Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000
Andrea Voßhoff
13856
(C)
(D)
(A)
(B)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13857
(C)
(D)
(A)
(B)
Aigner, Ilse CDU/CSU 08.12.2000
Balt, Monika PDS 08.12.2000
Barthle, Norbert CDU/CSU 08.12.2000
Dr. Bartsch, Dietmar PDS 08.12.2000
Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 08.12.2000
Beucher, Friedhelm SPD 08.12.2000
Julius
Bindig, Rudolf SPD 08.12.2000*
Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 08.12.2000
Bonitz, Sylvia CDU/CSU 08.12.2000
Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 08.12.2000**
Klaus
Burchardt, Ursula SPD 08.12.2000
Caesar, Cajus CDU/CSU 08.12.2000
Dautzenberg, Leo CDU/CSU 08.12.2000
Diemers, Renate CDU/CSU 08.12.2000
Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
Joseph DIE GRÜNEN
Freitag, Dagmar SPD 08.12.2000
Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 08.12.2000
Gloser, Günter SPD 08.12.2000
Göring-Eckardt, BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
Katrin DIE GRÜNEN
Grasedieck, Dieter SPD 08.12.2000
Gröhe, Hermann CDU/CSU 08.12.2000
Großmann, Achim SPD 08.12.2000
Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 08.12.2000
Heiderich, Helmut CDU/CSU 08.12.2000
Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
DIE GRÜNEN
Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
DIE GRÜNEN
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
DIE GRÜNEN
Hornung, Siegfried CDU/CSU 08.12.2000**
Ibrügger, Lothar SPD 08.12.2000
Imhof, Barbara SPD 08.12.2000
Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 08.12.2000
Klose, Hans-Ulrich SPD 08.12.2000
Dr. Kolb, Heinrich L. F.D.P. 08.12.2000**
Kopp, Gudrun F.D.P. 08.12.2000
Koschyk, Hartmut CDU/CSU 08.12.2000
Lennartz, Klaus SPD 08.12.2000
Lietz, Ursula CDU/CSU 08.12.2000
Lörcher, Christa SPD 08.12.2000*
Dr. Lucyga, Christine SPD 08.12.2000**
Maaß, (Wilhelmshaven) CDU/CSU 08.12.2000**
Erich,
Michelbach, Hans CDU/CSU 08.12.2000
Michels, Meinolf CDU/CSU 08.12.2000
Müller (Berlin), PDS 08.12.2000
Manfred
Nahles, Andrea SPD 08.12.2000
Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
DIE GRÜNEN
Ostrowski, Christine PDS 08.12.2000
Rauber, Helmut CDU/CSU 08.12.2000
Rühe, Volker CDU/CSU 08.12.2000
Schaich-Walch, Gudrun SPD 08.12.2000
Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 08.12.2000
Schily, Otto SPD 08.12.2000
Schloten, Dieter SPD 08.12.2000**
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 08.12.2000**
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 08.12.2000
Schröder, Gerhard SPD 08.12.2000
Schultz, (Everswinkel) SPD 08.12.2000
Reinhard
Schur, Gustav-Adolf PDS 08.12.2000
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 08.12.2000
Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 08.12.2000
Türk, Jürgen F.D.P. 08.12.2000
Uldall, Gunnar CDU/CSU 08.12.2000
Wieczorek, (Duisburg) SPD 08.12.2000
Helmut
Wimmer (Karlsruhe), SPD 08.12.2000
Brigitte
Wolf, Aribert CDU/CSU 08.12.2000
Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 08.12.2000
Margareta DIE GRÜNEN
Wülfing, Elke CDU/CSU 08.12.2000
Dr. Zöpel, Christoph SPD 08.12.2000
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates
** für Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Erklärung
des Abgeordneten Dr. Hans Peter Bartels (SPD)
zur namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion PDS zu der zweiten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4719 (Tagesordnungs-
punkt III; Einzelplan 14 – Bundesministerium
der Verteidigung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 3
Erklärung
des Abgeordneten Detlef Dzembritzki (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Änderungs-
antrag der Fraktion PDS zu der zweiten Be-
ratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001
– Drucksache 14/4719 (Tagesordnungspunkt III;
Einzelplan 14 – Bundesministerium derVerteidi-
gung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung
teilgenommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013858
(C)
(D)
(A)
(B)
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 4
Erklärung
des Abgeordneten Konrad Gilges (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion PDS zu der zweiten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4719 (Tagesordnungs-
punkt III; Einzelplan 14 – Bundesministerium
der Verteidigung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 5
Erklärung
der Abgeordneten Anke Hartnagel (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion PDS zu der zweiten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4719 (Tagesordnungs-
punkt III; Einzelplan 14 – Bundesministerium
der Verteidigung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 6
Erklärung
des Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch)
(SPD) zur namentlichen Abstimmung über den
Änderungsantrag der Fraktion PDS zu der
zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts-
gesetzes 2001 – Drucksache 14/4719 (Tagesord-
nungspunkt III; Einzelplan 14 – Bundesministe-
rium der Verteidigung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 7
Erklärung
des Abgeordneten Jochen Welt (SPD) zur na-
mentlichen Abstimmung über den Änderungs-
antrag der Fraktion PDS zu der zweiten Bera-
tung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 –
Drucksache 14/4719 (Tagesordnungspunkt III;
Einzelplan 14 – Bundesministerium derVerteidi-
gung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 8
Erklärung
der Abgeordneten Anni Brandt-Elsweier (SPD)
zur namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion PDS zu der zweiten Be-
ratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 –
Drucksache 14/4765 (Tagesordnungspunkt III;
Einzelplan 06 – Bundesministerium des Innern)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 9
Erklärung
des Abgeordneten Matthias Weisheit (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion PDS zu der zweiten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4765 (Tagesordnungs-
punkt III; Einzelplan 06 – Bundesministerium
des Innern)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge-
nommen habe und mein Votum „Nein“ lautet.
Anlage 10
Erklärung
des Abgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak
(SPD) zur namentlichen Abstimmung über den
Entschließungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der
dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsge-
setzes 2001 – Drucksache 14/4823 (Tagesord-
nungspunkt IV; Einzelplan 30 – Bundesministe-
rium für Bildung und Forschung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Mein Votum lautet „Nein“.
Anlage 11
Erklärung
des Abgeordneten Uwe Göllner (SPD) zur na-
mentlichen Abstimmung über den Entschlies-
sungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der dritten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4779 (Tagesordnungs-
punkt IV; Einzelplan 12 – Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen)
Ich erkläre, dass ich meine Stimme abgegeben und mit
„Nein“ gestimmt habe.
Anlage 12
Erklärung
des Abgeordneten Helmut Wieczorek (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der dritten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4779 (Tagesordnungs-
punkt IV; Einzelplan 12 – Bundesministerium
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Mein Votum lautet „Nein“.
Anlage 13
Erklärung
des Abgeordneten Helmut Wieczorek (SPD) zur
namentlichen Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der dritten
Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes
2001 – Drucksache 14/4823 (Tagesordnungs-
punkt IV; Einzelplan 30 – Bundesministerium
für Bildung und Forschung)
Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge-
führt. Mein Votum lautet „Nein“.
Anlage 14
Erklärung
des Abgeordneten Volker Beck (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Innenausschusses: Er-
kenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von
Bund und Ländern zur Verfassungswidrigkeit
der „Nationaldemokratischen Partei Deutsch-
lands“.
Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages
über die Einleitung eines Verfahrens zur Fest-
stellung der Verfassungswidrigkeit der „Na-
tiondemokratischen Partei Deutschlands“
(NPD) gemäß Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz
i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsge-
richtsgesetz – Drucksache 14/4923 (Tagesord-
nungspunkt 19)
Trotz erheblicher Skepsis werde ich mich einem An-
trag auf Verbot der NPD nicht entgegenstellen. Es kann
als gesichert angesehen werden, dass die NPD und ihre
Mitglieder darauf aus sind, „die freiheitliche demokrati-
sche Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen
oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu ge-
fährden“. Hierfür bieten die Materialunterlagen des Bun-
desministeriums des Inneren und andere Erkenntnisse
hinreichend Belege.
Knüpft das Bundesverfassungsgericht an seine Recht-
sprechung zum Verbot von SRPund der KPD an, dürfen da-
mit auch die Voraussetzungen für ein Verbot der NPD
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13859
(C)
(D)
(A)
(B)
erfüllt sein. Prüft das Bundesverfassungsgericht eigenstän-
dig die Verhältnismäßigkeit eines Verbots, muss der Nach-
weis geführt werden, dass ein Zusammenhang zwischen
der Zunahme rechtsextremistischer Straftaten und der NPD
oder eine andere erhebliche konkrete Gefährdung des de-
mokratischen und sozialen Rechtsstaates durch die NPD
nachweisbar ist. Ein Verbot zumindest der „Jungen Natio-
naldemokraten“, JN, der revolutionären Plattform und an-
der Teilorganisationen, dürfte auch unter diesen Gesichts-
punkten durchsetzbar sein.
Es ist aber nicht nur nach den Erfolgsaussichten einer
Maßnahme zu fragen, sondern auch danach, ob sie poli-
tisch sinnvoll ist. Hier bestehen Zweifel. Der Rechtsex-
tremismus wird nur durch gesellschaftliche Auseinander-
setzung, durch klare Abgrenzung und durch Isolation
minderheitenfeindlicher Haltungen wirksam bekämpft
werden können.
Das Verbot der NPD wird keinen wesentlichen Beitrag
zur Bekämpfung des Rechtsextremismus leisten. Die
6 000 bis 7 000 Mitglieder der NPD werden sich voraus-
sichtlich neue Organsiationsformen für ihre Aktivitäten
suchen. Es entsteht zudem die Gefahr, dass sich durch ein
Verbot sogar ein militanter Teil weiter radikalisiert und in
den Terrorismus abdriftet.
Es ist zu befürchten, dass der NPD durch das Verbots-
verfahren neue Aufmerksamkeit zuteil wird. Durch die
Antragstellung der drei Verfassungsorgane Bundestag,
Bundesrat und Bundesregierung kommt der breite Kon-
sens zum Ausdruck, der sich gegen die NPD und ihre
Ideologie wendet.
Da der Verbotsantrag durch Bundesregierung und Bun-
desrat gestellt wird, kommt diesem Signal erhöhte Be-
deutung zu.
Parteienverbote sind für eine Demokratie im Prinzip
ein systemfremdes Mittel. Es kann nur mit großer Behut-
samkeit zur Anwendung kommen. Gewalttaten, Volksver-
hetzung und andere Straftaten sind selbstverständlich mit
allem Nachdruck zu verfolgen. Für die geistige Ausei-
nandersetzung sollten und können Demokraten aber in al-
lererster Linie der Kraft des Arguments vertrauen.
Entscheidender als der Verbotsantrag sind daher an-
dere Maßnahmen im Kampf gegen den Rechtsextremis-
mus, wie sie die Koalition in ihrem Antrag und im Haus-
haltsgesetz 2001 niedergelegt hat. Auf die Bedeutung
dieser Maßnahmen verweist auch der Antrag in seiner Be-
gründung. Die geistige Auseinandersetzung muss nach
dem heutigen Tage erst recht gesucht werden.
Zu einer glaubwürdigen Strategie der Eindämmung
und Isolierung rechtsextremer Haltungen gehört auch,
dass demokratischer Politiker nicht Argumentationsmus-
ter verwenden und Begriffe prägen, die den Rechtsextre-
misten Argumentationsmöglichkeiten an die Hand geben.
Anlage 15
Erklärung
der Abgeordneten Angelika Beer und Grietje
Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Ab-
stimmung über die Beschlussempfehlung des
Innenausschusses: Erkenntnisse der Verfas-
sungsschutzbehörden von Bund und Ländern
zur Verfassungswidrigkeit der „Nationaldemo-
kratischen Partei Deutschlands“.
Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages
über die Einleitung eines Verfahrens zur Fest-
stellung der Verfassungswidrigkeit der „Natio-
naldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD)
gemäß Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz i. V. m.
§ 13 Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichts-
gesetz – Drucksache 14/4923
(Tagesordnungspunkt 19)
Wir enthalten uns zur Abstimmung des Antrags von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen und lehnen die Anträge
der Opposition ab.
Unser Abstimmungsverhalten begründen wir wie folgt:
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeind-
lichkeit entstehen in der Mitte der Gesellschaft. Dort müs-
sen sie auch bekämpft werden. Der Stellenwert, den die
Debatte um ein NPD-Verbot bzw. ein entsprechendes
Verbotsverfahren seit Monaten einnimmt, läuft Gefahr, zu
suggerieren, dass Verbote die wichtigste Handhabe gegen
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeind-
lichkeit darstellen. Die Diskussion läuft Gefahr, sich al-
lein auf die Verbotsdebatte der Partei zu konzentrieren
und die Entwicklung weiterreichender Instrumente zu be-
hindern.
Die Gefahr, die von der NPD ausgeht, ist insbesondere
aufgrund der verstärkten Zusammenarbeit mit radikalen
Kräften und so genannten „Freien Kameradschaften“ of-
fensichtlich geworden. Ein Verbotsverfahren der Partei
wird allerdings nicht verhindern können, dass sich
führende Neonazis und Rechtsradikale eine andere Platt-
form suchen und sich entsprechend neu organisieren.
Es gibt kein Patentrezept gegen Rechts. Rechtsextreme
Tendenzen müssen auf allen gesellschaftlichen und politi-
schen Ebenen dauerhaft und konsequent bekämpft wer-
den. Die Tatsache, dass jahrelang versäumt worden ist,
effektiv und nachhaltig gegen Rechtsextremismus, Anti-
semitismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen, darf
nicht dazu führen, dass im Ad-hoc-Verfahren demokrati-
sche Grundwerte und -rechte, wie zum Beispiel die Ver-
sammlungsfreiheit und Justizverfahrensregelungen, be-
schnitten werden.
Die Demokratie hat ausreichende Möglichkeiten, ge-
gen Rechtsextremismus vorzugehen. Dazu bedarf es
mündiger Bürgerinnen und Bürger. Grundlegend hierfür
ist eine entsprechende Jugendpolitik, die insbesondere am
Aufbau einer Zivilgesellschaft ausgerichtet ist.
Zudem muss die Politik beispielgebend sein, indem sie
eine weltoffene, ausländerfreundliche Politik als präven-
tive Querschnittsaufgabe gegen aufkommende rechtsex-
tremistische Tendenzen begreift. Dazu zählt insbesondere
auch eine verantungsvolle Flüchtlingspolitik.
Die Bundesregierung hat mit einem breiten Maßnah-
menkatalog deutlich gemacht, dass sie die Aufgabe,
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemi-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013860
(C)
(D)
(A)
(B)
tismus effektiv und nachhaltig zu bekämpfen, ernst
nimmt. Entsprechende Schritte sind in der Jugend- und
Schulpolitik eingeleitet worden. Die Aufhebung des Ar-
beitsverbots für Flüchtlinge ist ebenfalls als ein Beitrag zu
verstehen, Vorurteile abzubauen und rechtsextremer Ideo-
logie dauerhaft den Boden zu entziehen.
Anlage 16
Erklärung
des Abgeordneten Wolfgang Börsen (Bönstrup)
(CDU/CSU) zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Innenausschusses: Er-
kenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von
Bund und Ländern zur Verfassungswidrigkeit
der „Nationaldemokratischen Partei Deutsch-
lands“.
Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages
über die Einleitung eines Verfahrens zur Fest-
stellung der Verfassungswidrigkeit der „Natio-
naldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD)
gemäß Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz i. V. m. § 13
Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichts-
gesetz – Drucksache 14/4923 – (Tagesordnungs-
punkt 19)
Unsere Demokratie in Deutschland ist jetzt 51 Jahre
alt. Sie ist den Wechselströmungen der Gefährdungen ih-
rer Stabilität, ob durch Links- oder Rechtsextremisten, er-
folgreich begegnet. Abgesehen von den Anfangsjahren,
als es galt, einen breiten demokratischen Grundkonsens
herzustellen, galt in allen Jahrzehnten stets der gemein-
same Wille, Verblendeten, Irregeleiteten, Verbohrten in
ihrer extremistischen Auffassung nicht durch Verbote ju-
ristisch, sondern politisch zu begegnen.
Diese gemeinsame Auffassung verlassen wir heute.
44 Jahre nach der letzten großen Debatte um das Verbot
der KPD reagieren wir nicht kommunikativ, dialogbereit
auf die unvertretbaren Auswüchse schlimmen rechtsradi-
kalen Handelns, sondern demonstrieren durch ein Verbot
den starken Staat. Das ist kein Beweis demokratischen
Selbstbewusstseins, sondern eher ein Zeichen von man-
gelndem Mut zu einer offensiven Auseinandersetzung mit
einer radikalen Minderheit.
Gleichzeitig beschneiden wir das Recht auf freie Mei-
nungsäußerung, ein elementares Grundrecht in einem
demokratischen Staat. Vor einer vermeintlichen Droh-
und Druckkulisse eines innen- und außenpolitischen An-
sehensverlustes unseres Landes weichen wir in der Frage
der Meinungsfreiheit zurück, opfern sie ein Stück. Da-
mit schaffen wir einen Ansehensverlust unserer Demo-
kratie, zeigen als Parlament wenig Vertrauen in unsere
gewachsene und gefestigte demokratische Gesellschaft,
stellen eine verantwortungsbewusst-kritisch hinterfra-
gende Presse infrage.
Verbote werden unter diesen Gesichtspunkten symbo-
lische Akte. Extremistisches Denken wird damit nicht ab-
geschaltet. Die offene Auseinandersetzung mit denen
wird schwieriger, die aus der Öffentlichkeit in den Unter-
grund abtauchen müssen. Gleichzeitig geht der Hand-
lungsdruck, gegen Extremisten aktiv zu werden, für viele
zurück. Wir haben ja sichtbar was getan, das Verbot macht
unschuldige Hände. Hinzu kommt: Jetzt erst wird die
NPD für Anfällige interessant, jetzt erhält sie einen Mär-
tyrer-Mantel, jetzt lässt sich viel weniger zwischen den
wenigen Fanatikern und den vielen Mitläufern differen-
zieren, jetzt erhalten DVU und Republikaner Aufwind.
Ich verstehe auch nicht das jetzt aktive Regierungs-
handeln. Vor einem halben Jahr noch, bevor Bayern ein
NPD-Verbot wollte, war die Mehrheit von Rot-Grün ge-
gen eine solche Maßnahme. Dabei haben sich die Fakten,
die heute vorgetragen werden, nicht geändert, denn sie
umfassen in der Hauptsache Ereignisse und Druck-
erzeugnisse aus den Jahren 1995 bis 1998. Was jedoch ge-
wechselt hat, ist offensichtlich die öffentliche Meinung.
Das kann doch für ein selbstbewusstes Parlament, das un-
serem Grundgesetz verpflichtet ist, kein Maßstab sein.
Die wirklich entscheidende Frage hat das Bundesver-
fassungsgericht beim KPD-Verbot vor 44 Jahren gestellt:
Handelt es sich um eine aktiv kämpferische, aggressive
Partei, will sie unsere demokratische Ordnung beseitigen?
Sollte diese Partei tatsächlich fähig für einen Umsturz un-
serer Republik sein? Das kann doch nicht ernsthaft von ei-
ner Anzahl Leuten behauptet werden, die 0,003 Prozent
unserer Bevölkerung ausmachen. Dieser Maßstab lässt
grundsätzliche Zweifel am Verbotsantrag aufkommen.
Nach dem letzten Bericht des Bundesverfassungs-
schutzes von 1999 leben in der Bundesrepublik 9 000 ge-
waltbereite Rechts- und 7 000 gewaltbereite Linksradi-
kale. Sie sollten mit konsequenter Anwendung unserer
Gesetze und knallharten Strafen gekontert werden. Aber
eine Krankheit wie Kopfschmerzen heilt ein Arzt nicht,
wenn er sie dem Patienten verbietet. Sie muss gezielt be-
handelt werden. Auch im politischen Alltag gilt diese Er-
fahrung.
Ein Verbot wäre bei tatsächlicher Gefährdung gerecht-
fertigt, aber nicht bei vermeintlicher.
Anlage 17
Erklärung
der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer (BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über
die Beschlussempfehlung des Innenausschusses:
Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden
von Bund und Ländern zur Verfassungswid-
rigkeit der „Nationaldemokratischen Partei
Deutschlands“.
Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages
über die Einleitung eines Verfahrens zur Fest-
stellung der Verfassungswidrigkeit der „Natio-
naldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD)
gemäß Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz i.V.m. § 13
Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz –
Drucksache 14/4923 (Tagesordnungspunkt 19)
Ich unterstütze alle Maßnahmen der Regierung und der
Gesellschaft, Rechtsextremismus, Rassismus und Frem-
denfeindlichkeit zu bekämpfen. Alle Mittel des Rechts-
und Sozialstaates müssen ausgeschöpft werden, um den
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13861
(C)
(D)
(A)
(B)
Rechtsextremismus in Deutschland wirkungsvoll zu
bekämpfen. Ich halte aber das Instrument des Parteien-
verbotes für ein unzureichendes Mittel, dieses Ziel zu er-
reichen. Deshalb enthalte ich mich der Stimme.
Die Verfassungsfeindlichkeit häufig dezentral agieren-
der Gruppen, die mit der NPD in Verbindung stehen oder
von ihr gesteuert werden, werden auch nach einem Verbot
der NPD schwer kontrollierbar bleiben. Es ist zu vermu-
ten, dass andere rechtsextreme Parteien eher einen Zulauf
erhalten, gerade auch in der Zeit des zu erwartenden lan-
gen Prozessverlaufs im Zusammenhang mit dem Verbot.
