Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000
Dr. Max Stadler
12674
(C)
(D)
(A)
(B)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12675
(C)
(D)
(A)
(B)
Balt, Monika PDS 10.11.2000
Dr. Bartsch, Dietmar PDS 10.11.2000
Bernhardt, Otto CDU/CSU 10.11.2000
Büttner (Ingolstadt), SPD 10.11.2000
Hans
Ehlert, Heidemarie PDS 10.11.2000
Elser, Marga SPD 10.11.2000
Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 10.11.2000
Joseph DIE GRÜNEN
Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 10.11.2000
Frick, Gisela F.D.P. 10.11.2000
Friedhoff, Paul K. F.D.P. 10.11.2000
Gloser, Günter SPD 10.11.2000
Gröhe, Hermann CDU/CSU 10.11.2000
Hauser (Bonn), Norbert CDU/CSU 10.11.2000
Hempelmann, Rolf SPD 10.11.2000
Hermann, Winfried BÜNDNIS 90/ 10.11.2000
DIE GRÜNEN
Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 10.11.2000
DIE GRÜNEN
Hirche, Walter F.D.P. 10.11.2000
Homburger, Birgit F.D.P. 10.11.2000
Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 10.11.2000
Kossendey, Thomas CDU/CSU 10.11.2000
Kramme, Anette SPD 10.11.2000
Kühn-Mengel, Helga SPD 10.11.2000
Lamers, Karl CDU/CSU 10.11.2000
Lehder, Christine SPD 10.11.2000
Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 10.11.2000
Klaus W.
Lötzer, Ursula PDS 10.11.2000
Marquardt, Angela PDS 10.11.2000
Michels, Meinolf CDU/CSU 10.11.2000
Mosdorf, Siegmar SPD 10.11.2000
Müller (Berlin), PDS 10.11.2000
Manfred
Ostrowski, Christine PDS 10.11.2000
Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 10.11.2000
Röttgen, Norbert CDU/CSU 10.11.2000
Roth (Speyer), Birgit SPD 10.11.2000
Rühe, Volker CDU/CSU 10.11.2000
Schauerte, Hartmut CDU/CSU 10.11.2000
Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 10.11.2000
Schmidt (Fürth), CDU/CSU 10.11.2000
Christian
Dr. Schmidt-Jortzig, F.D.P. 10.11.2000
Edzard
Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 10.11.2000
Hans Peter
von Schmude, Michael CDU/CSU 10.11.2000
Schröder, Gerhard SPD 10.11.2000
Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 10.11.2000
Schuhmann (Delitzsch), SPD 10.11.2000
Richard
Schultz (Everswinkel), SPD 10.11.2000
Reinhard
Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 10.11.2000
Christian
Dr. Seifert, Ilja PDS 10.11.2000
Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 10.11.2000
Sigrid
Spanier, Wolfgang SPD 10.11.2000
Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 10.11.2000
Dr. Freiherr von CDU/CSU 10.11.2000
Stetten, Wolfgang
Dr. Struck, Peter SPD 10.11.2000
Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 10.11.2000
Thönnes, Franz SPD 10.11.2000
Türk, Jürgen F.D.P. 10.11.2000
Uldall, Gunnar CDU/CSU 10.11.2000
Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10.11.2000
Wieczorek-Zeul, SPD 10.11.2000
Heidemarie
Wiesehügel, Klaus SPD 10.11.2000
Wülfing, Elke CDU/CSU 10.11.2000
Zierer, Benno CDU/CSU 10.11.2000*
Dr. Zöpel, Christoph SPD 10.11.2000
* für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm-
lung des Europarates
entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Anlagen zum Stenographischen Bericht
Anlage 2
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Prof. Dr. Eckhart Pick auf die
Frage 11 des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/
CSU) (Drucksache 14/4468, Frage 11) (129. Sitzung am
8. November 2000):
Bleibt die Bundesregierung bei den Plänen zur Copyright-Ab-gabe auf CD-Brenner, Drucker, ISDN-Anlagen, CD-ROMs nacheinem erweiterten Urheberrechtsgesetz oder hat die Bundesregie-rung in dieser Angelegenheit neue Ein- oder Absichten gewonnen?
Ihre Frage scheint mir davon auszugehen, dass eine
Vergütungspflicht für diese Geräte erst durch ein Reform-
gesetz der Bundesregierung begründet werden soll. Das
ist aber nicht richtig. Bereits nach dem geltenden Urhe-
berrechtsgesetz ist für CD-Brenner, Scanner, Festplatten
und ähnliche Geräte bzw. Komponenten eine Gerätever-
gütung zu zahlen, wenn und soweit diese Geräte zur Ver-
vielfältigung bestimmt sind. Die Vergütungen geben den
Inhabern von Urheber- und Leistungsschutzrechten einen
finanziellen Ausgleich dafür, dass Vervielfältigungen für
private und bestimmte weitere Zwecke auch ohne ihre
Genehmigung zulässig sind.
Dies ist bereits in dem Zweiten urheberrechtlichen Ver-
gütungsbericht, den die Bundesregierung gemäß dem
Auftrag des Deutschen Bundestages im Juli dieses Jahres
vorgelegt hat, im Einzelnen dargestellt. Darin hat die Bun-
desregierung vorgeschlagen, das allseits als bewährt emp-
fundene Vergütungssystem beizubehalten und – auch
durch klarstellende Einbeziehung der digitalen Verviel-
fältigungsverfahren – eine angemessene Vergütung für
Künstler, Autoren und andere kreativ Tätige weiter zu si-
chern. Konkrete Zahlenvorgaben hat die Bundesregierung
dazu noch zu keinem Zeitpunkt gemacht. Sollte die wei-
tere technische Entwicklung zu Abrechnungsverfahren
führen, die geeignet sind, die tatsächliche Nutzung zu er-
fassen, sodass der einzelne Nutzer den berechtigten Ur-
heber oder Künstler für Kopien unmittelbar bezahlt, wird
über mögliche Konsequenzen für das bestehende System
nachzudenken sein. Dies ist aber noch nicht aktuell.
Anlage 3
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Prof. Dr. Eckhart Pick auf die
Frage des Abgeordneten Detlef Parr (F.D.P.) (Drucksa-
che 14/4468, Frage 12) (129. Sitzung am 8. November
2000):
Wie beurteilt die Bundesregierung die intensiven Diskussio-nen des kürzlich erst beendeten Deutschen Juristentages über diezurzeit gültigen gesetzlichen Regelungen zur Sterbebegleitungund Sterbehilfe in Deutschland?
Die Bundesregierung hat die Diskussionen des
63. Deutschen Juristentages zum Thema „Empfehlen sich
zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patienten-
autonomie am Ende des Lebens?“ mit großem Interesse
verfolgt.
Die Problematik der Sterbebegleitung und Sterbehilfe
bedarf aus Sicht der Bundesregierung einer gründlichen
Aufbereitung, um die Frage nach der Notwendigkeit
gesetzgeberischer Maßnahmen zuverlässig beantworten
zu können. Hier sind neben juristisch-ethischen Fragen
insbesondere auch eine Reihe forensisch-praktischer Pro-
bleme zu prüfen und zu erörtern. Eine breite Beteiligung
der betroffenen Fachkreise an den notwendigen Diskus-
sionen ist wünschenswert. Die Bundesregierung dankt
dem 63. Deutschen Juristentag deshalb sehr für seine
zahlreichen Vorschläge zur Reform des Rechts der Ster-
bebegleitung und Sterbehilfe. Sie werden im Rahmen der
weiteren Überlegungen der Bundesregierung berücksich-
tigt werden.
Anlage 4
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Prof. Dr. Eckhart Pick auf die
Fragen des Abgeordneten Dietmar Schlee (CDU/CSU)
(Drucksache 14/4468, Fragen 13 und 14) (129. Sitzung
am 8. November 2000):
Ist sich die Bundesregierung der Tatsache bewusst, dass das
Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland durch die
Verbreitung neonazistischer Propaganda, Verwendung von Kenn-
zeichen verfassungswidriger Organisationen oder volksverhet-
zender Parolen durch deutsche Extremisten geschädigt wird, und
wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um insoweit be-
stehende Strafbarkeitslücken zu schließen und damit eine Straf-
verfolgung in Deutschland herbeizuführen?
Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich die Internet-Auf-
tritte von Rechtsextremisten seit 1996 verzehnfacht haben, und
wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um die überwie-
gend über ausländische Provider eingestellten rechtsextremisti-
schen Web-Seiten aus dem Internet zu entfernen und die Strafver-
folgung zu gewährleisten?
Zu Frage 13:
Das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Aus-
land wird durch die Verbreitung rechtsextremistischer
Propaganda durch Deutsche im Ausland geschädigt. Es
gibt allerdings keinen Straftatbestand der Gefährdung
oder Schädigung des deutschen Ansehens im Ausland.
Die Vorschriften der §§ 86, 86 a, 130 StGB dienen primär
dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundord-
nung der Bundesrepublik Deutschland, dem Schutz des
Gedankens der Völkerverständigung und dem Schutz des
friedlichen Zusammenlebens in der Bundesrepublik
Deutschland.
Ist die Straftat eines Deutschen im Ausland nach §§ 86,
86 a, 130 StGB dort mit Strafe bedroht, kann der Täter
auch im Inland bestraft werden. Eine Bestrafung des Tä-
ters im Inland erfolgt dann, wenn die Straftat Auswirkun-
gen im Inland hat und deshalb eine Inlandstat vorliegt.
Auch ist die Bestrafung im Inland denkbar, wenn der Tä-
ter nicht ausgeliefert werden darf. Wird zum Beispiel von
einem Deutschen bei einer Fernsehübertragung eines
Fußballspiels aus Polen nach Deutschland „Heil Hitler“
geschrieen oder nationalsozialistische Propaganda in das
Internet im Ausland eingestellt, ist eine Strafverfolgung in
Deutschland möglich.
Eine zu schließende Strafbarkeitslücke besteht nach
Ansicht der Bundesregierung bei dieser Sachlage nicht.
Die Bundesregierung unterstützt die deutschen Strafver-
folgungsbehörden, die Staatsanwaltschaften und Gerichte
der Länder. Dies geschieht zum Beispiel durch die Stel-
lung von Rechtshilfeersuchen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012676
(C)
(D)
(A)
(B)
Zu Frage 14:
Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Internet-
Seiten von Rechtsextremisten besonders stark angestie-
gen sind. Dabei handelt es sich bei der überwiegenden An-
zahl der Seiten um solche aus dem US-amerikanischen
Raum. In den USAist die Verbreitung von rechtsextremis-
tischen Seiten im Internet, soweit es sich um Meinungs-
äußerungen handelt, nicht strafbar. Die Bundesregierung
bemüht sich durch Gespräche mit Verantwortlichen in den
USA, diese von der Strafwürdigkeit eines solchen Verhal-
tens zu überzeugen. Einerseits wird hierdurch erfolgreich
für die Unterstützung deutscher Strafverfahren geworben,
andererseits werden US-amerikanische Provider mit Er-
folg um die Löschung rechtsextremistischer Seiten gebe-
ten.
Anlage 5
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
der Abgeordneten Maritta Böttcher (PDS) (Drucksache
14/4468, Frage 15) (129. Sitzung am 8. November 2000):
Trifft es zu, dass wehrmedizinische Forschungen in Entwick-
lungsprojekten der zivilen Forschung der Bundeswehr durchge-
führt werden („Welt am Sonntag“ vom 22. Oktober 2000), und
wenn ja, worin besteht dann die spezielle Problematik der An-
wendung dieser Erreger und Toxine in Verbindung mit Waffen?
Das Bundesministerium der Verteidigung unterhält ein
Programm zur Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten
zum Schutz vor biologischen Waffen. Zu diesem Zweck
werden am Institut für Mikrobiologie der Sanitätsakade-
mie der Bundeswehr in München und am Wehrwis-
senschaftlichen Institut für Schutztechnologien und
ABC-Schutz in Munster Forschungs- und Entwicklungs-
projekte durchgeführt. Darüber hinaus vergibt die Bun-
deswehr im zivilen Bereich Forschungs- und Entwick-
lungsvorhaben, die in der Bundeswehr nicht durchgeführt
werden können oder die im zivilen Bereich kostengünsti-
ger bearbeitet werden. Im Rahmen des Forschungs- und
Entwicklungsprogramms gegen Massenvernichtungsmit-
tel werden auch Schutzmaßnahmen, unter anderem Impf-
stoffe gegen potenzielle biologische Kampfstoffe weiter-
entwickelt. Bei diesen handelt es sich um Erreger und
Toxine, die in der Bundesrepublik selten oder gar nicht
vorkommen, aber wegen ihrer Eigenschaften einen Miss-
brauch als Kampfstoff geeignet sind.
Anlage 6
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (PDS) (Drucksache
14/4468, Frage 16) (129. Sitzung am 8. November 2000):
Wie schätzt die Bundesregierung im Rahmen der Bundes-
wehrforschungen zu B-Waffen das Risikopotenzial von Krank-
heitserregern ein, die gegen Antibiotika resistent gemacht werden
und als biologische Waffen eingesetzt werden können, und welche
Erfordernisse ergeben sich aus ihrer Sicht, um entsprechende Ri-
siken – auch im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung –
zu minimieren?
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nach den Pa-
riser Protokollen zum Brüsseler Vertrag vom 23. Oktober
1954 und nach dem B-Waffenübereinkommen vom
10. April 1972 (ratifiziert am 7. April 1983) international
dazu verpflichtet, sich in keiner Weise aktiv mit biologi-
schen Waffen zu befassen. Darüber hinaus gibt es natio-
nal im Kriegswaffenkontrollgesetz ein entsprechendes
Verbot.
Forschung und Entwicklung zur Herstellung von bio-
logischen Waffen wurden und werden durch das Bundes-
ministerium der Verteidigung nicht vergeben, gefördert
oder sonst in irgendeiner Weise unterstützt. Doch der Ein-
satz biologischer Kampfstoffe ist leider durch fremde
staatliche wie nicht staatliche Akteure denkbar. Und es ist
vorstellbar, dass biologische Kampfstoffe auch Resisten-
zen gegen Antibiotika aufweisen können. Grundsätzli-
ches Ziel unserer Sicherheits- und Militärpolitik ist es, das
Risiko eines Einsatzes von Massenvernichtungswaffen
soweit wie möglich auszuschließen. Wegen der mögli-
chen Verfügbarkeit biologischer Massenvernichtungsmit-
tel in einer Reihe von Staaten und eines damit verbunde-
nen Risikos unterhält die Bundesrepublik Deutschland
ein Programm zur Weiterentwicklung der Fähigkeiten
zum Schutz vor biologischen Waffen, das auch die Risi-
ken antibiotikaresistenter B-Waffen in Betracht zieht.
Diese Fähigkeiten zum Schutz vor biologischen Waffen
kommen sowohl der Zivilbevölkerung als auch Soldaten
der Bundeswehr zugute. Das deutsche Schutzprogramm
wird regelmäßig den sich entwickelnden Risiken ange-
passt und mit unseren Bündnispartnern abgestimmt.
Anlage 7
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
des Abgeordneten Carsten Hübner (PDS) (Drucksache
14/4468, Frage 17) (129. Sitzung am 8. November 2000):
Von welchen Bedrohungsszenarien geht die Bundesregie-
rung – vor dem Hintergrund von Pressemeldungen vom 23. Okto-
ber 2000 und in der „Welt am Sonntag“ vom 22. Oktober 2000
über wehrmedizinische Forschung zu B-Waffen unter Verwen-
dung gentechnischer Methoden im B-Waffen-Schutz im Falle an-
tibiotikaresistenter Krankheitserreger – aus?
Ein Einsatz biologischer Kampfstoffe ist sowohl durch
staatliche wie nicht staatliche Akteure denkbar. Es ist vor-
stellbar, dass biologische Kampfstoffe auch Resistenzen
gegen Antibiotika aufweisen können und damit Infektionen
durch diese Erreger einer Therapie gar nicht oder nur er-
schwert zugänglich sind.
Grundsätzliches Ziel deutscher Sicherheits- und Mi-
litärpolitik ist es, das Risiko eines Einsatzes von Massen-
vernichtungswaffen soweit wie möglich auszuschließen.
Wegen der möglichen Verfügbarkeit biologischer Mas-
senvernichtungsmittel in einer Reihe von Staaten und des
damit verbundenen Risikos unterhält die Bundesrepublik
Deutschland ein Programm zur Weiterentwicklung der
Fähigkeiten zum Schutz vor biologischen Waffen. Bei
dem im Artikel der „Welt am Sonntag“ erwähnten anti-
biotikaresistenten Erreger handelt es sich um einen Impf-
stamm, der als biologischer Kampfstoff ungeeignet und
zudem gegen die üblichen Antibiotika empfindlich ist.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12677
(C)
(D)
(A)
(B)
Anlage 8
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
des Abgeordneten Uwe Hiksch (PDS) (Drucksache
14/4468, Frage 18) (129. Sitzung am 8. November 2000):
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die mögliche
militärische Nutzung des Potenzials von moderner Bio- und Gen-
technik zu feindseligen Zwecken eine Herausforderung bzw. po-
tenzielle Bedrohung der eigenen Bevölkerung wie auch anderer
Völker darstellt?
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Grund-
sätzliches Ziel deutscher Sicherheits- und Militärpolitik
ist es daher, den Einsatz von Massenvernichtungswaffen
soweit wie möglich auszuschließen. Wegen der mögli-
chen Verfügbarkeit biologischer Massenvernichtungsmit-
tel in einer Reihe von Staaten und eines damit verbunde-
nen Risikos auch für unser Land und unsere Bevölkerung
unterhält die Bundesrepublik Deutschland ein Programm
zur Weiterentwicklung der Fähigkeiten zum Schutz vor
biologischen Waffen.
Anlage 9
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Frage
der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter (PDS) (Druck-
sache 14/4468, Frage 19) (129. Sitzung am 8. Novem-
ber 2000):
Werden vor dem Hintergrund aktueller Pressemeldungen vom
23. Oktober 2000 und in der „Welt am Sonntag“ vom 22. Okto-
ber 2000 über wehrmedizinische Forschung zu B-Waffen unter
Verwendung gentechnischer Methoden aus Deutschland biologi-
sche Kampfstoffe oder Komponenten für Kampfstoffe in andere
Staaten geliefert?
Nein. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich nach
den Pariser Protokollen zum Brüsseler Vertrag vom
23. Oktober 1954 und nach dem B-Waffenübereinkom-
men vom 10. April 1972 (ratifiziert am 7. April 1983) in-
ternational dazu verpflichtet, sich in keiner Weise aktiv
mit biologischen Waffen zu befassen. Darüber hinaus
gibt es national im Kriegswaffenkontrollgesetz ein ent-
sprechendes Verbot. Forschung und Entwicklung zur Her-
stellung von B-Waffen wurden und werden durch das
Bundesministerium der Verteidigung nicht vergeben, ge-
fördert oder sonst in irgendeiner Weise unterstützt.
Anlage 10
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
der Abgeordneten Kersten Naumann (PDS) (Drucksa-
che 14/4468, Fragen 20 und 21) (129. Sitzung am 8. No-
vember 2000):
Werden aus Deutschland Erreger für Human-, Tier- oder
Pflanzenkrankheiten in andere Staaten geliefert und mit anderen
Staaten ausgetauscht, und wenn ja, welche?
In bzw. aus welchen Staaten werden benannte Erreger expor-
tiert bzw. importiert?
Zu Frage 20:
Da Ihre beiden Fragen im Kontext mit denen Ihrer
Fraktionskolleginnen und -kollegen gestellt wurden,
möchte ich im Namen der Bundesregierung antworten,
obwohl das Bundesgesundheitsministerium und das
Landwirtschaftsministerium die Gesetzeskompetenz be-
sitzen.
Human-Krankheitserreger: Gemäß § 19 Bundes-Seu-
chengesetz (BSeuchG) und ab 1. Januar 2001 gemäß § 44
des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bedarf derjenige, der
Krankheitserreger in den Geltungsbereich dieses Geset-
zes verbringen oder sie ausführen will, der Erlaubnis der
zuständigen Behörde. Die Erteilung der Erlaubnis ist an
bestimmte persönliche Voraussetzungen (insbesondere
bestimmtes Studium und praktische Erfahrungen im Um-
gang mit Krankheitserregern) geknüpft. Darüber hinaus
unterliegen die Personen bei ihren Tätigkeiten der Auf-
sicht der zuständigen Behörde (§ 25 Bundes-Seuchenge-
setz, ab 1. Januar 2001 § 51 Infektionsschutzgesetz). Die
Ausführung der genannten Vorschriften, einschließlich
der Bestimmung der zuständigen Behörden, erfolgt durch
die Länder in eigener Zuständigkeit und Verantwortung.
Die Bundeswehr hält im Rahmen des Forschungs- und
Entwicklungsprogramms gegen biologische Kampfstoffe
„Stammsammlungen“ von über 500 relevanten Bakte-
rien-, Viren- und Pilzstämmen, die für die Bearbeitung der
Schutzaufgaben genutzt werden. Die Stämme sind über
Jahre aus nationalen Stammkultursammlungen, wie zum
Beispiel der „Deutschen Stammsammlung von Mikro-
organismen“ oder der Amerikanischen Stammkultur-
sammlung „American Type Culture Collection“ und aus
verschiedenen in- und ausländischen Forschungsinstitu-
ten, vorzugsweise Universitäten, bezogen worden. Ge-
genwärtig werden von der Bundeswehr keine vermeh-
rungsfähigen Erregerstämme für Human-, Tier- oder
Pflanzenkrankheiten in andere Staaten geliefert oder mit
diesen ausgetauscht. Zur Standardisierung von Schnell-
nachweismethoden im Rahmen der Schutzforschung ge-
gen potenzielle B-Agenzien innerhalb der NATO wurden
jedoch inaktivierte Proben von Teststämmen, die für die
Bedrohung als relevant angesehen werden, für Ringver-
suche nach Deutschland geliefert.
Schadorganismen von Pflanzen, und dies schließt
Pflanzenkrankheiten ein, werden in begrenztem Umfang
zwischen wissenschaftlichen Institutionen (Pflanzen-
schutzeinrichtungen, Pflanzenzüchtungsinstituten) nach
Deutschland eingeführt. Soweit diese Schadorganismen
in Deutschland nicht vorkommen bzw. eine besondere
Gefahr für Pflanzen in Deutschland darstellen können,
unterliegen sie der EU-Richtlinie 95/44 für „Versuchs-
und Züchtungszwecke“. Derartige Einfuhren werden von
den Pflanzenschutzdiensten der Länder genehmigt und
zentral von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft erfasst. In Kurzfassung werden die Infor-
mationen über die Einzelgenehmigungen mit den zustän-
digen Behörden anderer Mitgliedstaaten ausgetauscht und
der Europäischen Kommission übermittelt. Ein Genehmi-
gungsverfahren für nicht als Quarantäne-Schadorganis-
men identifizierte Pflanzenkrankheiten und -schädlinge
besteht derzeit in Deutschland nicht, wird aber dennoch
von einigen Pflanzenschutzdiensten praktiziert.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012678
(C)
(D)
(A)
(B)
Tierseuchenerreger werden nach Deutschland zu fol-
genden Zwecken eingeführt: Diagnostik von Tierseuchen
in deutschen Laboratorien; Herstellung von Sera, Impf-
stoffen oder diagnostischen Mitteln sowie für vorberei-
tende Untersuchungen; Impfstoffe und Antigenpräpara-
tionen, die Tierseuchenerreger enthalten; Verbringen von
Tierseuchenerregern aus Erstausbrüchen von Tierseuchen
an EU-Referenzlaboratorien. Die Einfuhr von Tierseu-
chenerregern bedarf der Genehmigung der für das Veteri-
närwesen zuständigen obersten Landesbehörden.
Zu Frage 21:
Was die Beantwortung Ihrer zweiten Frage betrifft,
verweise ich Sie auf meine erste Antwort, die ich mit dem
Hinweis auf die Ein-/Ausfuhr von humanpathogenen
Krankheitserregern im Bezug auf den Verteidigungsbe-
reich ergänzen möchte: Proben von inaktivierten Test-
stämmen für den Test von Schnellnachweismethoden im
Rahmen der B-Schutzforschung bei der Bundeswehr
wurden aus Frankreich, den Niederlanden, Norwegen,
Großbritannien, Österreich, Schweden und den USA be-
zogen.
