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    Gedenkworte für die Opfer der Naturkata- strophe in den mittel- und südamerikani- schen Staaten El Salvador, Guatemala, Hon- duras, Nicaragua und Südmexiko . . . . . . . 13929 B Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Monika Ganseforth und Irmgard Karwatzki sowie den Abgeordneten Dr. Norbert Wieczorek und Klaus Bühler (Bruchsal) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13929 C Bestimmung der Abgeordneten Jelena Hoffmann (Chemnitz) als Mitglied im Gre- mium nach § 41 Abs. 5 des Außenwirtschaftsge- setzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13929 D Erweiterung und Umstellung der Tagesordnung 13929 D Absetzung des Tagesordnungspunktes 6 a . . . 13930 C Geänderte Ausschussüberweisung . . . . . . . . . 13930 C Tagesordnungspunkt 3: Eidesleistung der Bundesministerinnen Vizepräsidentin Anke Fuchs . . . . . . . . . . . . . . 13930 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . 13930 D Vizepräsidentin Anke Fuchs . . . . . . . . . . . . . . 13931 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 13931 A Tagesordnungspunkt 4: a) Abgabe einer Regierungserklärung: Ver- kehrsbericht 2000 – Integrierte Ver- kehrspolitik: Unser Konzept für eine mobile Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . 13931 B b) Große Anfrage der Abgeordneten Renate Blank, Norbert Königshofen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Finanzierung derVerkehrs- infrastruktur (Drucksachen 14/1877, 14/3193) . . . . 13931 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Straßenbaubericht 1998 – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Angelika Mertens, Hans-Günter Bruckmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzhofen), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Straßen- baubericht 1998 (Drucksachen 14/245, 14/2576, 14/3844) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13931 C d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Mertens, Hans- Günter Bruckmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Albert Schmidt (Hitzho- fen), Franziska Eichstädt-Bohlig, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Antistau- Programm (Drucksachen 14/3179, 14/4009) . . . . 13931 C Plenarprotokoll 14/143 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 143. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 I n h a l t : e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Christine Ostrowski, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Flächenhaf- ter Ausbau der Schienenwege im Bereich Nordbayern, Hessen, Thü- ringen und Sachsen . . . . . . . . . . . 13931 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Norbert Otto (Erfurt), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Weiter- bau des Verkehrsprojektes Deut- sche Einheit (VDE) Nr. 8 – Schienen- neubaustrecke Nürnberg–Erfurt– Halle/Leipzig–Berlin . . . . . . . . . . 13931 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Mertens, Hans-Günter Bruckmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Ab- geordneten Albert Schmidt (Hitzho- fen), Franziska Eichstädt-Bohlig, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbesserung der Verkehrsinfra- struktur Thüringen/Nordbayern im Rahmen des Verkehrsprojek- tes Deutsche Einheit (VDE) Nr. 8 Schienenneubaustrecke Nürnberg– Erfurt–Halle/Leipzig–Berlin . . . 13932 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans- Michael Goldmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P.: Ja zur Schienenneubaustrecke Nürn- berg–Erfurt–Halle/Leipzig–Berlin 13932 A – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Bericht zum Ausbau der Schienenwege 1999 (Drucksachen 14/2525, 14/2692, 14/2906, 14/2914, 14/2176, 14/4340) 13932 A f) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Verkehrsbericht 2000 Integrierte Verkehrspolitik: Unser Konzept für eine mobile Zukunft (Drucksache 14/4688 [neu]) . . . . . . . . 13932 B g) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht zum Ausbau der Schie- nenwege 2000 (Drucksache 14/4048) . . . . . . . . . . . . . 13932 B h) Antrag der Abgeordneten Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Interregio für die Regionen erhalten (Drucksache 14/4543) . . . . . . . . . . . . . 13932 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 13932 C Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 13936 C Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . 13939 B Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 13942 C Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13945 C Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13948 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13949 C Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . 13950 C Dr. Winfried Wolf PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 13951 A Karin Rehbock-Zureich SPD . . . . . . . . . . . . . 13953 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13954 D Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13957 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 13959 A Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . 13962 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . . 13962 B Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13962 D Tagesordnungspunkt 6: b) Antrag der Abgeordneten Matthias Weisheit, Brigitte Adler, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BSE-Bekämpfung konsequent aus- bauen (Drucksache 14/5085) . . . . . . . . . . . . . 13965 B c) Antrag der Abgeordneten Kersten Naumann, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Soforthilfsprogramm für durch die BSE-Krise betroffenen Kommunen und Landwirte einrichten (Drucksache 14/4924) . . . . . . . . . . . . . 13965 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion CDU/CSU: Klares Konzept zur Bekämpfung von BSE not- wendig (Drucksache 14/5079) . . . . . . . . . . . . . . . 13965 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001II der Fraktion F.D.P.: Verbraucher vor BSE schützen – Landwirten helfen (Drucksache 14/5097) . . . . . . . . . . . . . . . 13965 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktion CDU/CSU: Ländli- chen Raum gemeinsam mit der Land- wirtschaft stärken (Drucksache 14/5080) . . . . . . . . . . . . . . . 13965 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . 13966 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 13968 A Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . 13968 D Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . . . . . . . . 13970 B Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13972 D Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU (zur GO) . . . . 13974 A Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD (zur GO) 13974 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (zur GO) . . . . . . . . . . . . . . . . 13974 C Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13975 A Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 13976 A Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13977 B Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13978 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13981 A Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13982 B Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 13983 D Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 13984 A Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 13984 C Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 13985 D Tagesordnungspunkt 5: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umwelt und Gesundheit . . . . . . . 13986 A – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen: Umwelt und Ge- sundheit – Risiken richtig ein- schätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13986 A – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion CDU/CSU zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen: Umwelt und Gesundheit – Risiken richtig ein- schätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13986 A – zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung gemäß § 56 a der Geschäftsordnung: Technikfol- genabschätzung; hier: „Umwelt und Gesundheit“ (Drucksachen 14/2767, 14/2300, 14/2771 [neu], 14/2848, 14/3712) 13986 B b) Antrag der Abgeordneten Eva Bulling- Schröter, Dr. Winfried Wolf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Verhinderung erneuter Gewässer- verunreinigungen durch das Total- herbizid Diuron (Drucksache 14/4710) . . . . . . . . . . . . . 13986 B Gila Altmann, Parl. Staatssekretärin BMU . . 13986 C Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13987 C Jutta Müller (Völklingen) SPD . . . . . . . . . . . 13989 C Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13991 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 13993 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13993 D Bernward Müller (Jena) CDU/CSU . . . . . . . . 13995 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 13996 C Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13997 A Tagesordnungspunkt 24: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorge- vermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) (Drucksache 14/5068) . . . . . . . . . . . . . 13999 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Fe- bruar 2000 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Tsche- chischen Republik über die Ergän- zung des Europäischen Übereinkom- mens über die Rechtshilfe in Strafsa- chen vom 20. April 1959 und die Er- leichterung seiner Anwendung (Drucksache 14/5011) . . . . . . . . . . . . . 13999B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 III c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. Fe- bruar 2000 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Tschechi- schen Republik über die Ergän- zung des Europäischen Auslieferungsübe- reinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwen- dung (Drucksache 14/5012) . . . . . . . . . . . . . 13999 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundes- regierung zur Verwendung uranhaltiger Munition im Rahmen von NATO-Kampf- einsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13999 C Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13999 C Peter Zumkley SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14001 A Anita Schäfer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 14002 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14003 A Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 14004 A Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 14005 C Allgemeine Aussprache Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 14008 C Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14010 A Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 14010 C Dr. Hans Peter Bartels SPD . . . . . . . . . . . . . . 14010 D Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 14012 A Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . 14013 A Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14013 C Günther Friedrich Nolting F.D.P . . . . . . . . . . 14014 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 14014 B Rudolf Scharping SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14014 D Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14015 B Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14016 B Georg Pfannenstein SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 14017 B Ursula Lietz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 14018 B Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Reckling- hausen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Familienzusammen- führung sachgerecht regeln – EU-Richt- linienvorschlag ablehnen (Drucksache 14/4529 [neu]) . . . . . . . . . . . 14019 C Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14019 D Rüdiger Veit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14021 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14023 B Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14024 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14025 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14025 C Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14026 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staats- sekretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14027 C Anke Eymer (Lübeck) CDU/CSU . . . . . . . . . 14028 C Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Joachim Tappe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans- Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Afrikas Entwicklung unterstützen (Drucksachen 14/3701, 14/4850) . . . . . . . 14029 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P.: Für eine europäische Ausrichtung der deutschen Afrikapolitik (Drucksache 14/5090) . . . . . . . . . . . . . . . 14029 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 14029 D Dr. Karl-Heinz Hornhues CDU/CSU . . . . . . . 14031 D Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14034 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14035 C Klaus-Jürgen Hedrich CDU/CSU . . . . . . . 14036 D Carsten Hübner PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14037 B Dr. R. Werner Schuster SPD . . . . . . . . . . . . . 14038 C Rudolf Kraus CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 14039 D Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14041 C Joachim Tappe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14042 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001IV Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Hildebrecht Braun (Augs- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Schattenwirtschaft mit marktwirtschaftlichen Mitteln eindämmen (Drucksache 14/3024) . . . . . . . . . . . . . 14043 D b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betäti- gung im Baugewerbe (Drucksache 14/4658) . . . . . . . . . . . . . 14044 A c) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Neunter Bericht der Bundesre- gierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüber- lassungsgesetzes – AÜG – sowie über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäfti- gung – BillBG (Drucksache 14/4220) . . . . . . . . . . . . . 14044 A Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu der Unterrichtung durch die Bundes- regierung: Berufsbildungsbericht 2000 – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Willi Brase, Klaus Barthel (Starnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordne- ten Ekin Deligöz, Matthias Berninger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Berufsbildungsbericht 2000 (Drucksachen 14/3244, 14/3331, 14/4305) 14044 B Wolf-Michael Catenhusen, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14044 C Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . . . . . . 14046 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14048 C Cornelia Pieper F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14050 A Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14051 D Willi Brase SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14052 D Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 14053 D Dr.-Ing. Rainer Jork CDU/CSU . . . . . . . . . . . 14055 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Dr. Norbert Lammert, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion CDU/CSU: Ge- samtkonzeption für Berliner Gedenk- stätten für die Opfer der SED-Diktatur notwendig (Drucksache 14/4641) . . . . . . . . . . . . . . . 14057 D Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 14058 A Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . . 14060 A Jürgen Türk F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14062 A Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14062 D Tagesordnungspunkt 12: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 4. Bericht der Bundesregierung zurAus- wärtigen Kulturpolitik 1999 (Drucksache 14/4312) . . . . . . . . . . . . . . . 14063 B Tagesordnungspunkt 7: Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Soziokultur (Drucksachen 14/1575, 14/4020) . . . . . . . 14063 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 14063 C Hanna Wolf (München) SPD . . . . . . . . . . . . . 14066 C Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . 14068 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14069 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14070 D Dr. Julian Nida-Rümelin, Staatsminister BK 14071 C Tagesordnungspunkt 20: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 14/5066) . . . . . . . . . . . . . 14073 C b) Antrag der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Hans-Joachim Otto (Frank- furt am Main), Ernst Burgbacher, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Reform derKünstlersozialver- sicherung gerecht gestalten (Drucksache 14/4929) . . . . . . . . . . . . . 14073 C in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich Fink, Dr. Heidi Knake-Werner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Für eine grundlegende Reform der Künst- lersozialversicherung (Drucksache 14/5086) . . . . . . . . . . . . . . . 14073 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 V Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von den Abgeordneten Christina Schenk, Dr. Evelyn Kenzler, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion PDS ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur be- ruflichen Gleichstellung von Prostituier- ten und anderer sexuell Dienstleistender (Drucksache 14/4456) . . . . . . . . . . . . . . . 14073 D Christina Schenk PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14074 A Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Senkung des Entgelts für die Beförde- rung von Briefsendungen im Geltungs- bereich der Exklusivlizenz nach § 51 Postgesetz (Drucksache 14/4417) . . . . . . . . . . . . . . . 14075 A Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Erwin Marschewski (Recklinghausen), Wolfgang Zeitlmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personen- standsgesetzes (Drucksache 14/4425 [neu]) . . . . . . . . . . . 14075 B Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinan- zierungsgesetzes und der Bundespflege- satzverordnung (DRG-Systemzuschlags- Gesetz) (Drucksache 14/5082) . . . . . . . . . . . . . . . 14075 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14075 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 14077 A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Dr. Heidi Knake- Werner (PDS) zur Abstimmung über den An- trag der Fraktion der CDU/CSU zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Weiter- bau des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit (VDE) – Schienenneubaustrecke Nürnberg– Erfurt–Halle/Leipzig–Berlin (Drucksache 14/2692) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14077 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Dehnel (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Weiterbau des Verkehrspro- jektes Deutsche Einheit (VDE) – Schienenneu- baustrecke Nürnberg – Erfurt – Halle/Leipzig – Berlin (Drucksache 14/2692) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14077 D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Antrag: Schattenwirtschaft mit marktwirtschaftlichen Mitteln eindämmen – Gesetzentwurf: Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe – Unterrichtung: Neunter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitneh- merüberlassungsgesestzes – AÜG – sowie über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der ille- galen Beschäftigung – BillBG (Tagesordnungspunkt 9 a bis c) . . . . . . . . . . . 14078 A Ludwig Eich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14078 A Leyla Onur SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14078 D Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 14079 C Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14080 C Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 14081 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14082 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrages: Gesamtkonzeption für Berliner Ge- denkstätten für die Opfer der SED-Diktatur notwendig (Tagesordnungspunkt 11) Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14082 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: 4. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1999 (Tages- ordnungspunkt 12) Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14083 B Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14085 A Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14085 D Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14086 D Christoph Zöpel, Staatsminister AA . . . . . . . . 14087 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001VI Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf: Zweites Gesetz zur Änderung des Künstler- sozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze – Antrag: Reform der Künstlersozialversicherung gerecht gestalten – Antrag: Für eine grundlegende Reform der Künstler- sozialversicherung (Tagesordnungspunkt 20 a und b; Zusatztagesordnungs- punkt 7) Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . . 14088 D Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 14090 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14091 B Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . 14091 D Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14092 B Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 14093 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur beruflichen Gleich- stellung von Prostituierten und anderer sexuell Dienstleistender (Tagesordnungspunkt 13) Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 14094 B Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 14095 B Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14096 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14097 B Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14098 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Senkung des Entgelts für die Be- förderung von Briefsendungen im Geltungsbe- reich der Exklusivlizenz nach § 51 Postgesetz (Tagesordnungspunkt 14) Klaus Barthel (Starnberg) SPD . . . . . . . . . . . 14098 D Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU . . . . . . 14099 C Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14100 D Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14101 B Gerhard Jüttemann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 14101 D Siegmar Mosdorf, Parl. Staatssekretär BMWi 14102 B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Per- sonenstandsgesetzes (Tagesordnungspunkt 22) Harald Friese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14102 D Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 14103 D Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14104 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14105 C Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14106 A Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung (DRG-System- zuschlags-Gesetz) (Zusatztagesordnungs- punkt 8) Horst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . . 14106 C Dr. Hans Georg Faust CDU/CSU . . . . . . . . . 14107 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14108 B Dr. Dieter Thomae F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 14109 A Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14109 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 VII Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 Christina Schenk 14075 (C) (D) (A) (B) 1) Anlage 9 2) Anlage 10 3) Anlage 11 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14077 (C) (D) (A) (B) Barthle, Norbert CDU/CSU 18.01.2001 Dr. Bartsch, Dietmar PDS 18.01.2001 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 18.01.2001 Behrendt, Wolfgang SPD 18.01.2001* Dr. Blank, CDU/CSU 18.01.2001 Joseph-Theodor Brunnhuber, Georg CDU/CSU 18.01.2001 Bulmahn, Edelgard SPD 18.01.2001 Ehlert, Heidemarie PDS 18.01.2001 Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 18.01.2001 Andrea DIE GRÜNEN Friedrich (Altenburg), SPD 18.01.2001 Peter Dr. Fuchs, Ruth SPD 18.01.2001 Gehrcke, Wolfgang PDS 18.01.2001 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 18.01.2001 Günther (Duisburg), CDU/CSU 18.01.2001 Horst Dr. Gysi, Gregor PDS 18.01.2001 Hanewinckel, Christel SPD 18.01.2001 Haschke (Großhenners- CDU/CSU 18.01.2001 dorf ), Gottfried Hauser (Rednitzhem- CDU/CSU 18.01.2001 bach), Hansgeorg Dr. Hendricks, Barbara SPD 18.01.2001 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 18.01.2001 DIE GRÜNEN Dr. Hoyer, Werner F.D.P. 18.01.2001 Irber, Brunhilde SPD 18.01.2001 Klappert, Marianne SPD 18.01.2001 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 18.01.2001 Kressl, Nicolette SPD 18.01.2001 Kühn-Mengel, Helga SPD 18.01.2001 Dr. Luft, Christa PDS 18.01.2001 Nahles, Andrea SPD 18.01.2001 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 18.01.2001 DIE GRÜNEN Opel, Manfred SPD 18.01.2001 Otto (Frankfurt), F.D.P. 18.01.2001 Hans-Joachim Dr. Pfaff, Martin SPD 18.01.2001 Pflug, Johannes SPD 18.01.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 18.01.2001 Spiller, Jörg-Otto SPD 18.01.2001 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 18.01.2001 Vogt (Pforzheim), Ute SPD 18.01.2001 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 18.01.2001 DIE GRÜNEN Wohlleben, Verena SPD 18.01.2001 Zapf, Uta SPD 18.01.2001 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung derAbgeordneten Dr. Heidi Knake-Werner (PDS) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Weiterbau des Verkehrspro- jektes Deutsche Einheit (VDE) – Schienen- neubaustrecke Nürnberg–Erfurt–Halle/Leipzig- Berlin (Drucksache 14/2692) Das Votum meiner Fraktion lautet Nein. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Dehnel (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Weiterbau des Verkehrspro- jektes Deutsche Einheit (VDE) – Schienen- neubaustrecke Nürnberg–Erfurt–Halle/Leipzig– Berlin (Drucksache 14/2692) Die im Bundesverkehrswegeplan vorgesehene Neu- baustrecke VDE-Nr. 8 ist teuerer (circa 5 Milliarden DM) entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht und erreicht deutlich weniger Bevölkerung in Ost- deutschland als eine Verbindung über Sachsen (1,1 bis 1,4 Milli-onen gegenüber 3,3 bis 4 Millionen Menschen im Raum Plauen–Zwickau–Chemnitz). Zudem wird eine Verbin-dung über diese sächsische Region den bislang vom Hoch-geschwindigkeitsbahnverkehr ausgeschlosse- nen Raum Vogtland–Zwickau–Chemnitz als wichtigsten ostdeutschen Industrieraum einbeziehen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Antrag: Schattenwirtschaft mit marktwirtschaftli- chen Mittel eindämmen – Gesetzentwurf: Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe – Unterrichtung: Neunter Bericht der Bundesregie- rung über Erfahrungen bei derAnwendung des Ar- beitnehmerüberlassungsgesetzes – AÜG – sowie über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämp- fung der illegalen Beschäftigung – BillBG – (Tages- ordnungspunkt 9 a bis c) Ludwig Eich (SPD): Illegale Beschäftigung ist in Zeiten der Globalisierung zu einem großen Problem geworden; insbesondere zu einem Problem in unserem Baugewerbe! Wie das Finanzministerium festgestellt hat, geht es um eine halbe Million Arbeitsplätze, die verlo- ren gehen; und es geht um dreistellige Milliardenbeträge, die dem Staat in Form von Steuern und unseren Sozial- kassen in Form von Beiträgen jedes Jahr verloren gehen. Es geht nicht um Schwarzarbeit in einer vernachlässig- baren Größe, sondern es geht um ein Krebsgeschwür, das enormen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet; und es geht auch um die würdelosen Umstände, die die Beschäf- tigten selbst erdulden. Das vorliegende Problem der ille- galen Beschäftigung ist groß und rechtfertigt diesen er- neuten gesetzgeberischen Versuch seiner Bekämpfung. Der Gesetzentwurf hat natürlich Instrumente, die zu ei- nem bürokratischen Aufwand führen. Er verlangt von den Unternehmen im Baugewerbe eine erweiterte Anzeige- pflicht. Damit soll vor allem die steuerliche Erfassung von Werksvertragsunternehmen verbessert werden. Aber der Kern des Gesetzes zielt darauf ab, dass jeder Bauunter- nehmer, der Bauleistungen an andere Bauunternehmer weitervergibt, vom Entgelt für diese Bauleistung einen Steuerabzug von 15 Prozent einbehält. Damit soll sicher- gestellt werden, dass die Steuern, die dem deutschen Fis- kus zustehen, auch in jedem Fall gezahlt werden. Dabei ist für die Wirkung dieses Instrumentes nicht unwichtig, dass der Unternehmer, der Bauleistungen an Subunter- nehmen weitervergibt, für diesen Steuerabzug in die Pflicht, sozusagen in Regress genommen wird. Nun sind diese Instrumente nicht neu: Bereits mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999 wurde der Versuch unter- nommen, mit einem Steuerabzug an der Quelle unsere Steuereinnahmen bei der Vergabe an Subunternehmer zu sichern. Gescheitert ist der damalige Versuch aber nicht nur an europarechtlichen Problemen, sondern auch am bürokratischen Aufwand, der damit verbunden war. Wie nun die ersten Reaktionen auf den hier zur Debatte stehenden Gesetzentwurf zeigen, gibt es erneute Kritik und Bedenken an der Europatauglichkeit. Ich bin mir ganz sicher, dass sich auch bei unseren deutschen Bauunter- nehmern aufgrund des bürokratischen Aufwandes, den wir von ihnen verlangen, der Jubel über dieses Gesetz in Grenzen halten wird. Dennoch ist eine solche Reglung notwendig. Sie ist auch aus Wettbewerbsgründen unbedingt erforderlich. Wir müssen alle gesetzgeberischen Chancen nutzen, diese illegalen Praktiken einzudämmen; gerade in einer Zeit, in der es dem Baugewerbe nicht so gut geht. Allerdings, und wir sind ja in der ersten Beratung des Gesetzentwurfes, müssen wir die in 1999 gemachten Er- fahrungen berücksichtigen, Erfahrungen mit dem zeitli- chen Verwaltungsaufwand und Erfahrungen mit der Re- aktion aus dem europäischen Ausland. Was ein wenig irritiert, ist die nicht gerade ermutigende Erfolgsbilanz über die Wirkung der Abzugsteuer aus dem Jahre 1999. Aber die Wirkung dieses Instrumentes soll ja eine präventive, eine vorbeugende sein. Insofern lässt sich nicht unbedingt der Erfolg einer Abzugsteuer an den Zah- len aus dieser noch relativ kurzen Zeit bemessen. In jedem Fall ist die Bundesregierung bei ihren Be- mühungen zu unterstützen, den Gesetzesvollzug zu verbes- sern. Die Personalverstärkung der Hauptzollämter, die vor- genommen wird, ist beachtlich. Mit einer Verstärkung im Ermittlungsbereich von 1 400 Beamten wird der Personal- einsatz an dieser strategisch wichtigen Stelle mehr als ver- doppelt. Diese Anstrengungen können sich sehen lassen. Zusammen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kann daraus ein erfolgreiches Konzept für die Eindämmung von illegaler Beschäftigung werden. Ich glaube, die büro- kratische Belastung und der Verwaltungsaufwand müssen hingenommen werden, damit diese schwerwiegenden Zu- stände aufhören. Bei der Steuermoral ist es wie mit vielen Dingen im Le- ben: Manches muss mit entsprechender Anleitung einge- übt werden. Leyla Onur (SPD): Wir debattieren heute über ein schwerwiegendes Problem. Es geht um illegale Beschäf- tigung und Schwarzarbeit. Menschen, die schwarz arbei- ten oder arbeiten lassen, betrügen unseren Staat, unsere Gesellschaft um Steuern und Sozialabgaben. Sie vernich- ten ordentliche Arbeitsplätze und treiben kleine Unter- nehmen und Handwerksbetriebe in den Ruin. Deshalb ist die Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit eine der wichtigsten Aufgaben dieser Bun- desregierung und der Koalitionsfraktionen. Um nur drei Beispiele zu nennen: Wir haben die Lohn- nebenkosten gesenkt, damit Arbeit wieder billiger wird. Wir haben mit dem Entsendegesetz, der Regelung zur Scheinselbstständigkeit und den 630-Mark-Jobs die Ord- nung auf dem Arbeitsmarkt wieder hergestellt und wir ha- ben die größte Steuerreform in der Geschichte der Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114078 (C) (D) (A) (B) desrepublik verabschiedet. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber noch längst nicht am Ziel. Im vorliegenden Neunten Bericht der Bundesregierung können wir schwarz auf weiß nachlesen, dass die Be- kämpfung der illegalen Beschäftigung und der Schwarz- arbeit erhebliche Fortschritte gemacht hat. 1999 ist die Zahl der Verfahren und der verhängten Bußgelder in wich- tigen Bereichen auf einen neuen Höchststand gestiegen. Die Bundesregierung wird Kontrolle und Gesetzes- vollzug weiter verbessern: Die Bundesanstalt für Arbeit organisiert ihre Dienststellen effektiver: In jedem Arbeits- amt wird eine eigene Einheit gebildet und die Zusam- menarbeit mit dem Zoll intensiviert. Die Prüfungskompe- tenzen und Ermittlungsbefugnisse der Hauptzollämter werden erheblich erweitert. Im Bundesgebiet wurden be- reits im letzten Jahr 700 zusätzliche Stellen bei den Zollämtern geschaffen und wir werden dieses Jahr weitere 700 Stellen einrichten. Das kann ich ganz konkret in meinem Wahlkreis Braunschweig beobachten. Im dortigen Hauptzollamt wurde die Arbeitsgruppe „Bekämpfung illegaler Beschäf- tigung“ letztes Jahr von 10 auf 21 Mitarbeiter mehr als verdoppelt. Dieses Jahr steht eine Aufstockung in ähnli- cher Größenordnung an. Ernsthafter kann man gegen ille- gale Beschäftigung nicht vorgehen. Darüber hinaus haben die Koalitionsfraktionen „Eck- punkte zur Verbesserung der Bekämpfung illegaler Be- schäftigung und Schwarzarbeit“ formuliert, die in Kürze vorgelegt werden. Die konstruktiven Vorschläge des Bundesrates für ein „Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Bauge- werbe“ werden von uns ebenfalls ausdrücklich begrüßt. Hierzu wird mein Fraktionskollege Ludwig noch einge- hend Stellung nehmen. Der vorliegende Antrag der FDP hilft nicht weiter: Nach anderthalb Seiten dünner Annahmen, Mutmaßun- gen und unseriöser Schlussfolgerungen stellt die FDP sie- ben knallharte Forderungen auf: vier Berichte, ein Son- dergutachten, eine neue Statistik und – ganz wichtig – die Verknüpfung von Rentenversicherung und Ökosteuern „im Lichte der Effizienzvorteile des Äquivalenzprinzips erneut zu überprüfen“. Die Leute aus der Praxis schütteln über diese Vorschläge nur mitleidig der Kopf. Ich habe einen Zollbeamten, der Leiter einer Prüf- gruppe für illegale Beschäftigung ist, gefragt, wie er den Nutzen neuer Statistiken einschätze. Die Antwort war kurz und bündig: Jeder zusätzliche Papierkram kostet uns Zeit und diese Zeit fehlt uns für Kontrollen draußen auf den Baustellen. Recht hat der Mann! Auch ohne Statisti- ken wissen wir: Razzien auf Baustellen sind das effizien- teste Mittel: nicht nur wegen der Bußgelder, sondern auch wegen ihrer abschreckenden Wirkung. Auch die unseriöse Behauptung der F.D.P., die Neure- gelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse habe dazu geführt, dass ein guter Teil der Arbeitskräfte in die Schattenwirtschaft abgewandert sei, ist und bleibt falsch. Die Fakten beweisen das Gegenteil: Wir haben im Jahr 2000 rund 4 Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigte registriert. Diese Zahl liegt weit über den Er- wartungen. Zu dem Hinweis, zu hohe Steuern und Sozialabgaben trieben die Menschen in die Schwarzarbeit, sei nur ange- merkt, dass während ihrer Regierungszeit Steuern und Abgaben den absoluten Höchststand erreicht hatten. Das heißt: Sie haben die Menschen in die Schwarzarbeit ge- trieben. Wir dagegen haben seit Regierungsantritt Lohn- nebenkosten und Steuern gesenkt. Damit ist Deutschland auf dem richtigen Weg. Das hat mir gestern der in Ihrem Antrag zitierte Experte zum Thema Schattenwirtschaft, Professor Schneider, ausdrücklich versichert. Von der Steuerreform erwartet er eine erhebliche Senkung des Umfangs der Schwarzarbeit in Deutschland. Ich stelle abschließend fest: Alle bisherigen Maßnah- men tragen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit bei. Weitere werden folgen. Was wir aller- dings nicht brauchen, sind F.D.P.-Vorschläge für weitere Statistiken. Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Die Schätzzahlen über die Entwicklung der Schattenwirt- schaft sind besorgniserregend: Derzeit beträgt das Volu- men rund 640 Milliarden DM, das entspricht 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts oder umgerechnet 500 000 Ar- beitsplätzen. Für die Bekämpfung der Schattenwirtschaft ist eine nüchterne Analyse erforderlich. Insgesamt gilt es, drei Kategorien zu unterscheiden: Es geht erstens um Menschen, die über ihre berufliche Pflicht hinaus in ihrer Freizeit arbeiten, also die klassische Schwarzarbeit, die überwiegend im handwerklichen Be- reich und bei den Dienstleistungen auftritt. Die zweite Gruppe umfasst diejenigen, die Sozialleistungen kassie- ren und daneben schwarz arbeiten. Schließlich stellt die il- legale Arbeit von Menschen, insbesondere aus osteu- ropäischen Ländern, ein Problem dar. Die Antworten der Marktwirtschaft auf diese drei Ka- tegorien müssen entsprechend differenziert sein: Erstens. Hauptgruppe in der Schattenwirtschaft sind zum Teil qualifizierte Arbeitnehmer, die am Abend und Wochenende schwarz arbeiten, um sich bestimmte Wün- sche zu erfüllen. Der positive Aspekt in diesem Zusam- menhang ist die feststellbare Leistungsbereitschaft, die den Irrglauben widerlegt, dass alle Menschen weniger als 35 Stunden oder weniger als fünf Tage in der Woche ar- beiten wollen. Der negative Aspekt besteht allerdings darin, dass diese Arbeit außerhalb des Sozial- und Steuer- systems stattfindet. Schätzungen zufolge gehen der Sozi- alversicherung rund 110 Milliarden DM durch Schwarz- arbeit verloren, wobei 10 000 Arbeitsplätze ungefähr einem Gegenwert von 225 Millionen DM an Sozialabga- ben entspricht. Wichtigstes Ziel ist, nicht Arbeitsleistung zu verhin- dern, sondern sie in den normalen, regulären Arbeitsmarkt zu überführen. Das Ziel heißt: aus Schwarzarbeit reguläre Arbeit machen! Zu diesem Zweck müssen Steuer- und Abgabenbelastungen mittelständischer Unternehmen und Handwerksbetriebe gesenkt werden. Notwendig wäre eine mutige Steuerreform gewesen. Die Absenkung der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14079 (C) (D) (A) (B) Grenzsteuerbelastung und des gesamten Tarifverlaufes war ein wichtiges Anliegen, zu dem die rot-grüne Bun- desregierung leider keine Kraft hatte. Ein höchst fataler Fehler war die Änderung der 630-DM- Regelung. Auffällig ist, dass der Schwerpunkt der Schwarzarbeit im Handwerk, im Hotel- und Gaststätten- gewerbe, im Gartenbau und bei den privaten und persön- lichen Dienstleistungen liegt. Das sind genau die Berei- che, in denen in hohem Maße 630-DM-Arbeitsplätze vorhanden waren. Durch die Änderung der 630-DM-Rege- lung sind reguläre Arbeitsplätze systematisch in die Schwarzarbeit getrieben worden. Es wurde das Gegenteil von dem getan, was notwendig gewesen wäre. Die Ideo- logie hat die Vernunft besiegt. Die zweite Gruppe, nämlich Sozialleistungsempfän- ger, die nebenher schwarzarbeiten, stellen insbesondere eine Bedrohung der Arbeitsmoral in unserem Land dar. Bisher gibt es dagegen kein wirksames Rezept. Weder die Drohung mit Kürzung von Sozialhilfe noch ihre tatsäch- liche Umsetzung waren bisher ausreichend. Die einzige marktwirtschaftliche Lösung lautet deswegen: Jeder, der Sozialleistungen kassiert, muss dafür arbeiten, das heißt muss beschäftigt werden, damit er erst gar keine Zeit mehr für Schwarzarbeit hat. Arbeitspflicht für diejenigen, die arbeitsfähig sind, aber nicht arbeiten wollen, halte ich für den richtigen Weg. Besonders akut ist die illegale Beschäftigung von Men- schen aus anderen Ländern seit Öffnung der Grenzen nach Osteuropa. Der Kaufkraftunterschied zwischen Tsche- chien und Polen einerseits und Deutschland andererseits ist eklatant. Dieser Aspekt muss bei der EU-Osterweite- rung Beachtung finden, um Kahlschlag in den Grenzre- gionen zu vermeiden. Bereits heute zeigt sich eine andere Problematik bei ausländischen Subunternehmen, die erheblich billiger sind – und dies häufig dadurch, dass sie sich ihren Ver- pflichtungen entziehen. Ein Grundgebot der Marktwirt- schaft besteht auch darin, den fairen Wettbewerb auf- rechtzuerhalten. Es kann nicht hingenommen werden, dass sich Billiganbieter ihren Steuerverpflichtungen ent- ziehen, indem sie beispielsweise durch ständige Umfir- mierung ihre Identität verschleiern. Die Bundesratsinitiative von Bayern, Baden-Württem- berg und Hessen ist deswegen zu begrüßen, mit der in der Problembranche Bau der Steueranspruch des Staates durchgesetzt werden soll. Der erste Lösungsansatz vom März 1999 mit einem 25-prozentigen Abzug von der Auftragssumme ist an ei- ner EU-Intervention gescheitert. Das Gesetz musste nach sechs Monaten wieder außer Kraft gesetzt werden. Al- leine in diesen sechs Monaten hat man in Bayern 700 aus- ländische Werkvertragsunternehmer erstmalig erfasst. Erforderlich ist ein handhabbares Gesetz, das mit Vor- schlag von Bayern, Hessen, Baden-Württemberg nun- mehr vorliegt: Die Meldepflicht über die Tätigkeit aus- ländischer Subunternehmer wird erweitert und dem Auftraggeber ein 15-prozentiger pauschaler Abschlag von der Auftragssumme zur Abführung an das Finanzamt auf- erlegt, wenn nicht eine Freistellungsbescheinigung vorge- legt wird. Es handelt sich dabei um einen relativ einfachen und praktikablen Lösungsweg. Fazit: Schattenwirtschaft ist eine außerordentlich dif- ferenzierte Problematik. Marktwirtschaftliche Lösungen und Anreizsysteme für Leistungsbereite sind besser als staatliche Kontrollsysteme und Bevormundung. Der un- mittelbare Zusammenhang zwischen der Steuer- und Ab- gabenlast und der Schwarzarbeit muss jedem präsent sein, der neue Kosten und Belastungen – egal in welchem Be- reich – für die Unternehmen beschließt. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Schwarzarbeit ist volkswirtschaftlich und sozialpolitisch eine Fehlentwicklung, gegen die wir handeln müssen. Dies tun wir auch. Der vorliegende Antrag der F.D.P. zur Schattenwirt- schaft ist aber wieder ein Sammelsurium verschiedenster Forderungen, die keine Abhilfe schaffen werden. Was Sie eigentlich wollen, ist allerdings sehr deutlich. Es geht zum wiederholten Male darum, das Thema 630-DM-Jobs oder auch Ökosteuer in den Blick der Öffentlichkeit zu zerren. Lösungen, um Licht in den Schatten zu bringen, schlagen Sie kaum vor. Sie stellen in Ihrem Antrag fest, dass exakte Zahlen über den Bereich Schattenwirtschaft kaum ver- fügbar sind, und Sie wissen auch, dass es in der Natur der Sache liegt, dass sich die Schattenwirtschaft – das heißt eben insbesondere auch die Schwarzarbeit – ungerne un- tersuchen lässt. Das Bild, das die F.D.P. hier suggerieren will, ist, dass die Schattenwirtschaft auch zulasten der regulären Arbeitsplätze immer weiter ausgedehnt wurde. Doch das ist ein typisches F.D.P.-Zerrbild. Folgendes ist jedoch deutlich. Wie auch immer sich die „Zahlen“ der Schattenwirtschaft zurzeit aktuell entwickeln, selbst wenn sie steigen würden: Die Arbeitsmarktdaten spre- chen eine deutliche Sprache. Es gibt einen in den letzten zwei Jahren zunehmenden Anstieg der Zahl der Erwerbs- tätigen. Diese positive Arbeitsmarktentwicklung ist eine Folge der positiven konjunkturellen Entwicklung und da- mit das Resultat einer Finanz- und Wirtschaftspolitik, die über Abgaben- und Steuersenkungen Erhebliches für eine verbesserte konjunkturelle Entwicklung getan hat. Aber nicht nur die Zahl der Erwerbstätigen steigt im Jahre 2000 um etwa 600 000. Auch die Zahl der sozial- versicherungspflichtigen Beschäftigten ohne die gering- fügig Beschäftigten hat wieder um 350 000 zugenommen. Außerdem gilt: Die Zahl der geringfügig Beschäftigen ist nicht gesunken, woraus Sie die Zunahme der Schatten- wirtschaft und Schwarzarbeit ableiten, sondern sie ist ge- stiegen. Die von mir genannten Arbeitsmarktdaten sind keine Daten über Schwarzarbeit; das ist richtig. Aber sie zeigen deutlich, dass das Bild einer auf Kosten des regulären Ar- beitsmarktes steigenden Schwarzarbeit eben ein überzo- genes, ein falsches Bild ist. Richtig ist, dass das Angebot an Arbeitskräften steigt, und zwar trotz einer demographischen Entwicklung, bei der mehr Arbeitskräfte wegen Alter ausscheiden, als Junge nachkommen. Das Angebot an Arbeitskräften Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114080 (C) (D) (A) (B) steigt, weil viele aus der stillen Reserve, Hausfrauen, Studenten und andere Personengruppen, die nicht in den Arbeitslosenstatistiken zu finden waren, auf den Arbeits- markt drängen. Dieses ist ein deutliches Signal dafür, dass die stille Reserve abnimmt. Das heißt aber auch, dass sich das Potenzial für Schwarzarbeit reduziert hat. Sie wiederum wollen nun mit Ihrer verqueren Ar- gumentation noch einmal Front gegen die 630-DM-Rege- lung machen. Was wir wollten, ist mit dieser Regelung erreicht worden. Der Trend zu immer weiter zerstückelten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen wurde gestoppt, die sozialversicherungspflichtige Beschäfti- gung hat zugenommen. Wir haben die Gleichbehandlung von Einkünften, die erzielt werden können – mit Über- stunden beispielsweise – erreicht. Was Sie weiterhin wollen, ist Front machen gegen die Ökosteuer. Aber gerade hier wird Ihr Vorhaben besonders durchsichtig. Die Ökosteuer dient dazu, die Lohnneben- kosten zu senken. Wir haben die Lohnnebenkosten – ganz im Gegensatz zur alten Koalition – bereits gesenkt und werden dies weiter vorantreiben. Die hohen Lohnneben- kosten sind, wie Sie zu Recht bemerken, ein Faktor, der Schwarzarbeit fördert und gerade die kleinen Einkommen belastet. Dies ist ein Grund mehr, auf die Ökosteuer auch in Zukunft nicht zu verzichten. Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.): Ich begrüße die Gele- genheit, anhand des 9. Berichtes zum AÜG über die Lage am Arbeitsmarkt diskutieren zu können, und zwar umso mehr, als der Bericht eine Reihe von Passagen enthält, die deutlich machen, dass die Bundesregierung durchaus – zumindest in Ansätzen – die Ursache für die wahren Probleme auf dem Arbeitsmarkt kennt. Es stellt sich die Frage, warum Sie solche Erkenntnisse dann nicht auch zur Grundlage ihres Regierungshandelns machen. Der Bericht zeigt deutlich, dass der Arbeitsmarkt über- reguliert ist – man könnte auch sagen: „verriestert“ und verrammelt. Dies wird deutlich an zwei Indikatoren: dem Anstieg von Überstunden – im vergangenen Jahr waren 1,9 Milli- arden Überstunden zu verzeichnen – und der Zunahme der Leiharbeit. Dazu stellt der vorliegende Bericht fest: „Die Bedeutung der legalen Arbeitnehmerüberlassung für die deutsche Wirtschaft ist (im Berichtszeitraum) ge- wachsen. Die Zahl der Leiharbeitnehmer und Verleih- unternehmen ist weiter angestiegen.“ Diese Entwicklung ist ohne jeden Zweifel darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft im Allgemeinen – und der Mittelstand im Besonderen – gezwungen ist, wegen der verfehlten Arbeitsrechtspolitik der rot-grünen Bundesregierung in Leiharbeit oder Überstunden zu flüchten, um über die Runden zu kommen. Der Bericht stellt weiter fest: „Ein weiterer Grund (für die Zunahme der Leiharbeit) ist die Unsicherheit der Un- ternehmen über den weiteren Konjunkturverlauf. Die Ver- leiher profitieren hier von dem restriktiven Einstellungs- verhalten der Unternehmen, die eher bereit sind, Personalbedarf mit Leiharbeitnehmern zu decken, als sich langfristig an einen Arbeitnehmer mit unbefristetem Arbeitsvertrag zu binden.“ Da kann ich nur sagen: Schön, dass auch die Bundesregierung diese Tatsache erkannt hat. Aber es genügt nicht, dies zu wissen; man muss es auch tun. Wir warten auf Maßnahmen, zum Beispiel beim Kündigungsschutz! Denjenigen aus der Regierungskoalition, die die Arbeitsbedingungen für Leiharbeitnehmer beklagen, sei gesagt: Die Leiharbeit wird auch zukünftig weiter zuneh- men, weil sie systematisch alle anderen flexiblen Instru- mente, wie etwa die befristeten Arbeitsverträge, den Unternehmen „weggeriestert“ haben. Natürlich hätten Ar- beitnehmer wesentlich mehr davon, würden sie – und sei es auch befristet – direkt bei einem Entleiher mit Bezah- lung nach Branchentarif arbeiten, anstatt bei einem Ver- leihunternehmen auf der Lohnliste zu stehen. Aber wer das will, der darf dann auch nicht die Bedingungen für be- fristete Beschäftigung verschlechtern, wie Sie das getan haben. Schlimmer als das: Sie haben den Druck sogar noch weiter erhöht, indem Sie die Bedeutung der Schwellen- werte im Arbeitsrecht noch erhöhen. Sehen Sie denn nicht, dass zukünftig mittelständische Unternehmen, die bis zu 15 Beschäftigte haben, bei einem Mehrbedarf an Personal verstärkt auf Leiharbeitnehmer zurückgreifen werden, um nicht in den Geltungsbereich des Teilzeitar- beitsgesetzes zu kommen und damit einem Rechtsan- spruch auf Teilzeitarbeit ausgesetzt zu sein? Ich sage Ihnen: Leiharbeit ist eine Chance – eine Chance für arbeitslose Menschen, nicht dauerhaft auf Ar- beitslosengeld oder Sozialhilfe angewiesen zu sein und auch in Übung zu bleiben. Training-on-the-job ist we- sentlich besser als jede Weiterbildungsmaßnahme der Bundesanstalt für Arbeit! Daher müssen die Restriktionen im AÜG – Stichworte: Höchstverleihdauer, Synchronisa- tionverbot und Wiederbeschäftigung – im Sinne einer Verbesserung der Chancen Arbeitsloser den Gegebenhei- ten und Erfordernissen der Praxis geändert werden. Der Bericht hält hierzu fest: „Unternehmen sind unter Um- ständen eher bereit, einen ehemals Arbeitslosen nach ei- ner Testphase als Leiharbeitnehmer fest einzustellen.“ Ein weiteres Signal dafür, dass mit der Verfassung des Arbeitsmarktes etwas nicht stimmt, ist die Zunahme der so genannten Schwarzarbeit. Deren Zunahme ist ein Be- weis dafür, dass die Belastung der regulären Arbeitsein- kommen mit Steuern und Sozialversicherung offenbar zu hoch ist und es sich daher für eine bestimmte Gruppe in der Bevölkerung lohnt, schwarz zu arbeiten. lm Bericht heißt es dazu: „So mussten 1999 rund 94,10 DM für eine legale Maurerstunde kalkuliert wer- den. Ein Maurer erhält, wenn er verheiratet ist und zwei Kinder hat, ungefähr 17,79 DM netto. Erhält der Schwarz- arbeiter für eine illegale Stunde 30,00 DM, so verdient er fast doppelt so viel und der Bauherr spart zwei Drittel.“ Und schließlich lesen wir im Bericht: „Eine typische Begehungsform der Schwarzarbeit ist die Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen im erheblichen Umfang bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslo- senhilfe oder Sozialhilfe, ohne die Beschäftigung dem Leistungsträger mitzuteilen.“ Das ist, wie gesagt, alles Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14081 (C) (D) (A) (B) sehr lesenswert, aber auch ein deutlicher Handlungs- auftrag! Ich frage Sie: Was wollen Sie tun, um diesen Missbrauch zukünftig zu verhindern? Was der Bericht nicht sagt: Ist der Schwarzarbeiter ebenfalls verheiratet und Vater von zwei Kindern, dann hat er bei Sozialhilfebezug selbst als Facharbeiter in den meisten Branchen in etwa das Einkommen eines legal ar- beitenden Kollegen. Eigentlich logisch, dass legale Arbeit nicht mehr lohnt, zumal man nebenbei – man hat ja den ganzen Tag Zeit – und schwarz noch ein paar Mauern hochziehen kann. Das Anreizsystem ist falsch. Das Problem Ihrer bishe- rigen Politik ist, dass Sie die Menschen – über alles gese- hen – netto nicht wirklich entlasten. Warum nutzen Sie nicht den zweifellos vorhandenen Spielraum zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung? Das wäre ein erster Schritt, um die Schere zwischen Lohneinkom- men und Transfereinkommen wieder etwas zu öffnen. Da- rüber hinaus müssen Anreize zur Aufnahme einer sozi- alversicherungspflichtigen Arbeit geschaffen werden. Und das heißt auch – im Sinne einer aktivierenden Sozialpoli- tik –, den Druck etwas zu erhöhen. Die wirklich Bedürfti- gen müssen von den faulen Findigen getrennt werden. Nehmen Sie den Bericht als Ansporn, das Arbeitsrecht wieder zu „entriestern“, damit mehr Menschen eine Chance auf einen dauerhaften Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt bekommen! Wer Zeitarbeit reduzieren oder eingrenzen will, kommt nicht umhin, das Arbeitsrecht zuentschlacken. Sorgen Sie – wir sind bereit, dabei mitzuwirken – dafür, dass wir ein vernünftiges Anreizsystem für Menschen in der Sozialhilfe bekommen und dass sich ehrliche Arbeit, auch in unteren Lohngruppen, wieder lohnt. Dr. Klaus Grehn (PDS): Der vorgelegte Neunte Be- richt der Bundesregierung über Erfahrungen bei der An- wendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, des AÜG, sowie über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, des BillBG, enthält wiederum detaillierte Aufstellungen zur Bekämp- fung illegaler Beschäftigung und der Schwarzarbeit. Tat- sache ist, dass genaue Angaben zum Ausmaß der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit nicht vorliegen und vielfach Vermutungen die Grundlage der öffentlichen Diskussion bilden. Dies spiegelt der F.D.P.-Antrag zur Schattenwirtschaft richtig wider. Für die PDS sind die Zurückdrängung und die Verhin- derung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit wichtige Maßnahmen zur Herstellung von mehr sozialer Gerechtigkeit. Der Bericht lässt wegen der Darstellung eine Gesamtbewertung der Bemühungen kaum zu; die Er- gebnisse beruhen auf jeweils unterschiedlichen Katego- rien unterschiedlicher Behörden. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse trotz erheblichem Ressourceneinsatz nach wie vor eher mager sind. Die kritischen Hinweise von Staats- anwalten und Gewerkschaften, das sei positiv vermerkt, weisen auf Möglichkeiten der Anreicherung hin. Wie auch bei den Berichten der Vorgängerregierung werden Schattenwirtschaft und illegale Beschäftigung hier wie Marktauswüchse behandelt, die man mittels Razzien eliminieren kann. Aber gerade das funktioniert nicht, wie die Berichterstattungen verdeutlichen: Die Er- mittlungsbehörden eilen seit Jahren von einem Pyrrhus- sieg zum anderen. Die Anzahl der Kontrollen, der eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren und der verhängten Bußgelder sind im Be- richtszeitraum erheblich gestiegen. Dies wird als Erfolg ge- wertet, obwohl diese Zahlen keine Erfolgsindikatoren sein können, denn erstens wurde das Kontrollpersonal erheblich aufgestockt, zweitens wurden neue Deliktfelder, unter an- derem Mindestlohnvergehen, eingeführt und drittens wurde der Bußgeldrahmen deutlich angehoben. Trotzdem boomt die Schattenwirtschaft nach Auffassung von Experten. Dass diese Entwicklung nun aber Ergebnis der 630-DM-Regelungen oder aber der Ökosteuer sein soll, wie es die F.D.P. in ihrem Antrag begründet oder vermu- tet, erinnert eher an Kaffeesatzleserei. Gleiches trifft für die F.D.P.-Aussage, dass Arbeitszeitverkürzungen zur Schattenwirtschaft beitragen, zu. Wir meinen, dass die Schattenwirtschaft weiter boomt, weil sich egoistisches Gewinnstreben auf einem ungere- gelten Markt unter anderem auch durch die Arbeitneh- merüberlassung und die Schattenwirtschaft sehr profita- bel durchsetzen lässt. Insofern ist es auch notwendig, die dem Bericht zu entnehmende Praxis, dass die Bestrafung illegaler und gegen die Gesetze verstoßender Arbeitgeber nur in seltenen Fällen dem tatsächlichen Ausmaß der Ver- gehen entspricht, zu ändern. Wir bezweifeln die Sinnhaftigkeit der weiteren Ver- schärfung von Gesetzen, die bereits jetzt nicht voll ausge- schöpft werden. Wir bezweifeln auch die Sinnhaftigkeit der Aufstockung des Kontrollpersonals und der grund- rechtlich bedenklichen Ausweitung von Kontrollkompe- tenzen. Statt dessen wäre es sinnvoll, die überlasteten Staatsanwaltschaften zu stärken und effektive Maßnah- men zum Schutz prekär beschäftigter Arbeitnehmer zu er- greifen. – Letzteres unter anderem deshalb, weil diese Ar- beitnehmer doppelt zu leiden haben: Sie werden in der Beschäftigung diskriminiert und oft auch noch um den Lohn für die tatsächlich geleistet Arbeit betrogen. Es muss darum gehen, die Rechtssicherheit und die Konflikfähigkeit zu stärken, um den Anreiz des „Be- trugsbonus“ bei illegaler Beschäftigung zu beseitigen. Die Bekämpfung von Schattenwirtschaft und illegaler Beschäftigung durch effektiven Schutz allgemeiner Ar- beitnehmerrechte wäre ein Ansatz, der einer rot-grünen Politik angemessener wäre, als die Fortführung eines überkommenen Fehlaktionismus. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrages: Gesamtkonzeption für Berliner Gedenkstätten für die Opfer der SED-Diktatur notwendig (Tagesordnungspunkt 11) Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schon bemerkenswert, dass nun auch die Union zu der Er- kenntnis gelangt ist, dass wir eine Gesamtkonzeption für die Gedenkstätten für die Opfer der SED-Diktatur brau- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114082 (C) (D) (A) (B) chen. Im Gegensatz zur früheren Regierung Kohl hat die neue rot-grüne Regierung eine Konzeption der künftigen Gedenkstättenförderung vorgelegt. Von daher kommt der heutige Antrag reichlich spät. Dies finde ich bedauerlich, weil die Ziele, die in dieser Vorlage verfolgt werden, im Großen und Ganzen mit unseren Vorstellungen überein- stimmen. Schade also, dass der Kollege Nooke nicht rechtzeitig – das heißt im Zusammenhang mit dem Ge- denkstättenkonzept des Bundes – diese Vorschläge einge- bracht hat. Die Gedenkstätten für Opfer der SED-Dikatatur, die Mauergedenkstätte, das Dokumentationszentrum Ber- nauer Straße, das ehemalige Stasi-Gefängnis in Hohen- schönhausen und die Stasi-Zentrale in der Normannen- straße sind wichtige Erinnerungsstätten für alle Deutschen. Insofern waren wir schon immer der Auffas- sung, dass die Finanzierung dieser Gedenkstätten auch eine Angelegenheit des Bundes ist. Das vereinte Deutschland bekennt sich zu seiner Ge- schichte; die vielen Gedenkstätten des Bundes zeigen das deutlich. Wir wollen auch weiterhin im Rahmen des Mög- lichen die Erinnerungsarbeit an die Geschichte der Deut- schen fördern. Die rot-grüne Bundesregierung hat es geschafft, eine Gedenkstättenkonzeption in dieser Wahl- periode zu verabschieden. Wir haben damit Versäumnisse der alten Regierung beiseite geräumt und vernünftige För- dergrundsätze vorgelegt. Was wir allerdings nicht akzeptieren wollen und kön- nen sind Versuche, alles und jedes auf den Bund abzu- wälzen. Gerade weil es um die Geschichte aller Deut- schen geht, müssen auch alle relevanten Ebenen ihren Beitrag leisten. Wir gehen davon aus, dass auch künftig der Bund maximal die Hälfte der Kosten übernimmt; die fehlenden Mittel müssen die Länder beisteuern. Wobei im Übrigen auch die Frage zu stellen ist, ob und inwieweit sich auch private Sponsoren oder Stiftungen an der För- derung beteiligen können. Wir werden in den Ausschüssen in aller Ruhe und Sachlichkeit die vorgelegten Vorschläge erörtern. Ich halte es daher für überzogen, wenn in Ihrem Antrag der Bundesregierung eine Frist bis zum 31. Mai 2001 gesetzt wird. Die Regierung Kohl hat das in acht Jahren nicht hin- bekommen; man sollte der neuen Regierung ausreichend Zeit geben. Eine Zeit, die wir gemeinsam brauchen wer- den, um eine tragfähige Konzeption und eine dauerhafte Finanzierung sicherzustellen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: 4. Bericht der Bundesregie- rung zur Auswärtigen Kulturpolitik 1999 (Ta- gesordnungspunkt 12) Monika Griefahn (SPD): 2001 ist der von der UNO als das Jahr des Dialogs, der Zivilisation und der Kulturen ausgerufen worden. Insofern ist es gut, dass die Auswär- tige Kulturpolitik im letzten Jahrzehnt einen Bedeutungs- zuwachs bekomme hat, den vorher niemand angenommen hätte. Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt ha- ben auf die Veränderungen der internationalen Umwelt reagiert. Die Auswärtige Kulturpolitik wird in der Außen- politik der Bundesrepublik eine wichtigere Rolle spielen, als dass bisher der Fall war. Auch global wird die Rolle der Kultur in den internationalen Beziehungen zuneh- mend beachtet. Damit finden Akzentverschiebungen in der Außenpolitik statt, die den Veränderungen in einer globalisierten Welt gerecht werden. Wir haben es momentan in der Welt fast ausschließlich mit ethnisch oder religiös motivierten Konflikten zu tun, also mit kulturellen Konfliktfaktoren. Die klassischen Konflikte um Land oder Ressourcen werden in der Be- deutung zurückgedrängt. Konflikte um Wasser werden in der Zukunft dramatisch werden. Aber die kulturellen Aus- einandersetzungen nehmen in ihrer Schärfe zu. Die Bun- desregierung hat diese veränderten Vorzeichen erkannt und mit der „Konzeption 2000“ für die Auswärtige Kul- turpolitik des Auswärtigen Amtes reagiert. Dort werden viele Gedanken aufgenommen, die den kulturellen inter- nationalen Beziehungen einen sicherheitspolitisch rele- vanten, weil präventiven Charakter zuweisen. Damit wird aufgezeigt, worum es in Zukunft gehen muss: Das Verstehen des anderen, der Respekt vor anderen kulturellen Eigenarten, Gebräuchen und Sitten, das ge- genseitige Geben und Nehmen, also die vom Auswärtigen Amt so genannte „Zweibahnstrasse“, sind der Weg, der in der internationalen Zusammenarbeit in Zukunft verstärkt gegangen werden muss. Damit rede ich nicht einem kulturellen Relativismus das Wort. Natürlich wollen wir auch unsere Werte vermitteln. Das gilt sowohl für demokratische Strukturen als auch für die Beachtung der Menschenrechte. Man sollte nicht argu- mentieren, dass ein anderes Menschenbild eben etwas sei, kulturell geprägt und deshalb per se nicht angreifbar sei. Dies wurde jahrelang mit den Wirtschaftswunderländern in Südost- und Nordostasien gemacht. Das waren zum größ- ten Teil Scheinargumente, die nur dazu dienen sollten, das wirtschaftliche Wachstum nicht zu gefährden. Ich will ausdrücken, dass wir verstehen müssen, mit wem wir es zu tun haben, dass wir in einen echten Dialog eintreten müssen und zwar innen und außen. Wir müssen bereit sein, den anderen mit all seinen Motivationen zu verstehen und wir dürfen erwarten, dass uns die gleiche Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Nur so kann es gelingen, Konflikte schon frühzeitig zu erkennen und sie zu verhindern, und zwar lange bevor Polizeieinsätze nötig sind oder Soldaten eingesetzt werden müssen. Die „Kon- zeption 2000“ des Auswärtigen Amtes hat diesen Gedan- ken aufgegriffen und ihn für die Teilbereiche der Auswär- tigen Kulturpolitik weiterentwickelt. Der hier debattierte Bericht der Bundesregierung zeigt, dass in dieser Hinsicht einiges auf den Weg gebracht wurde. Schon seit Antritt der Regierung von Gerhard Schröder und Joschka Fischer stand die konzeptionelle, strukturelle und inhaltliche Neuausrichtung auf der Tagesordnung. Sie wis- sen alle, dass auch die Auswärtige Kulturpolitik von den notwendigen Sparmaßnahmen nicht verschont wurde. Das konnte sie gar nicht. Dennoch ist es gelungen – dies zeigt der hier debattierte Bericht der Bundesregierung – die Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14083 (C) (D) (A) (B) Auswärtige Kulturpolitik neu zu positionieren und als wichtigen Pfeiler in die Außenpolitik zu integrieren. Das war nicht nur wegen der veränderten politischen Rahmen- bedingungen nötig, sondern es ist auch eine Reaktion auf die Entwicklungen in Kommunikation und Medien. Trotz aller Sparmaßnahmen ist es gelungen, beispiels- weise die Arbeit der Goethe-Institute sogar zu verbessern, indem „Goethe“ und Inter Nationes fusionierten. Dies ist ein Beispiel dafür, wie es trotz oder vielleicht gerade we- gen der Einsparungen zu einer Effizienzsteigerung in der internationalen Kulturarbeit gekommen ist. Dabei sind die Verbesserungen in der strukturellen Arbeit erst am Anfang. Die Einsparungen haben auch nicht verhindert, dass einer der Schwerpunkte der Auswärtigen Kulturpolitik, die Förderung der deutschen Sprache, vorangetrieben wurde. Hier wurden neue regionale Schwerpunkte ge- setzt und die Förderung auf Multiplikatoren verstärkt. Auch das diente der Effizienzsteigerung. Die vorsichtig erfolgte „Regionalisierung“ der Sprachförderung steht dabei in Einklang mit den Zielen der allgemeinen Außen- politik. Aber in den westeuropäischen Staaten, besonders in Frankreich, sinkt die Zahl der Deutsch-Schüler. Die Ori- entierung der jungen Leute in den osteuropäischen Län- dern an den angelsächsischen Sprachen bedeutet, dass be- sondere Bemühungen notwendig sind, damit Deutsch wenigstens als zweite Sprache präsent ist. Auswärtige Kulturpolitik wird heute ganz anders wahrgenommen als noch vor zehn Jahren. Sie dient darü- ber hinaus anderen Zwecken als vorher. Wir haben es mit völlig veränderten Wünschen zu tun, was die Adressaten unserer Kulturpolitik angeht. Das gilt vor allem für den Bereich der neuen Medien. Sie haben eine zunehmende Bedeutung auch in den internationalen Kulturbeziehun- gen. Deshalb haben wir inzwischen Kulturportale im In- ternet. Die Entwicklung in diesem Bereich bedeutet auch, dass wir über das Deutschlandbild, das wir transportieren wollen, neu nachdenken müssen. Für die Deutsche Welle haben wir damit begonnen. Dies kann aber nur ein erster Schritt sein. Die neuen Technologien haben die Welt der Kommunikation rasant verändert, wobei es nicht nur um die Schnelligkeit dieser Veränderungen geht, sondern auch und vor allem um die Qualität. Für die Auswärtige Kulturpolitik bedeutet dies, dass sie sich über die Zielgruppen dieser Politik Gedanken ma- chen muss. Sicher kann es nicht darum gehen, altbewährte Programme völlig preiszugeben; da bin ich konservativ. Vielmehr muss es sinnvolle Ergänzungen geben, die den Zielgruppen und deren „Nutzerverhalten“ gerecht werden können. Einem der grundlegenden Anliegen der AKP, der Förderung der deutschen Sprache, kann hier meines Er- achtens besonders gedient werden. Es ergeben sich neue Vertriebswege für Hörfunkprogramme und Sprachkurse, die vorher nicht da waren. Das Goethe-Institut hat in Zu- sammenarbeit mit Inter Nationes, der Deutschen Welle und dem Auswärtigen Amt einen neuen Multi- media-Sprachkurs entwickelt, der ab diesem Jahr über Fernsehen, Internet und Hörfunk angeboten wird. Das ist ein viel versprechender Weg, die Menschen über neue Wege und neue Zielgruppen zu erreichen. Noch ein Wort zum Haushalt: Die Mittlerorganisatio- nen der Auswärtigen Kulturpolitik haben in den letzten Haushaltsrunden Einschränkungen hinnehmen müssen. Dieser Beitrag ist von allen gefordert. Wir haben aber er- lebt, dass dadurch Effizienzsteigerungen erreicht werden konnten. Die Fusionierung von Goethe-Institut und Inter Nationes habe ich bereits erwähnt. Außerdem sind wir durch die Sparpolitik gefordert, intelligente und innova- tive Lösungen zu finden, die die Ziele der Auswärtigen Kulturpolitik fördern. Ich plädiere entschieden dafür, die Goethe-Institute zu budgetieren, damit die Prioritäten be- züglich Personal und Sachmittel jeweils vor Ort gesetzt werden können. Dazu brauchen wir die Zusammenarbeit von allen Beteiligten, auch hier im Bundestag. Die Auswärtige Kulturpolitik ist eigentlich nie ein Feld großer parteipolitischer Auseinandersetzungen gewesen. Diesen breiten Konsens wünsche ich mir auch für die Zu- kunft. Es kann der Sache nur dienlich sein, vor allem dem Deutschlandbild im Ausland. Gerade hier in Deutschland haben wir im Moment viel zu leisten. Die Auswärtige Kulturpolitik ist das geeignete Feld dazu. Nirgendwo sonst kommen so viele Menschen mit Deutschland in Berührung. Denken wir an den Austausch von Wissen- schaftlern und Studenten, an Konzertreisen, an die Aus- landsschulen, um nur einige Beispiele zu nennen. Das al- les sind unsere Bühnen. Dazu müssen wir aber auch verstärkt die kulturell arbei- tenden Gruppen in der Gesellschaft unterstützen. Theater, Musikgruppen, Filmemacher, Autoren und alle anderen, die sich um den Austausch der Kulturen kümmern, brau- chen einen sicheren Rahmen für ihre Arbeit. Deshalb fängt Auswärtige Kulturpolitik im Inland an. Beispielsweise müssen wir die Besteuerung ausländischer Künstler redu- zieren, damit sie für die deutschen Veranstalter finanzierbar bleiben. Ich rede hier nicht von Michael Jackson oder Luciano Pavarotti. Die kleinen Veranstalter haben inzwi- schen Probleme, Künstler aus dem Ausland zu engagieren, weil bis zu 40 Prozent der Gage ans Finanzamt gehen. Das ist einem lebendigen Kultur-austausch nicht förderlich. Wir können auch in Deutschland nicht das „Jahr des Dialogs der Kulturen“ begehen, ohne uns über notwen- dige und wirksame Strukturen und Rahmenbedingungen eines solchen kulturellen Dialoges Gedanken zu machen. Wenn dazu Dinge reformiert und neu gedacht werden müssen, so müssen wir das tun. Der Dialog ist die Zukunft der internationalen Bezie- hungen. Ich meine damit nicht den Dialog an den Konfe- renztischen. Das funktioniert – meistens. Ich rede von ei- nem Dialog über Werte, Vorstellungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Das ist ein Dialog über Kultur, durch den wir lernen, was der Andere denkt, fühlt und will. Es geht um Bedeutungen. Hier besteht ein großes friedens- förderndes Potenzial für die internationale Politik. Es darf nicht unterschätzt werden. Der Bericht der Bundesregierung über die Auswärtige Kulturpolitik gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass es in diese Richtung geht. Der insgesamt höhere Stellenwert, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114084 (C) (D) (A) (B) den Kultur und Kulturpolitik seit 1998 in der Bundespo- litik genießen, wird auch in der AKIP deutlich. Dieser Weg ist richtig; er wird der höheren Bedeutung der Kul- tur in der Außenpolitik gerecht. Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „In- ternational kann in Medizin und Biologie in der Spitzen- forschung nur mitspielen, wer mindestens Lesefähigkeit im Deutschen besitzt.“ Ist das Wunschdenken? Im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts entsprach dieser Satz der Wirklichkeit. Heute ist Deutsch nur noch relikthaft inter- nationale Wissenschaftssprache. Der Anteil der na- turwissenschaftlichen Publikationen lag 1996 bei 1,2 Pro- zent, der Anteil der englischen bei 90,7 Prozent. Warum soll man im Ausland heute noch Deutsch lernen? Wer in der ganzen Welt zu Hause ist, braucht kein Deutsch, we- der als Global Player, noch als Tourist. Die Bedeutung der Sprache ist nur ein Beispiel für die vielen Veränderungen, mit denen wir in der kulturpoliti- schen Landschaft konfrontiert werden. Die rasanten Ent- wicklungen, die die modernen Gesellschaften durchlau- fen, können verwirren, verunsichern, verängstigen. Globalisierung schafft Nähe, wo vorher keine war, ermög- licht uns die Auseinandersetzung mit dem, was uns eben noch fremd war. Wir sind auf allen Ebenen gefordert: nicht nur wirtschaftlich-technisch, sondern auch in der persönli- chen Begegnung, in der Kommunikation, im Dialog. Dialog, das ist das Stichwort für die neue konzeptio- nelle Ausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik. Unsere Gesellschaft, mit der wir die Herausforderungen von tech- nischer Entwicklung und Globalisierung erfolgreich be- stehen wollen, setzt auf Freiheit und auf mündige Bürge- rinnen und Bürger. Der kulturelle Dialog hat auch die Stärkung der Zivilgesellschaft zum Ziel. Begegnung, Ge- spräch und Reibung haben Sich-Kennen- und Verstehen- Lernen, Vertrauensbildung und Sympathieerwerb zur Folge. Deshalb bin ich besonders froh, dass das Goethe-Institut schon bald in Teheran, Algier und Ha- vanna anzutreffen sein wird. Das sind Orte, die dringend der Öffnung und Stärkung der Zivilgesellschaft bedürfen. Die Freiheit von Kunst und Kultur in Europa und in un- serem Land überall in der Welt bekannt zu machen, das heißt auch, für ihre demokratische Grundlage zu werben. Die Mittlerorganisationen deutscher Kultur arbeiten auf- grund unserer Geschichte unabhängig und ihre staatsferne Organisation kommt den schwierigen Arbeitsbedingun- gen in vielen Ländern entgegen. Allerdings haben wir den Mittlerorganisationen Vorga- ben im Rahmen notwendiger Strukturreformen gemacht. Wozu den Vorgängerregierungen immer der Mut fehlte, wurde endlich angepackt: Goethe-Institut und Internatio- nes zu fusionieren, war seit langem notwendig und zeigt, dass wir knappe Ressourcen besser zu nutzen suchen. Für mich ist aber auch klar: Wer mit weniger Mitteln effekti- ver arbeiten muss, braucht eine größere Flexibilität in der Mittelverwaltung. Lassen Sie mich kurz auf die Auslandsschulen eingehen. Erstens, der Bau neuer deutscher Schulen kann vor Ort nicht nur besser und schneller, sondern auch kostengünsti- ger geplant und realisiert werden. Zweitens, wir setzen auch im Schulbereich auf europäische Zusammenarbeit, zum Beispiel auf das Modell der so genannten Euro-Cam- pus-Schulen. Kooperationen zwischen Frankreich und Deutschland gelingen unter anderem in Manila und Schanghai; mit England arbeiten wir in Taiwan zusammen. Neben den Mittlerorganisationen und den deutschen Schulen im Ausland haben Austauschprogramme die weit reichendsten Erfolge, wenn es darum geht, deutsche Spra- che und Kultur ins Ausland zu vermitteln. Der Studieren- den- und Wissenschaftleraustausch ist uns deshalb ein wichtiges Anliegen. Wir haben im Haushalt 2001 das Sti- pendienprogramm nicht nur erhalten, wir haben es sogar noch mit einer soliden, längerfristigen Planung ausgebaut. Noch ist Deutsch die dritthäufigst gelernte Fremdspra- che der Welt. Die Tendenz ist rückläufig. Nur solange die deutschsprachigen Länder technologisch und wirtschaft- lich vorne mitspielen, bleibt Deutsch eine wichtige Fremdsprache. Aber: Es geht um mehr als die Hitliste im Sprachenranking: Kreative Menschen, Multiplikatoren und künftige Entscheidungsträger im Ausland zu fördern und sie an Deutschland und seiner Entwicklung zu inte- ressieren, muss unser Ziel sein. Und ich frage mich, wie wir dieses Ziel erreichen, wenn in Reiseführern über Deutschland davor gewarnt wird, als Mensch mit nicht weißer Hautfarbe bestimmte Regionen Deutschlands zu meiden. Selbst im Internet hätte ein fiktives Deutschlandbild keinen Bestand! Auswärtige Kulturpolitik kann nur das vermitteln, was hier lebendig ist. Und da war die Debatte um die so genannte Leitkultur alles andere als hilfreich. Lassen Sie uns hier alles tun, damit wir auch nach außen zu Recht das Bild einer offenen und toleranten Ge- sellschaft vermitteln können, die den Anforderungen der Moderne gewachsen ist. Ulrich Irmer (F.D.P.): Es ist selbstverständlich, dass die neuen außenpolitischen Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch ein Umdenken in der auswärti- gen Kulturpolitik erforderlich machen. Niemand wird da- her Zweifel daran haben, dass die vor 25 Jahren von der Enquete-Kommission des Bundestages festgeschriebenen Leitlinien neu definiert werden müssen. Den zweifellos großen Herausforderungen für eine Auswärtige Kulturpolitik im 21. Jahrhundert stehen je- doch knappe Mittel gegenüber. Der Kulturhaushalt des Auswärtigen Amtes wird bis 2003 um weitere 10 Prozent, das heißt um circa 130 Millionen DM schrumpfen. Mit der so genannten Konzeption 2000 für die Auswärtige Kulturpolitik versucht nun das Auswärtige Amt, aus der Not eine Tugend zu machen. Sicherlich ist es richtig, dass Sparzwänge auch Chancen für Reformen und Neubeginn bieten. Aber sie setzen Mut zur Innovation voraus. Aus meiner Sicht könnten erhebliche Synergie- und gleichzeitig auch Einspareffekte durch die Bündelung der zurzeit auf sechs Bundesressorts verteilten Zuständig- keiten für unterschiedliche Aspekte der Auswärtigen Kul- turpolitik erreicht werden. So ist es zum Beispiel über- haupt nicht einzusehen, weshalb Sprachkurse für deutsche Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14085 (C) (D) (A) (B) Minderheiten in Mittel- und Osteuropa über das BMI fi- nanziert werden, Sprachkurse des Goethe-Institutes indes- sen im Haushalt des Auswärtigen Amtes ressortieren. Ferner sollten folgende Maßnahmen bei einer Reform der auswärtigen Kulturpolitik im Vordergrund stehen: eine Reduzierung des Anteils der Personal- und Verwaltungs- kosten, nicht nur bei den Auslandsschulen, sondern auch wie zuletzt vom Bundesrechnungshof gefordert beim Goethe-Institut; eine verstärkte Übertragung von Einzel- bereichen bei Mittleraktivitäten, zum Beispiel des Sprach- unterrichtes in private Trägerschaft; eine Modernisierung und Straffung des weltweiten Netzes des GoetheInstitutes. In der Personalpolitik sollten die Kulturmittler, insbe- sondere Goethe-Institute und Auslandsschulen, zukünftig verstärkt auf die erheblich kostengünstigeren Ortskräfte zurückgreifen. Schließlich sollten die Möglichkeiten des Einsatzes von Sponsormitteln der Wirtschaft und privater Stiftun- gen besser genutzt werden. Die Konzeption 2000 bietet zwar Ansätze hierfür; sie sind jedoch noch zu halbherzig. Warum sollte es beispielsweise nicht möglich sein, im Rahmen unserer Sprachförderung berechtigte Anliegen unserer Exportwirtschaft zu berücksichtigen? Was wäre dagegen einzuwenden, wenn Industrie und Wirtschaft mehr Patenschaften für deutsche Auslandsbibliotheken übernähmen und im Zusammenhang mit den Mittlern bei Kulturveranstaltungen verstärkt als Sponsoren aufträten? Könnte nicht unsere Stipendienpolitik zumindest in Teil- bereichen durch kofinanzierte Programme mit den Inte- ressen der Wirtschaft in Einklang gebracht werden? Wäre es nicht sinnvoll, dass unsere exportorientierten Unter- nehmen sich verstärkt an der Finanzierung und Unterhal- tung von Auslandsschulen beteiligen? Ist es wirklich un- denkbar, dass zum Beispiel der Börsenverein des deutschen Buchhandels Gelegenheit erhielte, in ausge- wählten Goethe-Instituten deutsche Literatur – von der Belletristik bis zum Fachbuch – auszustellen oder viel- leicht sogar zu verkaufen? Was spricht eigentlich dage- gen, im Ausland verstärkt deutsche Häuser zu fördern, un- ter deren Dach Auslandshandelskammern, deutsche Firmen, Wirtschaftsverbände und Kultureinrichtungen untergebracht sind? Durch derartige Gemeinschaftsstruk- turen würden nicht nur Kosten gespart, sondern erhebli- che Synergieeffekte erzielt. Eine derartige Arbeitsteilung darf jedoch nicht ledig- lich finanztechnisch motiviert sein. Die gemeinsame Übernahme von Verantwortung öffentlicher und privater Träger wäre auch geeignet, einen kulturellen Wert an sich zu vermitteln, der das Wesen unserer Demokratie aus- macht, das Zusammenspiel von Staat und Bürgergesell- schaft. Wichtig ist hierfür, dass Kultur und Kommerz ihre Berührungsängste abbauen, die gemeinsamen Interessen erkennen und die verbindenden Elemente verstärken. Deutschland wird auch künftig weltweit nur dann Erfolg haben, wenn es Wirtschafts- und Kulturnation bleibt. Dies sind zwei Seiten derselben Medaille. Ausgesprochen fragwürdig ist indessen die Definition der Konzeption 2000 einer Auswärtigen Kulturpolitik als integralem Bestandteil einer auf Konfliktprävention und Friedenssicherung ausgerichteten deutschen Außenpoli- tik, deren Ziel die Stärkung von Zivilgesellschaften und der Herrschaft des Rechts als Schlüssel zu einer mensch- lichen und friedlichen Globalisierung sein soll. Einem derartig hehren Ziel kann man zwar nicht grundsätzlich widersprechen. Problematisch wäre es jedoch, wenn man die auswärtigen Kulturbeziehungen politisieren und den interkulturellen Dialog von politischem Wohlverhalten abhängig machen wollte. Die „FAZ“ bemerkt zu diesem Ansatz: „Autoritärer ist seit der Gründung der Bundesre- publik bisher keine auswärtige Kulturpolitik aufgetreten.