Es ist zwar nachzuvollziehen, dass dem Rechtsextremis-
mus durch das Verbot eine organisatorische Grundlage
entzogen würde, die auch die Finanzierung dieser Partei
und die Demonstrationen der Partei verhinderte. Dem ist
aber entgegenzuhalten, dass die NPD dadurch zu Unrecht
„mythologisiert“ würde und eine Verlagerung der
rechtsextremistischen Handlungen in andere Parteien
stattfinden könnte. Es bleibt das Argument der Verfas-
sungswidrigkeit der Partei, die ein Verbot erforderlich
macht. Nach der Verfassungsrechtsprechung ist das Par-
teienverbot die größte Waffe unseres Staates gegen eine
Partei. Dieses Verbot muss allerdings vom Bundesverfas-
sungsgericht bestätigt werden.
Ich sehe daher den Verbotsantrag als ein Mittel an, das
der Bundestag erst dann einsetzen sollte, wenn die demo-
kratische Gesellschaft keine andere Wahl mehr hat. Ich
sehe mehr Chancen für ein Bekämpfen der NPD, wenn die
Parteistrukturen offen erkennbar bleiben und der Rechts-
staat mit allen seinen Mitteln gegen sie vorgeht. Diese
Mittel können sofort greifen; denn schon jetzt ist das
Strafrecht bei jeder Form von körperlichen Attacken, bei
dem Tragen neonazistischer Symbole, bei Diskri-
minierungen oder Volksverhetzungen anzuwenden.
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist vorrangig
eine zivilgesellschaftliche Aufgabe. Gerade deswegen soll
der Staat nicht signalisieren, dass doch dieses Problem al-
lein mit einem Vorgehen regeln könnte, das er mehr sym-
bolische als praktische Wirkungen zeitigen wird.
Anlage 18
Erklärung
der Abgeordneten Konrad Gilges und Dr. Axel
Berg (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Innenausschusses: Er-
kenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von
Bund und Ländern zurVerfassungswidrigkeit der
„Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“.
Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages
über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststel-
lung der Verfassungswidrigkeit der „Nationalde-
mokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) ge-
mäß Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz i. V. m. § 13
Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz –
Drucksache 14/4923 – (Tagesordnungspunkt 19)
Wir stimmen – trotz erheblicher Bedenken – dem
Antrag auf Verbot der Nationaldemokratischen Partei
Deutschlands (NPD) zu.
Unsere Bedenken beruhen auf unserem Verfassungs-
verständnis, nach dem es kein Parteienverbot in einem de-
mokratischen Rechtsstaat geben sollte. Entsprechend sind
wir grundsätzlich gegen das Verbot der NPD heute und
gegen das Verbot anderer Parteien in der Vergangenheit.
Unserem Demokratieverständnis nach muss eine poli-
tische Auseinandersetzung politisch geführt werden. Par-
teienverbote sind ein Zeichen der Schwäche, besonders in
der Demokratie. Dort, wo Politik in kriminelle Bereiche
übergeht, ist das Strafrecht zuständig. Seine Möglichkei-
ten müssen allerdings von den für die Strafverfolgung zu-
ständigen Behörden ausgeschöpft werden.
Würden wir jedoch mit Nein stimmen, führte dies zu
Missverständnissen bei der extremen Rechten, besonders
bei den Nationaldemokraten, der Deutschen Volksunion
und den „Republikanern“. Demokratinnen und Demokra-
ten dürfen der extremen Rechten keinen Anlass zu Miss-
verständnissen geben. Wir möchten jedoch ausdrücklich
betonen, dass es in der NPD Kräfte gibt, die kriminell im
strafrechtlichen Sinne sind.
Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger unserer Republik
ist es, eine politische Auseinandersetzung mit der extre-
men Rechten auch mit dem Wahlzettel zu führen.
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Reden
– zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2001
(ERP-Wirtschaftsplangesetz 2001) und
– zur Beratung der Beschlussempfehlung und
des Berichts zu dem Antrag: ERP-Sonderver-
mögen für Mittelstandsförderung erhöhen
(Tagesordnungspunkt 20 a und b)
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Als Berichter-
statterin des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
habe ich heute die angenehme Pflicht, Ihnen über unsere
Beschlussfassung zum Wirtschaftsplan des ERP-Sonder-
vermögens für das Jahr 2001 zu berichten. Der Wirt-
schaftsausschuss und seine mitberatenden Ausschüsse
schlagen Ihnen mehrheitlich die Annahme des Gesetzes
vor.
Leider ist es in diesem Jahr nicht gelungen, jene Ein-
stimmigkeit zu erreichen, die seit mehr als einem Jahr-
zehnt bei diesem wichtigsten Mittelstandsinstrument des
Bundes innerhalb des Unterausschusses ERP-Rahmen-
pläne und des Wirtschaftsausschusses gute Übung war.
Gleichwohl darf ich mich bei allen Mitgliedern dieses
arbeitsintensiven Unterausschusses sehr herzlich für stets
offene und angenehme Zusammenarbeit bedanken, bei
meiner Stellvertreterin Frau Wöhrl und den Obleuten
Herrn Fell, Frau Kopp und Herrn Kutzmutz. Uns war und
ist in unserer gemeinsamen Arbeit stets bewusst, dass wir
mit den Programmen aus dem ERP-Sondervermögen das
Kreditprogramm für den Mittelstand in Deutschland ent-
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scheiden und fortentwickeln können, in Zusammenarbeit
mit den beiden Förderbanken des Bundes: der Deutschen
Ausgleichsbank (DtA) und der Kreditanstalt für Wieder-
aufbau (KfW).
Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle auch bei den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser beiden wichtigen
Institutionen sehr herzlich bedanken. Durch ihr Engage-
ment und ihre Kreativität gelingt es, die Förderinstrumente
immer wieder den neuen Bedingungen auf den nationalen
und internationalen Kapitalmärkten anzupassen und auf die
vielen hoffnungsvollen Gründer, die vielen innovativen
kleinen und mittleren Unternehmen, die Handwerker und
kleinen Selbstständigen zuzugehen und ihnen mit Krediten,
aber auch mit Rat beiseite zu stehen.
Was in den letzten zehn Jahren da neu entstanden ist
– im Osten wie im Westen unseres Landes –, was sich in
der Gründerszene und bei risikoreichen innovativen Un-
ternehmen getan hat, kann sich international sehen lassen
und gibt Hoffnung, dass sich von dort aus nicht nur der
Stamm der deutschen Unternehmen fortlaufend verjüngt,
sondern dass mit der Unterstützung aus diesen Program-
men auch eine neue, immer notwendige Dynamik für un-
sere Volkswirtschaft zum Tragen kommt und unterneh-
merische Talente eine Chance bekommen, die ansonsten
in traditionellen Hierarchien versauern und in Arbeitslo-
sigkeit resignieren würden.
Die neuen Entwicklungen und Regulierungen auf den
internationalen Kapitalmärkten wie zum Beispiel die nun
in Überarbeitung befindlichen Empfehlungen des Baseler
Konsultationsausschusses werden uns ohne Zweifel ver-
anlassen, über die Angemessenheit der Förderinstrumente
weiter nachzudenken und ihre Fortentwicklung zu unter-
stützen. Ich bin mir sicher, dass wir dieses in bewährter
harmonischer Zusammenarbeit erreichen werden.
Die alte Einstimmigkeit fehlt uns leider in diesem Jahr,
obwohl das ERP Wirtschaftsplangesetz 2001 sich weder
vom Volumen noch von seiner Programmzusammenset-
zung wesentlich vom letzten Jahr unterscheidet
Das Volumen 13,5 Milliarden DM scheint auch ausrei-
chend bemessen, den Finanzierungsbedarf für Existenz-
gründer und die mittelständischen Unternehmen abzu-
decken.
Auch die Aufteilung auf die verschiedenen bewährten
Programme wie das Aufbauprogramm und die Regionale
Wirtschaftsförderung, die Eigenkapitalhilfe, Existenz-
gründungsdarlehen, Kapitalbeteiligungen und Bürg-
schaftsbanken, Ausbildungsplatzprogramm und Innova-
tionsprogramm sowie die Programme für Umweltschutz-
maßnahmen und Energieverwendung, aber auch die Lie-
ferungen in Entwicklungsländer sind weitgehend gleich-
geblieben. Diese Aufteilung ist auch wegen der gegensei-
tigen Deckungsfähigkeit unproblematisch; denn höhere
Beanspruchungen in einem Darlehensprogramm können
bei geringerer Nachfrage in anderen Programmen ausge-
glichen werden. Darüber hinaus werden etwaige Über-
schreitungen dem Parlament unverzüglich mitgeteilt.
Warum also der Dissens? Die Gründe sind – und wir
haben sie im ERP-Unterausschuss umfassend diskutiert –
der Verkauf der Anteile des Bundes an der Deutschen
Ausgleichsbank (DtA) an die KfW und die Übernahme
von Haftungsrisiken für Beteiligungen aus dem BTU-Be-
teiligungsprogramm für kleine Technologieunternehmen.
Beide Vorgänge haben lange Diskussionen und erhebliche
Bedenken, und zwar parteiübergreifend in den Reihen des
Unterausschusses „ERP-Rahmenpläne“ und im Wirt-
schaftsausschuss ausgelöst.
Der Verkauf der DtA an die KfW löste Befürchtungen
aus, ob die Fortführung der DtA als selbstständige Grün-
der- und Mittelstandsbank auch wirklich garantiert ist und
ob die Änderungen in der Eigentümerposition nicht Pro-
grammverlagerungen zulasten der Ausgleichsbank bewir-
ken werden.
Nach den Zusagen des Bundesministers für Wirtschaft
und Technologie wird die Selbstständigkeit der DtA voll
gewahrt bleiben. Darüber hinaus wird ihr durch die Kon-
zentration aller Mittelstandsprogramme aus dem ERP-
Sondervermögen ein bedeutendes Programmvolumen zu-
sätzlich zufließen. Konstruktive Gespräche über die
Sicherung der Synergie zwischen beiden Häusern bei der
Organisation, im Informations- und Kommunikationsbe-
reich sowie bei der Refinanzierung laufen und sind auch
notwendig.
Es wäre eine offensichtliche Verschleuderung öffentli-
cher Mittel und eine Nichtwahrnehmung von Chancen bei
der Refinanzierung, wenn die beiden Institute nicht ge-
meinsam auftreten würden, erstens um Kosten zum Bei-
spiel bei den sehr aufwendigen Datenverarbeitungssyste-
men, beim Internet-Auftritt etc. einzusparen, zweitens um
eine örtlich und fachlich weit gespannte Beratung der Un-
ternehmen sicherzustellen und schließlich drittens um
durch ein gemeinsames Suchen nach einer möglichst
günstigen Refinanzierung eine kostengünstige, umfas-
sende und innovative Finanzierung und Betreuung hun-
derttausender Gründer sowie kleiner und mittlerer Unter-
nehmer sicherzustellen – eine Aufgabe, die durch den
Rückzug der privaten Großbanken aus der Finanzierung
des Mittelstandes immer wichtiger, ja existenziell ent-
scheidend für die deutsche Wirtschaft und Millionen
Arbeitsplätze wird.
Ich meine, es hätte Ihres protestierenden Nein zum
ERP-Sondervermögen-Haushalt 2001 nicht bedurft, um
Ihre Sorgen um den Erhalt der Selbstständigkeit der DtA
sichtbar zu machen. Sind wir doch als Parlamentarier hier
– im Gegensatz zu anderen Neuorganisationen von Insti-
tutionen des Bundes – Herrinnen und Herr des Verfahrens,
weil die Änderung des DtA-Gesetzes nicht unbemerkt
und gegen unseren Willen laufen kann.
Den zweiten Punkt Ihrer Besorgnis, nämlich die Über-
nahme der Haftungsrisiken aus dem BTU-Programm,
kann ich viel eher nachvollziehen. Nach dem Sündenfall
der Übernahme der Risiken des Eigenkapitalhilfepro-
grammms in das ERP-Programm muss sich ja in der Tat
jeder
Wirtschaftspolitiker überlegen, was das Wort eines
Bundesfinanzministers wert ist. Wie man beim EKH-Pro-
gramm gesehen hat, sehr wenig: Der damalige Bundesfi-
nanzminister Dr. Theo Waigel hatte dem damaligen Bun-
deswirtschaftsminister Dr. Rexroth versprochen, die Aus-
fälle dem ERP-Sondervermögen zu erstatten. Ein Jahr
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später waren Wort und Brief Makulatur und nun müssen
in der Tat andere Programme künftig heruntergefahren
werden, um die EKH-Ausfälle zu finanzieren.
Deswegen bin ich froh, dass Bundesfinanzminister
Hans Eichel es von Anfang an nicht mit den bekannten
Tricks versucht hat, sondern dem ERP-Sondervermögen
eine Gegenfinanzierung angeboten hat, die es ermögli-
chen soll, ohne Kürzungen zentraler ERP-Programme
diese Aufgabe zu schultern. Dies ist die Übertragung des
Verkaufserlöses der DtA in das ERP-Sondervermögen
und die Übertragung der ERP-Rückläufe bei der KfW.
An dieser Stelle möchte ich als Vorsitzende des ERP-
Unterausschusses Rahmenpläne deutlich machen, dass
wir Wirtschaftspolitiker mit Sorge die zunehmende Über-
tragung von Haftungsrisiken auf das ERP-Sondervermö-
gen sehen und uns alle energisch gegen jede weitere Über-
tragung wie zum Beispiel des FUTOUR-Prorammes
wehren. Auch wenn das Sondervermögen auf den ersten
Blick Achtung gebietend aussieht, so war sein bisheriger
realer Substanzerhalt nur der Tatsache zu verdanken, dass
er als revolvierender Fonds nahezu keine Risiken trug
– diese lagen und liegen bei den Hausbanken –, sondern
ERP die für kleine und mittlere Unternehmen höheren
Marktzinsen „heruntersubventionierte“.
Eine Ausnahme bildeten nur die speziellen Programme
in den neuen Bundesländern, wo nach der deutschen Ein-
heit wegen fehlenden Eigenkapitals und sonstiger Sicher-
heiten eine teilweise Übernahme des Risikos unver-
meidlich war, wollte man die Banken überhaupt zum
Engagement für den Aufbau kleiner Unternehmen bewe-
gen.
Allmählich – und das ist unser aller parteiübergrei-
fende Sorge – werden die zunehmenden Risiken in der
traditionellen kameralistischen Haushaltsführung für Par-
lament und Öffentlichkeit nicht mehr überschaubar. Ge-
legentlich kann man sich auch des Eindrucks nicht er-
wehren, es werden nach dem Motto „Kommt Zeit, kommt
Rat“ auch mal schöne Beschlüsse gefasst und die Risiken
in die nächste Legislaturperiode verschoben.
Wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben
deswegen im Wirtschaftsausschuss deutlich gemacht,
dass wir von der Bundesregierung – Bundeswirtschafts-
minister und Bundesfinanzminister – eine Vorlage erwar-
ten, die sicherstellt, dass das Parlament und seine zustän-
digen Gremien über die künftigen Risiken und die
erfolgten Haftungseintritte mit der Vorlage des ERP-Son-
dervermögen-Wirtschaftsplangesetzes aber auch während
des Haushaltsvollzuges informiert werden. Darüber hi-
naus müssen ausreichend Rücklagen gebildet werden, da-
mit plötzliche Ausfälle nicht die Handlungsfähigkeit des
wichtigen ERP-Instrumentariums beeinträchtigen. Bloße
Mitteilungen wie bisher reichen jedenfalls nicht.
Nach unserer bisherigen Diskussion im Unteraus-
schuss und im Wirtschaftsausschuss mit Bundesfinanzmi-
nister Eichel glaube ich persönlich, dass unsere Botschaft
angekommen ist und insbesondere der Wunsch nach mehr
Information und Transparenz konstruktiv aufgenommen
und im nächsten Jahr zügig erfüllt wird.
Deswegen plädiere ich für eine Annahme des Gesetzes
in der Ihnen vorliegenden Ausschussfassung. Eine Ableh-
nung und damit eine Blockade der Mittel für die mittel-
ständischen Unternehmen und Gründer ist für unsere so-
zialdemokratische Fraktion nicht vertretbar.
Otto Bernhardt (CDU/CSU): Der ERP-Wirtschafts-
plan führt uns zurück an das Ende des Zweiten
Weltkrieges im Jahre 1945. Damals gab es in den Verei-
nigten Staaten von Amerika zwei unterschiedliche
Konzepte über die zukünftige Entwicklung Deutschlands:
Das eine Konzept, das im Wesentlichen der amerikani-
sche Finanzminister Morgenthau erarbeitet hatte, sah die
Umwandlung Deutschlands in ein Agrarland vor. Die
zweite Überlegung kam von dem amerikanischen General
und Politiker Marshall und lief darauf hinaus, Deutsch-
land in ein umfassendes Wiederaufbauprogramm für Eu-
ropa einzubeziehen.
Wir können froh sein, dass General Marshall sich
durchgesetzt hat. Von 1948 bis 1951 wurden Waren im
Wert von circa 6 Milliarden DM nach Westdeutschland ge-
liefert. Damit wurde die Grundlage für das ERP-Sonder-
vermögen gelegt. Heute umfasst dieses Vermögen circa
24 Milliarden DM und inzwischen wurden im Wesentli-
chen zinsverbilligte Kredite in einer Größenordnung von
fast 200 Milliarden DM schwerpunktmäßig an die mittel-
ständische Wirtschaft in der Bundesrepublik gewährt.
Die Grundlage für das ERP-Sondervermögen wurde
im ERP-Verwaltungsgesetz 1953 vom Deutschen Bun-
destag gelegt. Eine der wichtigsten Bestimmungen dieses
Gesetze ist das so genannte Substanzerhaltungsgebot.
Außerdem legt das Gesetz fest, dass der Bundestag jähr-
lich einen Wirtschaftsplan für die Verwendung des ERP-
Sondervermögens zu beschließen hat. Extra für dieses
Thema wurde ein Unterausschuss des Wirtschaftsaus-
schusses gebildet, der sich am 9. November ausführlich
mit dem vorgelegten Wirtschaftsplan für das Jahr 2001
beschäftigt hat.
Am 16. November fand die erste Lesung im Bundestag
statt. Heute geht es um die zweite und dritte Lesung und
damit um die Verabschiedung. Normalerweise ist die
Feststellung des Wirtschaftsplanes ein Selbstgänger.
Diesmal wird es zu einer strittigen Abstimmung kommen,
insbesondere aus zwei Gründen: Erstens wegen der im
Wirtschaftsplan vorgesehenen Auswirkungen des geplan-
ten Verkaufs der Deutschen Ausgleichsbank an die Kre-
ditanstalt für Wiederaufbau und zweitens durch die vor-
gesehene Übernahme des Programms Beteiligungskapital
für kleine Technologieunternehmen (BTU) vom Bundes-
finanzministerium durch das ERP-Sondervermögen.
Im Folgenden will ich mich kurz mit diesen beiden
Themen beschäftigen.
Erstens zum geplante Verkauf der Deutschen Aus-
gleichsbank. Dazu muss man wissen, dass seit den 50er-
Jahren auf Bundesebene zwei Spezialinstitute für die
Wirtschaftsförderung bestehen – beide verwalten einen
Teil des ERP-Sondervermögen –, und zwar die Kreditan-
stalt für Wiederaufbau (KfW) mit einer Bilanzsumme von
fast 400 Milliarden DM, die zu 80 Prozent dem Bund und
zu 20 Prozent den Ländern gehört und die Deutsche Aus-
gleichsbank (DtA) mit einer Bilanzsumme von knapp
100 Milliarden DM, die vollständig dem Bund bzw. dem
Sondervermögen des Bundes gehört.
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Aus eigener Zusammenarbeit als ehemaliger Leiter ei-
nes Landesförderinstituts, und zwar der Schleswig-Hol-
steinischen Investitionsbank, kenne ich die segensreiche
Arbeit beider Institute für die Wirtschaftsförderung und
das eigene Profil beider Häuser. Dabei hat sich die Deut-
sche Ausgleichsbank zu der Mittelstandsbank im Rahmen
der Wirtschaftsförderung entwickelt und zur Bank für
Existenzgründer.
Im Sommer dieses Jahres hat die Bundesregierung be-
schlossen, die Anteile der DtA an die KfW im Laufe des
kommenden Jahres zu veräußern. Begründet wird dies mit
einer weiteren Verbesserung der Mittelstandsförderung.
Der Verkauf ist in der Fachwelt umstritten, auch wenn un-
ter Synergiegesichtspunkten sicher vieles für den Verkauf
spricht. Ich vermute zwar nicht, dass die Befürchtungen
der FDP-Kollegin Gudrun Kopp, die DtAwerde lediglich
eine Hauptabteilung der KfW, eintreten; ich meine aller-
dings, dass wir die Entwicklung genau im Auge behalten
müssen.
Unsere Hauptkritik setzt bei der Verwendung des
Kaufpreises und der Synergieeffekte ein. Von dem zur
Diskussion stehenden Kaufpreis in Höhe von 2,7 Milliar-
den DM sollen 1,5 Milliarden DM an den Finanzminister
als allgemeine Haushaltsdeckung gezahlt werden. Diese
Mittel stehen somit nicht der Wirtschaftsförderung zur
Verfügung. Die Synergieeffekte, die mit Sicherheit ein-
treten werden, stehen ebenfalls nicht der Wirtschaftsför-
derung zur Verfügung, weil diese im Wesentlichen für die
Finanzierungskosten benötigt werden, die der KfW für
die Finanzierung des Kaufpreises entstehen. Und die
1,2 Milliarden DM des Kaufpreises, die an das ERP-Ver-
mögen gehen sollen, sind auch nur bedingt für eine Ver-
stärkung der Wirtschaftsförderung einzusetzen.