Anlage 11
Anwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Werner Siemann (CDU/CSU)
(Drucksache 14/4468, Fragen 22 und 23) (129. Sitzung
am 8. November 2000):
Wie beurteilt die Bundesregierung den Zeitplan für die Verab-
schiedung des Soldatengesetzes sowie der Soldatenlaufbahnver-
ordnung im Hinblick auf die Kündigungsfristen der Bewerberin-
nen in ihren bisherigen Arbeitsverhältnissen bezüglich der
Öffnung aller Laufbahnen und Laufbahngruppen für Frauen in der
Bundeswehr, und wie viele mit einer Einstellungszusage verse-
hene Bewerberinnen werden den Dienst aufgrund der bisher nicht
beschlossenen rechtlichen Grundlage am 2. Januar 2001 nicht an-
treten?
Ist es zutreffend, dass die Vorbereitungen für ein neues Perso-
nalstärkegesetz zur Einsparung von Personalkosten sowie zur Lö-
sung des Beförderungs- und Verwendungsstaus weitgehend abge-
schlossen sind, und wann wird der entsprechende Entwurf dem
Parlament vorgelegt?
Zu Frage 22:
Seit Beginn des Ill. Quartals 2000 werden weibliche
Bewerber in den Zentren für Nachwuchsgewinnung ei-
nem angepassten Eignungsfeststellungsverfahren für ei-
nen uneingeschränkten Einsatz in den Streitkräften unter-
zogen. Bis Anfang November haben sich rund 1 500 jun-
ge Frauen für einen freiwilligen Dienst in den Laufbahnen
der Unteroffiziere und Mannschaften beworben. Nach
erfolgreicher Eignungsfeststellung haben bislang etwa
200 Frauen – vorbehaltlich der zu schaffenden gesetzli-
chen Regelungen – einen vorläufigen Einplanungsbe-
scheid zum Diensteintrittstermin 2. Januar 2001 erhalten.
Vor dem Hintergrund der am 27. Oktober 2000 im
Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung be-
schlossenen Änderung des Art. 12 a Abs. 4 Satz 2 Grund-
gesetz (GG) geht BMVg vom rechtzeitigen In-Kraft-Tre-
ten der Verfassungsänderung und der Änderung des
einfachen Soldaten(laufbahn)rechts aus. Absicht ist es,
auf dieser Grundlage den Versand der Aufforderungen
zum Dienstantritt nach der zweiten und dritten Lesung
und dem entsprechenden Beschluss der einfachgesetzli-
chen Änderungen im Bundestag am 10. November 2000
zu veranlassen.
Damit stünde den Bewerberinnen, die in einem Arbeits-
verhältnis stehen, noch Zeit und Gelegenheit zur Verfügung,
unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kündigungsfristen
bis Mitte November rechtsverbindlich handeln zu können.
Erkenntnisse, wie viele Frauen, die bislang alle eine vorläu-
fige Einplanung erhalten haben, aufgrund der bisherigen
Rechtssituation von einem Dienstantritt im Januar 2001
möglicherweise Abstand nehmen wollen oder bereits Ab-
stand genommen haben, liegen nicht vor.
Zu Frage 23:
Der Altersaufbau im militärischen Bereich ist nicht ho-
mogen und belastet seit Jahren strukturgerechte Einstel-
lungen. Dies führte zur Überalterung auf einsatzwichtigen
Dienstposten und ist eine der Ursachen für den vorhande-
nen Beförderungsstau. An Lösungsmodellen wird gear-
beitet, die möglichst früh dem Bundeskabinett und dem
deutschen Bundestag vorgelegt werden sollen. Der Refe-
rentenentwurf eines Personalanpassungsgesetzes wird ge-
genwärtig erarbeitet. Die Arbeiten werden so zeitgerecht
vorangetrieben, dass der Gesetzentwurf möglichst noch
im Frühjahr 2001 in den parlamentarischen Bereich ein-
gebracht werden kann.
Anlage 12
Antwort
der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen
des Abgeordneten Günter Friedrich Nolting (F.D.P.)
(Drucksache 14/4468, Fragen 24 und 25) (129. Sitzung am
8. November 2000):
Wie umfangreich waren die Einsätze des Kommandos Spezi-alkräfte (KSK) der Bundeswehr im Rahmen von SFOR (Stabili-sation Force) und/oder KFOR (Kosovo Force), und wann wurdensie durchgeführt?
Was war die rechtliche Grundlage der etwaigen Einsätze, undwarum unterblieb eine vorherige oder nachgeschaltete Unterrich-tung der Ausschüsse und des Parlaments?
Zu Frage 24:
Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr
führte in den Jahren 1998 bis 2000 insgesamt vier
Einsätze zur Ergreifung mutmaßlicher Kriegsverbrecher,
davon drei Einsätze im Rahmen von SFOR und ein
Einsatz im Rahmen von KFOR durch. Die Einsätze er-
folgten am 15. Juni 1998 (SFOR), 2. August 1999
(SFOR), 20. August 1999 (KFOR) sowie am 12. Okto-
ber 2000 (SFOR).
Zu Frage 25:
Die rechtliche Grundlage für den jeweiligen Einsatz
sind die geltenden Resolutionen des VN-Sicherheitsrats
und die Beschlüsse der Bundesregierung sowie des Deut-
schen Bundestages. Bei den Einsätzen des Kommandos
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12679
(C)
(D)
(A)
(B)
Spezialkräfte werden die Ausschüsse und der Bundestag
insgesamt vorher nicht unterrichtet, allerdings die Frakti-
onsvorsitzenden bzw. von ihnen namentlich benannte
Parlamentarier.
Nach einem Einsatz unterrichtet der Bundesverteidi-
gungsminister den Vorsitzenden des Verteidigungsaus-
schusses, die Obleute der Fraktionen im Verteidigungs-
ausschuss und die Fraktionsvorsitzenden. Ebenso erfolgt
eine Information der Öffentlichkeit. Eine weitergehende
Information erfolgt nicht, um besonderen Verfahren der
Geheimhaltung zum Schutz der an den Einsätzen betei-
ligten Soldaten und ihrer Familien Rechnung zu tragen.
Insbesondere wird die Nennung der an der Vorbereitung
und Durchführung beteiligten Truppenteile und Soldaten
vermieden, um eventuellen Repressalien, zum Beispieldurch Geheimdienste anderer Staaten, auch gegenüber
deren Familien vorzubeugen. Einzelheiten zur Vor-
bereitung und Durchführung werden nicht bekannt ge-
geben, um Gegenmaßnahmen anderer Staaten oder Orga-
nisationen sowie der noch gesuchten weiteren mutmaßli-
chen Kriegsverbrecher zu erschweren. Pressemeldungen
werden deshalb auch nicht kommentiert. Dies gilt im
Übrigen weltweit für alle „Special Forces”.
Anlage 13
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen des
Abgeordneten Eduard Lintner (CDU/CSU) (Drucksa-
che 14/4468, Fragen 26 und 27) (129. Sitzung am 8. No-
vember 2000):
Haben der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG (DBAG), Hartmut Mehdorn, oder andere Personen aus dem Leitungs-bereich der DB AG gegenüber dem Bundesminister für Verkehr,Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), Reinhard Klimmt, oderanderen Repräsentanten des BMVBW den Betrag, den die Bahnnach ihrer Einschätzung zur Sanierung ihres Streckennetzes in dennächsten Jahren benötigt, konkret beziffert, und wenn ja, als wiehoch wurde der Betrag dabei bezeichnet?
Welchen Betrag beabsichtigt die Bundesregierung der DB AGfür die Sanierung des Schienennetzes, insbesondere auch die Be-seitigung der Langsamfahrstellen im Zeitraum der mittelfristigenFinanzplanung jeweils jährlich zur Verfügung zu stellen, und wel-chen Betrag glaubt die Bundesregierung in diesem Zeitraum als100-prozentiger Eigentümer der DB AG aufwenden zu müssen?
Zu Frage 26:
Die DB AG (DB Netz AG/DB Station & Service AG)
steht in einer strategischen Neuausrichtung. Die Strategie
Netz 21 sieht vor, dass vorrangig das bestehende Netz, das
sich in einem schlechten Zustand befindet, modernisiert
werden soll und wirtschaftliche Neu- und Ausbauvorha-
ben zur Netzergänzung realisiert werden. Auf dieser
Grundlage sieht das Investitionsprogramm für den Aus-
bau der Bundesschienenwege, Bundesfernstraßen und
Bundeswasserstraßen in den Jahren 1999 bis 2002 bereits
vor, dass mehr als 50 Prozent der vorgesehenen Bundes-
mittel des vorgenannten Programms für Investitionen in
das bestehende Netz bereitgestellt werden, um den Inves-
titions- und Modernisierungsstau im Bestandsnetz abzu-
bauen. Bundesminister Reinhard Klimmt und der Vor-
standsvorsitzender der DB AG, Hartmut Mehdorn, haben
am 21. September diesen Jahres gemeinsam erklärt, dass
aus Sicht des BMVBW und der DB AG in den kommen-
den 10 bis 15 Jahren jährlich rund 2 bis 2,5 Milliarden DM
zur Beseitigung von Unterhaltungs- und Instandset-
zungsrückständen im Bestandsnetz zur Refinanzierung
der Netzsubstanz sowie für einzelne Neu- und Ausbau-
maßnahmen erforderlich sind. Die bisher verfügbaren und
die zusätzlichen Bundesmittel im Rahmen des ZIP wer-
den zielgerichtet und mit nachhaltiger Wirkung für den
Verkehrsträger Schiene eingesetzt (zusammen 8,7 Milli-
arden DM). Damit kehrt die Bundesregierung zu der bei
der Bahnreform 1994 vorgesehenen Finanzierungslinie
für Schieneninvestitionen zurück.
Zu Frage 27:
Auf der Grundlage der Strategie Netz 21 besteht im
Bestandsnetz nach der Einschätzung der DB AG jährlich
ein Investitionsbedarf von 4,5 bis 5 Milliarden DM.
Durch die im Gange befindliche umfassende Bestands-
aufnahme soll der Investitionsbedarf für Bestandsnetzin-
vestitionen (und Bedarfsplaninvestitionen) konkretisiert
werden. Nach den Veranschlagungen im Finanzplan des
Bundes und dem angestrebten Einsatz der zusätzlichen
Investitionsmittel des Zukunftsinvestitionsprogramms
stehen die für eine Modernisierung des bestehenden Net-
zes erforderlichen Bundesmittel im Volumen von jährlich
4,5 bis 5 Milliarden DM für Investitionsmaßnahmen im
Bestandsnetz bereit.
Anlage 14
Antwort
des Parl. Staatsekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen des
Abgeordneten Karsten Schönfeld (SPD) (Drucksache
14/4468, Fragen 28 und 29) (129. Sitzung am 8. Novem-
ber 2000):
Von welchen Baukosten und Realisierungszeiträumen für die
verschiedenen Ausbauvarianten des durchgängigen 6-streifigen
Ausbaus der Bundesautobahn A 4 zwischen den Anschlussstellen
Jena-Göschwitz und Magdala („Leutratal“) geht die Bundesregie-
rung aus, und welche konkreten Summen sind bereits in die Inves-
titionsplanung des Bundes eingestellt?
Ist die Bereitstellung von Finanzmitteln an eine bestimmte
Ausbauvariante des durchgängigen 6-streifigen Ausbaus der Bun-
desautobahn A 4 zwischen den Anschlussstellen Jena-Göschwitz
und Magdala („Leutratal“) gekoppelt, und gibt es zwischen der
Bundesregierung und der Thüringer Landesregierung Absprachen
über Trassenführung bzw. zu favorisierende Ausbauvarianten?
Zu Frage 28:
Die Baukosten für den Gesamtabschnitt der A 4 zwi-
schen den Anschlussstellen Jena-Göschwitz und Magdala
werden je nach Ausführungsvariante zwischen 222 Milli-
onen DM (Ausbauvariante) und 360 Millionen DM (Tun-
nelbauvariante) geschätzt. Für den oben genannten Bereich
ist im Investitionsprogramm für den Ausbau der Bundes-
schienenwege, Bundesfernstraßen und Bundeswasser-
straßen in den Jahren 1999 bis 2002 eine erste Finanzie-
rungsrate in Höhe von rund 22,0 Millionen DM mit
Baubeginn in 2002 enthalten.
Zu Frage 29:
Die Bereitstellung von Finanzmitteln im oben genann-
ten Streckenabschnitt ist an keine bestimmte Ausbauvari-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012680
(C)
(D)
(A)
(B)
ante gekoppelt. Aufgrund der ökologisch sensiblen Situa-
tion im Leutratal (FFH-Gebiet) wurde mit dem Freistaat
Thüringen abgestimmt, dass im derzeit laufenden
Raumordnungsverfahren eine Neubauvariante mit einem
rund 2,8 km langen Tunnel als Vorzugslösung und der be-
standsnahe Ausbau als Wahlvariante der landespla-
nerischen Beurteilung unterzogen wird.
Anlage 15
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen
des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann (F.D.P.)
(Drucksache 14/4468, Fragen 30 und 31) (129. Sitzung
am 8. November 2000):
In welchem Verfahren wurden die Straßenbauprojekte für dasneue 2,7 Milliarden DM-Programm aus den Zinsersparnissendurch die Veräußerung der UMTS-Lizenzen (UMTS = UniversalMobile Telecommunications System) ausgewählt, von denen indiversen Zeitungen zu lesen war, und warum wurden der Aus-schuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen des DeutschenBundestages und die Länderministerien nicht mit diesem Straßen-bauprogramm befasst?
Nach welchen Kriterien wurden die Straßenbauprojekte aus-gewählt?
Zu Frage 30:
Die Bundesfernstraßenprojekte im Rahmen des
Zukunftsinvestitionsprogramms 2001 bis 2003 wurden in
der Umsetzung des vom Deutschen Bundestag verab-
schiedeten Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen von
der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen be-
schlossen. Dabei erfolgte die Projektauswahl anhand der
Baureife bzw. des Planungsstandes, unter Abwägung ei-
ner regionalen Ausgewogenheit und im Einklang mit den
zu finanzierenden Kosten.
Zu Frage 31:
Über den Programminhalt wurden der Vorsitzende des
Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zeit-
gleich mit den zuständigen Ministern und Senatoren der
Länder informiert. Im Übrigen bleiben die jährliche Do-
tierung der Maßnahmen und die notwendigen Entschei-
dungen der Baubeginne den Bund-Länder-Finanzierungs-
programmbesprechungen vorbehalten.
Anlage 16
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Frage des
Abgeordneten Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU)
(Drucksache 14/4468, Frage 32) (129. Sitzung am 8. No-
vember 2000):
Wird die Bundesregierung der öffentlichen, in einem Brief anden Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,Reinhard Klimmt, gerichteten Forderung des Ministers für Wirt-schaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nord-rhein-Westfalen (NRW), Ernst Schwanhold, entsprechen, zusätz-liche 1,7 Milliarden DM für Bahn- und Straßenprojekte in NRWaus den Zinsersparnissen nach den UMTS-Erlösen (UMTS = Uni-versal Mobile Telecommunications System) zur Verfügung stel-len, um unter anderem die zweite Baustufe der B 239/Ortsumge-hung Herford und die Fertigstellung dieser Ortsumgehung bis
Ende 2004 sowie die – wie Minister für Wirtschaft und Mit-
telstand, Energie und Verkehr, Ernst Schwanhold, zu Recht
schreibt – „überaus wichtigen Lückenschlüsse“ der A 30 und A33
in Ostwestfalen zu finanzieren?
Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms der
Bundesregierung, das für den Straßenbau in den nächsten
drei Jahren zusätzlich 2,7 Milliarden DM vorsieht und da-
mit im nächsten Jahr mit 10,8 Milliarden DM für den
Straßenbau einen neuen Höchstwert ergibt, ist neben über
120 anderen Ortsumgehungen auch die bedarfsgerechte
Finanzierung der Ortsumgehung Herford im Zuge der
B 239 vorgesehen. Die jährliche Dotierung dieser Maß-
nahme und die notwendigen Entscheidungen hinsichtlich
der Vergabe weiterer Bauleistungen bleiben den Bund-
Land-Finanzierungsprogrammbesprechungen auf Verwal-
tungsebene vorbehalten. Dabei stehen selbstverständlich
alle Entscheidungen unter dem Vorbehalt der Verabschie-
dung der jährlichen Bundesfernstraßenhaushalte durch
den Deutschen Bundestag.
Bei der Konkretisierung der Einzelprojekte des Zu-
kunftsinvestitionsprogramms (ZIP) ist für den Straßenbau
ein Schwerpunkt Ortsumgehungen gesetzt worden. Darü-
ber hinaus war entscheidend, dass für die einzelnen Pro-
jekte Baurecht vorliegt oder kurzfristig erreichbar ist. Vor
diesem Hintergrund konnten die Lückenschlüsse der
A 30, Ortsumgehung Bad Oeynhausen und der A 33 zwi-
schen Bielefeld und Borgholzhausen nicht berücksichtigt
werden.
Anlage 17
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen des
Abgeordneten Hubert Deittert (CDU/CSU) (Drucksa-
che 14/4468, Fragen 33 und 34) (129. Sitzung am 8. No-
vember 2000):
Kann die Bundesregierung die zahlreichen Pressemeldungenbestätigen, wonach für den Lückenschluss der BundesautobahnA 33 Mittel in Höhe von 200 Millionen DM aus Zinsersparnissenbereitgestellt werden, die dem Bundeshaushalt aufgrund derUMTS-Erlöse zukommen und an die Länder weitergeleitet wer-den?
Ist die Bundesregierung bereit, ihren Einfluss auf das LandNordrhein-Westfalen dahin gehend auszuüben, dass das derzeitausgesetzte Planfeststellungsverfahren für die A33 auf Grundlageder Variante V 16+ wieder aufgenommen wird?
Zu Frage 33:
Bei der Konkretisierung der Einzelprojekte des Zu-
kunftsinvestitionsprogramms (ZIP) ist für den Straßenbau
ein Schwerpunkt Ortsumgehungen gesetzt worden. Darü-
ber hinaus war entscheidend, dass für die einzelnen Pro-
jekte Baurecht vorliegt oder kurzfristig erreichbar ist.
Vor diesem Hintergrund konnte der Lückenschluss der
A 33 zwischen Bielefeld und Borgholzhausen nicht
berücksichtigt werden.
Zu Frage 34:
Die Bundesregierung unterstützt die aufgrund einer
Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsstudie (FFH) modi-
fizierte Variante V 16+ für den Lückenschluss der A 33
zwischen Borgholzhausen und der A 2. Sie wird sich
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12681
(C)
(D)
(A)
(B)
uneingeschränkt darum bemühen, dass die planerischen
Arbeiten abgeschlossen und das Planfeststellungsverfah-
ren zügig weitergeführt wird.
Anlage 18
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen des
Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU)
(Drucksache 14/4468, Fragen 35 und 36) (129. Sitzung
am 8. November 2000):
Trifft es zu, dass bei der Überarbeitung des Bundesverkehrs-wegeplans gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan der Bundes-regierung mit einer Verzögerung von über zwei Jahren zu rechnenist und damit in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundes-tages die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes nichtmehr abgeschlossen wird?
Bedeutet die Verzögerung bei der Überarbeitung des Bundes-verkehrswegeplanes, dass Bundesfernstraßenvorhaben, die nichtim derzeit laufenden Investitionsprogramm 1999 bis 2002 undebenfalls nicht im neuen aus den UMTS-Erlösen finanziertenOrtsumgehungsprogramm enthalten sind, keine Chance haben, inden Jahren 2003 oder 2004 in ein Investitionsprogramm aufge-nommen und realisiert zu werden?
Zu Frage 35:
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den
Bundesverkehrswegeplan 1992 zügig zu überarbeiten.
Viele der einzelnen Arbeitsschritte bauen aufeinander auf
und können nicht gleichzeitig, sondern nur nacheinander
abgearbeitet werden. Die DB AG arbeitet derzeit an einem
umfassenden Konzept zur Sanierung des Unternehmens
einschließlich des an vielen Stellen maroden Schienennet-
zes. Die Unsicherheit über den Zeitbedarf für diese Über-
legungen erschwert eine zuverlässige Festlegung über den
Abschluss des Bundesverkehrswegeplanes. Es kann des-
halb nicht ausgeschlossen werden, dass es im Ergebnis zu
Verzögerungen gegenüber dem ursprünglich geplanten
Zeitbedarf kommen kann. Dies würde jedoch keine Aus-
wirkungen auf die unabdingbar notwendige Kontinuität
des Planungs- und Investitionsgeschehens haben.
Zu Frage 36:
Mit dem Investitionsprogramm für die Bundesschie-
nenwege, Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen
in den Jahren 1999 bis 2002 und dem Zukunftsinvesti-
tionsprogramm 2000 bis 2003 wird die Zeit bis zur Vor-
lage eines überarbeiteten Bundesverkehrswegeplans bzw.
neuer Bedarfspläne überbrückt. Zusätzlich wird es ab
2003 das Anti-Stau-Programm geben, mit dem auch Eng-
pässe an Autobahnen beseitigt werden sollen. Darüber hi-
naus können entsprechend bewertete und vordringlich
eingestufte Projekte des überarbeiteten Bundesverkehrs-
wegeplans in den Jahren 2003 ff. im Rahmen eines fort-
geschriebenen und durch den Deutschen Bundestag ver-
abschiedeten Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen
realisiert werden.
Anlage 19
Antwort
des Parl. Staatssekretärs Kurt Bodewig auf die Fragen des
Abgeordneten Paul Breuer (CDU/CSU) (Drucksache
14/4468, Fragen 37 und 38) (129. Sitzung am 8. Novem-
ber 2000):
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass sie in derFragestunde des Deutschen Bundestages vom 25. Oktober 2000(14.30 Uhr) auf meine Frage 24 (Plenarprotokoll 14/126S. 12086 D) nach der Finanzierung des A 4-Weiterbaus von Olpe-Süd bis zur Krombacher Höhe sowie der Hüttentalstraße (B 62)bis Kreuztal ausführte, dass „zurzeit noch keine konkreten Zusa-gen zur Finanzierung von einzelnen Straßenbauprojekten gemachtwerden“ könnten, während einem Bundestagsabgeordneten derKoalitionsfraktionen aber bereits eine Stunde später eine schrift-liche Zusage zu diesem Projekt mitgeteilt wurde?
Kann man in Zukunft davon ausgehen, dass der Bundesminis-ter für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen sicherstellt, dass seinebeiden Parlamentarischen Staatssekretäre zur gleichen Zeit nichtinhaltlich unterschiedliche Aussagen gegenüber Abgeordnetender Oppositions- und der Koalitionsfraktionen machen?
Zu Frage 37:
Der Parlamentarische Staatssekretär Siegfried Scheffler
hat am 25. Oktober 2000 um 14.30 Uhr in der Fragestunde
des Deutschen Bundestages völlig korrekt geantwortet,
dass, ich zitiere „zurzeit noch keine konkreten Zusagen
zur Finanzierung von Straßenbauvorhaben gemacht wer-
den können“. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine ent-
gültige Entscheidung über die einzelnen Maßnahmen ge-
troffen.
Über die einzelnen Projekte im Rahmen des ZIP-
Ortsumfahrungsprogramms ist im Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am Nachmittag des-
selben Tages entschieden worden. Unmittelbar nach der
Entscheidung habe ich dem Abgeordneten Willi Brase, der
mich diesbezüglich mündlich angefragt hat, per E-mail be-
stätigt, dass die Maßnahme A4AS Wenden-Krombach
Ortsumgebung Wenden mit 85 Millionen DM aus dem Zu-
kunftsinvestitionsprogramm der Bundesregierung neu be-
gonnen werden kann.
Zu Frage 38:
Der in der Frage unterstellte Sachverhalt ist unzutref-
fend, wie aus meiner Antwort auf die vorhergehende
Frage ersichtlich ist. Im Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen ist es gängige Praxis, dass alle
Mitglieder der Hausleitung mit einer Stimme sprechen
und ihre Arbeit eng koordinieren. Dies wird auch in Zu-
kunft so bleiben.
Anlage 20
Erklärung
des Abgeordneten Friedrich Merz (CDU/CSU)
zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der
Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern (Ta-
gesordnungspunkt 20 c)
Für die CDU/CSU-Fraktion erkläre ich:
Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Ent-
wurf enthält das Eingeständnis, dass wesentliche Rege-
lungen des Steuersenkungsgesetzes steuersystematisch
verfehlt und mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unvereinbar sind.
Die Korrektur dieser Fehler im Rahmen der Kirchen-
steuer ist nur unter Inkaufnahme zusätzlicher Belastungen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012682
(C)
(D)
(A)
(B)
für durch das Steuersenkungsgesetz bereits benachteiligte
Personengruppen möglich. Die Rückgängigmachung der
Gewerbesteueranrechnung verschärft die ohnedies zu
große Spreizung zwischen Kapitalgesellschaften und Per-
sonenunternehmen und hat bis zum Jahr 2004 eine Er-
höhung der kirchensteuerlichen Grenzbelastung gewerbli-
cher Einkünfte zur Folge. Die Rückgängigmachung des
Halbeinkünfteverfahrens stellt eine besondere Härte für die
schon durch den körperschaftsteuerrechtlichen System-
wechsel benachteiligten Kleinaktionäre dar.