“ Demokratieförderung, Menschenrechte, Nachhaltig- keit des Wachstums, Armutsbekämpfung und Schutz der natürlichen Ressourcen sind klassische Ziele der Ent- wicklungs- und Menschenrechtspolitik, die zwar auch die Kulturbeziehungen insofern berühren, als sie unser gesellschaftliches Wertesystem zum Ausdruck bringen, deren Umsetzung jedoch nicht prioritäre Aufgabe der aus- wärtigen Kulturpolitik sein kann. Auswärtige Kulturpoli- tik kann Friedens- und Sicherheitspolitik nicht ersetzen. Es wäre ein ziemlich dreistes Beispiel deutschen Missio- narsdrangs, deutsche Kulturmittler als Friedensbringer in die Welt zu entsenden. Zu begrüßen ist hingegen, dass sich die Konzeption 2000 zukünftig prioritär auch dem wechselseitigen Know-how-Transfer widmen will. Der Förderung der Wissenschaft und des Hochschulwesens sollten in der auswärtigen Kulturpolitik in der Tat mehr Bedeutung zu- kommen. Im zusammenwachsenden globalen Dorf wird der mul- tilateral koordinierten Auswärtigen Kulturpolitik eine im- mer wichtigere Rolle zufallen. Bedauerlicherweise ist die Koordinierung zwischen bilateraler und multilateraler Auswärtiger Kulturpolitik sowohl auf der Ebene staat- licher Stellen als auch der Mittlerorganisationen, ähnlich übrigens wie im Bereich der Entwicklungszusammenar- beit, nur sehr schwach ausgeprägt. Gerade im Zuge der bevorstehenden institutionellen Reformen der EU sollten wir auf eine stärkere Rolle einer gemeinsamen europä- ischen Auswärtigen Kulturpolitik drängen. Eine verge- meinschaftete Außen- und Sicherheitspolitik wäre ohne eine kulturelle Dimension unvollständig. Dies wird aber auch Wirkung in den außereuropäi- schen Raum haben. Jean Monet wird das kluge Wort zu- geschrieben, die europäische Einigung müsse mit der Kultur beginnen. Gerade die deutsche Auswärtige Kultur- politik sollte integraler Bestandteil eines derartigen Pro- zesses sein. Es wäre zu hoffen, dass dies zu einer Ent- wicklung führt, in der die Interaktion der Kulturen zunehmend zu einer bestimmenden Kraft wird, sowohl beim Zusammenwachsen Europas als auch bei der Aus- strahlung Europas auf die Welt. Dr. Heinrich Fink (PDS): Die Bundesregierung hat mit ihrem Amtsantritt 1998 für die auswärtige Kulturpo- litik neue Richtlinien vorgegeben, die den Bedingungen einer sich verändernden Welt stärker Rechnung tragen sollen. Als Prämissen auch der Auswärtigen Kulturpolitik benennt sie im vorliegenden Bericht: Sicherung des Frie- dens, Konfliktverhütung, Verwirklichung der Menschen- rechte, partnerschaftliche Zusammenarbeit. Dem stimmt die PDS ohne Vorbehalt zu. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114086 (C) (D) (A) (B) Bleiben wir bei der partnerschaftlichen Zusammenar- beit. Diese setzt Gleichberechtigung voraus, soll es einen wirklichen Dialog der verschiedenen Kulturen geben. Sie sollen Verständnis füreinander wecken. Sie sind damit das Gegenteil von Versuchen, Wertvorstellungen zu exportie- ren. Dies wäre nicht im Sinne der genannten Prämissen. Doch leider werden sie gelegentlich verlassen. Wenn zum Beispiel ein Ziel der deutschen Schulen in Osteuropa die Annäherung dieser Länder an so genannte euro-atlanti- sche Strukturen sein soll, halte ich dies nicht einem Dia- log von Kulturen für nicht angemessen. Dies gilt ebenso dafür, dass Hauptzielgruppen für unsere Kulturpro- gramme die aktuellen und künftigen Führungsgruppen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft der anderen Länder sein sollen. Diese Ausprägung des Dialogs halte ich für ausgesprochen paternalistisch. Als sehr wohltuend allerdings empfinde ich den plura- listischen Ansatz in Bezug auf die Präsentation, der die deutschen Beiträge im Ausland betrifft; da besonders die Feststellung: „In Deutschland herrscht Kulturfreiheit. Es gibt keine Staatskultur.“ Und ich folgere: Demzufolge gibt es auch keine Leitkultur. Namens der PDS begrüße ich diese Vorgaben aus- drücklich. Gleichzeitig kann ich aber nicht verschweigen, dass der Bericht über deren inhaltliche Aussagen wenig mitzuteilen hat. Dies vermisse ich besonders bei den aka- demischen Austauschprogrammen, bei Medien wie der Deutschen Welle, auch der Präsentation deutscher Kunst im Ausland und umgekehrt ausländischer Künstler hier. Gerade über Letzteres müsste die Öffentlichkeit mehr er- fahren, als dass Auftritte von Gästen besonders aus Ent- wicklungs- und osteuropäischen Ländern wegen deren enger finanzieller Möglichkeiten stark begrenzt sind. Das gleiche betrifft die Goethe-Institute, deren Mit- glied ich bin und auch deshalb dem Bericht gern mehr über ihre Zukunft entnommen hätte. Eine Bemerkung, von der Sie vielleicht meinen, sie wäre hier nicht angebracht, möchte ich noch machen: Bei der gegenwärtigen Diskussion über Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit hierzulande wird Nichtwissen über andere Kulturen als eine wesentliche Ursache ge- nannt. Hier könnte doch gerade die auswärtige Kulturpo- litik Mittlerdienste leisten. Der Bericht vermerkt zu dieser Aufgabenstellung jedoch nichts. Zwar wird der Anspruch formuliert, es dürfe „keinen einseitigen Kulturexport“, sondern müsse „einen Austausch in beide Richtungen“ geben. Der Kontext allerdings vermittelt den Eindruck, dass der deutschen Darstellung im Ausland doch erheb- lich mehr Engagement und Mittel eingeräumt werden als der Präsentation anderer Kulturen hier. Anhaltspunkte, ob und – wenn ja – wie dies anders werden soll, fehlen. Ich wünschte, mehr – oder besser: Genaueres – über die deutschen Schulen im Ausland zu erfahren als nackte Zah- len über Etats und Lehrer. Wie haben sich die Lehrinhalte verändert bzw. sollen sie es? Der Bericht vermerkt mit Be- friedigung, dass die deutsche Exportindustrie weiter auf sie zählen könne. Das halte ich nicht für eine erst-rangige Aufgabe der Kulturpolitik. Da hatte ich nach der Juli-Rede des Bundesaußenministers zur auswärtigen Kulturpolitik anderes erhofft: „Die deutschen Schulen“, so Fischer sein- erzeit, „sind weit mehr als die Basislager der deutschen Exportwirtschaft. Wir müssen sie in die Lage versetzen, noch mehr als bisher als Ort der Begegnung zweier Kultu- ren in die Gastländer auszustrahlen.“ Seine bemerkens- werte Schlussfolgerung daraus: „Deshalb brauchen wir auch hier mehr Geld.“ Im Bericht heißt es jetzt allerdings: Die Auslandsschulen bleiben von den Sparmaßnahmen der Bundesregierung nicht ausgenommen. Die Kürzungen ziehen sich im Übrigen durch nahezu alle anderen Einzelposten in Sachen Auslandskultur – eine Folge des vorgegebenen Gesamteinsparvolumens von 130 Millionen DM. Nun stehe ich zwar auch auf dem Standpunkt, dass nicht allein viel Geld den vorgegebenen Zielen zur Verwirklichung hilft. Gerade deshalb habe ich nach den Inhalten gefragt. Doch wenn im konkreten Fall eine Kulturveranstaltung eines afrikanischen Landes in Deutschland nicht stattfindet, weil sie nicht gefördert wer- den kann, bleibt der hehre Anspruch des Dialogs doch wohl aus Geldgründen auf der Strecke. Ich erinnere da al- lerdings noch einmal an die erwähnte Rede des vorgestern hier so gescholtenen Außenministers: „Weder für die in- nere Entwicklung Deutschlands noch für die elementaren Ziele der deutschen Außenpolitik ist die auswärtige Kul- turpolitik eine Art Sahnehaube, auf die man in Zeiten des Sparens ohne Not verzichten kann. Wer solche Illusionen pflegt, der verkennt die Realitäten der Welt von heute und legt zugleich die Hand an den Ast, auf dem wir alle sit- zen.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Dr. Christoph Zöpel (SPD): Der Bericht der Bundes- regierung zur Auswärtigen Kulturpolitik für das Jahr 1999 ist dem Hause im vergangenen Dezember zugeleitet wor- den. Ich möchte an dieser Stelle den Schwerpunkt auf zwei Themen legen, die seitdem und in der Zukunft be- sondere Herausforderungen an die Auswärtige Kulturpo- litik stellen. Dies sind der „Dialog der Kulturen“ sowie „Bildung und Hochschulen“. Zum Bezugsjahr 1999 nur so viel: Das Jahr stand im Zeichen der in der Koalitionsvereinbarung beschlossenen Neuausrichtung und Anpassung der Auswärtigen Kultur- politik und der Kürzungen im AKP-Haushalt durch das von der Bundesregierung beschlossene Sparprogramm. Die Neuausrichtung führte nach vielfältigen Beratungen mit den beteiligten Ressorts der Bundesregierung, den AKP-Mittlerorganisationen und den Ländern sowie Dis- kussionen im Ausschuss für Kultur und Medien dieses Hauses Mitte 2000 zur Vorstellung der „Konzeption 2000“. Das Sparprogramm fordert von uns ein Einspar- volumen von 130 Millionen DM zwischen 2000 und 2003. Dies bedeutet Einschnitte in gewachsene Struktu- ren, die möglichst sinnvoll erfolgen und aufgefangen werden müssen. Die in der vergangenen Woche auch ju- ristisch vollzogene Fusion von Goethe-Institut und Inter Nationes ist ein aktueller Schritt in die richtige Richtung. Nun zum Dialog der Kulturen. Die Rahmenbedingun- gen sind bekannt: Die Globalisierung lässt Menschen mit verschiedenen politischen, ethischen und religiösen Vor- stellungen einander immer näherrücken, über die elektro- nischen Medien werden Inhalte und Aussagen in Minu- tenschnelle um den Globus transportiert. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14087 (C) (D) (A) (B) Kein Zweifel: Die Globalisierung enthält auch ein Po- tenzial an Konfliktstoffen. Daher muss sie politisch be- gleitet werden. Die Vereinten Nationen haben auf irani- sche Initiative und mit Unterstützung der EU das Jahr 2001 zum Jahr des Dialoges der Kulturen ausgerufen, und zwar des Dialoges zwischen und innerhalb von Kulturen. Die Internationale Parlamentarier Union (IPU) hat ihre letzte Konferenz in Amman unter anderem diesem Thema gewidmet. Bundespräsident Rau hat von seinem Amts- vorgänger die Schirmherrschaft über eine entsprechende Initiative zur „Zukunft der Beziehungen zwischen westli- chen und islamischen Gesellschaften“ übernommen. Die Auswärtige Kulturpolitik ist das Instrument schlechthin, um diesen Dialog zu fördern. Mit ihren viel- fältigen Austauschprogrammen für Schüler, Jugendliche, Studierende und Akademiker, mit Auslandsschulen wirkt sie langfristig und nachhaltig in andere Gesellschaften hinein und öffnet sich zugleich der interkulturellen Zusammenarbeit. Mit der Förderung der deutschen Spra- che vermittelt sie den wichtigsten Schlüssel zum Ver- ständnis unserer Kultur. Sie wirkt in zwei Richtungen, sorgt für Verbreitung eines zeitgemäßen Deutschlandbil- des, aber auch für größere Vertrautheit Deutscher mit an- deren Ländern, Kulturen und Gepflogenheiten. Auswärtige Kulturpolitik muss zu Hause beginnen – Dies gilt auch für den Dialog der Kulturen. Wenn es nicht gelingt, das Vorhandensein verschiedener kultureller Prä- gungen in Deutschland friedvoll auszuhalten und zu nut- zen, anderen ihre Andersartigkeit ohne Furcht, Neid oder Groll zuzugestehen, wie sollten wir dann am Dialog der Kulturen im weltweiten Maßstab erfolgreich teilnehmen? Für die Auswärtige Kulturpolitik ist dies ein wesentlicher Punkt: Die besten Austauschprogramme und ausgeklügelte Werbung für den Hochschulstandort Deutschland werden in ihrer Wirkung durch fremdenfeindliche Ausschreitungen empfindlich getroffen. Wir müssen alles unternehmen, um im Ausland wieder als ein offenes und gastfreundliches Land wahrgenommen zu werden und als ein Land, das die Würde des Menschen bewusst zu einem Eckstein seiner Verfassung erkoren hat. Was wir im Guten und im Schlechten den Aus- ländern in Deutschland antun, tun wir uns selbst an. Damit komme ich zu meinem zweiten Punkt: Bildung und Hochschulen. Die Gesellschaften von morgen wer- den in immer stärkerer Weise Informations- und Wissens- gesellschaften sein. Globalisierung bedeutet für die In- dustrieländer mehr Konkurrenz, gerade auch auf den Ge- bieten von Wissen und Bildung. Wirtschaftlicher Erfolg hat die langfristige Sicherung von Know-how zu seiner Bedingung und Voraussetzung. Deutschland als stark ex- portorientiertes Land ist darauf angewiesen, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Die Einführung der Green- Card-Regelung war nur eine erste Reaktion auf den Be- darf an qualifizierten Fachkräften. Die Berechnungen der Demographen zeigen, dass dieser Bedarf mittel- und lang- fristig noch steigen wird. Es ist daher unsere Aufgabe, im Inland für Rahmenbedingungen zu sorgen, die Deutsch- land aus der Perspektive des Auslands attraktiv machen, die besten Köpfe hier halten und unabhängig von ihrer Herkunft hierher bringen. Auch abgesehen von dem eher wirtschaftlichen Aspekt steht es uns nicht schlecht an, die kulturelle Vielfalt in Deutschland zu fördern. Warum hal- ten sich von weltweit circa 1,6 Millionen Auslandsstu- denten nur 7 Prozent in Deutschland, aber 30 Prozent in den USA auf? Neben Schwierigkeiten bei dem Erlernen der deutschen Sprache sind es mangelndes Interesse an einem rein deut- schen Abschluss und nicht zuletzt die Sorgen wegen mög- licher Bedrohung durch gewaltbereite Extremisten, die weltweit Resonanz finden und negativ wirken. Bei der In- ternationalisierung von Studiengängen, der Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen wurde bereits vieles er- reicht, auch in der Frage der Aufenthaltsberechti-gung der- jenigen Ausländer und Ausländerinnen, die an einer deut- schen Hochschule einen Abschluss erlangt haben. Diese Anfänge müssen zu einer in sich und im Verhältnis zu un- seren Interessen konsequenten Strategie ausgebaut werden. In den genannten Punkten sind auch die Länder gefor- dert. Bund und Länder müssen ihre Anstrengungen weiter gemeinsam unternehmen und eng abstimmen. Die vom Auswärtigen Amt koordinierte Auswärtige Kulturpolitik ergreift ihrerseits die notwendigen Maßnahmen, um im Ausland für den Hochschulstandort Deutschland zu wer- ben und mit dem Instrumentarium der Mittlerorganisatio- nen weitere Verbesserungen zu bewirken. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf: Zweites Gesetz zur Änderung des Künst- lersozialversicherungsgesetzes und anderer Ge- setze – Antrag: Reform der Künstlersozialversicherung gerecht gestalten – Antrag: Für eine grundlegende Reform der Künst- lersozialversicherung (Tagesordnungspunkt 20 a und b; Zusatztagesord- nungspunkt 7) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Für selbstständige Künstler und Publizisten ist die Künstlersozialversiche- rung seit ihrer Einführung ein unverzichtbarer Bestand- teil ihrer wirtschaftlichen und sozialen Existenz gewor- den. Auch von den abgabepflichtigen Verwertern wird die Künstlersozialversicherung akzeptiert. Diese Errun- genschaft, die auf eine SPD-geführte Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt zurückgeht, soll erhalten und den neuen Rahmenbedingungen angepasst werden. Die vorgesehenen Neuregelungen bringen notwendige Weiterentwicklungen, ohne die Künstlersozialversiche- rung in ihrer Substanz zu ändern: Der Zugang älterer Künstler und Publizisten zur günstigen Krankenversiche- rung der Rentner und Rentnerinnen wird erleichtert. Die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz werden den bei selbstständigen Künstlern und Publizisten häufi- gen Einkommensschwankungen flexibler als bisher ange- passt. Das Verwaltungsverfahren wird im Interesse aller Beteiligten vereinfacht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114088 (C) (D) (A) (B) Der Zugang zur Künstlersozialversicherung wird teil- weise modifiziert, um einem eventuellen Missbrauch zu begegnen. Dies liegt im Interesse aller. So verkürzen wir die „Schonfrist“ für Berufsanfänger, wobei die Versicherungspflicht auch beim Unterschreiten der Geringfügigkeitsgrenze bestehen bleibt, von fünf auf drei Jahre, verlängern aber die Frist um die Zeiträume, wie Mutterschafts- und Erziehungsurlaub, Wehr- und Zi- vildienst oder Arbeitnehmertätigkeiten. Dagegen werden wir für Studenten, die nebenher eine künstlerische oder publizistische Tätigkeit ausüben, die Mitgliedschaft in der günstigen Krankenversicherung nach dem KSVG nicht ermöglichen. Das Gleiche gilt auch für über 65-Jährige, die sich erstmalig über eine künstlerische oder publizisti- sche Tätigkeit den Zugang zum Krankenversicherungs- schutz verschaffen wollen. Diese Veränderungen werden auch von den beteiligten Verbänden begrüßt, da sie den Versicherungsschutz für Künstler und Publizisten wesentlich verbessern. Selbstständige Künstler und Publizisten befinden sich in einer Situation, die der von Arbeitnehmern vergleichbar ist. Sie sind auf die Mitwirkung von Vermarktern oder Ver- wertern angewiesen, die ihre Werke dem Endverbraucher zugänglich machen. Der Gesetzgeber hat sie deshalb in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversi- chert. Nach dem KSVG versicherte selbstständige Künst- ler und Publizisten haben wie Arbeitnehmer nur den hal- ben Beitrag zu zahlen. Der Quasi-Arbeitgeberbeitrag wird von den Verwertern aufgebracht und durch den Bundeszu- schuss ergänzt, soweit das Einkommen auf Selbstver- marktung beruht, also ohne Einschaltung von Verwertern. Bei der Novellierung des Künstlersozialversicherungsge- setzes geht es deshalb nicht um tiefgreifende strukturelle Änderungen, sondern vor allem um Anpassungen an ver- änderte Verhältnisse, Klärung von Zweifelsfragen sowie Verbesserungen des Verwaltungsverfahrens. Seit der letzten Novellierung im Jahr 1988 hat sich die Zahl der Versicherten mit rund 107 000 mehr als verdrei- facht. Die Aufwendungen des Bundes sind von 38,7 Mil- liarden DM in 1988 auf 166,5 Milliarden DM gemäß dem Entwurf für den Bundeshaushalt 2001 gestiegen. Dies ist ein Beweis, dass sich der Bund seiner Verantwortung für die Künstlersozialkasse bewusst ist. Der Erfassung der abgabepflichtigen Unternehmer, sprich der Verwerter, kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie mit der Künstlersozialabgabe den Teil der Aus- gaben der KSK aufbringen, der nicht durch die Beitrags- anteile der Versicherten und den Bundeszuschuss gedeckt ist. Seit 1989 hat sich die Zahl der durch die KSK erfass- ten Verwerter mehr als verdoppelt. Sie liegt heute bei 35 373. Allein in den letzten fünf Jahren sind 10 000 Ver- werter neu hinzugekommen. Auch wenn die meisten und wichtigsten der in § 24 Abs. 1 Satz 1 KSVG aufgeführten typischen Verwerter von der KSK erfasst sind, so bereitet die Auffindung der Unterneh- men, die Eigenwerbung betreiben oder die unter die Gene- ralklausel des § 24 Abs. 2 KSVG fallen, noch einige Schwierigkeiten; denn weder an ihrem Namen noch an ihrem Geschäftsgegenstand ist zu erkennen, dass eine Ab- gabepflicht besteht. Die lückenlose Erfassung der abgabe- pflichtigen Unternehmen ist weiterhin Ziel der KSK. Dies gilt ebenso für die ausländischen Verwerter. Sofern diese im Inland als Verwerter tätig werden, sind sie ebenso abgabe- pflichtig wie entsprechende inländische Unternehmen. Durch die Bildung von Ausgleichsvereinigungen kann die Abgabepflicht einer Vielzahl gleichartiger Unterneh- men verwaltungsökonomisch geregelt und eine Belastung lediglich einzelner Unternehmer durch die Künstlersozi- alabgabe vermieden werden. Die Absenkung des Bundes- zuschusses durch das Haushaltssanierungsgesetz vom 22. Dezember 1999 von 25 auf 20 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse (KSK) und die Einführung eines einheitlichen Abgabesatzes für die Künstlersozialabgabe war eine sachliche Entscheidung aufgrund des vermin- derten Selbstvermarktungsanteils und keine reine Spar- maßnahme im Rahmen der Haushaltssanierung. Der Bundeszuschuss ist insofern flexibel, als er nicht aus einem festen Betrag besteht, sondern mit den Bei- tragsausgaben der KSK für die Versicherten steigt. Eine Rückkehr zur alten Zuschusshöhe, wie sie meh- rere Verbände fordern, ist auch aus Haushaltsgründen ab- zulehnen. Ebenso ist mit dem Vorschlag der F.D.P. zu verfahren, einen festen Abgabesatz von 3,3 Prozent einzuführen. Die- ser wiederum würde einen Bundeszuschuss von circa 25 Prozent bedingen und ihn mittelfristig auf knapp 30 Prozent ansteigen lassen. Eine solche Defizithaftung kann wegen der Haushaltssituation des Bundes nicht ein- geführt werden. Auch die so genannte Korridorlösung mit einer Obergrenze von 25 Prozent und einer Untergrenze von 17 Prozent, die auf einen Vorschlag des Deutschen Kulturrates basiert, ist für den Bund nicht umsetzbar. Weiterhin schlägt die F.D.P. vor – ich zitiere –: Der Bundeszuschuss darf nicht unter die Höhe sin- ken, die den vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 8. April 1987 dargestellten An- forderungen entspricht. In einem solchen Fall wird der Künstlersozialabgabesatz gesenkt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei- dung aber keine Untergrenze für den Bundeszuschuss festgelegt. Es hat lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung des Bundeszu- schusses den Selbstvermarktungsanteil berücksichtigen muss. Eine erneute Überprüfung des Selbstvermarktungs- anteils wird aufgrund eines Beschlusses des Rechnungs- prüfungsausschusses des Deutschen Bundestages voraus- sichtlich im Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein. Dennoch möchte ich möglichen Befürchtungen nach wei- terer Senkung des Bundeszuschusses gleich entgegentreten. Der Bundeszuschuss in Höhe von 20 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse sollte als verträgliche Größe gehal- ten werden. Dafür werde ich mich einsetzen. Schon nach ei- nem Jahr hat sich gezeigt, dass die Aufhebung der Sparten- trennung nach den Bereichen Wort, Musik, bildende und darstellende Kunst viele Vorteile bringt, auch wenn ich aner- kennen muss, dass der Musikbereich besonders belastet wird. Dennoch ist es ein notwendiger Schritt gewesen, da Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14089 (C) (D) (A) (B) sich die heutige Kultur- und Medienlandschaft nicht mehr deutlich voneinander abgrenzen lässt. Auch verfassungs- rechtliche Bedenken wurden geprüft und verworfen. Letztendlich hat sich die Höhe des einheitlichen Abga- besatzes von 4 Prozent im Jahre 2000 auf 3,9 Prozent im Jahre für die Verwerter positiv verändert. Wir werden in den nächsten Wochen noch genügend Zeit haben, über Details der Novellierungen auch mit den Betroffenenverbänden zu diskutieren. Für mich zeigt sich schon heute, dass wir mit dieser Novellierung das KSVG auf die veränderten Bedingungen ausgerichtet haben, die zu Verbesserungen der sozialen Absicherung der Künstler und Publizisten führen wird und das ist zu begrüßen. Andreas Storm (CDU/CSU): Die Künstlersozialver- sicherung wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Sie ist eine wichtige sozialpolitische Errungenschaft, die in den ver- gangenen beiden Jahrzehnten einen großen Beitrag zur Verbesserung der sozialen Absicherung unserer Künstle- rinnen und Künstler geleistet hat. Doch auch an der Künstlersozialversicherung geht die Zeit nicht spurlos vorüber, Reformen sind nötig geworden. Meine Damen und Herren aus der Regierungskoali- tion, in Ihrer Koalitionsvereinbarung vom Herbst 1998 steht zu lesen: „Die neue Bundesregierung wird zur Ab- sicherung der Künstlerinnen und Künstler die Künstler- sozialversicherung verbessern.“ Über zwei Jahre sind seitdem vergangen, von Verbesserungen keine Spur. Im Gegenteil, die erste Maßnahme, die Sie nach dem Regie- rungswechsel im Bereich der Künstlersozialversicherung ergriffen haben, war eine Sparmaßnahme. Mit dem Haus- haltssanierungsgesetz vom Dezember 1999 haben Sie den Bundeszuschuss, der bislang 25 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse abgedeckt hat, auf 20 Prozent gesenkt. Damit haben Sie die Künstlersozialversicherung in eine prekäre finanzielle Situation gebracht, und Sie ha- ben bisher keinerlei Anstalten gemacht, diese Sparmaß- nahme im Zuge der Novellierung des Künstlersozial- versicherungsgesetzes wieder rückgängig zu machen. Der Bund zieht sich also teilweise aus seiner sozialpo- litischen Verantwortung für die Künstler zurück und spart damit etwa 40 Millionen Mark im Jahr. Die müssen dafür von den Verwertern aufgebracht werden, und das heißt: Es wird teurer, Künstler zu engagieren, und wo Veranstaltun- gen nicht ausfallen, werden die Honorare gekürzt werden müssen. Was das für die soziale Sicherung der Künstlerin- nen und Künstler bedeutet, will ich Ihnen kurz erläutern. Während das durchschnittliche Einkommen der Arbei- ter und Angestellten im Jahre 2000 53 513 DM betrug, mel- deten die in der Künstlersozialversicherung Versicherten einen Durchschnittsverdienst von gerade mal 21 852 DM, also von nur rund 40 Prozent dessen, was Arbeiter und An- gestellte verdienen. Entsprechend niedrig sind aber auch die Rentenansprüche der Künstlerinnen und Künstler. 40 Prozent des Durchschnittsverdienstes – das macht deutlich, dass hier ein ganz besonderer Ausgleichsbedarf besteht und dass der Bund eine ganz besondere sozialpolitische Verant- wortung für die Künstler hat. Nicht zuletzt durch die anste- hende Rentenreform besteht eine starke Verpflichtung des Bundes, die soziale Sicherung der Künstler finanziell zu unterstützen, um Altersarmut zu vermeiden. Die Absichten der rot-grünen Koalition zur Förderung der Künstlersozial- versicherung sind jedoch weder ein kulturpolitischer Fort- schritt noch eine sozialpolitische Tat. Wenn wir für die Künstler aufgrund ihres extrem nied- rigen Einkommens eine besondere sozialpolitische Schutzwürdigkeit feststellen, dann muss sich diese auch in der Höhe des Bundeszuschusses widerspiegeln. Wenn der Bund schon bei Arbeitern und Angestellten 20 Prozent der sozialen Sicherung durch Steuermittel finanziert, dann müsste es bei den Künstlern doch wohl eher mehr als weniger sein. Wir begrüßen ausdrücklich die Leistungsverbesserun- gen, die der Regierungsentwurf für die Versicherten vor- sieht. Sie sind ein Schritt in die richtige Richtung, weil sie dazu beitragen können, dass die soziale Absicherung be- stimmter Problemgruppen unter den Künstlern verbessert wird. Aber Leistungsausweitungen müssen auch finan- ziert werden. Und da haben Sie genau das Gegenteil von dem vor, was sozialpolitisch geboten wäre. Mit nicht nachvollziehbaren Einsparungen beim Bundeszuschuss riskieren Sie, dass die Künstlersozialversicherung vor die Wand gefahren wird. Durch Ihre Sparsamkeit am falschen Platze werden die Leistungsverbesserungen für die Versi- cherten wieder zunichte gemacht. Als Begründung für die Einsparungen zulasten der Künstlersozialversicherung führt die Bundesregierung an, dass der Selbstvermarktungsanteil mittlerweile we- niger als 50 Prozent betrage und der Bundeszuschuss da- her auch weniger als 50 Prozent des Arbeitgeberanteils decken solle. Verlässliche Zahlen darüber gibt es aller- dings nicht, wie Sie selbst zugegeben haben. Denn das Ifo-Gutachten von 1995 bezeichnen Sie selbst als über- holt, obwohl Sie die Absenkung des Bundeszuschusses auch mit ebendiesem Gutachten begründen. Die Ergeb- nisse einer Überprüfung des Selbstvermarktungsanteils werden nach Angaben der Bundesregierung erst im Laufe des Jahres 2001 vorliegen. Mit anderen Worten: Sie sto- chern derzeit im Nebel und begründen die Einsparungen mit Daten, die gar nicht existieren. Eine sachliche Begründung für die Absenkung des Bundeszuschusses haben Sie also nicht, es wird vielmehr gespart um des Sparens willen. Damit sind Sie im Begriff, die in zwei Jahrzehnten bewährte Künstlersozialversi- cherung zu ruinieren! Auch die Zusicherung der Kollegin Ulla Schmidt, dass der Bundeszuschuss in den nächsten fünf Jahren nicht unter die 20-Prozent-Marke sinken wird, ist keinesfalls ausreichend. Der Bundeszuschuss muss vielmehr ein angemessener Ausdruck der kultur- und sozialpolitischen Verantwortung sein, die der Bund für die Künstlerinnen und Künstler hat. Wir fordern Sie daher auf, den Bundeszuschuss künftig unabhängig vom Selbstvermarktungsanteil festzusetzen. Der Streit um die aktuelle Höhe des Selbstvermarktungs- anteils zeigt doch, dass er als Maßstab für die Festsetzung des Bundeszuschusses untauglich ist, weil er tagespoliti- schen Entscheidungen unterworfen ist und damit Unsi- cherheit bei Künstlern und Verwertern verursacht. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114090 (C) (D) (A) (B) Wir sprechen uns hingegen für ein Modell aus, das der Deutsche Kulturrat vor einigen Monaten vorgeschlagen hat. Sein Kern ist ein fester einheitlicher Abgabesatz von 3,3 Prozent für die Verwerter und ein Korridor für den Bundeszuschuss, der zwischen 17 und 25 Prozent liegt. Der Bundeszuschuss soll wie bisher die Einnahmen aus der Künstlersozialabgabe auf 50 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse auffüllen. Änderungen im Fi- nanzbedarf der Künstlersozialkasse würden nach diesem Modell grundsätzlich zunächst eine Anpassung des Bun- deszuschusses nach sich ziehen. Damit könnten die teil- weise extremen Schwankungen in der Höhe der Künstler- sozialabgabe, die in der Vergangenheit immer wieder zu Planungsunsicherheiten bei den Verwertern geführt ha- ben, vermieden werden. Erst wenn der flexible Bundeszuschuss die Grenzen des Korridors erreicht, wird auch der Abgabesatz der Ver- werter durch Anhebung oder Absenkung angepasst. Da- mit könnte eine gleichmäßige und ausgewogene Belas- tung der Verwerter einerseits und des Bundes andererseits erreicht werden, die sich objektiv am Fi- nanzbedarf der Künstlersozialversicherung orientiert und das streitanfällige Kriterium des Selbstvermarktungsan- teils entbehrlich macht. Zugleich würde der Bund durch dieses Korridormodell dazu angehalten werden, sich intensiver als bisher um die lückenlose Erfassung der abgabepflichtigen Verwerter zu kümmern und die Trittbrettfahrer in die Pflicht zu neh- men. Gelingt ihm dies, kann der Bundeszuschuss unmit- telbar verringert werden, weil das Aufkommen aus der Künstlersozialabgabe bei gleichbleibendem Abgabesatz ansteigt. Wir halten diesen Vorschlag für einen fairen Ausgleich der Interessen, ohne den die Reform der Künstlersozial- versicherung mit Sicherheit fehlschlagen wird. Denn wenn es nicht gelingt, die Finanzierung der Künstlersozi- alversicherung wieder auf eine solide Grundlage zu stel- len, wird das System insgesamt existenziell gefährdet. Deshalb muss noch in diesem Jahr eine befriedigende Lö- sung des Einnahmenproblems gefunden werden. Wir sind dazu bereit. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit 1983 können sich Künstler aller Berufsgattungen in der Künstlersozialversicherung gesetzlich versichern las- sen. Diese Kasse ist bis heute eine hervorragende Ein- richtung und in Europa einzigartig. Die Künstlersozialversicherung hat bei den Künstlern einen guten Ruf, denn sie bietet Ihnen eine gute Absiche- rung. Sie sind gesetzlich kranken- und rentenversichert und müssen die Sozialabgaben arbeitnehmergleich nur zu 50 Prozent zahlen. Weil sich diese Regelung bewährt hat, ist es uns nach den schwierigen Vorgaben durch das Haushaltssanie- rungsgesetz bei der notwendigen Reform um eine mög- lichst große Beibehaltung des Status quo gegangen. Denn gerade für uns Kulturpolitiker sind die Künstler in ihrer Arbeit und ihren Werken so wichtig, dass wir trotz aller Einsparnotwendigkeiten, die ein echter Sparhaushalt er- forderlich macht, bei Ihnen nichts kürzen wollten. Die Re- form der Künstlersozialversicherung ist aber notwendig geworden, weil der Selbstvermarktungsanteil der Künst- ler gesunken ist und damit der Bundeszuschuss nicht auf dem bisherigen Niveau zu halten war. Wir haben aber die Leistungen der KSK optimiert und sie verwaltungstechnisch an den Bund angegliedert. Ins- gesamt ist die Stellung der Versicherten sogar gestärkt worden. Wir mussten allerdings die Verwerter stärker in die Pflicht nehmen. Es waren nicht immer leichte Ver- handlungen mit den Haushalts- und Finanzpolitikern, aber es ist uns gelungen, den Beitragssatz auf 20 Prozent festzuschreiben und so eine noch stärkere Absenkung des Bundesanteils zu verhindern. Unser politisches Ziel ist die Beitragsstabilisierung mindestens bis zum Jahr 2005, da- mit die Künstlersozialversicherung und die in ihr Versi- cherten Planungssicherheit haben. Die Vereinheitlichung des Verwerteranteils auf 4 Prozent ist angesichts der pro- blematischen Situation des Verwerteranteils angemessen und entspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Deutlich sind die Verbesserungen für die Versicherten in folgenden Bereichen: Wir haben durchgesetzt, dass äl- tere Künstler und Publizisten jetzt einen erleichterten Zu- gang zur Krankenversicherung der Rentner erhalten, auch wenn sie schon vor Entstehung der Künstlersozialversi- cherung tätig waren. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes ist es Künstlern und Publizisten möglich, innerhalb von sechs Jahren zweimal die Geringfügigkeitsgrenze zu un- terschreiten, ohne dabei den Versicherungsschutz zu ver- lieren. Das ist eine echte Erleichterung und vor allem ein Zugeständnis an die langjährigen Mitglieder der KSK. Es wird damit flexibel auf die Situation der Künstler reagiert; die mit schwankenden Einkommensverhältnissen rech- nen müssen. Obendrein wird verhindert, dass es zu Mehr- fachprüfungen kommen muss. Es freut mich besonders, dass der Deutsche Kulturrat in seiner Stellungnahme um Kabinettsbeschluss am 14. November 2000 unsere Reform ausdrücklich begrüßt hat. Ihr Geschäftsführer Olaf Zimmermann schreibt: Den Deutschen Kulturrat freut, dass mit dem Kabi- nettsbeschluss zur Reform des Künstlersozialversi- cherungsgesetzes die bereits angekündigten Verbes- serungen für die Versicherten „in trockenen Tüchern“ sind. Einziger Kritikpunkt war die Erhöhung des Verwerteran- teils. Außerdem werden wir uns außerhalb des Gesetzes dafür einsetzen, dass auch wirklich alle Verwerter erfasst werden. Ich weiß, dass diese Aufgabe für die Künstlersozi- alkasse nicht einfach ist, aber ich habe Vertrauen, dass sie das leisten wird. Die Überführung der Künstlersozialkasse in die Bundesverwaltung halte ich angesichts der anstehen- den Aufgaben ebenso für angemessen. Ich denke, wir haben einen für alle Beteiligtenannehm- baren Reformweg gefunden. Die Künstlersozialkasse sollte auch angesichts knapper Kassen leistungsfähig bleiben und in einigen Bereichen verbessert werden. Das war unser pragmatisches Reformziel und das haben wir erreicht. Dr. Irmgard Schwaetzer (F.D.P.): Der vorliegende Entwurf der Bundesregierung für die Novellierung des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14091 (C) (D) (A) (B) Künstlersozialversicherungsgesetzes wird zu einer Ato- misierung der Künstlersozialversicherung führen. Denn die auffällige Erhöhung des Einnahmesatzes für 2001 im Vergleich zu den beiden Vorjahren lässt vermuten, dass die Regierung aufgrund der beabsichtigten Novellierung von einer enormen Zunahme der Beiträge der Verwerter ausgeht. Sollten die Verwerter dagegen Klage vor dem eu- ropäischen Gerichtshof erheben und sollte das Gericht ei- ner solchen Klage stattgeben, wird dies letztlich zulasten der Künstler gehen. Denn bei einem Durchschnittsein- kommen von circa 21 000,– DM werden die Künstler keine Erhöhung ihrer Eigenbeträge verkraften können. Zur Sicherung und Fortentwicklung kulturellen Le- bens ist die soziale Absicherung der Künstler und Publi- zisten unabdingbar. Aber auch die Kulturwirtschaft benötigt verlässliche Kalkulationsgrundlagen und muss vor nicht mehr akzeptablen Belastungen durch die Künst- lersozialabgaben geschützt werden. Gerade die vergange- nen zehn Jahre haben zu einem überproportionalen An- wachsen des Versichertenkreises geführt. Daher ist es bei einer Reform von entscheidender Bedeutung, dass beide, Versicherte und Verwerter, von Verbesserungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes gleichermaßen an- gemessen partizipieren. Obwohl beide betroffenen Grup- pen, die Künstler und die Verwerter, sich durch Vermitt- lung des Kulturrats auf gemeinsame Reformvorschläge geeinigt hatten, wurden diese von der Bundesregierung nicht aufgegriffen. Die F.D.P. wird sich dafür einsetzen, den Bestand der Künstlersozialkasse dauerhaft zu sichern. Wir legen hierzu Vorschläge für eine strukturelle Reform der Künst- lersozialversicherung vor: Erstens muss es nach Auffassung der F.D.P. darum gehen, den versicherten Personenkreis zu überprüfen und gegebe- nenfalls einzuschränken, damit die wirklich Anspruchsbe- rechtigten, nämlich alle freiberuflichen Künstler und Publi- zisten, dauerhaft sozial abgesichert werden können. Zweitens sind bisher nicht zum Kreis der abgabepflich- tigen Verwerter gehörende Unternehmen zu erfassen und die Abgabepflicht auf ausländische Verwerter, die mit in- ländischen Verwertern zusammenarbeiten, auszuweiten. Mithilfe der Verbände der Kultur- und Medienwirtschaft müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Kreis der Abgabepflichtigen lückenlos zu erfassen. Das bedeutet al- lerdings auch, dass diejenigen Organisationen, die wegen ihrer gemeinnützigen Struktur keinen wirtschaftlichen Un- ternehmenszweck verfolgen, wie zum Beispiel Laienorga- nisationen, keine Abgaben zu entrichten haben. Drittens ist schließlich die Höhe des „Bundeszuschus- ses“ flexibel zu gestalten. Mittels eines gesetzlichen Au- tomatismus muss der Bundeszuschuss bedarfsorientiert gewährt werden. Heinrich Fink (PDS): Eine dreiminütige Rede erlaubt keine großen Präliminarien. Eines möchte ich aber doch prinzipiell voranstellen: Die Künstlersozialversicherung ist eine soziale Errungenschaft, die nicht – auch nicht par- tiell – infrage gestellt oder abgebaut werden darf, sondern sie muss stabilisiert und ausgebaut werden. Dem ent- spricht unser Antrag. Er ist im Ergebnis einer umfassen- den Anhörung in unserer Fraktion zu diesem Thema entstanden, an der Künstlerinnen und Künstler und Publi- zistinnen und Publizisten aller Sparten besonders aus Ost- deutschland, Vertreter ihrer einschlägigen Berufsver- bände, der IG-Medien und des Deutschen Kulturrates sowie unabhängige Wissenschaftler und Wissenschaftle- rinnen teilgenommen haben. In der Anhörung wurde eines ganz deutlich: So wie die Kultur-Enquete der 70er-Jahre die Notwendigkeit einer Künstlersozialversicherung augenfällig gemacht hat, so ist eine aktuelle Untersuchung gleichen Ausmaßes die Vo- raussetzung für einen durchgreifenden und möglichst zielgenauen Ausbau des Gesetzes. Die Daten der Künst- lersozialkasse können – auch wenn sie in einen „Bericht der Bundesregierung über die soziale Lage der Künstle- rinnen und Künstler“ umgegossen werden – eine solche umfassende Kultur-Enquete nicht ersetzen. Das Gleiche gilt für die beabsichtigte Untersuchung zum Selbstver- marktungsanteil. Ich schlage vor, diese Studie fallen zu lassen und sie in die umfassende Enquete einzubeziehen, die die Bundesregierung nun unverzüglich in Auftrag ge- ben sollte. Diese fehlende Datenbasis mag der Bundesregierung ja durchaus gelegen kommen. Sie kann damit sogar die Begrenztheit ihrer „Reform“ rechtfertigen. Etwa nach dem Motto: Wenn keine nachhaltigen Veränderungen in der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler und Pu- blizistinnen und Publizisten bekannt sind, bedarf es auch keiner grundlegenden Reform der Künstlersozialversi- cherung. Allerdings konnten auch wir als eine Partei des Realismus an dieser fehlenden Datenbasis zur tatsächli- chen sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler und Publizistinnen und Publizisten nicht vorbeisehen. Wir ha- ben unseren Forderungskatalog deshalb unterteilt. In einem ersten Teil stellen wir Forderungen auf, die wir noch im Rahmen des eingeleiteten Gesetzgebungs- verfahrens für realisierbar halten. In einem zweiten Teil verweisen wir die Bundesregierung auf einige Hauptrich- tungen, in die die Künstlersozialversicherung zukünftig ausgebaut werden müsste, deren konkrete Ausgestaltung ohne die eingeforderte Enquete jedoch nicht seriös be- stimmt werden kann. Das betrifft vor allem den Versiche- rungsschutz für Zeiten ohne Einkommen, die Einführung einer Arbeitslosenversicherung und die Gewährleistung einer angemessenen Rente. Was den angelaufenen Novellierungsprozess betrifft, so fordern wir, ihn so zu gestalten, dass alle hauptberuf- lich künstlerisch und publizistisch Tätigen, die nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses sozial abgesi- chert sind, in den Versicherungsschutz nach dem Künst- lersozialversicherungsgesetz einbezogen werden. Damit unterscheidet sich unserer Antrag grundlegend von dem der F.D.P., dessen einzige Botschaft an die Versicherten lautet: Wir wollen alles so lassen wie es ist und obendrein den Kreis der Versicherten möglichst einengen. Bei der Verfolgung unseres Anliegens beziehen wir durchaus die Verbesserungen ein, die der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht. Zugleich verlangen wir je- doch, dass alle beabsichtigten Verschlechterungen zurück- genommen werden. Darüber hinaus fordern wir als Er- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114092 (C) (D) (A) (B) gebnis unserer Anhörung einen Komplex von gesetzlich fixierten Regelungen, mit denen Versicherungslücken, die in der Praxis der Versicherung sichtbar geworden sind, ge- schlossen und eine bessere Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet würden. Ich hoffe sehr, dass im Zuge der Debatten in den Aus- schüssen einiges davon noch aufgegriffen wird. Ulrike Mascher (SPD): Die Künstlersozialversiche- rung ist eine bedeutende sozial- und kulturpolitische Er- rungenschaft in Deutschland. Als sie unter Kanzler Helmut Schmidt auf den Weg gebracht wurde, war dies ein mutiger Schritt ins Neuland. Jetzt will die Bundesre- gierung den sozialen Schutz selbstständiger Künstler und Publizisten verbessern und die Künstlersozialversiche- rung den aktuellen Anforderungen anpassen. Selbstständige Künstler und Publizisten sind oft in ei- ner wirtschaftlichen Situation, die der von Arbeitnehmern vergleichbar ist. Sie sind auf die Mitwirkung von Verla- gen, Galerien oder Konzertagenturen angewiesen, damit ihre Werke oder Leistungen vermarktet werden können. Deshalb hat der Gesetzgeber sie in die gesetzliche Ren- ten-, Kranken- und später in die Pflegeversicherung ein- bezogen. Dabei müssen sie – wie Arbeitnehmer – nur den halben Beitrag entrichten. Die zweite Beitragshälfte wird von den Verwertern über eine Künstlersozialabgabe und über einen Bundeszuschuss aufgebracht. Mittlerweile sind rund 110 000 Künstler und Publizisten über die Künstlersozialkasse versichert und ihre Zahl nimmt wei- ter zu. Besonders erfreulich ist der hohe Anteil an Frauen mit etwa 43 Prozent. Bei den Berufsanfängern liegt der Frauenanteil sogar über 50 Prozent. Die Künstlersozialversicherung hat sich bewährt. Bei der Vorbereitung dieser Gesetzesänderung haben die Ver- bände der Künstler und Publizisten betont, wie unent- behrlich der Versicherungsschutz für die selbstständigen Künstler und Publizisten geworden ist. Auch die Verwer- tungsunternehmen haben weitgehend ihre Pflicht zur Zahlung der Künstlersozialabgabe akzeptiert. Mittler- weile müssen rund 35 000 Verwertungsunternehmen diese Abgabe zahlen. Damit hat sich ihre Zahl seit 1989 mehr als verdoppelt. Das zeigt, wie gut die Künstlersozi- alversicherung funktioniert. Für eine grundlegende Reform der Künstlersozialver- sicherung besteht kein Bedürfnis. Notwendig sind aber einzelne Verbesserungen des Versicherungsschutzes, Ein- grenzungen der Versicherungspflicht, Vereinfachungen der Verwaltung sowie eine Organisationsänderung bei der Künstlersozialkasse. Besonders wichtig ist für selbstständige Künstler und Publizisten, dass sie gegen das Krankheitsrisiko im Rah- men der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert sind. Vielen älteren Künstlern und Publizisten ist aber nach geltendem Recht die Krankenversicherung der Rent- ner verschlossen. Sie können die Voraussetzung einer fast lückenlosen Pflichtversicherung in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens nicht erfüllen. Ich bin deshalb froh, dass mit der vorliegenden Novelle für ältere Künstler und Pu- blizisten der Zugang zur Krankenversicherung der Rent- ner erleichtert wird. Für diesen Krankenversicherungsschutz ist erforder- lich, dass die selbstständige künstlerische oder publizisti- sche Tätigkeit vor 1983 aufgenommen wurde und für neun Zehntel der Zeit zwischen 1985 und dem Rentenan- trag eine Pflichtversicherung nach dem Künstlersozial- versicherungsgesetz bestanden hat. Für die neuen Bun- desländer wird dabei auf das Jahr 1992 abgestellt, dem frühesten Zeitpunkt, in dem Beiträge an die Künstlersozi- alkasse entrichtet werden konnten. Damit wird eine noch bestehende Lücke in der sozialen Absicherung der Künst- ler und Publizisten geschlossen und einem wichtigen An- liegen der Künstlerverbände Rechnung getragen. Ferner werden die Voraussetzungen für den Versiche- rungsschutz flexibler gestaltet. Künftig kann die Gering- fügigkeitsgrenze innerhalb von sechs Jahren bis zu zwei- mal im Jahr unterschritten werden, ohne dass der Versicherungsschutz entfällt. Das ist im Hinblick auf die häufigen Einkommensschwankungen eine deutliche Ver- besserung. Zuweilen wird der Vorwurf eines Missbrauchs der Künstlersozialversicherung laut. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Künstlersozialversicherung in nennenswertem Ausmaß von Personen in Anspruch genommen wird, die zu Unrecht in die Künstlersozialver- sicherung aufgenommen wurden. Gleichwohl soll dem Missbrauch durch verschiedene Maßnahmen entgegenge- wirkt werden: Zum einen wird die „Schonfrist“ für Berufsanfänger, in der sie auch bei Unterschreiten der Geringfügigkeits- grenze pflichtversichert sind, von 5 auf 3 Jahre verkürzt. Dadurch wird es der Künstlersozialkasse ermöglicht, früher als bisher die versicherungsrechtlichen Vorausset- zungen zu überprüfen. Zugleich wird diese Frist um Zeiträume verlängert, in denen eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht be- standen hat. Dies kommt insbesondere Müttern im Mut- terschafts- und Erziehungsurlaub zugute. Auch Studenten, deren Haupttätigkeit das Studium ist, können nicht mehr in die günstigere Krankenversiche- rung der Künstlersozialversicherung ausweichen. Schließlich entfällt für über 65-Jährige die Möglich- keit, sich über die erstmalige Aufnahme einer künstle- rischen oder publizistischen Tätigkeit den günstigen Krankenversicherungsschutz nach dem Künstlersozial- versicherungsgesetz zu verschaffen. Eine solche Belas- tung der Solidargemeinschaft ist nicht gerechtfertigt. Im Bereich der abgabepflichtigen Verwerter sind nur wenige Änderungen vorgesehen. Die Abgabepflicht wird für einige Zweifelsfälle klargestellt. Verschiedene Ver- waltungsvereinfachungen sollen die Erhebung der Künst- lersozialabgabe erleichtern. So wird die Bildung von Ausgleichsvereinigungen attraktiver gemacht, um die Abgabepflicht vieler Unternehmen kostengünstig zu ver- walten. Das Anliegen der Verbände, den Bundeszuschuss zur Künstlersozialversicherung wieder zu erhöhen, konnte allerdings nicht erfüllt werden. Der Gesetzgeber hat Ende 1999 mit dem Haushaltssanierungsgesetz den Bundeszuschuss von 25 auf 20 Prozent der Ausgaben der Künstlersozialkasse abgesenkt. Dies war keine reine Sparmaßnahme, sondern entsprechend der gesetzlichen Zweckbestimmung eine Folgerung aus dem verminderten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14093 (C) (D) (A) (B) Selbstvermarktungsanteil. Die Bund beteiligt sich weiter- hin mit einem festen Prozentsatz an der Finanzierung der Künstlersozialversicherung. Dass die abgabepflichtigen Verwerter nicht unzumutbar belastet werden, zeigt die Höhe des Abgabesatzes, der von 4 Prozent im Jahre 2000 auf 3,9 Prozent im Jahr 2001 gesenkt werden konnte. Da- mit sind die Finanzierungsgrundlagen der Künstlersozial- versicherung weiterhin gesichert. Schließlich soll die Künstlersozialkasse wieder in die Bundesverwaltung eingegliedert werden. Damit verdeut- licht der Bund seine politische Verantwortung für die Sozialversicherung der Künstler und Publizisten. Vorge- sehen ist eine Angliederung an die Bundesausführungs- behörde für Unfallversicherung in Wilhelmshaven. Der Standort und die Arbeitsplätze in der Region bleiben er- halten. Das Land Niedersachsen hat zugestimmt. Nach- teile für die Mitarbeiter der Künstlersozialkasse entstehen nicht. Mit dieser Novelle wird der soziale Schutz der Künst- ler und Publizisten ausgebaut und das Recht der Künst- lersozialversicherung den modernen Anforderungen an- gepasst. Wir sorgen dafür, dass die Lasten und Pflichten aller an der Künstlersozialversicherung Beteiligten austa- riert bleiben. Ich hoffe, dass der wichtige Grundkonsens zwischen den Versicherten, den Verwertungsunternehmen und dem Bund erhalten bleibt – im Interesse der sozialen Sicherung von Künstlern und Publizisten. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur beruflichen Gleichstellung von Prostituierten und anderer sexuell Dienstleistender (Tagesord- nungspunkt 13) Anni Brandt-Elsweier (SPD): Seit mehr als 2000 Jah- ren wird Prostitution nicht nur gesellschaftlich, sondern auch juristisch diskriminiert. Zuerst von den Römern und besonders hart in den Ehegesetzen des Kaisers Augustus. Liberaler war das Mittelalter. Ein Viertel der Teilnehmer an den Kreuzzügen waren Frauen, die dafür bezahlt wur- den, dass sie die christlichen Helden durch das Unterstüt- zen, was heute wieder als Verstoß angesehen wird – und zwar als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller „billig und gerecht Denkenden“. Seit Martin Luther steigerte sich der juristische Druck, erreichte römisches Niveau im 19. Jahrhundert und wurde totalitär unter Adolf Hitler, der die Prostituierten in Konzentrationslager verbrachte, zum Teil als einfache Gefangene, zum Teil zur sexuellen Un- terstützung seiner SS-Schergen. Die Bundesrepublik begann wieder mit der normalen Diskriminierung des 19. Jahrhunderts, die in der Straf- rechtsreform der 70er-Jahre leicht zurückgenommen wurde. Seitdem ist Prostitution in der Bundesrepublik zwar gesetzlich nicht mehr verboten, aber es gibt wohl keinen anderen Bereich, in dem das Geschäft mit der Dop- pelmoral derart blüht. Nach seriösen Schätzungen gibt es in Deutschland etwa 400 000 Personen, die der Prostitution nachgehen; überwiegend sind dies Frauen. Ihre Dienste werden täg- lich von über einer Million Männern in Anspruch genom- men. Prostitution ist ein äußerst lukrativer Wirtschafts- zweig, in dem geschätzte jährliche Umsätze von bis zu zwölf Milliarden Mark erzielt werden. Dies ist natürlich auch dem Staat bekannt. Das bedeutet, Prostituierte sind einkommens- und umsatzsteuerpflichtig. Aber der Staat nimmt nur. Den Prostituierten ist der un- mittelbare Zugang zu den gesetzlichen Sozialversiche- rungen verwehrt; denn Prostitution ist zwar nicht mehr verboten, aber nach wie vor sittenwidrig. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass Prostituierte aufgrund der Sitten- widrigkeit ihres Handelns keinen rechtlich durchsetzba- ren Anspruch auf Bezahlung ihrer Tätigkeit haben und es bedeutet, dass sie keinen Anspruch auf Pflichtversiche- rung in der Krankenversicherung, Arbeitslosenversiche- rung sowie in der Rentenversicherung haben. Dies ist nicht mehr länger hinnehmbar und zu Beginn des neuen Jahrtausends auch nicht mehr zeitgemäß. Mit zeitgemäß meine ich nicht irgendeine kurzlebige Mode- erscheinung, einen Trend, der heute „in“ und morgen wie- der „out“ ist, sondern ich meine den festzustellenden Wandel im Moral- und Rechtsempfinden unserer Gesell- schaft, dem endlich Rechnung getragen werden muss. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem ers- ten so genannten „Peep-Show-Urteil“ vom 15. Dezember 1981 festgestellt, dass der Begriff der guten Sitten „auf die dem gesellschaftlichen Wandel unterworfenen sozialethi- schen Wertvorstellungen verweise, die in der Rechtsge- meinschaft als maßgebliche Ordnungsvoraussetzungen anerkannt sind“. Gerade im Bereich der Sexualität hat in den letzten Jahrzehnten eine besonders schnelle Veränderung der Wertvorstellung stattgefunden. Wer kann sich heute noch vorstellen, dass eine Mutter sich der „Kuppelei“ schuldig macht, wenn sie ihre Tochter und deren Verlobten bei sich übernachten lässt, dass Ehebruch strafbar war und Beamte wegen dieses Deliktes entlassen werden konnten. Eines der bekanntesten neueren Gerichtsurteile in die- sem Zusammenhang ist das des Verwaltungsgerichtes Berlin im Prozess um die Schließung des stadtbekannten Edelbordells „Café Pssst!“ der Berliner Prostituierten Felicitas Weigmann. Das Bezirksamt Wilmersdorf wollte Frau Weigmann die Gaststättenerlaubnis entziehen, weil sie im Hinterhaus Zimmer an Prostituierte vermietete und somit der „Unsittlichkeit“ Vorschub leistete. Das Verwal- tungsgericht hob mit Urteil vom 1. Dezember 2000 den Widerruf der Gaststättenerlaubnis auf, da „Prostitution, die ohne kriminelle Begleiterscheinungen und insbeson- dere freiwillig unter Bedingungen ausgeübt werde, mit denen Frauen einverstanden seien, heute grundsätzlich nicht mehr als sittenwidrig einzustufen sei“. Das Gericht hatte vor der Urteilsfindung gesellschaftlich relevante Or- ganisationen zur sozialethischen Bewertung von Prosti- tution befragt. In den Antworten zeigte sich ein deutlicher Trend dahingehend, den Bereich der freiwilligen Prosti- tution nicht mehr als sittenwidrig anzusehen. Es wird also Zeit, dass von staatlicher Seite etwas un- ternommen wird, um zumindest die rechtliche Situation Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114094 (C) (D) (A) (B) der Prostituierten zu verbessern. Dass wir dies tun wer- den, haben wir bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir werden dazu – so hoffe ich – in Kürze einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Sie sehen also, Kolleginnen und Kollegen von der PDS, dem Grundanliegen des von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurfes will ich gar nicht wider- sprechen. Ich halte jedoch die Art und Weise, wie Sie zu der gewünschten Verbesserung kommen wollen, für voll- kommen ungeeignet. Denn ein solches Gesetz muss natürlich gut durchdacht und in jeder Hinsicht auch recht- lich haltbar sein. Der vorliegende Gesetzentwurf wird dem aber nicht gerecht. Die von Ihnen vorgeschlagene Verankerung sexueller Dienstleistungen im Dienstvertragsrecht ist abzulehnen. Auf diese Weise erlangt ein solcher Vertrag den Rechts- charakter eines normalen Arbeitsverhältnisses, was je- doch aufgrund der Besonderheiten des Berufsbildes in vielerlei Hinsicht – ich verweise hier nur auf etwaige Ge- währleistungspflichten – nicht tragbar ist. Sie haben dies erkannt und versuchen, diese Besonderheiten durch zahl- reiche Ausnahmeregelungen zu verdeutlichen. Aber ab- gesehen von der Kompliziertheit dieser Regelungen ist es auch höchst fraglich, ob mit diesen Vorschriften tatsäch- lich alle Eventualitäten Berücksichtigung finden. Zudem ist ein absolutes Leistungsverweigerungsrecht ohne Sank- tionsmöglichkeiten kaum mit der Annahme eines Arbeits- verhältnisses zu vereinbaren, das Grundlage der sozialen Absicherung sein soll. Auch dürfen Sie die Abwägung zwischen den einer- seits berechtigten Forderungen der Prostituierten nach rechtlicher Besserstellung und den andererseits nach wie vor notwendigen Schutz- und Sanktionsmechanismen des Staates nicht vergessen. Machen wir uns nichts vor: Es ist ja bei weitem nicht so, dass es nur den Bereich der lega- len, freiwilligen Prostitution gibt. Soweit es um Zwangs- ausübung und Ausbeutung zum Nachteil der Frauen geht, muss der Staat weiterhin die Möglichkeit haben, konse- quent dagegen vorzugehen – Ihre vorgeschlagenen Ände- rungen im Strafgesetzbuch gehen hier viel zu weit. Auch eine vollständige Abschaffung des Werbeverbo- tes im Ordnungswidrigkeitsgesetz, um hier nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen, ist nicht zu befürworten, da weiterhin das Interesse am Schutz der Jugend Vorrang hat. Da die rechtliche Ausgestaltung einer Besserstellung der Prostituierten, wie sie die PDS-Fraktion vorschlägt, für uns nicht akzeptabel ist, lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Margot von Renesse (SPD): Das lateinische Wort für „Hure“ ist nicht weiblichen noch männlichen Ge- schlechts, sondern – zur Freude aller Lateinschüler – ein Neutrum. In der Sprache wie im Recht sind Prostituierte dementsprechend weniger Personen als Dinge oder Sachen ohne eigene Rechte, mit denen nach Belieben ver- fahren werden kann. Mit ihrer Rechtlosigkeit korres- pondiert ein Freier-, Zuhälter- und Bordellbetreiber- schutzrecht, das sich ihre Rechtlosigkeit zunutze machen kann. SPD und Grüne sind sich darin einig, dass wir die Per- sonenwürde dieser Menschen dringend wieder herstellen müssen und sie darum mit Rechten ausstatten sollten, durch die sie sowohl im Zivil- als auch im Sozialrecht endlich als Menschen wahrnimmt. Wie man das macht, ist nun weitestgehend eine tech- nische Frage. Zwei Lösungen bieten sich an: einmal die Gleichstellung des Vertrages über sexuelle Dienstleistun- gen mit anderen Verträgen über marktfähige Güter und Dienstleistungen, zum anderen die Öffnung der wichtigen Sozialversicherungen für Alter, Krankheit und Pflegebe- dürftigkeit sowie die Zuerkennung eines einklagbaren Anspruchs für geleistete Dienste bei Verzicht auf die Er- möglichung eines gegenseitig verpflichtenden Vertrages oder Arbeitsvertrages. Nun sind sich alle, sogar die PDS, darüber im Klaren, dass die sexuelle Dienstleistung anders ist als der Dienst eines Bäckerlehrlings oder einer Friseurin. Irgendwie muss vermieden werden, dass durch vertragliche Verpflichtung ein Druck entsteht, der diejenigen, die nicht, noch nicht oder nicht mehr der Prostitution nachge- hen wollen, dazu verpflichtet. Da dies bei gegenseitigen Verträgen aber immer der Fall ist, bei Arbeitsverträgen sogar noch das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinzutritt, muss der erste Lösungsweg, derjenige der zivil- rechtlichen Gleichstellung, mit lauter Ausnahmen und Besonderheiten gegenüber dem geltenden Recht gespickt werden. Dies unterstreicht den nicht zu leugnenden Sonder- charakter des Prostitutionsvertrages in extrem augenfäl- liger Weise, muss aber sein, denn niemand kann wollen, dass eine Frau, die Arbeitslosengeld empfängt, eine Sperrfrist bekommt, wenn sie sich weigert, bei einem Bordell als Prostituierte zu arbeiten; der Familienrichter im Prozess über nachehelichen Unterhalt, eine Frau, die keine Arbeit findet, fragen kann, ob sie es schon einmal auf dem Strich versucht hat; sich eine unterhaltsberech- tigte geschiedene Frau, die mit einem Freund zusammen- lebt, sich auf ihren Unterhaltsanspruch nicht nur den Gegenwert für häusliche Dienstleistungen, sondern auch für sexuelle Hingabe anrechnen lassen muss; dass im Zivilprozess ein Freier wegen Schlechtleistung, Verzug oder Nichterfüllung seine Gegenleistung mindern oder Schadensersatz verlangen kann; eine Prostituierte, die aus ihrem Beruf in einem Bordell aussteigen will, eine Kündi- gungsfrist einzuhalten hat. Die vielfältigen Ausnahmen, die mir auf den ersten Blick als notwendig einfallen, dürften kaum ausreichen, um unerwünschte wie skurrile Folgen zu vermeiden. Die Gefahr der Lückenhaftigkeit der Ausnahmeregelungen liegt auf der Hand. Darum erscheint es mir sinnvoller, den zweiten Weg zu gehen. Diese Lösung geht von der nach wie vor zutref- fenden Vorstellung aus, dass Prostitution etwas prinzipiell anderes ist als beliebige bezahlte Dienstleistungen an- derer Art. Trotz gewandelter Auffassungen über Werte und Sitten scheint dieser Ausgangspunkt immer noch re- alistisch zu sein. Es gibt eben einiges, was einigen zwar inzwischen käuflich zu sein scheint, was wir aber nicht gerade als einen Beitrag zur Dienstleistungsgesellschaft empfinden: So ist die Leih- oder Mietmutterschaft bei uns sogar noch strafwürdig. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14095 (C) (D) (A) (B) Soweit mit dem Antrag der PDS mit der Beseitigung des Odiums der „Sittenwidrigkeit“ der Prostitution insge- heim die Absicht verbunden ist, eine spießige Gesellschaft so richtig zu ärgern und zu entlarven, so ist das ein Ziel, für die ich mich als alte Frau in einer alten Partei nicht mehr engagiere. Der Reiz des Leute-Ärgerns ist nicht mehr meine Sache, so wie ich auch nicht mehr „Klingelmännchen“ spiele. Wir Sozialdemokraten sind ernsthaft daran interessiert, die Lage von Prostituierten zu verbessern, soweit wir das können. Wir sind uns aller- dings der Tatsache bewusst, dass die von uns angestrebte rechtliche Verbesserung nichts oder gar nichts für die Frauen und Männer bringt, die man wie eine Schmuggel- ware importiert, kauft, verkauft, drangsaliert, erpresst und schindet. Die eigentliche Not des Milieus erreicht weder unser Weg noch ein anderer Weg zivilrechtlicher Rechts- änderung. Hier kann neben der Anwendung von Strafrecht nur helfen, dass diejenigen, die diese armen Menschen ge- und verbrauchen, von gesellschaftlicher Ächtung getroffen werden. Ilse Falk (CDU/CSU): In der letzte Legislaturperiode haben wir uns bereits intensiv mit dem Thema „mehr Rechte für Prostituierte“ befasst. Bereits damals herrschte breite Übereinstimmung darüber, dass es Zeit ist, endlich die Doppelmoral zu beenden. Es ist unehrlich zu akzep- tieren, dass täglich Hunderttausende Männer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen, der Staat von die- sen Frauen auch Steuern verlangt, ihnen aber gleichzeitig – mit dem Hinweis auf die Sittenwidrigkeit – annehmbare rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verweigert. Seit der Debatte im Jahr 1997 sind wir der Lösung die- ses Problems nicht näher gekommen. Die Abwägung, welche Regelungen notwendig und wünschenswert sind, ist schwierig. Neuregelungen dürfen die Würde der be- troffenen Frauen, insbesondere hinsichtlich ihrer sexuel- len Selbstbestimmung, nicht verletzen, müssen von der Gesellschaft mitgetragen werden können und sollen gleichzeitig den Frauen mehr Rechte geben. Die Antwort auf diese Erfordernisse gleicht in mancher Hinsicht einem Spagat und wohl auch aus diesen Gründen hat die rot- grüne Bundesregierung bisher den von ihr angekündigten Gesetzentwurf noch nicht vorgelegt. Ist der Gesetzgeber aus den genannten Gründen also bisher noch nicht tätig geworden, so hat sich in der Ge- sellschaft ein Wandel in der Einstellung zur Prostitution vollzogen. Frauen, die sich offen dazu bekennen, als Pros- tituierte zu arbeiten, werden heute gesellschaftlich nicht mehr geächtet. Viele Prostituierte treten selbstbewusst auf und fordern ihre Rechte ein. Dabei werden sie von einem Großteil der Gesellschaft unterstützt. Frauen wie Felicitas Weigmann, die in ihrem „Café Pssst“ versucht, ange- nehme Arbeitsbedingungen für Prostituierte zu schaffen, gelten als Vorbild, ihr Tun nicht mehr als verwerflich. Als Gesetzgeber müssen wir nun die Frage beantwor- ten, ob und gegebenenfalls wie dieser Wandel in der Be- wertung von Prostitution durch die Gesellschaft auch ge- setzgeberisch begleitet werden muss. Dazu müssen wir zunächst einmal klären, wo Regelungsbedarf besteht. Da- bei will ich mich an dieser Stelle nicht mit den morali- schen Aspekten der Prostitution befassen oder die Tätig- keit der Prostituierten einer Wertung zu unterziehen, son- dern mich mit den Bereichen befassen, in denen gesetzliche Regelungen nachgefragt werden. Einige Punkte wären: Die Straffreiheit bei Förderung der Prosti- tution durch angemessene Arbeitsbedingungen, das Ver- tragsrecht, der Bereich der Sozialversicherung. Durch seine Aufsehen erregende Entscheidung, die Förderung der Prostitution durch angemessene Arbeitsbe- dingungen nicht mehr als sittenwidrig einzustufen, hat das Berliner Verwaltungsgericht seine Rechtsprechung an die geänderte gesellschaftliche Realität angepasst. Im Dezem- ber 2000 stellte das Gericht in seinem Urteil zum „Café Pssst!“ fest, dass Prostitution zumindest als Teil unseres Zusammenlebens akzeptiert werde und daher nicht mehr gegen die guten Sitten verstoße. Der Klage gegen Ab- erkennung der Lizenz für das Café, das selbstständig ar- beitenden Prostituierten zu einem bezahlbaren Preis ange- messene Räume zur Verfügung stellt, wurde stattgegeben. Wenn die Rechtsprechung also künftig Prostitution nicht mehr als sittenwidrig einstuft, so sind auch die zwi- schen Prostituierten und ihren Freiern geschlossenen mündlichen Verträge nicht länger sittenwidrig, sondern rechtsgültig und Ansprüche gegenüber dem Freier ein- klagbar. Sittenwidrigkeit kann dann in Zukunft auch nicht länger als Totschlagargument in der rechtlichen Beurtei- lung von Prostitution verwendet werden. Vielmehr ist die Justiz einmal mehr aufgefordert, sehr genau hinzusehen, wo denn tatsächlich wider die guten Sitten verstoßen und damit ein Straftatbestand erfüllt wird. Zum Vertragsrecht: Die Einordnung von Prostitution unter das Dienstvertragsrecht und damit die Möglichkeit, Arbeitsverträge zwischen Prostituierten und ihren „Ar- beitgebern“ zu schließen, erschien mit zunächst wün- schenswert unter dem Aspekt, damit humanere Arbeitsbe- dingungen und eine bessere sozialrechtliche Absicherung für Prostituierte schaffen zu können. Intensivere Überle- gungen zu einer solcher Vertragsgestaltung mit all ihren Konsequenzen lassen mich allerdings diese Möglichkeit inzwischen wieder kritische sehen. Wer ist Arbeitgeber? Wer definiert die sexueller Dienstleistung? Welche Mög- lichkeit hat die Frau, eine Leistung zu versagen, wenn sie gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die Menschen- würde verstößt? Mehr Fragen, als brauchbare Antworten! Mit der Möglichkeit von Arbeitsverträgen zwischen Prostituierten und ihren Arbeitgebern würden wir auch zugleich die Zuhälterei legalisieren, was keiner wollen kann; denn § 180 a StGB hat eben auch einen Schutz- zweck. Eine Abschaffung dieses Paragraphen würde die Prostituierten nach unserer Auffassung in eine nicht ge- wollte Abhängigkeit zu den Bordellbesitzern bringen. Bleibt also weiterhin die selbstständig arbeitende Pro- stituierte im Mittelpunkt der Überlegungen. Wie kann sie sich gegen Risiken absichern? Krankenversicherung: Mit dem Argument der Sitten- widrigkeit haben in der Vergangenheit fast alle Kranken- kassen die Aufnahme von Prostituierten verweigert. Auch auf diesem Sektor hat sich etwas verändert. Eine große Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114096 (C) (D) (A) (B) deutsche Krankenkasse ist seit November 2000 bereit, Frauen zu versichern, die als Beruf Prostituierte angeben und das ohne Extravereinbarungen oder höhere Beiträge. Rentenversicherung: Für selbstständig arbeitende Pros- tituierte besteht die Möglichkeit, sich privat zu versi- chern. Das Argument, die Versicherungsbeiträge seien zu hoch, weil die Versicherten die Arbeitgeber- und Arbeit- nehmer allein tragen müssen, zieht hier nicht, da es auf alle selbstständig Tätigen zutrifft. Arbeitslosenversicherung: Das Argument, dass aus- stiegswillige Prostituierte ihr Vorhaben oft nicht aus- führen, weil sie keine Möglichkeit haben, an Umschu- lungs- und Arbeitsförderungsmaßnahmen teilzuhaben, ist so nicht schlüssig. Auch heute schon stellen Arbeitsämter Mittel für Ausstiegs- und Umschulungsprogramme für Prostituierte zur Verfügung, auch wenn diese keine Leis- tungen in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Fazit: Die Anerkennung von Prostitution als Beruf kommt für unsere Fraktion nicht in Frage. Intimbereiche, die mit dem Kern der Persönlichkeit eng verbunden sind, zur marktgängigen Ware zu machen, verstößt nach unse- rer Auffassung gegen die Würde des Menschen. Wir wer- den uns daher jedem Versuch widersetzen, die Prostitu- tion als Beruf gesellschaftsfähig zu machen. Eine Anerkennung dieser Tätigkeit käme unserer Meinung nach einer Zementierung der mangelnden Gleichberech- tigung von Frauen gleich. Vor dem Hintergrund, dass nur etwa 25 Prozent der Frauen als Prostituierte arbeiten, weil sie das wirklich wollen, und der Großteil der anderen Frauen in diese Tätigkeit irgendwie hineingeraten ist – nach einer Tren- nung/Scheidung, durch Alkohol- oder Drogenabhängig- keit, durch finanzielle Schwierigkeiten –, sollten wir unsere Hauptaufgabe darin sehen, zwar die Arbeitsbedin- gungen so gut es geht zu verbessern, aber eben auch Aus- stiegswillige über schon bestehende Hilfsprogramme zu informieren und bei Bedarf neue zu schaffen. Darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass wir uns im Zusammenhang mit gesetzgeberischen Überle- gungen in erster Linie mit der Gruppe der Prostituierten befassen, die organisiert, selbstbewusst und in der Lage sind, ihre persönliche Situation zu gestalten. Die große Zahl derer, die als Prostituierte ausgebeutet, unterdrückt und zum Teil unter unvorstellbaren Zwängen illegal hier arbeiten müssen, muss aber ebenso in den Blickpunkt gerückt werden. Alleine ihretwegen müssen wir sehr ge- nau prüfen, welche Regelungen Schutzwirkungen haben und erhalten bleiben müssen und wo Veränderungen tatsächlich sinnvoll sind. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit mehr als zehn Jahren setzen sich die Grü- nen für die Abschaffung der sozialen und rechtlichen Dis- kriminierung von Prostituierten ein. 1990 legten wir den ersten Gesetzentwurf vor, 1996 brachten wir das Thema zum zweiten Mal ins Parlament. In der damaligen Debatte haben alle Fraktionen erklärt, dass hier dringend Gesetzes- änderungen notwendig sind, um die eklatante Benachtei- ligung der Prostituierten zu beenden. Leider kam es we- gen der zeitlichen Nähe zur Bundestagswahl damals nicht mehr zu einer interfraktionellen Einigung. Nun wird es al- lerdings höchste Zeit. Im Koalitionsvertrag sind wir ja eine entsprechende Verpflichtung eingegangen. Eine rot-grüne Arbeits- gruppe, die sich im Ziel einig ist, aber noch Details regeln muss, steht kurz vor dem Abschluss der Diskussion. Da- rum finde ich es auch bedauerlich, dass die PDS ihren Entwurf bereits heute aufgesetzt hat. In vier Wochen hät- ten wir über die Gesetzentwürfe gemeinsam diskutieren können; denn einige Vorschläge der PDS gehen in die richtige Richtung. Ich finde, es ist eines liberalen Rechtsstaats nicht wür- dig, dass er einer Personengruppe zwar Pflichten aufer- legt, ihnen aber alle sozialen Rechte vorenthält. Da nach ständiger Rechtssprechung Prostitution gegen die guten Sitten verstößt, haben Prostituierte keine Möglichkeit, nach geleisteter Arbeit ihren Lohn einzuklagen. Ihnen steht die gesetzliche Krankenversicherung ebenso wenig zu wie die gesetzliche Rentenversicherung. Prostituierte werden von den Behörden in bestimmte Straßen einer Stadt verbannt. Gehen sie außerhalb dieser Gebiete ihrem Gewerbe nach, machen sie sich strafbar. Personen, die Prostituierten gute und sichere Arbeitsbedingungen an- bieten, können wegen „Förderung der Prostitution“ bis zu drei Jahren Haftstrafe verurteilt werden. Schon ein geho- beneres Ambiente, wie zum Beispiel ein Bad mit golde- nen Wasserhähnen oder das Auslegen von Kondomen, er- füllt den Straftatbestand der Förderung der Prostitution. Ein Arbeitgeber jedoch, der ein finsteres Loch zu einer Wuchermiete anbietet, tut dies unter dem Schutz des Ge- setzes. Und der Staat ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, Steuern „aus gewerbsmäßiger Unzucht“ zu erheben; trotz der Sittenwidrigkeit. Diese Doppelmoral muss nun endlich beendet werden. Dazu fordert uns im Übrigen auch der Ausschuss gegen Dis- kriminierung jeglicher Art der Vereinten Nationen auf. In ei- ner Gesetzesänderung muss es primär darum gehen, die Sit- tenwidrigkeit der freiwilligen Prostitution zu beseitigen. Der Reichsgerichtshof hatte im Jahre 1901 das An- standsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zum Maßstab für die guten Sitten gesetzt. Die Gerichte sind diesem Urteil 100 Jahre lang gefolgt. Dabei sagen heute über 70 Prozent der Bevölkerung, dass sie das anders sehen. Diesem gesellschaftlichen Wandel muss auch die Politik folgen. Bei diesem Vorhaben werden wir von einem kürzlich erfolgten Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Berlin unterstützt, das zum ersten Mal Prostitution als per se nicht sittenwidrig ansah. Dieses Urteil wurde auf eine Umfrage bei 50 gesellschaftlich wichtigen Gruppen ge- stützt. Von der Bischöfin bis zur Industrie- und Handels- kammer waren sich alle einig: Prostituierte dürfen nicht länger diskriminiert werden. Dies war jedoch nur ein Ur- teil. Ein anderes Gericht könnte auch eine andere Ent- scheidung treffen. Deshalb muss eine Klarstellung im Ge- setz eindeutig dafür sorgen, dass Vereinbarungen über sexuelle Dienstleistungen gegen ein Entgelt rechtmäßig sind. Damit wäre eine wichtige Voraussetzung für einen sozialen und arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14097 (C) (D) (A) (B) Nach unserer Auffassung müssten Prostituierte aber auch Arbeitsverträge schließen können. Dies hätte nicht nur eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zur Folge, sondern würde auch einen eventuellen Ausstieg er- leichtern, weil Umschulungsmaßnahmen des Arbeitsam- tes in Anspruch genommen werden könnten. Auch die Aufnahme der Prostituierten in eine gesetzliche Kranken- versicherung hat hohe Priorität. Denn bis heute ist ihr Ge- sundheitsschutz nicht gesichert. Krankenkassen weigern sich, Prostituierte aufzunehmen. Verschweigen sie ihre Tätigkeit oder weichen sie auf eine Notlüge aus, machen sie sich strafbar und müssen Leistungen zurückzahlen. Auch das werden wir ändern. Die rot-grüne Regierungskoalition wird dafür sorgen, dass Prostituierte nicht länger Bürgerinnen zweiter Klasse sind. Lassen Sie uns im Ausschuss intensiv darüber dis- kutieren, welche Regelungen dazu notwendig sind. Ina Lenke (F.D.P.): Prostituierte werden in Deutsch- land diskriminiert. Das ist eine Tatsache ebenso wie die Doppelmoral, mit der die Gesellschaft und der Staat mit Prostituierten umgeht. Allerdings hat sich gerade in der letzten Zeit in der Bevölkerung und auch bei Gerichten und unter Politikern die Einsicht durchgesetzt, dass hier Handlungsbedarf besteht und besonders das Verdikt der Sittenwidrigkeit abgeschafft werden muss. Insoweit ist die Zielrichtung des Gesetzentwurfs der PDS positiv zu bewerten. Die Diskriminierung von Prostituierten und die Sittenwidrigkeit müssen abgeschafft werden, der Staat darf nicht einerseits bei den Einkünften der Prostituierten abkassieren und ihnen auf der anderen Seite den staat- lichen Schutz versagen, wenn es um die Geltendmachung ihres Lohns geht. Doch wie weit soll und will man gehen? Ich denke, es ist eine Sache, zu akzeptieren, dass es Prostitution gibt und heute etwa 1 Million Männer am Tag dieses Gewerbe in Anspruch nehmen. Es ist jedoch etwas anderes, dieses gesellschaftlich und moralisch zuwerten. Mit Letzterem bin ich nicht einverstanden. Man muss sich auch genau überlegen, welche Folgen es hat, wenn man – wie die PDS hier – quasi ein Dirnendienstvertragsrecht im BGB ein- führt. Dies führt zu praktischen Schwierigkeiten: Wie werden die Gerichtsverfahren aussehen, in denen eine Schlechtleistung der Prostituierten überprüft werden soll? Gibt es demnächst Sachverständige dafür? Das alles mu- tet doch recht seltsam an. Aber davon abgesehen: Tun wir den Frauen wirklich einen Gefallen damit? Der Gesetzentwurf der PDS ist ge- prägt vom Bild der eigenverantwortlichen, selbstbe- stimmten Prostituierten, die aus freien Stücken dieser Tätigkeit nachgeht, nicht von einem Zuhälter unterdrückt wird und für ihre Rechte einstehen und kämpfen kann. Diese Frauen gibt es selbstverständlich auch, sie dürften auch nicht unbedingt in der Minderheit sein. Jedoch ist das Bild der Prostitution in Wirklichkeit wesentlich viel- schichtiger. Es gibt eben auch in nicht unerheblicher Zahl die Fälle der Zwangsprostitution, die nach Deutschland il- legal eingeschleppten Ausländerinnen, die von Zuhältern gezwungen werden, auf den Strich zu gehen, den Straßen- strich und das Drogenmilieu. Auch für diese würden die neuen Regelungen gelten. Der Zuhälter wäre Arbeitgeber und würde also ganz legal, staatlich legitimiert, Druck auf seine Arbeitnehmerinnen ausüben dürfen. So stellt sich die Frage, ob man tatsächlich ausstiegswillige Prostitu- ierte an Kündigungsfristen binden will oder ob zukünftig ein Zuhälter über das Arbeitsamt Prostituierte vermittelt bekommen kann? Im Übrigen wird es durch die Abschaffung des Straftat- bestandes der Zuhälterei den Strafverfolgungsbehörden unglaublich schwer gemacht, gegen sie vorzugehen bzw. sie überhaupt strafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können. Die allgemeinen Straftatbestände der Nötigung und der Erpressung können hier nicht in allen Fällen he- rangezogen werden. Ich stimme mit der PDS überein, dass demgegenüber die Förderung der Prostitution als Straftatbestand abge- schafft werden muss, damit sich die Bordellbesitzer oder Bordellbesitzerinnen, die für eine ordentliche Arbeitsum- gebung in den Bordellen sorgen, nicht strafbar machen. Kritisch sehe ich aber die vorgesehenen Änderungen im Ausländergesetz. Eine „Green-Card“ für Frauen, die in der Bundesrepublik der Prostitution nachkommen wollen, kann nicht das Ziel sein. Insgesamt ist der vorliegende Ge- setzentwurf nicht komplett durchdacht, besonders was die Folgen des vorliegenden Gesetzes betrifft. Es bleiben noch viele Fragen offen. Ich bin sehr dafür, die Diskriminierung von Prostitu- ierten endlich abzuschaffen und bin gerne bereit hier kon- struktiv mitzuarbeiten. Dies alles muss jedoch innerhalb eines durchdachten Konzepts und wirklich zum Schutz der Prostituierten sein. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Senkung des Entgelts für die Beförderung von Briefsendungen im Gel- tungsbereich der Exklusivlizenz nach § 51 Post- gesetz (Tagesordnungspunkt 14) Klaus Barthel (Starnberg) (SPD): Wir verstehen sehr gut, wie nötig es die F.D.P. hat, ihr Image als Partei der Besserverdienenden abzuschütteln. Dazu ist ihr offen- sichtlich kein Fehlversuch zu peinlich und kein Irrweg zu abseitig. – Zur Rechtslage wird Staatssekretär Mosdorf noch sprechen. Die F.D.P. macht hier gleich einen Doppelfehler, ers- tens, weil die Regulierungsbehörde auch nach den Worten ihres früheren Präsidenten Scheurle derzeit in der Por- tofrage aufgrund der allgemeinen Weisung des Bundes- wirtschaftsministers nicht handeln kann und zweitens, weil sie – auch wenn es diese Weisung nicht gäbe – ent- sprechend der Gesetzeslage wohl kaum irgendwelchen Aufforderungen aus F.D.P.-Anträgen im Deutschen Bun- destag folgen würde. Dazu zwei Bemerkungen: Zum einen: Wir erinnern uns alle gut an den energischen Kampf von F.D.P. und Union gegen die Weisung des Ministers. Da gab es die Andro- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114098 (C) (D) (A) (B) hung von gerichtlicher Überprüfung bis zu Bundesratsbe- schlüssen, die uns noch eines Besseren belehren würden. Auf deren Erfolg warten wir noch heute. Also stellen wir fest: Die Weisung war kein Eingriff in die Selbstständig- keit der Behörde und rechtlich einwandfrei. – Zum ande- ren erinnern wir uns gut an das Gerede der F.D.P. vom ord- nungspolitischen Sündenfall, der in jeder politischen Einflussnahme auf die Regulierungsbehörde bestehe. In dem von Union und F.D.P. verfassten Beiratsbeschluss re- klamierten Sie die „alleinige Zuständigkeit – der RegTP – für die Genehmigung von Entgelten. Auch in der derzeit stattfindenden absolut notwendi- gen Debatte über die mittelfristigen Erfordernisse moder- ner Regulierung geriert sich die F.D.P. als Gralshüterin der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, die wir überhaupt nicht infrage stellen. Und dann so ein Antrag: „Der Deutsche Bundestag fordert die Regulierungs- behörde für Telekommunikation und Post auf ...“. Hätten Sie lieber die „allgemeine Zuständigkeit“ ak- zeptiert, dann hätten Sie sich auch die peinliche Begrün- dung des Antrages erspart. Da wird wild über Kosten und Preise spekuliert, mit Zahlen nicht genannter Herkunft hantiert, die EU-Kom- mission für Positionen in Anspruch genommen, die sie nicht teilt. Die F.D.P. versucht nichts anderes, als den Deut- schen Bundestag an die Stelle einer Beschlusskammer der RegTP zu setzen – und das mit kaum zu überbietendem Di- lettantismus. Sie weiß noch nicht einmal, dass Rabatte beim Porto im reservierten Bereich der Preisaufsicht der RegTP unterliegen und eben nicht der „Marktmacht“ großer, klei- ner oder mittlerer Geschäftspartner der DPAG. Auch das auf diesen Fehler aufgebaute Argument, die Kleinkunden und Mittelständler bezahlten den Börsen- gang, den Bundeshaushalt und die Marktmacht der Post AG, geht an der Realität vorbei. Bekanntlich wird das große Geschäft im Postmarkt mit den Großkunden ge- macht und bei den Kleinverbrauchern und in der Fläche eher draufgezahlt. Aus diesem Grund stürzen sich ja die Wettbewerber der Post AG auch nicht auf Handwerker und Liebespaare – aus diesem Grund versuchen auch viele, sich der Bedienung in der Fläche zu entziehen. Nein, alle stürzen sich auf die Geschäftskunden in Ballungsräumen. Also: Der derzeitige Einheitstarif und die genehmigten Entgelte sind eine Mischkalkulation, die auch die Kosten des Infrastrukturauftrages und der sozialen Verpflichtun- gen einfließen. Mag sein, dass diese Entgelte mittelfristig gesenkt werden können. Das werden wir genau dann be- trachten, wenn es aktuell wird, nämlich nach Ablauf der Frist für die derzeit genehmigten Entgelte. Derzeit haben wir entschieden und gut begründet: Wir brauchen Stabi- lität in Zeiten des Börsengangs und wir brauchen keinen weiteren Druck zum Abbau des flächendeckenden Ange- bots, der Kundenfreundlichkeit und der Arbeitsplätze. Und dann kommt der internationale Vergleich. Angeb- lich sind wir die teuersten. Aber Vorsicht: Brief ist nicht Brief, so wie Müller nicht Müller ist und PDS in Deutsch- land nicht PDS in Italien – auch wenn sie alle gleich heißen. Der billige Brief in Spanien erreicht den Adres- saten bzw. die Adressatin nur zu 55 Prozent schon am nächsten Tag, in Deutschland zu rund 90 Prozent. Selbst im angeblich vorbildlich liberalisierten Schweden, aber auch in Frankreich, Portugal und vier weiteren Ländern muss ein Arbeiter länger fürs Porto arbeiten als bei uns. In den meisten Ländern Europas wird nur fünfmal pro Wo- che zugestellt. Aufgrund all dessen, einschließlich der Kaufkraftparitäten in Rechnung gestellt, belegen wir ei- nen Mittelplatz bei den Briefgebühren. Allzu Neugierige warne ich auch vor dem Glauben, wenn alles liberalisiert ist, werde auf dem Postmarkt alles billiger. Das schwedische Beispiel weist leider in eine an- dere Richtung. Wir werden uns daher im Postbereich nicht von unserem Kurs der berechenbaren, kundenfreundlich und sozialverträglich flankierten Liberalisierungsschritte im europäischen Konzert abbringen lassen. Dies haben wir auch schon im Einzelnen anlässlich der Aktuellen Stunde am 5. April 2000 ausgeführt. Für Irrlichterei, billige Showeffekte und Verunsiche- rungen gegenüber Wettbewerbern, Kunden und Beschäf- tigten der gesamten Branche ist dabei kein Platz. Wenn die F.D.P. in der Wirtschaftspolitik einmal wieder ernst genommen werden will, muss sie auf solche Anträge wie den heute vorliegenden verzichten. Solange das nicht ge- schieht, werden wir sie ablehnen müssen. Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Wegen des rechtswidrigen Eingriffs des Bundesministers für Wirt- schaft und Technologie, Dr. Werner Müller, im März 2000 in die Regulierung ermittelt die EU-Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung hat vor zehn Monaten durch die Weisung an die Reg-TP verhindert, dass die Regulie- rungsbehörde mit Wirkung ab 1. September 2000, also vor 4 Monaten, niedrigere Preise im Monopolbereich der Post festsetzt. Zu Recht hat ein Sachverständiger bei der Anhörung zur Postpolitik im letzten Jahr formuliert: „Die Regierung nimmt die Postkunden in Geiselhaft.“ Da die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktio- nen von SPD und Grünen aber auch rechtzeitig durch die gegen unsere Stimmen im November 1999 verabschiedete Post-Universaldienstleistungsverordnung – PUDLV – Vorsorge getroffen haben, dass die betroffenen Postkun- den nicht mit Rechtsmitteln gegen überhöhte Preise vor- gehen können, liegt das Ganze also nun in Brüssel. Man muss das nochmals betonen: Diese Bundesregie- rung verhindert, dass der Postkunde Rechtsmittel gegen solche Entscheidungen einleiten kann. Als Verbraucher hat er nur die Möglichkeit, sich schriftlich bei der Regu- lierungsbehörde zu beschweren. Wer nun gehofft hatte, dass die demnächst anstehende Postdienstleistungsverordnung – PdLV – im Bereich der Leistungsentgelte etwas präziser sei, sieht sich erneut ent- täuscht: Dort findet sich nicht einmal ein Hinweis darauf – was das Mindeste wäre –, dass die Kunden ein Anspruch darauf haben, dass die Entgelte den Bestimmungen des § 20 PostG entsprechen müssen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14099 (C) (D) (A) (B) Die derzeitige Regelung soll festlegen, dass das Porto in der so genannten Exklusivlizenz, also dem Postmono- pol, bis Ende des Jahres 2002 gelten soll. Eine Änderung im Portobereich muss also sowieso noch in dieser Legis- laturperiode festgelegt werden. Ich darf dabei einmal voraussagen, dass bei der anste- henden Portorunde die Post sicherlich keinen Einzelan- trag stellen wird. Sie erwartet vermutlich das, was sie mit- hilfe der Deutschen Postgewerkschaft durch Intervention im Januar 2000 beim Bundeskanzler verhindert hat: näm- lich die Berechnung nach dem so genannten Preiscap- Verfahren. Dabei habe ich zunehmend den Eindruck, dass bei vie- len die Mechanismen des anwendbaren Preiscap-Verfah- rens nicht begriffen worden sind. Denn nach diesem Verfahren geht es nicht um die Anordnung eines Einze- lentgeltes, also zum Beispiel für den Brief bis 20 Gramm, sondern um einen Preiskorb aus Rationalisierungsfort- schritten sowie Lohn- und Inflationsentwicklung, was dann zu Preisveränderungen in einer vorgegebenen Pro- zentzahl über die ganze Breite der Produkte führt. Natürlich gilt auch dann für das Einzelprodukt die ef- fiziente Preisleistung. Natürlich wäre dabei im letzten Jahr eine Senkung des Standardbriefes unausweichlich gewesen. Und ich behaupte einmal, die Post hätte ihrem Image einen fast unbezahlbaren Dienst erwiesen, wenn sie das Porto angepasst hätte. Mit ihrer Weigerung einer Portosenkung haben Bundesregierung und Post AG aber selbst dazu beigetragen, dass sich inzwischen der Ein- druck gefestigt hat: Ohne Beibehaltung des Monopols, ohne weiteren staatlichen Schutz ist das Unternehmen Post AG nicht in der Lage im Wettbewerb zu bestehen. Der Bundesfinanzminister verstärkt diesen Eindruck durch seine diversen Briefe an die Fachaufsicht. Er glaubt, nur durch staatliche Eingriffe kann er den Aktien- wert erhalten, was nichts anderes heißt, als dass der Bund durch künstliche Spitzenpreise auf Kosten der Verbrau- cher Kasse macht. Denn es war schon bezeichnend, dass der Bundeswirt- schaftsminister in einem Interview als Grund für seinen Griff in die Portokasse der Bürger angegebenen hatte, vor einem Börsengang müsse man dafür sorgen, dass das Un- ternehmen ausreichenden Gewinn ausweise. Es ging also nicht um den günstigeren Portotarif für den Verbraucher, sondern um die Zusage an die Aktionäre auf einen satten Gewinn. Nach dem EWG-Vertrag sind die Mitgliedstaaten un- ter anderem verpflichtet, die missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung von Unternehmen zu verhindern und sie nicht noch zu fördern. Vor allem aber sind Bundesregierung und Post sowohl nach dem Postge- setz als auch nach EU-Recht verpflichtet, die Preise der Post im Monopolbereich an den Kosten für effiziente Leis- tungsbereitstellung zu orientieren; und nach Ansicht aller wichtigen Marktbeobachter ist das Porto für Standard- briefe zu hoch. In diesem Zusammenhang darf ich nochmals auf einen unannehmbaren Sachverhalt hinweisen: Dass die Post zum Jahresanfang eine neue teure Spitzenkraft eingestellt hat, nämlich die ehemalige EU-Kommissarin Wulf-Mathies, deutet darauf hin, dass sie die Vorwürfe vielfacher Rechts- verstöße viel ernster nimmt, als sie öffentlich zugibt. Als einen regelrechten Skandal empfinde ich es aber nach wie vor, dass Frau Wulf-Mathies nicht nur mit ihrem Insider-Wissen als ehemalige EU-Kommissarin der Post zu Diensten ist, sondern gleichzeitig auch noch der Bun- desregierung als Beraterin zur Verfügung steht, und dies, wo doch gleichzeitig die Brüsseler Verfahren nicht nur ge- gen die Post, sondern auch gegen die Bundesregierung ge- richtet sind. Ich empfinde dies bis heute als eine uner- trägliche Interessenverquickung, die eigentlich schwerer wiegt als das, was man Herrn Bangemann vorgeworfen hatte. Die Regierung sollte zweierlei tun: Sie sollte erstens der Regulierungsbehörde unmittelbar die Möglichkeit ge- ben, das unterbrochene Preisverfahren zu Ende zu führen, was zu verbraucherfreundlicherem Porto führen würde und sie sollte sich zweitens nicht hinter den Staaten ver- stecken, die das Postmonopol möglichst noch lange bei- behalten möchten. Der Ablauf des Postmonopols Ende 2002, wie es im Postgesetz der alten Regierung steht, kann nicht durch EU-Recht verhindert werden. Wie sagte doch vor wenigen Tagen der neue Vorsit- zende der Monopolkommission in einem Interview im Handelsblatt – ich zitiere –: „Ohne Wettbewerb bleibt das Briefporto noch lange hoch.“ Der Vorstandsvorsitzende der Post AG, Dr. Zumwinkel, hat Recht, wenn er öffentlich erklärt, dass die Postlibera- lisierung nur vorankommt, wenn Deutschland weiterhin, wie unter der alten Regierung, Vorreiter der verbraucher- freundlichen Liberalisierung bleibt. Inzwischen sind wir in Europa längst nicht mehr Vorreiter, sondern allenfalls im Mittelfeld der Reformstaaten zu finden. Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Liberalisierung des Postmarktes in Europa ist ins Stocken gekommen. Die EU-Staaten konnten sich bisher nicht auf einen gemeinsamen Zeitplan zur weiteren Öff- nung des Postmarktes einigen. Das bedeutet, dass das Un- gleichgewicht der Marktöffnung in Europa weiter besteht. Deutschland hat im Unterschied zu anderen Ländern der EU in der Öffnung des Postmarktes schon gute Er- gebnisse erzielt. Dass diese Marktöffnung noch nicht weit genug geht, darin sind wir uns sicherlich einig. Bei einem gegenwärtigen Marktanteil der privaten Unternehmen von unter 2 Prozent im lizenzierten Bereich müssen wir noch große Schritte gehen. Wir sind zu diesen Schritten bereit besonders, wenn man sich Bereiche ansieht, in de- nen der Wettbewerb für die Kunden erhebliche Fort- schritte gebracht hat. Ein gutes Beispiel für die positiven Folgen des Wett- bewerbs im Postwesen ist der Kurierbereich. In nur weni- gen Jahren haben flexible Wettbewerber eine Vielzahl von innovativen Dienstleistungen hervorgebracht. Das hat auch das Unternehmen Post beflügelt und hat geholfen, Verkrustungen aufzubrechen. Wer von Ihnen vor einigen Jahren versucht hat, eine Sendung innerhalb eines Tages an einen beliebigen Ort Deutschlands zu befördern, weiß Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114100 (C) (D) (A) (B) um den Fortschritt. Diese breite Auswahl an Dienstleis- tungen und Wettbewerbern brauchen wir auch in anderen Bereichen des Postmarktes. Wir stoßen aber dort auf Probleme, wo wir den ande- ren Mitgliedstaaten der Europäischen Union weit voraus sind. Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, alle diese Länder wollen den Postmarkt nicht in dem Maße li- beralisieren, wie wir das vorhaben. Dort wird versucht, an der alten Staatspost festzuhalten und Wettbewerber mög- lichst vom Markt fernzuhalten. Wir sind aber darauf angewiesen, in gleichen Schritten wie unsere europä- ischen Nachbarn vorzugehen. Ein Ungleichgewicht in der Marktköffnung der Staaten birgt die Gefahr eines Un- gleichgewichtes auf dem deutschen Markt. Unternehmen aus Ländern, die ihren Markt noch nichtliberalisiert ha- ben, können mit ihren üppigen Monopolgewinnen auf den Märkten konkurrieren, auf denen bereits ein funktionie- render Markt entsteht. Wir sehen dieses Beispiel heute auf dem Energiemarkt, auf dem die französische EDF ihre Monopolgewinne dazu nutzt, sich auf dem liberalisierten deutschen Energiemarkt zu positionieren. Deutsche Un- ternehmen haben diese Gewinne nicht und können in Frankreich auch nicht in den Wettbewerb um den End- kunden eingreifen. Es ist daher wichtig, die Öffnung des Postmarktes im Einklang mit der europäischen Entwick- lung fortzuführen. Wir müssen aber der Motor der weiteren Liberalisie- rung der Postmärkte in Europa sein. Daher ist es unsere Aufgabe, auf einen europaweit verbindlichen Termin zum Auslaufen des Postmonopols hinzuarbeiten. Dadurch werden auch die Länder in Zugzwang gebracht, die sich auf ihren bisherigen Liberalisierungsschritten ausruhen wollen. Der Termin für die europaweite Marktöffnung im Postbereich darf nicht erst 2009 sein. Dadurch würde wertvolle Zeit verschenkt, während weiter Monopol- preise gezahlt werden müssen und aufkommende Wettbe- werber vom Markt ferngehalten werden. Alle Mitglieds- länder müssen schon früher dazu gebracht werden, echte Schritte zur Marktöffnung zu unternehmen. Dazu gehört auch die europaweite Öffnung des Marktes für Briefpost unterhalb 350 Gramm. Es macht sich natürlich sehr gut, wenn die sehr geehr- ten Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. die Senkung des Briefportos verlangen. Aber das allein reicht nicht. Ich hätte wirklich gedacht, dass gerade Sie als Mitglieder ei- ner wirtschaftsliberalen Partei den gesamten Hintergrund berücksichtigen könnten und sich nicht in einfachen po- pulären Forderungen ergingen. Rainer Funke (F.D.P.): Ich gratuliere zunächst der Post AG zu dem erfolgreichen Börsengang. Die Post AG hat nicht nur den beabsichtigten Betrag emittieren kön- nen, sondern hat offensichtlich auch einen richtigen Aus- gabekurs gefunden. Die Post AG ist eines der ganz selte- nen Unternehmen in der Welt, die privatisiert sind und ihren Aktionären aufgrund einer Monopolrente einen Gewinn bescheren kann, der niemals zustande gekommen wäre, wenn die Dienstleistungen der Post im Wettbewerb stehen würden. Das ist für unser marktwirtschaftliches System schon eine Ausnahmeerscheinung – um nicht zu sagen: ein Skandal! Realistischerweise betrüge bei Wettbewerbsverhältnis- sen der Preis für die Beförderung eines Normalbriefes bis 20 Gramm 90 Pfennig. Mit diesem überhöhten Porto von 1,10 DM finanziert die Post AG den Umbau zu einem weltweiten Logistikunternehmen. Ich will nicht missver- standen werden: Der Zug, Mehrwertdienstleistungen auf dem Gebiet der Logistik zu erwirtschaften, ist richtig. Die Finanzierung aber, über den überhöhten Portopreis auf- grund der Monopolstellung, ist falsch, weil auf diese Weise privaten Wettbewerbern, die nicht über solche Monopolstellungen verfügen, im Wettbewerb Vorteile zugeschanzt werden, die in einem fairen Wettbewerb nicht möglich wären. Dasselbe gilt natürlich auch für den Bereich des Paketdienstes. Durch entsprechende Quer- subventionierung werden private Wettbewerber am Markt weggebissen. Die F.D.P.-Fraktion wird sich vehement gegen die Ver- längerung des Postmonopols wehren. Dieses Monopol verfälscht den Wettbewerb auch auf Drittmärkten. Das Argument, man müsse im europäischen Geleitzug das Monopol nach und nach, möglichst erst in acht bis zehn Jahren, aufheben, ist verlogen. Wir müssen nicht die Fehler zum Beispiel unserer französischen Nachbarn übernehmen. Uns hat der Wettbewerb für unsere Volks- wirtschaft nur genutzt. Das gilt nicht nur für die Telekom- munikation, wo wir Vorreiter in Europa für die Öffnung der Märkte gewesen sind, übrigens sehr zum Nutzen un- serer Verbraucher und unserer Wirtschaft. Dies sollte auch für die Post AG gelten; denn nur ein wettbewerbsfähiges Unternehmen ist fit und nicht fett. Gerhard Jüttemann (PDS): Die PDS-Fraktion hatte beantragt, in die heutige Debatte um den vorliegenden An- trag der F.D.P. auch einen Gesetzentwurf der PDS-Frak- tion zur Änderung des Postgesetzes einzubeziehen. Die F.D.P. hat das abgelehnt mit der Begründung, die beiden parlamentarischen Initiativen hätten angeblich nichts mit- einander zu tun. Ich will den Zusammenhang erklären. Die Begründung unserer Ablehnung des F.D.P.-Antrages ergibt sich daraus. Diejenigen, die uns erklären, Postleistungen könnten billiger als heute erbracht werden und deshalb Portosen- kungen verlangen, spekulieren auf zweierlei: Erstens da- rauf, dass die Post weiter ihr Personal reduziert und damit die Arbeitslosenzahlen nach oben treibt, und zweitens, dass für die verbliebenen Mitarbeiter die sozialen Stan- dards, vor allem die Einkommen, weiter reduziert werden. Diese Entwicklung hat besonders zu Beginn dieses Jahre geradezu beängstigende Formen angenommen. Mehr als 19 000 Beschäftigte der Deutschen Post AG müssen in diesem Jahr Gehaltseinbußen zwischen 7 und 30 Prozent hinnehmen. Betroffen von diesem Lohnraub sind alle Beschäftigten mit befristeten Verträgen und sol- che, die ab 1. Januar oder später neu eingestellt werden. Hintergrund dessen, dass sich die Gewerkschaft darauf eingelassen hat, sind die Erpressungsversuche der Deut- schen Post AG, die mit Ausgliederung verschiedener Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14101 (C) (D) (A) (B) Bereiche und Fremdvergabe an Billiganbieter gedroht hatte. Allerdings gehören diese Billiganbieter meist zum eigenen Konzern. Denn die Deutsche Post AG hat sich nach der Privatisierung zu einem unübersehbaren Ge- flecht von Logistikunternehmen gewandelt, die zu einem erheblichen Teil mit Scheinselbstständigen und Men- schen in prekären Arbeitsverhältnissen agieren. Die so genannten Wettbewerber der Deutschen Post AG, die auf nichts sehnlicher als die totale Marktöffnung warten, arbeiten fast ausschließlich ebenfalls mit Schein- selbstständigen und Menschen in prekären Beschäfti- gungsverhältnissen. Und eines ist völlig klar: Wenn der Markt eines Tages zu 100 Prozent geöffnet sein wird, dann sind auch die Tarife der Stammbelegschaft der Deutschen Post AG nicht mehr zu halten. Dieser katastrophale Abbau sozialer Standards im Postbereich ist das Ergebnis von Privatisierung, Liberali- sierung und Förderung des Wettbewerbs. Der Antrag der F.D.P. zur Portosenkung dient nichts anderem als der Be- schleunigung dieses Prozesses und damit des Sozialraubs. Gleichzeitig wird er die Arbeitslosigkeit im Postbereich verstärken, nachdem die Post schon heute ihre Beschäf- tigtenzahl infolge der Privatisierung um 150 000 reduziert hat. Ziel des Gesetzentwurfs der PDS hingegen, über den die F.D.P. nicht reden will, über den hier aber trotzdem noch geredet werden wird, ist die Ausdehnung der ge- fährdeten, aber noch vorhandenen sozialen Privilegien der Stammbelegschaft der Deutschen Post AG auf die an- deren Beschäftigten der Branche. Siegmar Mosdorf (SPD): Bereits im April vergange- nen Jahres ist auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion,eine Aktuelle Stunde mit dem Ziel einer Briefportosenkung veranstaltet worden. Der F.D.P.-Antrag will diese alte Diskussion neu aufnehmen. Aber nur durch ihre bloße Wiederholung werden Forderungen nicht besser. Statt- dessen müssten neue Argumente vorgetragen werden; die sind jedoch nicht zu erkennen. Damals wie heute vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Weisung zur Fortführung des Brief- portos bis zum 31. Dezember 2002 wirtschaftspolitisch geboten und rechtlich zulässig war. Denn: Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der Laufzeit der Exklu- sivlizenz der Deutschen Post AG und der Geltungsdauer bestehender Genehmigungen, auf die im Postgesetz Be- zug genommen wird. Mittlerweile bezweifelt auch kein Mensch mehr, dass der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ge- genüber der Regulierungsbehörde ein gesetzlich verbrief- tes Weisungsrecht hat. Damit ist auch keinesfalls die immer wieder zu Recht betonte und vom Wirtschafts- minister gewahrte Unabhängigkeit der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post tangiert worden. Diese besteht selbstverständlich, bezieht sich jedoch auf förmliche Verfahren bei den einzelnen Beschlusskam- mern. Ein solches förmliches Verfahren zur Neufest- setzung des Briefportos war letztes Jahr jedoch nicht ein- geleitet worden. Nun, nachdem seit dem 1. September 2000 die Geneh- migungen für die Briefentgelte fortbestehen, fordert der vorliegende Antrag die Regulierungsbehörde auf, das Porto zu senken. Da Sie fair die Begründung dieses An- trags das Postgesetz heranziehen, frage ich Sie, auf wel- cher postgesetzlichen Grundlage das Porto denn jetzt ge- senkt werden soll? Es gibt dafür nämlich keine! Und deshalb ist Ihr Antrag auch unseriös: Sie fordern etwas, was sich zwar wunderbar fordern lässt, wofür es aber keine Mittel zur Durchsetzung gibt. Der von Ihnen angeführte § 20 des Postgesetzes ist zwar richtig zitiert. In Verbindung mit § 24 des Postgeset- zes ist er jedoch nicht einschlägig. Die Regulierungs- behörde kann Briefentgelte nur dann nachträglich über- prüfen, wenn entweder Preisunterbietungen zu vermuten sind oder eine Diskriminierung einzelner Kunden vor- liegt. Beides ist nicht der Fall. Deshalb läuft Ihr Antrag und seine Begründung ins Leere. Die Deutsche Post AG stellt sich bereits seit mehreren Jahren auf die zukünftigen wirtschaftlichen Herausforde- rungen der Brief-, Transport- und Logistikmärkte ein. Mit teilweise großen Aufwendungen verbessert sie ihre inne- ren Betriebsstrukturen und steigert damit auf längere Sicht ihre Effizienz. Dass dieser Weg erfolgreich ist, zeigt der im letzten Herbst bei insgesamt schwierigem Börsen- umfeld gelungene Börsenstart der Deutschen Post AG. Sowohl Privatanleger als auch institutionelle Investoren setzen in die Leistungsfähigkeit der Deutschen Post AG großes Vertrauen. Eine weiterhin solide wirtschaftliche Entwicklung der Deutschen Post AG wird dann die Voraussetzung dafür bilden, dass eine Senkung des Briefportos nach dem Aus- laufen der bestehenden Genehmigungen Ende 2002 mög- lich ist. Der Bundeswirtschaftsminister hat auf diesen Zu- sammenhang bereits vor einigen Wochen hingewiesen. Über Art und Höhe der dann vorzunehmenden Tarifver- änderung im Briefbereich wird dann selbstverständlich die Regulierungsbehörde in einem förmlichen Verfahren zu entscheiden haben. Ich bitte Sie deshalb, den gestellten Antrag abzulehnen. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Personenstandsgesetzes (Tagesordnungspunkt 22) Harald Friese (SPD): Als sich die junge Mutter ver- zweifelt beim Frauennotruf im bayerischen Amberg mel- dete, war sie auf der Suche nach einer Bleibe für ihr un- gewolltes Baby, das sie in wenigen Stunden zur Welt bringen würde. Niemand durfte es wissen, niemand ihren Namen kennen, aber das Kind sollte es gut haben. „Wir treffen uns“, sagte die Beraterin am Notruftelefon rasch, „Sie können uns ihr Baby übergeben, der Name spielt keine Rolle, es wird gut versorgt.“ Doch damit war der Anruferin noch nicht geholfen. Sie hatte keinen Ort, an den sie gehen konnte, wenn die We- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114102 (C) (D) (A) (B) hen einsetzten. Zu Hause würde die Geburt bemerkt, im Krankenhaus registriert. „Wo soll ich denn hin?, fragte sie weinend. Die Sozialarbeiterin schwieg lange. „Ich kann Ihnen nicht helfen“, sagte sie. „Gehen Sie irgendwohin, wo Sie Wasser haben, am besten zum Klo.“... Diese geheimen Geburten in öffentlichen Toiletten, Hinterzimmern und Kellerverschlägen machten ihr Angst – vor allem das Wissen darum, was Mutter und Kind dabei passieren kann: dass etwa manchem Neugeborenen, wenn es plötzlich schreit, in Panik doch noch ein Kissen aufs Gesicht gedrückt wird.“ So der „Spiegel“ vom 16. Oktober 2000. Nur eine Geschichte, die zu Herzen geht? Ein Einzel- fall? Leider nein! Etwa zwei Dutzend getötete Neugeborene findet man jährlich in Deutschland – mehr oder weniger zufällig. Die Dunkelziffer getöteter Neugeborener soll mindestens vierzigmal so groß sein, also tausend Babys im Jahr, die nach der Geburt umgebracht werden. Und dies sind alles Kinder von Müttern, die nicht in ei- nem Krankenhaus, nicht zu Hause mit einer Hebamme, sondern im Verborgenen und in der Regel allein entbin- den: in einer öffentlichen Toilette, in einem Kellerraum, jedenfalls anonym und unerkannt. Die Frauen befinden sich in ausweglosen Situationen und verheimlichen des- halb Schwangerschaft und Geburt. Ich will heute nicht der Frage nachgehen, warum es in unserem Sozialstaat zu solchen Lebenssituationen kommt. Wir würden von viel menschlichem Leid erfahren: Ent- scheidender ist, was der Gesetzgeber tun kann, um schwan- geren Frauen, die um jeden Preis anonym bleiben wollen, eine humane Geburt zu ermöglichen. Nur dadurch sichern wir den geborenen Kindern eine Chance zum Leben. Unser geltendes Personenstandsrecht steht aber so ge- nannten anonymen Geburten entgegen. Die §§ 16 ff. des Personenstandsgesetzes bestimmen, dass eine Geburt bin- nen einer Woche anzuzeigen ist, und zwar von denen, die bei der Geburt anwesend waren. Bürgerschaftliche Initia- tiven, wie der Verein Sterni Park e.V. in Hamburg, sichern mit so genannten Babyklappen zwar das Überleben eines Neugeborenen, aber nicht dessen Geburt unter humanen und medizinisch einwandfreien Bedingungen. Der Sozi- aldienst katholischer Frauen in Amberg ermöglicht im dortigen Krankenhaus anonyme Geburten. Die Beteilig- ten begehen dann aber eine Ordnungswidrigkeit und kön- nen mit der Festsetzung eines Zwangsgeldes angehalten werden, den Namen der Mutter preiszugeben. Es bleibt also festzuhalten: Anonyme Geburten sind in Deutschland rechtswidrig. Wenn man sie will, muss das Personenstandsgesetz geändert werden. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion versucht, mit einer Verlängerung der Anzeigefrist das enge zeitliche Korsett des Personenstandsgesetz zu sprengen. Bestehen bleibt aber weiterhin die Verpflichtung, danach den Namen der Mutter offen zu legen. Das löst aber das Problem nicht. Die SPD-Fraktion hält auch aus anderen Gründen den Ge- setzentwurf der CDU/CSU-Fraktion für problematisch. Er ist so nicht zustimmungsfähig. Wir sind uns aber im Ziel einig, Müttern in ausweglosen Situation zu helfen und damit den Kindern zu helfen. Denn man kann ein Kind nur mit der Mutter, nicht aber gegen die Mutter schützen. Ich will nicht verhehlen: Eine Änderung des Perso- nenstandsgesetzes begegnet einer Fülle rechtlicher Be- denken. Zunächst verfassungsrechtliche: Nach einer Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 31. Ja- nuar 1989 ist das Recht auf Kenntnis auf eigene Abstam- mung Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Ist dieses mit der Legalisierung anonymer Geburten vereinbar? Es gibt völkerrechtliche Bedenken: Art. 7 der UN-Kinder- konvention bestimmt, dass jedes Kind das Recht hat, seine Herkunft zu kennen. Eine Änderung des Personen- standsgesetzes könnte zudem gegen Art. 8 Abs.1 der Eu- ropäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, wo- nach von Geburt an die Integration des Kindes in seine Familie ermöglicht werden muss. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ver- weist dabei auf den Grundsatz „mater semper certa est“. Dieser Satz atmet denselben Geist wie das Personen- standsgesetz, das sich auch heute kaum von seiner Ur- sprungsfassung aus dem Jahre 1875 unterscheidet, näm- lich die Verdrängung sozialer Realität aus dem rechtlichen Bewusstsein. Wir werden über vieles diskutieren müssen, auch darü- ber, ob die Möglichkeit anonymer Geburten von, Müttern missbraucht werden kann. Ich glaube es nicht, aber wir müssen die Erfahrungen im Ausland, insbesondere in Frankreich, sorgfältig prüfen und auswerten. In der Güterabwägung zwischen dem Recht auf Kennt- nis der eigenen Abstammung und dem Recht auf Leben unter Verzicht auf Kenntnis der eigenen Abstammung fällt mir aber die Entscheidung leicht: Sie muss zugunsten des Lebens falten. Zum weiteren Verfahren möchte ich einen Vorschlag machen: Es wäre dem Thema angemessen, im Rahmen ei- ner interfraktionellen Arbeitsgruppe gemeinsam nach Lö- sungen zu suchen. Dazu lade ich Sie herzlich ein. Renate Diemers (CDU/CSU): Politisch fühle ich mich immer dann in besonderer Weise gefordert, wenn sich hinter einem nüchtern und trocken klingenden Ge- setzentwurf lebensentscheidende Rahmenbedingungen für Menschen in unserem Land verbergen. Ich bin sicher, dass viele Menschen mit dem Begriff Personenstandsge- setz erst einmal gar nichts verbinden. Aber es handelt sich in der Tat um ein lebenswichtiges, ein sehr emotio- nales Thema und ich freue mich, dass die zuständigen Kollegen aus dem innenpolitischen Bereich mir als Fa- milienpolitikerin die Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen. Der vorliegende Gesetzentwurf zum Personenstands- gesetz beinhaltet, die Anzeigefrist der Schwangerenbera- tungsstellen für Geburten von einer Woche auf 10 Wochen zu verlängern. Mütter in Konfliktsituationen sollen sich an eine geeignete Schwangerenberatungsstelle wenden können und sollen zunächst – das heißt bis 10 Wochen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14103 (C) (D) (A) (B) nach der Geburt – anonym bleiben können. Die Bera- tungsstellen hätten durch eine verlängerte Anzeigefrist mehr Zeit, den betroffenen Frauen einen Weg aus ihrer Notlage aufzuzeigen. Die Zahl der Kindesaussetzungen und andere Panikreaktionen würden mit Sicherheit ver- ringert. Außerdem wird damit dem ordnungsrechtlichen Auftrag, den das Personenstandsgesetz regelt, auch Genüge getan. Denn es dient ja auch dem Zweck, die Her- kunft eines Menschen zu dokumentieren. Somit wird zunächst einmal sichergestellt, dass Kinder in der Regel ihre Wurzeln kennen und ihre Interessen zum Beispiel in Bezug auf Erbansprüche gewahrt werden. Eine Verlänge- rung der Anzeigefrist ist somit auch im Interesse der Kin- der, wenn sich eine Mutter erst nach etlichen Wochen ent- schließt, zu ihrem Kind zu stehen. Voraussetzung allerdings ist, dass umfassend über die Bedeutung der An- zeigefrist informiert wird. In letzter Zeit wurde in der Öffentlichkeit sehr viel über Babyklappen diskutiert, die in vielen Städten inzwischen eingerichtet wurden. Dadurch wird zumindest sicherge- stellt, dass die ausgesetzten Kinder umgehend medizi- nisch versorgt werden und sich die Mütter nicht strafbar machen. Hier muss möglichst rasch der gesetzliche Rah- men geschaffen werden, um allen Beteiligten die notwen- dige Rechtssicherheit zu geben. Aber die Babyklappen – wie auch die Beratungsstellen – werden nicht von allen verzweifelten Frauen genutzt werden. Findelkinder und Kindesaussetzung bis hin zu Kindes- tötungen aus totaler Verzweiflung hat es leider schon immer gegeben. In Deutschland hat sich die Zahl der Aus- setzungen in den vergangenen Jahrzehnten erfreulicher- weise verringert – sicherlich auch eine Folge der verbes- serten Verhütungsmöglichkeiten und der Hilfsangebote – und sich bei etwa 40 bis 50 Kinder pro Jahr eingependelt. Aber auch die gering erscheinende Zahl macht schmerz- haft deutlich, dass wir eine gewisse Anzahl von Frauen in Notlagen trotz aller Beratungsmöglichkeiten und Hilfsan- gebote, trotz Anzeigefrist und Babyklappen einfach nicht erreichen können. Eine Frau, die nicht zu ihrer Schwangerschaft und ihrem Kind steht bzw. stehen kann, ist in einer enormen Stresssituation. Frauen reagieren auf verschiedenste Weise darauf, mit Schwangerschaftsabbruch, Aussetzung oder gar Tötung von Neugeborenen. Und genau hier müs- sen wir ansetzen und hinterfragen. Gibt es nicht noch an- dere Hilfsangebote für Frauen, über die wir sprechen soll- ten? Daher rege ich über die heutige Debatte hinaus an, gemeinsam über eine gesetzliche Regelung für anonyme Geburten zu sprechen. Diese Möglichkeit würde für diese kleine Gruppe der Frauen bestehen, jene 40 bis 50 pro Jahr, die so verzweifelt sind, dass sie eine Schwangerschaft verheimlichen, sich kei- nem Arzt anvertrauen und auf keinen Fall den Weg in die Beratungsstellen finden. Wie verzweifelt muss man sein, wenn man monatelang derartige körperliche und seelische Belastungen aushält! Zu wissen, auf die unwürdigste Weise, zum Beispiel auf einer öffentlichen Toilette, auf die die mei- sten Menschen noch nicht einmal zum Händewaschen ge- hen würden, ein Kind zur Welt zu bringen und anschließend auf ebenso unwürdige Art wegzugeben! Von anderen Pani- kreaktionen wie Kindestötungen ganz zu schweigen. Aber auch den Aspekt der gesundheitlichen Schädi- gungen des Kindes und auch der Frau aufgrund der feh- lenden medizinischen Versorgung dürfen wir nicht außer Acht lassen. Spricht es für eine kinderfreundliche Gesellschaft, wenn wir diesen Frauen und ihren Kindern ärztlichen Bei- stand während der Schwangerschaft und der Geburt quasi verweigern? Wäre es wirklich ein finanzielles Problem, wenn 40 bis 50 Frauen pro Jahr in Deutschland anonym entbinden würden? Wäre es nicht vielmehr eine kinder- freundliche und solidarische Gesellschaft, wenn Frauen sich gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden und stattdessen ein Kind anonym zur Welt bringen könn- ten, das heißt mit ärztlicher Hilfe? Und das wäre der Un- terschied zur bereits praktizierten Babyklappen-Lösung. Ich persönlich plädiere und werbe daher für die Mög- lichkeit, dass Frauen in einem Krankenhaus oder mithilfe einer Hebamme zu Hause anonym und mit entsprechender medizinischer Nachsorge entbinden können, um das Kind anschließend zur Adoption freizugeben. Die Belastungen für diese Frauen wären auch diesen neuen Bedingungen nach wie vor enorm; das sollten wir nicht vergessen. Ich würde mich freuen, wenn wir dieses Thema in nächster Zeit sehr ernsthaft diskutieren würden, und ich wünsche mir im Interesse der Frauen und Kinder, dass ein fraktionsübergreifender Konsens möglich sein wird. Mir ist allerdings auch bewusst, dass bis zu einer entsprechen- den gesetzlichen Regelung noch großer Beratungsbedarf besteht und viele Fragen abzuklären sind. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, unserem Gesetzentwurf zur Ände- rung des Personenstandsgesetzes zuzustimmen, weil auch die Verlängerung der Anzeigefrist ein weiterer wichtiger Schritt zum Wohle der Kinder und der Frauen sein wird. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Schule gezeugt, in Panik verschwiegen, in Lügen verstrickt, im Keller geboren, im Müll entsorgt. So beschreibt sehr eindeutig eine Initiative des Sterni Parks die Situation der ausgesetzten, häufig tot aufgefun- denen Neugeborenen. In Deutschland werden jährlich 40 ausgesetzte Säuglinge gefunden. Die Hälfte von ihnen ist tot. Die genaue Zahl der ausgesetzten und getöteten Säuglinge, die niemals gefunden werden, ist mit Sicher- heit deutlich höher. In einer Notsituation verheimlichen die meist sehr jungen Frauen Schwangerschaft und Ge- burt. In ihrer Verzweiflung kann es zu Kurzschlussreak- tionen kommen. Sie setzen die Säuglinge aus. In Extrem- fällen kommt es sogar zur Tötung. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU, legen uns einen Gesetzentwurf vor, der auf diese Problematik eingeht. Aber Ihr Vorschlag ändert an der Problematik, dass die jungen Frauen während der Geburt bisher nicht auf Hilfe hoffen können – eine Ausnahme bil- det die Klinik in Sulzbach –, nichts. Kein Kind, das bis- her gefunden wurde, wurde in einer Klinik geboren. Für uns bleiben einige entscheidende Fragen offen. Sie wol- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114104 (C) (D) (A) (B) len die Frist für die Anzeigepflicht für eine Geburt auf zehn Wochen verlängern. In dieser Zeit soll die Schwangerenberatungsstelle auf die Mutter einwirken, um eine heimliche Geburt doch noch zu verhindern; denn wie sollte es sonst verstanden werden, dass in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs steht, dass die Frau zunächst ihre Anonymität wahren kann. Ich glaube, dass der Druck, der ja eigentlich von den Frauen genommen werden soll, damit wieder erhöht wird. Erhöht werden würde mit dem vorliegenden Entwurf auch die Verantwortung der Beratungsstellen. Sie sollen nach dem Gesetzentwurf für die Anzeigepflicht verant- wortlich sein. Ich glaube, das ist problematisch. Ich glaube, wir sind uns in dem Ziel einig, dass wir die Gesundheit der verzweifelten Frauen und das Leben der Neugeborenen schützen wollen. Aber wir müssen uns doch fragen, wie die Hilfe aussehen muss, damit diese Frauen sie auch annehmen können; denn ansonsten schaf- fen wir eine Lösung, die an den Problemen vorbeigeht. Ist es nicht besser, Frauen, die sich in einem existenzgefähr- denden Konflikt befinden, tatsächlich in Ausnahmefällen die anonyme Geburt in einem Krankenhaus anzubieten? In diesem Fall wäre das Krankenhaus in Zusammenarbeit mit einer entsprechenden Stelle für die Anmeldung des Kindes verantwortlich. Ich sehe keinen sachlichen Grund, die Anzeigepflicht bei einer anonymen Geburt allein auf die Beratungsstellen zu verlagern. Derzeit gibt es bereits einige mutige Projekte, die die anonyme Geburt ermöglichen. Dazu gehören eine Klinik in Bayern, in der Mütter ihre neugeborenen Kinder zurücklassen können wie auch das Hamburger Findel- kind-Projekt. Ein Blick über die Grenzen kann uns viel- leicht bei der Lösung helfen. In Frankreich sind anonyme Geburten bereits seit 1941 möglich. Diese Möglichkeit wurde damals geschaffen, um Frauen, die während des Krieges beispielsweise von ausländischen Soldaten uner- wünscht schwanger wurden, die Chance zu geben, ano- nym zu entbinden. Diese Regelung dient noch heute dem Schutz des Kin- des bei einer anonymen Geburt. Circa 500 bis 700 Kinder werden dort als „anonym“ registriert. Allerdings wurden dort bis jetzt auf sämtliche Abstammungsnachweise ver- nichtet. Inzwischen hat das Kabinett aber beschlossen, dass Kinder auf Antrag Kontakt zu ihren leiblichen Eltern herstellen können. Wir müssen auch bedenken, wie dem Recht des Kin- des, die eigene Abstammung zu erfahren, Rechnung ge- tragen werden kann. Lassen Sie uns möglichst gemeinsam nach einer Lö- sung suchen, die die Frauen, die sich in einer akuten Not- lage befinden, in ihrem Konflikt mit niedrig schwelligen Beratungs- und Hilfsangeboten unterstützt, die das Leben der Kinder schützt und Möglichkeiten schafft, freiwillig die eigene Abstammung zu erfahren, und Kinderhandel ausschließt. Zur Lösung dieser Konflikte ist der vorge- legte Gesetzentwurf nicht ausreichend. Darum schlage ich vor, dass wir all diese Fragen mit Vertretern von den entsprechenden Initiativen und Fachleuten aus Wissen- schaft in einer Anhörung erörtern. Vielleicht gelingt es uns sogar, einen gemeinsamen neuen Antrag zu verab- schieden. Ina Lenke (F.D.P.):Der Antrag der CDU/CSU zur Än- derung des Personenstandsgesetzes ist erst auf den zwei- ten Blick ein Thema, mit dem sich der Bundestag drin- gend beschäftigen muss. Ich selbst war in Vorbereitung dazu. Ich würde mir wünschen, dass wir während der Bera- tungen in den Ausschüssen zu einem gemeinsamen An- trag und gemeinsamer Beschlussfassung kommen, um schwangeren Frauen, die in ihrem persönlichen Umfeld und in ihren Familien nicht gut aufgehoben sind, eine Möglichkeit zu eröffnen, ihr Kind auch anonym zur Welt zu bringen. Die Zielrichtung dieses Antrages ist positiv: Schwan- geren Frauen in einer Notsituation soll geholfen werden, ihr Kind unter ärztlicher Betreuung anonym zur Welt zu bringen. Rechtlich ist das derzeit nicht möglich. Ärzte, Hebammen und Klinikleitungen befinden sich nicht auf legalem Boden, wenn sie Leben und Gesundheit schützen wollen. Mit gesetzlichen Änderungen können wir verhin- dern, dass jedes Jahr circa 40 bis 50 Frauen unter unwür- digen Zuständen und in gefahrvollen Situationen für Mut- ter und Kind ein Kind zur Welt bringen. Was soll getan werden, um zu verhindern, dass Säug- linge ausgesetzt werden und zu Tode kommen? Die so ge- nannten „Babyklappen“ sind eine Art der Hilfestellung, eine andere ist der vorliegende Antrag. Den Ansatz, Schwangerenberatungsstellen einzuschalten, sehe ich posi- tiv. Schon jetzt kann die Beratung anonym erfolgen. Das soll nun über den Zeitpunkt der Geburt ausgedehnt werden. Der Vorschlag des CDU/CSU-Antrages, die Frist zur Anzeige einer Geburt nach § 16 Personenstandsgesetz von eine auf zehn Wochen auszudehnen, gibt der Mutter Gelegenheit, sich für das gemeinsame Leben mit ihrem Kind zu entscheiden. Ein Problem der Regelung ist, dass das Recht des Kindes, seine Herkunft zu erfahren, mit der anonymen Geburt stark eingeschränkt wird: Dazu hat ein Verband aus Hamburg den Abgeordneten Vorschläge gemacht, die mit in die parlamentarischen Beratungen einbezogen werden sollten, mit dem Ziel, verfassungs- rechtliche Bedenken auszuräumen und somit das Recht des Kindes, seine Herkunft zu erfahren, beizubehalten. Neben gesetzlichen Änderungen muss ein Ausbau von Hilfsangeboten erfolgen. Die Babyklappe als letzte Ret- tung von Findelkindern oder Einrichtungen wie das Kin- derhaus im brandenburgischen Schwinau, das ausgesetzte Kinder aufnimmt, sind niedrig schwellige Angebote, die helfen, Leben zu retten. Wenn sich der Bundestag zu ei- ner Novellierung des Personenstandsgesetzes entschließt, sollten auch Regelungen gefunden werden, die die ano- nyme Geburt im Krankenhaus – wie sie in Süddeutsch- land von einem Krankenhaus bereits durchgeführt wird – gesetzlich absichern und gleichzeitig Klarheit über ver- fassungsrechtliche Fragen und andere, wie beispielsweise die Kostenträgerschaft, schaffen. Ich würde mich freuen, wenn wir zu einem gemeinsa- men Antrag aller Fraktionen im Deutschen Bundestag kä- men und werde mich dafür einsetzen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14105 (C) (D) (A) (B) Heidemarie Lüth (PDS): Welcher formale Akt, wel- che persönliche Tragik, welches Leid, welche Demüti- gung, aber auch welche Chance verbergen sich hinter die- sem Gesetzentwurf? Seit Jahrhunderten bemühen sich Frauen, ja kämpfen Frauen, um die Selbstbestimmung. Dies schließt die Beantwortung der Frage ein, ob sie ein Kind austragen oder wann sie ein Kind gebären und ob sie mit ihm leben können. Nicht alle betroffenen Frauen lösen diesen schwierigen Konflikt aus den unterschiedlichsten Gründen selbstbe- stimmt und selbstbewusst. Aus Scham, allein gelassen, un- ter dem Druck der eigenen Familie, den Gesetzen ausge- setzt, die nicht immer bekannt sind, entscheiden sich Frauen zum Äußersten. Wir alle wissen das. Muss die Frau illegal gebären, sind oft Gefahren für Mutter und Kind der Preis. Noch schwerer wiegen psychische Belastung und Angst! Ein Findelkind – die Weltliteratur hält Zeugnisse be- reit – kann ebenso ein Problem der Frau von nebenan sein. Eine Möglichkeit, den in dieser Not geborenen Kindern eine Chance zu geben, sind die „Babyklappen“. Dies ist eine nicht geringe Chance für diese Kinder, die Chance auf Leben! Nach den heute geltenden gesetzlichen Regelun- gen verlieren sie jedoch das Recht, je ihre Herkunft zu er- fahren. Die abgebenden Mütter haben keine Aussicht, je zu erfahren, was aus dem Leben, zu dem sie trotz alledem ver- holfen haben, geworden ist. Adoptiveltern, die den Kin- dern Vater und Mutter werden, leben mit diesem Konflikt. Wer erlaubt uns, die wir nicht betroffen sind, diese sen- sible Frage zu entscheiden, zu entscheiden, ob ein Adoptiv- kind wissen darf, wer die leiblichen Eltern sind, ob die leibliche Mutter nach Jahren erfahren darf, wo und wie das Kind lebt? Wer erlaubt uns nicht zuletzt zu entscheiden, wie die Adoptiveltern das Problem bewältigen? Eine sechsfache unterschiedliche Sicht! Was darf, was muss rechtlich für alle Seiten wirklich geregelt sein? Welche vor allem auch zeitlichen Spielräume sollen gegeben werden? Kann überhaupt zwischen den Schutzgütern der am Kon- flikt beteiligten Parteien abgewogen werden? Was soll primär sein? Dies sind Fragen, die einen nicht loslassen! Sollen diese Kinder eine Chance haben und die abge- benden Mütter freier entscheiden können, dann bedarf es nicht noch mehr Regelungen! Dann bedarf es eines ganzen Bündels von Hilfsangeboten, die entkriminalisie- ren, vor Babyhändlern schützen, Frauen in der Schwan- gerschaft und bei der Geburt die notwendige gesundheit- liche Betreuung ermöglichen, den Kindern eine Chance geben, ihre Herkunft zu erfahren, so sie denn wollen, und die den Adoptiveltern, die nun Eltern der Kinder sind, hel- fen, gemeinsam mit ihren Kindern die komplizierte Si- tuation zu meistern. Nicht zu vergessen die erheblich schwerwiegendere Position der Frauen, für die das Ausländergesetz ent- scheidet. Der vorliegende Entwurf ist ein scheinbarer Aufschub, bietet letztlich keine wirkliche Lösung. Der anonymen Beratung und der anonymen Geburt folgt letzt- lich doch die staatliche Sanktion: die Meldepflicht, und zwar nicht von den Frauen direkt; vielmehr werden die Schwangerenberatungsstellen meldepflichtig. So bleibt den Frauen auch dieser psychische Druck nicht erspart. Eventuell wird momentan eine Panikreaktion verhindert; die Lösung ist es in keiner Weise. Wir sollten gemeinsam mit den Vereinen, Verbänden und den Selbsthilfegruppen überlegen, welche Wege geboten und gangbar sind. Nicht alles, was rechtlich geregelt ist, ist hilfreich, schon gar nicht in einem Bereich, in dem es um das Schicksal und Entscheidungen geht, die einen in der Tat ein Leben lang begleiten! Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung (DRG-Systemzu- schlags-Gesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Horst Schmidbauer (Nürnberg) (SPD): Es ist gut, dass wir das zentrale Reformvorhaben, eine neue Vergü- tungsstruktur nach Leistung für die Krankenhäuser einzu- führen, heute ein tüchtiges Stück voranbringen: Es ist tatsächlich ein riesiger Reformsprung, wenn in Zukunft die Leistung im Krankenhaus nicht mehr nach dem belegten Bett, sondern nach der tatsächlichen Leistung, nach dem tatsächlichen Aufwand in D-Mark bezahlt wird. Es ist tatsächlich ein riesiger Reformsprung, wenn wir der Rosinenpickerei mit der Selektion der günstigsten Krank- heitsfälle durch die Einführung der DRGs ein Ende berei- ten. Es ist tatsächlich ein riesiger Reformsprung, wenn wir durch Abschläge oder Zuschläge die Mehr- oder Minder- kosten von Krankenhäusern für ihre strukturbedingten Auf- gaben gerecht bewerten. Dies ist ein wichtiger Wertewan- del unter dem Motto: Das Geld muss der Leistung folgen. Erfreulich ist, dass die Deutsche Krankenhausgesell- schaft und die Krankenhausgesellschaften der Länder die- sen Reformschritt nun aufgeschlossen und konstruktiv gefördert haben. Das Ziel der ersten Etappe ist also zeit- gerecht erreicht. Die Vereinbarung in der Selbstverwaltung wird von al- len Beteiligten positiv bewertet, denn die AR-DRGs sind das medizinisch zeitgerechteste DRG-System. Drei wichtige Aufgaben sind jetzt zu leisten: Erstens. Die AR-DRGs müssen an die deutschen Behandlungsver- hältnisse angepasst werden. Zweitens. Das Klassifikati- onssystem muss jährlich an medizinische Veränderungen angepasst werden. Drittens. Die Bewertungsrelationen müssen auf der Grundlage tatsächlicher Kosten deutscher Krankenhäuser kalkuliert werden. Diese Aufgabenstellung ist nach unserer Auffassung weder vom Staat, sprich: vom BMG, noch von privaten Einrichtungen zu erfüllen. Wir setzen nicht auf staatliche, wir setzen nicht auf private, wir setzen auf die Selbstver- waltung. Wir reden nicht über Selbstverwaltung, sondern wir bauen und vertrauen auf die Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung braucht aber zur Umsetzung der ge- nannten drei Punkte einen neuen, wichtigen Baustein; denn nur so können diese zentralen Aufgaben erfüllt wer- den. Dieser neue Baustein heißt: DRG-Institut. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114106 (C) (D) (A) (B) Die Selbstverwaltung hat sich darauf verständigt, die- ses Institut einzurichten. Das DRG-Institut wird die er- forderlichen Aufgaben übernehmen. Ohne eine solche, hochqualifiziert arbeitende Einrichtung geht es nicht. Das belegen die Erfahrungen vieler Länder. Dass die Erfüllung nicht zum Nulltarif geht, wissen wir von den Ländern, die mit DRGs arbeiten. Wenn sie Leis- tungen sehr korrekt abbilden sollen, dann müssen Fach- leute dicke Bretter bohren. Vergessen wir nicht: Es geht nicht um ein Rechnungsvolumen von 100 Millionen DM, sondern um ein Volumen von 100 Milliarden DM, für das wir eine neue leistungsbezogene Vergütung einführen wollen. Die geschätzten 5 Millionen DM für Institut und wis- senschaftliche Aufträge – 3,5 Millionen DM für das Insti- tut und 1,5 Millionen DM für die Aufträge –, sind sicher nicht überzogen hoch. Trotzdem können diese 5 Milli- onen DM nicht von der Selbstverwaltung, vor allem aber nicht von den Krankenhausgesellschaften, aus der Porto- kasse bezahlt werden. Dies kann die Selbstverwaltung aus eigener Kraft nicht schaffen. Wir schaffen mit dem DRG-Systemzuschlags-Gesetz die rechtliche Grundlage für die Finanzierung. Dazu wollen wir einen einfachen, schnell begehbaren Weg herstellen. Dieser Weg heißt Systemzuschlag. Die Kosten für das DRG-Insti- tut sollen über einen Systemzuschlag finanziert werden. Dieser Zuschlag ist von den Krankenhäusern zu entrichten. Der Systemzuschlag beträgt 30 Pfennig pro Krankheitsfall. Damit sind die 5 Millionen DM finanzierbar. Dabei wollen wir das einzelne Krankenhaus nicht über- fordern. Die 30 Pfennige pro Krankheitsfall werden die Budgets der Krankenhäuser nicht belasten. Diese Kosten werden nicht zulasten des Krankenhauses gehen. Das heißt, die Krankenhaus-Kollekte findet außerbudgetär statt. Aber wir verkennen nicht: Durch diese „Aus- deckelung“ haben wir auch den Rahmen für die Zustim- mung erweitert und das Gesetzgebungsverfahren be- schleunigt. Dies hat dazu geführt, dass im Bundestag die Mehrheit klar ist; auch aus dem Bundesrat – gleich, aus welcher Richtung – wird Zustimmung signalisiert. Die Selbstverwaltung hat sich auf diese Lösung ver- ständigt. Damit können wir nicht nur der Selbstverwal- tung zeitgerecht zu einem großartigen Baustein verhelfen. Wir bleiben auch noch im Zeitplan, um zeitgerecht die D-DRGs, in Deutschland einzuführen. Das D steht für die deutschen DRGs. Eines möchte ich noch unbedingt klarstellen: Die Rege- lung des DRG-Systemzuschlags-Gesetzes ist nicht als Prä- zedenzfall zu verstehen. Sie wird hier ausnahmsweise ge- troffen und ist gerechtfertigt wegen des außerordentlichen Umfangs und der Dauerhaftigkeit des Vorhabens. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Wir beschäfti- gen uns heute mit dem Entwurf der Regierungsfraktionen für ein DRG-Systemzuschlags-Gesetz. Dieses Gesetz ist zweifelsohne wichtig, es ist aber bei den notwendigen Veränderungen für die Einführung eines neuen Entgelt- systems im stationären Sektor nur der kleinste Baustein. Krankenhäuser, Selbstverwaltung und Fachgesell- schaften haben sich angestrengt, die ihnen vom Gesetz- geber übertragenen Aufgaben in einem zeitlich eng gesteckten Rahmen zu bewältigen. Die rot-grüne Bundes- regierung lässt indes nicht erkennen, dass auch sie ihre Hausaufgaben macht. Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit der GKV- Gesundheitsreform 2000 zwar die Weichen für die Ein- führung eines neuen pauschalierten Entgeltsystems im stationären Sektor gestellt. Aber Rot-Grün verkennt, dass in Deutschland die erforderlichen Daten für eine zuver- lässige, flächendeckende Kalkulation der in deutschen Kliniken behandelten Fälle und ihrer Aufwendungen erst erstellt werden müssen. Zwar hat Rot-Grün der DRG-Einführung eine Vorbe- reitungsphase vorangestellt, jedoch ist diese zeitlich viel zu knapp bemessen. Noch im Jahr 2000 sollten die Leis- tungs- und Diagnosekataloge erarbeitet, Krankenhäuser repräsentativ ausgewählt und die Kalkulationsregeln er- stellt werden. Die Daten des Jahres 2001 sollen pro- spektiv erfasst und zur Berechnung der Relativgewichte herangezogen werden, um dann im Jahr 2002 Basisfall- preise zu ermöglichen. Dieser Zeitplan ist nicht zu halten. Auch deshalb ist die rot-grüne Bundesregierung aufgefordert, die Anpassungs- phase für die Krankenhäuser zu verlängern und nicht be- reits zum 1. Januar 2003 die stationären Leistungen scharf nach dem DRG-System abzurechnen. Geschieht dies nicht, droht die Einführung des neuen Finanzierungssys- tems ein Flop zu werden – jedoch nicht, weil die Selbst- verwaltung ihre Hausaufgaben nicht erledigt hätte, son- dern weil die Regierung nicht angemessen auf die Situation reagiert hat. Neben der Verlängerung der Anpassungsphase bis zum Jahr 2006 ist es dringend erforderlich, sowohl das Kran- kenhausfinanzierungsgesetz als auch die neue Entgeltver- ordnung noch in diesem Jahr zu novellieren. Die ord- nungspolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Systemumstellung und die Konvergenzphase müs- sen schnell geschaffen werden. Anpassungsbedarf besteht auch bei der Verschlüsse- lung der Daten. Erst zum 1. Januar 2000 ist der ICD-10 eingeführt worden. Dieser kann aber nicht 1:1 auf den australischen Schlüssel, der für das DRG-System gilt, umgesetzt werden. Der derzeit geltende Prozeduren- schlüssel enthält nur wenige diagnostische Maßnahmen und ist damit als Grundlage des neu aufzubauenden deut- schen Kataloges ungeeignet. Noch kritischer als die jahrelang versäumte Kataloger- stellung wirkt sich indes die inhaltliche Abstimmung aus. Der Widerspruch wird hier besonders dadurch deutlich, dass es noch gar keine definierten Grundlagen für die DRGs gibt, jedoch heute schon prophylaktisch der diffe- renzierte Inhalt reduziert wird. Mit dem reduzierten Kata- loginhalt sollen dann aber bereits in diesem Jahr die Leis- tungen dokumentiert und die Relativgewichte kalkuliert werden. Ziel ist es, in 2002 für das Jahr 2003 eine kosten- homogene Fallgruppe zu bilden und die zutreffende Höhe des Basisfallpreises zu ermitteln. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14107 (C) (D) (A) (B) Wenn die rot-grüne Bundesregierung glaubt, mit die- sem vorgegebenen Verfahren Gewinne zu erzielen – etwa in Form einer baldigen Kostenreduktion im Kranken- haussektor –, dann irrt sich diese Bundesregierung. Die Einführung von DRG – das zeigen internationale Erfah- rungen – ist bislang nicht mit einer Kostenreduktion ver- bunden gewesen. So hat beispielsweise in Frankreich die Einführung der „Groupes homogenes de malades“ circa 3 Milliarden Francs gekostet. In Österreich und in Italien sind die Kosten je Fall bei Einführung der DRG um 5 bzw. 3,9 Prozent gestiegen. Deshalb ist nicht zu erwarten, dass mit der Einführung der DRG unmittelbar eine Kostenre- duktion im stationären Sektor einhergehen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einführung des neuen pau- schalierten Entgeltsystems zwischen 3 und 5 Prozent der Krankenhausbudgets verbrauchen wird. Unredlich ist die Aussage von Rot-Grün in dem Gesetz- entwurf, dass durch dieses Gesetz eine Erhöhung der Ein- zelpreise, des allgemeinen Preisniveaus und insbesondere des Verbraucherpreises nicht zu erwarten ist. Denn die er- hoffte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus wird nicht unmittelbar einsetzen, sondern erst eine Folge von Jahren, wenn nicht gar von Jahrzehnten sein. Vielleicht hofft die rot-grüne Bundesregierung darauf, dass die Mehrausgaben der Krankenkassen in den oh- nehin angekündigten Beitragssatzsteigerungen unterge- hen. Völlig ungeklärt ist die Situation bei den Privatversi- cherten. Denn sie sollen laut Gesetzentwurf mit 0,30 DM pro Krankenhaustag an den Kosten der Entwicklung, Ein- führung und laufenden Pflege des DRG-Fallpauschalen- systems beteiligt werden. Im Interesse der Privatversi- cherten hat die rot-grüne Bundesregierung zu klären, ob die Privatversicherer – ebenso wie die gesetzlichen Kran- kenkassen – bereit sind, sich an diesen Kosten zu beteili- gen. Die rot-grüne Bundesregierung ist aufgerufen, die Rahmenbedingungen im Krankenhaussektor so auszuge- stalten, dass die Einführung des neuen pauschalierten Ent- geltsystems möglichst reibungslos funktionieren kann. Dazu ist der vorgelegte Gesetzentwurf ein erster Schritt, allerdings der kleinstmögliche. Und es bleiben viele Fra- gen offen. Katrin Göring-Eckart (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Wir stehen vor einer grundlegenden Reform in der Krankenhausfinanzierung und einer entscheidenen Um- setzung und Fortführung des Gesundheitsreformgesetzes. Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2000 hatte die Bun- desregierung die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft beauftragt, bis zum 1. Januar 2003 ein DRG-Fallpauschalensystem für die Vergütung von voll- und teilstationärer Krankenhaus- leistung einzuführen. Bereits jetzt bestehen die Vergütun- gen im Krankenhausbereich zu 25 Prozent aus Fallpau- schalen und Sonderentgelten. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht und wollen es deshalb fortführen. Die Einführung des Fallpauschalensystems bedeutet für mich vor allem zweierlei: Transparenz und Patienten- orientierung. Dafür stehen wir Grünen. Das Fallpauscha- len-Vergütungssystem im Krankenhausbereich bedeutet, dass wir die gleiche Leistung, unabhängig von der jewei- ligen Region, gleich vergüten werden. Eine einheitliche Vergütung bedeutet mehr Gleichheit und mehr Transpa- renz. Eine solche Vergütung nach Fallpauschalen wird of- fenlegen, wer wo und welche Kosten verursacht und ob die Erträge die Kosten decken. Das wird den Kranken- häusern eine notwendige Basis bieten, strategische Ent- scheidungen zu treffen. So werden wir auch Qualitätsde- fizite und Wirtschaftlichkeitsreserven genauer benennen können. Wir werden damit Schluss machen, dass wirt- schaftliche Verhaltensweisen noch belohnt werden, die nicht zum Wohle des Patienten geschehen. Wir geben ein Drittel der beitragsfinanzierten Ausgaben im Gesund- heitswesen für den Krankenhausbereich aus. Es ist not- wendig und möglich, in diesem Bereich zu sparen. Wir Grüne haben uns zum Ziel gesetzt, die Beiträge stabil zu halten. Das gilt für die gesetzliche Rentenversi- cherung, die Arbeitslosenversicherung, die Pflegeversi- cherung, aber auch gerade für die gesetzliche Kranken- versicherung. Wir sind an der Grenze der zumutbaren Belastung von Sozialabgaben für die junge Generation angelangt. Das DRG-Fallpauschalensystem trägt dazu bei, die Beitragssatzstabilität zu gewährleisten. Neben der Beitragssatzstabilität kämpfen wir für Qua- lität im Gesundheitswesen und Patientenrechte. In Zu- kunft kann es nicht nur darum gehen, Krankheiten zu be- handeln, sondern der Mensch muss mit seiner gesamten sozialen Umwelt und seinen Problemen im Mittelpunkt der medizinischen Versorgung stehen. In Zukunft kann es also nicht darum gehen, den Menschen in einem hoch spe- zialisierten Fachbetrieb eines Krankenhauses zu behan- deln. Das Krankenhaus muss durchlässig werden und eine Versorgungsstruktur geschaffen werden, in dem sta- tionäre und ambulante Fachdienste eng vernetzt sind und auch Dienste der allgemeinen Lebenshilfe und Selbsthil- fegruppen mit einschließt. Gesundheitszentren sollten den örtlichen Mittelpunkt bilden und die vor- und nach- gelagerten Leistungsbereiche koordinieren. Der Mensch darf in Zukunft nicht nur von einer medizinischen Instanz zur nächsten weitergereicht werden, sondern muss in ei- ner gut abgestimmten Einzelfallbetreuung über die ein- zelnen Instanzen hinweg begleitet werden. Die notwendige Anpassung an die australische AR-DRG Klassifikation wird mit der einhergehenden An- passung an die Besonderheiten der Vergütungssysteme der Bundesrepublik, der Kalkulation der allpauschalen und deren Einführung sowie ständige Anpassung an den medizinisch technischen Fortschritt, die Einstellung von Personal und Schaffung neuer institutioneller Strukturen Kosten verursachen. Das Gesetz sieht vor, den DRG- Systemzuschlag pro Krankenhausfall zusätzlich abzu- rechnen. Die Krankenhäuser werden die Beträge an die Selbstverwaltungspartner weiterleiten. Bund, Ländern und Gemeinden werden keine zusätzlichen Ausgaben ent- stehen. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf des DRG- Systemzuschlags regeln wir klar die Zuständigkeiten für die entstehenden Kosten der Umstellung. Wir schaffen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114108 (C) (D) (A) (B) damit eine weitere wichtige Grundlage, das DRG-System zu realisieren. Bitte stimmen Sie dem vorliegenden Ge- setzentwurf zu und tragen Sie mit dazu bei, unser Ge- sundheitswesens zu modernisieren. Dr. Dieter Thomae (F.D.P.): Mit der GKV-Gesund- heitsreform 2000 hat die Koalition die Einführung eines diagnosebezogenen Fallpauschalsystems beschlossen. Die für die Einführung zugrunde gelegten Fristen sind da- bei viel zu kurz bemessen. Ich hätte erwartet, dass in ei- nem Gesetz zur Änderung des Krankenhausfinanzie- rungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung diese Fristen zumindest um drei Jahre nach hinten geschoben werden, weil bereits jetzt absehbar ist, dass in der Kürze der Zeit ein seriöses Implementieren des neuen Systems nicht möglich ist. Die Gefahren, die für die Kranken- hausversorgung der Bevölkerung damit verbunden sind, wenn zu schnell gehandelt wird, sind viel zu groß. Ganz abgesehen davon steht die Rahmensetzung für das neue System nach wie vor aus. Auch dies hätte im Zuge einer Gesetzesänderung geklärt werden müssen. Die Kranken- häuser müssen wissen, unter welchen Bedingungen sie zukünftig arbeiten werden. Die alte Bundesgesundheits- ministerin Frau Fischer hat anlässlich des Deutschen Krankenhaustages verkündet, dass sie ein „echtes Preis- system“ wolle. Völlig ungeklärt ist zur Zeit, ob das die SPD auch so sieht. Zudem wäre es auch höchst interessant gewesen, in Gesetzesform gegossen vorzufinden, was diese Koalition unter einem „echten Preissystem“ ver- steht. Ein Budget macht in einem solchen System keinen Sinn, genauso wenig wie starre, prospektiv festgelegte Leistungsmengen. Die duale Finanzierung heutiger Prä- gung, die detaillierte staatliche Krankenhausplanung sind ebenfalls mit einem Preissystem nicht kompatibel. Der vorgelegte Gesetzentwurf greift deshalb entschieden zu kurz. Ohne Zweifel müssen die Kosten, die durch den Aufbau und die Pflege eines Fallpauschalsystems entste- hen. getragen werden. Aber ob das nun unbedingt über ei- nen Krankenhauspfennig erfolgen muss, oder ob es nicht andere, effizientere Lösungen gibt, wird in den weiteren Beratungen zu klären sein. Zudem fallen Kosten nicht nur den neu zu schaffenden Gremien an, sondern auch in den Krankenhäusern, die nun mit der Umstellung beginnen müssen. Auch hierfür müssen Lösungen gefunden wer- den. Dr. Ruth Fuchs (PDS): Zu den Veränderungen für den Krankenhausbereich, die mit der Gesundheitsreform 2000 beschlossen wurden, gehört der vollständige Über- gang zu einer Vergütung von Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen. Inzwischen haben sich die beauf- tragten Selbstverwaltungsgremien darauf festgelegt, dem zu erstellenden Katalog solcher Fallpauschalen eine in Australien bereits angewendete Diagnosen-Klassifikation zugrunde zu legen. Das verlangt ihre Anpassung an die deutschen Verhältnisse sowie weitere umfangreiche Vor- bereitungsarbeiten. Zu diesen gehören die Entwicklung entsprechender Kodierregeln, die Kalkulation der Pau- schalen bzw. die Ermittlung von Bewertungsrelationen, die Schaffung eines Systems von Zu- und Abschlägen und anderes mehr. In der Folgezeit wird dazu auch die stän- dige Berücksichtigung der künftigen Entwicklungen in Diagnostik und Therapie sowie der laufenden Verände- rungen der ökonomischen Rahmenbedingungen der Krankenhäuser zählen. Aus diesem Grunde sollen jetzt neue institutionelle Strukturen entstehen, die bisher nicht erforderliche finanzielle Aufwendungen verursachen. Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf, durch die Neueinführung eines so genannten DRG-Systemzu- schlags je Krankenhausfall die rechtlichen Grundlagen für die Bereitstellung der zusätzlich benötigten Mittel zu schaffen. Da die anfallenden Kosten noch nicht genauer zu beziffern sind, werden zunächst einmal jährlich 5 Mil- lionen DM veranschlagt. Nach allen Erfahrungen dürfte sich diese Summe künftig weiter erhöhen. Auch wenn es sich dabei – gemessen an den Gesamtkosten der Kran- kenhäuser – nicht um systemsprengende Größenordnun- gen handelt, bleibt dennoch bemerkenswert, dass die Re- gierungskoalition ohne weiteres bereit ist, Geld der Versicherten zusätzlich und sogar außerhalb der Budget- grenzen für neue bürokratische Institutionen auszugeben. Für die eigentlichen medizinischen Versorgungsaufgaben hält sie dagegen an einer Budgetierungspolitik fest, die in ihrer Rigorosität und Undifferenziertheit nach wie vor nur als hochgradig verfehlt bezeichnet werden kann. Schwerwiegender sind nach unserer Auffassung aller- dings die Gefahren, die mit der Einführung des DRG-Sys- tems generell für eine humane und an den Interessen der Patienten sowie der Beschäftigten orientierte Arbeit in den Krankenhäusern einhergehen. Zu befürchten ist, dass die neue Vergütungsform die schon heute einseitige Öko- nomisierung der Arbeit in den Krankenhäusern weiter be- schleunigt. Zugleich wächst die Gefahr, dass es zwischen den Krankenhäusern noch stärker zu ungesundem Kon- kurrenzverhalten kommt und dass sich der Trend zu un- vertretbarem Bettenabbau und Privatisierung sowie der Druck auf die Flächentarifverträge verstärken. Gerade deshalb treten wir auch weiterhin entschieden für den Er- halt des staatlichen Sicherstellungsauftrages ein, der be- kanntlich auf eine flächendeckende, stationäre Versor- gung auch in strukturschwachen Gebieten gerichtet ist. Nach unserer Auffassung lässt sich nur so soziale Verant- wortung mit ökonomischer Vernunft verbinden. Erfah- rungsgemäß können DRGs darüber hinaus bewirken, dass stationäre Leistungen reduziert werden und die Qualität der Behandlung für den einzelnen Patienten leidet. Mehr noch: Besonders chronisch kranke Menschen können zu so genannten schlechten Risiken werden, was ihre Ver- sorgung insgesamt infrage stellt. Unseres Erachtens hat die Regierung hier die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass es weder zu Qualitätsdumping noch zu Risikoselektion kommt. Zugleich steht sie in der Verantwortung, Qua- litätssicherungssysteme zur Anwendung zu bringen, die in ihrer Wirksamkeit deutlich über das bisher Konzipierte hinausgehen. In diesem Zusammenhang wird es immer wichtiger, dass auch die Personalbemessungen vor allem von den notwendigen Qualitätsstandards abgeleitet wer- den. Nach unserer Auffassung ist ein weiterer Perso- nalabbau in den Krankenhäusern völlig unzumutbar. Im Gegenteil: Wie auch internationale Vergleiche zeigen, be- steht in der Bundesrepublik auf diesem Gebiet noch im- mer Nachholbedarf. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 2001 14109 (C) (D) (A) (B) Im Übrigen ist die flächendeckende Installierung ei- ner Krankenhausvergütung nach Fallpauschalen im Maßstab eines ganzen Landes ein völliges Novum. Das hat die Regierung allerdings nicht daran gehindert, Zeit- spannen für ihre Bewältigung vorzugeben, die – trotz erster Verlängerungen – noch immer zu knapp sind. Schwerwiegende Fehlentwicklungen auf Kosten der Patienten und des Krankenhauspersonals sind so gera- dezu vorprogrammiert. Damit wird die DRG-Ein- führung zu einem Feldexperiment ohne Beispiel. Auch der vorliegende Gesetzentwurf steht für uns in diesem Kontext. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 143. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Januar 200114110 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Peter Zumkley