Damit komme ich zum zweiten Kritikpunkt, die Über-
nahme des BTU-Programms durch das ERP-Sonderver-
mögen. Das BTU-Programm hat sich bewährt. Die Erfah-
rung zeigt allerdings, dass es sehr risikoreich ist. In der
zehnjährigen Laufzeit rechnet man mit Ausfällen in einer
Größenordnung von circa 30 Prozent. Ob die Einnahmen
aus dem Verkaufserlös, die das ERP-Vermögen durch den
Verkauf der DtA-Anteile erhalten soll, und die Erträge aus
einer entsprechenden Rücklage wirklich ausreichen, um
diese Risiken zu tragen, bleibt offen. Wir befürchten, dass
das Substanzerhaltungsgebot des ERP-Verwaltungsgeset-
zes durch diese Übernahme gefährdet werden könnte.
Ungeachtet unserer dadurch bedingten Ablehnung las-
sen Sie mich abschließend Folgendes sagen: erstens einen
Dank für die konstruktive Arbeit im Unterausschuss Wirt-
schaftsförderungspläne, insbesondere auch an die Vorsit-
zende Frau Dr. Skarpelis-Sperk, zweitens einen Dank an
die Vorstände von KfW und DtA für die konstruktive Zu-
sammenarbeit und drittens die klare Aussage, dass die
CDU/CSU weiterhin ihren Beitrag leisten wird, damit so-
wohl die KfW als auch die DtA wichtige Instrumente der
Wirtschaftsförderung mit jeweils einem eigenständigen
Profil bleiben.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bündnis 90/Die Grünen begrüßt, dass mit dem Gesetz
über die Feststellung des Wirtschaftsplanes ERP-Sonder-
vermögen die deutsche Wirtschaft gefördert wird.
13,5 Milliarden DM stehen der Wirtschaft als Hilfen zur
Verfügung.
Aus unserer Sicht ist der vorliegende Wirtschaftsplan
ein wichtiger Einzelhaushalt, hat er doch bedeutenden
Einfluss auf Mittelstandsförderung, Existenzgründungen
und – aus bündnisgrüner Sicht besonders wichtig – auch
auf Darlehen im Bereich des Umweltschutzes. Gerade in
diesem Bereich hat die ERP-Förderung vor allem auch im
Osten in den letzten Jahren Hervorragendes geleistet.
Diese erfolgreiche Arbeit gilt es fortzusetzen.
Hinsichtlich des Gesamtfördervolumens sieht der Ent-
wurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 2001 das gleiche
Volumen wie das ERP-Wirtschaftsplangesetz 2000 vor.
Innerhalb der einzelnen Ansätze erfolgten leichte Ände-
rungen, mit einer geringfügigen Anhebung zugunsten des
ERP-Umweltprogramms auf 2 150 Milliarden DM.
Diese Anhebung darf aber nicht darüber hinweg täu-
schen, dass Bündnis 90/Die Grünen gerne eine Mittelaus-
stattung von 2,3 DM gesehen hätte. Die Etatisierung von
2,15 Milliarden DM darf nicht als Präjudiz für Prioritäten
im Rahmen künftiger Wirtschaftspläne verstanden wer-
den. Im Gegenteil: Bündnis 90/Die Grünen wird den Mit-
telabfluss genau beobachten und in den kommenden Jah-
ren gegebenenfalls eine Mittelaufstockung einfordern.
Mit dem BMWi besteht Einvernehmen darüber, dass
das ERP-Sondervermögen in der Bewirtschaftungspraxis
Mittel und Wege finden wird, um einem eventuell höhe-
ren Finanzbedarf für ERP-Umweltdarlehen Rechnung zu
tragen. Insoweit ergeben sich aus den Ansätzen für 2001
keine Präjudizien für die Folgejahre.
Das Wirtschaftsplangesetz 2001 steht somit auf soli-
dem Fundament und findet damit die Zustimmung meiner
Fraktion.
Zu dem Antrag der PDS: Es wurde durchaus Wün-
schenswertes zusammengeschrieben. Verschiedene Miet-
erhöhungen wurden verlangt, aber keine Deckungsvor-
schläge gemacht. Die PDS weiß doch auch, wie hoch die
Staatsverschuldung ist, da sie dies öfter kritisiert hat. Um
einen weiteren Schuldenanstieg zu verhindern, können
wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Nun zur Veräußerung der Anteile der Deutschen Aus-
gleichsbank an die Kreditanstalt für Wiederaufbau: Die
bündnisgrüne Fraktion trägt diese Veräußerung mit, da sie
zur Straffung und Effizienzsteigerung der ERP-Darlehen
beiträgt.
Aus Sicht meiner Fraktion ist es daher wichtig, im Be-
reich der erfolgreichen Umweltdarlehen, die von der DtA
bearbeitet wurden, eine vernünftige Übergangslösung
ohne Brüche zu schaffen. Daher soll wie im Kabinettsbe-
schluss vom 21. Juni 2000 vorgesehen, bei der Geschäfts-
feldabgrenzung zwischen KfW und DtA die Abwicklung
der Umweltförderung im Wege der Geschäftsbesorgung
durch die DtA für die KfW erfolgen.
Auf wichtige Eckpunkte möchte ich nochmals hinwei-
sen: Die bestehenden Umweltprogramme der DtA, das
ERP-Umwelt- und Energiesparprogramm und das DtA-
Umweltprogramm sowie das Umweltbürgschaftspro-
gramm werden im Zuge der Geschäftsbesorgung von der
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DtA im Auftrag der KfW wahrgenommen, wobei die bis-
herige Finanz- und Personalausstattung sowie Verfah-
rensgestaltung unberührt bleiben und die vertragliche
Regelung der Zustimmung des BMU bedarf. Die DtA
reicht die Förderung im eigenen Namen für Rechnung der
KfW aus.
Eine Umstellung der Umweltförderung erfolgt erst auf
der Grundlage eines detaillierten „Überleitungskonzep-
tes“ der KfW zu den finanziellen, personellen, organisa-
torischen und verfahrensmäßigen Auswirkungen mit der
Zustimmung des BMU.
Wir sind uns sicher, dass mit der Umsetzung dieser und
anderer vereinbarten Eckpunkte die erfolgreiche Arbeit
der DtA im Bereich der Umweltprogramme problemlos
und ohne Umstellungsbrüche erfolgen wird und zusätz-
lich mit dem Know-how der KfW gestärkt wird. Einer er-
folgreichen Finanzierung der ERP-Darlehen im Bereich
des Umweltschutzes steht auch aus unserer Sicht mit der
Übernahme der DtA-Anteile durch die KfW nichts mehr
im Wege.
Damit kann das für die Wirtschaft so wichtige ERP-
Sondervermögen weiterhin seine Unterstützung für den
Mittelstand entfalten. Für Bündnis 90/Die Grünen ist dies
eine unverzichtbare Stütze für eine funktionierende Wirt-
schaft.
Rainer Funke (F.D.P.):Die F.D.P.-Bundestagsfraktion
wird dem Gesetzentwurf über die Feststellung des Wirt-
schaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2001
nicht zustimmen. Entscheidend für diese Haltung ist, dass
Bundesfinanzminister Eichel im Ergebnis den Bundes-
haushalt an dieser Stelle zulasten der Mittelstandsförde-
rung saniert. Er saniert ihn zulasten von Förderaktivitäten,
die sich über viele Jahre bewährt haben.
Bundeswirtschaftsminister Müller schweigt dazu. Das
Missverhältnis im Haushalt des Wirtschaftsministers zwi-
schen Steinkohlesubventionen auf der einen und Mittel-
standsaktivitäten auf der anderen Seite verschärft sich
weiter. Die Steinkohlesubventionen machen inzwischen
das Fünffache aller Mittelstandsaktivitäten aus. Dieses
Missverhältnis ist symptomatisch für die Politik dieser
Regierung. Die Passivität des Wirtschaftsministers ist
bezeichnend für die Machtverhältnisse in dieser Regie-
rung.
Die Bundesregierung belastet das ERP-Sondervermö-
gen darüber hinaus zusätzlich, indem sie das Programm
„Beteiligungskapital für kleine Technologieunterneh-
men“ – BTU-Programm –, mit zusätzlichen Risiken ver-
bunden, dorthin verlagert. Vage Versprechungen, in Zu-
kunft keine weiteren risikoträchtigen Programme in das
ERP-Sondervermögen zu führen oder irgendwann einmal
das ERP-Wirtschaftsplangesetz zu ändern, helfen hier
nicht weiter.
Gegen eine Neuordnung im Gefüge der Förderbanken
des Bundes ist nichts einzuwenden, wenn Synergieeffekte
entstehen. Aber diese Neuordnung darf nicht auf Kosten
der dem Mittelstand effektiv zur Verfügung stehenden
Mittel gehen. Wenn die KfW die Ausgleichsbank kauft
und zwecks Finanzierung Mittel am Kapitalmarkt auf-
nimmt, so werden diese Mittel der Mittelstandsförderung
unter dem Strich entzogen, da der Erlös Herrn Eichel zu-
fließt.
Bei den Förderbanken hat ohnehin in Zukunft die KfW
das Sagen, egal, was für Lippenbekenntnisse zugunsten
der geschäftspolitische Selbstständigkeit der Deutschen
Ausgleichsbank abgelegt werden. Wenn die KfW dem-
nächst dazu übergehen sollte, etwa ihre Förderaktivitäten
für Umweltschutz oder Großindustrie zulasten von Mit-
telstandsprogrammen auszudehnen, passt das in die wirt-
schaftspolitische Linie dieser Bundesregierung. Die
F.D.P. wird sich dagegen für die Beibehaltung und Fort-
entwicklung der bewährten Mittelstandsprogramme mit
allem Nachdruck einsetzen.
Rolf Kutzmutz (PDS): BTU, EKH, DtA KfW, ERP
– manchem Zuhörer wird schwindelig werden, der eine
oder andere wird nach Übersetzungen suchen. Ich kann
sie – wegen der Redezeit – nicht alle erläutern. Fest steht
aber: Das ERP-Sondervermögen hat für die Förderung
von Existenzgründern und kleineren Unternehmen große
Bedeutung. Deshalb können zumindest wir auch nicht ge-
gen dessen Haushalt 2001 stimmen.
Nicht zuletzt auf unseren Druck hin sind in den Aus-
schussberatungen durch die Bundesregierung zwei wich-
tige Zugeständnisse gemacht worden:
Erstens. Staatssekretär Overhaus sagte für das Finanz-
ministerium zu, dass dessen Anteil am Verkaufserlös der
Deutschen Ausgleichsbank dem Einzelplan 32 zufließen
wird. Damit werden alle Ausfälle des seit 1997 laufenden
Eigenkapitalhilfeprogrammes und der überwiegende Teil
an Verlusten der älteren Zusagen bezahlt. Die Kosten-
deckung der bisherigen BTU-Zusagen in künftigen Bun-
deshaushalten wird garantiert. Das ist ein wichtiger
Schritt zur Substanzsicherung von ERP sowie von DtA
und KfW.
Zweitens soll bis Ostern kommenden Jahres durch
Wirtschafts- und Finanzministerium unter Einbeziehung
des Bundesrechnungshofes gegenüber dem Parlament
Klarheit über die Entwicklung der Risiken für die Sub-
stanz des ERP-Sondervermögens und die dafür zu tref-
fenden Vorsorgemaßnahmen hergestellt werden.
Solche Transparenz ist auch bitter nötig. Denn trotz in-
tensiver Ausschussberatungen und Schriftwechsel kann
davon noch nicht gesprochen werden, weshalb wir diesem
ERP-Haushalt eben auch nicht zustimmen können. Bei al-
lem Engagement für die Programme – uns für die un-
durchsichtige Entwicklung mit in Haftung nehmen zu
wollen, das wäre von einer konstruktiver Opposition zu
viel verlangt.
Nur zwei Aspekte: Völlig unklar bleibt, ab wann die
weitergehende Finanzierung der Förderung von Beteili-
gungskapital tatsächlich dem ERP zur Verfügung steht.
Alle Berechnungen der Regierung basieren auf dem
1. Januar 2001. Je später jedoch die Mittel aus DtA-Ver-
kauf und KfW-Rücklage verfügbar werden, desto gerin-
ger ist deren Zinserlös und desto wackeliger die ganze Fi-
nanzierung. Und offensichtlich gibt es ja gerade auf
diesem wichtigen Feld noch Probleme mit den Ländern
als Miteigentümern der KfW.
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Und zum anderen: Ihre optimistischen Prognosen zu
den Risiken des BTU-Programms begründet die Regie-
rung „aus heutiger Sicht“. Die gab es 1996 vor Über-
führung der Eigenkapitalhilfe auch. Dort räumt man vier
Jahre später „in der Vergangenheit Schwierigkeiten durch
geringe Mittelausstattung“ ein. Die daraus resultierenden
Zweifel werden hoch verstärkt, wenn – wie geschehen –
das Bundeswirtschaftsministerium trotz ausdrücklicher
Aufforderung weder konkrete Zahlen zur Gesamtent-
wicklung der Beteiligungsförderung noch zu den tatsäch-
lichen Kosten der Eigenkapitalhilfe der letzten Jahre he-
rausgibt.
Insofern muss ich auch der verehrten Kollegin
Skarpelis-Sperk widersprechen: Wenn die Koalition un-
seren Antrag ablehnt, weil für sie eine Verlagerung der
Beteiligungsförderung des FUTOUR-Programms nicht
infrage kommt, so räumt sie damit – sicher unbewusst –
ein, dass es bei den ganzen laufenden Operationen nicht
nur um Förderpolitik, sondern auch ganz stark um
Haushalteinsparungen geht. Denn sonst wäre es – auch im
Sinne besserer Transparenz für Interessenten – nur lo-
gisch, die gesamte Beteiligungsförderung an einem Platz
– dem ERP – zu konzentrieren, diesen aber auch mit den
entsprechenden Mitteln auszustatten. Nicht mehr, aber
auch nicht weniger verlangt die PDS in ihrem Antrag, den
Sie auf den anderen Seiten des Hauses nachher in trauter
Eintracht ablehnen werden.
Zum Schluss noch ein Wort unabhängig von diesem
ERP-Haushalt: In den intensiven Beratungen der letzten
Wochen blieben die Ursachen für teilweise drastisch sin-
kende Zusagen in den ERP-Programmen weiterhin unklar
– ob es an fehlendem Geld und damit rigider Bewilli-
gungspraxis oder an fehlender Nachfrage liegt. Im ersten
Fall wäre eine ERP-Kapitalerhöhung vonnöten, im zwei-
ten müsste endlich ernsthaft die bisherige Förderkulisse
diskutiert werden. Ganz unabhängig von unseren Debat-
ten des ERP-Haushaltes und der Übernahme der DtA
durch die KfW sehe ich hier ein wichtiges Arbeitsfeld des
zuständigen Unterausschusses im nächsten Jahr. Viel-
leicht könnten wir danach ja wieder einen Wirtschaftsplan
im Konsens beschließen.
Anlage 20
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts zu den Anträgen:
– Teilhabe von Gehörlosen und Ertaubten an
der Informationsgesellschaft – Gleichberech-
tigten Zugang zum Fernsehen sichern und
– Verbesserung des Programmangebots für
Schwerhörige, Gehörlose, Sehbehinderte und
Blinde im Fernsehen und den neuen Medien.
(Tagesordnungspunkt 21)
Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
freut mich, dass wir hier heute diesen Antrag lesen. Ich,
muss nicht mehr betonen, wie sehr wir Grüne uns darum
bemüht haben, auf die täglichen Schwierigkeiten, mit de-
nen insbesondere gehörlose und ertaubte Menschen in un-
serer Gesellschaft zu kämpfen haben, aufmerksam zu
machen.
Was in der letzten Legislaturperiode noch auf Un-
kenntnis, Unverständnis und Ablehnung – vor allem der
damaligen Regierungsfraktionen von CDU/CSU und
F.D.P. – gestoßen ist, wird heute im Grunde von allen
Fraktionen getragen. Gerade weil das so ist, bin ich wirk-
lich sehr verwundert darüber, warum die CDU sich einem
gemeinsamen Antrag verweigert hat. Dabei haben Sie
doch Ihren Antrag nahezu gleichlautend von unserem
übernommen. Ihr Antrag hatte allerdings eine entschei-
dende Schwäche: Auf das Sanktionsinstrument, nämlich
eine Quotierung von Sendeminuten, wollten Sie verzich-
ten. Wir sind im Gegensatz zu Ihnen der Meinung: Soll-
ten die gemeinsamen Gespräche zwischen Bund, Ländern
und den Rundfunkanstalten scheitern, dann müssen wir
sehr ernsthaft prüfen, ob wir nicht eine Quote festlegen.
Wie es in Zukunft gehen kann und sollte, das beweist
uns gerade der Sender Phoenix, der seit langer Zeit schon
Nachrichtensendungen in Gebärdensprache dolmetschen
lässt. Auch heute überträgt Phoenix unsere Debatte live
mit Gebärdensprachdolmetscher/in. Dafür möchte ich
mich bedanken! Denn Sie geben uns und geben Ihren Kol-
leginnen und Kollegen in den anderen Sendeanstalten ein
Vorbild für die zukünftige Ausgestaltung von Fernsehen.
Aber nicht nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkan-
stalten, auch die privaten Sender dürfen sich nicht aus der
Verantwortung stehlen. Uns erreichen in letzter Zeit häu-
fig Briefe von gehörlosen Fernsehnutzern, die sich an die
private Fernsehsender – zum Beispiel Sat1 und RTL – ge-
wandt haben mit der Bitte, doch auch dort die Sendungen,
zu untertiteln. Mit dem Argument, man sehe keinen Re-
gelungsbedarf oder keine Regelungsmöglichkeiten, wer-
den diese Anfragen immer wieder abgewiesen. Dafür
fehlt mir, gelinde gesagt, das Verständnis!
Ich möchte deswegen hier etwas Grundsätzliches beto-
nen: Wir haben in Art. 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes hi-
neingeschrieben, dass behinderte Menschen nicht benach-
teiligt werden dürfen. Das gilt nicht nur für Menschen mit
einem sichtbaren Handicap. Wenn eine Rollstuhlfahrerin
die Treppen zur U-Bahn nicht hinunterkommt, ist das für
jeden von uns eine nachvollziehbare Benachteiligung.
Mit welchen Handicaps sinnes- und kommunikationsbe-
einträchtigte Menschen täglich umgehen müssen, das
müssen wir hörenden und sehenden Mitbürgerinnen und
Mitbürgern uns bewusst machen. Manche von uns werden
ja schon unruhig, wenn sie am Morgen nicht ihre Tages-
zeitung gelesen haben.
Hörbehinderte wie auch sehbehinderte Menschen ha-
ben ein Recht darauf, die gleichen Informationen zu er-
halten, wie nichtsinnesbehinderte Menschen sie jederzeit
und selbstverständlich abrufen können. Die technischen
Möglichkeiten dazu sind längst vorhanden. Die öffent-
lich-rechtlicher Fernsehsender untertiteln ja bereits seit
Jahren viele ihrer Filme. Das reicht aber nach unserer
Meinung nicht aus. Hörbehinderte Menschen möchten
genauso Live-Sendungen und Nachrichten verfolgen kön-
nen, wie sie selbstverständlich ein Interesse und ein
Bedürfnis nach kulturellen und Unterhaltungssendungen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13867
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haben. Da können die Sender viel mehr tun, als sie es
momentan anbieten.
Das Audiodeskriptionsverfahren zum Beispiel, das
heißt die Herstellung von Hörfilmen für sehbehinderte
Menschen, ist längst etabliert. Aber nach Angaben des
Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes wer-
den derzeit nur etwa zwei Spielfilme pro Woche in diesem
Verfahren ausgestrahlt. Die tatsächlichen Mehrkosten be-
tragen nur einen Bruchteil der Produktionskosten eines
Spielfilms. Und wenn ich mir anschaue, in welchen fi-
nanziellen Regionen sich die Verhandlungen der Sender
bei dem Erwerb der Fußballübertragungsrechte abspielen,
dann überzeugen mich finanzielle Vorbehalte der Sender
überhaupt nicht!
Was wir alle immer wieder zu vergessen scheinen, ist
der im Ausland so viel besser verankerte Gedanke von
Dienst-Leistung. Behinderte Menschen sind Kundinnen
und Kunden, Verbraucherinnen und Verbraucher, Kritike-
rinnen und Kritiker. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert.
Im Zeitalter der Medientechnologie geht es darum, kultu-
relle Teilhabe auch via Internet, Fernsehen, Rundfunk si-
cherzustellen. Dabei kann das Fernsehen eine Informati-
onsbrücke bauen.
Ich würde mich freuen, wenn auch die Opposition dem
Antrag zustimmen würde!
Anlage 21
Zu Protokoll gegebene Reden
zurBeratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes
zurÄnderung des Gesetzes zurVerbesserung der
betrieblichen Altersversorgung
(Tagesordnungspunkt 22)
Peter Enders (SPD): Das Betriebsrentengesetz
(BetrAVG) vom 19. Dezember 1974, zuletzt geändert
durch Gesetz vom 16. Dezember 1997, regelt den Fortbe-
stand, das heißt die Unverfallbarkeit und die Höhe von
Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung
(auch bei Invalididtäts- und Hinterbliebenenversorgung)
bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsver-
hältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles.
Hintergrund der Gesetzgebung in der damaligen
Hochkonjunkturphase war, dass Arbeitnehmer durch den
Verfall von erworbenen Betriebsrentenansprüchen in ih-
rer Mobilität zu sehr eingeschränkt waren. Für die Arbeit-
nehmer der Wirtschaft ist es zu einer weiterhin akzeptier-
ten Lösung gekommen unter Beachtung von
Mindestanforderungen bezüglich des Lebensalters und
der Dauer der Versorgungszusage bzw. der Betriebszu-
gehörigkeit. Allerdings sieht § 18 BetrAVG für den öf-
fentlichen Dienst eine – gegenüber den für Arbeitnehmer
der Privatwirtschaft geltenden Regelungen – negativ ab-
weichende Methode vor. 1974 ging man hauptsächlich
davon aus, dass Arbeitnehmer, wenn sie denn ausschei-
den, von einem öffentlichen Arbeitgeber zum anderen öf-
fentlichen Arbeitgeber gehen. Insoweit sah man die Pro-
blematik, die es im privatwirtschaftlichen Bereich gab, als
nicht so gravierend an.