Die CDU/CSU-Fraktion kann dem Gesetzentwurf des-
halb nur unter Zurückstellung schwerwiegender steuerpo-
litischer Bedenken zustimmen. Ausschlaggebend hier ist
allein der Wunsch, die Finanzbasis der Kirchen zu sichern
und ihnen die Erfüllung ihres gesellschaftspolitisch un-
verzichtbaren Auftrags auch in Zukunft zu ermöglichen.
Die Kirchen dürfen nicht zu Leidtragenden einer bereits
im Ansatz verfehlten Steuerpolitik werden.
Anlage 21
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung
– des Berichts: Für eine sozial, finanziell und
ökologisch nachhaltige Bundesverkehrswege-
planung
– des Antrags: Realisierung einer direkten
Fernbahnverbindung zwischen den Bahnhö-
fen Berlin-Ostbahnhof und Berlin-Lichten-
berg beim Ausbau des Eisenbahnknotens Ber-
lin
– des Berichts: Überzählige Diesellokomotiven
der DB AG nicht verschrotten, sondern wei-
terverwenden
– des Berichts: Beibehaltung der Reisezug-Ver-
bindungen zwischen Polen und Berlin
(Tagesordnungspunkt 22 a bis d)
Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Der Antrag der PDS
zum Bundesverkehrswegeplan, den wir im Zusammen-
hang mit den anderen PDS-Anträgen heute beraten, hätte
zu keinem anderen Zeitpunkt besser behandelt werden
können, um verständlich zu machen, warum wir ihn ab-
lehnen müssen. Am Mittwoch hat das Bundesverkehrsmi-
nisterium den Verkehrsbericht 2000 vorgelegt. Dieser Be-
richt definiert die Grundlagen und Planungsziele des
neuen Bundesverkehrswegeplanes.
Einige der von der PDS-Fraktion gemachten Analysen
zum Bundesverkehrswegeplan von 1992 sind durchaus
richtig und sind sicher auch Konsens unter Verkehrspoli-
tikerinnen und Verkehrspolitikern.
Die SPD-Bundestagsfraktion teilt zum Beispiel die
Auffassung, dass der alte Bundesverkehrswegeplan ge-
messen an der mittelfristigen Finanzplanung des ehema-
ligen Finanzministers Waigel hoffnungslos unterfinan-
ziert war. Die zugrunde liegenden Prognosen über die
Verkehrsentwicklung weichen erheblich von der tatsäch-
lich eingetretenen Entwicklung ab, was auch damit belegt
ist, dass die Bundesländer eine ganze Reihe neuer Pro-
jekte angemeldet haben. Und wir sind überzeugt, dass die
Zielrichtung von Verkehrspolitik heute eine andere sein
muss. An der Diskussion um die DB AG macht sich das
aktuell fest.
Genau aus diesen Gründen wird der Bundesverkehrs-
wegeplan ja auch von der Bundesregierung überarbeitet.
Bis zu seiner Fertigstellung besteht Planungssicherheit
durch das Investitionsprogramm 1999 bis 2002. Da wir
annehmen müssen, dass in dieser Legislaturperiode der
gesetzgeberische Abschluss nicht mehr zu erreichen ist,
wird das Investitionsprogramm wohl auch noch einmal
angepasst werden müssen. Da dies auf der Basis des der-
zeitigen Bundesverkehrswegeplanes passieren muss,
kann sich zumindest die CDU/CSU-Opposition mit Kri-
tik zurückhalten, denn diesen Bundesverkehrswegeplan
haben wir ja von ihr geerbt.
Einigkeit besteht sicher auch darüber, dass mehr Güter-
und Schwerlastverkehr auf die Schiene gebracht werden
müssen. Hierfür muss es zu einer Verbesserung der Rah-
menbedingungen für den Schienengüterverkehr kommen.
Ich denke, die Einführung der streckenbezogenen
LKW-Straßenbenutzungsgebühr ist ein gutes Steuerungs-
instrument dafür.
In allen anderen Forderungen gehen unsere Einschät-
zungen aber nicht mit dem PDS-Antrag konform. Zumin-
dest in den ostdeutschen Ländern besteht weiterhin ein
sehr großes Infrastrukturdefizit. Aber wir kennen auch die
objektiven Engpässe in den alten Bundesländern. Natür-
lich heißt das nicht, wie die PDS suggeriert, dass auf
Teufel komm raus Landschaften durch Bundesstraßen
zerschnitten und Naturflächen durch Asphaltdecken ver-
siegelt werden sollen. Das verantwortungsvoll zu ent-
scheiden wird das veränderte Instrumentarium für die Be-
wertung der Verkehrsprojekte helfen, das ebenfalls mit
dem Verkehrsbericht 2000 vorgestellt wurde.
Aber man muss auch der Realität ins Auge blicken,
eine Fähigkeit, die die PDS noch besser verinnerlichen
sollte. Wer unsere Debatte im Deutschen Bundestag über
den Raumordnungsbericht ernst nimmt, in dem die Er-
reichbarkeitsanalysen für die ostdeutschen Bundesländer
noch eine gravierende Schlechterstellung im Vergleich zu
dem übrigen Bundesgebiet ausweisen, darf nicht bekla-
gen, dass Unternehmen im Osten weniger investieren, als
für eine selbsttragende Entwicklung erforderlich wäre,
und gleichzeitig Investitionen in die Straße verteufeln.
Der Bedarf an Ortsumgehungen ist weiterhin sehr hoch.
Und gerade bei den Ortsumgehungen wird deutlich, dass
Straßenbau dann vor allem zur Lärmentlastung der Bür-
gerinnen und Bürger führt. Hier hat die Bundesregierung
zielgerichtet das Zukunftsinvestitionsprogramm aufge-
legt, das den Bau vieler Ortsumgehungsstraßen mit zu-
sätzlichen 2,7 Millarden DM bis 2003 ermöglicht.
Die SPD-Bundestagsfraktion und die Bundesregierung
sind sich einig, dass Verkehr nicht einfach unterdrückt
werden kann, sondern sinnvoll und ökologisch verträglich
gesteuert werden muss. Also: Wir werden bei der Überar-
beitung des Bundesverkehrswegeplanes zusätzliche Be-
wertungskriterien für die Verkehrsprojekte einführen. Wir
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12683
(C)
(D)
(A)
(B)
werden dafür Sorge tragen, dass Mobilität für alle ge-
währleistet wird. Unser Ziel wird trotzdem die Verringe-
rung der Inanspruchnahme von Natur, Landschaft und
nicht erneuerbaren Ressourcen sein. Dazu kommen wei-
tere Anstrengungen zur Reduktion von Lärm, Schadstof-
fen und Klimagasen, hier vor allem die dringend notwen-
dige Senkung der C02 -Emission.
Ein Aspekt der zukünftigen Verkehrspolitik wird von
der PDS-Fraktion besonders unrealistisch betrachtet: Wir
müssen davon ausgehen, dass sich bis 2015 der Flugver-
kehr mehr als verdoppeln wird. Viele dieser Flugbewe-
gungen werden sich auch im geeinten Europa direkter na-
tionaler Steuerung entziehen, denn es sind internationale
und interkontinentale Flugbewegungen.
Dass das Flugaufkommen im Inland und vor allem
zwischen Inlandsflughäfen vermindert werden soll, bleibt
dabei unbenommen. Aber: Wollen wir zum Beispiel den
deutschen Gesellschaften verbieten, in Konkurrenz zum
schnellen Eisenbahnverkehr innerdeutsche Verbindungen
zu bedienen? Wer verbietet es ausländischen Konkurren-
ten, wenn diese Leistungen von den Bürgern nachgefragt
werden? Nur wer einer Vorstellung vom dirigistischen
Staat anhängt, kann dies fordern. Und nebenbei: Können
Sie sich erinnern, welche Resonanz vor gut zwei Jahren
die Idee von der Kontingentierung von Flugreisen in der
Öffentlichkeit hatte?
Auch hier werden die Bundesregierung und die Koali-
tionsfraktionen den Weg über die Veränderung von Rah-
menbedingungen dem dirigistischen Eingriff bevorzugen.
Dies geschieht zum Beispiel auch durch die Novellierung
des Fluglärmgesetzes.
Lärm ist ein gefährliches Umweltgift. Wer permanent
hoher Lärmbeschallung ausgesetzt ist, wird krank.
Also muss das Fluglärmgesetz den modernen Anforde-
rungen angepasst werden und vor allem den neuen tech-
nischen Möglichkeiten. Denn moderne Verkehrsflug-
zeuge haben eine deutlich geringere Lärmemission. Der
Gesetzgeber wird durch eine Verbesserung des Lärm-
schutzes für Anwohner von Flughäfen auf die Fluggesell-
schaften einwirken, leisere und sparsamere Flugzeuge zu
betreiben.
Das Ziel der PDS, Flugverkehr insgesamt möglichst zu
vermeiden, ist schlicht unrealistisch.
Als letzten Punkt zum Antrag zum Bundesverkehrswe-
geplan möchte ich die geforderten Investitionen in das
Netz und auch die Ingenieurbauwerke der DB AG auf-
greifen. Ihre Analyse ist durchaus richtig. Es wurde über
Jahrzehnte viel zu wenig in die Strecken und die Brücken
der Bahn investiert. Dieser fundamentale Fehler des ehe-
maligen Verkehrsministers Wissmann und des Bahnma-
nagements ist nur durch gewaltige Nachinvestitionen zu
beheben. Wir fordern jetzt von der Bahn AG, was Herr
Wissmann eigentlich schon 1994 einfordern musste: die
schonungslose Offenlegung der tatsächlichen Situation
der DB AG.
Uns ist klar, dass für die Unterstützung des Schienen-
verkehres das Investitionsdefizit in das Bestandsnetz auf-
gearbeitet werden muss. Die Bundesregierung stellt allein
hierfür vorerst dreimal 2 Milliarden DM aus dem Zinserlös
der UMTS-Gelder zur Verfügung, und zwar nicht mehr als
Kredit an die Bahn, sondern als Baukostenzuschuss. Da
allerdings mit diesem Geld keine Strukturen von gestern
zementiert werden sollen, werden nur Gelder zur Verfü-
gung gestellt, für die die Bahn konkrete Verwendungs-
nachweise im Netz führen kann. Das fordert unsere Frak-
tion.
Zum Abschluss will ich noch ein paar Sätze zum An-
trag „Überzählige Dieselloks der DB AG nicht verschrot-
ten“ sagen.
Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Werkedebatte
und unter Beachtung des Umstandes, dass eines der
Werke, nämlich das in Stendal, gerade mit der Aufarbei-
tung dieser Diesellokomotiven sein Privatisierungskon-
zept verbindet, werden wir, wie im Ausschuss, bei der Ab-
lehnung des Antrages bleiben. Ich kann Ihnen aus meiner
Kenntnis der Verhandlungen zwischen der Geschäfts-
führung und der Bahn AG sagen, dass zum Zeitpunkt der
Einreichung Ihres Antrages die Verschrottung schon ge-
stoppt war. Es ging vor gut zwei Jahren um die Frage, ob
es eine Privatisierung des Werkes Stendal geben könne
oder ob eine Beteiligungslösung mit einem interessierten
Unternehmen zustande kommt. Damals entschied sich die
Bahn AG, das Geschäft selber zu machen, und im Werk
Stendal arbeitet man zielstrebig daran, Kontakte und Ver-
träge zu neuen Schienenverkehrsanbietern zu knüpfen.
Warum dies ein steiniger Weg war, ist nicht Gegenstand
unserer heutigen Debatte.
Fakt ist, die Verschrottung wurde gestoppt und die
Vermarktung der von der DB AG ausgemusterten Loks ist
Kern des wieder aktuellen Privatisierungskonzeptes des
Werkes Stendal. Wenn die Bahn AG die Privatisierung des
Werkes als den einzigen Ausweg zum Erhalt des Standor-
tes sieht, dann erwarten wir jetzt auch, dass in den Ver-
handlungen mit Investoren dies auch konstruktiv ermög-
licht wird.
Im Gegensatz zu dem „Staatliche-Plankommission-
Forderungskatalog“ des PDS-Antrages, mit dem die PDS
in das Unternehmen Bahn AG hinein regieren will, ist der
eben beschriebene Weg zur Privatisierung mit der Ei-
gentümerrolle des Bundes und der unternehmerischen
Entscheidung kompatibel.
Gelegentlich wird aber von Bahn-AG-Vertretern, die
ihr Monopol sichern wollen, behauptet, dass mit dem Re-
vitalisierungsprogramm für die ausgemusterten Lokomo-
tiven das Investitionsprogramm der Bahn AG für neue
Lokomotiven bei der freien Wirtschaft verhindert wird.
Dies ist eine Zwecklüge, denn die revitalisierten Loks sol-
len nicht bei der Bahn AG, sondern bei nicht bundeseige-
nen Eisenbahnen zum Einsatz kommen. Auf der An-
hörung zur Eisenbahnpolitik ist uns von den Experten
gerade erst deutlich gemacht worden, dass wir, wenn wir
den Schienenverkehr insgesamt fördern wollen, nicht nur
auf die Bahn AG gucken dürfen, sondern für die Unter-
nehmen Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Ge-
schäftsfelder übernehmen können, die von der Bahn AG
abgeben werden. Das ist ein Weg zu mehr Wettbewerb auf
der Schiene.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012684
(C)
(D)
(A)
(B)
Wieland Sorge (SPD):Wir führen heute eine Debatte
zu zwei Anträgen der PDS. Der eine Antrag – DS 14/3191 –
befasst sich mit den Reisezugverbindungen zwischen
Polen und Berlin, und der Antrag der DS 14/3793 hat
die Realisierung einer Fernbahnverbindung zwischen den
Bahnhöfen Berlin-Ostbahnhof und Berlin-Lichtenberg
zum Inhalt. Der von mir zuerst genannte Antrag wurde be-
reits im Ausschuss für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen
behandelt und abgestimmt. Außer der PDS haben alle übri-
gen Parteien den Antrag abgelehnt.
Am 30. Juni 1993 hat der Deutsche Bundestag das
Bundesschienenwegeausbaugesetz – BSchWAG – be-
schlossen. Die Orientierung für die festgelegten Projekte
richten sich in erster Linie nach dem Bedarf im eigenen
Land – aber auch gleichzeitig danach, wie die Fernbahn-
bedingungen in den angrenzenden Ländern ihre Fortset-
zung finden. Bei der Festlegung der Zugverbindungen
von Deutschland nach Polen–Dresden–Görlitz–Polen,
Breslau und weiter, Berlin–Frankfurt/Oder–Polen, War-
schau und weiter – und weiter nach Osten mussten die er-
forderlichen Vereinbarungen zwischen Deutschland und
Polen getroffen werden. Um eine solche Vereinbarung zur
Realisierung dieser Ausbaustrecke abschließen zu kön-
nen, wurde 1993 eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebil-
det. Das Ziel dieser Arbeitsgruppe bestand darin, die vor-
handenen Verbindungen hinsichtlich ihres Bedarfs und
Zustandes zu überprüfen, um eine Grundlage zu haben,
welche Strecken wegen des steigenden Bedarfs durch die
EU-Osterweiterung und den Tourismus unbedingt
benötigt werden und welche Strecken wegen ihrer Un-
wirtschaftlichkeit eingestellt werden müssen. Im Septem-
ber 1995 wurde dem BMVBWder Schlussbericht der von
der deutschen Seite beauftragten Gutachter vorgelegt. Am
12./13. September 1996 fand auf Einladung des polni-
schen Verkehrsministeriums die 4. Sitzung der gemeinsa-
men Arbeitsgruppe Deutschland/Polen statt. Wichtigster
Punkt der Verhandlungen war die Vereinbarung über das
weitere Vorgehen. Polens Ergebnisse einer Machbarkeits-
studie lagen zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vor. Am
14./15. Juni 1999 fand deshalb die 5. gemeinsame Sitzung
der Arbeitsgruppe statt. Danach wurde eine aktualisierte
Verkehrsstudie kurzfristig in Auftrag gegeben, deren Er-
gebnisse Ende Oktober 2000 vorgelegt wurden. Diese
Studie befindet sich derzeit in der Überprüfungsphase und
wird im Frühjahr 2001 öffentlich gemacht. Neben den er-
wähnten Hauptstrecken ist für den grenzüberschreitenden
Güterverkehr – Entmischung der Verkehre – die wichtige
Strecke Hoyerswerda–Herka–Wegliniec in die Tätigkeit
der gemeinsamen Arbeitsgruppe einbezogen. Der ent-
sprechende Abschluss einer Vereinbarung zwischen bei-
den Ländern wird erst im Jahre 2001 möglich sein. Der
Entwurf zu dieser Vereinbarung soll noch in diesem Jahr
vorliegen. Trotz dieser noch ausstehenden gemeinsamen
Vereinbarung wird von deutscher Seite bereits gehandelt.
Im Investitionsprogramm 1999 bis 2002 sind für den
Ausbau der Strecke auf eine Streckengeschwindigkeit
von 160 km/h Finanzmittel in Höhe von 210 Millio-
nen DM vorgesehen. Zur beschleunigten Fertigstellung
werden davon 110 Millionen DM EFRE-Mittel verwen-
det. Am 7. November 1997 wurde mit dem Ausbau der
Strecke zwischen Fürstenwald und Frankfurt-Rosen-
garten begonnen, davon sind circa 14 km – Berken-
brück–Pillgramm – bereits unter Verkehr. Auf polnischer
Seite sind bereits 80 Prozent der Gesamtstrecke Warschau
und Reppen – Rzepin – für eine Streckengeschwindigkeit
von 160 km/h realisiert. Für die Nebenstrecken in die ein-
zelnen Regionen, insbesondere in dem nördlichen Teil, ist
der polnische Staat allein verantwortlich. Dies richtet sich
nach der Nachfrage und den finanziellen Mitteln des Staa-
tes.
Übrigens unterstützt Deutschland alle Entwicklungen
der Korridore, die auf der 2. und 3. Paneuropäischen Ver-
kehrskonferenz definiert wurden. Dazu gehören die
Schienenverbindungen Berlin–Warschau–Minsk–Moskau
sowie Berlin/Dresden–Breslau–Kattowitz–Krakau–Lem-
berg–Kiew.
Zum Inhalt des Antrages der PDS, eine direkte Verbin-
dung zwischen den Bahnhöfen Berlin-Ostbahnhof und
Berlin-Lichtenberg herzustellen, kann gesagt werden, es
gibt vom Land Berlin dazu ein untersuchendes Vorhaben.
Man muss abwarten, ob diese Verbindung über die so ge-
nannte Wriezener Bahn berücksichtigt und gegebenenfalls
eine Finanzierung erfährt. Nach den bisherigen Erkennt-
nissen ist eine direkte Fernbahnverbindung zwischen die-
sen Bahnhöfen nicht wahrscheinlich, weil die Kosten viel
zu hoch sind und vom Bund in absehbarer Zeit keine Mit-
tel dazu zur Verfügung stehen. Außerdem spielt er für den
langfristigen Personenfernverkehr keine Rolle mehr. Nun
muss man abwarten, was das Land Berlin als Konzepte für
die weitere Planung als wichtig ansieht und wie dazu die
Finanzierung erfolgt.
Nach unserer Ansicht entsprechen – wie soeben darge-
legt – beide Anträge nicht den tatsächlichen Realitäten.
Aus diesem Grunde lehnen wir beide Anträge ab.
Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):Die PDS stellt – insoweit sicher zu Recht und
mitgetragen von den anderen Fraktionen – fest, dass ein
neuer Bundesverkehrswegeplan überfällig ist. Der gel-
tende Bundesverkehrswegeplan ist sowohl ökonomisch
als auch ökologisch an die Wand gefahren. Als Konse-
quenz hat die rot-grüne Bundesregierung binnen weniger
Monate ein Investitionsprogramm für den Zeitraum bis
2002 vorgelegt, das finanziell darstellbar ist und Pla-
nungssicherheit für alle Beteiligten gewährleistet. Damit
hat sich die Regierung als voll handlungsfähig und kom-
petent erwiesen.
Illusorisch ist aber die Vorstellung der PDS, ein neuer
Bundesverkehrswegeplan könne binnen kürzester Zeit er-
stellt werden und dabei zudem eine völlig andere Ver-
kehrspolitik verwirklichen, wie es der PDS vorschwebt.
Die Bundesregierung ist durchaus für eine neue Ver-
kehrspolitik mit einer Integration aller Verkehrsträger.
Minister Klimmt hat gerade in dieser Woche die Vorstel-
lungen der Regierung mit dem „Verkehrsbericht 2000“
konkretisiert. Der Verkehrsbericht macht allerdings auch
deutlich, dass eine neue Bundesverkehrswegeplanung
einen erheblichen Aufwand bei der Neukonzeption, bei
der Erstellung der Szenarios und bei der Erarbeitung
neuer Bewertungsinstrumente erfordert. Das kann man
nicht übers Knie brechen, hier muss man gründlich und
mit langem Atem an die Problematik herangehen. Die
Forderung der PDS, möglichst rasch einen neuen Bun-
desverkehrswegeplan aufzustellen, ist also zwar durchaus
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12685
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nachvollziehbar und das Drängen der Opposition ist ver-
ständlich – allein, wir müssen und wir werden die nächste
Bundesverkehrswegeplanung solide erstellen. Insofern
müssen wir heute den PDS-Antrag ablehnen.
Erheblichen Beratungsbedarf sehen wir hingegen beim
zweiten Antrag der PDS, zwischen den Bahnhöfen Berlin-
Ostbahnhof und Berlin-Lichtenberg beim Ausbau des Ei-
senbahnknotens Berlin eine direkte Fernbahnverbindung
herzustellen. Diese Zielsetzung entspricht inhaltlich den
Vorstellungen unserer Fraktion im Berliner Abgeordneten-
haus, die zwei ähnliche Anträge bereits am 8. Septem-
ber 1998 und am 11. Januar 2000 in die Debatte hier vor Ort
eingebracht hat. Einen entsprechenden Beschluss hat das
Berliner Abgeordnetenhaus sogar einstimmig am 28. Ja-
nuar 1999 gefasst. Wichtig für eine durchgehende Fern-
bahnverbindung ist ein zukunftsfähiger, künftigen Kapa-
zitätsansprüchen genügender Ausbau des Ostkreuzes.
Wir kennen allerdings die Probleme, welche die Deut-
sche Bahn gegenwärtig im Netzbereich hat: Sie leidet
unter den Folgen früherer Fehlentwicklungen, angefan-
gen bei der falschen Schwerpunktsetzung von Investi-
tionen zugunsten schöngerechneter Vorzeigeprojekte:
Köln–Rhein/Main, der Knoten Berlin und Nürnberg–In-
golstadt–München führen im Bauvollzug zu Mehrbelas-
tungen von bis zu 6 Milliarden DM. Zudem hat das Duo
infernale Waigel/Wissmann die Netzinvestitionen von
jährlich rund 9 Milliarden DM zu Beginn der Bahnreform
auf 5,8 Milliarden DM im Jahr 1998 heruntergekürzt. Ich
muss hier anmerken, dass dieser nachprüfbare Sachver-
halt von den Ministerpräsidenten Stoiber und Teufel, aber
auch vom bayerischen Verkehrsminister Wiesheu bis
heute offenbar nicht begriffen worden ist – oder, was
schlimmer wiegt, sie versuchen immer noch, die Bürger
in unserem Land bewusst zu täuschen, indem sie behaup-
ten, Rot-Grün habe diese Kürzungen zu verantworten.
Richtig ist: Wir haben sofort nach Regierungsübernahme
das tatsächliche Investitionsniveau für die Bahn 1999 um
1,3 Milliarden DM erhöht und satteln in den Jahren 2001
bis 2003 aus den UMTS-Milliarden weitere 2 Milliar-
den DM drauf. Schon heute ist klar, dass diese Investiti-
onsmittel, die damit wieder das Niveau von über 9 Milli-
arden DM erreichen, über das Jahr 2003 hinaus verstetigt
werden müssen.
Als Folge der falschen Investitionspolitik unter
Waigel/Wissmann haben wir heute massive Probleme im
Bestandsnetz, das inzwischen rund 2 500 Langsamfahr-
stellen aufweist: Es ist klar, dass vor allem hier sofort
mehr investiert werden muss. Die Vorstellungen der
Traumtänzer Stoiber, Vogel und Teufel, man könne dem-
nächst an den Neubau beispielsweise der Strecken Stutt-
gart–Ulm–München und Nürnberg–Erfurt gehen, sind
vor diesem Hintergrund völlig unrealistisch.