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen
    und Herren! Die derzeitige zuweilen aufgeregt und auch
    emotional geführte Debatte wird von einigen so geführt,
    als wäre diese Munition erst im Kosovo zum Einsatz ge-
    kommen und nicht schon früher. Gerade auch nach dem,
    was wir gerade gehört haben, habe ich den Eindruck, dass
    gelegentlich politische Interessen verfolgt werden, die mit
    der eigentlichen Sache nichts zu tun haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Auf Anfragen meines Kollegen Georg Pfannenstein

    aus den Jahren 1995 und 1997 hat die damalige Regierung
    mitgeteilt, dass keine Gefährdung von uranabgereicherter
    Munition ausgeht. Umso verwunderlicher finde ich die
    jetzigen Vorwürfe gegen den Bundesminister der Ver-
    teidigung. Er hat seit dem Frühjahr 1999 den Verteidi-
    gungsausschuss fortlaufend über den Einsatz uranab-
    gereicherter Munition und die von ihr möglicherweise
    ausgehenden gesundheitlichen Gefährdungen informiert.
    Von mangelnder Informationspolitik zu sprechen ist
    schlichtweg falsch.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Er hat im Juni 1999, schon zu Beginn des Einmarsches
    in den Kosovo, zusätzliche Schutzmaßnahmen erlassen,
    um eine Gefährdung unserer Soldaten auf dem Balkan
    durch diese Munition auszuschließen.