Während sich nach derzeitiger Rechtslage für Arbeit-
nehmer der Privatwirtschaft die Höhe der Versorgungsan-
wartschaft nach § 2 BetrAVG zeitanteilig, an der Höhe der
zugesagten Versorgungsrente orientiert, stellt der für den
öffentlichen Dienst spezielle § 18 BetrAVG auf die Höhe
des beim Ausscheiden maßgeblichen monatlichen Ar-
beitsentgeltes und auf die Zeit der Pflichtversicherung ab.
Was steckt hinter diesen harmlos aussehenden Formulie-
rungen? Erreicht ein in der VBL zusatzversicherter Be-
schäftigter das Rentenalter nach langjähriger Tätigkeit im
öffentlichen Dienst, so hat er im Idealfall einen Renten-
anspruch von 91,75 Prozent des maßgeblichen Nettoloh-
nes. Die VBL übernimmt die Differenz zum gesetzlichen
Rentenanspruch. Ginge es nach den Spielregeln der Pri-
vatwirtschaft, so müsste zum Beispiel der Bund, der Mit-
glied bei der VBL ist, anteilig für die Beschäftigungszeit
(natürlich unter Wahrung der Mindestbeschäftigungszeit
und des Mindestalters) für einen ausgeschiedenen Ange-
stellten für den entsprechenden anteiligen Rentenan-
spruch aufkommen. Tatsächlich billigt aber das Gesetz
bisher nur 0,4 Prozent per annum des Bruttolohnes zu.
Dies ist wesentlich weniger als der entsprechende An-
spruch in der Privatwirtschaft.
Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht diese
alte Regelung als einen Verstoß unter anderem gegen
Art. 12 GG angesehen, weil es die Mobilität erschwert.
Dieser Kritik schließe ich mich ausdrücklich an, weil es
den Wechsel zwischen öffentlichem Dienst und privater
Wirtschaft erschwert. Ich bedaure, dass der Gesetzgeber
dies nicht schon früher ohne gerichtlichen Druck geändert
hat.
Es gibt noch einen weiteren Nachteil für aus dem öf-
fentlichen Dienst ausgeschiedene Mitarbeiter. Während
für Arbeitnehmer der Privatwirtschaft in § 16 BetrAVG
eine Dynamisierung ab Beginn der Rentenzahlung vorge-
sehen ist, gilt dies bis heute nicht für den von uns be-
trachteten Personenkreis. Dies verstößt gegen den Gleich-
behandlungsgrundsatz der Verfassung.
Karlsruhe beanstandete auch, dass beim Ausscheiden
alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dank der alten
0,4-Prozent-Regel über einen Kamm geschoren wurden.
Dies ist deshalb nicht korrekt, weil es auch innerhalb des
öffentlichen Dienstes Versorgungssysteme mit unter-
schiedlich hohen Zusagen gab. Dies war der Hintergrund
der Klage eines ehemaligen Beschäftigten des WDR.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber
aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2000 eine Neurege-
lung zu schaffen. Diesem Antrag der vorliegende Ge-
setzentwurf nach. Er sieht vor, dass sich zukünftig auch
der Anspruch der vorzeitig aus dem öffentlichen Dienst
ausscheidenden Arbeitnehmer an der zugesagten Versor-
gungsleistung orientiert, wie vorhin beschrieben. Die in-
dividuelle Versorgungszusage ist abhängig von der je-
weiligen Zusatzversorgungseinrichtung. Ausgangspunkt
der Berechung ist die VBL. Die Vollversorgung beträgt
91,75 Prozent. Nimmt man als Basis 45 Arbeitsjahre,
kommt man angenähert auf 2,25 Prozent für jedes Jahr der
Beschäftigung und nicht mehr 0,4 Prozent.
Mit dem Prozentsatz von 2,25 ist auch das Problem
gelöst, das bei einem Wechsel zwischen verschiedenen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013868
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(B)
Systemen und seinen Anrechnungen entstehen kann, zum
Beispiel beim Wechsel zwischen zwei verschiedenen
kommunalen Arbeitgebern.
Während der Beratungen hat sich gezeigt, dass der im
ursprünglichen Gesetzentwurf zu § 18 Abs. 2 Ziffer 2 vor-
gesehene Rentenabschlag höher ist als der in der VBL-
Satzung vorgesehene Satz. Im Änderungsantrag der Ko-
alitionsfraktion ist jetzt eine Flexibilität hergestellt
worden und eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern,
die bis zum Eintritt des Versorgungsfalles im öffentlichen
Dienst verbleiben.
Die bisher fehlende Dynamisierung ab Versorgungs-
beginn wird durch § 18 Abs. 4 neue Fassung hergestellt.
Jährlich zum 1. Juli steigen die Leistungen um 1 Prozent,
soweit eine allgemeine Erhöhung der Versorgungsrenten
erfolgt. Diese Pauschalierung ist im Zuge der Verwal-
tungsvereinfachung akzeptabel.
An den Vertrauensschutz ist in doppelter Weise ge-
dacht worden: Erstens. § 18 Abs. 2 Ziffer 1 c verweist auf
§ 2 Abs. 5 Satz 1: Künftige Entwicklungen des Versor-
gungssystems, soweit sie nach dem Ausscheiden des Ar-
beitnehmers eintreten werden nicht beachtet. Dies ist be-
sonders im Zuge eventueller Verschlechterungen wichtig.
Zweitens. Übergangsregelung (§ 30 d): Insbesondere ist
auf Abs. 1 Satz 3 hinzuweisen. Da nicht auszuschließen
ist, dass trotz der generellen Verbesserung aufgrund der
neuen Berechungsmethode im Einzelfall eine Verschlech-
terung eintreten kann, ist geregelt, dass bestehende Ver-
sorgungsfälle, die vor dem 1. Januar 2001 eintreten, den
Anspruch auf Zusatzrente in der bisherigen Höhe behal-
ten.
In den Beratungen ist durch die Gewerkschaft der So-
zialversicherung auf das Problem der so genannten
Dienstordnungsangestellten hingewiesen worden. Es
handelt sich um Beschäftigte von Krankenkassen und Be-
rufsgenossenschaften, die einen privatrechtlichen Ar-
beitsvertrag mit Bezug auf die Beamtenversorgung über
eine Dienstordnung haben, also nicht in der Rentenversi-
cherung versicherungspflichtig sind. Die Rechtslage vor
dem 1. September 1999 kannte eine Nachversicherung in
der gesetzlichen Rente, die eine Dynamik des Renten-
anspruchs sicherte und eine Nachversicherung in der
VBL, die aber sowohl vor als auch nach dem Versor-
gungsfall statisch war. Damit entfielen weitergehende An-
sprüche nach § 2.
Die Rechtslage nach dem 31. Dezember 1998 sicherte
zwar einen zeitanteiligen Anspruch auf der Basis von
75 Prozent, der dem Beamtenrecht entlehnt war, aber er
war bis zum Versorgungsfall statisch und erst ab Versor-
gung dynamisch. Durch die Dynamik der gesetzlichen
Rentenansprüche in der früheren Rechtslage kann die gut
gemeinte 75-Prozent-Regelung im Einzelfall, wenn die
Dienstordnungs-Beschäftigungszeit bei der Kranken-
kasse im frühen Teil der Berufstätigkeit lag, im Falle
höherer Inflationsraten durchaus schlechter sein. Hierauf
nimmt der letzte Satz des Änderungsantrages Bezug, weil
hier eine Vergleichsrechnung vorgeschrieben wird.
Ich gebe zu, es war selbst für Fachleute nicht einfach,
die Problematik zu durchschauen. Ich bin deshalb umso
zufriedener, dass wir auch in diesem Fall Gerechtigkeit
üben konnten. Insoweit war es gut, dass wir in der vor-
letzten Sitzungswoche diese Novellierung von der Tages-
ordnung genommen haben.
So sorgfältig wir jetzt die absehbaren Problemfälle be-
handelt haben, so ist doch nicht auszuschließen, dass uns
das Betriebsrentengesetz für den öffentlichen Dienst
nochmals im Bundestag beschäftigen wird. So ist zum
Beispiel mit dem heutigen Beschluss nicht das Problem
der so genannten Halbanrechnung (Berücksichtigung der
Zeiten vor dem öffentlichen Dienst) gemeint, obwohl dies
in erster Linie Sache der Tarifpartner ist.
Sieht man sich das Protokoll zur Gesetzesberatung
von 1974 an, so enthält dies zum öffentlichen Dienst
(§ 18 BetrAVG) den Vermerk, dass der niedrige Satz von
0,4 Prozent im Zusammenhang steht mit den Spielregeln
der Beamtenversorgung. Diese sieht zwar eine relativ
gute Versorgung nach einem langen Berufsleben im Rah-
men der Alimentation vor, aber bei ausscheidenden Be-
amten nur eine Nachversicherung in der Rentenversiche-
rung, obwohl Angestellte schon allein aufgrund der
Rentenversicherungspflicht höhere Bruttobezüge haben.
Da nun die 0,4-Prozent-Regel verfassungsrechtlich nicht
standgehalten hat, wird auch über die vorgenannte Rege-
lung für ausscheidende Beamte nachzudenken sein. Dies
würde der Mobilität in dem Sinne gut tun, dass Beamte
auch in die private Wirtschaft wechseln können, ohne
Nachteile zu erleiden.
Für die Lösung dieser Probleme bedarf es noch vieler
Diskussionsrunden. Heute gilt es, die Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts mit seiner Terminierung 31. De-
zember 2000 umzusetzen. Ich bitte um Zustimmung zur
Gesetzesvorlage und dem Änderungsantrag der Koaliti-
onsfraktionen.
Meinrad Belle (CDU/CSU): Das Bundesverfassungs-
gericht hat 1998 entschieden, dass § 18 des Gesetzes zur
Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom
19. Dezember 1974, das den Fortbestand und die Höhe
von Anwartschaften aus der Zusatzversorgung des öffent-
lichen Dienstes bei vorzeitigem Ausscheiden abwei-
chend von den für die Privatwirtschaft geltenden Vor-
schriften regelt, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und
mit der Berufsfreiheit unvereinbar ist. Der Gesetzgeber ist
verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2000 eine verfas-
sungsgemäße Neuregelung zu treffen. Dieser Verpflich-
tung wird mit dem heute in zweiter und dritter Lesung zu
verabschiedenden Gesetz entsprochen.
Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Alters-
versorgung sieht vor, dass Anwartschaften auf eine be-
triebliche Altersversorgung, soweit sie unverfallbar
geworden sind, auch dann erhalten bleiben, wenn Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer vor Eintritt des Versor-
gungsfalles aus dem Betrieb ausscheiden. Dabei wird für
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerhalb des öf-
fentlichen Dienstes die auf die Dauer der Betriebszuge-
hörigkeit entfallende Teilanwartschaft nach § 2 des Ge-
setzes berechnet. Sie orientiert sich anteilig an der Höhe
der für den Fall eines Verbleibens im Betrieb zugesagten
Betriebsrente. Bisher war für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer innerhalb des öffentlichen Dienstes für die
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Berechnung die Höhe des beim Ausscheiden maßgebli-
chen monatlichen Arbeitsentgelts ausschlaggebend. Die-
se unterschiedliche Art der Berechnung konnte bei durch-
aus vergleichbaren Fällen beim späteren Eintritt des
Versicherungsfalles zu unterschiedlich hohen Versor-
gungsansprüchen führen.
Mit der Änderung des §18 des Gesetzes werden die bei
den Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen
Dienstes Versicherten und vergleichbare Personen den
Arbeitnehmern mit einer Altersversorgungszusage der ge-
werblichen Wirtschaft weitgehend gleichgestellt. Es wird
eine Voll-Leistung auf der Grundlage der Versorgungsre-
gelungen berechnet. Ausscheidende Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhalten eine
Anwartschaft auf einen ihrer Betriebszugehörigkeit ent-
sprechenden Anteil der zugesagten Zusatzversorgung.
Damit erfüllt der Gesetzgeber die Auflagen des Bun-
desverfassungsgerichtes. Die CDU/CSU-Fraktion stimmt
daher dem Gesetz in zweiter und dritter Lesung zu.
Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Das Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung re-
gelt den Fortbestand und die Höhe von Zusatzversor-
gungsanwartschaften bei vorzeitigem Ausscheiden aus
dem öffentlichen Dienst. Nach bisherigem Recht waren
bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes bei der Auszahlung
der anteiligen Altersversorgung benachteiligt gegenüber
solchen der gewerblichen Wirtschaft. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat dieses alte Recht wegen Verstoßes gegen
das Gleichheitsprinzip beanstandet. Die Bundesregierung
hebt mit der Neuregelung diese Ungleichbehandlung auf
und stellt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des
öffentlichen Dienstes gleich.
Die Schlechterstellung beruhte auf einer unterschiedli-
chen Berechnung der Versorgungsanwartschaften: Für
Arbeitnehmer der gewerblichen Wirtschaft orientierte sie
sich anteilig an der Höhe der für den Fall des Verbleibs zu-
gesagten Betriebsrente. Für Arbeitnehmer des öffentli-
chen Dienstes war die Höhe des bei Ausscheiden maß-
geblichen Monatsentgelts ausschlaggebend. Nunmehr
gilt in beiden Fällen eine Anwartschaft – wie bisher schon
in der gewerblichen Wirtschaft –, die sich nach einem der
Betriebszugehörigkeit entsprechenden Anteil der Zusatz-
versorgung errechnet.
Damit sind endlich die Rechtssysteme im gewerbli-
chen und im öffentlichen Dienst weitgehend angeglichen.
Nur noch aus den Besonderheiten der Zusatzversorgungs-
systeme im öffentlichen Dienst ergeben sich geringfügig
abweichende Regelungen. Damit trägt die Regierungs-
koalition dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 15. Juli 1998 Rechnung und beseitigt somit eine wei-
tere Altlast der früheren Regierung.
Dr. Max Stadler (F.D.P): Das, was heute dem Bun-
destag zur Abstimmung in zweiter und dritter Lesung vor-
liegt, ist nicht das, was als ursprünglicher Entwurf zur Än-
derung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung in erster Lesung hier eingebracht wor-
den ist. Zwar hat die rot-grüne Bundesregierung in Erfül-
lung einer ihr seitens des Bundesverfassungsgerichts auf-
erlegten Verpflichtung zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung der Dienstordnungsangestellten ver-
sucht, einen konsensfähigen Gesetzentwurf vorzulegen.
Bei dem Versuch wäre es aber geblieben, hätte nicht die
F.D.P.-Bundestagsfraktion mit ihrem Änderungsantrag im
Innenausschuss dafür gesorgt, dass insbesondere die
Frage der Dynamisierung der Versorgung ehemaliger
DO-Angestellter neu diskutiert wurde. Was jetzt dabei
herausgekommen ist, entspricht zwar nicht unseren Vor-
stellungen. Der überarbeitete Gesetzentwurf, so wie er in
der Beschlussempfehlung des Ausschusses zur Geltung
kommt, geht aber in die richtige Richtung und wird des-
halb von der F.DP. unterstützt.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Der vorliegende Entwurf eines
Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbes-
serung der betrieblichen Altersversorgung, des so ge-
nannten Betriebsrentengesetzes, hat die Neuregelung der
betrieblichen Altersversorgung im Rahmen des Betriebs-
rentengesetzes für die Arbeitnehmer des öffentlichen
Dienstes beim vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeits-
verhältnis zum Gegenstand. Der Gesetzentwurf trägt
damit einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts
Rechnung, eine verfassungskonforme Regelung bis zum
31. Dezember 2000 zu schaffen.
Das Betriebsrentengesetz regelt den Fortbestand und
die Höhe der Anwartschaften aus einer betrieblichen Al-
tersversorgung beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus
dem Arbeitsverhältnis vor dem Eintritt des Versorgungs-
falles. Zur Bestimmung dieser unverfallbaren Versor-
gungsanwartschaften sieht bislang § 18 dieses Gesetzes
für den öffentlichen Dienst eine von der für Arbeitnehmer
der Privatwirtschaft geltenden Regelung abweichende
Methode vor. Während der Anspruch der Arbeitnehmer
der gewerblichen Wirtschaft nach der allgemeinen Rege-
lung des § 2 des Betriebsrentengesetzes sich anteilig an
der Höhe der zugesagten Versorgungsrente orientiert,
stellt die bisherige Fassung des § 18 für den öffentlichen
Dienst auf die Höhe des beim Ausscheiden maßgeblichen
Arbeitsentgelts und die Zeit der Pflichtversicherung in der
Zusatzversorgung ab. Zudem werden diese Versorgungs-
leistungen für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes
– anders als die Leistungen für Beschäftigte in der Privat-
wirtschaft – nach Eintritt des Versorgungsfalls nicht dy-
namisiert.
Diese Sonderregelungen hat das Bundesverfassungs-
gericht mit Beschluss vom 15. Juli 1998 für verfassungs-
widrig erklärt und festgestellt, dass sie gegen den allge-
meinen Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes und
gegen die Berufsfreiheit verstoßen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Ar-
beitnehmer des öffentlichen Dienstes den Arbeitnehmern
der gewerblichen Wirtschaft weitgehend gleichgestellt.
Lediglich solche Fragen werden gesondert geregelt, die
sich zwingend aus den Besonderheiten der Zusatzversor-
gungssysteme des öffentlichen Dienstes ergeben.
Nach der vorgesehenen Neuregelung soll sich in Zu-
kunft auch der Anspruch eines vorzeitig aus dem öffent-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013870
(C)
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lichen Dienst ausgeschiedenen Arbeitnehmers an der
zugesagten Versorgungsleistung orientieren. Hierbei ist
Ausgangspunkt der individuelle Anspruch, der sich aus
dem höchstmöglichen Versorgungssatz ergibt. Von die-
sem erhält der Arbeitnehmer für jedes Jahr der Pflichtver-
sicherung einen Anteil von 2,25 Prozent. Zudem werden
die Versorgungsleistungen von Beginn der Rentenzahlun-
gen an wie in der Privatwirtschaft dynamisiert.
Im Rahmen der Ausschussberatungen wurde Ände-
rungsanträgen Rechnung getragen.
Zum einen wird nunmehr sichergestellt, dass die vor-
zeitig aus dem öffentlichen Dienst ausgeschiedenen Ar-
beitnehmer in Bezug auf die Abschlagsregelungen bei ei-
nem vorzeitigen Renteneintritt nicht schlechter gestellt
werden als die Arbeitnehmer, die bis zum Eintritt des Ver-
sorgungsfalles in der Zusatzversorgung versichert waren.
Zum anderen wurde für die so genannten Dienstord-
nungs-Angestellten, die insbesondere im Bereich der So-
zialversicherung tätig sind, in einer Übergangsregelung
der Besitzstand nach dem alten Recht gewährleistet.
Diese Lösung wurde im Einvernehmen mit der Gewerk-
schaft der Sozialversicherung und dem AOK-Bundesver-
band gefunden.
Der Gesetzentwurf trägt den Vorgaben des Bundesver-
fassungsgerichts Rechnung und trifft zugleich eine prak-
tikable und ausgewogene Regelung für die Arbeitnehmer
des öffentlichen Dienstes.
Anlage 22
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung
gefährlicher Hunde,
– des Berichts: Bevölkerung wirksam vor
„Kampfhunden“ schützen und
– des Berichts: Obligatorische Haftpflichtver-
sicherung für Hunde
(Tagesordnungspunkt 23 a bis c)
Ernst Bahr (SPD): „Kampfhund tötet Sechsjährigen“
– diese Schlagzeile ruft wohl bei uns allen noch schlechte
Erinnerungen hervor. Freitag letzter Woche begann der
Prozess gegen die Halter der beiden Kampfhunde. Seit-
dem in Hamburg der Schuljunge Volkan von einem Pit-
bull und einem Staffordshire-Bullterrier tödlich verletzt
wurde, entwickelte sich das Thema Kampfhunde in der
Öffentlichkeit zum Reizthema.
Viele Bundesländer reagierten auf diesen und weitere
tragische Zwischenfälle mit Eilverordnungen – zum
Schutz des Menschen vor gefährlichen Tieren bzw. dem
verantwortungslosen Handeln bestimmter Hundehalter.
In diesen Eilverordnungen werden den Haltern von Hun-
den mit gesteigerter Aggressivität bundeslandabhängig
verschiedenste Pflichten auferlegt. Denn die Abwehr von
Gefahren, die durch gefährliche Hunde verursacht wer-
den, ist in erster Linie Aufgabe der Länder.
Der Bund wird diese länderrechtlichen Regelungen mit
dem vorliegenden, Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde unterstützen. Um den Forderungen, die sich aus
der intensiven öffentlichen Debatte ergeben haben, ge-
recht zu werden, haben wir das Gesetz bewusst in drei
Schwerpunkte gegliedert:
Erstens wird die Einfuhr bzw. das Verbringen von Hun-
den der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-
Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie de-
ren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden
in das Inland beschränkt. Das sind sehr agile Rassen, die
hinsichtlich ihrer Aggressivität auf niedrige Hemm-
schwellen gezüchtet wurden. Wir alle wissen, dass Hunde
auch durch Erziehung und Ausbildung in ihrem Verhalten
bestimmt werden. Auch diese Rassen können in vielen
Lebensbereichen nicht nur gute Gefährten, sondern auch
zuverlässige Helfer sein. Eine kleine Gruppe von Men-
schen missbrauchen aber gerade vorrangig diese Hun-
derassen als Statussymbole oder drohen gar, ihre Hunde
gezielt als „Waffe“ einzusetzen. Auch wenn zahlenmäßig
nur eine kleine Gruppe von Hundehaltern für diese tragi-
schen Zwischenfälle verantwortlich ist, sind wir gezwun-
gen, die bestehenden Gesetze zu verschärfen – wohl wis-
send, damit auch Halter zu treffen, die verantwortungsvoll
und sachkundig mit ihren Hunden auftreten.