Was wir brauchen, ist vorrangig die Sanierung des
Schienennetzes, des Weiteren aber auch entsprechend
dem DB-Konzept „Netz 21“ die Modernisierung des vor-
handenen Schienennetzes, das in Teilen auf dem techni-
schen Stand von 1930 verharrt. Im Rahmen dieser Über-
legungen müssen wir in der Tat prüfen, inwieweit die
Strecke zwischen Berlin-Ostbahnhof und Lichtenberg als
zweigleisige Fernbahn ausgebaut werden kann. Hier
schlägt der Antrag der PDS ein sinnvolles Projekt vor,
über dessen Realisierungsmöglichkeit wir uns sehr ernst-
haft mit der Deutschen Bahn unterhalten müssen. Das Er-
gebnis dieser Gespräche wird in die Ausschussberatungen
einfließen.
Die beiden verbleibenden Anträge der PDS haben wir
bereits im zuständigen Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen diskutiert und dabei festgestellt, dass sie
durch aktuelle Vorgänge weitgehend überholt sind. Ent-
sprechend hat der Ausschuss mit großer Mehrheit die Ab-
lehnung der beiden Anträge empfohlen, an der wir heute
hier festhalten.
Horst Friedrich (Bayreuth) (F.D.P.): Zunächst
Grundsätzliches vorweg: Die Anträge der PDS zur Bahn
signalisieren aus liberaler Sicht ein falsches Verständnis –
sie führen im Zweifel zurück zur Staatsbahn und konterka-
rieren aus unserer Sicht deswegen die Festlegungen der
Bahnreform 1994. Weder ist es politisch gewollt, der Bahn
die Aufrechterhaltung bestimmter Fernverkehrsverbin-
dungen zwingend vorzuschreiben, noch kann sie nach un-
serer Rechtsauffassung gezwungen werden, Geräte und
Fahrzeuge ihres Bestandes zu verkaufen und nicht zu ver-
schrotten. Ob und inwieweit das jeweilige Handeln der
Bahn insgesamt betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, steht auf
einem anderen Papier. Insofern ist der Verweis auf die der-
zeit laufende Diskussion um die Bahn hilfreich!
Offensichtlich macht in der Bahn jeder, was er will, und
keiner, was er soll. Nur deshalb ist zu erklären, dass immer
wieder neue Schreckensmeldungen über die Ticker der Ta-
gespresse laufen und die Bahn von einem Entscheidungs-
desaster in andere gezwungen wird. Kostenüberschrei-
tungen bei Neubauprojekten, Verspätungen, schlechter
Service und ungenügendes Wagenmaterial sowie zuneh-
mend schlechter werdende Infrastruktur sind nur einige
signifikante Kennzeichen dieses Zustandes. In diesem Zu-
sammenhang den Weg zurück zur Staatsbahn einzuschla-
gen, ist die falsche Richtung.
Die F.D.P. hat die Fortsetzung der Bahnreform gefor-
dert und mit ihrem Antrag auf Trennung von Netz und Be-
trieb die entsprechenden parlamentarischen Grundlagen
gelegt. Mittlerweile ist offensichtlich zwischen fast allen
Fachleuten und Beteiligten ein breiter Konsens zur Tren-
nung des Fahrweges vom Betrieb zu erzielen – außer bei
der Bundesregierung und der Bahn. Ich bin allerdings si-
cher, dass in diesem Zusammenhang das letzte Wort noch
nicht gesprochen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt verlangen
wir Liberale zunächst einen vorbehaltlosen Kassensturz
und eine ungefärbte Bilanz der Deutschen Bahn AG so-
wie zur Begleitung einen Unterausschuss des Verkehrs-
ausschusses, der sich im Detail mit dieser Problematik be-
fassen kann.
Auch die Vorlage der PDS zur Neuauflage des Bun-
desverkehrswegeplanes geht aus unserer Sicht an den
tatsächlichen Problemen vorbei. Sicher ist es richtig, sich
nach einer bestimmten Zeit über die Neugestaltung des
Bundesverkehrswegeplanes zu unterhalten. Im § 2 des
Bundesfernstraßenausbaugesetzes ist festgelegt, dass der
Ausbau in Stufen erfolgt, der im Bedarfsplan festgelegt
wird und nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden
Mittel auf die jeweilige Haushaltssituation eingeht.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012686
(C)
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(B)
Aus Sicht der Liberalen werden auch mit dem jetzt im
Verkehrsbericht 2000 genannten Umstellungskriterien
des Bundesverkehrswegeplanes die eigentlich entschei-
denden Fragen nicht ausreichend beantwortet. Zum einen
ist vollkommen unklar, wie sich in der Zukunft eine ver-
lässliche Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur darstel-
len lässt und zum anderen bezweifeln wir, dass der neue
Verkehrswegeplan rechtzeitig auf die Infrastrukturmaß-
nahmen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung
eingeht. Die Liberalen fordern in diesem Zusammenhang
ein Sonderprogramm von 3 Milliarden DM für die nächs-
ten drei Jahre, um den von der EU-Kommission prognos-
tizierten Verkehrszuwachs von 60 Prozent mit einer kom-
binierten Lösung aller Verkehrsträger bewältigen zu
können.
Wir werden deshalb die vorliegenden Anträge der PDS
ablehnen.
Anlage 22
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zweiundzwan-
zigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordne-
tengesetzes (Tagesordnungspunkt 23)
Dr. Uwe Küster (SPD): Der vorliegende Gesetzent-
wurf hat das Ziel, das Einkommen der Abgeordneten des
Deutschen Bundestags – also unsere Diäten – für die
nächsten Jahre preissteigerungsbereinigt zu sichern. Eine
darüber hinausgehende materielle Erhöhung der Diäten
findet nicht statt. Es wird sie für diese Legislaturperiode
nach unserem Willen auch nicht geben.
Ich schicke eins voraus: Der Entwurf ist das Ergebnis
eines Kompromisses, einer Abwägung, einer Gratwande-
rung. Einerseits berücksichtigen wir unsere Verpflich-
tung, für eine angemessene Höhe der Diäten zu sorgen.
Andererseits haben wir die gesamtgesellschaftliche Ent-
wicklung im Auge behalten. Lassen Sie mich unseren Ent-
wurf nun in aller Kürze skizzieren.
Wir wollen die Entschädigung für die letzten sechs Mo-
nate dieses Jahres um 0,6 Prozent anheben. Für das erste
Halbjahr 2000 bleibt es bei einer Nullrunde. Für die Jahre
2001 bis 2003 sollen die Diäten um jeweils 1,9 Prozent an-
gehoben werden. Diese Erhöhung entspricht ungefähr der
zu erwartenden Preissteigerungsrate. Sie führt somit nicht
zu einer materiellen Erhöhung der Entschädigung. Das
Verfahren nach § 30 Abgeordnetengesetz wird für diese
Wahlperiode ausgesetzt. Das ist bei diesem Verfahren
nicht vermeidbar. Gesetzestechnisch ist das unproblema-
tisch. Sie wissen das alle.
Die Belange unserer ehemaligen Kolleginnen und Kol-
legen werden durch die Erhöhung des fiktiven Bemes-
sungsbetrages in § 35 a Abgeordnetengesetz um Dreivier-
tel des Erhöhungsbetrages angemessen berücksichtigt.
Ich halte dies für eine sachgerechte Regelung. Ich bin
überzeugt, hier besteht ein breiter Konsens unter allen
Fraktionen für eine faire Behandlung dieser Gruppe.
Zusammenfassend stelle ich daher fest: Unser Gesetz-
entwurf ist objektiv notwendig, weil er die Höhe der Diä-
ten auf dem heutigen Stand sichert. Er ist subjektiv ange-
messen, da er das für diese Regelung notwendige Augen-
maß beweist. Und er ist sozial ausgewogen, weil er die
Einkommenssituation des Mannes auf der Straße berück-
sichtigt.
Aber unsere Lösung ist natürlich nicht die einzig Mög-
liche. Ich gebe das unumwunden zu. Es gibt andere Vor-
schläge. Einige – wie der der F.D.P. – bieten eine interes-
sante Perspektive. Andere aber, wie der Vorstoß des
Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Herrn Kollegen
Merz, von Anfang Oktober helfen uns in der gegenwärti-
gen Situation nicht weiter. Ich möchte den heutigen Tag
nicht dazu nutzen, vergangene Schlachten zu schlagen.
Aber ich möchte auf sachlicher Ebene noch einmal zu die-
sem Vorstoß Stellung nehmen. Ich glaube, es tut uns allen
gut, wenn wir nach den entstandenen Aufgeregtheiten nun
unsere Standpunkte klären.
Herr Kollege Merz hat Anfang Oktober behauptet, un-
ser Entwurf widerspreche dem Gesetz. Das Parlament sei
an die Zielgröße R 6/B 6 – das Gehalt eines Richters an
einem obersten Bundesgericht bzw. eines kommunalen
Wahlbeamten – gebunden. Der Herr Bundestagspräsident
hat dies in seinem Vorschlag vom 21. April 1999 konkre-
tisiert. Hiernach hätten die Diäten bis zum Januar 2003
pro Monat auf 14 275 DM steigen müssen. Nach unserem
Entwurf hat am 1. Januar 2003 die Entschädigung eine
Höhe von 13 707 DM. Es geht also um eine Differenz von
568 DM brutto. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich
brutto, damit jedem klar ist, dass es sich hier um Einkom-
men vor Steuern handelt.
Der Vorstoß des Kollegen Merz hat Ihnen, liebe Kolle-
gen der CDU/CSU, nicht nur das Unverständnis der Öf-
fentlichkeit eingebracht. Er hat auch mich irritiert. Sie ha-
ben das für die Öffentlichkeit sensible Thema der Diäten
unsensibel behandelt. Sie haben damit einen Flurschaden
angerichtet. Sie haben uns als Abgeordnete wegen 568 DM
brutto in der Öffentlichkeit in ein schiefes Licht gerückt.
Das war unnötig, das war unsensibel, und das war für das
Anliegen destruktiv. Wir haben Ihnen das damals öffentlich
gesagt. Dem füge ich heute nichts mehr hinzu.
Wir haben Ihnen immer – und das mache ich auch
jetzt – die Hand zum offenen Gespräch gereicht. Wir
möchten Sie und die anderen Fraktionen einladen, mit uns
zusammen in einen konstruktiven Dialog zu treten. Ziel
muss es sein, die Frage der Diätenhöhe in der öffentlichen
Diskussion zu versachlichen. Wir als Parlamentarier müs-
sen gemeinsam versuchen, die Meinungsführerschaft in
unserer ureigenen Frage zurückzuerlangen. Diese darf
nicht auf Dauer bei demokratisch nicht legitimierten und
aus eigensüchtigen Motiven auf Sensationshascherei aus-
gerichteten Verbänden liegen – und auch nicht bei einem
bestimmten Teil der Presse. Wir als Parlamentarier müs-
sen über uns selbst bestimmen. Wer soll es sonst? Wer
kann es sonst? Wer sonst hat das Recht hierzu?
Wir müssen gemeinsam zur einer angemessenen und
von der Öffentlichkeit weitestgehend akzeptierten Lö-
sung kommen. Dabei muss die Diätenhöhe in einem ver-
nünftigen gesamtgesellschaftlichen Verhältnis stehen.
Und mit der SPD wird es niemals zu überhöhten Fanta-
sieeinkommen kommen. Der Weg zu diesem Ziel muss
sachlich, rational und zukunftsorientiert sein.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12687
(C)
(D)
(A)
(B)
Wie könnte der Weg dorthin aussehen? Wie können wir
ein angemessenes Ergebnis erreichen? Wie können wir
das Vertrauen der Bürger in unser ernsthaftes und ehrli-
ches Bemühen, eine angemessene Lösung zu erzielen, ge-
winnen? Hierauf gibt es mehrere Antworten. Für manche,
die der Diskussion ferner stehen, ist der Diskussionsstand
unübersichtlich. Ich verstehe das. Daher nenne ich hier
einmal die zurzeit aus meiner Sicht in der Diskussion be-
findlichen Lösungsmodelle in meiner Diktion: Die sind
das Kopplungsmodell, das Kommissionsmodell und das
Indexierungsmodell. Ihnen allen ist gemeinsam, dass der
Gesetzgeber nur noch eine begrenzte Entscheidungsmög-
lichkeit hat. Dem Gesetzgeber sollen konkrete Vorgaben
für sein Handeln an die Hand gegeben werden.
Von der F.D.P. wird ein Kommissionsmodell vorge-
schlagen. Wir hatten hierüber erst in der letzten Sitzungs-
woche gesprochen, sodass ich mich kurz fassen kann. Sie
möchten eine Kommission einsetzen, die konkrete Vor-
schläge zur Diätenhöhe erarbeitet und festlegt. Der Bun-
despräsident soll diese unabhängige Kommission beru-
fen. Der Gesetzgeber selbst soll – wenn ich Sie richtig
verstanden habe – keinen Einfluss mehr auf die Diäten-
höhe haben.
Wir werden uns in den zuständigen Ausschüssen noch
intensiv mit diesen Vorschlägen auseinander setzen. Dem
will ich hier nicht vorgreifen. Nur so viel sei gesagt: Ich
halte es für nicht angemessen, wenn wir uns in einer An-
gelegenheit, die uns alle persönlich betrifft, als Gesetzge-
ber einer demokratisch nicht ausreichend legitimierten
Sachverständigenkommission ausliefern. Wir alle kennen
die Problematik aus den Anhörungen. Alle Sachverstän-
digen haben aus ihrer Sicht Recht. Aber für die praktische
politische Arbeit sind viele Ausführungen dennoch nicht
hilfreich. Auch die von Ihrer Fraktion, Herr Kollege van
Essen, vorgeschlagene Kommission wird nicht das leisten
können, was Sie sich davon versprechen. Die Politik muss
bei dieser Frage Einflussmöglichkeiten behalten. Ich bin
der festen Überzeugung, dass Sachverständige nicht dazu
berufen sind, Politik anstelle von Politikern zu gestalten.
Hier wären sie überfordert. Das können Sachverständige
nicht. Das müssen wir schon selber tun. Das ist unsere
Aufgabe.
Einen anderen Weg ist der Thüringer Landtag gegan-
gen. Dort wurde ein Grundbetrag festgelegt, dessen Stei-
gerung an einen Index gebunden ist. Dies hat zur Folge,
dass das Thüringer Parlament als einfacher Gesetzgeber
bei der Änderung der Diätenhöhe keine Kompetenz mehr
hat. Die Diäten werden in einem für die Öffentlichkeit
kaum wahrnehmbaren Verfahren angepasst. Wir hingegen
wollen die wichtige Frage der Diätenhöhe transparent hal-
ten.
Es bleibt als Essenz der Diskussion der letzten Jahre
aber noch eine andere, dritte Lösung. Das Kopplungsmo-
dell. Wir hatten zusammen mit der Fraktion der
CDU/CSU im Jahr 1995 vorgeschlagen – die meisten von
Ihnen werden sich sicher noch daran erinnern –, den Be-
griff der „Angemessenheit“ in Artikel 48 Abs. 3 Grund-
gesetz zu konkretisieren. Maßstab sollte das Gehalt eines
Richters an einem obersten Bundesgericht sein. Letztlich
ist diese Bezugsgröße in das geltende Recht durch die
Neufassung des § 11 Abs. 1 Abgeordnetengesetz aufge-
nommen worden. Eine Konkretisierung des Begriffes der
Angemessenheit scheiterte jedoch am Votum des Bundes-
rates. Trotzdem bin ich persönlich nach wie vor der Mei-
nung, dass wir damals einen richtigen Weg beschritten ha-
ben.
Der Bundesrat hatte sich damals einer auch von be-
stimmten Medien geschürten Hysterie gebeugt. Das mag
die Haltung des Bundesrates erklären. Vielleicht hatten
die politisch Handelnden keine andere Wahl, als sich die-
sem Druck zu beugen. Allerdings ist mir kein einziges Ar-
gument gegen diese Grundgesetzänderung, das mich da-
mals vielleicht überzeugt hätte, erinnerlich. Wir schaffen
in unserer täglichen Gesetzgebungsarbeit ständig neue
unbestimmte Rechtsbegriffe. Ebenso viele füllen wir
durch Gesetz oder auf dem Verordnungswege aus. Ich
kann nicht erkennen, dass das falsch sein sollte.
Aber, wie gesagt: Ich möchte heute keine alten Schlach-
ten nachzeichnen. Ich halte es allerdings für unverzicht-
bar, sich den historischen Kontext vor Augen zu halten.
Lassen Sie uns diesen früheren Vorschlag erneut beden-
ken.
Vieles wäre für die Zukunft denkbar. So könnte ich mir
vorstellen, dass wir noch in dieser Wahlperiode zu einem
fraktionsübergreifenden Lösungsansatz kommen. Auch
eine Kombination von Elementen der genannten Modelle
wäre denkbar. Ich selbst könnte mir einen „vierten Weg“
vorstellen. So könnte in Zukunft eine Kommission beim
Bundestagspräsidenten und nicht mehr der Bundestags-
präsident selbst die nötigen Anpassungsvorschläge ent-
wickeln. Auch könnte der Maßstab für die Diätenhöhe
– den ich, wie gesagt, bei dem Gehalt eines Richters an ei-
nem obersten Bundesgericht sehe – verbindlicher als bis-
her festgelegt werden. Letztlich sollte es möglich sein,
ohne ein aufwendiges formelles Verfahren auch innerhalb
der Wahlperiode wenigstens die Preissteigerungsrate auf-
zufangen. Denn nach meiner Überzeugung sollte das Ge-
setzgebungsverfahren mit all seinem Aufwand und mit
seiner besonderen Stellung nur dann angestrengt werden,
wenn dies sachlich geboten ist. Ich glaube nicht, dass es
ein rechtsstaatliches Gebot gibt, jede Kleinigkeit unbe-
dingt durch Gesetz regeln zu müssen. Hier müssen wir un-
sere Phantasie einsetzen.
Ich bitte Sie, die genannten drei Elemente einer Neu-
ordnung zu überdenken. In der anstehenden Diskussion
um den bereits angesprochenen Gesetzentwurf der F.D.P.
werden wir nochmals Überzeugungsarbeit leisten. Wir
werden versuchen, überfraktionell einen Modus vivendi
für die zukünftigen Diätenanpassungen zu finden. Viel-
leicht haben wir diesmal die Gelegenheit, aus den Fehlern
der Vergangenheit zu lernen. Ich würde mir einen Neuan-
fang wünschen.
Für die Zwischenzeit haben wir mit unserem Gesetz-
entwurf sichergestellt, dass die Preissteigerungen der
nächsten Jahre ausgeglichen werden. Das System der Ab-
geordnetenentschädigung wird hierdurch nicht verändert.
Dies gibt uns die Freiheit, langfristige Alternativen mit
der nötigen Gründlichkeit zu prüfen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch dies sagen: Unser
Entwurf ist ausgewogen. Er passt in die politisch-soziale
Landschaft. Die Erhöhung beweist Augenmaß. Wir zei-
gen damit soziale Sensibilität. Ich werbe daher um Ihre
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012688
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(A)
(B)
Zustimmung. Geben Sie uns die gleiche Zustimmung, wie
wir sie in der Öffentlichkeit erfahren. Und treten Sie mit
uns im neuen Jahr in einen konstruktiven Dialog über die
Abgeordnetenentschädigung. Lassen Sie uns die Chance
nutzen.
Eckart von Klaeden (CDU/CSU): In Art. 48 Abs. 3
des Grundgesetzes heißt es: „Die Abgeordneten haben
Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit si-
chernde Entschädigung.“ Was aber ist angemessen? Diese
Frage hat den Bundestag regelmäßig seit seinem Bestehen
beschäftigt, in besonderem Maße in der letzten Legisla-
turperiode, als die Parlamentsreform verabschiedet
wurde, die unter anderem die Verkleinerung des Parla-
ments, Reduzierungen bei der Altersversorgung und die
innere Reform unter anderem mit der Einführung der
Kernzeit, öffentlichen Ausschusssitzungen und erweiter-
ten Ausschusssitzungen vorsah.
In der Debatte vom 21. September 1995 führte der Kol-
lege Dieter Wiefelspütz, SPD, aus: „Die Mitglieder des
Deutschen Bundestages bekommen ein gehobenes Ge-
halt; das ist richtig. Wir haben uns bei dieser schwierigen
Gratwanderung gefragt: Was ist angemessen? – Das Jah-
resgehalt eines Bundesrichters sollte der Maßstab sein.
Wir können und wollen uns nicht an Spitzengehältern in
der Wirtschaft oder auch im Staat orientieren. Auch in
Zukunft werden wir nicht so bezahlt wie Vorstandsmit-
glieder in der Wirtschaft oder Staatssekretäre bzw. Bun-
desverfassungsrichter. Wir wollen einen vernünftigen,
vertretbaren Maßstab wählen.
Ich denke, wir können guten Gewissens sagen: Der
Maßstab Bundesrichtergehalt ... ist eine solide Grundlage
für die Zukunft; er wird uns allen viele unnötige und un-
gute Diskussionen ersparen. Wir werden auf diese Weise
auf Dauer den Vorwurf los, dass wir in eigener Sache ent-
scheiden, dass wir uns selbst bedienen.“
Vorher führte er zum Maßstab der Angemessenheit
weiter aus: „Im Jahre 1977, als das Abgeordnetengesetz
erstmals verabschiedet wurde, stellte sich die Frage: Was
ist bei der Entschädigung eines Abgeordneten angemes-
sen? Dann sind Vergleichsmaßstäbe gesucht und gewählt
worden. Es war die Rede von dem hauptamtlichen Land-
rat in Süddeutschland oder dem Bürgermeister. Es war die
Rede von dem Ministerialdirigenten, dem Unterabtei-
lungsleiter in einem Bonner Ministerium. Es war auch
vom Bundesrichter die Rede. Damals, im Jahre 1977, hat
man eine zu versteuernde Bruttoentschädigung für Abge-
ordnete von monatlich 7 500 DM gewählt. Das war in
etwa das damalige Gehalt von Bundesrichtern.
Dahin wollen wir zurück. Wir wollen wieder in die
Kategorie des Bundesrichtergehalts, wo wir früher schon
einmal waren ... Die Gehälter wurden in den letzten 17/18 Ja-
hren“ – und hier muss man sagen, dass sich diese Ent-
wicklung zulasten der Abgeordneten-Diäten in den letz-
ten fünf Jahren weiter fortgesetzt hat – „natürlich
angehoben, bei den Abgeordneten, aber auch bei den Bun-
desrichtern – bei den Bundesrichtern prozentual in dop-
pelter Höhe gegenüber den Abgeordneten des Deutschen
Bundestages. Bei allen anderen Beamten war es ebenso.“
In derselben Debatte sagte der heutige Erste Parlamen-
tarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion,
Wilhelm Schmidt:
„Um kurz noch auf die Diäten einzugehen: Die Punkte,
die ich eben genannt habe, werden von der sehr vorder-
gründigen Diätendebatte einer ganzen Reihe von Medien
und auch Vertretern in diesem Hause unzulässig über-
deckt. Ich kann es nicht ertragen, wenn wir dann so tun,
als wenn wir hier alle in Sack und Asche gehen müssten,
und dennoch unsere Arbeit in diesem Maße verrichten,
wie das die Öffentlichkeit allerdings mit Recht von uns
verlangt ... Über die Hälfte des Jahres sind wir hier im Par-
lament ... durch Sitzungswochen festgenagelt. Wir haben
darüber hinaus viele andere Aufgaben auch in den Nicht-
sitzungswochen. Wenn wir dann am Freitagabend in un-
sere Wahlkreise – man muss ab und zu fast sagen: gegen
jede ökologische Vernunft – zurückrasen, dann ist es doch
so, dass wir dort gleich das gesamte Wochenende mit
Wahlkreisarbeit beschäftigt sind, und dies, wie ich finde,
mit Recht. Dies kann der Bürger, dies kann der Wähler
von uns verlangen.
