahrplan und die Attraktivität der Bahn. Um die Zukunft
der Bahn sicherzustellen, besteht hier ein dringender
Handlungsbedarf.
Ein ebenso dringender ökologischer Handlungsbedarf
besteht bei der Energieeinsparung in Altbauten. Wie die
Eisflächen am Nordpol zeigen, ist derzeit der Klimawan-
del die größte umweltpolitische Herausforderung der
Menschheit.Um unser Klimaziel zu erreichen, die
C02-Emissionen bis 2005 gegenüber 1990 um 25 Prozentzu reduzieren, muss insbesondere der Trend zu steigenden
C02-Emissionen im Bereich der privaten Haushalte ge-brochen und umgekehrt werden. Auch hier gilt, Durch-
wursteln wie bei der alten Regierungskoalition geht nicht
mehr.Daher legen wir in den nächsten Wochen mit einem
Teil der Zinsersparnisse ein Altbausanierungsprogramm
auf, mit dem wir die Trendumkehr erreichen. Wie beim
Schuldenberg wollen wir auch hier einen Kurswechsel
und nicht einfach die derzeitige Situation hinnehmen.
Die Modernisierung Deutschlands im Sinne nachhalti-
ger Politik ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die nur von
allen staatlichen Ebenen gemeinsam bewältigt werden
kann. Gerade für die neuen Länder sind Konzepte zu ent-
wickeln, die gesamtstaatlich auch umsetzbar sind. Im
Rahmen der nun anstehenden Diskussion zur Neuord-
nung des Länderfinanzausgleichs und zur Fortsetzung des
Solidarpakts wollen wir uns daher dafür einsetzen, dass
die Rahmenbedingungen für die kommunalen Investitio-
nen in den neuen Ländern nachhaltig verbessert werden.
Mit der einmaligen Bereitstellung von 3 Milliarden DM
ist den neuen Ländern nicht gedient. Hier benötigen wir
vielmehr einen langen Atem.
Gerhard Schüßler (F.D.P.): Das Anliegen, das dem
Antrag der PDS zu Grunde liegt, ist nachvollziehbar und
verdient im Grundsatz Unterstützung. Die ausreichende
finanzielle Ausstattung der Gemeinden muss sichergestellt
werden. Wir erleben viel zu oft, dass auf Bundes- oder
Landesebene Gesetze beschlossen oder sonstige Maßnah-
men getroffen werden, die zum Teil gravierende Auswir-
kungen auf die kommunalen Finanzen haben.
Trotzdem wird die F.D.P. dem vorliegenden Antrag
nicht zustimmen. Ich will das begründen: Grundsätzlich ist
die finanzielle Ausstattung der Gemeinden Länderangele-
genheit. Eine kommunale Investitionspauschale, die ich
grundsätzlich begrüße, muss von den Ländern beschlossen
werden. Die Belange der ostdeutschen Gemeinden, die die
PDS insbesondere anspricht, sollten eine wichtige Rolle
im Rahmen des Solidarpaktes II spielen. Adressat dieser
Forderung sind Bund und Länder.
So weit zu diesem Antrag.
Die Finanzverfassung und damit auch die finanzielle
Ausstattung der Kommunen sind viel grundsätzlicher an-
zugehen. Es wird immer weniger akzeptiert, dass zum Bei-
spiel der Bund Gesetze beschließt, deren finanzielle Aus-
wirkungen die Gemeinden zwar tragen müssen, dafür aber
nicht genug Finanzzuweisungen von den Ländern erhal-
ten. Auch ist das Geflecht von öffentlichen Aufgaben und
Ausgaben mittlerweile undurchdringlich und unverständ-
lich geworden. Im Rahmen des neu zu regelnden Länder-
finanzausgleichs sollte daher nach Auffassung der F.D.P.
auch die Finanzverfassung reformiert werden. Ziel dabei
muss sein, die Aufgaben, die Ausgaben, aber auch die Ein-
nahmen der verschiedenen Gebietskörperschaften zu ent-
zerren. Bund, Länder und Gemeinden müssen wissen, mit
welchen Ausgaben und mit welchen Einnahmen sie zu
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14191
(C)
(D)
(A)
(B)
rechnen haben. Damit verträgt sich nicht das hochkompli-
zierte Gefüge aus Gemeinschaftsaufgaben. Wir haben jetzt
die einmalige Gelegenheit, unser Finanzsystem grundle-
gend zu reformieren. Wir sollten diese Chance nutzen.