Zweitens greifen wir umfassender als bisher die Be-
lange des Tierschutzes auf. Danach ist es durch Änderung
des Tierschutzgesetzes in Zukunft möglich, das Züchten
von Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen oder Linien
zu verbieten oder zu beschränken, bei denen erblich be-
dingt Verhaltensstörungen bzw. Aggressionssteigerungen
auftreten. Wir wollen damit auch verhindern, dass bisher
als „ungefährlich“ eingestufte Rassen „scharf“ gemacht
werden.
Und drittens sieht das Gesetz durch Änderung des
Strafgesetzbuches eine schärfere Ahndung von Verstößen
gegen landesrechtliche Vorschriften vor. Dabei werden
Zuwiderhandlungen gegen landesrechtliche Zucht- und
Handelsverbote – gewerbliche Tätigkeiten – mit einer
höheren Strafe belegt als die Missachtung landesrechtli-
cher Haltungsverbote, welche Ordnungswidrigkeitstatbe-
stände bleiben sollen. Aus diesem Grund lehnen wir den
Änderungsantrag der CDU/CSU ab.
Die von der F.D.P.-Fraktion geforderte Aufnahme
präventiver Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung so-
wie die Aufnahme eines Im- und Exportverbotes in das
Tierschutzgesetz lehnen wir ebenfalls ab, denn das Tier-
schutzgesetz soll weiterhin in erster Linie das Leben und
das Wohlbefinden der Tiere schützen. Die Bundesländer
sind jetzt gefordert – wie in den Beschlüssen der IMK
vom 24. November 2000 anvisiert – sich schnellstens um
eine Harmonisierung ihrer Regelungen zu bemühen. Ei-
nerseits muss das Reisen mit Hund von einem Bundesland
ins nächste erleichtert werden und andererseits müssen
Haltungserlaubnisse nach gleichen Maßstäben erteilt und
auch untereinander anerkannt werden.
Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass wir
gezwungen sind, aufgrund des Fehlverhaltens einiger we-
niger solch radikale Verbote auszusprechen. Denn wir
nehmen die zunehmende Angst in der Bevölkerung vor
gefährlichen Hunden sehr ernst. Hysterie, wie sie in
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13871
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(B)
öffentlichen Diskussionen leider häufig zu hören war, ist
genauso fehl am Platz wie das Beschimpfen von Hunde-
haltern und – wie leider auch vorgekommen – das Treten
oder Schlagen von Hunden.
Günter Baumann (CDU/CSU): Entscheidend für das
Lebensgefühl unserer Mitbürger ist nicht zuletzt ein mög-
lichst hohes Maß an Sicherheit. Alle gesellschaftlichen
Gruppierungen, die Kommunen, die Bundesländer und
auch der Staat sind jeder in seiner hoheitlichen Kompe-
tenz gefordert, dafür Sorge zu tragen, dass sich jeder Bür-
ger in unserem Land, an jedem Ort und zu jeder Zeit si-
cher fühlen kann. Leider ist es gerade in der letzten Zeit
immer wieder vorgekommen, dass Menschen und oft
auch Kinder von Hunden angegriffen, schwer und ver-
einzelt sogar tödlich verletzt wurden. Besonders schreckt
uns der Tod eines 6-jährigen Jungen aus Hamburg auf, der
am 26. Juni dieses Jahres auf dem Schulgelände von ei-
nem Pitbull-Terrier und einem Staffordshire-Terrier ange-
griffen wurde.
Die Gesellschaft kann Angriffe auf das Leben und die
Gesundheit ihrer Bürger nicht hinnehmen. Gefährliche
Tiere und das verantwortungslose Verhalten bestimmter
Hundehalter haben uns alle in Gefahr gebracht. Restrik-
tive Maßnahmen zum Schutze der Menschen sind drin-
gend geboten. Der Deutsche Bundestag hat sich am
30. Juni 2000 unverzüglich nach den Vorkommnissen von
Hamburg in einer Aktuellen Stunde mit diesem Thema be-
schäftigt. Es wurde von der Öffentlichkeit in unserem
Lande positiv aufgenommen, dass sich die Parteien in der
Grundtendenz einig waren, neue und härtere Vorschriften
gegen Kampfhunde zu erlassen.
Die Abwehr von Gefahren, die von Kampfhunden aus-
gehen, ist in erster Linie Aufgabe der Bundesländer. Die
Bundesländer haben sich der Aufgabe gestellt und Rege-
lungen erlassen, die jedoch von Land zu Land sehr unter-
schiedlich ausfallen.
Bereits in der Vergangenheit, im Jahr 1991, hatte es eine
bemerkenswerte Bundesratsinitiative der Länder Nord-
rhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen gegeben, die
Aggressionsdressur und -züchtung auf Bundesebene zu
verbieten. Das Gesetz sah vor, das Tierschutzgesetz, das
Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz zu
ändern. Im Hinblick auf die Bedenken gegen die Zustän-
digkeiten des Bundes und angesichts der Zuordnung der zu
regelnden Materie zum Polizei- und Ordnungsrecht, das in
die Zuständigkeit der Länder fällt – Art. 70 Abs. 1 Grund-
gesetz –, scheiterte das Gesetzesvorhaben.
Im Freistaat Sachsen zum Beispiel trat Anfang No-
vember eine Verordnung in Kraft, wonach drei Kampf-
hunderassen und deren Kreuzungen als gefährliche Hun-
derasse eingestuft wurden. Diese Verordnung ist Teil des
im September verabschiedeten Gesetzes zum „Schutz der
Bevölkerung vor gefährlichen Hunden“. Wer einen sol-
chen Hund halten will, benötigt seitdem einen so genann-
ten Hundeführerschein. Dabei wird nach Angabe des So-
zialministeriums von Dresden geprüft, welche Kenntnisse
der Halter über die Bedürfnisse, das Verhalten und die Er-
ziehung des Hundes hat. Gefährliche Hunde müssen dem
Gesetz zufolge in der Öffentlichkeit an der Leine geführt
werden und einen Maulkorb tragen. Auf Kinderspiel-
plätze, Liegewiesen oder in Badeanstalten dürfen sie nicht
mitgenommen werden.
Für den Erfolg strenger Regelungen spricht die Ver-
ordnung des Freistaates Bayern, die auf ein faktisches
Kampfhundeverbot hinausläuft und bereits seit 1992 in
Kraft ist. Die Haltung von Kampfhunden unterliegt hier
der Genehmigung der Gemeinde und bedarf eines „be-
rechtigten Interesses“, das praktisch in den seltensten Fäl-
len nachzuweisen ist. Der letzte schwerwiegende Unfall
in Bayern wurde vor drei Jahren gemeldet.
Da die einzelnen Regelungen in den Ländern sich zum
Teil erheblich unterscheiden, hat sich die ständige Konfe-
renz der Innenminister und -senatoren der Länder in die-
sem Jahr am 5. Mai, 28. Juni und zuletzt am 24. Novem-
ber mit der Harmonisierung der Vorschriften zum Schutz
der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden beschäftigt.
Soweit die Länderregelungen Auswirkungen auf an-
dere Länder der Bundesrepublik haben können, empfiehlt
die Innenministerkonferenz in zentralen Punkten eine An-
gleichung, um in allen Ländern möglichst einheitliche
Schutz- und Sicherungsmaßnahmen zu erreichen. Einer
möglichst bundeseinheitlichen Regelung bedürfen: die
Bestimmung gefährlicher Hunderassen, das Verbot der
Aggressionszucht, die Knüpfung der Haltungserlaubnis
an den Nachweis der Sachkenntnis und einer Haftpflicht-
versicherung sowie die Ahndung von Verstößen mit emp-
findlichen Geldbußen.
Der Bund kann und muss – angesichts der allseits emp-
fundenen Dringlichkeit dieser Frage der inneren Sicher-
heit – die landesrechtlichen Regelungen durch Bundesre-
gelungen ergänzen.
Uns liegt in zweiter und dritter Lesung der von der
Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines „Gesetzes
zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“ vor. Dieser Gesetz-
entwurf sieht ein Einfuhr- und Zuchtverbot sowie straf-
rechtliche Regelungen vor. Im Wesentlichen sind dies die
folgenden Maßnahmen:
Erstens. Ein absolutes Einfuhrverbot für vier Hun-
derassen, nämlich Pitbull-Terrier, American Staffords-
hire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier, so-
wie deren Kreuzungen. Außerdem erstreckt sich das
Verbot auf alle Hunde, die nach den Verordnungen des je-
weiligen Landes, in das sie verbracht werden sollen, als
gefährlich gelten.
Zweitens. Verstöße gegen diese Importverbote werden
unter Strafe gestellt.
Drittens. Das Verbot der Aggressionszucht im Tier-
schutzgesetz wird dahin gehend erweitert, dass nicht al-
lein das unmittelbare Leiden des betreffenden Tieres, son-
dern auch die von ihm ausgehende Gefahr für andere
Tiere als tierschutzrelevant gilt. Bei Verstößen können die
Tiere eingezogen werden.
Viertens. In das Strafgesetzbuch wird ein Tatbestand
eingeführt, der es unter Strafe stellt, gegen landesrechtli-
che Verbote gefährliche Hunde zu züchten oder mit ihnen
zu handeln. Auch hier ist die Einziehung dieser Hunde
vorgesehen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013872
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(B)
Während im Hinblick auf das Einfuhr- und Zuchtver-
bot weitgehender Konsens herrscht, ist der letzte Punkt
umstritten. So fordert der Antrag der CDU/CSU, den
Art. 3 zur Änderung des Strafgesetzbuches zu ergänzen:
§ 143 Strafgesetzbuch darf sich unserer Meinung nicht
nur auf die Zucht und den Handel, sondern muss sich auch
auf das Halten gefährlicher Hunde erstrecken, wenn die-
ses landesrechtlich untersagt ist.
Die Angriffe von „Kampfhunden“ auf Menschen ha-
ben ihre unmittelbare Ursache in vielen Fällen weniger in
der Züchtung von Hunden mit nicht beherrschbarem Ag-
gressionspotenzial als vielmehr in dem verantwortungslo-
sen Umgang der Halter mit solchen Tieren. Die Strafbe-
wehrung sollte deshalb auch im Hinblick auf die
landesrechtlichen Haltungsverbote Anwendung finden.
Überdies ist nicht einzusehen, weshalb der Halter eines
verbotenen Hundes straffrei ausgehen, der Züchter des-
selben Tieres aber verurteilt werden sollte. Diese straf-
rechtliche Privilegierung der Halter ist nicht nachzuvoll-
ziehen. Die Nachbesserung des § 143 ist daher für uns die
Voraussetzung, dem Gesetzentwurf zustimmen zu kön-
nen.
Zwei wesentliche Erweiterungen zum Entwurf der Re-
gierungskoalition enthält der vorliegende Gesetzentwurf
der F.D.P.:
Erstens. Bei der angehenden Novellierung des Waffen-
gesetzes sei der Waffenbegriff auf Kampfhunde zu erwei-
tern, damit die waffenrechtlichen Verbote und sonstige
Schutzvorschriften auch auf Kampfhunde und ihre Halter
angewandt werden können.
Zweitens. Es soll analog zur Kfz-Haftpflicht eine ge-
setzlich obligatorische Haftpflichtversicherung für die
Halter gefährlicher Hunde eingeführt werden. Die ver-
tragliche Versicherungsleistung für Personenschäden
dürfe dabei nicht unter 1 Million DM liegen.
Dieser Entwurf wurde von der CDU/CSU aus zwei
Gründen abgelehnt: Eine Erweiterung des Waffengeset-
zes auf Kampfhunde würde bedeuten, dass alle Kampf-
hundverordnungen der Länder hinfällig wären.
Eine Pflicht-Haftpflichtversicherung für alle Hunde-
halter wird von uns zwar generell begrüßt. Eine solche
Regelung würde für die Geschädigten, die bei Beißzwi-
schenfällen erheblich verletzt und zum Teil mit bleiben-
den Schäden rechnen müssen, das Risiko der Zahlungs-
unfähigkeit des Schädigers abwenden und sicherstellen,
dass der Halter und nicht der Geschädigte die finanziellen
Folgen trägt. Eine Beschränkung der Versicherungs-
pflicht nur auf „gefährliche Hunde“ ist nicht zweckmäßig,
da bereits bei einem Beißzwischenfall mit einem bis da-
hin als „nicht gefährlich“ eingestuften Hund schwerwie-
gende Schäden entstehen können. Hierbei könnte auf die
Regelungen des Gesetzes über die Pflichtversicherung für
Kraftfahrzeughalter vorbildhaft zurückgegriffen werden,
um so Direktansprüche gegen den Versicherer zu ermög-
lichen und auch das Handeln des Hundeführers mit ein-
zubeziehen. Für die Einführung einer obligatorischen
Haftpflicht für Hundehalter fehlt dem Bund aber leider
die gesetzgeberische Kompetenz. Dieses Gebiet ist dem
Ordnungsrecht zugeordnet, das den Ländern obliegt. Die
Forderung des Koalitionsantrages an die Bundesregie-
rung, gemeinsam mit den Ländern für die Einführung ei-
ner obligatorischen Haftpflichtversicherung zu sorgen, ist
daher der einzig gangbare Weg.
Die Union hat aktuell wieder gefordert, die Zucht und
auch den Import von Kampfhunden konsequent zu unter-
binden. Zuwiderhandlungen müssen streng bestraft wer-
den. Nicht jeder kann Kampfhunde halten. Wir brauchen
eine Art Hundeführerschein. Das Recht, gefährliche
Hunde halten zu können, ist an strenge Voraussetzungen
zu knüpfen. Straftäter dürfen keine Kampfhunde halten.
Viele Menschen fühlen sich von Hunden bedroht, auch
wenn es keine Kampfhunde sind. Hier kann ein Leinen-
zwang in bestimmten Gebieten oder die Pflicht, in der Öf-
fentlichkeit einen Maulkorb anzulegen, abhelfen.
Insgesamt sehen wir eine weitreichende Übereinstim-
mung zwischen unseren Forderungen, den Initiativen des
Bundesrates und dem vorliegenden Gesetzentwurf der
Regierungskoalition. Mit Nachdruck empfehlen wir aller-
dings die Annahme unseres Änderungsantrages.
Aufgrund der allzu vielen, nicht länger hinnehmbaren
Vorfälle musste die Politik reagieren und dies ist ein
Schritt dazu. Wir dürfen aber auch nicht überzogen rea-
gieren. Die geführte Debatte über Kampfhunde darf nicht
zulasten des ehrenamtlichen Tierschutzes gehen, nicht
gegen Millionen verantwortungsbewusster Halter und
schon gar nicht gegen den Hund als solchen. Der Hund
gehört in unser Leben, in unsere Familien. Der Präsident
des Deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, sagt:
„Die auffälligen Hunde sind das Endergebnis falscher
Zucht und Haltung. Daran muss sich das politische Han-
deln orientieren, damit die Ursachen und nicht nur Symp-
tome beseitigt werden.“ Die Problemfälle sind nicht die
unten an der Leine, sondern die am anderen Ende.
Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
schrecklichen Vorfälle mit gefährlichen Hunden sind eine
ernstes Problem. Wir haben uns im Deutschen Bundestag
mehrfach mit diesem Thema auseinander gesetzt.
Es ist für mich dabei aber mehr als eine Chronisten-
pflicht, darauf zu verweisen, dass die damalige Fraktion
der Grünen vor über zehn Jahren erstmals dazu einen Ge-
setzentwurf vorgelegt hat. Hätte der damalige Gesetzge-
ber das Problem erkannt, wäre uns vieles erspart geblie-
ben. Die immer größer werdende Zahl unverantwortlicher
Hundehalter in den letzten Jahren hätte sich durch mehr
gesetzgeberische Voraussicht verhindern lassen können,
ebenso wie die Zucht solcher Tiere und damit auch viele
Tierschutzprobleme. Von daher bin ich froh, wenn wir
heute endlich das tun, was auf Bundesebene getan werden
kann und deshalb auch getan werden muss.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen aber zugleich
wissen, dass der Bund nur eine begrenzte Zuständigkeit
hat. Das Polizei- und Ordnungsrecht ist Sache der Länder.
Es wäre fatal, wenn der Appell der Innenministerkonfe-
renz zur Rechtsvereinheitlichung ungehört verhallen wür-
de. Wir brauchen keine 16 total unterschiedlichen Ge-
setze, sondern klare und transparente bundeseinheitliche
Normen und eine darauf gegründete Praxis. Das jetzige
Durcheinander führt in der Öffentlichkeit, bei Polizei,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13873
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Ordnungsämtern und Hundehaltern zu Irritationen. Bei
der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung stoßen diese
länderbezogenen Regelungen an ihre Grenzen. Ohne die
Vereinheitlichung haben wir nicht nur gesetzliches Chaos,
sondern auch Unverständnis und Ärger bei den Bürgern
und Hundehaltern.
Wir alle bekommen in diesen Tagen viele Zuschriften
gegen die Gesetze der Länder und das jetzt anstehende
Bundesgesetz. Wir dürfen dabei nicht aus den Augen ver-
lieren, was beispielsweise Kinder und Eltern von der Po-
litik erwarten. Der Vertreter des Kinderschutzbundes for-
derte in einer Anhörung meiner Fraktion von der Politik
ein klares Bekenntnis zum Vorrang der Kinder bei der
Nutzung öffentlicher Grünflächen gegenüber den Hun-
den. Gerade hier in Berlin findet gegenwärtig dazu eine
lebhafte öffentliche Debatte statt, da in vielen Bezirken
nur wenige und kleine Grünflächen vorhanden sind, die
traditionell von Hund und Halter für sich beansprucht
werden. Elternverbände wehren sich zunehmend gegen
diese Praxis. Das gilt auch für die Durchsetzung dese Lei-
nen- und Maulkorbzwangs.
Das Parlament muss hier ein Zeichen setzen und Re-
gelungen schaffen. Mit dem heute zur Beschlussfassung
anstehenden Gesetz kommen wir dieser Verantwortung
nach.
In dem Gesetz wird der Import gefährlicher Hunde ver-
boten und der Erlass eines Zuchtverbotes für „Kampf-
hunde“ – American Pitbull Terrier, American Stafford-
shire-Terrier und Staffordshire-Bullterrier sowie deren
Kreuzungen – verankert. Die Schaffung solcher Rasselis-
ten wird von vielen Tierschützern abgelehnt, weil sie dem
Problem nur unzureichend gerecht werden können. Die
Entwicklung der Sachkundenachweise und der Heimtier-
zuchtregeln müssen daher die nächsten Schritte sein.
Auch die Anliegen des Tierschutzes sollen damit unter-
stützt werden.
Wichtig ist uns ganz besonders die Einführung einer
obligatorischen Pflichtversicherung. Das ist mehr als eine
flankierende Maßnahme. Der Antrag gibt diese Einschät-
zung wieder. Allerdings liegt auch hier die Zuständigkeit
bei den Ländern. Es bleibt uns hier vonseiten des Bun-
destages nichts anderes übrig, als energisch zu mahnen.
Es kann doch nicht angehen, dass die Betroffenen leer
ausgehen, nur weil sich einzelne Hundehalter nicht um die
Folgen kümmern und keine Vorsorge getroffen haben.
Wir sollten die Verabschiedung des vorliegenden Koaliti-
onsantrags gemeinsam nutzen, um hier die Bundesländer
an ihre Verantwortung zu erinnern.
Hildebrecht Braun (Augsburg) (F.D.P.): Vor zehn
Jahren habe ich als Münchner Stadtrat die Problematik
des Zusammenlebens von Mensch und Hund in der Stadt
thematisiert. Ich habe damals auch ein Verbot von Kampf-
hunden gefordert. Meine damalige Initiative führte nicht
nur zur Kritik vom Tierschutzverein, sondern auch zu wü-
tenden Kommentaren zum Beispiel in der „Süddeutschen
Zeitung“. Sie werden deshalb verstehen, dass ich mich be-
sonders darüber freue, wenn heute der Bundestag ein Ge-
setz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde und unseren
Antrag, die Bevölkerung wirksam vor Kampfhunden zu
schützen, beschließt.
Lassen Sie mich Folgendes klarstellen: Gerade wir Li-
beralen respektieren natürlich den Wunsch vieler Men-
schen, insbesondere älterer Menschen, einen Hund als Ge-
fährten, ja auch als Freund zu halten. Hunde gehören zu
unseren Städten und Dörfern, sie gehören zu uns. Aber
müssen es denn Kampfhunde, müssen es Hunde besonders
gefährlicher Rassen und Mischzüchtungen sein? Auf diese
Frage kann nur mit einem klaren Nein geantwortet werden.
Es ist überhaupt nicht einzusehen, weswegen viele
Menschen in Angst vor gefährlichen Hunden leben müs-
sen. Vernünftige Politik wird immer abwägen zwischen
der Freiheit des Hundehalters und dem Anspruch auf
Freiheit aller anderen Menschen. Und lassen Sie mich
dies mit der nötigen Deutlichkeit sagen: Freiheit bedeu-
tet zunächst Freiheit von Angst. Wer Angst haben muss,
ist nicht frei. Die Angst von Menschen vor großen und
gefährlichen Hunden haben diejenigen zu respektieren,
die zu ihrem eigenen erhöhten Lebensglück gefährliche
Hunde halten.