Dieses Pensum an Arbeit, das – wie ich finde, viel zu
gering – auf 80 Stunden wöchentlich – im Jahresdurch-
schnitt, wohlgemerkt – berechnet wurde, muss angemes-
sen honoriert werden. Hierzu gehört – auch das haben wir
betont –, dass wir den Vergleich mit hoch stehenden Be-
amten, mit Richtern und auch mit Vertretern der Wirt-
schaft und des öffentlichen Lebens durchaus aushalten
können und ihnen sogar unter Hinweis darauf ganz deut-
lich machen wollen, was wir 1975/1977 in diesem Hause
schon einmal für richtig gehalten haben und wobei wir an
manchen Stellen in den vergangenen Jahren immer wie-
der vor der öffentlichen Reaktion eingeknickt sind.“
Auf der Grundlage dieser Debatte und den entspre-
chenden Beschlüssen hat der Präsident des Deutschen
Bundestages, der Kollege Wolfgang Thierse, unter dem
21. April 1999 an unseren damaligen Fraktionsvorsitzen-
den geschrieben:
„Ich halte es für angemessen, die Abgeordnetenentschä-
digung in den nächsten Jahren in maßvollen Schritten stu-
fenweise zu erhöhen. Wie Sie wissen, bestimmt § 11Abs. 1
des Abgeordnetengesetzes, dass sich die Abgeordneten-
entschädigung an den Bezügen in den Besoldungsgrup-
pen R6/B6 zu orientieren hat. Deren Entwicklung gibt
also die Richtung an. Zwischen der aktuellen Abgeordne-
tenentschädigung und der vom Abgeordnetengesetz
vorgegebenen Orientierungsgröße besteht ungeachtet der
letzten Steigerung immer noch ein Abstand von mehr als
1 600 DM. Besoldungserhöhungen, wie sie für dieses Jahr
schon anstehen, werden den Abstand zunächst weiter ver-
größern. Eine maßvolle Anpassung der Abgeordnetenent-
schädigung trägt dem Gesetzesauftrag einer Orientierung
der Abgeordnetenentschädigung an den Einkünften in den
genannten Besoldungsgruppen Rechnung.
Ich empfehle dazu, die Abgeordnetenentschädigung
nach § 11 Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes beginnend
mit dem 1. Januar 2000 in vier Jahresschritten bis zum
2. Januar 2003 um jeweils 350 DM von 12 875 DM auf
dann 14 275 DM zu erhöhen. Dies entspricht im ersten
Schritt einer Erhöhung um 2,7 Prozent, im letzten um
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12689
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2,5 Prozent. Der erste Schritt liegt damit noch unterhalb
des Betrages, der in der Besoldungsrunde für das Jahr
1999 im öffentlichen Dienst vereinbart wurde, wird uns
also zunächst noch ein Stück von dem im Gesetz vorge-
sehenen Ziel wegführen. Die vorgesehene Annäherung
wird aber mit den Folgeschritten eingeleitet und später er-
reicht werden können.“
Diese Ausführungen des Herrn Bundestagspräsiden-
ten, der nun wirklich nicht für Verschwendungssucht oder
Großspurigkeit bekannt ist, haben die Vorbildfunktion der
Abgeordneten und die allgemeine Sparnotwendigkeit
schon einbezogen. Selbst sie sahen schon ein Zurückblei-
ben hinter dem selbstgesetzten Maßstab vor.
Ihre Vorschläge bleiben selbst hinter den Vorschlägen
des Bundestagspräsidenten vom Anfang dieser Legisla-
turperiode zurück. Dahinter steckt mehr als die allge-
meine Erkenntnis, dass Diätenerhöhungen immer unpo-
pulär sind und niemals mit einhelliger Zustimmung zu
rechnen ist. In der bereits erwähnten Debatte sagte dazu
schon der Kollege Wiefelspütz: „Wann ist denn der rich-
tige Zeitpunkt für solche Regelungen? Gibt es ihn über-
haupt?“
Ihr Verhalten hat noch einen weiteren Grund, nämlich
Ihr schlechtes Gewissen: Sie sind willkürlich von der Net-
tolohnanpassung bei der Rente für zwei Jahre kurz nach
dem Regierungswechsel abgegangen und haben stattdes-
sen einen so genannten Inflationsausgleich eingeführt.
Vor der Wahl haben Sie über diesen einschneidenden
Schnitt kein Wort verloren, sondern unsere Rentenreform
als „sozialen Kahlschlag“ und „Weg in die Altersarmut“
bezeichnet, die zu einer geringeren Belastung der Rent-
nerinnen und Rentner geführt hätte. Ihre Willkür ist kein
Maßstab, sie taugt nicht, noch nicht einmal als vermeint-
liches Vorbild für die Beurteilung der Angemessenheit der
Abgeordnetenentschädigung.
In Wirklichkeit kann auch nicht von einem Inflations-
ausgleich gesprochen werden, denn die Erhöhung der Ener-
giepreise, die Ihre so genannte Ökosteuer mitverursacht
hat, hat bereits in den letzten Monaten zu einem Über-
schreiten der 2-Prozent-Marke der Inflationsrate geführt.
Wir wissen, dass viele Kolleginnen und Kollegen mit
geballter Faust in der Tasche Ihrem Vorschlag zustimmen
werden. Das von uns zu erwarten, ist aber wirklich zu viel
verlangt.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die in
der Beschlussempfehlung des Geschäftsordnungsaus-
schusses vorgeschlagene Erhöhung unserer Einkommen
fällt wahrlich nicht üppig aus. Mit 1,9 Prozent liegen wir
in den kommenden Jahren auf dem zu erwartenden Ni-
veau der Preissteigerungen. Trotz dieser Zurückhaltung
werden wir auch diesmal mit Kritik zu rechnen haben.
Diese schon zum Ritual geronnenen Anwürfe zielen letzt-
lich auf unsere Arbeit. Sie machen sich auch das Erschei-
nungsbild der Politik und unser unbefriedigendes Image
insgesamt zunutze. Die Diätendebatte ist insoweit eine
Ersatzdiskussion. Wir würden zu kurz greifen, wollten
wir uns erneut durch demütige Null-Runden kasteien oder
uns auf irgendwelche Kommissionsvorschläge verlassen.
Wir haben seit 1977 bereits zehnmal auf eine Erhöhung
der Diäten verzichtet. Vergleichbare Einkommensbezie-
her sind den Abgeordneten längst davongezogen. Auch
Kommissionen werden uns nicht wirklich helfen. Ob sie
nun unmittelbar entscheiden oder nur Vorschläge unter-
breiten: Unsere Dauerkritiker auf gut dotierten Lehr- und
anderen Stühlen werden jede Veränderung unserer Be-
züge als Selbstbedienung brandmarken. Man würde auch
dann den Finger der Öffentlichkeit auf diese „habgieri-
gen“ Abgeordneten richten.
Wir müssen in zwei Richtungen mit der Schwierigkeit
unserer Selbstrechtfertigung umgehen. Zuallererst gilt:
Wir müssen Maß halten. Ich verwende diesen Begriff von
Ludwig Erhard an dieser Stelle ganz bewusst an die
Adresse der Union. Sie wollen eine deutlich stärkere An-
hebung der Diäten. Wir sind hier für mehr Bescheiden-
heit. Das ist der Unterschied. Die Öffentlichkeit hat mit
vollem Recht ein sehr empfindliches Gespür dafür, ob wir
hier Wasser predigen und Wein trinken.
Rot-Grün hat hier durch die drastischen Einschnitte bei
den Mehrfacheinkommen aus früherer und aktiver Tätig-
keit einen wichtigen Schritt zum Abbau finanzieller Pri-
vilegien von Politikern gemacht. Wenn uns in den Medien
immer die Wirtschaft als Vorbild für Effektivität vorge-
macht wird, dann wird wohlweislich verschwiegen, dass
dort wirklich mit Millionen gehandelt wird. Im Gehalts-
vergleich sind wir da Laufburschen. Die Wirtschaft kann
und darf für uns kein Vorbild sein, im Gegenteil. Ich stehe
dazu, dass wir uns hier für diese Legislaturperiode sehr
zurückgehalten haben. Niemand kann uns ohne Böswil-
ligkeit oder Unkenntnis Bereicherungsabsichten unter-
stellen. Ich fordere unsere Kritiker aber auch ausdrücklich
auf, dies öffentlich kund zu tun! Auch das gehört zu einer
fairen Diskussion.
Was uns Abgeordnete angeht, so ist auch unser Selbst-
bewusstsein gefordert. Wir müssen viel deutlicher, als das
bisher oft der Fall war, unsere Arbeit für die Demokratie
deutlich machen. Das gilt für Regierung und Opposition
gleichermaßen. Auch wir haben dafür das legitime Bedürf-
nis nach einem angemessenen Einkommen. Wie jeder an-
dere essen wir unser Frühstücksbrötchen auch nur einmal.
Das alles ist übrigens nicht meine Privatmeinung. Das
Grundgesetz bestimmt in Art. 48 Abs. 3, dass Abgeord-
nete einen Anspruch auf angemessene Entschädigung ha-
ben, die unsere persönliche Unabhängigkeit sichert.
Man mag vieles an der Finanzierung unseres Poli-
tikbetriebs kritisieren. Werfen wir hier nur einen Blick auf
die Wahlen in den USA. Mit astronomischen Summen
wird dort nicht allein um das Weiße Haus, sondern auch
um jeden Sitz in Senat und Repräsentantenhaus gekämpft.
Wenn ich mir diese Interessenkonflikte vor Augen halte,
ist die Unabhängigkeit ein hoher Wert. Es lohnt sich, dafür
auch öffentlich zu streiten. Ich bin davon überzeugt, dass
wir hier die Menschen überzeugen können.
Zur Überzeugungsarbeit gehört aber auch das Einge-
ständnis von Defiziten. Wir haben zwar hier in diesem Ge-
setz den Bemessungsbetrag angepasst. Es wurden zwar
– auch hier öffentlich kaum zur Kenntnis genommen – in
der 13. Wahlperiode erhebliche Einschnitte beschlossen.
Das Missverhältnis von Diäten und Versorgungsbezügen
ist aber nicht behoben. Wir müssen hier Abstriche vor-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012690
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nehmen – möglicherweise sogar durch mehr private Vor-
sorge. Was wir den Rentnerinnen und Rentnern und
– wenngleich erst in Ansätzen – dem öffentlichen Dienst
abverlangen, muss auch für uns gelten.
Jörg van Essen (F.D.P.): Der Deutsche Bundestag
hat sich schon oft mit Fragen der Abgeordnetenent-
schädigung befasst. Wir haben immer wieder über unsere
eigenen Diäten debattiert und sind dafür immer wieder
von den Bürgerinnen und Bürgern kritisiert und missver-
standen worden. Es ist daher längst überfällig, über Alter-
nativen der bestehenden Form der Abgeordnetenentschä-
digung nachzudenken. Wir müssen wegkommen von dem
Bild der Selbstbedienung durch die Abgeordneten. Dies
gelingt uns aber nur dann, wenn wir nicht selber über die
Diäten entscheiden, sondern dies einem unabhängigen
Gremium überlassen. Auch die PDS hat diesen Weg be-
fürwortet und ich weiß, dass auch in den anderen Fraktio-
nen des Hauses die Sympathien für diesen Vorschlag
wachsen.
Wir stimmen heute über den Gesetzentwurf der Koali-
tion ab, der an dem alten Modell festhält und sicher nicht
geeignet ist, den Stimmungen der Bevölkerung entgegen-
zukommen. Der rot-grüne Entwurf orientiert sich an der
im Abgeordnetengesetz festgeschriebenen Höhe der Be-
züge für Richter an einem obersten Bundesgericht. Die
F.D.P. hat dies immer für falsch gehalten. Abgeordnete
sind weder Beamte noch sind sie im öffentlichen Dienst
tätig. Sie sind eher zu behandeln wie Selbstständige.
Die F.D.P. hat in ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen,
dass eine unabhängige Kommission, die vom Bundesprä-
sidenten eingesetzt wird, über die Höhe der Abgeordneten-
entschädigung entscheidet. Darüber hinaus soll die Kom-
mission auch Vorschläge für die Altersversorgung von
Abgeordneten vorlegen. Ein Gutachten des Wissenschaft-
lichen Dienstes hat unsere Auffassung bestätigt, dass eine
Verfassungsänderung zulässig wäre, wenn die Entschei-
dung über die Anpassung der Höhe der Diäten auf der Ba-
sis gesetzlich vorgegebener Kriterien einer unabhängigen
Kommission übertragen würde.
Der Gesetzentwurf der F.D.P. wird zurzeit noch in den
Gremien des Bundestages beraten. Ich lade Sie ein, sich
an den Beratungen intensiv zu beteiligen und sich mit den
Ideen der F.D.P. auseinander zu setzen. Wir haben jetzt die
Chance, einen ganz neuen Weg zu gehen, für den wir in
der Bevölkerung Akzeptanz und Verständnis erwarten
werden. Nutzen wir gemeinsam diese Chance!
Dr. Heidi Knake-Werner (PDS): Unabhängig davon,
in welcher Höhe oder wie bescheiden auch immer die
Diätenerhöhung ausfällt – dieses befreit uns nicht aus der
peinlichen Lage, dass wir in der Öffentlichkeit als Selbst-
bedienungsladen wahrgenommen werden. Wir gehören
zu den wenigen privilegierten Berufsgruppen, die selber
darüber entscheiden, was sie verdienen wollen. Gerade
für uns Abgeordnete, die wir zu Recht unter großer öf-
fentlicher Beobachtung stehen, ist genau dies ein unmög-
licher Vorgang und gehört dringend geändert.
Nun wird hier immer argumentiert, auch Abgeordnete
müssten angesichts der Verantwortung und der Arbeitsbe-
lastung angemessen bezahlt werden, wir müssten dazu
selbstbewusst stehen und ein Gefühl zur eigenen Leistung
entwickeln. Das mag ja alles stimmen. Aber, liebe Kolle-
gen, man hört ja so manches, wie wir unsere jeweiligen
Leistungen schon untereinander würdigen; so ist es doch
erst recht außerhalb dieses Hauses. Unsere Stellung in der
beruflichen Werteskala ist ja leider mehr als schlecht. Da-
rüber müssen wir uns Gedanken machen und es ändern.
Dazu gehört vor allem, dass das Verfahren um Diätener-
höhungen verantwortungsvoll und transparent geregelt
wird. Das heißt zuallererst: Dieser Vorgang muss unserer
eigenen Entscheidung entzogen werden. Es müssen für
alle transparente Kriterien für die Angemessenheit unse-
rer Vergütung gefunden werden. Kriterien, die die Men-
schen außerhalb des Parlaments nachvollziehen können
und für die wir gesellschaftliche Akzeptanz bekommen.
Im Moment ist die gesellschaftliche Akzeptanz nicht
vorhanden und das kann man nicht damit abtun, dass die
Zeiten für Diätenerhöhungen immer schlecht seien.
Nein, sie sind besonders schlecht, wenn Ihnen der Ge-
ruch der Selbstbedienung anhaftet. Deshalb vor allem
stimmen wir heute gegen das Gesetz zur Diätenerhöhung.
Wir unterscheiden uns damit von CDU/CSU, die ja mit
der heute zu entscheidenden Diätenerhöhung ihre Leis-
tungen nicht angemessen bedacht sieht – und ich unter-
streiche, dass wir für die Zukunft Modelle unterstützen,
die weniger Willkür und Zufall zulassen, sondern für die
Besoldung von uns Abgeordneten nachvollziehbare
Grundlagen schaffen.
Anlage 23
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Zweiten Geset-
zes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung
und anderer Gesetze (2. FGOÄndG) (Tagungs-
ordnungspunkt 25)
Alfred Hartenbach (SPD): Mit diesem Gesetz been-
den wir ein 25 Jahre dauerndes Provisorium.
Für die Zulassung der Revision zum Bundesfinanzhof
galt bis 1975 ein Streitwert von 1 000 DM. Durch das
Erste Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofes
wurde dieser Streitwert auf 10 000 DM angehoben, im
Jahr 1985 wurde die Streitwertrevision gänzlich suspen-
diert und – damals als Übergangslösung angesehen – eine
Zulassungsrevision eingeführt, nach der die Revision nur
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache, wegen Ab-
weichung eines Urteils eines Finanzgerichts von einer
Entscheidung des Bundesfinanzhofes oder bei Vorliegen
eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels zu-
lässig war.
Dieses Entlastungsgesetz wurde mehrfach verlängert,
die alte Regierung unter ihren verschiedenen Justizminis-
terinnen und Justizministern fand nie die Kraft, sich für
eine vernünftige Lösung zu entscheiden.
Wir haben diese Erblast übernommen und deshalb vor
einem Jahr noch einmal eine Verlängerung des Entlas-
tungsgesetzes bis längstens 31. Dezember 2000 beschlos-
sen. Würden wir nun dieses Gesetz auslaufen lassen, ohne
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uns für eine Neuregelung zu entscheiden, würden wir auf
den Zustand von 1975 zurückfallen, das heißt, jede Revi-
sion ab 1 000 DM Streitwert wäre zulässig. Das Ende ei-
ner geordneten Rechtsprechung bei dem Bundesfinanzhof
wäre abzusehen.
Die rot-grüne Bundesregierung und die sie tragenden
Koalitionsparteien haben daher nach umfassenden Vorar-
beiten eine sehr klare Linie beschlossen:
Künftig sollen Revisionen – gleichgültig, in welcher
Verfahrensart sie eingelegt werden – nicht mehr von
einem Streitwert abhängig sein. Maßgebliche Richt-
schnur wird für uns sein, die Zulassung einer Revision da-
ran zu messen, ob das Verfahren von besonderer Bedeu-
tung ist und der Fortbildung des Rechts dient, zur
Wahrung der Rechtseinheit und zur Überprüfung von Ver-
fahrensmängeln. In der Verwaltungsgerichtsordnung ist
dieser Schritt bereits vollzogen worden, bei der Reform
des Zivilprozesses haben wir diesen Schritt vor und bei
der Reform der Finanzgerichtsordnung werden wir diesen
Schritt nunmehr am heutigen Tage vollziehen.
Dabei bleibt keineswegs die Einzelfallgerechtigkeit
auf der Strecke, wie dies von einigen Kritikern behauptet
wird. Nach wie vor wird das Gericht unter dem Gesichts-
punkt der Wahrung der Einheit der Rechtsprechung, aber
auch unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache
überprüfen können, ob ein Urteil falsch oder richtig ist,
und entscheiden, ob es dieses Urteil einer erneuten Über-
prüfung unterzieht. Damit haben wir eine – wenn auch
vorsichtige, so doch klar erkennbare – Öffnung der Revi-
sionsmöglichkeiten geschaffen, unabhängig von der
Höhe des Streitwertes und damit einen mutigen Reform-
schritt getan.
Wir haben aber auch einen weiteren Reformschritt ge-
tan: Wir werden nämlich zulassen, dass unter Beachtung
datenschutzrechtlicher Bestimmungen und der Persön-
lichkeitsrechte der Betroffenen Ton- und Bildaufzeich-
nungen von den Vernehmungen von Zeugen und Sach-
verständigen gefertigt und verwertet werden dürfen.
Wir haben die Besonderheiten des finanzgerichtlichen
Verfahrens beachtet, als wir den Wunsch des Bundesrates,
Erklärungen und Beweismittel, die in der Abgabenordnung
im Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt wurden, auch
im finanzgerichtlichen Verfahren auszuschließen, nicht
entsprochen haben. Wir sind der Meinung, dass bei einer
einzigen Tatsacheninstanz vor Gericht dem Grundgedan-
ken des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz Rechnung getragen
werden muss und eine volle Überprüfung vorgebrachter
Tatsachen und Behauptungen möglich sein muss.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass wir nun heute ein Ge-
setz verabschieden, das von Fachleuten, nämlich einem
ehemaligen Präsidenten des Bundesfinanzhofes, und
noch aktiven Richterinnen und Richtern sowie den Be-
rufsverbänden begleitet wurde. Es ist damit ein Gesetz aus
der Praxis für die Praxis.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei dem Bundesminis-
terium der Justiz, dass dieses Gesetz trotz des erheblichen
Zeitdrucks noch rechtzeitig in die Beratungen gegeben
werden konnte, sodass alle, die guten Willens waren, ein-
gehend das Gesetz beraten durften.
Dr. Susanne Tiemann (CDU/CSU):Am 31. Dezem-
ber diesen Jahres, also in ein paar Wochen, läuft das Ge-
setz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs aus. Diese Tat-
sache wurde nicht erst im Herbst dieses Jahres bekannt.
Dennoch legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf
erst jetzt vor. Die Folge ist wieder einmal höchste Eile, mit
der das Gesetzgebungsverfahren durchgezogen werden
muss, und wenig Gelegenheit zu sorgfältiger Prüfung und
Beratung, geschweige denn zu eingehender Beratung mit
den Betroffenen bzw. Beteiligten. Das ist höchst unbe-
friedigend, und wir müssen froh sein, dass bei diesem Eil-
verfahren zumindest einige unserer kleineren Verbesse-
rungsvorschläge übernommen worden sind.
Leider muss aber festgestellt werden, dass gerade in
dem besonders sensiblen Bereich der Zulassungsgründe
im Hinblick auf die Revision beim Bundesfinanzhof die
von uns eingebrachten Verbesserungsvorschläge nicht be-
achtet wurden, sodass ein derartiges Gesetz weiterhin eine
Einschränkung des Individualrechtsschutzes der Bürger
unseres Landes bewirken wird.
Seit nunmehr 15 Jahren, also seit dem Jahr 1985, gibt
es das Bundesfinanzhofentlastungsgesetz, das die so ge-
nannte Streitwertrevision einstweilen suspendiert hat. Die
dadurch bewirkte eingeschränkte Kontrolle der Recht-
mäßigkeit von Entscheidungen der Finanzgerichte und
die damit verbundene erhebliche Einschränkung des Indi-
vidualrechtsschutzes konnten nur schweren Herzens hin-
genommen werden. Damals türmten sich aber die Akten-
berge beim Bundesfinanzhof, sodass die Gefahr bestand,
dass ein Rechtsschutz in einigermaßen angemessener Zeit
gar nicht mehr gewährt werden konnte. Dem Bundesfi-
nanzhof musste deshalb unbedingt die Möglichkeit gege-
ben werden, seine Rückstände abzubauen. Es bestand
deshalb damals keine andere Möglichkeit, sollte nicht der
in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte effektive Rechtsschutz,
wozu – so das Bundesverfassungsgericht – auch der
Rechtsschutz in angemessener Zeit zählt, gefährdet wer-
den. Dieser Abbau von Rückständen ist nach Auskunft des
Bundesjustizministeriums, aber auch nach eigenen Aus-
sagen des Bundesfinanzhofs, nun erfreulich weit voran-
geschritten.
Im Gegensatz zu anderen Gerichtszweigen ist die Fi-
nanzgerichtsbarkeit nur zweistufig aufgebaut. Es gibt hier
also im Einzelfall keine Revision; über dem Finanzgericht
wölbt sich gewissermaßen nur noch der blaue Himmel.
Und so gehört zu den primären Aufgaben des Bundesfi-
nanzhofes als Revisionsgerichts zwar die Rechtsfortbil-
dung und die Wahrung der Rechtseinheit. Es darf aber
nicht vergessen werden, dass der Bundesfinanzhof eben
wegen dieser Zweistufigkeit des Instanzenweges nicht
aus der Aufgabe entlassen ist, Individualrechtsschutz zu
gewähren und finanzgerichtliche Entscheidungen zu
überprüfen.
Der vorliegende Gesetzesentwurf erfüllte diese Auf-
gabe jedoch nicht. Aufgrund der in § 115 Abs. 2 FGO ab-
schließend und erschöpfend aufgezählten Zulassungs-
gründe wird nur die Grundsatzrevision, also bei
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, die Diver-
genzrevision, also bei Abweichung der Entscheidung von
der bisherigen Rechtsprechung, und die Verfahrensrevi-
sion, also bei Verstößen des Gerichts gegen Verfahrens-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012692
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grundsätze, möglich sein. Während die Grundsatzrevision
in besonderem Maße der Rechtsfortbildung dient, geht es
bei der Divergenzrevision um die Wahrung der Rechts-
einheit. Damit werden die für eine Revisionsinstanz typi-
schen Aufgaben erfüllt. Es fehlt demgegenüber aber an ei-
ner effizienten Zugangsmöglichkeit mit dem Ziel, dem
Individualrechtsschutz zu entsprechen und eine weiter ge-
hende Rechtmäßigkeitskontrolle von Finanzgerichtsent-
scheidungen herbeizuführen.
Dieser Frage haben sich die Bundesregierung wie auch
die Regierungsfraktionen nicht wirklich gestellt. Die
CDU/CSU-Fraktion ist der Ansicht, dass eine Wiederein-
führung der Streitwertrevision ein weniger geeignetes
Auswahlkriterium für die Revision ist. Der Streitwert ist
unabhängig davon, ob dem Revisionsverfahren eine oder
zwei Tatsacheninstanzen vorausgegangen sind, kein
Gradmesser für die Bedeutung der Sache. Ein Rechtsstreit
mit einem geringen Streitwert kann erhebliche Bedeutung
haben, gerade wenn man an die Streitverfahren aus dem
Bereich der Lohnsteuer oder an die Streitfragen, die im
Zusammenhang mit der Einkommensteuer, zum Beispiel
bei der jährlichen Veranlagung, regelmäßig wiederkehren
und somit eine Vielzahl von Steuerpflichtigen betreffen,
denkt. Hingegen kann einem Rechtsstreit mit hohem
Streitwert durchaus jede über den Einzelfall hinausge-
hende Bedeutung fehlen.