Anlage 6
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 757. Sitzung am 1. De-
zember 2000 beschlossen, gemäß Artikel 76 Absatz 2
Grundgesetz gegen den folgenden Gesetzentwurf keine
Einwendungen zu erheben:
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vor-
schriften auf dem Gebiet der Anerkennung und
Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zi-
vil- und Handelssachen
Der Bundesrat hat in seiner 758. Sitzung am 21. De-
zember 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen:
– Gesetz zurEinführung einerEntfernungspauschale
– Fünftes Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsge-
setzes
– Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001)
– Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrecht-
lichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeits-
entgelt (Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetz)
– Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Ar-
beitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschrif-
ten (4. Euro-Einführungsgesetz)
– Gesetz zur Einführung einer Vergütung der Mineralöl-
steuer für die Land- und Forstwirtschaft (Agrardiesel-
gesetz – AgrdG)
– Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsge-
setzes, insbesondere zur Durchführung der EG-
Richtlinie 98/78/EG vom 27. Oktober 1998 über die
zusätzliche Beaufsichtigung der einerVersicherungs-
gruppe angehörenden Versicherungsunternehmen
sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro
– Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errich-
tung eines Fonds „Deutsche Einheit“ und des Geset-
zes über den Finanzausgleich zwischen Bund und
Ländern
– Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ver-
besserung der betrieblichen Altersversorgung
– Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimm-
rechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG)
– Gesetz zu dem Gemeinsamen Protokoll vom 21. Sep-
tember 1988 über die Anwendung des Wiener Über-
einkommens und des Pariser Übereinkommens (Ge-
setz zu dem Gemeinsamen Protokoll über die
Anwendung des Wiener Übereinkommens und des
Pariser Übereinkommens)
– Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes ((Neuntes)
Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes)
– Gesetz über die Zusammenlegung des Bundesamtes
fürWirtschaft mit dem Bundesausfuhramt
– Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikati-
onseinrichtungen (FTEG)
– Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2001 (ERP-Wirt-
schaftsplangesetz 2001)
– Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeits-
verträge und zur Änderung und Aufhebung ar-
beitsrechtlicher Bestimmungen
Der Bundesrat hat in seiner 758. Sitzung am 21. De-
zember 2000 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bun-
destag am 16. November verabschiedeten Gesetz einen
Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht
zu stellen. Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Ent-
schließung gefasst:
Da das Gesetz in vielen Unternehmen die Betriebsor-
ganisation, die betrieblichen Abläufe und die Kostensitua-
tion beeinflussen kann, wird die Bundesregierung gebeten,
dessen Wirkungen zu überprüfen und zwei Jahre nach In-
Kraft-Treten des Gesetzes einen entsprechenden Bericht
vorzulegen. In die Überprüfung sollte neben der Beschäf-
tigungswirkung insbesondere einbezogen werden, ob
– durch die Festlegung des Schwellenwertes auf 15 Ar-
beitnehmer in § 8 Abs. 7 Kleinbetriebe mit bis zu
50 Arbeitnehmern übermäßig belastet werden,
– aus Gründen der Rechtsklarheit eine Bezugnahme
auf Vollzeitarbeitnehmer (statt Arbeitnehmer) in § 8
Abs. 7 erfolgen sollte,
– die in § 8 Abs. 4 genannten betrieblichen Gründe ge-
eignet sind, eine flexible und effektive Betriebsorga-
nisation zu entwickeln bzw. beizubehalten und
– die Regelung des § 7 Kleinbetriebe unzumutbar be-
lastet.
Der Bundesrat hat in seiner 758. Sitzung am 21. De-
zember 2000 beschlossen, der Bundesregierung wegen der
Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes
für das Haushaltsjahr 1999 (Jahresrechnung 1999) auf-
grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes Ent-
lastung gemäß Artikel 114 des Grundgesetzes und § 114
der Bundeshaltsordnung zu erteilen.
Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 16. Ja-
nuar 2001 den Antrag „Wehrpflicht aussetzen“ – Druck-
sache 14/4968 – zurückgezogen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 22 – Eisenbahnen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114192
(C)
(D)
(A)
(B)
des Bundes – Titel 639 01 – Erstattungen von Verwal-
tungsausgaben des Bundeseisenbahnvermögens –
– Drucksachen 14/4295, 14/4440 Nr. 1.2 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgaben im Einzelplan 23
a) Kapitel 23 02 Titel 836 02 – Beteiligung der Bundes-
republik Deutschland an Einrichtungen der Welt-
bankgruppe –
b) Kapitel 23 02 Titel 896 09 – Entwicklungswichtige,
multilaterale Hilfen im Rahmen internationaler Ver-
einbarungen zum weltweiten Umweltschutz –
– Drucksachen 14/4296, 14/4440 Nr. 1.3 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 02 Titel 686 05
– Beiträge an nationale und internationale Organisatio-
nen – bis zur Höhe von 14 200 TDM
– Drucksachen 14/4297, 14/4440 Nr. 1.4 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Weitere überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 05 02 Ti-
tel 686 30 – Beitrag an die Vereinten Nationen
– Drucksachen 14/4476, 14/4571 Nr. 1.4 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 13 Titel 646 21
– Erstattung von Aufwendungen der BfA aufgrund der
Überführung von Zusatzversorgungssystemen in die
Rentenversicherung in den neuen Ländern (einschließ-
lich ehemaliges Ost-Berlin)
– Drucksachen 14/4477, 14/4571 Nr. 1.5 –
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2000
Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi-
tel 11 13 Titel 656 26 – Beteiligung des Bundes in der
knappschaftlichen Rentenversicherung
– Drucksachen 14/4663, 14/4864 Nr. 1 –
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Berichte für die Europäische Kommission zur Umset-
zung des Europäischen Sozialfonds in der Bundesrepu-
blik Deutschland
– Zeitraum 1997 bis 1999 –
hier: Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen
und Männern auf dem Arbeitsmarkt
– Drucksachen 14/4091, 14/4308 Nr. 1.1 –
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-gen bzw. Unterrichtungen durch das europäische Parla-ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratungabgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 14/4092 Nr. 2.1
Drucksache 14/4092 Nr. 2.2
Drucksache 14/4170 Nr. 1.4
Drucksache 14/4170 Nr. 1.10
Drucksache 14/4170 Nr. 1.11
Drucksache 14/4170 Nr. 1.12
Drucksache 14/4170 Nr. 2.16
Drucksache 14/4170 Nr. 2.19
Rechtsausschuss
Drucksache 14/272 Nr. 17
Drucksache 14/2009 Nr. 2.7
Drucksache 14/3341 Nr. 2.37
Drucksache 14/3723 Nr. 2.1
Drucksache 14/4092 Nr. 1.3
Drucksache 14/4170 Nr. 1.5
Drucksache 14/4170 Nr. 2.45
Drucksache 14/4170 Nr. 2.81
Drucksache 14/4309 Nr. 1.18
Finanzausschuss
Drucksache 14/4170 Nr. 2.34
Drucksache 14/4309 Nr. 1.20
Drucksache 14/4441 Nr. 1.15
Drucksache 14/4570 Nr. 2.7
Ausschuss fürWirtschaft und
Technologie
Drucksache 14/3859 Nr. 2.28
Drucksache 14/4170 Nr. 2.28
Drucksache 14/4170 Nr. 2.35
Drucksache 14/4170 Nr. 2.42
Drucksache 14/4170 Nr. 2.74
Drucksache 14/4441 Nr. 1.10
Drucksache 14/4441 Nr. 1.14
Drucksache 14/4441 Nr. 1.25
Drucksache 14/4441 Nr. 1.27
Drucksache 14/4441 Nr. 1.29
Drucksache 14/4570 Nr. 1.3
Drucksache 14/4570 Nr. 2.4
Drucksache 14/4570 Nr. 2.5
Drucksache 14/4570 Nr. 2.6
Drucksache 14/4570 Nr. 2.18
Drucksache 14/4570 Nr. 2.19
Drucksache 14/4570 Nr. 2.21
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 14/4570 Nr. 2.17
Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
Drucksache 14/1188 Nr. 1.1
Drucksache 14/1188 Nr. 2.6
Drucksache 14/1579 Nr. 1.6
Drucksache 14/1579 Nr. 2.2
Drucksache 14/3428 Nr. 2.24
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 14/4309 Nr. 1.32
Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen
Drucksache 14/3859 Nr. 2.3
Drucksache 14/4092 Nr. 1.2
Drucksache 14/4092 Nr. 2.4
Drucksache 14/4092 Nr. 2.5
Drucksache 14/4092 Nr. 2.6
Drucksache 14/4170 Nr. 2.30
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Drucksache 14/4309 Nr. 1.9
Drucksache 14/4309 Nr. 1.25
Drucksache 14/4570 Nr. 2.8
Drucksache 14/4570 Nr. 2.9
Drucksache 14/4570 Nr. 2.10
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 2001 14193
(C)
(D)
(A)
(B)
Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Drucksache 14/4570 Nr. 2.11
Drucksache 14/4570 Nr. 2.15
Drucksache 14/4570 Nr. 2.16
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/4309 Nr. 1.6
Drucksache 14/4570 Nr. 1.6
Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
Drucksache 14/3341 Nr. 2.11
Drucksache 14/3341 Nr. 2.19
Drucksache 14/3859 Nr. 2.20
Drucksache 14/4309 Nr. 1.41
Drucksache 14/4309 Nr. 1.45
Drucksache 14/4309 Nr. 1.49
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 14/3341 Nr. 1.1
Drucksache 14/4092 Nr. 2.10
Drucksache 14/4170 Nr. 2.29
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 144. Sitzung. Berlin, Freitag, den 19. Januar 200114194
(C)(A)