Ich will noch deutlicher werden: Selbst wenn der Hal-
ter eines Hundes davon überzeugt ist, dass sein Hund
„nichts tut“, so ist es dennoch seine Aufgabe, auch dem
anderen Menschen, dem Spaziergänger, dem Jogger, dem
radelnden Kind die Angst zu nehmen. Nicht derjenige, der
Angst vor Hunden hat, muss zum Psychotherapeuten,
sondern der Hundehalter, der die Tatsache der Angst vor
Hunden nicht respektieren will. Nicht Hunde sind böse,
sondern Züchter und Halter von Hunden sind dann böse,
wenn sie nicht dafür sorgen, dass sich Hunde menschen-
verträglich verhalten.
Es ist eine der besonders betrüblichen Erfahrungen,
dass Menschen aus einem besonders problematischen
Umfeld, zum Beispiel Zuhälter und Menschen, die mit
dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten sind, eine be-
sondere Vorliebe für die Hunde haben, die pauschal als
Kampfhunde oder als gefährliche Hunde bezeichnet wer-
den. Die psychologische Erklärung für derartiges Denken
und Verhalten ist einfach. Viele Menschen wollen ihr feh-
lendes Selbstwertgefühl durch die Zurschaustellung von
Macht kompensieren. Sie genießen es, anderen Furcht
einflößen zu können. Oft üben sie auch tatsächlich Macht
über andere aus, weil diese aus Angst vor diesen Hunden
lieber bereit sind, alles Mögliche zu erleiden, was dem
Hundehalter frommt.
Derartiges wird nicht mehr hingenommen. Der Ge-
setzentwurf und unser Antrag sprechen eine deutliche
Sprache. Die Liberalen unterstützen daher den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung, der die bundesgesetzlichen
Möglichkeiten nutzt, den Schutz der Bevölkerung vor-
wärts zu bringen.
Es wird zu prüfen sein, ob die vorgeschlagenen Rege-
lungen ausreichen, um die Sicherheit der Bevölkerung,
speziell – ich betone dies nochmals – von Kindern und al-
ten Menschen, zu gewährleisten. Sollte dies nicht der Fall
sein, so wird sicherlich mit den Bundesländern über eine
Ausweitung der betroffenen Hunderassen und über an-
dere Maßnahmen nachzudenken sein. Die Fragen der
Pflichthaftpflichtversicherung und des „Hundeführer-
scheins“ sind noch offen.
Es ist zu beklagen, dass erst wieder ein Kind totgebis-
sen werden musste, damit der Bundestag tätig wurde. Die
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heute zu beschließenden Maßnahmen werden aber dazu
beitragen, dass das Miteinander von Mensch und Hund
besser wird, da die wichtigsten Angstauslöser endlich ent-
schieden bekämpft werden.
Eva Bulling-Schröter (PDS): Wir beenden heute
vorläufig ein Drama, dessen Ausgang noch ungewiss ist.
Seit Jahren sah die Politik den drohenden Problemen zu,
und erst als es zu tragischen Todesfällen kam, sie also
nicht mehr zu leugnen waren, wurde gehandelt. Mehrere
Menschen mußten durch Hundebisse sterben, und die
Massenmedien hatten ihren Anteil an einer Hysterie, die
zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zu überbieten
war. Um nicht falsch verstanden zu werden: Jedes totge-
bissene Kind, jeder verletzte Mensch ist einer zu viel.
Aber können diese Probleme wirklich durch gesetzliche
Schnellschüsse gelöst werden ? Ist es nicht notwendig,
präventiv Maßnahmen zu ergreifen, damit in Zukunft ma-
ximaler Schutz vor Angriffen von Hunden gewährt wer-
den kann?
Wer sind die Schuldigen? Es sind doch die Menschen,
die Hunde aggressiv züchten, und nicht die Produkte die-
ser Zucht, die zum Teil dazu benutzt werden, das eigene
Ego aufzuwerten. Und es sind diejenigen, die sich nicht
an Zuchtordnungen halten und aus finanziellen Gründen
Hunde züchten, die unter den Qualzuchtparagraphen fal-
len. Es sind diejenigen, die ganz bewußt Hunde importie-
ren, von denen sie wissen, dass eine ganz bestimmte Käu-
ferschicht sie abnimmt. An dieser Stelle vor allem müsste
das Problem bekämpft werden.
Wichtig ist doch, dass hier der Gesetzgeber ansetzt.
Deshalb halte ich besonders einen Führungsnachweis, ei-
nen so genannten Hundeführerschein, für notwendig.
Weiter ist eine Kennzeichnung und zentrale Erfassung
von Hunden unbedingt notwendig. Auch eine Haftpflicht
für Hunde sehe ich als dringend notwendig an. In Anbe-
tracht der vielen Beißunfälle, die eben zum größten Teil
nicht durch so genannte Kampfhunde verursacht wurden,
stellt sich für mich schon die Frage nach dem Sinn von
„Rasselisten“, die im Übrigen von Land zu Land ver-
schieden sind. Eine Harmonisierung der Kampfhundver-
ordnungen der Länder liegt bis dato nicht vor. Die Länder
fühlen sich nicht in der Lage dazu, wie die letzte Innen-
ministerkonferenz bewies. Die Spezifizierungen der
Qualzuchten im Tierschutzgesetz kann ich nur begrüßen.
Sie ist schon lange überfällig.
Insgesamt kann ich nur hoffen, dass mit der Verabschie-
dung der Regelungen und Verordnungen auch die Mittel
bereitgestellt werden, um auch diese vernünftig zu über-
prüfen und zu gewährleisten, dass Kontrollen und dement-
sprechende Sanktionen dann auch stattfinden. Denn Ver-
ordnungen haben nur dann einen Wert, wenn sie auch
durchgesetzt werden. Ich hoffe, dass unverantwortliche
Züchter in Zukunft in ihre Schranken gewiesen werden und
wir wieder zu einem friedlichen Zusammenleben von Hun-
debesitzern und Nichthundebesitzern kommen – ohne
Angst und gegenseitige Denunziationen und vor allem,
ohne noch einmal einen Todesfall beklagen zu müssen.
Den betroffenen Hundebesitzern muß jetzt allerdings
auch Hilfe gewährt werden, denn auch das finde ich un-
verantwortlich, wenn sie jetzt alleine im Regen stehen ge-
lassen werden.
Es kann nicht sein, dass Menschen ihre Hunde ins Tier-
heim abschieben müssen, weil sie mit der jetzigen Situa-
tion nicht mehr zurechtkommen. Und es müssen Gelder
zur Verfügung gestellt werden, um die Tierheime, die in-
zwischen überfüllt sind, weil sich Menschen ihren Hund
nicht mehr zu halten trauen, zu unterstützen.
Alles in allem meine ich, dass der Hysterie, die in den
Medien undifferenziert vor allem gegen große Hunde ge-
schürt wurde, einem Klima weichen muss, dass es wieder
möglich macht, unvoreingenommen mit Haustieren zu-
sammenzuleben.
Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun-
desminister des Innern: Uns allen sind die vermehr-
ten Angriffe von gefährlichen Hunden – so genannten
Kampfhunden – auf Menschen in Erinnerung. Dabei gab
es sogar schon Tote. Wie am 6. Juni in Hamburg, wo ein
6-jähriger Junge von zwei Hunden zu Tode gebissen
wurde. Solche Vorfalle können und dürfen nicht hinge-
nommen werden. Leben und Gesundheit von Menschen
dürfen nicht durch gefährliche Tiere bzw. durch das ver-
antwortungslose Handeln bestimmter Hundehalter in Ge-
fahr gebracht werden. Inzwischen sorgt auch der laufende
Strafprozess in dieser Sache für öffentliche Aufmerksam-
keit.
Die Abwehr von Gefahren,, die durch gefährliche
Hunde verursacht werden, ist in Deutschland in erster
Linie Aufgabe der Bundesländer. Im Rahmen des Poli-
zeirechts haben sie die entscheidenden Regelungen zu
treffen. Die Länder haben deshalb unter Berücksichti-
gung der bisherigen Beschlüsse der IMK entsprechende
Regelungen erlassen bzw. bestehende Regelungen er-
gänzt. Diese Regelungen weichen jedoch teilweise erheb-
lich voneinander ab; am 24. November hat die IMK des-
halb Grundsätze zur Harmonisierung der landesrecht-
lichen Regelungen festgelegt.
Die Bundesregierung kann und muss angesichts der
Dringlichkeit der Situation die länderrechtlichen Rege-
lungen durch Inanspruchnahme ihrer Kompetenzen
schnell und sinnvoll ergänzen. Das Bundeskabinett hat
deshalb ein Bundesgesetz, das „Gesetz zur Bekämpfung
gefährlicher Hunde“, beschlossen. Dieses Gesetz unter-
stützt die länderrechtlichen Regelungen im Rahmen der
Kompetenzen des Bundes durch folgende Maßnahmen:
ein Importverbot für gefährliche Hunde, ein Zuchtverbot
im Rahmen des Tierschutzgesetzes, eine Strafnorm, die
Verstöße gegen landesrechtliche Verbote ahndet.
Im Einzelnen: Das Gesetz regelt ein absolutes Ein-
fuhrverbot für drei Hunderassen, die bereits im IMK-
Beschluss vom 5. Mai 2000 als besonders gefährlich
bezeichnet worden sind, nämlich Pitbull-Terrier, Ameri-
can Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier (Art. 1
§ 1 Abs. 1). Auf Anregung des Bundesrates soll auch die
Einfuhr des Bullterrier verboten werden. Verstöße gegen
diese Importverbote werden unter Strafe gestellt. Zudem
wird die Möglichkeit eröffnet, bei Verstößen gegen die
genannten Bestimmungen die Hunde einzuziehen. Im
Tierschutzgesetz wird ein Zuchtverbot für Hunde ausge-
sprochen, bei denen durch die Zucht erblich bedingte Ag-
gressionssteigerungen verstärkt werden. In das Strafge-
setzbuch wird ein Tatbestand eingeführt, der es unter
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13875
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Strafe stellt, entgegen landesrechtlicher Verbote gefährli-
che Hunde zu züchten oder mit ihnen zu handeln. Auch
hier ist die Einziehung dieser Hunde vorgesehen.
Darüber hinaus hat das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten am 29. Septem-
ber 2000 eine auf das Tierschutzgesetz gestützte Hunde-
verordnung dem Bundesrat zugeleitet, in der die Haltung
und Zucht von Hunden geregelt wird. Dadurch soll ein
Rückgang der insbesondere auf Haltungsfehlern beruhen-
den Aggressivität von Hunden erreicht werden.
Das dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Problem
wurde auch am 28. September 2000 in Brüssel auf der Sit-
zung dis Rates der Justiz- und Innenminister erörtert. Die
EU-Kommission hat daraufhin mitgeteilt, gegenwärtig
die Frage zu prüfen, ob das angestrebte Ziel durch einen
Rechtsakt auf der Grundlage des EU-Vertrages geregelt
werden kann.
Am 6. Dezember 2000 ist der Gesetzentwurf im In-
nenausschuss des Bundestages beraten worden.
Den genannten Hunderassen wird in dem Gesetzent-
wurf der Bundesregierung eine besonders niedrige Reiz-
schwelle, große Kampfkraft und damit eine besondere
Gefährlichkeit zugesprochen. Wegen ihrer ursprüng-
lichen Zweckbestimmung zur Verwendung als Kampf-
hund verfügen diese Rassen über ein besonderes genoty-
pisches Potenzial (insbesondere Beißkraft und Art des
Beißens), das es rechtfertigt, die Einstufung im Vergleich
zu Hunden anderer großer Rassen vorzunehmen.
In dem vom Bundesministerium für Ernährung, Land-
wirtschaft und Forsten in Auftrag gegebenen Gutachten
zur Auslegung von § 11 b des Tierschutzgesetzes (Verbot
von Qualzüchtungen) wird als Verhaltensstörung die „Hy-
pertrophie des Aggressionsverhaltens“ wie folgt definiert:
„Übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten, das leicht
auslösbar und biologisch weder bezüglich Zweck noch
Ziel sinnvoll ist.“ Es wird darauf hingewiesen, dass die-
ses Verhalten grundsätzlich in vielen Rassen oder Zucht-
linien auftreten kann, es sich jedoch besonders ausgeprägt
in bestimmten Zuchtlinien der Bullterrier, American-Staf-
fordshire-Terrier und Pitbull-Terrier zeigt.
Zu den Rassen im Einzelnen liegen folgende Erkennt-
nisse vor. Ich beziehe mich auf die Entscheidung des
Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 12. Oktober
1994:
Zum Bullterrier. Bei dieser Rasse stellt die Fachlitera-
tur im Wesentlichen übereinstimmend zumindest bei ei-
nem nicht unbeträchtlichem Teil der Züchtungen eine ge-
netische Hypertrophie des Aggressionsverhaltens fest. Es
handele sich um wehrhafte, angriffslustige Tiere, durch
eine einseitige Zuchtauswahl sei vielfach eine Senkung
der Aggressionsschwelle angestrebt worden; dadurch
habe sich das Aggressionsverhalten zunehmend verstärkt;
der Hund kenne keine Beißhemmung, er spüre in Rage
keinen Schmerz mehr und kämpfe bis zum Tod.
Zum American Staffordshire-Terrier. Dieser Hund
wird zwar einerseits als ein gegenüber Menschen nicht
überaggressiver Hund – bei entsprechender Erziehung –
und als ruhig und gutmütig beschrieben. Andererseits
wird hervorgehoben, dass er bis in die jüngste Zeit als
Kampfhund für Hundekämpfe gezüchtet wurde, da sein
Sozialverhalten gegenüber Artgenossen unterentwickelt
und sein Gefahrenpotenzial groß sei, wenn er in falsche
Hände gerate; es handelt sich außerdem um einen absolut
furchtlosen, sehr kräftigen Hund.
Zum Pittbull-Terrier. Dieser gemäß kynologischer
Fachliteratur auch „American Pitbull-Terrier“ genannte
Hund wird durch den VDH als eindeutige Gruppe von
Kampfhunden bezeichnet; einziges Ziel der Züchtung sei
eine möglichst niedrige Aggressionsschwelle.
Zum Staffordshire-Bullterrier. Dieser Hund wird zwar
als freundlich und gutmütig gegenüber Menschen ge-
schildert, aber aufgrund seiner Zuchtgeschichte als Rat-
tenbeißer und Kampfhund sei er äußerst aggressiv gegen-
über anderen Hunden und Tieren; es handele sich darüber
hinaus um einen zwar nicht sehr großen (Schulterhöhe
36 bis 41 Zentimeter), aber sehr kräftigen, wendigen
Hund mit „mächtigen Kiefern und unersättlichem Kampf-
trieb“. Bei der Begegnung mit anderen Hunden – gleich
welcher Größe oder äußeren Gestalt – verwandelt sich der
Stafford häufig vom „Gentleman mit vorzüglichen Ma-
nieren“ zur „Kampfhundemaschine, er ist dann tatsäch-
lich zu allem fähig“.
Zur Frage der Einführung einer obligatorischen Haft-
pflichtversicherung für Hunde – die Gegenstand der An-
träge der Fraktionen von FDP sowie von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen ist – muss ich allerdings darauf
hinweisen, dass hierfür eine Kompetenz des Bundes nicht
gegeben ist. Im Übrigen hat die IMK im Beschluss vom
24. November 2000 zur Harmonisierung der landesrecht-
lichen Regelungen eine obligatorische Haftpflichtversi-
cherung für Hundehalter ausdrücklich vorgesehen.
Damit das Gesetz möglichst bald seine Schutzwirkung
entfalten kann, wäre ich Ihnen im Interesse der Bevölke-
rung für die Billigung des Gesetzentwurfs sehr dankbar.
Anlage 23
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts:
– zu dem Entschließungsantrag der Fraktion
PDS zu der vereinbarten Debatte zur aktuel-
len Situation in Nahost und
– für eine Konferenz für Sicherheit und Zusam-
menarbeit im Nahen Osten (KSZNO).
(Tagesordnungspunkt 24 a und b)
Christoph Moosbauer (SPD): Die derzeitige Kri-
sensituation im Nahen Osten sollte eigentlich zu einer ge-
meinsamen Anstrengung der Staatengemeinschaft, somit
auch Deutschlands und aller im Bundestag vertretenen
Parteien führen. Denn wie schon die Debatte vor vier Wo-
chen gezeigt hat, haben wir alle einen gemeinsamen Ap-
pell: Stoppt die Gewalt und kehrt – so schwer das mo-
mentan erscheinen mag – an den Verhandlungstisch
zurück! Dieser Appell liegt ja auch den beiden Anträgen
zugrunde, die uns heute vorliegen. Doch einer guten
Grundlage folgen nicht immer die richtigen Schlüsse.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013876
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(A)
(B)
Die Idee, im Nahen Osten einen Prozess nach dem Vor-
bild der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa zu schaffen, ist ja nicht gerade neu. Leider ist sie
auch nicht besonders originell. Denn wenn wir uns den
KSZE-Prozess wirklich als Vorbild nehmen, dann sollten
wir uns vor Augen führen, was die Grundbedingungen für
den Prozess waren. Das waren zunächst drei Bedingun-
gen: die Abwesenheit von Gewalt, gegenseitig anerkannte
Grenzen und die grundsätzliche Bereitschaft, die Interes-
sen der Verhandlungspartner als legitim zu betrachten.
Diese Grundbedingungen sind nicht gegeben! Sie können
es drehen und wenden, wie sie wollen: Ein solcher Pro-
zess hat keinen Sinn, solange die Menschen dort aufei-
nander schießen. Das möchte ich zum Grundsätzlichen
sagen. Natürlich unterstütze ich die Idee, über eine insti-
tutionelle Zusammenarbeit Vertrauen zwischen den Geg-
nern aufzubauen. Deshalb unterstützt die Bundesregie-
rung mit Nachdruck den Barcelona-Prozess. Wir haben
im April 1999 mit der Organisation der Konferenz von
Stuttgart die deutsche Verantwortung für den Barcelona-
Prozess unterstrichen.
Mit dieser europäischen Initiative haben wir doch ge-
nau das, was sie in Ihrem Antrag wollen: vertrauensbil-
dende Maßnahmen durch gegenseitige Kooperation im
Sicherheitsbereich. Wir legen den Sicherheitsbegriff
heute umfassend aus, das heißt auch so genannte weiche
Faktoren wie Schutz der Umwelt, Gewährung von Grund-
rechten und dergleichen gehören zu einem umfassenden
Konzept von Sicherheit. Mit dem Barcelona-Prozess wird
genau dies verfolgt. Nur zeigt sich eben auch hier die
Schwäche: Einige Partner aus den Mittelmeerländern, die
für eine belastbare Friedenslösung unabdingbar sind, neh-
men an den Verhandlungen nicht teil. Hier muss unser Ap-
pell an Syrien und den Libanon sein: Kommt mit an den
Tisch!
Da können wir noch so viele Konferenzen und Pro-
zesse starten: Der Frieden im Nahen Osten muss zwischen
den Völkern und den Regierungen in der Region gemacht
werden. Der KSZE-Prozess in Europa hätte eben auch
nicht funktioniert, wenn sich beispielsweise die Sowjet-
union nicht daran beteiligt hätte. Deshalb ist es alles an-
dere als zielführend, den vielen Versuchen, vertrauensbil-
dende Maßnahmen in der Region einzuleiten, noch einen
weiteren, institutionalisierten Prozess beizufügen. An
Strukturen mangelt es nicht, sondern am Willen in diesen
Strukturen mitzuarbeiten. Diesen Willen können sie eben
nicht im deutschen Bundestag beschließen.
Zum Antrag der PDS. Bei allem was hier Richtiges und
Wichtiges im Antrag gesagt wird, eines fällt doch auf: die
unausgewogene Verurteilung Israels. Bei allem Verständ-
nis für das große sozialistische Herz für die Befreiungs-
bewegungen dieser Welt: Ihre Behauptung, der Verhand-
lungsprozess sei von Israel einseitig ausgesetzt worden,
ist schlicht nicht zutreffend. Es ist keine Frage, dass wir
hier einen Konflikt zwischen Stark und Schwach und zwi-
schen Besatzungsmacht und besetztem Volk haben.
Aber wir reden eben auch von zwei Völkern, deren
Schicksal auch in Zukunft auf das Engste miteinander
verknüpft sein wird: politisch, ökonomisch und sozial.
Im schwierigen Verhandlungsprozess und bei der
Hilflosigkeit auf beiden Seiten – die Spirale der Gewalt
wirkungsvoll zu stoppen –, in dieser Situation den schwar-
zen Peter zu verteilen, das kann doch wirklich nicht un-
sere Aufgabe sein. So einfach lässt sich das Bild eben
nicht zeichnen. Da können sie Herrn Dr. Gysi fragen, der
auch den Kanzler auf seiner Nahost-Reise begleitet hat.
Ich glaube, wir alle haben auf dieser Reise in vielen Ge-
sprächen den Eindruck gewonnen, dass die Sackgasse, in
die der Friedensprozess offensichtlich gelaufen ist, mehr
Ursachen hat, als das zugegebenermaßen unglückliche
Agieren von Barak in Camp David. So zu tun, als könnte
in einem Verhandlungsprozess nur die starke Seite Fehler
machen, mag zwar Ihrem Weltbild entsprechen, aber nicht
der Realität. Bundeskanzler Schröder hat es bei seiner
schwierigen Reise geschafft in der Region die deutsche
Haltung deutlich zu machen. Wir sind neutral, aber nicht
im den Sinne, dass uns die ganze Angelegenheit wurst ist,
sondern in dem Sinne, dass wir uns nicht auf eine Seite
stellen. Das hilft dem ganzen Prozess nämlich gar nichts.
Wir wollen vielmehr helfen, wo wir können und wo dies
auch gewünscht ist, und zwar von beiden Seiten.