Der Individualrechtsschutz wäre hingegen besser ge-
währleistet, wenn man als vierten Revisionsgrund einge-
fügt hätte: „wenn überwiegende Zweifel an der Richtig-
keit der Entscheidung bestehen“. Das war von uns
vorgeschlagen worden und wurde von dem Vorsitzenden
Richter am Bundesfinanzhof in einem Expertengespräch
sehr intensiv unterstützt. Durch diesen weiteren Revisi-
onszulassungsgrund hätte man nach unserer Ansicht zu-
mindest einen gewissen Ausgleich zwischen der Wahrung
des Individualrechtsschutzes einerseits und der Entlas-
tung des Gerichts andererseits geschaffen. Zum einen
würde hierdurch dem Bedürfnis des Bürgers nach Einzel-
fallgerechtigkeit und weitgehender Kontrolle der Recht-
mäßigkeit von Finanzgerichtsentscheidungen entspro-
chen. Durch die Formulierung „überwiegende Zweifel an
der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung“ wäre
zum anderen aber auch sichergestellt worden, dass die ge-
gen die Richtigkeit der Entscheidung sprechenden
Gründe im Einzelfall tatsächlich überwiegen müssten.
Es handelt sich somit um ein materiell-rechtliches Ab-
wägungskriterium, welches bei der Frage, ob eine Revi-
sion zugelassen wird, von den Finanzgerichten stets an-
zustellen ist.
Dieser weitere Revisionszulassungsgrund hätte
hauptsächlich die „Ausreißer“ unter den finanzgerichtli-
chen Entscheidungen betroffen, denen die Unrichtigkeit
gewissermaßen auf der Stirn geschrieben steht, und auch
solche Entscheidungen, bei denen bei summarischer Prü-
fung angenommen werden kann, dass sie einer revisions-
rechtlichen Überprüfung nicht standhalten werden. Es ist
daher nicht anzunehmen, dass dieser weitere Revisions-
grund zu einer Überlastung des Bundesfinanzhofes ge-
führt hätte.
Die Bundesregierung zeigt aber durch den von ihr vor-
gelegten Gesetzesentwurf, dass sie offensichtlich nicht
gewillt ist, den Bürgern unseres Landes auch im Bereich
der Finanzgerichtsbarkeit den ihnen zustehenden Indivi-
dualrechtsschutz zuzubilligen. Angesichts dieser Tatsache
erscheint allerdings die im Gesetzesentwurf aufschei-
nende Begründung, durch dieses Gesetz solle eine Ver-
besserung des Rechtsschutzes erreicht werden, als Farce.
Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man sieht, dass wei-
tere von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte Verbesse-
rungsvorschläge, die zu einer Verbesserung des Rechts-
schutzes führen würden, von der Regierungskoalition
nicht beachtet wurden.
Als Beispiel sei hier nur der § 90 a Abs. 2 FGO ge-
nannt. Wir wollten zur Verbesserung der Rechtssicherheit,
dass die mündlichen Verhandlungen stets nur vor dem
Vollsenat des Finanzgerichts vorgesehen sind, oder, wie
jetzt in § 128 Abs. 2 FGO vorgesehen ist, dass Beschlüsse
im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht mit der Be-
schwerde angefochten werden können. Wir sind weiterhin
der Ansicht, dass diese Vorschriften einschließlich der Be-
schwerde zum BFH eine Ausprägung der verfassungs-
rechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes
darstellen.Dieser Rechtsschutz ist schon von Verfassungs
wegen auch Unbemittelten zu gewähren. Wir waren daher
der Auffassung, dass die Möglichkeit der Beschwerde
zum BFH keinerlei Einschränkung erfahren sollte. Aber
wie man sieht, ist die Regierung auch hier der Auffassung,
dass der Rechtsschutz der Bürger einzuschränken sei.
Auch die Bemühungen der Regierungsparteien, die
Ablehnung des weiteren Revisionszulassungsgrundes da-
mit zu begründen, dass ja bereits die Finanzbehörden im
Vorverfahren ihre eigene Entscheidung überprüfen, über-
zeugen hier wenig. Auch wenn bereits bei den Finanz-
behörden durch das Widerspruchsverfahren eine Über-
prüfung stattfindet, so kann dies nicht den fehlenden
Individualrechtsschutz im Revisionsrecht der Finanzge-
richtsbarkeit ersetzen. Auch in Bezug auf die Verwal-
tungs- oder Sozialgerichtsbarkeit gibt es verwaltungs-
mäßige Vorverfahren und dennoch wird hier umfassender
Rechtsschutz durch die Gerichte gewährt. Bürger, die sich
gerade gegen einen Steuerbescheid des Finanzamts zur
Wehr setzen wollen, darauf zu verweisen, dass ja die Fi-
nanzverwaltung auf einen Einspruch hin das Ganze schon
gründlich geprüft hätte, hieße im Rechtsstaat, ihnen
Steine statt Brot zu geben. Ein Grundprinzip in unserem
Staat ist noch immer die Gewaltenteilung, und die daraus
resultierende Unabhängigkeit der Gerichte. Eine inner-
behördliche Überprüfung durch ein Widerspruchsverfah-
ren, so gut sie auch sei, kann somit niemals eine Ent-
scheidung eines unabhängigen Gerichtes ersetzen. Wir
können ja froh sein, dass die Bundesregierung nicht noch
den Vorschlag des Bundesrates übernommen hat, wonach
Präklusion eintreten sollte, der Bürger also im gerichtli-
chen Verfahren nicht mehr Einwände vorbringen könnte,
die er im Verwaltungsverfahren versäumt hat – vollends
ein Schlag gegen die Gewaltenteilung!
Dabei wäre gerade in der Finanzgerichtsbarkeit ein ef-
fektiver Individualrechtsschutz von ganz besonderer Be-
deutung. Denn insbesondere das Steuerrecht belastet die
Bürger. Und gerade diese Bundesregierung und diese Re-
gierungskoalition belasten mit immer neuen Steuererhö-
hungen. Ich denke hier nur an die so genannte Ökosteuer.
Gerade diese Bundesregierung will mit Steuern steuern
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– siehe wiederum Ökosteuern –, und gerade diese Bun-
desregierung verkompliziert das ohnehin beispiellos kom-
plizierte und intransparente Steuerrecht auch noch immer
weiter. Ich nenne hier nicht nur wieder die Ökosteuer, son-
dern die gesamte Steuergesetzgebung dieser Legislaturpe-
riode. Und jetzt soll den wirklich geplagten Steuerbürgern
auch noch der Rechtsschutz im Hinblick auf den Bundes-
finanzhof beschnitten werden! Das machen wir nicht mit.
Das gegenwärtige Steuerrecht mit seinem offenbar un-
stillbaren Drang, mit Mitteln der Besteuerung angeblich
zugleich steuerliche und soziale Gerechtigkeit im Einzel-
fall zu schaffen, führt unweigerlich zu einem ,,Arbeitsbe-
schaffungsprogramm“ für die Finanzgerichte. Nur eine
umfassende Vereinfachung des Steuerrechts würde zu-
gleich die Prozessflut bei den Finanzgerichten dämmen
können. Eine solche Vereinfachung vermissen wir bisher
aber auch in Ansätzen schmerzlich. So wird die Flut der
Verfahren bei der Finanzgerichtsbarkeit nicht abnehmen,
solange nicht die Flut der steuerrechtlichen Normen ver-
ringert und ihre Qualität verbessert wird. Der nun einge-
schlagene Weg, einfach die Rechtsschutzmöglichkeiten
des Bürgers zu beschneiden, damit die Finanzgerichte in
der Lage bleiben, den Verfassungsauftrag des Art. 19
Abs. 4 GG einigermaßen zu erfüllen, ist sicher nicht hin-
nehmbar.
Die CDU/CSU-Fraktion hält weiterhin das Anliegen
einer umfassenden Novellierung des Revisionsrechts und
damit verbunden einer Verbesserung des Rechtsschutzes
für grundsätzlich erstrebenswert. Es muss aber bei einer
solchen Novellierung zu einem gerechten Ausgleich zwi-
schen der Entlastung der Gerichte und dem Individual-
rechtsschutz kommen. Dass ein solcher Ausgleich sehr
viel besser angegangen werden könnte, wurde von uns
deutlich aufgezeigt.
Der vorliegende Gesetzesentwurf möchte für eine Ent-
lastung der Gerichte auf Kosten des Individualrechts-
schutzes sorgen. Dies ist nicht hinnehmbar. Aus den ge-
nannten Gründen können wir nicht für diesen
Gesetzesentwurf stimmen.
Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Bekanntlich läuft das Gesetz zur Entlastung des
Bundesfinanzhofes aus. Die Neuregelung übernimmt be-
währte Regelungen dieses Gesetzes in die Finanzgerichts-
ordnung und so in das Dauerrecht, fügt Neuregelungen zur
Vereinheitlichung der einzelnen gerichtlichen Verfahrens-
ordnungen ein und regelt insbesondere das Revisionsver-
fahren völlig neu. Das ist allemal besser als eine bloße Ver-
längerung des Entlastungsgesetzes. Ein ersatzloser
Wegfall des Entlastungsgesetzes kam nicht in Betracht,
weil dann beim Bundesfinanzhof Revisionen schon ab ei-
nem Streitwert von 1 000 DM zulässig geworden wären,
was dieses Gericht binnen kürzester Zeit lahmgelegt hätte.
Ich begrüße an dieser Stelle nochmals ausdrücklich,
dass die Neuregelung sich nicht in einer reinen Erhöhung
des Revisionsstreitwerts erschöpft. Gerechtigkeit sollte
nicht vom Streitwert abhängig sein. In den Berichterstat-
terrunden hat sich gezeigt, dass hierbei über die Frakti-
onsgrenzen hinweg Einigkeit besteht. In der Finanzge-
richtsordnung findet nunmehr, wie auch bei der Regelung
des Revisionsverfahrens der ZPO-Novelle, die Revision
dann statt, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde
der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. Die Zulassung
erfolgt nur bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeu-
tung, Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung oder bei Vorliegen eines Ver-
fahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Damit wird Abschied genommen von der Streitwertab-
hängigkeit der Revision. Denn auch ein Rechtsstreit mit
geringerem Wert kann erhebliche Bedeutung haben, zum
Beispiel gerade im Bereich der Lohnsteuer.
In die Revision sind damit alle Tatbestände einbezogen,
in denen über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Inte-
resse an einer Korrigierung der Entscheidung des Bundes-
finanzhofs besteht. Zugegeben: In meiner Rede vom
29. September habe ich angemerkt, dass für mein Dafür-
halten daran zu denken wäre, ob nicht im Interesse einer
Einzelfallgerechtigkeit und angesichts des Fehlens eines
Berufsverfahrens als vierter Revisionsgrund auch „offen-
sichtliche Fehler“ eine Revision begründen sollten.
Im Berichterstattergespräch wurde ausgiebig auch über
diesen Punkt debattiert, nicht zuletzt deshalb, weil der ge-
schätzte Herr Kollege Funke ein Verfechter dieser Position
ist. Auch ich sehe diese Notwendigkeit. Trotzdem aber
habe ich mich nach reiflicher Überlegung davon überzeu-
gen lassen, dass auf den neuen Revisionszulassungsgrund
„wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung ei-
ner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
BFH erfordert“ – aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit
durch den BFH auch dann Rückgriff genommen werden
kann, wenn dies die Einzelfallgerechtigkeit gebietet.
Diese Auffassung wird durch den Präsidenten des
BGH gestützt. Er vertritt öffentlich die Rechtsmeinung,
kein Obergericht dürfte gezwungen werden, sehenden
Auges ein Fehlurteil gutzuheißen; ein Revisionsgericht
müsse die Möglichkeit haben, sich bei offensichtlichen
Fehlern einer Sache anzunehmen, auch wenn es um den
Einzelfall gehe. Und weil davon auszugehen sei, dass
BGH und BFH den Revisionsgrund nicht in unterschied-
licher Weise auslegen werden, könne er dem Gesetzent-
wurf so zustimmen.
Es ist auch sinnvoll, im Gegensatz zur geltenden Fas-
sung der Finanzgerichtsordnung auch im finanzgerichtli-
chen Revisionsverfahren den Vertretungszwang durch An-
wälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einzuführen,
so wie es in allen anderen Verfahrensordnungen seit alters
her der Fall ist. Denn üblicherweise werden die Kläger an-
gesichts der Komplexheit des Steuer- und Abgabenrechts
nicht in der Lage sein, die Aussichten einer Revision rich-
tig einzuschätzen und das Revisionsverfahren sachgerecht
selbst zu führen. Da sich diese Regelung im Entlastungs-
gesetz bewährt hat, sollen auch zukünftig Berufsgesell-
schaften mit Befugnis zur Hilfe in Steuersachen vertre-
tungsbefugt sein. Weil bei der Regelung des § 91 a,
wonach Verfahrensbeteiligte nur am Bildschirm anwesend
sein können, nun die Anregungen des Bundesdatenschutz-
beauftragten voll in den Entwurf eingearbeitet wurden,
habe ich auch hier keine Bedenken mehr.
Meine Fraktion stimmt dem Gesetz zu.
Rainer Funke (F.D.P.): Seit über zwei Jahren weiß die
Bundesjustizministerin, dass am 31. Dezember 2000 die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012694
(C)
(D)
(A)
(B)
Novelle zur Finanzgerichtsordnung im Bundesgesetzblatt
stehen muss, weil Ende des Jahres das Gesetz zur Ent-
lastung des Bundesfinanzhofs ausläuft. Demnach hat sie
es unterlassen, rechtzeitig das Zweite Gesetz zur Ände-
rung der Finanzgerichtsordnung vorzulegen. Es ist ja
nicht nur ein einmaliges Versehen, sondern leider Stil und
Arbeitsweise des Bundesjustizministeriums geworden,
dass Gesetze in letzter Minute vorgelegt werden und dann
durch den Bundestag und durch die Ausschüsse durchge-
peitscht werden. Ich fürchte, hinter dieser Arbeitsweise
steckt auch eine Methode, nämlich dass eine ord-
nungsgemäße Beratung in den Ausschüssen und mit den
Berichterstattern gar nicht erst ermöglicht werden soll.
Dabei hätte sich eine breite Diskussion – auch
wissenschaftlicher Art – bei der Novellierung der Finanz-
gerichtsordnung angeboten. Denn bekanntlich gibt es in
der Finanzgerichtsbarkeit nur zwei Instanzen, das Finanz-
gericht und den Bundesfinanzhof. Wir begrüßen, dass
durch die vorliegende Novelle, wenn auch in vorsichtiger
Weise, die Revisionsmöglichkeiten etwas verbessert wer-
den. Ob jedoch der individuelle Rechtsschutz des betrof-
fenen Bürgers vor einem unrichtigen erstinstanzlichen
Urteil verbessert worden ist, muss bezweifelt werden.
Entgegen weit verbreiteter Auffassung in der Praxis, im
Arbeitskreis und in der Wissenschaft ist der vierte Revisi-
onsgrund, dass nämlich gegen offensichtlich unrichtige
erstinstanzliche Urteile die Revision betrieben werden
kann, nicht mit aufgenommen worden. Wir bedauern dies
sehr. Eine vertiefte Diskussion hätte sich auch hinsichtlich
der Frage der Präklusion von Beweismitteln angeboten.
Dasselbe gilt für Fragen der Beweiserhebung, die durch-
aus modern ausgestaltet sind, was ich einräume. Zeit für
eine vertiefende Diskussion ist wegen des langen Zögerns
und der großen Hast der Ministerin nicht geblieben. So
kann man auf Dauer keine guten Gesetze machen. Das
Parlament sollte sich solche Verfahrensweisen nicht ge-
fallen lassen.
Nicht umsonst war in den vergangenen Jahren die
Finanzgerichtsordnung politisch höchst umstritten und
das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs mehr-
fach verlängert worden. Denn schließlich wollten Praxis
und große Teile des Bundestages darüber diskutieren, ob
analog der früheren Steuerausschüsse und der Wider-
spruchsausschüsse in Verwaltungsgerichtsverfahren eine
zusätzliche Filterwirkung vor Klageerhebung vor dem Fi-
nanzgericht erzielt werden könnte. Eine solche Diskus-
sion hat die Ministerin mit ihrer Vorgehensweise prak-
tisch unmöglich gemacht. Wir werden diesen Gedanken
jedoch nicht aufgeben und fordern unsere fachkundigen
Mitkollegen auf, mit uns hierüber weiter nachzudenken.
Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Es gibt auf den ersten
Blick eine Reihe guter Gründe, dem Gesetz zur Änderung
der Finanzgerichtsordnung zuzustimmen. Das betrifft
zum Beispiel die Vorschläge zur Verfahrenseffektivierung
oder den Abschied von der Streitwertrevision. Am Ende
ist es aber ein Grund, nämlich ein fehlender Zulassungs-
grund, der für mich Grund genug ist, dem Gesetz nicht zu-
stimmen zu können.
Wenn nach der ersten Lesung noch Zweifel bestanden:
Das Berichterstattergespräch mit den Sachverständigen
– allen voran mit der Präsidentin des Bundesfinanzhofes
und einem Vorsitzenden Richter dieses Gerichts – ergab
schließlich breites Einverständnis mit dem Gesetzentwurf
der Bundesregierung zur Änderung der Finanzgerichts-
ordnung, allerdings mit einer entscheidenden Ausnahme,
und zwar den Regelungen zur Revisionszulassung. Hier
trennte Regierungs- und Oppositionsparteien vor allem
die Frage nach der Auf- bzw. die Nichtaufnahme eines
vierten Revisionsgrundes in den § 115 Abs. 2 FGO. Ge-
rade von dem anwesenden Richter des Bundesfinanz-
hofes wurde nicht nur die vorgesehene Neuregelung der
Revisionszulassung begrüßt, sondern auch die Aufnahme
eines weiteren Revisionszulassungsgrundes für den Fall
befürwortet, dass „überwiegende Zweifel an der Richtig-
keit des angefochtenen Urteils bestehen“. Dadurch würde
der Rechtsschutz für die Steuerbürger erweitert und dem
höchsten Finanzgericht die Möglichkeit gegeben, besser
als bislang Einfluss auf eine einheitliche Rechtsprechung
zu nehmen und rechtsfortbildend zu wirken, ohne dass je-
doch die Einzelfallgerechtigkeit auf der Strecke bleibt.
Auch die Präsidentin gestand eine bereits jetzt bestehende
Praxis ein, die bei „überwiegenden Zweifeln“ an der
Richtigkeit einer Entscheidung die Revision zulässt. Da
auch die Regierungskoalition in dieser Frage nochmals
ernsthafte Prüfung zusagte, ging man mit dem Gefühl aus-
einander, dass die SPD es noch richten werde. Aber das
war ein Irrtum und zeigt wieder einmal, dass man sich in
der Politik nicht von Gefühlen leiten lassen darf.
Gewiss gibt es ernsthafte Argumente für das Für und
Wider eines vierten Revisionsgrundes. Dass unsinnige
Verfahren vermieden werden müssen, darüber besteht
Konsens. Doch wenn ein Richter des betroffenen Gerichts
meint, die Richter des BFH könnten mit dem Problem
umgehen, es beherrschen, dann verstehe ich diese Rechts-
schutzbeschneidung wirklich nicht mehr. Der Grund
dafür lässt sich dann nur noch mit Blick auf die weiter an-
stehenden Verfahrensreformen unter dem Motto „Wehret
den Anfängen“ erahnen. Das ist schlecht.
Der Schutz eines Gerichts vor Überbelastung darf
grundsätzlich nicht zulasten des Schutzes des einzelnen
Bürgers, sprich der Gewährung von Individualgerechtig-
keit gehen. Im Zweifel muss deshalb jeder Beschneidung
des Rechtsschutzes der Bürger entgegengewirkt werden.
Dies gilt gerade im Finanzgerichtsverfahren, in dem wir
nur zwei Instanzen haben, und in einem Bereich, nämlich
dem unübersichtlichen und komplizierten Steuerrecht,
das bekanntlich nicht zu den einfachsten Rechtsmaterien
zählt. Insbesondere hier ist doch ein erhöhter Rechts-
schutz gefragt. Der Rechtsstaat darf nicht dicht machen.
Im Übrigen bin ich auch gegen den Wegfall der Rege-
lung, zugunsten eines Beteiligten für das Revisionsver-
fahren Prozesskostenhilfe zu beantragen, wie es ursprüng-
lich in § 120 Abs. 4 hieß. Ich bin keineswegs dafür, dass
ungerechtfertigten Fristverlängerungen Tür und Tor ge-
öffnet werden soll, aber bei qualifizierten Anträgen muss
das im Interesse des Betroffenen möglich sein.
Zum Schluss bleibt mir nur noch festzustellen: Was
dem einen ein Grund zu wenig, ist dem anderen ein Grund
zu viel. Bezogen auf den Rechtsschutz der Steuerbürger
kann es meines Erachtens gerade in Anbetracht des über-
aus komplizierten Steuersystems und seiner ohnehin be-
schränkten Zweizügigkeit in unserem Lande keinen
Grund zu viel für den Schutz der Bürger geben. Auch die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12695
(C)
(D)
(A)
(B)
Schaffung der Möglichkeit des Einsatzes von Videokon-
ferenzen – ein interessantes Novum in unserem Gerichts-
wesen – verbessert am Ende nicht mein Gesamtbild von
diesem Gesetz. Bleibt am Ende nur zu hoffen, dass die
Richter am BFH in ihrer Zulassungspraxis großzügiger
als der Gesetzgeber sind.
Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatsekretär bei der Bundes-
ministerin der Justiz: Ich bedaure sehr, dass sich die Op-
position bei den Ausschussberatungen nicht in der Lage
gesehen hat, dem von der Bundesregierung vorgelegten
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Fi-
nanzgerichtsordnung und anderer Gesetze zuzustimmen.
Der Gesetzentwurf sieht im Verhältnis zu dem Entlas-
tungsgesetz, das jetzt schon über 25 Jahre gilt und damit
praktisch Dauerrecht ist, eine Vielzahl von Verbesserun-
gen für den Rechtsschutz in Steuersachen vor, die von der
Praxis auch einhellig begrüßt worden sind. Ich nenne hier
an erster Stelle die Erweiterung des Zugangs zum Bun-
desfinanzhof durch den neuen Revisionszulassungsgrund
„Wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung ei-
ner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs erfordert“. Damit können alle Urteile
revisionsrechtlich überprüft werden, bei denen ein allge-
meines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung
des Revisionsgerichts besteht. Das ist gerade auch dann
der Fall, wenn der Bundesfinanzhof sieht, dass das Urteil
des Finanzgerichts offenbar falsch ist. Damit haben wir
– berechtigter – Kritik an den zu engen Revisionszulas-
sungsgründen des alten Rechts Rechnung getragen. Die
zu enge Auslegung der alten Zulassungsgründe hat ganz
maßgebend dazu beigetragen, dass über 40 Prozent der
bei dem Bundesfinanzhof eingehenden Verfahren un-
zulässig sind, ein Zustand, der im Interesse einer umfas-
senden Rechtschutzgewährung völlig unakzeptabel ist.
Der Bundesfinanzhof hat sich mittlerweile schon fast von
einem Revisions- zu einem Beschwerdegericht ent-
wickelt, das aufgrund eng gefasster Zulassungsgründe
und zusätzlich durch die enge Auslegung dieser Gründe
den Großteil der Beschwerden abweist. Ich kann deshalb
auch nicht nachvollziehen, dass die Opposition es lieber
bei dem gegenwärtigen Zustand belassen möchte.