    (Zuruf des Abg. Roland Claus [PDS])

    Damit hat der Minister seine Fürsorgepflicht voll erfüllt,
    was im Übrigen zu jeder Zeit der Fall war und ist.


    (Heidi Lippmann [PDS]: Warum nicht im Oktober 98?)


    Ebenfalls durch ihn wurde im Mai 1999 ein unabhän-
    giges wissenschaftliches Institut mit der Untersuchung
    der Problematik von DU-Munition beauftragt. Er hat in
    der vergangenen Woche mit einer Gruppe namhafter
    unabhängiger Wissenschaftler zum Thema DU-Munition
    Gespräche geführt und die Öffentlichkeit über das Ergeb-
    nis unterrichtet. In der gestrigen Sitzung des Ver-
    teidigungsausschusses hat der Bundesminister wieder
    umfassend informiert und die Ausschussmitglieder aufge-
    fordert, weitere Vorschläge zu den laufenden DU-Unter-
    suchungen einzubringen.


    (Heidi Lippmann [PDS]: Und konkrete Fragen nicht beantwortet!)


    Mir ist nicht bekannt, dass bis jetzt irgendwelche Beiträge
    – auch nicht von Ihnen – oder Verbesserungsvorschläge
    eingegangen sind, im Übrigen auch nicht im Ausschuss.


    (Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Aber sicher!)


    Meine Damen und Herren, bisher liegen keine An-
    haltspunkte dafür vor, dass es bei Soldaten der Bundes-
    wehr zu Erkrankungen gekommen ist, die auf den Kon-
    takt mit uranabgereicherter Munition oder die Aufnahme

    von ihr abgeleiteter Substanzen zurückgeführt werden
    könnten. Gleichwohl unterstützen wir ausdrücklich die
    zurzeit laufenden nationalen und im Rahmen der NATO
    durchgeführten Untersuchungen. Das geringste Gefähr-
    dungsrisiko – auch die Militärs denken in dieser Frage
    nicht so, wie Sie glauben – für die Gesundheit der Zivil-
    bevölkerung und der Soldaten, wenn es denn eines gibt,
    muss umfassend untersucht werden. Dies gilt auch für die
    Problematik, dass in diesem Zusammenhang angeblich
    sehr geringe Bestandteile von Plutonium verwendet wur-
    den. Die wissenschaftlichen Untersuchungen sind einge-
    leitet. Wir begrüßen sie.


    (Heidi Lippmann [PDS]: Nach zehn Jahren!)

    Zurzeit wird DU-Munition von den Verbündeten nicht

    eingesetzt. Darüber sind wir alle froh. Dies entspricht fak-
    tisch dem von uns angestrebten Moratorium und dem Ver-
    zicht auf diese Munition. Die Bundeswehr hat und braucht
    diese Munition nicht. Wir befürworten die gemeinsam mit
    anderen NATO-Partnern durchgeführte Initiative der
    Bundesregierung, auf Besitzer von uranabgereicherter
    Munition einzuwirken, damit diese zukünftig auf deren
    Einsatz verzichten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    In jedem Fall geht es um den Schutz der Soldaten und der
    Zivilbevölkerung gleichermaßen. Beide sind vor eventu-
    ellen Folgewirkungen von Munition und Waffen jedweder
    Art bestmöglich zu schützen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    In diesem Zusammenhang sollte auch der vielseitigen zi-
    vilen Verwendung von uranabgereichertem Material, zum
    Beispiel im Flugzeugbau, Beachtung geschenkt werden.

    Eventuelle gesundheitliche Schäden unserer Soldaten
    durch Röntgenstrahlung, die bei Erzeugung der Radar-
    strahlen entstehen, müssen sorgfältig untersucht werden.
    Die vorliegenden Studien beziehen sich auf den Zeitraum
    von Anfang der 70er- bis Anfang der 90er-Jahre. Die vom
    Verteidigungsminister in Auftrag gegebene neue Studie
    wird ausdrücklich begrüßt. Sie dient dazu festzustellen,
    ob durch mangelnden Schutz, mangelnde technische
    Kenntnisse oder durch Fahrlässigkeit Erkrankungen ent-
    standen sind, die als Wehrdienstbeschädigung anerkannt
    werden müssten.

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
    Sollte ein ursächlicher Zusammenhang festgestellt wer-
    den, muss den betroffenen Menschen bzw. ihren An-
    gehörigen unverzüglich geholfen werden. Auch ist zu prü-
    fen, ob die Radaranlagen ausreichend abgeschirmt waren
    und die geltenden Sicherheitsbestimmungen eingehalten
    wurden. Sollte dies nicht der Fall sein, ist umgehend Ab-
    hilfe zu schaffen. Wir werden dies parlamentarisch weiter
    mit Nachdruck verfolgen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Anita Schäfer von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.






(C)



(D)



(A)



(B)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anita Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr Präsi-
    dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In
    dieser Aktuellen Stunde geht es nicht nur um die Frage der
    Gefährlichkeit der so genannten DU-Munition und um
    den Umgang mit dieser Munition. Im Besonderen geht es
    auch um den Umgang des Verteidigungsministers mit die-
    sem Thema, darum, ob er, der für die Soldaten und ihre
    Gesundheit verantwortlich ist, dieser Verantwortung ge-
    recht wurde. Weiterhin geht es darum, ob er damit der Ver-
    antwortung gerecht wurde, die die westliche Staatenge-
    meinschaft durch ihre Intervention im Kosovo auf sich
    genommen hat.

    Denn beileibe nicht nur die Soldaten unserer Bundes-
    wehr sind dieser offensichtlich bis heute noch nicht rich-
    tig einzuschätzenden Gefahr ausgesetzt, sondern auch die
    vielen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, die vor Ort auf
    dem Balkan Hilfe leisten, und vor allem auch die dortige
    Bevölkerung. Nach Völkermord und Vertreibung durch
    Milosevic müssen die Menschen erkennen, dass sie und
    ihre Kinder unter Umständen seit Jahren in kontaminier-
    ten Gebieten leben.

    Schon im März des vergangenen Jahres habe ich in der
    Presse auf die Verunsicherung hingewiesen, die unter un-
    seren im Kosovo eingesetzten Soldaten herrscht. Herr
    Minister Scharping, damals hätte ich mir gewünscht, dass
    Sie sich vom amerikanischen Botschafter über die Bri-
    sanz der DU-Munition hätten unterrichten lassen – nicht
    erst in dieser Woche


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum haben Sie erst jetzt den Informationsaustausch

    mit dem NATO-Partner forciert? Damals hätten Sie den
    Sachverhalt mit einer Unterrichtung durch den amerika-
    nischen Botschafter aufklären und informieren können.
    Durch die gestrige Einbestellung dramatisieren Sie die
    Angelegenheit unnötig. Hätten Sie bei den Amerikanern
    früher nachgefragt, hätten Ihnen diese auch früher Aus-
    kunft gegeben.

    Es ist schon sehr bedenklich, liebe Kolleginnen und
    Kollegen, dass es erst der Todesfälle in den Partnerstaaten
    bedurfte, die mit der Uranmunition in Zusammenhang ge-
    bracht wurden, um den Verteidigungsminister – wenigs-
    tens in Grenzen – endlich wachzurütteln.


    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Weiterhin wird den Soldaten und der Öffentlichkeit

    weisgemacht, unsere Bundeswehrsoldaten seien bereits
    frühzeitig und ausreichend auf den möglichen Kontakt
    mit DU-Munition vorbereitet gewesen. Der Minister
    sollte sich einmal die Mühe machen, in den Web-Seiten
    seines eigenen Hauses zu surfen. Würde er dort die
    Adresse „www.bundeswehr.de“ anklicken, so würde er
    quasi regierungsamtlich unter dem Stichwort DU-Muni-
    tion auch einen Erfahrungsbericht von Angehörigen des
    Diepholzer Objektschutzbataillons finden. Hier werden
    ausdrücklich einsatzbezogene Unzulänglichkeiten beim
    Umgang mit DU-Munition beklagt.


    (Paul Breuer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


    Der Bericht ist nicht etwa ein alter Hut. Er wurde erst am
    29. November letzten Jahres ins Netz gestellt.


    (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Da schau her!)


    Mit anderen Worten: Die Aussagen des Verteidigungsmi-
    nisters waren bisher von der Wirklichkeit im Kosovo weit
    entfernt.Vielleicht hat er sie selbst geglaubt, was aller-
    dings nur schwer vorstellbar ist.


    (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren aber auch immer ganz schön blind!)


    – Das würde ich nicht sagen. – Immerhin kann er die vie-
    len Berichte aus dem Sanitätsdienst nicht übersehen ha-
    ben, in denen schon frühzeitig auf die Problematik auf-
    merksam gemacht worden ist.

    Auch im Verteidigungsausschuss war DU-Munition im
    Mai des vergangenen Jahres ein Thema. Ein Zwischenbe-
    richt, den Staatssekretär Kolbow für Juli vergangenen
    Jahres angekündigt hatte, hat bis vor einigen Tagen auf
    sich warten lassen. Es hat eine Reihe von Anfragen an die
    Bundesregierung gegeben. Aber die Soldaten und ihre Fa-
    milien wurden in der brodelnden Gerüchteküche allein
    gelassen. Ich glaube nicht, dass diese Salamitaktik, die
    wir von Minister Scharping auch in anderen Bereichen
    gewohnt sind und die schon in vielen Fällen zu Unmut
    und zur Verstimmung auch in der Bevölkerung geführt
    hat, dieser sensiblen Materie gerecht wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Kurt J. Rossmanith [CDU/ CSU]: Leider wahr!)


    Es reicht nicht aus, nur immer über das zu informieren,
    was aus den Medien ohnehin längst bekannt ist.

    Nun ist auch noch das hochgiftige Plutonium ins Spiel
    gekommen. Herr Minister Scharping, ich fordere Sie auf:
    Legen Sie endlich Zahlen, Studien und Fakten auf den
    Tisch! Nur so werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenigstens in Ihrer Informationspolitik gegenüber den
    Soldaten, dem Parlament und der Öffentlichkeit sollten
    Sie nicht zu sehr an Ihrer Amtsbezeichnung kleben. Sie
    sollten nämlich nicht nur verteidigen, sondern auch of-
    fensiv aufklären und offensiv informieren. Hier geht es
    um die Gesundheit und um das Leben vieler Menschen. In
    Anbetracht der möglichen Gefährdung durch DU-Muni-
    tion haben nicht nur unsere Soldaten, sondern auch die
    Mitarbeiter der Hilfsorganisationen und die Bevölkerung
    einen Anspruch auf rückhaltlose Information und auf un-
    geschminkte Wahrheit.

    Herr Minister Scharping, es ist zwar zu begrüßen,
    wenn Sie nun ein Team des Forschungszentrums für Um-
    welt und Gesundheit in den Kosovo entsenden, auch wenn
    das für alle Beteiligten und für das Forschungszentrum
    selbst etwas überraschend kommt. Aber auch diese Maß-
    nahme kommt etwas spät. Ich kann nicht die Befürchtung
    entkräften, dass bisher nicht alles getan worden ist, um
    das Wohl und die Gesundheit der Ihnen anvertrauten Sol-
    daten mit allen Mitteln zu schützen. Aber gerade das ist






    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    das Gebot der Stunde. Unsere Soldaten und die unserer
    Fürsorge anvertrauten Menschen vor den möglichen Ge-
    fahren durch Informationen und durch entsprechende
    Maßnahmen zu schützen, muss Vorrang haben.