Aber der wesentliche Punkt, warum wir dem Antrag
nicht zustimmen werden, ist, das wissen Sie, ihre Forde-
rung Nummer fünf, einen palästinensischen Staat anzuer-
kennen, auch wenn das nicht Ergebnis von Verhandlungen
ist. Wir haben uns zusammen mit den europäischen Part-
nern auf die Haltung verständigt, dass wir einen palästi-
nensischen Staat wollen und unterstützen, aber das wir ihn
nur anerkennen, wenn er Ergebnis von Verhandlungen ist.
Diese Linie zu verlassen, halte ich nicht nur für unklug,
sondern auch für gefährlich. Es bringt den Palästinensern
im Übrigen auch nichts. Denn für die dauerhafte Etablie-
rung eines palästinensischen Staates ist vor allem aus-
schlaggebend, dass er von einem bestimmten Staat aner-
kannt wird, nämlich von Israel. Das heisst gleichzeitig,
dass eine dauerhafte Lösung nur Ergebnis von Verhand-
lungen sein kann.
Sie werden gleich natürlich sagen, dass Ihnen das be-
wusst war und das das eigentlich Ziel Ihres Antrages ist,
die Koalitionsparteien zu einem eigenen Antrag zu bewe-
gen, damit das Thema endlich einmal angemessen
berücksichtigt wird. Darin finden sie keinen größeren Be-
fürworter als mich. Aber Anträge, die dazu führen, dass
ein außenpolitisch so bedeutsames Thema am Freitag
Nachmittag in einer halben Stunde behandelt wird, kön-
nen doch auch nicht das Wahre sein.
Außerdem denke ich, dass es wenig zielführend ist,
nun auf eine weitere Eskalation der Gewalt so zu reagie-
ren, dass wir einen Antrag präsentieren, der sich im We-
sentlichen auf die jüngsten Vorkommnisse bezieht. Wir
sollten hier einmal ausführlicher über die Grundlagen
deutscher Nahostpolitik diskutieren und auch klarma-
chen, welche Prioritäten deutsche Nahostpolitik setzt.
Die Priorität für Deutschland wird zunächst heißen:
Die Sicherheit des Staates Israel! Nichts hat die Sicherheit
Israels so gefährdet wie der Versuch, über ein anderes
Volk zu bestimmen. Deshalb heißt Sicherheit des Staates
Israel auch, dass es einen palästinensischen Staat geben
muss. Wir wollen helfen, auf diesem Weg politische und
ökonomische Schwierigkeiten zu überwinden. Die vorlie-
genden Anträge helfen dabei nicht.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13877
(C)
(D)
(A)
(B)
Anlage 24
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Gesetzentwürfe:
– Neuordnung des Gerichtsvollzieherkosten-
rechts – GvKostRNeuOG und
– Umstellung des Kostenrechts und der Steu-
erberatergebührenverordnung auf Euro –
KostREuroUG
(Tagesordnungspunkt 25 a und b)
Alfred Hartenbach (SPD): Heute verteilen wir vor-
gezogene Weihnachtsgeschenke. Mit dem Entwurf eines
Gesetzes zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherkosten-
rechts dokumentieren wir ein weiteres Mal den Reform-
willen der Bundesregierung im Justizbereich. Wir verab-
schieden uns von dem bisherigen Gesetz über die Kosten
der Gerichtsvollzieher, weil es zu kompliziert wird, ins-
besondere bei mehreren Aufträgen eines oder mehrerer
Auftraggeber zu Komplikationen führte.
Das neue Kostenrecht ist übersichtlich und klar ge-
staltet. An dieser Stelle darf ich mich bei der Bundesmi-
nisterin der Justiz und ihren Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern, die dieses umfassende Werk geschaffen haben,
sehr herzlich bedanken. Bedanken möchte ich mich auch
bei dem Ministerium für die gute Zusammenarbeit bei
den Vorberatungen und insbesondere gilt mein Dank den
Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, mit
denen wir in einem umfassenden und sehr sachlichen Be-
richterstattergespräch gemeinsam mit Vertretern der
Bundesländer zu der nun vorliegenden Fassung gekom-
men sind.
Ich sagte es bereits: Wir verteilen heute Weihnachts-
geschenke. Dieses Gesetz gehört in die Kategorie länder-
freundlich. Durch die nunmehr gefundene Fassung wer-
den die Länder ein Mehraufkommen aus den Gebühren
haben, das sich pro Jahr bei etwa 120 Millionen DM ein-
pendeln wird. Demgegenüber werden die Kosten des seit
Jahren nicht mehr angehobenen Gebührenspiegels für die
Wirtschaft und für die privaten Haushalte um etwa 10 bis
15 Prozent steigen. Dies ist eine maßvolle Anhebung, die
insbesondere die besonders schwierige Situation derjeni-
gen Menschen berücksichtigt, die von den Maßnahmen
der Gerichtsvollzieher betroffen sind. Aber auch diejeni-
gen Gläubiger, die in Vorleistung treten müssen, werden
nicht über Gebühr belastet. Den Gerichtsvollziehern ver-
bleibt in aller Regel die Erstattung der baren Kosten. Hier
haben wir nach intensiven Gesprächen mit den Gerichts-
vollziehern ebenfalls eine gute und vernünftige Regelung
gefunden.
Insgesamt möchte ich einige ganz wenige Punkte he-
rausnehmen, die letztlich von Bedeutung sein werden. So
soll künftig die Beglaubigung eines Schriftstückes, die
dem Gerichtsvollzieher Zeit und Mühe kostet, gebühren-
pflichtig sein und erstattungsfähig. Bei den Wegekosten
für die Gerichtsvollzieher haben wir das System verein-
facht und gehen von der bisherigen Wegekostenpauschale
ab auf neue Pauschalen, die sich dann allerdings nach der
Luftlinie vom Dienstort aus berechnen. Hierbei haben wir
durchaus berücksichtigt, dass Energiekosten und Kfz-
Haltung für die Gerichtsvollzieher teurer geworden sind.
Die Gebühr für eine Pfändung wird maßvoll angeho-
ben, ebenso die Gebühr für die Abnahme der eidesstattli-
chen Versicherung. Wir haben dabei darauf geachtet, dass
es den Gläubigern weiterhin möglich sein soll, den so ge-
nannten Kombi-Auftrag zu stellen. Das bedeutet, dass es
für den Gläubiger – und damit letztlich auch für den
Schuldner – immer günstiger ist, wenn er mit dem Antrag
auf Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen
auch zugleich für den Fall, dass Vermögen nicht vorhan-
den ist, die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung
beantragen kann.
Wir erreichen hiermit, dass den Ländern in ihren Jus-
tizhaushalten zusätzliche Mittel zur Verfügung stehen.
Nun erwarten wir allerdings von den Ländern, dass diese
zusätzlichen Mittel nicht in den allgemeinen Finanztopf
geworfen werden, sondern tatsächlich zur Stärkung der
Justiz dienen: für mehr Richter, für mehr Rechtspfleger,
aber auch – darüber reden wir ja heute – für die Einstel-
lung von mehr Gerichtsvollziehern und für eine Neuord-
nung der Ausbildung der Gerichtsvollzieher.
Wir alle wissen, dass das schönste Urteil nichts nützt,
wenn man nicht durch staatliche Hilfe, durch staatliche
Zwangsmaßnahmen, den Anspruch aus dem Urteil ver-
wirklichen kann. Dies geschieht durch die Inanspruch-
nahme von Gerichtsvollziehern. Hier brauchen wir in ei-
ner Zeit; die durch Globalisierung und Modernisierung an
alle staatlichen Organe immer neue Herausforderungen
stellt, eben bestens motivierte und bestens ausgebildete
Gerichtsvollzieher. Wir sind überzeugt, wir haben mit
diesem Gesetz einen ersten in die richtige Richtung wei-
senden Schritt getan.
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU):
Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Ge-
richtsvollzieherkostenrechts, der durch die Umstellung
auf Euro notwendig wurde, ist zum Anlass genommen
worden, eine Reihe von anderen Bestimmungen zu än-
dern, die der Vereinfachung bei der Abwicklung dienen
sollen.
Die Einführung von Pauschalen, die nicht unbedingt
vonseiten der Gerichtsvollzieher gewünscht war, gibt ih-
nen auf Dauer mehr Zeit, um ihre eigentlichen Aufgaben
durchführen zu können. Dabei sei daran gedacht, dass die
Aufgabe der Gerichtsvollzieher ein außerordentlich wich-
tiger Dienst im Auftrag der Justiz ist, weil ohne sie der
Vollzug vieler gerichtlicher Beschlüsse und Urteile nicht
möglich wäre.
Nachdem einige Änderungen an dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung durch die Berichterstatter vorge-
nommen wurden – nicht zuletzt auch auf Anregungen der
Vertreter der Gerichtsvollzieher –, konnte die CDU/CSU-
Fraktion diesem Gesetz zustimmen, auch wenn noch die
eine oder andere Forderung der Gerichtsvollzieher ge-
rechtfertig gewesen wäre und von der CDU/CSU gerne
erfüllt worden wäre.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013878
(C)
(D)
(A)
(B)
Alles in allem zeigt aber das Gesetz die Anerkennung
des wichtigen Berufes des Gerichtsvollziehers, der auch
in seiner Selbstständigkeit gestärkt wurde.
Mit den Veränderungen einzelner Gebühren konnte im
Wesentlichen auch die Sorge der Gerichtsvollzieher ge-
nommen werden, durch das neue Gesetz Einbußen zu er-
leiden. Unter anderem wurde die Beglaubigung eines
Schriftstückes gebührenpflichtig, der Grundbetrag für die
Pfändung wurde erhöht, ebenso die Abnahme der Eides-
stattlichen Versicherung, und zwar um rund 10 DM. Dies
gleicht den Nachteil aus, für eine vergebliche Abnahme
keine Gebühr zu erhalten. Die Verdoppelung der Gebühr
bei der Entgegennahme einer Zahlung ist ebenso wie die
Erhöhung der Gebühren für nicht erledigte Amtshandlun-
gen sachgerecht.
Auch die Anhebung der Pauschale für sonstige bare
Auslagen ist sachgerecht. Die ungern gesehene Entfer-
nungspauschale nach Luftlinie stellt sich im Nachhinein
sicher als eine gute Lösung für den Gerichtsvollzieher dar,
weil er nicht mehr pro Auftrag die gefahrenen Kilometer
nachweisen und abrechnen muss, sondern unabhängig
von der Zahl der Aufträge, die er auf einer Wegstrecke er-
ledigt, die Pauschale jeweils berechnen kann. Der Wunsch
der CDU/CSU-Fraktion, dabei ein höheres Kilometergeld
anzuwenden, ließ sich nicht durchsetzen. Alles in allem hat
sich aber die Regierungskoalition in den Gesprächen kom-
promissbereit gezeigt, sodass die CDU/CSU-Fraktion im
Bundestag der jetzt vorliegenden Fassung zustimmt.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt auch dem Gesetz zur
Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberaterge-
bührenverordnung auf Euro zu, weil hier vom Grundsatz
her nur eine Umstellung von DM auf Euro durchgeführt
wird. Dabei mag die eine oder andere Gebühr etwas ge-
ringer ausfallen; der Bundesregierung ist jedoch zuzu-
stimmen, dass dies bei anderen Gebühren ausgeglichen
wurde.
So ist nicht von geringeren Einnahmen der Steuerbera-
ter auszugehen. Richtigerweise wurden runde Euro-Be-
träge eingesetzt, um nicht in den Centbereich zu kommen.
Die CDU/CSU-Fraktion stimmt daher diesem Gesetz zu.
Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Das Gesetz zur Neuordnung des Gerichtsvollzie-
herkostenrechts ist ein wesentlicher Schritt zur Moderni-
sierung und Vereinfachung des Kostenrechts. Der
wichtigste Punkt ist die Umstellung vom Wertge-
bührensystem auf ein Festgebührensystem. Dies bedeutet
eine völlige Neustrukturierung der Gerichtsvollzieher-
kosten. Bisher hing die Höhe der Gebühren davon ab, wie
hoch der Wert der zu pfändenden Forderung war. In Zu-
kunft wird die Art der vorgenommenen Maßnahmen die
Gebührenhöhe bestimmen. Hierdurch wird die Gebüh-
renberechnung wesentlich vereinfacht.
Des Weiteren werden Auslagentatbestände durch Pau-
schalen ersetzt. Auch dies führt zu einer wesentlichen Ver-
einfachung. Gebührentatbestände, die in der Praxis keine
Rolle spielen oder nur zu sehr geringfügigen Einnahmen
führen, werden aufgehoben.
Diese Neuregelungen werden die wichtige Arbeit der
Gerichtsvollzieher von überflüssigem „Papierkram“ ent-
lasten. Sie bringen darüber hinaus eine wesentliche Ent-
lastung der Gerichte von der umfangreichen Kostenrecht-
sprechung mit sich. Es ist ökonomischer Unsinn, wenn
die Gerichte sich mit Fällen befassen müssen, die erst
durch die Inanspruchnahme der Gerichte entstanden sind.
Diese Form der „Selbstbefassung“ wird mit dem neuen
Gerichtsvollzieherkostenrecht künftig seltener werden.
So werden die Kosten der Justiz vermindert, ohne dass der
Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger verkürzt
wird.
Im Gesetzgebungsverfahren ist es gelungen, mehrere
Gebührentatbestände anzupassen, die von den Gerichts-
vollziehern – zu Recht! – als ungerecht empfunden wur-
den. So wurde unter anderem die Hebegebühr für die Ent-
gegennahme einer Zahlung von zunächst nur 2,93 DM auf
5,87 DM erhöht und nun auch für Beglaubigungen eine
Gebühr vorgesehen.
Die neuen Festgebühren wurden so bestimmt, dass für
die Länder Mehreinnahmen von circa 10 bis 15 Prozent
zu erwarten sind. Diese Erhöhung ist wichtig, da die Ge-
richtsvollzieherkosten seit 1994 gleich geblieben sind.
Daneben soll heute das Gesetz zur Umstellung des Kos-
tenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf
Euro beschlossen werden. Mit dieser rechtzeitigen Um-
stellung des Kostenrechts auf Euro sorgen wir dafür, dass
der Justiz durch die Euro-Umstellung kein zusätzlicher
Aufwand durch umständliche Berechnungen entsteht.
Wenn diese beiden Gesetze heute beschlossen werden,
ist dies ein wesentlicher Schritt im Rahmen der umfas-
senden Kostenstrukturreform, die von der Koalition in
Angriff genommen wurde.
Rainer Funke (F.D.P.): Ich möchte auf das Gesetz zur
Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberaterge-
bührenordnung auf Euro nur kurz eingehen. Grundsätz-
lich können wir diesem Gesetz zustimmen. Zwar bewirkt
die Umstellung, dass einzelne Gebühren niedriger sind als
zuvor. Dafür wird aber in der Regel an anderer Stelle nach
oben ausgeglichen. So ist eine Angleichung im Zuge der
Euro-Umstellung weitgehend gewährleistet.
Für das zweite Gesetz, das Gesetz zur Neuordnung des
Gerichtsvollzieherkostenrechts, kann ich das leider nicht
sagen. Die Verantwortung der Gerichtsvollzieher in unse-
rer Rechtsordnung ist in den letzten Jahren stetig gestie-
gen. Viele Aufgaben wurden den Gerichtsvollziehern
übertragen. Dieser Verantwortung haben sie sich auch
erfolgreich gestellt. Man denke zum Beispiel an die Ab-
nahme eidesstattlicher Versicherungen. Dass hier eine ge-
bührenrechtliche Anpassung versucht werden muss, ist
wohl unbestreitbar und wird von uns außerordentlich be-
grüßt. Insoweit ist der Neuregelung des Kostenrechts
auch zuzustimmen.
Jedoch sehen wir die Angleichung beim Wegegeld nur
unzureichend gelöst. Die Bundesregierung billigt den Ge-
richtsvollziehern bis 10 Kilometern lediglich 4,89 DM als
Wegegeld zu. Die tatsächlichen Kosten pro gefahrenem
Kilometer liegen aber weitaus höher. Im Zuge von Öko-
steuer und dergleichen sollten doch einzelne Berufsgrup-
pen wie die Gerichtsvollzieher nicht noch mehr belastet
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13879
(C)
(D)
(A)
(B)
werden. Die Benzinpreiskosten werden stetig höher. Laut
Bericht des ADAC vom November diesen Jahres ist der
durchschnittliche Tankstellenpreis für Superbenzin vom
Januar bis zum September um ein Drittel gestiegen. Der
maßgebliche Grund ist die Ökosteuer, die gar keine ist.
Daneben sind natürlich auch die Betriebskosten höher ge-
worden. Insgesamt ist bei Fahrten bis zu 10 Kilometern
die doppelte Höhe der Kosten zu veranschlagen, als es die
Bundesregierung getan hat.
Daneben kann auch nicht einleuchten, warum bei der
Berechnung der Entfernung innerhalb der Gemeinde des
Amtssitzes des Gerichtsvollziehers nach der Luftlinie kal-
kuliert wird. Man sollte doch auch hier eine Berechnung
anstellen, die auf der Grundlage nach dem kürzesten be-
fahrbaren Weg zur jeweiligen Ortsmitte basiert, wie die-
ses bisher auch der Fall war.
Es muss doch allen klar sein, dass maßgebliches Krite-
rium nur die tatsächlichen Auslagen eines Gerichtsvoll-
ziehers sein können. Nicht nur aus Gründen der Transpa-
renz sollte das selbstverständlich sein. Dem Bürger sollte
es ersichtlich sein, welche Gebühr für welche Tätigkeit
gezahlt wird. Lediglich Pauschalzahlungen stellen diese
Transparenz nicht her. Sie dienen zwar einer schnelleren
Abwicklung, nicht aber der gerechten Rückzahlung der
tatsächlichen Reisekosten.
Daneben möchte ich noch auf einen Effekt hinweisen,
der die Notwendigkeit der Transparenz noch verdeutlicht.
Es müssen doch Anreize gesetzt werden, damit der Beruf
des Gerichtsvollziehers attraktiv bleibt. Welchen Anreiz
hätte ein Jugendlicher denn sonst, diesen Beruf zu ergrei-
fen, wenn nicht einmal die tatsächlichen Auslagen zu-
rückgezahlt werden?
Aus diesen Gründen werden wir dem Gesetz nicht zu-
stimmen.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS ): In der ersten Lesung hatte
ich den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuord-
nung des Gerichtsvollzieherkostenrechts begrüßt, da ich
in ihm einen gelungenen Beitrag zur Rechtsvereinfa-
chung und zur Verbesserung der Kostendeckungsquote
sah.
Bei allem Verständnis für das Anliegen der Länder, die
angespannte Lage ihrer Haushalte zu entlasten, konnte ich
dem Gesetzentwurf des Bundesrates nicht folgen, da er er-
heblich höhere Gebühren vorsieht, die mir nicht mehr als
verhältnismäßig erscheinen. Gebührenerhöhungen führen
zu einer nicht unerheblichen Mehrbelastung kleiner Un-
ternehmen wie natürlich auch der Bürgerinnen und Bür-
ger. Nach einem sehr vernünftigen Berichterstatterge-
spräch, in dem in Ruhe und Ausführlichkeit mit den
Gerichtsvollziehern und dem Vertreter des BMJ noch ein-
mal gesprochen werden konnte, haben wir jetzt allerdings
im Ergebnis eine neue Situation. Die Vereinfachung des
Gerichtsvollzieherkostenrechts ist geblieben, aber die Ge-
bühren werden gemäß der Beschlussempfehlung des
Rechtsausschusses kräftig erhöht.
Nicht, dass ich in unser Gespräch mit dem unbeding-
ten Vorsatz hineingegangen wäre, es darf an keiner Posi-
tion – wie zum Beispiel der Hebegebühr oder der Ausla-
genpauschale – etwas geändert werden. Werden gute
Gründe vorgetragen und in der Folge adäquate Änderun-
gen an einem an sich schon akzeptierten Gesetzesvor-
schlag vorgenommen, dann verschließe ich mich nicht.
Aber die jetzige Beschlussvorlage bedeutet im Gesamt-
umfang eine Gebührenerhöhung von 20 bis 30 Prozent
und nähert sich damit dem Bundesratsvorschlag an.
Ich hatte einen solchen Gebührensprung bereits als un-
verhältnismäßig abgelehnt. Fast an allen umstrittenen Po-
sitionen wurde zugunsten der Gerichtsvollzieher nachge-
bessert. Nur die vehement gewünschte Luftlinienregelung
blieb auf der Strecke.
Ich erinnere die Regierung an ihre Gegenäußerung
zum Bundesratsvorschlag, in der es heißt, dass nicht zu-
letzt „im Hinblick auf die Situation in den neuen Ländern
besonderes Augenmaß bei den Gerichts- und Gerichts-
vollzieherkosten zu wahren ist, insbesondere mit Rück-
sicht auf die dortigen Einkommensverhältnisse und die
Akzeptanz der rechtsstaatlichen Justiz“. Das hier ange-
mahnte Augenmaß ist schlichtweg abhanden gekommen
und die Schmerzgrenze überschritten. Ich darf noch ein-
mal an die erste Lesung erinnern, in der sich nachlesbar
fast alle einig waren, dass eine Erhöhung in der Größen-
ordung des Bundesratsvorschlages nicht mit bürger-
freundlicher Justizpolitik vereinbar sei – so ausgedrückt
zum Beispiel vom Kollegen Beck. Aber auch Kollege
Pick sagte wörtlich: „Ich sehe aber nicht, wie wir dem
Bürger die ... Verteuerung des Rechtsschutzes um rund
25 Prozent vermitteln wollen.“ Vor dem Problem stehen
Sie nun aber. Die Gebührenerhöhungen werden die klei-
nen Unternehmen sowie die sozial schwächeren Bürge-
rinnen und Bürger sowohl als Schuldner wie auch als
Gläubiger bei erfolgloser Zwangsvollstreckung am här-
testen treffen.
Ich bitte abschließend, meine Ablehnung zu den vor-
gesehenen Gebührenerhöhungen nicht als eine Missach-
tung der Arbeit der Gerichtsvollzieher zu verstehen. Aus
meiner eigenen anwaltlichen Tätigkeit weiß ich durchaus
um die Mühen und Tücken dieses Berufes. Haben Sie
bitte aber auch Verständnis dafür, dass meine Abwägung
im Interesse der von der Arbeit Betroffenen nur so ausfal-
len konnte wie vorgetragen.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
minister der Justiz: Heute stehen zwei kostenrechtliche
Gesetze zur abschließenden Beratung an. Ich darf zu-
nächst den Mitgliedern des Rechtsausschusses, insbeson-
dere den Berichterstattern, danken, dass beide Entwürfe
so zügig beraten worden sind und bereits knapp zwei Mo-
nate nach der ersten Lesung zur abschließenden Beratung
anstehen.
Lassen Sie mich mit dem Regierungsentwurf eines Ge-
setzes zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuer-
beratergebührenverordnung auf Euro beginnen. Mit die-
sem Entwurf soll der Euro zum 1. Januar 2002 in allen
Kostengesetzen und in der Steuerberatergebührenverord-
nung eingeführt werden. Die in Euro ausgedrückten Ge-
bühren sollen auch nach Glättung der Beträge nicht mehr
als unbedingt nötig vom DM-Wert abweichen. Der Bun-
desrat hat keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf
erhoben. Der Rechtsausschuss empfiehlt einstimmig den
Entwurf mit wenigen Änderungen zu beschließen. Einer
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 200013880
(C)
(D)
(A)
(B)
Verabschiedung des Gesetzentwurfs dürfte damit nichts
im Wege stehen.
Der zweite Entwurf, der Entwurf eines Gesetzes zur
Neuordnung des Gerichtsvollzieherkostenrechts, liegt so-
wohl im Interesse der Länder als auch der Gerichtsvoll-
zieher. Wesentlicher Zweck des Entwurfs ist es, das
geltende Recht zu vereinfachen. Daneben sollen die Ein-
nahmen der Landesjustizverwaltungen erhöht werden,
um den Kostendeckungsgrad in diesem Bereich zu ver-
bessern.
Der Regierungsentwurf hatte ein Erhöhungsvolumen
von 10 bis 15 Prozent vorgesehen. Der Rechtsausschuss
schlägt an einigen Stellen eine Erhöhung der von der Bun-
desregierung vorgeschlagenen Gebühren und des Min-
destbetrages der Auslagenpauschale vor. Das Erhöhungs-
volumen steigt dadurch auf 20 bis 30 Prozent. Damit
kommt der Rechtsausschuss der Forderung des Bundes-
rates nach einer weiteren Verbesserung des Kostende-
ckungsgrades weit entgegen. Die Länder können mit
Mehreinnahmen von mehr als 100 Millionen DM rech-
nen.
Mit der heute zu beratenden strukturellen Neuordnung
des Gerichtsvollzieherkostenrechts werden zu einem
großen Teil die von einer von der Justizministerkonferenz
eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten
Vorschläge umgesetzt.
Die Justiz soll von unnötiger Arbeit entlastet werden.
Dies war schon immer ein besonderes Anliegen der Bun-
desregierung. Es ist ja allgemein bekannt, dass gerade die
Gerichtsvollzieher, insbesondere die Gerichtsvollzieher
in den neuen Ländern, erheblich überlastet sind. Ein leich-
ter anwendbares Kostenrecht soll ihnen ihre wahrlich
nicht einfache Arbeit spürbar erleichtern. Auch die Gläu-
biger und die Schuldner werden davon profitieren, denn
auch sie werden die Abrechnungen besser verstehen.
Eine sowohl für Gläubiger als auch für Schuldner be-
deutsame Neuerung ist die Kostenregelung bei der Ein-
ziehung von Raten durch den Gerichtsvollzieher. Der
Schuldner, der sich ernsthaft um die Begleichung seiner
Schulden bemüht und Raten an den Gerichtsvollzieher
zahlt, soll hierfür nicht mit hohen Kosten belastet werden.
Anders der bequeme Schuldner, der Raten vom Gerichts-
vollzieher persönlich einziehen lässt: Er soll für die von
ihm verursachten, nicht unerheblichen Kosten geradeste-
hen.
Die für die Einziehung einer Rate anfallende Hebege-
bühr soll nach der Beschlussempfehlung des Rechtsaus-
schusses doppelt so hoch sein, wie noch im Regierungs-
entwurf vorgesehen. Der nunmehr vorgesehene Betrag
von knapp 6 DM je Rate kommt einer Kostendeckung bei
den Gerichtsvollziehern zweifellos näher. Im Hinblick auf
die Belastung des Schuldners ist die Höhe der Gebühr ins-
besondere deshalb noch vertretbar, weil es ihm unbe-
nommen bleibt, unmittelbar an seinen Gläubiger zu zah-
len.
Die Kosten für die Abnahme der eidesstattlichen Ver-
sicherung sollen eindeutig und einfach geregelt werden.
Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses sieht
eine Festgebühr von knapp 60 DM vor, durch die auch die
Schreibauslagen für die Abschrift des Vermögensver-
zeichnisses abgegolten sein sollen. Lediglich die Ausla-
gen für die Zustellung der Ladung kommen gegebenen-
falls noch hinzu. Gleichzeitig sollen die Gebühren für die
Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses
durch das Vollstreckungsgericht und für die Einsicht in
das Vermögensverzeichnis von 40 DM auf 20 DM er-
mäßigt werden.
Im Ergebnis führt der Entwurf, so wie ihn der Rechts-
ausschuss nunmehr vorschlägt, zu einer für alle Beteilig-
ten ausgewogenen Regelung.
Anlage 25
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrages: Ende der doppelten
Benachteiligung für die Rechtsanwälte in den
neuen Ländern (Tagesordnungspunkt 27)
Alfred Hartenbach (SPD): Für den Antrag der Frak-
tion der F.D.P. würde ich große Sympathie aufbringen
können, wenn die Überschrift lauten würde: „Ende der
Benachteiligung für die arbeitende Bevölkerung in den
neuen Ländern!“
Dazu kann sich aber die F.D.P. nicht aufraffen. Sie
macht hier erneut einen Kotau vor einer kleinen Klientel,
die ihrer Partei eher zugeneigt ist als anderen Parteien. Sie
macht diesen Kotau nun schon zum zweiten Mal binnen
kürzester Zeit, nachdem wir vor ziemlich genau einem
Jahr im Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Le-
sung den Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Gesetzes zur
Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Pa-
tentanwälte beschlossen haben. Dabei verkennt die F.D.P.
offensichtlich ganz bewusst, dass sie hier nur einigen we-
nigen „gleiche Rechte“ mit Kolleginnen und Kollegen in
den alten Bundesländern verschaffen will.
Es war doch gerade die Koalition aus CDU/CSU und
F.D.P., die nach Schaffung der deutschen Einheit ganz
bewusst wirtschaftliche Ungleichheiten gewollt hat und
eine Annäherung der Löhne und Gehälter in den neuen
Ländern auf das so genannte Westniveau mit einer lang-
fristig wirkenden Gesetzgebung gar nicht gewollt hat.
Es wird daher das Geheimnis – oder ist es gar keines –
der F.D.P. bleiben, warum nun von allen ausgerechnet die
Rechtsanwälte hinsichtlich der Gebührenordnung an das
sogenannte Westniveau angeglichen werden sollen. Weder
im öffentlichen Dienst noch in der freien Wirtschaft und
auch nicht bei Freiberuflern ist dies bisher der Fall. Wir
würden daher eine einzige Berufsgruppe bevorteilen.
Natürlich ist auch uns bewusst, dass es auf Dauer nicht
geht, diese unterschiedlichen Margen beizubehalten. Wir
meinen aber: Wenn angeglichen wird, dann muss dies
insgesamt und für alle Berufsgruppen gleichermaßen ge-
schehen. Wenn wir über die Gebührensätze der Rechtsan-
wälte reden, dann müssen wir auch wissen, dass ja dieje-
nigen, die die Gebührensätze zu bezahlen haben, nämlich
die Mandanten, in aller Regel ebenfalls mit weniger Geld
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. Dezember 2000 13881
(C)
(D)
(A)
(B)
leben müssen als die Menschen in den alten Bundeslän-
dern. Es ist nicht zu vergleichen mit den Honoraren der
Architekten.
Besonders pikant ist natürlich die Begründung des
Antrages der F.D.P. in einigen Punkten. Ich greife nur
einen einzigen heraus und zitiere: „Die Gebührener-
mäßigung war von Anfang an verfassungsrechtlich be-
denklich.“ Dieser Satz sagt alles über den Inhalt des An-
trags und seine Verfasser. Die F.D.P. tut hier gerade so,
als ob es sie in voroppositioneller Zeit überhaupt nicht ge-
geben habe.Dassmag ja stimmen, denn gerade in der Jus-
tizpolitik haben F.D.P.-Minister und F.D.P.-Staatsse-
kretäre eigentlich keine Spuren hinterlassen, sieht man
einmal davon ab, dass FrauLeutheusser-Schnarrenberger
wegen eines parteiinternen Disputes zurückgetreten ist.
Dies zeigt aber auch die Verlogenheit dieses Antrages.
Die F.D.P. war es doch gerade, die in der Justizpolitik
eine solche verfassungsrechtlich bedenkliche Gebühre-
nordnung hätte verhindern können und verhindern müs-
sen.
Nein, so kann man Justizpolitik nicht machen: indem
man die eigenen Versäumnisse, Fehler und Unzuläng-
lichkeiten schlicht ausblendet und nun so tun will, als sei
man der Hüter und Retter des Verfassungsstaates.
Wir werden diesen Antrag der Diskontinuität zuführen.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Sie werden sich gewiss
nicht wundern, wenn eine Rechtsanwältin aus Ost-
deutschland einen Antrag begrüßt, der die Aufhebung der
gebührenrechtlichen Benachteiligung für ihre Berufs-
gruppe in diesen Ländern fordert. Wie die Kollegen von
der F.D.P. völlig zutreffend feststellen, haben die Anwälte
in den neuen Bundesländern auch ohne Gebührenab-
schlag im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen
als ihre Westkollegen.
Nach zehn Jahren deutscher Einheit ist es für die Ab-
schaffung des 10-prozentigen Gebührenabschlags bei
Rechtsanwälten der neuen Bundesländer höchste Zeit.
Nach zehn Jahren sollte es überhaupt keine „Ostab-
schläge“ mehr geben wie sie im öffentlichen Dienst oder
aber auch bei bestimmten Berufsgruppen wie den Notaren,
den Ärzten und Zahnärzten – bei Privatversicherten –, den
Steuerberatern und Gerichtsvollziehern weiterhin beste-
hen. Die Verhältnisse haben sich in unserem Lande so weit
angeglichen, dass diese Ungleichheiten nicht mehr ernst-
haft zu vermitteln sind.
In Kenntnis des F.D.P.-Antrages hat die PDS auf einen
eigenen Antrag zur Abschaffung des Gebührenabschlags
verzichtet. Wir hätten ihn nicht besser – allenfalls breiter
hinsichtlich des Kreises der von Abschlägen und sonsti-
gen Kürzungen Betroffenen – formulieren können. In die-
ser Richtung werden wir weitere parlamentarische Initia-
tiven prüfen.
Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten – auch im
Plenum – die Beseitigung dieser nicht gerechtfertigten
Ungleichbehandlung angemahnt. Nach wie vor ist mir un-
verständlich, warum nicht spätestens bei der „Neuord-
nung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patent-
anwälte“ dieser Gebührenabschlag abgeschafft wurde.
Gleiche Gebühren bedeuten für die Recht suchenden
Mandanten in den neuen Bundesländern höhere Kosten.
Daran führt kein Weg vorbei, wenn man die Angleichung
will. Dieser Weg ist jedoch vertretbar, weil die Prozess-
kostenhilfe auch weiterhin die sozial schwachen Bürge-
rinnen und Bürger vor zu starken Belastungen durch Ver-
fahrenskosten schützt. Und ich bitte die Skeptiker auch zu
bedenken, dass die Einkommenssituation der Rechtsan-
wälte – vor allem in den neuen Bundesländern – nicht be-
sonders privilegiert ist. Rechtsanwalt zu sein heißt für die
meisten nicht auch zugleich Großverdiener zu sein und
gerade auch für ostdeutsche Anwälte schon gar nicht
Lizenz zum Gelddrucken zu haben.
Die Frage, über die wir hier letztlich zu entscheiden ha-
ben, ist die, wie lange wir es zehn Jahre nach der deut-
schen Wiedervereinigung noch vertreten können, Ange-
hörige einer bestimmten Berufsgruppe bei gleicher
Arbeit, Qualifikation und Kostenbelastung beim Einkom-
men weiterhin nur deshalb ungleich zu behandeln, weil
sie sich in Ostdeutschland niedergelassen haben.
Dr. Eckhard Pick, Parl. Staatsektretär beim Bun-
desminister der Justiz: Der Antrag der F.D.P. greift eine
Forderung auf, die insbesondere von den Anwaltsver-
bänden schon seit einiger Zeit und mit immer größerem
Nachdruck erhoben wird. Ich habe für die Forderung
nach einer Aufhebung des 10-prozentigen Abschlags
auf Anwaltsgebühren großes Verständnis. Zehn Jahre
nach der Herstellung der Einheit wird es immer
schwieriger, den Betroffenen die Notwendigkeit des
Abschlags zu erklären. Die Bundesregierung teilt die
Auffassung, die in dem Antrag der F.D.P.-Fraktion zum
Ausdruck gebracht wird, dass Trennendes zwischen
den alten und neuen Bundesländern aufgehoben wer-
den sollte. Eine möglichst baldige vollständige Rechts-
angleichung ist ein wichtiges rechtpolitisches Ziel der
Bundesregierung.
Gleichwohl ist eine Aufhebung des Abschlags durch
Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz
derzeit noch nicht möglich. Die Verordnungsermächti-
gung setzt die Anpassung der wirtschaftlichen Verhält-
nisse voraus. Diese Voraussetzung liegt auch zehn Jahre
nach der Wiedervereinigung nicht vor.
Das Einkommensniveau im Beitrittsgebiet – ein we-
sentlicher Parameter für die Beurteilung der wirtschaftli-
chen Verhältnisse – liegt noch deutlich unter dem im alten
Bundesgebiet. So erhielten die Arbeiter im produzieren-
den Gewerbe in den neuen Ländern und Berlin-Ost 1999
75,6 Prozent des Entgelts ihrer Kolleginnen und Kollegen
im früheren Bundesgebiet und die Angestellten 74,4 Pro-
zent.
Aber auch eine etwaige Gesetzesinitiative der Bundes-
regierung scheidet im Moment aus. Eine solche kommt
nur mit der Zustimmung der neuen Länder in Betracht.
Diese Zustimmung will die Mehrheit der neuen Länder
derzeit noch nicht geben. Hierfür gibt es gute Gründe: Die
Kosten für den Zugang zum Recht sind gerade in den
neuen Ländern ein sensibles Thema. Die Bürger würden
es nur schwer verstehen, dass sie trotz ihres geringeren
Einkommens um 10 Prozent erhöhte Gerichts- und An-
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waltskosten bezahlen müssten. Noch weniger würden sie
es verstehen, wenn das Einkommen der Rechtsanwälte
auf Westniveau gebracht würde, während ihr eigenes Ein-
kommen weiter deutlich hinterherhinkt. Ich meine aber,
man sollte mit den neuen Ländern darüber diskutieren, ob
eine stufenweise Aufhebung des Abschlags ein möglicher
Weg wäre.
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zu
den Kosten der Anwaltsbüros: Es wird zwar immer wie-
der behauptet, die Kosten der Anwaltsbüros in den neuen
Ländern seien genau so hoch wie in den alten Ländern.
Mit dieser Behauptung habe ich allerdings meine Pro-
bleme. Bisher hat mir noch niemand belegt, dass die
Gehälter der Rechtsanwalts- und Notargehilfen in den
neuen Ländern auch nur annähernd mit denen in den alten
Ländern gleichgezogen haben. Immerhin entfallen auf die
Personalkosten mehr als ein Drittel der Gesamtkosten ei-
nes Anwaltsbüros. Rein rechnerisch muss sich der Auf-
wand deshalb niedriger darstellen.
Anlage 26
Der Bundesrat hat in seiner 757. Sitzung am 1. De-
zember 2000 beschlossen, dem vom Deutschen Bundes-
tag am 10. November 2000 verabschiedeten Gesetz ge-
mäß Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen.
Der Bundesrat hat ferner die nachfolgende Entschlie-
ßung angenommen:
Der Bundesrat anerkennt das Bemühen der Bundes-
regierung, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur
Einführung einer Dienstleistungsstatistik durch Verringe-
rung der Stichprobe um ein Viertel die Kosten für die Län-
der zu reduzieren.
Er stellt gleichwohl fest, dass diese in seinem Be-
schluss vom 14. Juli 2000 geforderte Kostenneutralität für
die Länder bei Einführung einer Dienstleistungsstatistik
nicht erreicht wird. Nicht Zuletzt mit Rücksicht auf ent-
sprechende EU-Vorgaben sieht der Bundesrat davon ab,
diesen Gesichtspunkt im Rahmen des laufenden Gesetz-
gebungsverfahrens weiter zu verfolgen.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf,
die Prüfung von Entlastungsmaßnahmen im Statistik-
bereich zügig voranzutreiben. Dabei ist auch der Bund in
der Pflicht, selbst Entlastungsmaßnahmen zugunsten der
Länder vorzulegen.
Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner 757. Sitzung am 1. Dezem-
ber 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Absatz 2
Grundgesetz nicht zu stellen:
– GesetzzurÄnderungdesGrundgesetzes(Art.12a)
– Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes und
anderer Vorschriften (SGÄndG)
– Gesetz zur Reform der Renten wegen verminder-
ter Erwerbsfähigkeit
– Gesetz zur Neuordnung der Versorgungsab-
schläge
– Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes
(Steuersenkungsergänzungsgesetz – StSenErgG)
– Gesetz zur Gewährung eines einmaligen Heizkos-
tenzuschusses
– Gesetz zur Änderung des Eigenheimzulagenge-
setzes und anderer Gesetze
– Gesetz über die Ausprägung einer 1-DM-Gold-
münze und die Errichtung der Stifung“ Geld und
Währung“
– Gesetz zur Änderung der Grenze des Freihafens
Bremen
– Gesetz zur Änderung der Grenze des Freihafens
Emden
– Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage
für Zuschlagsteuern
– Gesetz zur Änderung des Investitionszulagen-
gesetzes 1999
– Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des
Abgeordnetengesetzes
– Gesetz zur Verlängerung der Besetzungsreduk-
tion bei Strafkammern
– Zweites Gesetz zurÄnderung der Finanzgerichts-
ordnung und anderer Gesetze (2.FKOÄndG)
– Gesetz zur Beendigung gleichgeschlechtlicher
Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften
– Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die
Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüfer-
ordnungs-Änderungsgesetz – WPOÄ(G)
– Gesetz zu dem Abkommen vom 7. September
1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Usbekistan zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steu-
ern und Einkommen und vom Vermögen.
– Gesetz zur Einführung einer Dienstleistungssta-
tistik und zur Änderung statistischer Rechtsvor-
schriften
Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat fol-
gende Entschließung gefasst:
– Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des
innergemeinschaftlichen Verbringens und der
Ausfuhr bestimmter Futtermittel
Ferner hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtli-
che Entschließung gefasst.
Der Bundesrat stellt mit großem Bedauern fest, dass
die Bundesregierung in dem Gesetz keine Regelungen zur
Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen vorgesehen
hat. Er fordert daher nachdrücklich, dass sich der Bund
und die EU maßgeblich an den Kosten, die durch das Füt-
terungsverbot von Tiermehl entstehen, beteiligt.
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Der Bundesrat teilt die in der Begründung zum Ge-
setzentwurf dargelegte Auffassung, dass infolge des Ver-
bots der Tiermehlverfütterung für die öffentlichen Haus-
halte dauerhaft ganz erhebliche Kosten anfallen werden.
Überdies werden auf die Landwirtschaft insgesamt und
die sonstigen betroffenen Branchen hohe Kostenbe-
lastungen und Ertragsausfälle -zukommen, die zu vielfa-
chen Existenzgefährdungen führen dürften.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sehr
kurzfristig und in Zusammenarbeit mit den Ländern eine
belastbare und regional differenzierte Abschätzung der
insbesondere auf Landwirte, die Futtermittelindustrie, die
Tierkörperbeseitigungsbetriebe, die Länder und Kommu-
nen zukommenden finanziellen Auswirkungen des Ver-
bots der Tiermehlverfütterung vorzunehmen. Deshalb
fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich an
den Kosten aller Testverfahren sowie der durch das Ver-
fütterungsverbot von Tiefmehlen entstehenden Kosten in
wesentlichem Umfang zu beteiligen.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert
sicherzustellen, dass die EU maßgeblich an der Finanzie-
rung aller durch die erforderlichen BSE-Tests entste-
henden Kosten beteiligt wird.
Ebenso erwartet der Bundesrat, dass die Bundesregie-
rung und die EU-Kommission dringend die erforderli-
chen Finanzmittel zur Abwehr der Existenzbedrohung
betroffener landwirtschaftlicher Betriebe, für Investiti-
onshilfen zugunsten der Vermarktungseinrichtungen so-
wie für ein nationales Programm vertrauensbildender
Marketingmaßnahmen bereitstellen.
Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregie-
rung auf, alle Möglichkeiten der Inanspruchnahme von
EU-Mitteln voll auszuschöpfen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 14/2817 Nr. 2.10
Drucksache 14/2817 Nr. 2.11
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