Der Gesetzentwurf beseitigt – und damit komme ich
zu weiteren Rechtsschutzverbesserungen, die von allen
Experten befürwortet worden sind – das Nebeneinander
von zulassungsbedürftiger und zulassungsfreier Revi-
sion – ein verfahrensrechtlicher Spagat, der für manchen
rechtssuchenden Steuerbürger und seinen Berater schon
zur Rechtsmittelfalle geworden ist. Die viel zu kurze
Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
– derzeit nur ein Monat – wird auf zwei Monate verlän-
gert. Zusätzlich ist vorgesehen, dass sie um einen weite-
ren Monat verlängert werden kann: insgesamt also bis zu
drei Monate Begründung; das sollte ausreichen, um eine
fundierte Begründung abzuliefern. Die erfolgreiche
Nichtzulassungsbeschwerde soll künftig als Revisions-
verfahren fortgesetzt werden. Die derzeit immer noch not-
wendige zusätzliche Revisionseinlegung ist eine reine
Formsache und damit verzichtbar. Im Interesse der
Rechtssuchenden werden die Begründungspflichten bei
Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerde
und bei Beschlussentscheidungen über Revisionen ganz
wesentlich erweitert. Der unterlegene Verfahrensbetei-
ligte hat, wie ich meine, Anspruch darauf zu wissen,
warum er kein Erfolg gehabt hat. Diesem Anspruch wird
Rechnung getragen.
Besonders hinweisen möchte ich auf den Zuwachs an
Modernität im finanzgerichtlichen Verfahren. Wir machen
die moderne Kommunikationstechnik für das gerichtliche
Verfahren nutzbar. Die Beteiligten sollen die Möglichkeit
bekommen, per Videokonferenz an der mündlichen Ver-
handlung teilzunehmen. Es soll auch die Möglichkeit an-
geboten werden, Zeugen und Sachverständige per Video-
konferenz zu vernehmen.
Wir haben uns auch noch nach dem Gespräch der Be-
richterstatter mit den Experten aus der Praxis die Frage ge-
stellt, ob das Revisionsrecht um einen weiteren Revisions-
zulassungsgrund, den Revisionszulassungsgrund „Wenn
überwiegende Zweifel an der Richtigkeit des angefochte-
nen Urteils bestehen“ ergänzt werden kann. Wir haben uns
dagegen entschieden, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens. Der neue Revisionszulassungsgrund „Wenn
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer ein-
heitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bun-
desfinanzhofs erfordert“ gibt dem BFH die Möglichkeit,
aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit auf jedes Verfah-
ren Zugriff zu nehmen, also auch offenbar falsche Ent-
scheidungen aufzuheben.
Zweitens. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht zu-
lassen, dass beim BFH der Geschäftsanfall so drastisch
steigt wie vor etwa 10 bis 15 Jahren. Die zusätzliche Be-
lastung, die der neue Revisionszulassungsgrund und die
erweiterten Begründungspflichten nach sich ziehen wer-
den, wird der Bundesfinanzhof verkraften können. Eine
weitere Öffnung der Revision sollte sorgsam überlegt
werden; die Bundesregierung hält sie derzeit im Interesse
der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes nicht für
angebracht. Ich versichere Ihnen aber: Wir werden die
Entwicklung genau beobachten. Wir werden auch genau
beobachten, ob und wie der Bundesfinanzhof mit dem
neuen Revisionszulassungsgrund zurechtkommt. Unab-
hängig davon meine ich aber auch: Ohne Not sollte der
Zugang zu den obersten Bundesgerichten nicht unter-
schiedlich geregelt werden. Ich bin für einheitliche Rege-
lungen für alle obersten Bundesgerichte.
Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Anlage 24
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Einführung einer Dienstleistungsstatistik und
zur Änderung statistischer Rechtsvorschriften
(Tagesordnungspunkt 26)
Detlev von Larcher (SPD):Wir befinden uns auf dem
Weg in die Dienstleistungsgesellschaft. Zwei Drittel der
Erwerbstätigen arbeiten im Dienstleistungssektor, fast
70Prozent der Bruttowertschöpfung entfällt inzwischen
auf diesen Bereich. Dienstleistungen sind also längst zum
wichtigsten Faktor in unserer Wirtschaft geworden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012696
(C)
(D)
(A)
(B)
Zugleich stehen aber die statistischen Informationen
über den Dienstleistungssektor in einem krassen Missver-
hältnis zu seiner wirtschaftlichen Bedeutung. Während
wir über hoch differenzierte Informationen über das ver-
arbeitende Gewerbe verfügen, sind die vielfältigsten
Dienstleistungen oft in sehr summarischen Darstellungen
verborgen, in denen man häufig nicht das findet, was man
sucht. Dort, wo detaillierte Informationen vorliegen, sind
diese häufig nicht uneingeschränkt vergleichbar oder ver-
knüpfbar. Die Bedeutung der Dienstleistungen in der amt-
lichen Statistik von heute entspricht der tatsächlichen Be-
deutung dieses Sektors vor Jahrzehnten. Das gilt ganz
besonders für viele unternehmensorientierte Dienstleis-
tungen, die sich erst in letzter Zeit – unter dem Stichwort
Outsourcing – als eigenständige Wirtschaftseinheiten in
großem Umfang entwickelt haben.
Hier gibt es also erheblichen Nachholbedarf, den wir
mit dem Dienstleistungsstatistikgesetz decken. Dabei
geht es nicht um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für
die statistischen Ämter. Für Politik und Wirtschaft sind
zuverlässige und präzise Daten unverzichtbar. Für eine
wirkungsvolle Wirtschafts- und Finanzpolitik sind ver-
lässliche Daten von herausragender Bedeutung. Gerade
auch um Fehlentwicklungen in einzelnen Wirtschafts-
bereichen beobachten und nötigenfalls gegensteuern zu
können, reichen globale Zahlen nicht aus. Nicht zuletzt
deshalb gibt es ja auch eine Verordnung des Europäischen
Rates zum System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnun-
gen, mit der uns eine Modernisierung unserer wirt-
schaftsstatistischen Rechtsvorschriften auferlegt wird.
Aber nicht nur Parlamente und Regierungen brauchen
verlässliche Statistiken, auch viele Unternehmen sind für
die unterschiedlichsten Planungs- und Entscheidungspro-
zesse auf zuverlässige und auch tatsächlich vergleichbare
Informationen angewiesen. Deshalb wäre letztlich nie-
mandem damit gedient, wenn wir die Statistiken minima-
listisch anpassten. Bei Erhebungen von Kammern oder
Verbänden ist eben nicht sichergestellt, dass die erhobe-
nen Daten auch tatsächlich repräsentativ sind. Außerdem
stellt sich bei Statistiken nach dem Subsidiaritätsprinzip
die Frage, ob Abgrenzungen nach denselben Regeln vor-
genommen werden. Sie, meine Damen und Herren von
der CDU/CSU, sollten doch genau so gut wie ich wissen,
dass genau wie bei Versicherungsverträgen auch bei Sta-
tistiken das Wichtigste immer im Kleingedruckten steht.
Deshalb steht es für mich außer Frage, dass es die amtli-
che Statistik, ein einheitliches, auf einer gesetzlichen Aus-
kunftspflicht der befragten Unternehmen basierendes
System zur Erhebung von Strukturdaten geben muss. Er-
gänzende Informationen auf freiwilliger Basis sind immer
willkommen, aber sie können Statistiken in diesem Sinne
nicht ersetzen.
Es ist ja auch nicht so, dass mit dem vorliegenden Ge-
setz eine ungeheure Datenflut ausgelöst würde. Wir wol-
len die Datenerhebung auf jährlich 15 Prozent der Unter-
nehmen beschränken. Für kleinere Unternehmen mit
jährlichen Umsätzen unter 250 000 Euro – und das trifft
für sehr viele Dienstleistungsunternehmen zu – wird die
Erhebung wesentlich erleichtert. Zudem ermöglicht die
Dienstleistungsstatistik es uns, zukünftig auf die Erhe-
bung von Daten im Rahmen der Kostenstrukturstatistik zu
verzichten. Dem zusätzlichen Aufwand für die Dienstleis-
tungsstatistik stehen also sowohl in den Unternehmen als
auch bei den statistischen Ämtern erhebliche Erleichte-
rungen gegenüber.
Alles in allem schaffen wir mit diesem Gesetz die
Grundlage für eine verlässliche und konsistente Dienst-
leistungsstatistik und bewahren dabei Augenmaß. Ich
bitte Sie deshalb, diesem Gesetz zuzustimmen.
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Statistik ist keine
Erbsenzählerei, sondern, wie die britische Regierung zu
Recht in einem Grünbuch schrieb, „a matter of trust“ –
eine Frage des Vertrauens.
Dass wenigstens Wissenschaft und globale Unterneh-
men weltweit die strategische Bedeutung der Erhebung
und Analyse von Daten begriffen haben, macht die Ent-
scheidung des Nobelpreiskomitees im Bereich Wirt-
schaftswissenschaft in diesem Jahr für die Mikroökono-
metriker McFadden und Heckman deutlich. Denn nur
durch eine zuverlässige Datengrundlage kann der wirt-
schaftliche und gesellschaftliche Wandel erfasst und von
Ökonomen und Gesellschaftswissenschaftlern analysiert
werden. Die daraus resultierenden Handlungsempfeh-
lungen stellen die Entscheidungsbasis von Millionen Un-
ternehmen, Privatpersonen und natürlich für die Politik
dar. Ohne zuverlässige Informationen keine rationale Ent-
scheidung – das wissen Investmentgesellschaften und
Banken, multinationale Ölkonzerne und Produzenten von
Konsumgütern. Nur die Politik in Deutschland hat das fast
zwei Jahrzehnte anders gesehen und die deutsche Statis-
tik ist weit hinter den Standard der USA und leider auch
auf vielen Feldern deutlich hinter den unserer EU-Part-
nerländer zurückgefallen.
Es ist nachgerade peinlich, wenn die Bundesbank und
die Europäische Zentralbank von der Politik mit deutli-
chen Mahnungen eine Verbesserung der Datenbasis ein-
klagen müssen und die europäischen Finanzminister – der
Ecofin-Rat – am 29. September einen Aktionsplan be-
schließen mussten mit detaillierten Angaben, welche
Staaten in welchen Bereichen ihre Statistiken verbessern
und anpassen müssen. Vierteljährlich wird es Berichte ge-
ben, welche Staaten ihre Hausaufgaben gemacht haben
und welche nicht. Ich hoffe, dass wir schnell aus der Pein-
lichkeit herauskommen, in weiten Bereichen unter den
Klassenletzten zu sein, und vielleicht auch einmal wieder
unter den Klassenbesten sind.
Das ist nicht nur wichtig, weil nur – wie Edelgard
Bulmahn, unsere Bundesforschungsministerin richtig
sagt – „eine genauere und innovative Erfassung und Ana-
lyse des rapiden gesellschaftlichen Wandels durch ein en-
ges Zusammenwirken von unabhängiger Wissenschaft
und unabhängiger Statistik die Politik zielgenauer ma-
chen. Nur so können die komplexen Wechselwirkungen
zwischen Bevölkerungsentwicklung, Strukturänderungen
der Wirtschaft, Ausbildungssystem, Beschäftigung und
sozialer Sicherung richtig verstanden und aufbereitet wer-
den, um darauf erfolgreiche Politik aufzubauen. Die Ver-
fügbarkeit solcher zuverlässigen Datengrundlagen wird
damit letztlich auch die Erfolgsmaßstäbe für Politik ver-
ändern“.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12697
(C)
(D)
(A)
(B)
Das ist richtig und deswegen ist es absurd, wenn viele
bei der Diskussion der Kosten der Statistik nicht gleich-
zeitig sehen, dass wir Jahr für Jahr politisch über Haushalte,
öffentliche Programme und Investitionen im Werte von
Hunderten von Milliarden entscheiden bzw. diese wesent-
lich beeinflussen, die Qualität der Daten, aufgrund derer
wir entscheiden, zum Teil aber miserabel bzw. die Statistik
so lückenhaft ist, dass man gelegentlich genauso gut die
Dame mit der Kristallkugel konsultieren könnte.
Bei den Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien ist mittlerweile der Spruch „Garbage in – Garbage
out“ – also „gibt man Mist rein, kommt auch Mist raus“ –
ein geflügeltes Wort. Bei der amtlichen Statistik werden
wir in Zukunft nicht darum herumkommen, eine Be-
standsaufnahme zu machen bzw. die vorhandenen Be-
standsaufnahmen unter anderem der „Kommission zur
Verbesserung der statistischen Infrastruktur“ zur Kenntnis
zu nehmen. Dann werden wir auch feststellen müssen,
dass wir um die Forderung der Europäischen Zentralbank,
mehr Geld in die Datenproduktion zu stecken, nicht he-
rumkommen.
Verglichen mit dem, was auf dem Spiel steht, kostet es
nicht viel: Eine fehlerhafte Prognose der Wirtschaftsent-
wicklung ist für die Märkte viel teurer, eine öffentliche
Fehlentscheidung, die Milliardeninvestitionen aller
Transfers in den Sand zu setzen, ebenso. Und schließlich
erleben wir derzeit, dass die Finanzmärkte die wirtschaft-
liche Entwicklung des Euro-Raumes deutlich schwächer
beurteilen als die der US-Wirtschaft. Ein nicht geringer
Teil ist dem Unterschied zwischen den nach europäischen
Standards systematisch „geschönten“ US-Statistiken ge-
schuldet. Aber wenn aus dem Euro-Raum keine verlässli-
chen Vergleichsdaten vorliegen, sollten wir uns nicht be-
klagen, sondern besser mehr Geld in die Hand nehmen.
Information ist schließlich keine Holschuld, sondern eine
Bringschuld.
Deswegen ist das heute von uns zu verabschiedende
Dienstleistungsstatistikgesetz ein erster Schritt in die
richtige Richtung – auch wenn es nicht die Voraussetzun-
gen erfüllt, die für eine umfassende Analyse von Stand
und Entwicklung des beschäftigungsträchtigen Sektors
notwendig sind.
Angesichts der Bedeutung des Dienstleistungssektors
–1998 waren in Deutschland rund 66 Prozent aller Er-
werbstätigen, nämlich 23,8 Millionen Menschen, dort
tätig – war die Vernachlässigung und unvollständige Ab-
bildung dieses Sektors unverständlich, erst recht, dass wir
so spät dran sind mit der Umsetzung von EU-Ratsverord-
nungen zum Europäischen System volkswirtschaftlicher
Gesamtrechnungen und zur Unternehmensstrukturstatis-
tik von 1996. Aber, wie gesagt, der erste Schritt ist getan;
weitere müssen folgen.
Mit diesem Gesetz ist auch zwei Anliegen Rechnung
getragen, die uns im Parlament wichtig waren: erstens der
stärkeren Beachtung der Bedeutung immaterieller Güter
wie zum Beispiel Software und Lizenzen und zweitens
der Analyse der Konzentration der Wirtschaft.
Dem ersten Anliegen ist nun wenigstens mit der Erhe-
bung der immateriellen Güter nach Arten Rechnung ge-
tragen und wir wissen künftig besser über die Entwick-
lung bei Software, Lizenzen und sonstigen Formen geis-
tigen Eigentums Bescheid. Aber es ist nur ein Schrittchen
im Vergleich zu den USA, wo auf Initiative des Vizeprä-
sidenten Al Gore ein 1 Milliarde US-Dollar teures Projekt
in Gang kam, um bessere Informationen über Internet-Zu-
gang und -Nutzung Öffentlichkeit und Wirtschaft zur Ver-
fügung zu stellen. Wer in Deutschland beklagt, dass wir
auf vielen Feldern der so genannten New Economy hin-
terherhinken, sollte nicht übersehen, dass Investitions-
entscheidungen bei uns nicht nur deswegen riskanter bzw.
weniger erfolgen, weil erstens die Märkte kleiner bzw.
segmentierter sind, sondern auch deswegen, weil die In-
formationen weit hinter den Erfordernissen bzw. anderen
Ländern – USA, Skandinavien – herhinken.
Das zweite Anliegen, politisch weit gewichtiger, ist die
mit dem Dienstleistungsgesetz verbundene Novellierung
des § 47 GWB; denn es handelt sich nicht um eine bloße
formale Änderung statistikrechtlicher Vorschriften, son-
dern um die Voraussetzung für die unabhängige Arbeit der
Monopolkommission und dafür, der Wirtschafts-, Wettbe-
werbs- und Mittelstandspolitik aussagekräftige, empi-
rische Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen.
Die neue, jetzt im Wege des Kompromisses gefundene
Regelung ermöglicht eine realistischere Einschätzung des
Verflechtungs- und Konzentrationsgrades der Unterneh-
men, der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und erlaubt
auch Rückschlüsse einerseits auf die Wettbewerbsfähig-
keit der Wirtschaft auf den deutschen und internationalen
Märkten, andererseits auf die Stellung mittelständischer
Unternehmen. Der bisherige, völlig unbefriedigende
Zustand, dass uns die amtliche Statistik den Konzentrati-
onsgrad der zehn größten Anbieter beim Lebensmittel-
handel mit 25 Prozent angab, während er in Wirklichkeit
über 80Prozent betrug, dürfte jetzt der Vergangenheit an-
gehören.
Die Ausschüsse für Wirtschaft und Technologie und für
Finanzen haben jedenfalls gemeinsam diesen Bereich ein-
stimmig für so wichtig erachtet, dass wir uns nach einem
Jahr berichten lassen, ob die von der Monopolkommis-
sion zu Recht beklagten Probleme nun faktisch beseitigt
sind, oder ob weitere Schritte der Politik nötig werden.
Das Fazit der sozialdemokratischen Bundestagsfrak-
tion ist deswegen: Wir alle im Deutschen Bundestag ha-
ben der Statistik zu wenig Augenmerk geschenkt. Eine
richtig angelegte amtliche Statistik ist keine Erbsenzähle-
rei und Spielerei für Zahlenjongleure, sondern unabweis-
bare Voraussetzung für jede rationale Entscheidung in Po-
litik, Wirtschaft und Gesellschaft. Eine verlässliche
Statistik ist nicht zum Nulltarif zu haben. Fehlentschei-
dungen können milliardenschwere Kosten verursachen.
Der EU-Aktionsplan, der im Ecofin-Rat beschlossen
wurde, muss schnell umgesetzt werden. Unsere Statistik
hat viele weiße Flecken. Warum haben wir beispielsweise
weder eine Gründerstatistik noch eine Vermögensstatis-
tik? Interessierte uns wirklich beides nicht? Eine Grund-
satzdiskussion über die strategische Neuorientierung un-
serer amtlichen Statistik ist deswegen notwendig und die
Schlussfolgerungen und Umsetzung dürfen wir nicht in
die nächste Legislaturperiode verschieben.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012698
(C)
(D)
(A)
(B)
Karl-Heinz Scherhag (CDU/CSU): Mit dem Gesetz
zur Einführung einer Dienstleistungsstatistik schließen
wir eine Lücke in der statistischen Erfassung der bundes-
deutschen Wirtschaft.
Entgegen der stark zunehmenden wirtschaftlichen Be-
deutung des Dienstleistungssektors bildet die Bundessta-
tistik diesen Bereich bisher nur sehr unvollständig ab. Dies
zeigte sich schon bei einem kurzem Blick in das statisti-
sche Jahrbuch. Während sich unter dem Stichwort Dienst-
leistung nur Eintragungen auf fünf Seiten dieses über
700-seitigen Werkes finden, ist zum Beispiel der Bereich
Landwirtschaft mit weit über 20 Seiten bis hinein in Ein-
zelheiten der Düngemittelversorgung exzellent abgebildet.
Hier besteht ein Ungleichgewicht, das im Interesse einer
übersichtlichen Wirtschaftsstatistik nicht hingenommen
werden kann. Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt deshalb
das Vorhaben, eine Dienstleistungsstatistik einzuführen,
die von allen wirtschaftspolitischen Handlungsträgern ver-
wendet werden kann.
Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass die Belas-
tung besonders kleinerer Unternehmen mit staatlich auf-
erlegter Bürokratie und mit Statistikpflichten schon jetzt
das erträgliche Maß überschritten hat. Wir sollten deshalb
die Dienstleistungsbranche, wo gerade viele kleine
Start-up-Unternehmen tätig sind, nicht mit unzumutbaren
weiteren Lasten quälen. Deshalb freue ich mich, dass die
Koalitionsfraktionen entgegen dem Entwurf der Bundes-
regierung zu der Erkenntnis gelangt sind, dass eine Redu-
zierung der Zahl der Auskunftspflichtigen mit einer aus-
sagefähigen Statistik vereinbar ist. So ist wenigstens eine
kleine Last von den Betrieben des Dienstleistungssektors
genommen.
Dies reicht aber nicht aus. Die CDU/CSU-Fraktion hat
deshalb sowohl in den Ausschussberatungen als auch jetzt
im Plenum Änderungsanträge vorgelegt, mit denen wir
erreichen wollen, dass Doppelzählungen vermieden wer-
den und dass kleinere Unternehmen, weitergehend als von
der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen vor-
gesehen, von differenzierten statistischen Übermittlungs-
pflichten entlastet werden.
Ich will auf die Einzelheiten unser Anträge nicht näher
eingehen, schließlich sind sie in den Ausschussberatun-
gen eingehend beraten worden. Ich will nur soviel sagen:
Wenn es nicht gelingt, im Dienstleistungssektor eine Ak-
zeptanz für die neue Statistik zu erreichen, werden Sie
schlechtere Ergebnisse bekommen als wir uns alle erhof-
fen. Deshalb meine Bitte an Sie: Geben Sie sich einen
Ruck und stimmen Sie unseren Anträgen zu. Das Ergeb-
nis wird keine aufgeweichte, sondern eine aussagekräfti-
gere Statistik sein, weil sie nur so auf Akzeptanz bei den
beteiligten Wirtschaftskreisen stößt.
Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):Die Belastung der Wirtschaft mit komplizier-
ten bürokratischen Verfahren der öffentlichen Verwaltun-
gen ist zu hoch. Die gesetzlichen Anforderungen an die
Unternehmen zur Abgabe statistischer Daten sind we-
sentlicher Teil dieser hohen Bürokratielasten. Besonders
Selbstständige, kleine und mittlere Unternehmen leiden
darunter.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen führt einen engen
Dialog mit den mittelständischen Unternehmen über
Möglichkeiten des Bürokratieabbaus. Wir haben eine
Reihe von Vorschlägen gemacht. Das Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie hat eine Projektgruppe
eingerichtet, die Vorschläge zur Reduzierung der büro-
kratischen Lasten erarbeitet und umsetzt. Einiges wurde
bereits erreicht.
Die Krankenkassen haben ihre Leistungsformulare
vereinheitlicht. In einem Modellprojekt wird der Einsatz
neuer Technologien zwischen Arbeitgeber und Kranken-
kassen erprobt. Seit Sommer 2000 können Unternehmen
das Internet im Rahmen der Auskunftspflichten gegen-
über dem Statistischen Bundesamt einsetzen. Melde-
pflichten werden überprüft und abgebaut. Im Rahmen des
Multimediapilotprojektes „MEDIA@Komm“ wird die
Nutzung neuer Kommunikationsmittel in den Kommunen
vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
gefördert. Durch das „digitale Rathaus“ und „digitale
Marktplätze“ werden alle Transaktionsprozesse, zum Bei-
spiel Meldewesen, Bauanträge, öffentliche Ausschrei-
bung, Wirtschaftsförderung, beschleunigt. Die Bundesre-
gierung wird so schnell wie möglich die gesamte
Kommunikation nach außen digital abbilden. Dazu wurde
die Initiative „e-Government 2005“ gestartet.
Die unternehmensnahen Dienstleistungen gehören zu
den am schnellsten wachsenden Bereichen der Wirtschaft.
Die Forderungen der Forschungsinstitute und der Wirt-
schaft, die Dienstleistungen angemessen zu erfassen,
wurden immer lauter. Zur Ermittlung exakter Daten in der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sehen auch wir
die Notwendigkeit, hier verlässliche Daten zu gewinnen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die
Verpflichtungen der Richtlinien der EU aus dem Jahr
1996 um. Wir haben darauf geachtet, die Belastungen der
Unternehmen so niedrig wie nur möglich zu halten. Vor-
gesehen ist die Erhebung von Strukturdaten bei Unter-
nehmen und Einrichtungen zur Ausübung einer freiberuf-
lichen Tätigkeit, die überwiegend unternehmensnahe
Dienstleistungen anbieten. Die Unternehmen nehmen ro-
tierend an der jährlich stattfindenden Erhebung teil. Jähr-
lich werden nur 15 Prozent der Unternehmen betroffen
sein. Die Unternehmen dürften damit nur alle 6 bis 7 Jahre
an statistischen Erhebungen teilnehmen.
Der Gesetzentwurf enthält eine Mittelstandskompo-
nente: Kleine und mittlere Unternehmen mit einem Jahres-
umsatz kleiner als 250000 Euro werden mit einem
verkürzten Katalog befragt. Zur Vermeidung von Doppel-
erhebungen werden bestehende Statistiklasten im Be-
reich der Verkehrsstatistik, Kostenstrukturstatistiken und
Handwerkszählung reduziert.
Die Wirtschaft hat sich positiv zu dem vorliegenden
Gesetzentwurf geäußert und den Nutzen einer Vervoll-
ständigung der Daten höher eingeschätzt als die bei den
betroffenen Unternehmen entstehenden Kosten. Wir ha-
ben, wie ich glaube, mit diesem Entwurf einen vernünfti-
gen Interessenausgleich hinbekommen.
Gudrun Kopp (F.D.P.): Mit dem vorliegenden Entwurf
eines Dienstleistungsstatistikgesetzes muss im Rahmen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12699
(C)
(D)
(A)
(B)
von EU-Verordnungen auch die Bundesrepublik Deutsch-
land künftig jährliche Strukturdaten für eine Dienst-
leistungsstatistik erheben. Auskunftspflichtig sind dem-
nach Firmen und Einrichtungen, die überwiegend
unternehmensorientierte Dienstleistungen gegen Entgelt
anbieten, wie in den Sparten Verkehr, Nachrichtenüber-
mittlung, Grundstücks- und Wohnungswesen, Forschung
und Entwicklung, um nur einige zu nennen. Soweit die
Sachlage.
Es ist völlig unlogisch, warum die Zuständigkeit für
eine solche Wirtschaftsstatistik durch Änderungen beste-
hender Rechtsvorschriften endgültig auf das Bundesminis-
terium für Finanzen übertragen werden soll. An diesem
Beispiel wird symbolisch und tatsächlich deutlich, welche
Schlüsselrolle das Bundesfinanzministerium gegenüber
dem Bundeswirtschaftsministerium in der Machtzuord-
nung des Kanzlers hat. Der Bundeswirtschaftsminister
hätte diesen originär wirtschaftsbezogenen Bereich in sei-
nem Ministerium behalten müssen. Er aber schwieg und
akzeptierte, was ihm vorgesetzt wurde, wie im Übrigen
auch beim Verkauf der Deutschen Ausgleichsbank, DtA,
an die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW. Auch dabei
führte der Bundesfinanzminister das Zepter.
Zurück zum Dienstleistungsstatistikgesetz: Kosten
entstehen dem Bund, den Ländern und auch der
auskunftspflichtigen Wirtschaft. Während sich die Kosten
des Bundes durch Einsparungen aufgrund von Arbeitser-
leichterungen aufheben, entstehen den Ländern netto
noch circa 4,3 Millionen DM Kosten, und zwar jährlich.
Aber auch die Kosten für die Wirtschaft sind nicht uner-
heblich. Sie werden mit circa 6,5 Millionen bis 13,5 Mil-
lionen DM jährlich angegeben. Wer ein Unternehmen von
innen kennt, weiß wie zeitraubend schon heute büro-
kratische Lasten gerade für die mittelständischen Firmen
sind, die keine eigenen Bearbeitungsabteilungen für die-
sen Ballast finanzieren können.
Die F.D.P. lehnt diesen Regierungsentwurf ab, mit dem
Hinweis darauf, dass endlich Energien darauf verwendet
werden müssen, wie EU-weit und national Bürokratielas-
ten drastisch vermindert werden können. Ich vermisse zu-
dem die Prüfung, ob die geforderten statistischen Daten
nicht von den Kammern erhoben und weitergegeben wer-
den können, zur Entlastung der besonders gebeutelten
kleinen und mittelgroßen Firmen.
Anlage 25
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Sechzehnten
Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
(Zusatzordnungspunkt 5)
Erwin Marschewski (Recklinghausen (CDU(/CSU):
„Das Einvernehmen in Wahlrechtsfragen hat in diesem
Hause eigentlich eine gute Tradition“ so der Kollege
Körper am 13. Februar 1998 hier in diesem Hohen Hause.
Wenn der Kollege Körper jedoch „eigentlich“ sagt, lässt
er sich ein Hintertürchen offen. Das Hintertürchen der
SPD heißt: Wenn die SPD die Mehrheit hat, dann küm-
mert sie sich erstens nicht mehr um ihre Konsensverspre-
chen von gestern und hat zweitens auch keine Bedenken
mehr gegen willkürliche Wahlkreiszuschnitte.
Fangen wir mit dem schroffen Verhalten der Mehrheit
gegenüber der Opposition an. Sie werden diesen Vorwurf
sicher zurückweisen, weil wir, Herr Kollege Wiefelspütz,
schon im Februar zusammengesessen haben.
Aber schauen wir genau hin. Damals haben Sie mir fol-
gende Zusage gemacht: Es werden nur jene Veränderun-
gen vorgenommen, die wegen der Bevölkerungszahl un-
abwendbar sind. Und es werden einige wenige
Veränderungen vorgenommen, für die Sie politische,
nicht aber wahlrechtliche Gründe genannt haben.
Mit großer Aufmerksamkeit haben wir daher Ihren
„Diskussionsentwurf“ gelesen, den Sie uns Mitte Oktober
übermittelt haben. Wir sollten und wollten diesen Vor-
schlag prüfen, damit vor Ihrem Fraktionsbeschluss die
Möglichkeit besteht, unzumutbare Vorschläge im Kon-
sens auszuräumen. Also haben wir Ihren „Diskussions-
entwurf“ zur Diskussion an unsere Landesgruppen ver-
schickt. Und jede Landesgruppe hat sich die
entsprechenden Vorschläge angesehen und gegebenen-
falls mit der SPD diskutiert. So habe ich für Nord-
rhein-Westfalen mit Herrn Kollegen Wiefelspütz über ei-
nige Unstimmigkeiten gesprochen und auf unserer Seite
dabei auch die betroffenen Kollegen einbezogen. Dieter
Wiefelspütz hatte mir persönlich zugesagt, dass er unsere
Einwände gegen den „Diskussionsentwurf“ offen prüfen
wolle. Wir waren für Mittwoch verabredet. Herr
Wiefelspütz wollte mir das Ergebnis seiner Prüfung mit-
teilen.
Was aber passiert? Die SPD-Fraktion bringt ihren
„Diskussionsentwurf“ am Dienstag unverändert ein.
Nichts wurde geprüft, keines unserer Argumente berück-
sichtigt! Und dann wird auch noch äußerst kurzfristig un-
ser Gespräch am Mittwoch abgesagt, mit der Folge: Sechs
Abgeordnete meiner Fraktion warteten vergebens auf das
Ergebnis der zugesagten Prüfung.
So viel zum Verfahren und zur Verlässlichkeit Ihrer Zu-
sagen. Jetzt einige Sätze zu Ihren inhaltlichen Vorstellun-
gen. Ich fange einmal mit den Vorhaben in meiner Heimat
Nordrhein-Westfalen an, die auch der Kollege Wiefelspütz
nicht so recht nachvollziehen konnte: Sie wollen die west-
fälische Gemeinde Horstmar entgegen der Empfehlung
der Wahlkreiskommission dem Wahlkreis 128 – Coesfeld-
Steinfurt II – zuschlagen. Wer sich das auf der Landkarte
einmal ansieht, kann bei so viel Willkür nur den Kopf
schütteln. Es entstünde ein unmöglicher Wahlkreiszu-
schnitt! Bis heute wollte mir auch noch niemand von der
SPD sagen, ob und welche persönlichen Interessen hinter
diesem Vorschlag stecken. Fachargumente können es je-
denfalls nicht sein.
Dem Ennepe-Ruhr-Kreis wollen Sie die Kreisstadt
nehmen. Wenn es nach Ihnen geht, wird die Kreisstadt
Schwelm dem Nachbarwahlkreis Hagen zugeschlagen.
Hier, aber auch vor Ort, versteht das niemand!
Ihr Vorschlag für Essen und Mühlheim scheint eben-
falls am grünen Tisch entstanden zu sein. Nicht, dass das
folgende Argument allein entscheidend wäre. Aber Ihr
Vorschlag bedeutet auch, dass Rot-Weiß Essen demnächst
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012700
(C)
(D)
(A)
(B)
wahlkreismäßig zu Mühlheim gehört. Paradox! Zudem:
Die westlichen Teile von Essen sind nach Mühlheim ori-
entiert. Dann sollten sie auch dort im Wahlkreis bleiben.
Ich denke, dass wir über diese Fragen noch offen reden
werden.
Ihr Vorhaben in Köln ist auch nicht nachzuvollziehen:
Nach jetziger Gesetzeslage stimmen in Köln die Wahl-
kreisgrenzen für Bundes-, Landes- und Kommunalwah-
len überein. Sie wollen diese sinnvolle Lösung ändern,
ohne dass die Bevölkerungsentwicklung Sie dazu zwingt.
Allein diese Beispiele zeigen, dass Ihr Entwurf unsere Zu-
stimmung nicht finden kann.
Ein Blick auf die Vorschläge für andere Länder be-
stätigt uns in dieser Einschätzung: In Sachsen setzen Sie
sich in gut der Hälfte aller Wahlkreise über die Empfeh-
lungen der Wahlkreiskommission hinweg. Das Votum der
Landesregierung lassen Sie ebenfalls unberücksichtigt.
Sie wollen 50 Prozent aller Empfehlungen der Fachex-
perten übergehen. Hier muss man kein Schelm sein, um
sich dabei Böses zu denken. Da Sie uns keine ausrei-
chende Zeit für die Prüfung lassen, können wir angesichts
Ihrer Vorschläge bislang nur parteipolitische Taktik in der
SPD-Diaspora Sachsen vermuten.
Auch in Niedersachsen machen Sie seltsame Vor-
schläge: Auch hier wollen Sie eine Kreisstadt, nämlich
Winsen an der Luhe, nicht ihrem Wahlkreis zuordnen.
Und Ihre Vorschläge für Hannover-Land lassen historisch
gewachsene Strukturen völlig unberücksichtigt.
In Schleswig-Holstein setzen Sie sich nicht nur über
die Empfehlungen der Wahlkreiskommission hinweg,
sondern auch über die Vorschläge der rot-grünen Landes-
regierung. So soll der Wahlkreis Segeberg regelrecht zer-
stückelt werden. Uns bleibt auch hier nur ein Verdacht:
Es werden persönliche Interessen von SPD-Bundespo-
litikern bedient.
Warum Frau Sonntag-Wolgast ihre schleswigholstei-
nischen Genossen hier nicht gebremst hat, bleibt ihr Ge-
heimnis. Als Parlamentarische Staatssekretärin im BMI
sollte sie jedoch den fachlichen Argumenten zum Durch-
bruch verhelfen.
Für Baden-Württemberg hört man, dass Sie sogar zu
Ihrem eigenen Gesetzentwurf schon wieder einen der
berühmt-berüchtigten rot-grünen Nachbesserungsanträge
stellen wollen. Ich schlage vor: Holen Sie Luft und wer-
den Sie sich selbst erst einmal einig, bevor Sie uns unaus-
gereifte Gesetzentwürfe vorlegen!
Fazit: Angesichts Ihres Vorgehens und angesichts der
unübersehbaren Mängel Ihres Entwurfs kann ich mir
nicht vorstellen, dass wir zu einer Einigung kommen. Die
letzte Reform in der Zeit unserer Verantwortung dagegen
ist in einem anderen Stil erarbeitet worden: Wir haben ge-
meinsam mit Ihnen in häufigen, langwierigen und inten-
siven Gesprächen nach Lösungen gesucht. Und für über
90 Prozent aller Wahlkreise haben wir diese Lösung auch
gefunden – und das, obwohl gleichzeitig die Zahl der
Wahlkreise zu verringern war. Die Aufgabe damals war
also wesentlich schwieriger als heute.
Wir haben 1998 nur für einen ganz kleinen Teil keine
Einigung erzielen können. Sie aber geraten schon bei der
relativ einfachen Aufgabe der Umsetzung der Empfeh-
lung der Wahlkreiskommission ins Schlingern. Warum?
Weil Sie stumpf auf Mehrheit statt auf Argumente setzen:
Es gibt keine ernsthaften Gespräche, keine ernsthafte Su-
che nach Konsens. Stattdessen versuchen Sie es mit einer
„Ordre de Mehrheit“ und verkünden das Ende der Durch-
sage. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir dies hin-
nehmen werden. Und sind Sie sicher, dass Sie nicht erneut
eine Abstimmung im Innenausschuss verlieren trotz ver-
baler Bedrohung von Koalitionsabgeordneten durch ihren
Parlamentarischen Staatssekretär? Ich hoffe, dass Sie die
Beratungen im Innenausschuss nicht torpedieren. Kehren
Sie zu einem geordneten Verfahren zurück. Es ist keine
Zeitnot. Wenn Sie wollen, können wir in Ruhe und Ver-
nunft beraten. Wir sind dazu bereit. Bleiben Sie aber bei
Ihrer Strategie von Schnelligkeit statt Qualität, werden
wir Ihre Vorschläge einer öffentlichen Anhörung unter-
ziehen müssen.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch
schwere Geburten sind irgendwann einmal überstanden.
Die Neueinteilung der Wahlkreise gehört sicher zu den
besonders aufwendigen und schwierigen parlamentari-
schen Projekten.
DieVerkleinerungdesBundestagesvon656auf598Ab-
geordnete wurde im Jahre 1996 mit Wirkung ab der
15. Wahlperiode beschlossen. Damit einher geht die Ver-
kleinerung der Zahl der Wahlkreise von 328 auf 299.
Die Einteilung der Wahlkreise muss vom Zuschnitt und
von der Zahl der Wählerinnen und Wähler her den hohen
Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die
Gleichheit der Wahlchancen genügen. Daher ist aufgrund
der Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur eine er-
neute Korrektur der 1998 beschlossenen Neueinteilung
notwendig geworden.
Das alles ist für die Öffentlichkeit, auch für unsere Par-
teigliederungen nicht immer leicht nachzuvollziehen.
Wollen wir aber Wahlanfechtungen vermeiden, müssen
wir den hier vorgeschlagenen Weg einer erneuten Kor-
rektur gehen.
Ich möchte hier für meine Fraktion den Kolleginnen
und Kollegen, aber auch den zuständigen Beamtinnen und
Beamten, für diese mühevolle Arbeit in den letzten Jahren
danken. Sie haben eine schwierige und nicht immer dank-
bare Aufgabe gemeistert.
Wir sehen an der komplizierten Einteilung der Wahl-
kreise, wie schwierig und vielschichtig gerade das Pro-
blem der Parlamentsarbeit in der Region ist. Entgegen ei-
ner landläufig gehegten Auffassung sind wir eben nicht
nur hier im Reichstag anzutreffen, sondern auch in unse-
rer Heimat, die wir hier zu vertreten haben.
Manchmal sind jene Kritiker, die laut über angeblich
zu viele Abgeordnete herziehen, die gleichen, die dann zu
wenig Präsenz in den Regionen kritisieren. Genau um die-
ses Problem geht es aber: das angemessene Verhältnis
zwischen einem arbeitsfähigen Parlament hier in Berlin
und unserer persönlichen Nähe zu den Bürgerinnen und
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12701
(C)
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Bürgern. Wir müssen uns darüber klar sein: Je kleiner die
Zahl der Abgeordneten in Berlin, umso großer werden die
Wahlkreise und die Entfernung zu den Menschen.
Bei allen Bemühungen um eine sachgerechte Auftei-
lung: Nicht alle werden zufrieden sein. Das war 1998 so
und das wird auch jetzt angesichts der neuen Veränderun-
gen nicht ausbleiben können. Wenn ich mir die Probleme
etwa im Wahlkreis Soltau-Fallingbostel-Winsen ansehe,
wird das deutlich. Der Kreis liegt bei den Wählerinnen
und Wählern mit 21,6 Prozent deutlich über der Toleranz-
grenze. Hier muss ein Neuzuschnitt erfolgen. Ähnliches
gilt auch für andere Regionen.
Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung verlieren ein-
zelne Bundesländer Wahlkreise. Das betrifft leider in star-
kem Umfang die neuen Bundesländer. Was schon 1998
festgelegt wurde, hat sich angesichts neuer Veränderung
der Bevölkerungszahlen noch verstärkt. Bitter ist das für
Sachsen, das nunmehr gegenüber der letzten Bundestags-
wahl den Verlust von 4 Wahlkreisen zu verschmerzen hat
und nur noch 17 Bezirke erhält.
Sachsen-Anhalt verliert zusätzlich zu den beiden Wahl-
kreisen noch einen weiteren. MecklenburgVorpommern
muss sich mit 7 statt mit 9 Wahlkreisen begnügen; Thürin-
gen verliert 2 Wahlkreise.
Die Menschen in den neuen Ländern werden daher lei-
der stärkere Veränderungen beim Zuschnitt ihrer gerade
erst vertrauten Wahlkreise zu verkraften haben. Es werden
in Zukunft proportional weniger Kolleginnen und Kolle-
gen aus den neuen Ländern im Bundestag sitzen. Ich be-
daure das außerordentlich – habe aber auch keine Lösung
anzubieten, die dem Verfassungsgebot der Wahlgerech-
tigkeit genügen könnte.
Ein Blick über den Atlantik zeigt uns aber recht dras-
tisch, welche Folgen mangelnde Chancengleichheit für
aller Wählerinnen und Wähler haben kann.
Während einige Länder schwächer im Bundestag ver-
treten sein werden, bekommen andere eine – proportional
zur verkleinerten Zahl der Abgeordneten – stärkere Ver-
tretung. Länder mit steigender Bevölkerungszahl können
die Zahl ihrer Wahlkreise halten. So bekommt Schleswig-
Holstein nun doch noch seinen 11. Wahlkreis zurück, den
es nach der ursprünglichen Planung 1998 verloren hatte.
Die gleiche gute Nachricht gilt für mein Bundesland Ba-
den-Württemberg, das sich über den Erhalt seiner gegen-
wärtig 37 Wahlkreise freuen kann.
Für Berlin war es nötig, sich an die neuen Bezirks-
grenzen anzupassen. Auch dies konnte umgesetzt werden.
Dennoch muss auch Berlin mit einem Wahlkreis weniger
auskommen als bisher.
Als Vertreter einer kleinen Partei bin ich mir der Nach-
teile einer Verkleinerung des Parlaments sehr wohl be-
wusst. Gerade in den kleinen Bundesländern werden die
Probleme in der Bürgerarbeit vor Ort noch weiter steigen.
Dennoch können wir das hier gefundene Ergebnis mit-
tragen. Die maßvolle Verkleinerung des Parlaments und
die durchaus vertretbaren Neuzuschnitte der Wahlkreise
zeigen die Reformfähigkeit – auch in eigener Sache.
Rolf Kutzmutz (PDS): Die Notwendigkeit einer Än-
derung – der 16. – des Bundeswahlgesetzes ist in der Pro-
blemstellung für diesen Entwurf klar beschrieben. Es ist
die Bevölkerungsentwicklung in den Bundesländern und
in einigen Wahlkreisen, die es erfordert, die Einteilung
– den Zuschnitt der Wahlkreise – mit den Grundsätzen zu
deren Bildung in Übereinstimmung zu bringen.
Es ist – betrachtet man die beschlossene 15. Änderung
des Bundeswahlgesetzes – eine Reform der Reform. Ein
nicht zu leugnender Ausgangspunkt für all diese Überle-
gungen ist natürlich die Verkleinerung des Bundestages,
der eine umfassende Neueinteilung und Neuverteilung
der Wahlkreise auf die Länder notwendig machte.
Weniger Abgeordnete, das heißt größere Wahlkreise.
Nun sind die eben erst neu eingeteilten Wahlkreis in Kon-
flikt geraten mit der Bevölkerungsentwicklung, dem
Gleichheitsgrundsatz bei der Wahl und in Einzelfällen
auch mit kommunalen und regionalen Gebiets- und Ver-
waltungsstrukturen.
Bei der Wahlkreiseinteilung sollen die Grenzen von
Gemeinden, Kreisen und kreisfreien Städten nach Mög-
lichkeit eingehalten werden, sagt das Bundeswahlgesetz.
Das wird zum Beispiel in Berlin mit dem jetzt vorliegen-
den Gesetzentwurf deutlich. Hier wurden – das ist be-
schrieben – bei Fortführung der gegenwärtigen Wahlkreis-
einteilung sieben der zukünftig zwölf Berliner Bezirke
durch Wahlkreisgrenzen zerschnitten. Durch den Vor-
schlag der Wahlkommission werden jedoch künftig zehn
von zwölf Bezirken einheitlich einem Wahlkreis zugeord-
net.
Die Berliner PDS hat diesem vernünftigen Verfahren
zugestimmt, obwohl mancher uns nicht wohlgesonnener
Zeitgenosse darin auch eine Chance auf Verhinderung ei-
nes Direktmandatsgewinnes der PDS sieht. Darüber las-
sen Sie uns reden und abrechnen, wenn der Wahlabend er-
reicht ist.
In Berlin ist das Konstrukt also nachvollziehbar, viel-
leicht auch für eine Gemeinde wie Niedergörsdorf in
Brandenburg, die bisher durch eine Wahlkreisgrenze ge-
teilt war. Nur, die neue Lösung drittelt den relativ kleinen
Landkreis Teltow-Fläming und schafft neue Probleme,
indem eines überwunden wird. Ebenso problematisch ist
es in Sachsen-Anhalt. Die Kreise werden zum Teil völlig
zerrissen, so der große Landkreis Merseburg-Querfurt.
22 Gemeinden kommen zum Wahlkreis Mansfelder Land
und 18 zum Burgenlandkreis.
Richtig ist: Die Einteilung der Wahlkreise muss die Be-
völkerungsgröße zur Grundlage haben, aber man kann das
dazugehörige Territorium nicht einfach per Zirkelschlag
festlegen.
Es entstehen, besonders in Ostdeutschland, Wahl-
kreise, deren territoriale Ausdehnung nicht nur die Arbeit
der Abgeordneten erschweren wird. 110 km Wegstrecke
von einem Ende des Wahlkreises zum anderen sind wahr-
lich keine Kleinigkeit. Fristen zur Einberufung der Ver-
sammlung der Vertreterinnen und Vertreter, die Rechte
von Mitgliedern der Parteien, aber auch die Möglichkei-
ten und Rechte von Kandidatinnen und Kandidaten müs-
sen im Zusammenhang mit diesem Gesetz noch einmal
geprüft werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 200012702
(C)
(D)
(A)
(B)
Ich will nicht lamentieren, aber klar sagen, dass es
durchaus noch Beratungsbedarf gibt.
Anlage 26
Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit-
geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla-
gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla-
ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung
abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 14/3576 Nr. 1.7
Drucksache 14/3576 Nr. 1.14
Drucksache 14/3723 Nr. 2.12
Drucksache 14/3859 Nr. 1.9
Drucksache 14/4170 Nr. 2.20
Innenausschuss
Drucksache 14/3341 Nr. 2.48
Drucksache 14/4170 Nr. 1.13
Drucksache 14/4170 Nr. 2.73
Drucksache 14/4170 Nr. 2.91
Ausschuss fürWirtschaft
und Technologie
Drucksache 14/3723 Nr. 2.5
Drucksache 14/3723 Nr. 2.9
Drucksache 14/3723 Nr. 2.17
Drucksache 14/3723 Nr. 2.18
Drucksache 14/3859 Nr. 1.2
Drucksache 14/3859 Nr. 1.3
Drucksache 14/3859 Nr. 1.8
Drucksache 14/3859 Nr. 2.13
Drucksache 14/3859 Nr. 2.22
Drucksache 14/3859 Nr. 2.24
Drucksache 14/3859 Nr. 2.26
Drucksache 14/3859 Nr. 2.27
Drucksache 14/3859 Nr. 2.29
Drucksache 14/3859 Nr. 2.31
Drucksache 14/3859 Nr. 2.32
Drucksache 14/3859 Nr. 2.34
Drucksache 14/3859 Nr. 2.35
Drucksache 14/3859 Nr. 2.36
Drucksache 14/3859 Nr. 2.38
Drucksache 14/3859 Nr. 2.40
Drucksache 14/3859 Nr. 2.41
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten
Drucksache 14/1936 Nr. 1.9
Ausschuss für Gesundheit
Drucksache 14/4170. Nr. 1.6
Ausschuss für Verkehr, Bau
und Wohnungswesen
Drucksache 14/3859 Nr. 2.5
Drucksache 14/3859 Nr. 2.8
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Drucksache 14/3341 Nr. 2.30
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
Drucksache 14/4092 Nr. 1.4
Drucksache 14/4170 Nr. 2.24
Drucksache 14/4170 Nr. 2.69
Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
Drucksache 14/3146 Nr. 2.6
Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union
Drucksache 14/3576 Nr. 2.1
Drucksache 14/3859 Nr. 2.37
Drucksache 14/4170 Nr. 1.3
Drucksache 14/4170 Nr. 1.9
Drucksache 14/41 70 Nr.2.14
Drucksache 14/4170 Nr. 2.57
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 131. Sitzung. Berlin, Freitag, den 10. November 2000 12703
(C)
(D)
(A)
(B)
Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin