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ID1412928500

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    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 12403 A Absetzung der Tagesordnungspunkte 11, 16 a und b, 21 a und b sowie 28 c . . . . . . . . . . . . . 12403 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 12403 B Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung zurGrün- dung des Deutschen Forums für Krimi- nalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12404 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 12404 C Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 12405 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 12405 D Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . 12406 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 12406 C Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . 12406 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 12406 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12407 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 12407 A Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12408 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 12408 A Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG . 12408 B Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12408 B Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG . 12408 C Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 14/4468) . . . . . . . . . . . . . . . 12408 C Bewertung der Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes im Kulturbereich an die Länder durch StMin Naumann MdlAnfr 1 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. Antw StMin Dr. Michael Naumann BK . . . . . 12408 D ZusFr Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . 12409 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 12410 A ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . 12410 C ZusFr Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . 12411 A ZusFr Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 12411 D Kw-Vermerk auf Planstellen beim Bundes- grenzschutz in Schleswig-Holstein MdlAnfr 2 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 12412 A ZusFr Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 12412 B Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Ein- künften im Zusammenhang mit der Einführung einer Entferungspauschale MdlAnfr 3 Max Straubinger CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 12413 D ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . 12413 D ZusFr Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . 12414 C ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12415 A Plenarprotokoll 14/129 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 129. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 I n h a l t : Kostenaufteilung zwischen Bund und Land Niedersachsen zwecks Deckung des Defizits der EXPO 2000; Höhe des Defizits MdlAnfr 4 Gudrun Kopp F.D.P. Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 12415 B ZusFr Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 12415 C ZusFr Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . 12416 A ZusFr Heidi Lippmann PDS . . . . . . . . . . . . . . 12416 B ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . 12416 B ZusFr Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . 12416 C Unterschiedliche Aussagen über die Kosten der PR-Kampagne in Tschechien MdlAnfr 6 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 12416 D ZusFr Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. . 12417 B Beitritt Polens zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen; Ge- brauch von Minderheitensprachen in Polen MdlAnfr 7 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 12417 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 12418 B Stand des Gesetzgebungsprozesses im polni- schen Parlament über einen Gesetzentwurf zur Reprivatisierung von nach dem Zweiten Welt- krieg enteignetem Vermögen MdlAnfr8 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 12418 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 12418 D Kontakte von Außenminister Fischer zum Ex- Terroristen Hans-Joachim Klein im Jahre 1973; Dauer dieser Kontakte MdlAnfr 9, 10 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 12419 B ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12419 B ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12420 A ZusFr Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 12420 C ZusFr Bernd Schmidbauer CDU/CSU . . . . . . 12420 C Eckart von Klaeden CDU/CSU (zur GO) . . . 12421 A Dr. Uwe Küster SPD (zur GO) . . . . . . . . . . . . 12421 A Wolfgang Gehrcke PDS (zur GO) . . . . . . . . . 12421 A Steffi Lemke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (zur GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12421 B Eckart von Klaeden CDU/CSU (zur GO) . . . 12421 D Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer . . . . . . . . . 12421 D Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters . . . . . . 12422 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zur Rückkehr zu den Grundsätzen der Nettolohnanpassung im Jahr 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12422 A Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12422 A Ulrike Mascher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12423 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 12424 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12425 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P. . . . . . . . . . . . . 12426 A Erika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12427 B Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 12428 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12430 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 12431 C Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . . 12432 C Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12434 A Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 12435 A Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU . . 12436 B Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12437 C Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Helga Kühn- Mengel, Anni Brandt-Elsweier, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Monika Knoche, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Frau- enspezifische Gesundheitsversorgung (Drucksache 14/3858) . . . . . . . . . . . . . 12439 B b) Antrag der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Eva-Maria Kors, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion CDU/ CSU: Konkrete Gesundheitspo- litik für Frauen (Drucksache 14/4381) . . . . . . . . . . . . . 12439 B Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 12439 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 12442 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12444 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000II Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12445 D Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12447 A Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 12447 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12448 A Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . 12449 A Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 12450 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12452 B Tagesordnungspunkt 4: Große Anfrage der Abgeordneten Claudia Nolte, Birgit Schnieber-Jastram, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Reform des Behindertenrechts (Drucksachen 14/2290, 14/3681) . . . . . . . 12453 D Claudia Nolte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 12453 D Karl-Hermann Haack, Beauftragter der Bun- desregierung für die Belange der Behinderten 12455 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12457 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 12458 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12460 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12462 B Matthäus Strebl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12463 A Silvia Schmidt (Eisleben) SPD . . . . . . . . . . . 12464 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12466 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 12466 C Silvia Schmidt (Eisleben) SPD . . . . . . . . . . . 12467 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 12467 A Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von den Abgeordneten Detlef Parr, Ina Lenke, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes- serung der Möglichkeiten des medika- mentösen Schwangerschaftsabbruchs (Drucksache 14/4289) . . . . . . . . . . . . . . . 12468 B Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12468 B Hildegard Wester SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12469 A Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12469 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 12470 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12472 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 12472 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12473 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12473 C Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12474 B Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12475 A Dr. Hansjörg Schäfer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 12475 B Anke Eymer (Lübeck) CDU/CSU . . . . . . . . . 12476 C Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12477 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . 12478 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. 12478 D Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12479 C Tagesordnungspunkt 6: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährli- cher Hunde (Drucksache 14/4451) . . . . . . . . . . . . . 12480 D b) Antrag der Abgeordneten Alfred Hartenbach, Margot von Renesse, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Obliga- torische Haftpflichtversicherung für Hunde (Drucksache 14/3825) . . . . . . . . . . . . . 12480 D c) Antrag der Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Bevölkerung wirksam vor „Kampf- hunden“ schützen (Drucksache 14/3785) . . . . . . . . . . . . . 12480 D Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Klaus Brähmig, Otto Bernhardt, weiteren Abgeordneten und der Fraktion CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine einmalige Entschädigung an die Heimkehrer aus dem Beitrittsgebiet (Drucksache 14/4144) . . . . . . . . . . . . . . . 12481 A Klaus Brähmig CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 12481 B Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12483 B Jürgen Türk F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12484 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12485 A Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12486 A Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . 12486 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 III Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Peter Letzgus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Gemeinnützige Vereine von hohen Energiekosten ent- lasten (Drucksache 14/4386) . . . . . . . . . . . . . . . 12487 D Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Doppelte Haushaltsführung) (Drucksache 14/4437) . . . . . . . . . . . . . 12488 A b) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Freibe- träge für Abfindungen) (Drucksache 14/4438) . . . . . . . . . . . . . 12488 A Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12488 B Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12489 B Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Dr. Eberhard Brecht, Gert Weisskirchen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Rita Grießhaber, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend (Drucksache 14/4439) . . . . . . . . . . . . . . . 12489 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, Petra Bläss, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion PDS: Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Millenni- ums-Erklärung der Vereinten Nationen (Drucksache 14/4525) . . . . . . . . . . . . . . . 12490 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12490 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 12491 A Anlage 2 Höhe der nicht realisierten Forderungen bei der Bundesanstalt für Arbeit MdlAnfr 5 Dirk Niebel F.D.P. Antw PStSekr’in Ulrike Mascher BMA . . . . . 12491 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung ge- fährlicher Hunde zu den Anträgen: – Obligatorische Haftpflichtversicherung für Hunde – Bevölkerung wirksam vor „Kampfhunden“ schützen. (Tagesordnungspunkt 6 a bis c) Ernst Bahr SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12492 B Günter Baumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 12493 A Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 12494 D Gudrun Kopp F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12495 B Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . . 12495 D Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär BMI 12496 B Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Gemeinnützige Vereine von hohen Energiekosten entlasten (Tagesordnungspunkt 8) Dieter Grasedieck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 12497 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . . 12497 D Norbert Barthle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 12499 A Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12500 B Ernst Burgbacher F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 12501 A Gustav-Adolf Schur PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 12501 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: – ... Gesetz zur Änderung des Einkommen- steuergesetzes (Doppelte Haushaltsführung) – ... Gesetz zur Änderung des Einkommensteu- ergesetzes (Freibeträge für Abfindungen) (Tagesordnungspunkt 9 a und b) Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 12502 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12504 B Gisela Frick F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12504 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000IV Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend – Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Mil- leniums-Erklärung der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 2) Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 12505 B Clemens Schwalbe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 12506 A Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12507 C Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 12508 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 12509 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 12490 (C)(A) 1) Anlage 6 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12491 (C) (D) (A) (B) Altmaier, Peter CDU/CSU 08.11.2000 Balt, Monika PDS 08.11.2000 Behrendt, Wolfgang SPD 08.11.2000* Bertl, Hans-Werner SPD 08.11.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 08.11.2000 Joseph-Theodor Büttner (Ingolstadt), SPD 08.11.2000 Hans Ehlert, Heidemarie PDS 08.11.2000 Elser, Marga SPD 08.11.2000 Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 08.11.2000 Andrea DIE GRÜNEN Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 08.11.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 08.11.2000 Gröhe, Hermann CDU/CSU 08.11.2000 Hempelmann, Rolf SPD 08.11.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 08.11.2000 DIE GRÜNEN Hiller (Lübeck), SPD 08.11.2000 Reinhold Hirche, Walter F.D.P. 08.11.2000 Hübner, Carsten PDS 08.11.2000 Jünger, Sabine PDS 08.11.2000 Lamers, Karl CDU/CSU 08.11.2000 Lehder, Christine SPD 08.11.2000 Lennartz, Klaus SPD 08.11.2000 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 08.11.2000 Klaus W. Lötzer, Ursula PDS 08.11.2000 Müller (Berlin), PDS 08.11.2000 Manfred Schloten, Dieter SPD 08.11.2000 von Schmude, Michael CDU/CSU 08.11.2000 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 08.11.2000 Christian Dr. Thomae, Dieter F.D.P. 08.11.2000 Wiesehügel, Klaus SPD 08.11.2000 Wülfing, Elke CDU/CSU 08.11.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher auf die Frage des Abgeordneten Dirk Niebel (F.D.P.) (Drucksache 14/4468, Frage 5): Wie hoch beziffern sich nach Ansicht der Bundesregierung die nicht realisierten Forderungen bei der Bundesanstalt für Arbeit und wie gedenkt sie, auf eine Realisierung dieser finanziellen Mit- tel hinzuwirken? Die eigenen Forderungen der Bundesanstalt für Arbeit beliefen sich zum Stichtag 30. September 2000 auf ins- gesamt rund 4,1 Milliarden DM. Hiervon entfielen rund 1,6 Milliarden DM (= rund 40 Prozent) auf Arbeitslosen- geld. Bei den Arbeitslosengeld-Forderungen haben die gesetzlichen Anspruchsübergänge einen Anteil von rund 50 Prozent. Der restliche Forderungsbestand verteilt sich insbesondere auf Darlehensforderungen (rund 19 Pro- zent), Erstattungsforderungen von Arbeitslosengeld ge- genüber Arbeitgebern (rund 8 Prozent) und Forderungen aus der Winterbau-Umlage (rund 4 Prozent). Rund 60 Prozent der Forderungen der Bundesanstalt sind keine Überzahlungen, sondern beruhen auf gesetzli- chen Regelungen, wie zum Beispiel Darlehensforderun- gen, Geldbußen und gesetzlichen Verpflichtungen der Bundesanstalt für Arbeit zu Vorleistungen, wie zum Bei- spiel Anspruchsübergänge gegen andere Sozialversiche- rungsträger oder Erstattung von Arbeitslosengeld durch Arbeitgeber. Die Bundesanstalt für Arbeit zieht jedoch nicht nur eigene Forderungen, sondern auch Forderungen des Bun- des und Forderungen sonstiger Stellen aufgrund ihrer Aufgabenstellung ein. Am Stichtag 30. September 2000 wurden von der Bundesanstalt für Arbeit folgende Forde- rungen nachgewiesen: Insolvenz-Forderungen: 7 152 Mil- lionen DM, Forderungen des Bundes: 1 334 Millionen DM, Forderungen sonstiger Stellen (zum Beispiel Länder): 22 Millionen DM. Die Einziehung der Insolvenzgeld-Forderungen in Höhe von 7,152 Milliarden DM erfolgt von der Bundes- anstalt für Arbeit treuhänderisch für die Unfallversiche- rungsträger. Einnahmen aus diesen Forderungen kommen deshalb nicht dem Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit zugute, sondern vermindern die Insolvenzgeld-Umlage entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht der Unfallversicherungsträger. Die von der Bundesanstalt verwalteten Forderungen des Bundes entfallen zu rund 70 Prozent auf die Arbeitslosenhilfe und zu rund 20 Pro- zent auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und Bundeskindergeldgesetz. Für die Einziehung der For- derungen setzt die Bundesanstalt ein äußerst leistungs- fähiges, automatisiert ablaufendes Datenverarbeitungs- verfahren ein. In diesem Verfahren werden die Schuldner innerhalb von zehn Tagen nach Fristüberschreitung kos- tenpflichtig gemahnt. Wird auch dieser Termin nicht ein- gehalten, werden Vollstreckungsersuchen an die Haupt- zollämter in einem mit dem Bundesministerium der Fi- nanzen abgestimmten Datenverarbeitungsverfahren übermittelt. Allein in den ersten neun Monaten wurden den Hauptzollämtern insgesamt 507 000 Vollstreckungs- ersuchen mit einem Volumen von 1,029 Milliarden DM übermittelt. Soweit die Schuldner selbst Leistungen von der Bun- desanstalt beziehen, werden bestehende Aufrechnungs- möglichkeiten genutzt. In den ersten neun Monaten des Jahres 2000 wurden von der Bundesanstalt, bezogen auf alle verwalteten Forderungen, Einnahmen in Höhe von 2,787 Milliarden DM erzielt. Bis zum Jahresende werden Einnahmen in Höhe von rund 3,7 Milliarden DM erwar- tet. Bezogen auf den ausgewiesenen Forderungsbestand zum 30. September 2000 wären dies rund 30 Prozent. Der Bestand an Schuldnerkonten bei der Bundesanstalt ist einem starken Wechsel unterworfen. Dies wird dadurch deutlich, dass im bisherigen Jahresverlauf rund 994 000 Schuldnerkonten neu hinzugekommen sind, während bis- her rund 990 000 Schuldnerkonten abgeschlossen werden konnten. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde zu den Anträ- gen: – Obligatorische Haftpflichtversicherung für Hunde – Bevölkerung wirksam vor „Kampfhunden“ schützen (Tagesordnungspunkt 6 a bis c) Ernst Bahr (SPD): Hunde, die bellen, beißen nicht. Dieser Spruch wurde in den letzten Monaten immer wie- der auf tragische Weise bestätigt. Denn bestimmte Hunde halten sich erst gar nicht lange mit Bellen auf, sondern beißen gleich zu; schlimmer noch: Sie beißen ihre Opfer im Blutrausch tot. Die schrecklichen Bilder vom 26. Juni diesen Jahres sind uns allen noch gegenwärtig. Der sechs- jährige Volkan liegt, von einem dieser so genannten Kampfhunde totgebissen, auf einem Hamburger Spiel- platz. Diesem furchtbaren Unglück sind etliche vorange- gangen, etliche gefolgt. Wir alle wissen, dass auch Hunde durch Erziehung und Ausbildung in ihrem Verhalten bestimmt werden. Es liegt zum großen Teil am Ausbilder, ob aggressive Veranla- gungen in einem Hund verstärkt oder abgeschwächt wer- den und ob andere, „liebenswerte“ und nützliche Charak- tereigenschaften des Tieres hervorgehoben werden. Die Gründe für die Haltung von Hunden sind vielfältig. Hunde können ganz einfach Gefährten sein, Haustiere in der ureigensten Bedeutung, die als Familienangehörige betrachtet werden. Für uns Menschen dienen sie in vielen Lebensbereichen als Nutztiere, beispielsweise der Polizei, dem Blinden, dem Landwirt und dem Jäger. Hunde kön- nen gar als Lebensretter eingesetzt werden, zum Beispiel bei Lawinenunglücken oder bei Erdbeben. Leider gibt es auch die Gruppe von Hundehaltern, die einen Hund ha- ben, weil sie andere Bürger einschüchtern und Macht de- monstrieren wollen. Einschüchterung und Bedrohung sind das Ziel. Auf diese Weise wird der Hund als Waffe eingesetzt. Und genauso müssen diese Hunde auch einge- stuft werden: als lebende Waffen. Daher ändern wir die bestehenden Gesetze. Der vorlie- gende Gesetzentwurf trägt dem berechtigten Anspruch der Bürger nach Sicherheit stärker Rechnung, als das bis- her der Fall ist. Auf dem Spielplatz, auf der Parkbank, als Jogger und in der U-Bahn soll man sich vor Hunden nicht fürchten müssen. Der Erwerb und die Haltung gefähr- licher Hunde, die im Zweifelsfall als unkontrollierbare Waffen einzustufen sind, werden künftig untersagt. In drei Schwerpunkte gegliedert, erfüllt der Gesetzent- wurf die Forderungen, die sich aus der intensiven öffent- lichen Debatte ergeben haben. Zum einen regelt er die Einfuhr von Hunden. Pitbull-Terrier, American Stafford- shire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier sowie deren Kreu- zungen müssen künftig draußen bleiben. Er greift zwei- tens umfassender als bisher die Belange des Tierschutzes auf. Oft leiden Tiere, auch Hunde, lebenslang durch ge- zielt gezüchtete Eigenschaften. Das wird es zukünftig nicht mehr geben. Drittens sieht er eine konsequentere und schärfere Verfolgung von Hundehaltern und Hunde- züchtern vor, die gegen das Gesetz verstoßen. Gesetzes- brecher müssen künftig mit Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren rechnen. Somit berührt der Gesetzentwurf auch Teile des Strafgesetzbuches. Der Gesetzentwurf ist eine sinnvolle Ergänzung län- derrechtlicher Regelungen. Die Abwehr von Gefahren, die durch gefährliche Hunde verursacht werden, ist in Deutschland in erster Linie Aufgabe der Bundesländer. Im Rahmen des Polizeirechts haben sie die entscheidenden Regelungen zu treffen. Die Länder müssen sich jedoch schnellstens um eine Harmonisierung ihrer Regelungen bemühen. Zurzeit ist es leider noch so, dass man ohne Problem mit einem Hund ins Ausland fahren kann, aber beim Überqueren der Bundesländergrenzen nicht weiß, wie und ob der Hund mitgeführt und gehalten werden darf. Auch die von vielen befürwortete Einführung einer ob- ligatorischen Haftpflichtversicherung für Hunde liegt nicht in der Kompetenz des Bundes. Der Komplex ist dem Ordnungsrecht zuzuordnen, das gleichfalls den Ländern obliegt. Hysterie, wie sie in der öffentlichen Diskussion häufig zu hören war, ist auch bei diesem Thema fehl am Platz. „Omas Liebling“ darf nicht zum Kampfhund abgestem- pelt werden, nur weil einzelne Halter ihre Hunde auf Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012492 (C) (D) (A) (B) Aggressivität züchten und entsprechend führen. Im Ent- wurf werden die angesprochenen Hunderassen auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Diskriminierung von Hunden wird es nicht geben, aber die per Gesetz durch- setzbare Minimierung von Gefahr. Denn wir haben in- zwischen zu oft mit ansehen müssen, wenn „unser Hund nicht beißt“. Günter Baumann (CDU/CSU): Zwei Kampfhunde haben einen sechsjährigen Jungen am 26. Juni diesen Jah- res auf einem Schulgelände tot gebissen. Das Kind starb kurz nach dem Hundeangriff noch an der Unglücksstelle am Rande des Sportplatzes. Nach Erkenntnissen der Poli- zei hatte sich eine Gruppe von Kindern am Außenplatz auf den Sportunterricht vorbereitet, als ein Pitbull-Terrier und ein Staffordshire-Terrier den Jungen angriffen. Leider kein Einzelfall: In jüngster Zeit gab es vermehrt Angriffe von gefährlichen Hunden auf Menschen. Wir kennen alle die Berichte darüber, die Öffentlichkeit ist sehr aufge- bracht und stellt die Frage: „Was muss eigentlich noch alles passieren, damit endlich gehandelt wird?“ Die Gesellschaft kann Angriffe auf das Leben und die Gesundheit seiner Bürger nicht hinnehmen. Gefährliche Tiere bzw. das verantwortungslose Handeln bestimmter Hundehalter haben uns alle in Gefahr gebracht. Restrik- tive Maßnahmen zum Schutze der Menschen sind drin- gend geboten. Der Deutsche Bundestag hat sich am 30. Juni 2000 unverzüglich nach den Vorkommnissen von Hamburg in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema be- schäftigt und es war für die Öffentlichkeit in unserem Lande positiv, dass sich die Parteien in der Grundtendenz einig waren, neue und härtere Vorschriften gegen Kampf- hunde zu erlassen. Die Abwehr von Gefahren, die durch Kampfhunde verursacht werden, ist in erster Linie Aufgabe der Bun- desländer. Sie haben Gesetze und Regelungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu erlassen. Bereits in der Vergangenheit, im Jahr 1991, hatte es eine bemer- kenswerte Bundesratsinitiative der Länder Nordrhein- Westfalen, Bremen und Niedersachsen gegeben, die Ag- gressionsdressur und -züchtung auf Bundesebene zu ver- bieten. Das Gesetz sah vor, das Tierschutzgesetz, das Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz zu ändern. Im Hinblick auf die Bedenken gegen die Zustän- digkeiten des Bundes und angesichts der Zuordnung der zu regelnden Materie zum Polizei- und Ordnungsrecht, die zur Zuständigkeit der Länder gehören – Art. 70Abs. 1 Grundgesetz –, scheiterte das Gesetzvorhaben. Seit Jahren versuchen Länder und Gemeinden, dem „Kampfhundeproblem“ mit hohen Steuern zu begegnen. Diese Bemühungen zeigen nur einen geringen Erfolg, da Hundehalter – teilweise erfolgreich – vor den Verwal- tungsgerichten die Rechtsverordnungen in verschiedenen Bundesländern zum Halten und Führen gefährlicher Hunde bzw. die Steuersatzung von Gemeinden angefoch- ten haben. In den einzelnen Bundesländern sind unterschiedliche gesetzliche Regelungen in Kraft, wobei die seit 1992 gel- tende Kampfhunde-Verordnung in Bayern am weitge- hendsten ist. Kampfhundezucht ist verboten. Pitbulls dür- fen gar nicht, andere nur unter strengsten Auflagen gehalten werden. Andere Landesregelungen gehen nicht so weit und beschränken sich auf Maulkorb- oder Lei- nenzwang. Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungs- gerichte haben in Normenkontrollverfahren wiederholt derartige Landesregelungen als rechtswidrig und damit als nichtig erklärt, wie zum Beispiel in Baden-Württem- berg, Hessen oder in Niedersachsen. Trotzdem sind die Bundesländer in der Pflicht. Die ständige Konferenz der Innenminister und Innen- senatoren der Länder haben sich durch Beschlüsse vom 5. Mai und 28. Juni 2000 auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, die von den einzelnen Ländern in Gesetze bzw. Verordnungen umgesetzt werden müssen. Es sind Regelungen der Länder bereits erlassen oder in Vorberei- tung, jedoch in jedem Bundesland andere Vorschriften. Der Bund kann bei so einem wichtigen Thema; ich ver- trete diese Meinung: Er muss die landesrechtlichen Rege- lungen durch Bundesregelungen ergänzen. Uns liegen heute drei Gesetzesanträge zur ersten Bera- tung vor: Erstens. Ein Gesetz der Bundesregierung. In dem Ent- wurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde soll das Verbringen gefährlicher Hunde in das Inland ge- regelt, sowie das Tierschutzgesetz, das Strafgesetzbuch und das Hundeeinfuhrbeschränkungsgesetz novelliert werden. Wesentliche Regelungen des Gesetzes sind: In Art. 1 wird ein absolutes Einfuhrverbot für die Hun- derassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier und Staffordshire-Bullterrier sowie Kreuzungen mit den genannten Tieren geregelt. Ferner wird für das Verbrin- gen sonstiger nach Landesrecht einem Haltungs-, Zucht- oder Handelsverbot unterworfener Hunde eine Genehmi- gungspflicht eingeführt. Der Antragssteller muss, für die Genehmigung ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen, das sich nach den inhaltlichen Vorgaben des Landes rich- tet. Verstöße gegen das Verbringungsverbot sind strafbar: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. In Art. 2 werden tierschutzgesetzliche Normen geän- dert, insbesondere § 11 b, Qualzüchtungen, und § 12, Ver- bringungs-, Verkehrs- und Haltungsverbote. In § 11 b sind Verschärfungen vorgesehen. Zukünftig wird es verboten sein, Wirbeltiere zu züchten, wenn damit gerechnet wer- den muss, dass bei den Nachkommen unter anderem erb- lich bedingte Aggressionssteigerungen auftreten werden. Dieses Verbot gilt auch dann, wenn dem Tier selbst durch die Zucht kein Leid zugefügt wird. Im Übrigen wird für das Bundesministerium eine Verordnungsermächtigung eingeführt, für den Fall der Gefahr im Verzuge Regelun- gen zu treffen oder wenn dies durch Rechtsakte der EU erforderlich wird. In Art. 3 ist vorgesehen, einen neuen § 143 in das Straf- gesetzbuch einzufügen, der den Verstoß gegen landes- rechtliche Verbote, gefährliche Hunde zu züchten oder mit ihnen zu handeln, unter Strafe stellt: Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, sollen eingezogen werden dür- fen. Zweitens. Gesetzentwurf der SPD und des Bündnis- ses 90/Die Grünen: Einführung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für Hunde. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12493 (C) (D) (A) (B) Drittens. Gesetzentwurf der F.D.P. mit zum Teil sehr weitgehenden Maßnahmen, zum Beispiel bei Änderung des Waffengesetzes, den Waffenbegriff auf Kampfhunde zu erweitern oder auch den Bußgeldrahmen bei Verstoß gegen das „Halten gefährlicher Tiere“ auf 50 000 DM zu erhöhen. Ich denke, das Gesetz der Bundesregierung zielt in die richtige Richtung, aber so, wie es hier vorliegt, ist es nicht anwendbar. In der Beratung des Bundesrates am 20. Okto- ber 2000 gab es zu diesem Gesetz 30 Änderungsanträge, die alle angenommen wurden. Zum Beispiel § 1 Genehmi- gungspflicht: Hier ist geregelt, dass die drei Arten von Kampfhunden Pitbull-Terrier, Staffordshire-Terrier und Staffordshire-Bullterrier nicht in das Inland gebracht wer- den dürfen. Wer einen Hund, für den nach landesrechtli- chen Vorschriften – das Züchten oder Handeln verboten oder beschränkt oder – das Halten verboten ist, in das In- land bringen will, bedarf der Genehmigung. Maßgeblich sind die Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll. Die Genehmigung erteilt auf schriftlichen Antrag die nach Landesrecht zu- ständige Behörde, soweit ein berechtigtes Interesse nach- gewiesen werden kann. Soweit die Beförderung des Hun- des durch das Gebiet eines anderen Landes erforderlich ist, ist die Genehmigung dieses Landes erforderlich. Wer soll dies in der Praxis durchführen? Mit Recht kri- tisiert dies der Bundesrat und auch wir als CDU/CSU. Ge- rade hier zeigt sich, dass die im Gesetzentwurf der Bun- desregierung vorgesehene Regelung, im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungen der Länder, nicht nach- vollziehbar ist, weil vielfach die Einordnung des Hundes als gefährlich an eine Begutachtung und weitere Voraus- setzungen geknüpft wird. In der Praxis ist aber nicht zu gewährleisten, dass an der Grenzkontrollstelle aufgrund einer nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht vorgesehenen Einzelfallprü- fung die Einordnung eines Hundes als „gefährlich“ oder nicht erfolgen kann. Das Beispiel zeigt, dass es für den Bund alleine schwierig ist, ein Gesetz zu schaffen, das das Halten und die Einfuhr von Kampfhunden verbietet. Dies geht nur mit den Ländern im Einklang. Gestatten Sie mir an dieser Stelle, die Forderung der CDU/CSU aufzuzeigen. Die Union hat aktuell wieder ge- fordert, die Zucht und auch den Import von Kampfhunden konsequent zu unterbinden. Zuwiderhandlungen hierge- gen müssen streng bestraft werden. Nicht jeder kann Kampfhunde halten. Wir brauchen eine Art Hundeführer- schein. Das Recht, gefährliche Hunde halten zu können, ist an strenge Voraussetzungen zu knüpfen. Straftäter dür- fen keine gefährlichen Hunde halten. Viele Menschen fühlen sich von Hunden bedroht, auch wenn es keine Kampfhunde sind. Hier kann ein Leinenzwang in be- stimmten Gebieten oder die Pflicht, in der Öffentlichkeit einen Maulkorb anzulegen, helfen. Wir wissen, dass die verfassungsrechtliche Kompe- tenzlage dem Bund nicht ermöglicht, all diese Fragen durch Bundesgesetze zu regeln. Aber: Wichtig ist uns, dass Kompetenzprobleme nicht dazu führen, dass es zu weiteren Verzögerungen bei den gebotenen Maßnahmen kommt. Wichtig ist für uns auch, dass schnell durch Ge- setz eine Pflichtversicherung für Hundehalter eingeführt wird, wie es im Gesetzentwurf der SPD und des Bündnis- ses 90/Die Grünen vorgeschlagen wurde, und zwar um für die Geschädigten, die bei Beißzwischenfällen erheblich verletzt und zum Teil mit bleibenden Schäden rechnen müssen, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schädi- gers abzuwenden und sicherzustellen, dass der Halter und nicht der Geschädigte die finanziellen Folgen trägt. Eine Beschränkung der Versicherungspflicht nur auf „gefährli- che Hunde“ ist nicht zweckmäßig, da bereits bei einem Beißzwischenfall mit einem bis dahin „nicht gefährlich“ eingestuften Hund schwerwiegende Schäden entstehen können. Hierbei könnte auf die Regelungen des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter vor- bildhaft zurückgegriffen werden, um so Direktansprüche gegen den Versicherer zu ermöglichen und auch das Han- deln des Hundeführers mit einzubeziehen. Wir müssen in den Ausschüssen an den vorliegenden Gesetzentwürfen unter Beachtung der Vorschläge des Bundesrates zu einer vernünftigen, tragfähigen und um- setzbaren Regelung kommen. Die Bevölkerung erwartet dies von uns und das möglichst ohne Parteienstreit. Rea- gieren wir aber auch nicht überzogen: Kein „Kampf dem Hund“ sondern ein „Kampf dem Kampfhund“. Denken wir an die übergroße Zahl von Besitzern unauffälliger Hunde, an Blindenhunde, Rettungshunde usw. Der Hund gehört in unser Leben, in unsere Familien. Eines muss zum Schluss noch zu Kampfhunden oder auch zum Kampf erzogenen „normalen“ Hunden gesagt werden: „Das eigentliche Problemtier hängt meist am oberen Ende der Leine!“ Und dies ist ein Problem unserer Gesellschaft, bei dem wir alle gefordert sind. Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bürgerinnen und Bürger erwarten schon lange einen bes- seren Schutz vor gefährlichen Hunden. Die Probleme mit bestimmten Hunden – und ihren Haltern – sind seit vielen Jahren bekannt. Bekannt ist auch längst der tierschutzwid- rige Missbrauch dieser Tiere durch verantwortungslose Züchter und Halter. Bekannt ist – hier in Berlin vor allem am Schuhwerk zu besichtigen – der Vorrang öffentlicher Straßen und Grünanlagen für Hunde. Die Reaktion auf den Tod des kleinen Jungen in Ham- burg am 26. Juni ist ein typisches Beispiel für die Reak- tion der Politik. Nachdem jahrelang herumgeredet wurde, brach plötzlich allenthalben die große Normierungswut aus. Statt sich aber auf einheitliche Maßstäbe zu verstän- digen, haben wir nun einen Flickenteppich von Länderre- gelungen. Diese mangelnde Koordination der Länder un- tereinander ist gegenwärtig eines unserer Hauptprobleme. Ich fordere an dieser Stelle die Länder nachdrücklich zu einer besseren Abstimmung untereinander auf. Die Bürger haben wenig Verständnis für so viel Eigenbrötelei auf Kosten der Rechtsklarheit. Für diesen Schutz der Bürgerinnen und Bürger sind nach unserer Verfassung in erster Linie die Bundesländer verantwortlich. Sie haben nun einmal die Verantwortung für das Polizei- und Ord- nungsrecht. Der Bund kann nur im Bereich Tierschutz und Tierhandel als Gesetzgeber aktiv werden. Ich bin froh da- rüber, dass er jetzt endlich diese Kompetenz in Anspruch nimmt und Rahmenbedingungen für die Eindämmung der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012494 (C) (D) (A) (B) vielfältigen Missbräuche schafft. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist der richtige Weg. Die F.D.P. hingegen macht es sich hier rechtlich zu ein- fach. Sie definiert den Hund als Waffe, um so die Bun- deszuständigkeit zu begründen. Gewundert hat mich auch im Antrag der F.D.P., dass Sie zwar Qual- und Aggressi- onszüchtungen verbieten wollen – vom Import aber nur Qualzüchtungen ausnehmen wollen. Ich habe den Ein- druck, Sie wollen sich hier um die Aussage herum- drücken, ein Importverbot für bestimmte Zuchtlinien zu verhängen. Gerade darum geht es aber hier. Sie wollen sich wohl bei den Züchtern und Haltern lieb Kind machen. Wenn wir Ihre Eckpunkte aufgreifen würden, bekämen wir kein Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde, sondern eher ein Hunde-Einfuhr-Beschränkungs-Verhin- derungsgesetz. Ausreden und Halbheiten können nicht länger ange- hen. Ich weiß, wie sehr man sich auf Landesebene um diese Listen und den konkreten Umgang mit unter uns le- benden Tieren streitet. Hier geht es aber um die Verhinde- rung der Einfuhr immer neuer Tiere – oft genug aus äußerst problematischen Züchtungen. Wollen wir das in den Griff bekommen, müssen wir uns auf bestimmte Hun- derassen verständigen. Der Entwurf greift hier den Vor- schlag der Innenministerkonferenz vom 28. Juni auf. Eigentlich müssten sich die Kritiker der so genannten Rasselisten in den Ländern nun für ein totales Importver- bot aller Hunde aussprechen. Das wäre aber eine absurde Überreaktion. Ein Beharren auf der Gleichbehandlung aller Hunderassen würde daher den Bundesgesetzgeber lähmen und damit einen wirksamen Schutz der Menschen verhindern. Nein, wir müssen handeln, und zwar hier und jetzt! Der Import bestimmter Zuchtlinien wie des Pitbull und Staf- fordshire-Terrier muss verboten werden. Auch die Durch- setzung des Einfuhrverbots für landesrechtlich verbotene Tiere ist sicherzustellen. Geschäftemacher, die gegen diese Einfuhrverbote verstoßen, machen sich künftig strafbar. Der Weg der Bundesregierung und der Koalitionsfrak- tionen ist klar und unmissverständlich. Wir wollen, dass die Aggressionszucht wirksamer bekämpft werden kann. Sie wird künftig auch dann untersagt, wenn sie nicht mit Leiden für das Tier verbunden ist. Die bisherige Regelung war hier nicht konsequent genug. Aggressiv kann ein Tier auch dann sein, wenn es keine Schmerzen leidet. Einigkeit besteht – ich hoffe im ganzen Haus – darin, eine verbindliche Haftpflichtversicherung für Hunde ein- zuführen. Opfer von Beißattacken sollen wenigstens ein Schmerzensgeld bekommen. Bundeseinheitlich sollte außerdem geregelt werden: Registrierung gefährlicher Hunde durch Mikrochip oder Tätowierung, Einführung eines bundeseinheitlichen Hundeführerscheins und We- senstests. Ich hoffe auf eine zügige Beratung in den Ausschüssen. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig. Gudrun Kopp (F.D.P.): Einige verantwortungslose Menschen mit ihren gefährlichen Hunden haben nicht nur Bissopfern zum Teil schwerstens geschadet, sondern die große Schar von friedfertigen Hunden und ihre Halter pauschal in Verruf gebracht. Eine generelle Angst vor Hunden geht in der Bevölkerung um. Halter werden stig- matisiert, Tiere vergiftet, totgeschlagen, ausgesetzt. Der Mischung aus Angst und politischem Aktionismus muss zum Schutz der Menschen vor gefährlichen Hun- den und deren Besitzern endlich wirksam entgegengetre- ten werden. Dabei helfen im Übrigen keine Rasselisten. Sie bieten eine trügerische Sicherheit, denn jeder Hund lässt sich mühelos zu einem aggressiven, gefährlichen Tier erziehen oder züchten. Die F.D.P.-Fraktion nennt in ihrem Antrag acht kon- krete Maßnahmen gegen gefährliche Hunde, wie zum Beispiel Import- bzw. Exportverbote, Zuchtvorgaben, hohe Bußgelder, Versicherungspflicht. Das Miteinander von Mensch und Tier bedarf darüber hinaus einer Maß- nahmenbündelung auf der Länderebene, wie beispiels- weise Hunde-TÜV – individuelle Verhaltensprüfung –, Hundeführerschein für Halter, Mikrochipkennzeichnung, Leinenzwang in Stadtzentren und Wohngebieten bei ent- sprechenden Freilaufzonen. Dabei gilt der Grundsatz: Frei laufende Menschen ha- ben Vorrang vor frei laufenden Hunden. In einem wichtigen Punkt haben wir Mitglieder der F.D.P.-Fraktion unseren Antrag korrigiert: Nach vielen Gesprächen mit Experten sind wir zu der Einsicht gelangt, Punkt eins unseres Maßnahmenkatalogs, die Aufnahme des Waffenbegriffs für so genannte Kampfhunde, ersatz- los zu streichen. Erkenntnisgewinne für alle mit dieser Problematik be- fassten Parlamentarier erhoffen wir uns auch von einer Expertenanhörung. Ich hoffe auf sachgerechte und ziel- führende Diskussionen zum Wohle von Mensch und Tier. Eva Bulling-Schröter (PDS): Im Juni dieses Jahres wurde ein Kind im Hamburg von einem so genannten Kampfhund totgebissen, und es ging ein Aufschrei durch diese Republik. Die F.D.P. beantragte eine aktuelle Stun- de, und die Medien überschlugen sich in ihrer Bericht- erstattung. Sie schürten eine Stimmung, die es jedem Hundebesitzer schwer macht, mit seinem Tier überhaupt noch auf die Straße zu gehen. Aufgrund dieser Hysterie landen viele Hunde in Tierheimen, weil ihre Besitzer mit der jetzigen Situation nicht umgehen können. Das kann keine Lösung sein. Dass derlei Übergriffe von gefährlichen Hunden vor- hersehbar waren, davon sprachen wenige, und dass Tier- schutzverbände schon seit Jahren auf diese Problematik hingewiesen hatten, davon war auch wenig zu hören. Jedes Bundesland hat inzwischen seine Hundeverord- nung, die mit heißer Nadel gestrickt wurde, und hofft da- mit die Bevölkerung zu beruhigen und das Problem „ge- fährlicher“ Hund in den Griff zu bekommen. Ob die Verordnungen den Gerichten standhalten werden ist frag- lich, hat doch das hessische Verwaltungsgericht bereits die Rasselisten so nicht bestätigt. Im Übrigen halten viele Sachverständige Rasselisten für wenig sachdienlich, weil Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12495 (C) (D) (A) (B) fast jeder Hund aggressiv gezüchtet und abgerichtet wer- den kann. Und wenn es in einigen Jahren bestimmte Hun- derassen aufgrund von Zuchtverboten nicht mehr gibt, könnten andere scharf gemacht werden. Das muss ver- hindert werden. Seit Jahren warnen Tierschutzverbände vor der Aus- wirkung der Zucht gefährlicher Hunde, aber erst jetzt hat sich der Gesetzgeber aufgemacht, dazu Gesetze und Ver- ordnungen vorzulegen. Denn Ziel muss es doch sein, dass es ein friedliches Zusammenleben zwischen Hundebesit- zern und Nichthundebesitzern gibt und nicht wieder ein- mal eine Gruppe der Bevölkerung auf die andere gehetzt wird, und vor allem, dass Menschen vor gefährlichen Hunden geschützt werden. Tierschutzvereine mahnen seit zehn Jahren ein Heim- tiergesetz an. In dem Gesetz sollten vorhandene Lücken bei Zucht, Haltung, Import und Handel mit Hunden ge- schlossen werden. Dass das nötig ist, zeigt die jetzige Situation. Wir, die PDS, fordern einen Hundführerschein, um Menschen die Befähigung zu geben, mit einem Tier um- zugehen. Wir unterstützen eine Pflichthundeversiche- rung, meinen aber, dass sie sozial verträglich gestaltet werden muss, das heißt, für Tierheimhunde sollte eine günstigere Gruppenversicherung abgeschlossen werden können. Sie sollte auch für Hunde gelten, die aus dem Tierheim geholt werden. Ansatz muss sein, Menschen, die sich ein Tier anschaffen wollen, nicht über hohe Versi- cherungsprämien sozial auszugrenzen. Wir fordern prä- ventive Gesetze, das heißt, wir brauchen umfassende Re- gelungen, und zwar bundesweit, anstatt nur durch Verbote und Beschränkungen erst dort einzuschreiten, wo Gefahr in Verzug ist. Und wir meinen natürlich auch, dass beste- hende Gesetze und Verordnungen überwacht werden müssen und Qualzuchten endlich konsequent geahndet werden müssen. Aber eines sollte für uns alle klar sein: Bevor immer weitere Verschärfungen beschlossen werden, ist eine kon- sequente Umsetzung der bereits bestehenden und dem- nächst zu beschließenden Regelungen und vor allem eine Vereinheitlichung notwendig, die beim Halter und Züch- ter ansetzt und nicht beim Hund. Ansonsten ist alles „für die Katz“. Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Innern: „6-Jähriger von zwei Kampfhun- den zu Tode gebissen.“ Uns allen wird das grauenvolle Schicksal dieses Kindes in Erinnerung bleiben. Dieser Vorfall in Hamburg war und blieb nicht der einzige. Auch weiterhin wird von Angriffen gefährlicher Hunde – so- genannte Kampfhunde – auf Menschen berichtet. Sie stimmen mir sicher zu, dass solche Vorfälle nicht hin- nehmbar sind. Leben und Gesundheit von Menschen dür- fen nicht durch gefährliche Tiere und durch das verant- wortungslose Handeln bestimmter Hundehalter in Gefahr gebracht werden. Die Abwehr von Gefahren, die durch gefährliche Hunde verursacht werden, ist in Deutschland in erster Li- nie Aufgabe der Bundesländer. Im Rahmen des Poli- zeirechts haben sie die entscheidenden Regelungen zu treffen. Die Länder haben deshalb unter Berücksichtigung der bisherigen Beschlüsse der IMK entsprechende Rege- lungen erlassen und bestehende Regelungen ergänzt. Da diese Regelungen teilweise erheblich voneinander abwei- chen bemühen sich die Länder derzeit um eine Harmoni- sierung der Grundsätze ihrer Regelungen. Die Bundesregierung kann und muss angesichts der Dringlichkeit der Situation die länderrechtlichen Rege- lungen durch Inanspruchnahme ihrer Kompetenzen schnell und sinnvoll ergänzen. Das Bundeskabinett hat deshalb ein Bundesgesetz, das „Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde“, beschlossen. Dieses Gesetz unter- stützt die länderrechtlichen Regelungen im Rahmen der Kompetenzen des Bundes durch folgende Maßnahmen: ein Importverbot für gefährliche Hunde, ein Zuchtverbot im Rahmen des Tierschutzgesetzes, eine Strafnorm, die Verstöße gegen landesrechtliche Verbote ahndet. Das Gesetz regelt ein absolutes Verbot der Einfuhr von drei Hunderassen, die bereits im IMK-Beschluss vom 5. Mai 2000 als besonders gefährlich bezeichnet worden sind, nämlich Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Ter- rier, Staffordshire-Bullterrier – Art. 1 § 1 Abs. 1 –, ein Genehmigungserfordernis für den Import sonstiger ge- fährlicher Hunde, für die nach landesrechtlichen Vor- schriften die Zucht, der Handel oder das Halten verboten sind – Art. 1 § 1 Abs. 2 –. Verstöße gegen diese Import- verbote werden unter Strafe gestellt. Zudem wird die Möglichkeit eröffnet, bei Verstößen gegen die genannten Bestimmungen die Hunde einzuziehen. Im Tierschutzge- setz wird ein Verbot der Zucht von Hunden ausge- sprochen, bei denen durch die Zucht erblich bedingte Aggressionssteigerungen verstärkt werden. In das Straf- gesetzbuch wird ein Tatbestand eingeführt, der es unter Strafe stellt, entgegen landesrechtlicher Verbote gefährli- che Hunde zu züchten oder mit ihnen zu handeln. Auch hier ist die Einziehung dieser Hunde vorgesehen. Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Er- nährung, Landwirtschaft und Forsten am 29. September 2000 eine auf das Tierschutzgesetz gestützte Hundever- ordnung dem Bundesrat zugeleitet, in der die Haltung und Zucht von Hunden geregelt wird. Dadurch soll ein Rück- gang der insbesondere auf Haltungsfehlern beruhenden Aggressivität von Hunden erreicht werden. Das Problem wurde auch am 28. September 2000 in Brüssel auf der Sitzung des Rates der Justiz- und Innen- minister erörtert. Deutschland hat die Kommission gebe- ten, eine erste Stellungnahme dazu abzugeben, ob das an- gestrebte Ziel durch einen Rechtsakt auf der Grundlage des EU-Vertrages geregelt werden kann. Die Kommission hat daraufhin mitgeteilt, die Frage gegenwärtig zu prüfen. Die Bundesregierung hat also unverzüglich gehandelt, um einer Gefahrensituation in Ausschöpfung der Bun- deskompetenzen entschieden entgegenzutreten. Der Bundesrat hat am 20. Oktober 2000 zum Gesetz- entwurf der Bundesregierung – ohne inhaltlich die Syste- matik zu verändern – unter anderem empfohlen, zusätz- lich zu den oben genannten Hunderassen die Einfuhr auch des Bullterriers zu verbieten. Außerdem sollen Hunde weiterer Rassen, für die nach den Vorschriften des Landes – in dem der Hund ständig gehalten wird – eine Gefähr- lichkeit vermutet wird, ebenfalls nicht eingeführt werden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012496 (C) (D) (A) (B) dürfen. Die Genehmigungsmöglichkeit nach Art. 1 § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs soll entfallen, da die Bestim- mung wegen der verschiedenen Regelungen in den Län- dern nicht vollziehbar ist. In ihrer Gegenäußerung hat die Bundesregierung den Beschlüssen weitgehend zuge- stimmt. Zu den vorliegenden Anträgen der Regierungsfraktio- nen und der Fraktion der F.D.P. zum Thema „Schutz vor gefährlichen Hunden“ wird sich die Bundesregierung aus- führlich bei Beratung des Gesetzentwurfes in den Aus- schüssen äußern. Insbesondere die Frage der Einführung einer obligatorischen Haftpflichtversicherung für Hunde – die Gegenstand beider Anträge ist – bedarf eingehender Prüfung, ob eine Kompetenz des Bundes gegeben ist. Abschließend appeliere ich an die Länder, ihre Rege- lungen zu harmonisieren, damit hinsichtlich der Haltung von Hunden einheitliche Lebensverhältnisse in Deutsch- land hergestellt werden. Damit die getroffenen Regelungen ihre Schutzwirkung zugunsten unserer Bevölkerung entfalten können, wäre ich für eine zügige Beratung des Gesetzentwurfs dankbar. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrages: Gemeinnützige Ver- eine von hohen Energiekosten entlasten (Tages- ordnungspunkt 8) Dieter Grasedieck (SPD): Die Kolleginnen und Kol- legen von der CDU singen zum zehnten Mal die Litanei: „Die Ökosteuer muss weg!“ Heute singt nicht der ge- mischte CDU-Chor Tourismus, heute singt der CDU- Knabenchor Sport und Ehrenamt. „Ihre Koalition, SPD/Grüne, hat das Ehrenamt attrak- tiv gemacht“, sagten mir Vereinsvertreter aus meinem Wahlkreis. Die Koalition hat die Übungsleiterpauschale von 2 400 DM auf 3 600 DM erhöht. „Wir finden es wich- tig, dass endlich das Stiftungsrecht verbessert wurde. Wir gründen eine Sammelstiftung für behinderte Sportler.“ Sportliche Aktivitäten und Angebote gemeinnütziger Ver- eine sind in meinem Wahlkreis ausgebaut worden. Die Angebote können erweitert werden, weil viele Menschen im Ehrenamt enorm viel leisten. Sie erfüllen für unsere Gesellschaft wichtige Aufgaben: Kranke werden gepflegt. Mit Behinderten arbeiten junge Menschen. Kirchliche Jugendorganisationen versorgen Alkohol- kranke. Sie sehen die vielen Einzelschicksale der Men- schen und waren in ihrer Familie zum Teil selbst betroffen. Alt und Jung hilft. Wir fördern diese ehrenamtliche Arbeit. Jetzt schreiben Sie in Ihrem Antrag: „Die Energie- steuer ermuntert die Ölmultis, an der Preisschraube zu drehen.“ Haben Sie eigentlich zu Ihrer Regierungszeit da- ran gedacht? Sie haben am 1. Januar 1991, sechs Monate später zum zweiten und am 1. Januar 1994 zum drit- ten Mal die Mineralölsteuer erhöht – in einer Legislatur- periode zusammen 0,45 DM. Haben Sie da an die stei- genden Energiekosten der gemeinnützigen Vereine gedacht? Wo bleibt Ihre Glaubwürdigkeit? Nein, Sie gehen nach dem Motto vor: Wer nicht über- zeugen kann, sollte wenigstens Verwirrung stiften. So verwirren Sie Ihre Partei mit folgenden Themen: Erstens. Leitkultur. Ihr Ministerpräsident Müller will das Wort nicht verwenden; Ihr Fraktionsvorsitzender aber träumt Tag und Nacht von seiner Leitkultur. Zweitens. Die Ökosteuern abschaffen. Ihre Anträge sind im Bundestag abgelehnt worden. Jetzt suchen Sie sich die Vereine aus. Ihr ehemaliger Umweltminister Töpfer warnt: „Ökosteuer ist keine K.o.-Steuer.“ Und die Wirtschaftsinstitute stellen im Herbstgutachten fest: „Die Ökosteuer darf nicht verändert werden.“ Nein, Sie wollen verwirren. Überzeugende Themen finden Sie nicht. So fordern Sie eine Vereinfachung des Steuerrechts. Eine Erlassflut wäre die Folge Ihres Antrags. Warum ent- lasten Sie nicht städtische Schwimmbäder, warum nicht Krankenhäuser? Fragen über Fragen! Überzeugen können Sie nur durch Fakten. So schrei- ben die Wirtschaftsinstitute: Die Binnennachfrage be- schleunigt sich, rege Investitionstätigkeit in diesem Jahr. Im kommenden Jahr werden private Haushalte, Vereine und Unternehmen durch die Steuerreform 2000 um 45 Milliarden DM entlastet. Deshalb stieg die Zahl der Arbeitsplätze schon in diesem Jahr deutlich an. Vom Jahr 1997 bis 2000 erhöhte sich die Zahl der Arbeitsplätze von rund 37 Millionen auf 39 Millionen. 100 000 neue Unter- nehmungen sind gegründet worden. Sie hingegen suchen zwanghaft rein populistische The- men. Unsere Bürgerinnen und Bürger erkennen dieses fa- denscheinige und durchsichtige Spiel. Sie erkennen, dass unsere Koalition die Vereinssituation durch die erhöhte Übungsleiterpauschale und durch das neue Stiftungsrecht wesentlich verbesserte. Die Enquete-Kommission erarbei- tet mit den Vereinsvertretern ein neues Gesamtkonzept fürs Ehrenamt. Die Koalition ist auf dem richtigen Weg: Ge- meinnützige Vereine und das Ehrenamt werden gefördert. Die Vereine registrieren das mit Freude. Freude und Dankbarkeit sind bei Ihnen nur in Spuren- elementen vorhanden. Verständlich aus Ihrer Sicht: Denn die reinste Freude ist die Schadenfreude. Nur: Bei unserer guten und ausgewogenen Politik kann die nicht aufkom- men. Durch Ihren neuen Antrag wiederholen Sie Ihre al- ten Anträge. Kreativität in Ihrer Partei bedeutet, alte Vor- urteile neu zu ordnen. Dies ist zu wenig. Wir lehnen Ihren Antrag ab. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Der vorlie- gende Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Gemeinnützige Vereine von hohen Energiekosten entlasten“ ermöglicht heute eine erneute Befassung des Deutschen Bundestages mit dem wichtigen Thema des Ehrenamts und des bürger- schaftlichen Engagements. Leider kann schon vorweg gesagt werden, dass der CDU/CSU-Antrag der Bedeutung der wichtigen Thema- tik nicht gerecht wird. Es handelt sich um einen popu- listischen Antrag, der die gemeinnützigen Vereine für die CDU/CSU-Kampagne gegen die Ökosteuer zu in- strumentalisieren sucht. Abgesehen von der fehlenden Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12497 (C) (D) (A) (B) Substanz des Antrags lässt dieser auch alle Fragen der Fi- nanzierung des von der CDU/CSU-Fraktion geforderten Anliegens unbeantwortet. Den Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion kann bescheinigt werden, dass sie wieder einmal die gemeinnützigen Vereine und das Ehrenamt für ihre durchsichtigen Zwecke benutzen wol- len. Letztlich besteht wirklich der Eindruck, dass Sie nach dem Motto handeln, jeden Monat einen Antrag oder Ge- setzentwurf zum Bereich Ehrenamt oder bürgerschaftli- ches Engagement vorzulegen, um ihre eigene Unfähigkeit zur Lösung der eigentlichen Sachfragen zu vertuschen. Sachkompetenz kann ich bei Ihnen weder für eine Ver- besserung der Situation der gemeinnützigen Vereine noch hinsichtlich der Problematik der hohen Energiepreise er- kennen. Der Antrag von CDU/CSU ist schon in seiner Ausge- staltung so unklar, dass es mir fast unmöglich ist, darauf inhaltlich einzugehen. So ist die Forderung, gemeinnützi- gen Vereinen sei für die durch Verteuerung der Energie- kosten bei der Bewirtschaftung vereinseigener Vereins- heime, Sporthallen, Schwimmbäder und sonstiger Sportstätten zusätzlich entstandenen Kosten ein finanziel- ler Ausgleich zu gewähren, eigentlich nicht handhabbar. Ich frage Sie, wer mit einem solchen Antrag etwas anfan- gen soll. Hier ist völlig unklar, in welchem finanziellen Rahmen eine Förderung gewährt werden soll. Wie soll der geforderte Ausgleich aussehen? Schließlich ist zu fragen, wer im Einzelnen begünstigt werden soll. Meinen CDU/CSU nur Sportvereine oder alle gemeinnützigen Vereine, wie sie in ihrem Antrag schreiben? Insgesamt entlarvt die Qualität des Antrags den heuch- lerischen Populismus der CDU/CSU-Fraktion, die Sport- vereine und das Ehrenamt für ihre parteipolitischen Zwecke nutzen will. Ein wirkliches Interesse an der För- derung des Ehrenamtes besteht nicht. Insofern ist es nicht überraschend, wenn CDU und CSU nach Ende ihrer 16- jährigen Regierungszeit, in denen nichts für das Ehrenamt getan worden ist, nun plötzlich die gemeinnützigen Ver- eine und das Ehrenamt für sich entdecken. Demgegenüber hat die rot-grüne Koalition in den zwei Jahren ihrer Amtszeit bereits viel für die gemeinnützigen Vereine, das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engage- ment erreicht. An erster Stelle ist dabei die solide finan- zierte Anhebung der Übungsleiterpauschale im Einkom- mensteuerrecht von 2 400 auf 3 600 DM jährlich zu nennen. Hiermit wurde insbesondere auch für die Vereine eine erhebliche Verbesserung der Rahmenbedingungen bei der Beschäftigung von Trainern und anderen Übungs- leitern erreicht. Wir haben weiterhin durch eine Änderung der Ein- kommensteuer-Durchführungsverordnung die direkte Spendenbescheinigungskompentenz für alle gemeinnüt- zigen Vereine eingeführt und damit die Möglichkeit der Vereine zur Akquisition von Spenden deutlich verbessert. Aufgrund einer Initiative der SPD-Bundestagsfraktion kam die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürger- schaftlichen Engagements“ zustande. Die Kommission arbeitet inzwischen so erfolgreich, dass wegweisende Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für das bürgerschaftliche Engagement zu erwarten sind. Dabei sind auch grundlegende Vorschläge zur Verbesse- rung der Situation der gemeinnützigen Vereine zu erwar- ten. Wir haben uns vorgenommen, die Ergebnisse der Enquete-Kommission im Rahmen der finanziellen Mög- lichkeiten aufzugreifen und konsequent umzusetzen. Ein weiterer bedeutsamer Schritt zur Förderung des Ehrenamtes war die Reform des Stiftungssteuerrechts, die vor wenigen Wochen in Kraft getreten ist. Die Stiftungs- reform schafft in einem hohen Maße den Anreiz für pri- vate Geldgeber, ihr Vermögen für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Dieses entlastet letztlich die öffentlichen Haushalte und legt die Förderung des gemeinnützigen Be- reichs verstärkt auch auf private Schultern. Darin liegt die grundlegende Unterscheidung des Ansatzes der Koalition von dem der CDU/CSU-Opposition, die auch mit ihrem Antrag wieder allein den Staat in Anspruch nehmen will. Insbesondere zur Reform des Stiftungssteuerrechts möchte ich anmerken, dass damit ein Meilenstein für die Stärkung der zivilen Bürgergesellschaft gesetzt wurde, der das Ehrenamt mehr stärken wird als die hier vorlie- genden unfinanzierbaren Vorschläge von CDU und CSU es jemals könnten. Ich möchte deshalb an dieser Stelle dazu aufrufen, in allen ehrenamtlichen Bereichen Stiftun- gen zu gründen und private Gelder zu mobilisieren, die den gemeinnützigen Sektor stärken. Der Aufbruch in die zivile Bürgergesellschaft ist mit der Stiftungsreform einen großen Schritt vorangekommen. Durch die von der rot-grünen Koalition auf den Weg gebrachten Verbesserungen für das Ehrenamt und den ge- meinnützigen Sektor haben wir insgesamt so günstige Rahmenbedingungen bewirkt, wie sie die Kohl-Regie- rung in 16 Jahren nicht zustande gebracht hatte. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion suchen auch weiterhin ständig nach neuen Impulsen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und der gemeinnützigen Vereine. So bereiten wir für den 23. November 2000 ei- nen Kongress vor, in dessen Mittelpunkt das Thema „Bür- gerschaftliches Engagement und Wirtschaft“ stehen wird. Mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und hochrangigen Vertretern der Wirtschaft wollen wir ein noch intensiveres Engagement von Unternehmen zur Förderung des ehren- amtlichen Einsatzes erreichen. Erreicht werden sollen vor allem eine Verankerung des bürgerschaftlichen Engage- ments in der Unternehmenskultur und eine positive Be- achtung ehrenamtlicher Aktivitäten – etwa bei der Perso- nalauswahl oder bei der Freistellung von beruflicher Tätigkeit für den ehrenamtlichen Einsatz – in Unterneh- men. Dieses alles wird auch den gemeinnützigen Vereinen nützen und sie wirksam entlasten. Ich möchte hier nicht verschweigen, dass ich durchaus noch Probleme sehe. Dies betrifft insbesondere die Steuer- und Sozialversicherungspflicht von gezahlten Auf- wandsentschädigungen. Hier streben wir eine grundsätzli- che Regelung an, wie auch der Bundeskanzler auf dem Feuerwehrtag in Augsburg ausgeführt hat. Allerdings betone ich auch, dass dieses nicht bei hohen Zuwendun- gen gelten kann, die offensichtlich nicht als bloße Auf- wandsentschädigungen angesehen werden können. Diese Zuwendungen müssen auch weiterhin der Steuer- und Sozialversicherungspflicht unterliegen. Insgesamt werden wir nicht nachlassen, die zivile Bür- gergesellschaft noch weiter zu stärken. Dazu bedarf es der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012498 (C) (D) (A) (B) Mitarbeit aller. Dazu gehören die Politik, die im ehren- amtlichen Bereich tätigen Verbände, Vereine und Organi- sationen, die vielen Ehrenamtlichen sowie all diejenigen, die sich für die Stärkung der zivilen Bürgergesellschaft interessieren. Der hier vorliegende populistische Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist kein gutes Beispiel für die Ver- besserung der Situation der gemeinnützigen Vereine und des Ehrenamtes. Ich fordere Sie auf, sich den wirklichen Problemen des bürgerschaftlichen Engagements zuzu- wenden und auf ihre durchschaubaren parteipolitischen Aktionen zu verzichten. Norbert Barthle (CDU/CSU): In Deutschland gibt es derzeit rund 350 000 Vereine. In ihnen betätigen sich mehr als 40 Millionen Mitglieder. Viele von ihnen sind ehren- amtlich tätig und engagieren sich in ihrer Freizeit für an- dere, für unsere Gesellschaft. Sie entlasten Bund, Länder und Kommunen in vielen Bereichen von Aufgaben, die diese nicht oder nur ungenügend wahrnehmen könnten. Welchen Wert diese Arbeit hat, lässt sich nur schwer in Zahlen ausdrücken; ich denke, wir sind uns einig, dass sie eigentlich unbezahlbar ist. Welche Wertschätzung die Vereine in der Bevölkerung genießen, können Sie am Bei- spiel einer Gemeinde in meinem Wahlkreis ablesen: Dort gibt es mehr Vereinsmitglieder als Einwohner. In den vergangenen Jahren ist die Situation für unsere Vereine nicht einfacher geworden: Die Menschen werden häufig durch den Beruf stärker beansprucht. Viele Leis- tungen werden durch kommerzielle und private Anbieter übernommen, die bislang den gemeinnützigen Verbänden überlassen waren. Es gibt zunehmende Individualisie- rungstendenzen und eine fortschreitende Organisations- müdigkeit sowie die Abschwächung unserer traditionellen Wertesysteme. Der finanzielle Aufwand der ehrenamtlich Tätigen hat sich erhöht. Gleichzeitig verändert sich die ge- sellschaftliche Bewertung, Engagement wird kaum mehr wahrgenommen – und wenn, dann häufig nicht positiv be- wertet. Unsere Vereine leiden darunter, dass häufig diejenigen, die eine Aufgabe, ein Ehrenamt übernehmen, nicht mit mehr Ehre, sondern allenfalls mit mehr Mitleid rechnen können. All dies sollte für den Staat Grund genug sein, die Situation für unsere Vereine und die ehrenamtlich Tätigen zu verbessern. Die Handlungs- und Gestaltungsspiel- räume der Vereine müssten durch finanzielle und büro- kratische Entlastungsmaßnahmen erweitert werden. Die CDU-geführte Bundesregierung hat mit dem Ver- einsförderungsgesetz von 1989 eine sehr gute Grundlage geschaffen, jetzt wäre es an der neuen Bundesregierung, auf diesem Weg weiterzugehen. Aber nein, das tun Sie nicht. Sie haben in den zwei Jahren ihrer Regierungszeit die Vereine nicht entlastet, Sie haben sie belastet. Mit Ihren unseligen Gesetzen haben Sie die Vereine wirt- schaftlich geschwächt, dafür die Bürokratie vervielfacht und viele Menschen entmutigt, sich zu engagieren. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Die Neuregelung der 630-Mark-Jobs belastet unsere Vereine und die dort Täti- gen erheblich. Das ist keine Vermutung mehr und keine Polemik – gehen Sie in die Vereine und hören Sie den Menschen zu. Unsere Vereine werden allein durch die zu- sätzliche Bürokratie über Gebühr belastet. Das führt zu Frustration und Demotivation. Eine erhebliche Anzahl von Mitarbeitern hat wegen Ihres 630-Mark-Gesetzes sein Engagement für einen Verein beendet. Allein in 35 Verei- nen des „Freiburger Kreises“ haben 190 630-Mark-Ar- beitskräfte ihre Tätigkeit aufgegeben. Warum hört die SPD nicht auf ihren eigenen parlamentarischen Geschäftsführer, den Kollegen Wilhelm Schmidt? Selbst er warnt in einem Schreiben an seine Genossinnen und Genossen vor einer Überforderung der ehrenamtlichen Strukturen, durch dieses unselige 630- Mark-Gesetz. Die Neuregelungen zur Scheinselbstständigkeit – ebenfalls ein Volltreffer, aber nur als Schuss in den Ofen. Neben zusätzlichen finanziellen Belastungen brachten sie auch eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich, Versi- cherungsträger und Finanzämter bewerten gleiche Sach- verhalte völlig unterschiedlich. Auch das beschwert un- sere Vereine. Sie hören diese Vorwürfe nicht zum ersten Mal und Sie werden sie nicht zum letzten Mal hören – je länger die Vorschriften Gesetz sind, desto deutlicher werden die ne- gativen Auswirkungen. Ich sage Ihnen noch einmal: Ge- hen Sie in die Vereine und hören Sie den Menschen zu! Ich kann den Kolleginnen und Kollegen der SPD die- sen Vorwurf nicht ersparen: Sie stärken unsere Vereine nicht, Sie benützen unsere Vereine. Sie tragen die Pro- bleme der Sozialversicherungen auf dem Rücken der Ver- eine aus. Für Sie sind unsere Vereine und ihre Mitglieder zusätzliche Geldquellen, die es auszuschöpfen gilt. Welche Auswirkungen diese Politik hat, können Sie in jedem Verein abfragen, ich habe mich einmal beim „Frei- burger Kreis“ erkundigt: Die Vereine schränken ihre Angebote ein, besonders die Bereiche der Jugend- und Seniorenarbeit sind betroffen. Die Vereine verlieren Mit- arbeiter, da diese die Diskrepanz zwischen Ihren Sonn- tagsreden und der täglichen Realität nicht mehr ertragen wollen. Auf all diese Vorwürfe reagieren Sie gebetsmühlenar- tig, ich möchte fast wetten, dass wir auch wieder zu hören bekommen: Aber wir haben doch die Übungsleiterpau- schale erhöht. Wir haben doch den Bezugskreis um den „Betreuer“ erweitert. Und? – Von der erhöhten Übungsleiterpauschale haben die Vereine wenig, sie steht den einzelnen Steuerpflichti- gen zu. Und der „Betreuer“? – Finanzstaatssekretärin Dr. Hendricks selbst bezeichnet diesen Begriff als „nicht eindeutig“, das Finanzministerium will seine Definition den Gerichten überlassen. Na, das ist ja wirklich eine gute Nachricht für unsere Vereine: Klagt erst einmal, liebe Eh- renämtler! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist bei all dem nicht untätig geblieben. Wir haben den Vereinen zugehört, wir haben die Probleme erkannt und zu lösen versucht: Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Vereinsförderung und der Vereinfachung der Besteuerung der ehrenamtli- chen Tätigen“ sollte das Vereinsförderungsgesetz fortent- wickelt und den aktuellen Erfordernissen angepasst wer- den. SPD und Grüne sind dagegen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12499 (C) (D) (A) (B) Mit dem „Gesetz zur Förderung ehrenamtlicher Tätig- keit“ wollen wir im Sozialgesetzbuch IVdie Klarstellung, dass die Wahrnehmung von Ehrenämtern keine Beschäf- tigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch IV dar- stellt und damit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. In der ersten Lesung zeigten SPD und Grüne auch dafür wenig Begeisterung. Doch wir werden nicht aufhören, wir dürfen nicht aufhören, die Auswirkungen Ihrer konzeptionslosen und unsozialen Politik abzumildern oder zu beseitigen. Daher haben wir uns in unserem heutigen Antrag mit Ihrer miss- ratenen Ökosteuer befasst. Diese Ökosteuer ist wirklich der Gipfel. Sie belastet nicht allein die Unternehmen, Familien, Rentner und Stu- denten überdurchschnittlich, die Berufspendler, die Be- amten und Selbstständigen – auch für unsere gemein- nützigen Vereine ist sie eine erhebliche Belastung. Ehrenamtlich Tätige, Eltern und Betreuer, die Kinder und Jugendliche zu Wettkampf und Training fahren, müssen zahlen. Ihre Ökosteuer verteuert die Benutzung von Schwimmbädern, Vereinsheimen, Hallen und sonstigen Sportstätten, die Energie brauchen. Da langen sie zu, und zwar ohne Ausgleich. Den erhalten nur die Unternehmen, die besonders viel Energie verbrauchen. Können Sie mir diese Logik erklären, können Sie sich diese Logik selbst erklären? Mit Sicherheit nicht! Eine Umfrage bei größe- ren Vereinen hat gezeigt, dass allein die Ökosteuer diese Vereine mit durchschnittlich 8 740 DM pro Jahr zusätzlich belastet, und zwar ohne Ausgleich. Die explodierenden Ölpreise kommen hinzu. Es sind nicht nur die ölfördern- den Länder, die die Preise hochjagen. Eine Ursache liegt auch im schwachen Euro, den der Bundeskanzler als her- vorragende Basis für unseren überschäumenden Export lobt. Unsere Vereine aber werden mit den Schattenseiten dieser Entwicklung konfrontiert. Dabei will ich noch nicht einmal das Extrembeispiel der Skivereine bemühen, die Wochenende für Wochenende lange Fahrtstrecken zu- rücklegen müssen, um zu ihren Wettkampforten zu ge- langen. Kleine und mittlere Vereine können diese Belastungen auch nicht durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge auffan- gen. Dies träfe häufig vor allem sozial schwächere Bevölkerungsgruppen, für die das Angebot der Vereine oft die einzige Möglichkeit ist, sich sportlich oder kultu- rell zu betätigen. Mitgliedsbeiträge müssen bezahlbar bleiben, damit alle sozialen Schichten am Vereinsleben teilnehmen können. Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, den gemeinnützigen Vereinen in Deutschland für die erhebliche Verteuerung der Energiekosten einen finan- ziellen Ausgleich zu gewähren. Um es deutlich zu sagen: Wir lehnen die Ökosteuer insgesamt ab. Die gehört weg – und es gibt ja auch schon deutliche Kritik aus den Reihen der Regierung. Aber Sie lieben es anscheinend, grundsätzlich falsche Gesetze nur punktuell nachzubes- sern. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lassen Sie mich eine Vorbemerkung zum Antrag der CDU/CSU machen: In ihrem Antrag beklagt die CDU/CSU die besondere Belastung der Vereine durch hohe Kosten und Energiepreise. Es gehörte zu den ersten Gesetzgebungsvor- haben der Regierungskoalition, die aufgelaufenen Fehlent- wicklungen der letzten Regierungskoalition zu korrigieren, Den Missständen bei den geringfügigen Beschäftigungs- verhältnissen (630-DM-Jobs) und der die Sozialversiche- rungspflicht unterlaufenden Scheinselbstständigkeit haben wir entgegengewirkt. Wir haben die jährliche Übungsleiter- pauschale um 50 Prozent auf 3 600 DM angehoben. Das neue Stiftungsrecht erlaubt steuerabzugsfähige Spenden an Vereine von bis zu 40000 DM pro Person und Jahr. Leider wird der große Zusammenhang bei der Opposi- tion wie üblich ausgeblendet. Auch Vereinsmitglieder leben in der „Einen Welt“. Die Klimakatastrophe trifft alle, wenn wir nichts dagegen tun. Mit dem kürzlich ver- abschiedeten Klimaschutzprogramm setzt sich die Bun- desregierung das hoch gesteckte Ziel, bis 2005 zu einer Absenkung der CO2-Emmissionen um 25 Prozent im Ver-gleich zu 1990 zu kommen. Dies ist eine gesamtstaatliche wie gesamtgesellschaftliche Aufgabe und es darf kein Ge- geneinander-Ausspielen der verschiedenen Akteure ge- ben. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie die dringend notwendigen Energieeinsparungen erreicht wer- den, schreit die CDU/CSU einzig nach Subventionierung der Energiekosten. Von der allseits geforderten Entbüro- kratisierung kann da keine Rede sein. Längst sind viele Vereine bei der Reduzierung ihrer Energiekosten viel wei- ter vorangekommen, als die Opposition meint, hier bekla- gen zu müssen. Gerne schließe ich mich jedoch der Überschrift Ihres Antrages an, wonach gemeinnützige Vereine von hohen Energiekosten entlastet werden sollten. Es kann nicht oft genug betont werden, dass die Bundesregierung zu die- sem Zweck eine Palette von Förderprogrammen aufgelegt hat, deren finanzielle Mittel auch Vereinen zugute kämen. Ich denke hier vor allem an das „100 000 Dächer-Solar- strom-Programm“, durch das ein anerkannter Durchbruch bei der Verwendung von Solarenergie in vielen Bereichen der Gesellschaft erzielt wurde. Wir werden dieses Pro- gramm noch weiter verbessern. Außerdem bestehen um- fangreiche Fördermöglichkeiten aus dem Programm „Förderung erneuerbarer Energien“ sowie aus dem „CO2-Minderungsprogramm“ und dem „Wohnraum-Modernisierungsprogramm“ der Kreditanstalt für Wieder- aufbau (KfW). Die Maßnahmen zur Verbesserung des Kli- maschutzes können daher nicht allein auf Maßnahmen im Zuge der ökologischen Steuerreform reduziert werden. Die Lenkung des Energieverbrauchs über Kosten läuft parallel zu aktiver Gestaltung und Durchführung von Um- weltschutzmaßnahmen vor Ort – auch für gemeinnützige Vereine. Zu begrüßen wäre ebenfalls die Verankerung des Um- weltschutzes in den Satzungen der Vereine, um auch die Aktivitäten der Vereine noch stärker auf eine nachhaltige Entwicklung auszurichten. Multiplikatoreffekte würden diese Maßnahmen auch in den privaten Bereich und in das Wirtschaftsleben tragen. Ein neuer ,,Umweltpolitischer Dreiklang zum Nutzen aller muss her: weniger verbrau- chen, effizienter nutzen und intelligenter einsetzen. Die Maßnahmen für den Umweltschutz und die not- wendige Haushaltskonsolidierung überwinden die kurz- fristorientierte „live now, but pay later“-Mentalität der letzten Regierungskoalition. Die notwendigen Anstren- gungen für den Umwelt- und Klimaschutz können nur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012500 (C) (D) (A) (B) von allen gemeinsam getragen werden. Gemeinnützigkeit und Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit sowie der nachfolgenden Generationen sind daher zwei Seiten derselben Umweltschutzmedaille. Ernst Burgbacher (F.D.P.): Die eigentlichen Pro- bleme der gemeinnützigen Vereine sind Rot-Grün entwe- der nicht bekannt oder aber die Koalition will sie nicht wahrnehmen. Dies wurde vor vier Wochen deutlich, als im Bundestag eine Debatte über die Belastung der Vereine durch die Neuregelung der 630-DM-Jobs stattgefunden hat. Dabei hat sich gezeigt, dass für Rot-Grün das Ehren- amt vor allem in „Projektgruppen“ existiert. Aber nicht nur die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungs- verhältnisse, die mit höheren Kosten und vermehrter Bürokratie verbunden ist, sondern auch andere Maßnah- men der Bundesregierung belasten die gemeinnützigen Vereine über Gebühr. Die Ökosteuer trägt an den enormen Energiepreis- erhöhungen der letzten Zeit einen wesentlichen Anteil. Einführung und Erhöhung dieser Energiesteuer haben die Mineralölbranche geradezu ermuntert, ebenfalls an der Preisschraube zu drehen. Der schwache Euro kommt hinzu. Dies alles betrifft und belastet die Vereine in hohem Maße. Sie sind häufig nicht in der Lage, die gestiegenen Energiekosten etwa durch eine Erhöhung der Mitglieds- beiträge aufzufangen. Denn meistens lässt die soziale Struktur ihrer Mitglieder höhere Beitragszahlungen nicht zu. Daher sind die Vereine gezwungen, durch Reduzie- rung ihrer Angebote oder durch personelle Einsparungen zu reagieren. Das darf nicht sein. Unsere gemeinnützigen Vereine sind von großer ge- sellschaftlicher Bedeutung. Sie bieten vielen Menschen die Möglichkeit aktiver Freizeitgestaltung, sie integrie- ren, sie führen insbesondere junge Leute in das Gemein- schaftsleben ein. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement müssen Unterstützung seitens der Politik er- fahren. Die Politik muss gemeinnützigen Vereinen bei ih- rer verantwortungsvollen Arbeit den Rücken stärken und darf ihnen keine Steine in den Weg legen. Viele Maßnahmen dieser Regierung – und dazu gehört auch die Ökosteuer – wirken sich in der Praxis aber als Ehrenamtskiller aus. Wir fordern die Koalition eindringlich auf: Verzichten Sie auf die geplante Erhöhung der Ökosteuer zum 1. Ja- nuar 2001. Noch besser: Zeigen Sie endlich Einsicht. Nehmen Sie die Ökosteuer insgesamt zurück! Solange Sie aber dazu nicht bereit sind, entlasten Sie zumindest die ge- meinnützigen Vereine von diesen hohen Belastungen! Gustav-Adolf Schur (PDS): Gemeinnützige Vereine von hohen Energiekosten zu entlasten, das ist eine sehr vernünftige Forderung, der ich mich ohne weiteres an- schließen kann, noch dazu, wenn von der CDU/CSU in so liebevoll vereinnahmender Weise von unseren Vereinen die Rede ist. Nur, meine Herren Antragsteller – bezeichnenderweise hat für diesen Antrag auch keine Frau votiert –, handelt es sich bei Ihrem Papier um eine simple „Milchbubenrech- nung“ oder, richtiger ausgedrückt, um eine Schaufens- teraktion, die ganz im Zeichen nahender Wahlkampfge- fechte zu stehen scheint. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wer hat denn mit einer über Jahre verfehlten Kommunalpolitik dafür gesorgt, dass Städte und Gemeinden einfach nicht mehr in der Lage sind, eine ordentliche sportliche Grund- förderung für die Vereine zu gewährleisten? Städtische Betriebe und private Unternehmen fressen bei Strafe ihres eigenen Unterganges mehr als 80 Prozent aller Einnahmen der gemeinnützigen Sportvereine auf. Statt Vereinsentwicklung im Sinne ihrer Satzungen wird die stetige Betriebskostendeckung zur alles bestimmen- den Rechnungsgröße. Dafür heute nur die horrenden Straßenreinigungskosten, Energiekostenbelastungen, ge- stiegenes Wassergeld und weitere erhöhte Nutzungsge- bühren für die Sportstätten in die Debatte zu werfen, um gegen eine ungeliebte Ökosteuer Sturm zu laufen, ver- stehe ich nicht als konstruktive Oppositionspolitik. Mir geht es um eine Politik, der man sich bei vernünf- tigem Herangehen schwer verschließen kann, was durch- aus schon durch praktiziertes einheitliches Abstimmungs- verhalten im Sportausschuss belegt worden ist. In dieser Richtung einige deutliche Gedanken: 15 Millionen DM für die Sportstätten des Breitensports durch den so genannten Goldenen Plan Ost, mit denen sich die Regierungskoalition bei jeder Gelegenheit brüs- tet, sind genau genommen ein schlechter Witz. Damit kann man nicht einmal in 30 Jahren die Qualität der Sport- stätteninfrastruktur der alten Länder erreichen, selbst bei dortigem immer stärker einsetzenden Verfall. Auch die lautstark gepriesene Anhebung der Übungs- leiterpauschale auf 3 600 DM pro Jahr kann nicht greifen, weil sie aufgrund der vorhandenen Vereinsbefindlichkeiten einfach nicht praktikabel ist. Auch die schlimme Schulsportentwicklung seit über 25 Jahren wird so keine Umkehr erfahren. Erfreulich war die heutige Sportausschusssitzung zum Thema, was Gutes für die Zukunft verspricht. Auch im Prozess der Herausbildung sportlicher Höchst- leistungen erweist sich das Netz der Zuständigkeiten als zu großmaschig. Immer weniger Aktive können systema- tisch zur Weltklasse geführt werden. Statt System herrscht das Prinzip Zufall. Auch mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten können ausgeschlossen werden. Denn wenn gebraucht und er- wünscht, dann kann der Bund schon mal 287 Millionen über den Plan hinaus für den Umbau des Olympiastadions von Berlin herüberreichen. Im November 1987 fand in Berlin ein vom DSB initi- ierter Kongress „Menschen im Sport 2000“ statt. Seither sind 13 Jahre vergangen. Gesamtgesellschaftliche Zäsu- ren prägten die Entwicklung auch im Sport, deren einge- leitete Prozessdynamik bis heute weder zu einem Ab- schluss gebracht noch bewältigt werden konnte. Zusätzlich sind gänzlich neue, den Sport gravierend tangierende Probleme und Einflüsse hinzugekommen. Die Sportland- schaft in Deutschland hat sich sehr verändert, aber das gesamte System der Sportförderung nicht. Die Ergebnisse Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12501 (C) (D) (A) (B) der jüngsten Olympischen Spiele und der Paralympics sprechen eine deutliche Sprache. Es ist an der Zeit in einem „Deutschen Sportkongress“ die Wirklichkeit, die Realitäten im deutschen Sport in all seinen Facetten umfassend zu analysieren, um der zukünftigen Sportentwicklung in Deutschland und einem sich vereinigenden Europa auch nur annähernd entspre- chen zu können. Dazu, meine Herren Antragsteller, bedarf es eines konstruktiven Politikansatzes aller. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: – ... Gesetz zur Änderung des Einkommensteu- ergesetzes (Doppelte Haushaltsführung) – ... Gesetz zur Änderung des Einkommensteu- ergesetzes (Freibeträge für Abfindungen) (Tagesordnungsordnungspunkt 9 a und b) Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Soweit mit dem Antrag 14/4437 beantragt wird, Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung länger als zwei Jahre als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zuzulassen, hat dies zunächst einen steuertechnischen Aspekt. In unserem Steuerrecht gilt das Nettoprinzip. Das heißt, alle Aufwen- dungen, die zur Erzielung von Einnahmen gemacht wer- den, sind von den Erlösen abzuziehen. Nur was dann als Differenz übrig bleibt, ist zu versteuern. Aufwendungen, die der privaten Lebensführung dienen, können nicht steuerlich geltend gemacht werden. Theoretisch ist die Abgrenzung von Aufwendungen der privaten Lebens- führung und der Aufwendung zur Erzielung von Einnah- men ganz einfach. In der Praxis gibt es jedoch Grenzbe- reiche und auch Aufwendungen, die beiden Bereichen dienen. Bei den Kosten für eine Zweitwohnung handelt es sich um einen solchen Grenzbereich. Zweifelsohne ist der mit der Arbeitsaufnahme an einem anderen Ort verbun- dene Aufwand zunächst einmal Aufwand zur Erzielung von Einkünften. Allerdings ist dies nicht von Dauer. Der natürliche Verlauf ist, dass man sich in die Nähe seiner Ar- beit mit seinem Lebensmittelpunkt begibt. Wer dies nicht tut, betreibt privaten Aufwand. Der Zeitpunkt, zu dem die Betriebskosten in Kosten der privaten Lebensführung umschlagen, kann objektiv nur schwer bestimmt werden, und es ist von Fall zu Fall sicherlich anders. Deshalb war es dem Gesetzgeber erlaubt, eine allgemeine Frist von zwei Jahren durch das Jahressteuergesetz 1996 einzu- führen. Sofern Sie eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeit- nehmern und Abgeordneten als Begründung für Ihr Än- derungsbegehren anführen, verkennen Sie die Tatsachen. Ein Abgeordneter hat im Prinzip zwei Arbeitsplätze gleichzeitig. Er ist zum einen am Parlamentssitz tätig und zum anderen im Wahlkreis. Diese zwei Arbeitsorte hat er für die Dauer seiner Wahl. Deshalb können die Lebens- sachverhalte überhaupt nicht miteinander verglichen wer- den. Dem Antrag fehlt insoweit die sachliche Grundlage, deshalb kann ihm nicht zugestimmt werden. Soweit mit der Drucksache 14/4438 die Verbesserung bei der Besteuerung von Abfindungen bei Arbeitnehmern bei Kündigung oder Gerichtsurteil angestrebt wird, ist das berechtigt. Wir hatten hierzu bereits mit unserem Ent- schließungsantrag vom 11. Oktober 2000 –14/4285 – ent- sprechende Forderungen gestellt. Es gibt zwei Wege, um an dieser Stelle Gerechtigkeit herzustellen: erstens, Anhe- bung der Freibeträge nach § 3 Nr. 9 EkStG und/oder zwei- tens Einbeziehung in das Verfahren zur Besteuerung von außerordentlichen Einkünften mit dem halben Steuersatz nach 34 Abs. 3 EkStG. Diesen Weg wollen wir mit unserem Antrag zur Wie- dereinführung des halben Steuersatzes für Gewinne aus der Betriebsveräußerung und auch der selbstständigen Handelsvertreter auch auf die Arbeitnehmerabfindungen – zum Steuersenkungsergänzungsgesetz Umdruck Nr. 6 – gehen. Dies soll nicht nur für die Zukunft gelten, sondern rückwirkend ab 1. Januar, weil es häufig nicht in der freien Bestimmung der Betroffenen lag und liegt, wann sie aus- scheiden oder einen Betrieb aufgeben. Niemand darf in das durch den Pannenbetrieb der Koalition entstandene Loch fallen. Wir stützen uns bei unserem Vorschlag auf die eindeutigen Ergebnisse der Anhörung vom 25. Okto- ber 2000. Die Kürzungen durch das Steuerentlastungsgesetz ge- rade bei den Arbeitnehmern machen die soziale Schief- lage der Steuerreform von Rot-Grün deutlich. Während Konzerne künftig Veräußerungsgewinne steuerfrei kas- sieren dürfen, werden Arbeitnehmer nur in geringfügigem Umfang entlastet. Ich empfinde es als einen Skandal, dass ausgerechnet Sozialdemokraten eine solche Schieflage produzieren. Eine solch unsoziale Regelung hätten wir uns als Union einmal leisten sollen! Welchen verbalen Krieg hätten Sie hier im Hause mit Unterstützung der Ge- werkschaften angezettelt? Aber Sozialdemokraten mei- nen, alles zu dürfen. Aber wenn zwei das Gleiche tun, dann ist das eben noch nicht das Gleiche. Aber: Murks bleibt Murks. Das gilt für große Teile Ihrer „Reform“. Wie ungerecht Ihre Reform ist und wie unsozial auch Sie sind, macht auch die Stellungnahme der Kirchen zur Anpassung der Besteuerungsgrundlagen deutlich: Die Kirchen weisen darauf hin, dass durch das Halbeinkünf- teverfahren Personen nicht mehr nach ihrer Leistungsfä- higkeit zur Steuer herangezogen werden. Durch die 1975 unter Ihrem Kanzler Helmut Schmidt eingeführte Vollan- rechnung der Körperschaftsteuer auf die Einkommen- steuer und die damit erfolgte endgültige Versteuerung auf der personalen Ebene wurde dem Sozialstaatsprinzip vollends Rechung getragen. Nur in diesem System gibt es tatsächlich die Versteuerung nach Leistungsfähigkeit. Beim Halbanrechungsverfahren wird dieses verwischt, weil die Einkünfte aus Körperschaften nur noch zur Hälfte in den sozialen Ausgleich einbezogen werden. Die übrige Hälfte wird bei der Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt. Ausgerechnet Sozialdemokraten konzi- pieren ein solch kapitalfreundliches Recht. Die von der Regierung vorgelegte Steuerreform ist für den größten Teil der arbeitenden Menschen keine Steuer- entlastung, sondern eine Belastung. Die Beispiele zeigen, dass mit dem Tarif 2005 noch nicht einmal die heimlichen Steuererhöhungen kompensiert werden. Dabei muss man berücksichtigen, dass es bei der augenblicklichen Inflati- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012502 (C) (D) (A) (B) onsrate sicherlich nicht bei den im Beispiel unterstellten Lohnerhöhungen von 2,5 Prozent bleiben wird. Der mo- derne „Brotpreis“, nämlich die Preise für Benzin und Energie, treibt die Inflationsrate nach oben. Wir liegen gegenwärtig bei 2,5 Prozent. Da wären Lohnerhöhungen von 2,5 Prozent gerade der Inflationsausgleich. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich die Gewerkschaften damit begnügen werden. Dementsprechend wird die Lohn- und Preisentwicklung noch stärker angeheizt und es bleibt nach der kalten Progression für den Arbeitnehmer nichts mehr übrig. Sie werden an dieser Stelle dem Druck nicht standhalten und zu einer Nachbesserung kommen. Dies sage ich Ihnen heute schon voraus. Im Übrigen hat bei Ihnen das Wort „Nachbesserung“ oder „Reparatur“ Konjunktur. Wir werden noch viele Korrekturen an Ihren vermurksten Steuerreformen vor- nehmen müssen. Eine ganze Kette zeichnet sich schon ab: Im Steuersenkungsgesetz mussten Sie die Zinsregelung aus dem Steuerentlastungsgesetz reparieren. Das Steuer- senkungsergänzungsgesetz ist eine einzige Reparatur. Um die Kirchen vor großem Schaden zu bewahren, muss für die Kirchensteuer eine gesonderte, zweite Bemessungs- grundlage geschaffen werden. Gestern hatten wir dazu eine Anhörung. Wieder die Reparatur einer Fehlleistung ihrer Steuerpolitik. Die nächste Reparatur des Steuerent- lastungsgesetzes steht ins Haus. Das Finanzgericht Müns- ter hat durch Urteil vom 7. September 2000 (Az.: 4 V 1612/00 – E und 4 V 1617/00 ) Steuervorauszahlungen in Folge der Anwendung ihrer Verlustverrechnungsregelung nach § 2 Abs. 3 EStG 1999 (das ist die Fassung des Steuer- entlastungsgesetzes) für verfassungswidrig erklärt. Sie werden auch hier kurzfristig nachbessern müssen. Diese Regelung hatten Sie aus ideologischen Gründen gegen unseren Rat und gegen die Meinung der Experten aufge- nommen. Sie hatten eine erneute Anhörung zu diesem im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wesentlich geänder- ten Fallenstellerparagraphen abgelehnt. Nun bekommen Sie die Quittung für Ihr arrogantes Verhalten. Die Ein- führung einer Heizkostenpauschale und einer Entfer- nungspauschale zur Beseitigung der Ökosteuerfolgen sind die nächste anstehende Reparatur. Meine Damen und Herren, Sie behaupten in Ihrer Halbjahresbilanz, Sie hätten den Reformstau aufgelöst. Dabei ist zunächst einmal festzustellen, dass die SPD in der Opposition unter der Führung der damaligen Minis- terpräsidenten Schröder, Eichel und Lafontaine in den Jahren 1996 bis 1998 den so genannten Reformstau über- haupt erst verursacht hat. Auch wenn Sie es nicht hören mögen, eine wesentlich bessere Steuerreform hätten wir schon 1996 haben können. Ich will in dem Zusammenhang noch einmal verdeut- lichen, dass die von der Koalition vorgelegten Vorstellun- gen im Wesentlichen Menschen mit höherem Einkommen und die großen Kapitalgesellschaften entlastet hätten. Handwerkern, Facharbeitern und insbesondere dem Mit- telstand hätten Ihre Vorstellungen wenig Entlastung ge- bracht. Der Mittelstand wurde zunächst einmal belastet und seine Entlastung tritt dann am Sankt-Nimmerleins- Tag oder im Jahre 2005 ein. Die wenigen Verbesserungen, die noch lange keine gute Reform ausmachen, sind aus- schließlich unserem harten Widerstand im Bundestag zu verdanken. Wir haben uns bei Gegenfinanzierungsmaß- nahmen immer um einen Gleichschritt mit den Entlas- tungsmaßnahmen bemüht. Davon kann hier keine Rede sein. Belastungen ab 1. Januar 2000 und Entlastungen ab 2005. Das ist der Unterschied zwischen der Koalitionspo- litik und einer Telefonzelle: Bei der Telekom müssen Sie erst bezahlen und können dann wählen. Bei Schröder wählen Sie erst und bezahlen dann. Mit der Steuerreform ist denn auch Ihr Erneuerungs- image schon weitgehend erloschen. Die Teilreform in der Rente, die diese Woche verabschiedet werden sollte, ha- ben Sie mangels Einigung in den eigenen Reihen und zwi- schen den Koalitionsparteien von der Tagesordnung neh- men müssen. Die „große Rentenreform“ wird von Ihnen nun in der vierten Nachbesserung diskutiert. Von einer kraftvollen Reform kann so lange keine Rede sein, bis im Deutschen Bundestag ein Entwurf eingebracht ist. Da hilft auch keine Kraftmeierei des Bundeskanzlers auf dem ÖTV-Kongress. Sie haben bisher nichts Endgültiges auf die Reise gebracht. Von einer Gemeindefinanzreform, wie sie den Kom- munen immer wieder in Aussicht gestellt worden ist, ist überhaupt keine Rede mehr. Am Beispiel der Ökosteuer wird die Politikmethode der rot-grünen Bundesregierung und ihres Kanzlers be- sonders deutlich. Nimm dir ein sympathisches Thema: „Ich tue etwas für die Umwelt und die Rente“. Vergiss deine Versprechen von gestern: „6 Pfennig sind genug, es bleibt bei der nettolohnbezogenen Rente, weitere Stufen der Ökosteuer gibt es nur im Rahmen der europäischen Union.“ Gib einigen Menschen ein kleines Stück, zum Beispiel Senkung der Lohnnebenkosten, das Gefühl, et- was für die Umwelt zu tun. Nimm vielen gleichzeitig ein Mehrfaches von dem, was du gegeben hast, unter einer anderen Überschrift, damit die Menschen nicht merken, zum Beispiel Steuersenkung und Erhöhung der Bemes- sungsgrundlage. Das ist „linke Tasche“, „rechte Tasche“. Auf der einen Seite gibt der Bundesfinanzminister mit dem Steuersenkungs- und dem Steuersenkungsergän- zungsgesetz, der Erhöhung der Kilometerpauschale und Heizkostenzuschüsse und auf der anderen Seite nimmt er ein Vielfaches davon über Abschreibungen und Ökosteuer wieder weg. Aus der linken Tasche nimmt er mehr als das, was er vorher in die rechte Tasche hineingetan hat. Ich nenne das „Eicheln“. Unter dem Strich macht der Staat immer ein gutes Geschäft dabei. Dieses „Eicheln“ scheint sich zu einer Regierungsmethode zu entwickeln. Ganz ne- benbei wird der Staatskuchen immer größer, was ja auch sozialistischer Ideologie entspricht. Im Ergebnis bedeutet dieses immer mehr Bevormundung der Menschen, weil sie anstelle der eigenen Entscheidung sich mit der kollek- tiven Wertschätzung abfinden müssen. Dazu wächst die Bürokratie, weil natürlich für die Verteilung auch Auf- wand entsteht. Für den Bürger bedeutet das im Endeffekt weniger Entscheidungsfreiheit und damit auch weniger Verantwortung; für mich heißt das Entmündigung und für die Verteilungskosten geht immer mehr von der Substanz verloren. Wenn durch die Ökosteuer rund 5 Milliarden DM ein- genommen und 3,2 Milliarden allein für die Wiedergut- machung von sozialen Folgen ausgegeben werden, dann wird der Unsinn hier besonders deutlich. Wer misst ei- gentlich die Bürokratiekosten? Wenn man hier einmal ehrlich wäre, dann erweist sich die Ökosteuer aus der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12503 (C) (D) (A) (B) Sicht des Fiskus als Nullsummenspiel. Dafür werden die Bürger mit viel Ärger überzogen und es gibt Verzerrun- gen, weil die Reparaturmaßnahmen natürlich nicht unbe- dingt bei denen ankommen, die belastet werden. Trotz aller Bürokratie wird dies nie richtig möglich sein. Des- halb: Sinnvoll ist nur, den Unsinn mit Stumpf und Stiel auszurotten und die Ökosteuer abzuschaffen. Ein anderes Beispiel für die Regierungsmethoden: Ver- sprich den Menschen etwas und lass es andere bezahlen. Ein beredtes Beispiel für diese Politik ist das Kindergeld. Es wird zu zwei Dritteln von Ländern und Gemeinden fi- nanziert, während sich der Bund als „Spender“ abfeiern lässt. Das nenne ich „Schrödern“. Zum Schrödern gehört auch, den Menschen etwas wegzunehmen und sich dafür noch als Held abfeiern zu lassen. Den Bürgern wird ange- droht, ihnen etwas zu nehmen, was sie nicht entbehren wollen oder notwendig brauchen, wie zum Beispiel im Rahmen der Steuerreform bei den Abschreibungen. Wenn der Widerstand dann groß wird, stellt sich der Kanzler hin, nimmt ein kleines Stück davon zurück und lässt sich dafür feiern. Die Verbände reden nur über das Zurückgenom- mene, weil sie ja ihre Leistung gegenüber ihrer Mitglied- schaft rechtfertigen müssen. Im Ergebnis merken die Menschen aber gar nicht, dass unter dem Strich ihnen durch die Regierung etwas genommen ist. Symbolhaft: Durch ein Kabinettsmitglied lässt der Kanzler androhen: Wir hauen euch den Arm ab. – Der Kanzler sorgt dann dafür, dass es nur die Hand ist. Die Menschen meinen, weil sie den Arm behalten haben, sei ihnen etwas Gutes geschehen, und übersehen dabei, dass am Ende die Hand fehlt. Langsam, aber sicher verstehen die Bürger Ihre Me- thode und kommen Ihnen auf die Schliche. Ihre Politik besteht aus „Schrödern“ und „Eicheln“. Aber sie dient nicht den Menschen. Nutzen Sie die Gelegenheit des jetzt laufenden Gesetzgebungsverfahrens, etwas für die Men- schen zu tun, und verbessern Sie den Entwurf noch während der Beratung, sodass nicht schon wieder die nächste Reparaturnovelle vorbereitet werden muss, bevor das Gesetz überhaupt in Kraft getreten ist. Übernehmen Sie unser Steuerkonzept ganz und nicht nur in Teilen, dann liegen Sie richtig. Sie sind und bleiben die Koalition der Steuererhöhun- gen. Auch wenn Sie mit Ihrer ständig wiederholten Flos- kel, es handle sich um die größte Steuerreform in der Ge- schichte Deutschlands, den Menschen etwas anderes weismachen wollen: Die Fakten sind andere. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Be- reits Anfang August habe ich das Thema Abfindungen für Arbeitnehmer in die politische Diskussion eingebracht, nachdem der Bundesrat die Wiedereinführung des halben Steuersatzes bei der Veräußerung von Personengesell- schaften eingefordert hat. Im Kern geht es dabei um eine Gleichbehandlung von Unternehmern und Arbeitneh- mern: einerseits im Falle eines Unternehmers bei Aufgabe seines Betriebes und Übergang in den Ruhestand oder dauernder Berufsunfähigkeit und andererseits im Falle ei- nes Arbeitnehmers bei Abfindung aus einem Arbeitsver- hältnis ab Vollendung des 55. Lebensjahres oder bei dau- ernder Berufsunfähigkeit. Im Rahmen der Verabschiedung des Steuersenkungs- gesetzes wurde der Freibetrag für Gewinne aus Betriebs- veräußerungen und -aufgaben von bisher 60 000 DM auf 100 000 DM erhöht. Durch die Beschlusslage des Bun- desrates wird nun im Steuersenkungsergänzungsgesetz der halbe Steuersatz bei Betriebsveräußerungen einmal im Leben wieder eingeführt. Diese steuerlichen Begünsti- gungen von Veräußerungsgewinnen sollen der Altersvor- sorge des betroffenen Unternehmers dienen. Wenn der Übergang in den Ruhestand der wesentliche Begründungszusammenhang für eine Steuerbegünsti- gung ist, dann kann diese Begünstigung nicht auf Unter- nehmer beschränkt bleiben, sondern es muss eine ver- gleichbare Steuerbegünstigung auch für Arbeitnehmer geregelt werden. Wenn einem Arbeitnehmer ab Vollen- dung des 55. Lebensjahres eine Abfindung für die Entlas- sung aus einem Arbeitsverhältnis oder wegen dauernder Berufsunfähigkeit gezahlt wird, dann handelt es sich um die Lebenssituation des Übergangs in den Ruhestand. Diese Situation kommt nur einmal im Leben vor, sodass eine vergleichbare Situation mit dem Unternehmer, der seinen Betrieb wegen Übergang in den Ruhestand ver- kauft, gegeben ist. Aus diesem Grunde setzt sich Bünd- nis 90/Die Grünen dafür ein, dass auch für Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr oder Berufsunfähigkeit einmal im Leben ein erhöhter Freibetrag im Fall von Abfindungen gewährt wird. Ich habe bislang eine Freibetragshöhe von 100 000DM in die Debatte eingebracht. Die Regierungskoalition will mehrere Modelle prüfen, bevor sie eine Entscheidung trifft. Eventuell kommt auch eine Verknüpfung mit der Altersvorsorge infrage. Wir sind in der Diskussion, um ei- nen Weg gemeinsam zu finden. Der PDS-Gesetzentwurf will erhöhte Freibeträge für Arbeitnehmer, die älter als 50 Jahre sind unabhängig von der Dauer eines Dienstverhältnisses. Richtig daran ist der Gedanke, dass die Dauer von Dienstverhältnissen auf mo- dernen Arbeitsmärkten eine abnehmende Rolle spielt. Falsch ist der Gedanke, ab dem 50. Lebensjahr erhöhte Freibeträge zu fordern; denn in dem Alter geht es um die Reintegration in den Arbeitsmarkt und nicht um den Übergang in einen vorgezogenen Ruhestand. Für uns geht es um den gleitenden und abgefederten Übergang von älteren Arbeitnehmern ab dem 55. Lebens- jahr in die Situation eines vorgezogenen Ruhestands. Nur so wird auch der adäquate Vergleich mit dem Unterneh- mer, der seinen Betrieb wegen Altersaufgabe verkauft, hergestellt. Gisela Frick (F.D.P): Die PDS legt heute zwei Ge- setzentwürfe vor, über deren Inhalt man durchaus disku- tieren kann. Es sollen jeweils Regelungen korrigiert wer- den, die die Koalition zu vertreten hat. Die Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Kosten für die doppelte Haus- haltsführung auf zwei Jahre wurde 1995 vom damaligen SPD-geführten Bundesrat durchgesetzt, weil die SPD nicht bereit war, die Bürger umfassend zu entlasten, und auf Gegenfinanzierungsmaßnahmen bestand. Die Kappung der Freibeträge für Abfindungen ist Be- standteil der Steuererhöhungsorgie des früheren Bundes- finanzministers Lafontaine. Ich stimme der PDS in ihrer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012504 (C) (D) (A) (B) Feststellung zu, dass die künftige Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen der Kapitalgesellschaften und die eingeschränkte Wiedereinführung der Steuervergünsti- gung bei Betriebsaufgaben für Personengesellschaften zu einer weiteren Spreizung der Steuerbelastung für die aus dem Berufsleben ausscheidenden Unternehmer einerseits und die Arbeitnehmer andererseits führt. Auch die F.D.P. ist dafür, diese Spreizung möglichst zügig zu beseitigen. Die PDS muss sich aber die Frage gefallen lassen, warum sie ihre Vorschläge nicht in die seit Monaten andauernden parlamentarischen Beratungen eingebracht hat. Inhaltlich hätte gerade die Besteuerung von Abfin- dungen im heute im Finanzausschuss verabschiedeten Steuersenkungsergänzungsgesetz angesprochen werden können bzw. müssen. Auch die F.D.P. hat noch viele Vorschläge und Ideen, wie unser Steuerrecht zu ändern und insbesondere zu ver- einfachen ist. Wir haben unsere Änderungsanträge in die Beratungen des Finanzausschusses eingebracht, es wurde demokratisch darüber abgestimmt. Es ist nicht verständ- lich, warum die PDS nicht genauso vorgegangen ist, zu- mal gerade Änderungen bei den Arbeitnehmerabfindun- gen auch in den anderen Fraktionen gefordert werden. Ich gehe davon aus, dass beide Gesetzentwürfe zum jetzigen Zeitpunkt keine Mehrheit finden werden. Die PDS sollte ihre Anträge rechtzeitig einbringen, damit sie parallel zu den Vorschlägen der anderen Fraktionen beraten werden können. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend – Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 10 und Zusatztagesord- nungspunkt 2) Dr. Eberhard Brecht (SPD): Deutschland ist nicht nur aufgrund seiner Geschichte, sondern auch aufgrund seiner eigenen nationalen Interessen an einer multilatera- len Weltordnung ausgerichtet, mehr als andere Staaten, wie die USA oder Russland. So ist das deutsche Interesse an den Vereinten Nationen eben nicht nur von moralischer Natur. Deutschland hat ein massives Interesse an funkti- onsfähigen Vereinten Nationen, die zunehmend in der Ge- fahr stehen, ihre Glaubwürdigkeit durch die Lücke zwischen Anspruch und tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten zu verlieren. Die Koalitionsparteien haben deshalb anlässlich der Millenniums-Generalversammlung einen Antrag vorge- legt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, noch mehr für die politische, administrative und finanzielle Stärkung der Weltorganisation zu unternehmen. Dazu gehören im sicherheitspolitischen Bereich unter anderem folgende Aspekte: Wir Deutschen müssen auch unseren Freunden deutlich sagen, dass es nicht sein kann, dass man die Vereinten Nationen mit Aufgaben über- frachtet, aber gleichzeitig die Vereinten Nationen mit zurückgehaltenen Beitragszahlungen gefügig machen will. Natürlich sollten wir nicht nur auf die anderen zei- gen, sondern auch selbst unsere freiwilligen Leistungen für Programme und Sonderorganisationen mittelfristig wieder erhöhen. Zu einer konstruktiven UN-Politik gehört auch, dass Deutschland sich noch stärker als bisher am Stand-by-System für friedenserhaltende Maßnahmen be- teiligt. Ich begrüße ausdrücklich die Präzisierungen, die Rudolf Scharping kürzlich diesbezüglich vorgenommen hat. Dennoch darf dies lediglich erst ein Anfang sein. Ziel muss es sein, dass UN-Einsätze schnell und effektiv um- gesetzt werden. Dabei kann und darf der deutsche Parla- mentsvorbehalt nicht beschädigt werden. Deutschland hat für Peacekeeping seit dem ersten Einsatz in Kambodscha 1991 mehr als 3,3 Milliarden DM aufgewendet und meh- rere Tausend Soldaten in internationale Einsätze entsandt. Schon aus diesem Grunde muss es daher Ziel deutscher Außenpolitik sein, Konflikte zu verhindern. Für künftige zivile oder militärische Einsätze ist es dringend geboten, die Ergebnisse der Brahimi-Kommission zu beherzigen. Es ist doch widersinnig, dass Einsätze gegenwärtig durch den Sicherheitsrat beschlossen werden, ohne dass eine langfristige Finanzierung sichergestellt ist oder eine ent- sprechende Einsatzplanung vorliegt. Die Empfehlungen werden von allen UNO-Staaten Opfer verlangen. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass ineffiziente peace- keeping-Einsätze letztendlich eine unverantwortliche Verschwendung von Steuergeldern sind. Deutschland sollte auch an einer weiteren Verrechtli- chung der internationalen Beziehungen interessiert sein. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Verhand- lungen und Ratifizierung zum Internationalen Strafge- richtshof vorbildlich verhalten. Dennoch gilt es, auf allen Ebenen darauf zu drängen, dass so viele Staaten wie mög- lich, auch die Großmächte, dem römischen Statut beitre- ten. Schließlich sollten wir uns auch weiterhin aktiv und konstruktiv an der Reformdiskussion beteiligen. Es ist nicht oberste Priorität deutscher Außenpolitik, einen stän- digen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu bekommen. Es geht nicht um Prestige. Vielmehr muss dieses nun wirklich wichtige Gremium reformiert werden, um den Anforde- rungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein. Wenn dabei ein ständiger Sitz Deutschlands im Weltsicherheits- rat hilfreich ist, werden wir ihn bestimmt nicht ablehnen. Dabei sollten wir jedoch nicht vergessen, dass ein solcher Status mehr Pflicht als Zierde ist. Der von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Antrag erhebt nicht Anspruch auf Vollständigkeit. Er beschreibt aber die wichtigsten Linien deutscher UNO-Politik für die nächsten Jahre. Unser Land muss sich, einer guten Tradi- tion folgend, für eine Stärkung der Vereinten Nationen einsetzen. Aus diesem Grunde werbe ich darum, dass auch andere Fraktionen sich während der Ausschussbera- tungen konstruktiv mit dem Koalitionsantrag auseinander setzen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12505 (C) (D) (A) (B) Clemens Schwalbe (CDU/CSU): Wir alle wissen, wie sich die Welt in den vergangenen zehn Jahren gewan- delt hat. Der Kalte Krieg ist durch die deutsche Wieder- vereinigung beendet worden. Die Aufteilung der Welt in Ost und West ist hinfällig. Das heutige Koordinaten- system ist ein anderes. Dennoch spiegelt sich die alte Struktur bei den VN wider, die ein Spiegelbild dieses Schwarz-Weiß-Schemas war und in den organisatori- schen Grundstrukturen weitestgehend erhalten geblieben ist. Dieser bis 1989 undenkbare Veränderungsprozess der Weltordnung, der in einer unfassbaren Geschwindigkeit friedlich vor sich ging, hat die internationalen Gremien natürlich aufs Äußerste gefordert. Diese friedliche Verän- derung ist aber nicht zuletzt auch das Ergebnis langjähri- ger Konsultationsprozesse und ernsthafter internationaler Bemühungen, in Konfliktsituationen friedlich miteinan- der nach Lösungen zu suchen. Die strukturellen Veränderungen und die Öffnung in- ternationaler Gremien seit der Wiedervereinigung, sei es in der EU oder der NATO, haben vielen Ländern Hoff- nung und Chancen gegeben, diese Handreichungen wie EU- und NATO-Osterweiterung aufzunehmen, und de- mokratischen Strukturen zum Durchbruch verholfen. Die Vereinten Nationen haben dabei eine immer bedeutendere Rolle gespielt. Allerdings erwiesen sich ihre Strukturen oft als zu schwerfällig und nicht mehr zeitgemäß. Ich er- innere an die Rolle im ehemaligen Jugoslawien, wo eine schnelle Entscheidung des Sicherheitsrates durch altes Blockdenken verhindert wurde. Im Computerzeitalter und an der Schwelle zum 21. Jahrhundert darf die Staa- tengemeinschaft nicht die Schwerfälligkeit eines Tankers besitzen, wie wir dies in den letzten Jahren erlebt haben. Die Bundesrepublik ist bereit, heute, fünfzig Jahre nach Kriegsende, in den VN mehr Verantwortung zu über- nehmen. Durch die friedliche Revolution in der DDR und den friedlichen Prozess der Wiedervereinigung hat die BRD die Lehren aus ihrer Geschichte gezogen. Somit ist ihr – international gesehen – ein höheres politisches Ge- wicht zugewachsen. Obwohl Deutschland der drittgrößte Beitragszahler der VN ist, bleibt der politische Einfluss Deutschlands innerhalb der Gremien nach wie vor zu ge- ring. Besser und deutlicher gesagt: Die Beiträge der Bun- desrepublik Deutschland in den VN können nicht mehr nur auf die finanziellen beschränkt bleiben. Ich will damit die Bedeutung der sicheren Finanzierung der VN nicht in Abrede stellen. Der Hinweis in dem Antrag von SPD/Bündnis 90/Die Grünen, dass wir unsere amerikanischen Freunde auf die Erfüllung ihrer Pflichten hinweisen sollten, ist deshalb zwar richtig, aber ich frage mich, ob dies wirklich den ge- wünschten Erfolg bringt. Besser sollten wir darauf setzen, Einrichtungen der VN zu dezentralisieren, und – wie dies auch in dem Antrag angesprochen wird – den Standort Bonn mit seiner hervorragenden Infrastruktur und seiner Nähe zu Brüssel fördern. Deutschland muss also nicht nur aufgrund seines fi- nanziellen Beitrages in das machtpolitische und vor allem moralische Gefüge der UN angemessen und gerecht inte- griert werden. Das bezieht sich insbesondere auf die Arbeit und die Rolle des Sicherheitsrates, der in seiner heutigen Zusam- mensetzung die weltpolitischen Realitäten nicht mehr an- gemessen widerspiegelt. Eine Verbessung und Reform der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrates ist dringend notwendig. Dabei geht es um die Erweiterung des Sicherheitsrates und um mehr Trans- parenz in seiner Arbeit, besonders im Verhältnis zur Ge- neralversammlung, aber auch um verbesserte Konsulta- tionen mit truppenstellenden Staaten und Konfliktparteien bei UN-Friedensoperationen. Deutschland sollte dabei keinen Zweifel lassen, dass es einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat anstrebt. Ich frage mich jedoch, wie stark die Bundesregierung auf unsere Verbündeten aus NATO und EU einwirkt, um in diesem Anliegen Partei für uns zu ergreifen. Die jetzige Regelung, dass an Friedensmissio- nen beteiligte Länder nicht einmal als Zuhörer im Sicher- heitsrat teilnehmen dürfen, zeigt deutlich alte Strukturen und Eitelkeiten im Sicherheitsrat. Die hier gemachten per- sönlichen Erfahrungen bei unserer letzten Reise nach New York und die Gespräche mit den Botschaftern der ständigen Mitglieder haben bei mir doch starke frustrie- rende Gefühle ausgelöst. Wenn zum Beispiel auf unsere Nachfrage über eine Teilnahme an der Sicherheitsratssit- zung bezüglich Kosovo vom russischen Botschafter mit- geteilt wurde, wenn Deutschland Interesse hätte, zu wis- sen, was dort gesprochen wurde, solle man doch die Pressekonferenz des russischen Botschafters besuchen. – Und dies war kein Einzelfall! Dennoch zeigt gerade der stattgefundene Milleniums- gipfel, dass die Mehrheit der Mitglieder der Staatenge- meinschaft eine Reform der VN und insbesondere des Si- cherheitsrates für dringend erforderlich hält. Auch die starre Haltung der USA in der Frage der Größe des Si- cherheitsrates ist ins Wanken geraten. Die Reformdiskussion, die wir zurzeit hier führen, ist allerdings für die UN nichts Neues. Sie hat schon kurz nach ihrer Gründung begonnen und wurde seitdem, mit gewissen Auf- und Abschwüngen der Intensität, kontinu- ierlich weitergeführt. Aufgrund der Anforderungen der Praxis unterlagen die VN einem permanenten Verände- rungs- und Anpassungsdruck. Man denke nur an die außerhalb der Charta erfolgte Entwicklung der „peace- keeping“-Einsätze Mitte der Fünfzigerjahre und die da- malige Erweiterung des Sicherheitsrates. Allerdings liefen und laufen all diese Prozesse nur sehr schwerfällig und langsam. Die anstehenden Probleme der Weltgemeinschaft haben diese Zeit jedoch nicht mehr. Es sind immer noch große Anstrengungen notwendig, um aus den VN eine weiterhin wirksame Weltorganisation für das 21. Jahrhundert zu machen. Mit Kofi Annan als Ge- neralsekretär sind dabei das Ansehen der VN und damit auch der Reformwille und die Erfolgschancen stark ange- stiegen. Die laufende Milleniums-Generalversammlung bestätigt dies nachdrücklich. Das Hauptanliegen der Re- formanstrengungen wird auf den folgenden Bereichen liegen müssen, die ich noch einmal zusammenfassen möchte: Reform des Sicherheitsrates mit der Erweiterung sei- ner Mitgliederzahlen und damit meine ich ganz deutlich auch die Einbeziehung der Bundesrepublik Deutschland Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012506 (C) (D) (A) (B) sowie die Verbesserung der Arbeitsmethoden des Sicher- heitsrates. Die Prävention und die Fortentwicklung des „peace- keeping“ zu wirkungsvolleren Friedensoperationen, vor allem in Bezug auf die neuen Konflikttypen, die sich welt- weit ausbreiten und Unheil stiften. Die kritische Bestandsaufnahme der Erfolge, aber auch der Misserfolge der VN und ihrer Sonderorganisationen auf den Gebieten der Armutsbekämpfung, Entwicklungs- hilfe, Umwelt, usw. und der künftigen Bedeutung dieser Bereiche im Verhältnis zur Friedenssicherung. Die Modernisierung und Straffung der administrativen Strukturen sowie qualitative Verbesserung des Personals in den verschiedenen Bereichen. Eine solide Finanzierung der UN und ihrer Friedens- operationen; hierzu sind neben den Beiträgen der Staaten zum regulären UN-Haushalt und zum „peace-keeping“- Haushalt eventuell auch unkonventionelle Maßnahmen notwendig. Gegenwärtig mag man zu Recht bezweifeln, ob die Re- gierungen der Mehrheit der Mitgliedstaaten und ihnen voran die der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates tatsächlich bereit sind, die Ärmel umzukrempeln und alle notwendigen Reformen energisch und erfolgreich voran- zutreiben. Bisher geschieht das, von einigen löblichen Ausnahmen abgesehen, im Wesentlichen nur rhetorisch. Diesbezüglich erwarte ich auch von der Bundesregierung, dass sie ihre Versprechen in die Tat umsetzt, um bereits gewonnenes Vertrauen nicht zu verspielen. Leider lässt auch der anhaltende negative Stimmungsschwung in den USA die Schwierigkeiten der Reformbestrebungen erah- nen. Ohne die USA ist jedoch eine UN-Reform mit tatsächlicher Substanz nicht durchzuführen. Auch hierzulande habe ich manchmal das Gefühl, es herrsche immer noch große Unsicherheit und Unent- schlossenheit, wie mit der neuen weltpolitischen Rolle umzugehen ist. Es ist kein Großmannsdenken, wenn man eine wichtigere Rolle Deutschlands in der Weltgemein- schaft einfordert. Die Welt schaut auf Deutschland und er- wartet auch mehr Einsatz. Die Richtung, in der wir uns be- wegen müssen, ist eindeutig: Deutschland hat aufgrund seiner geographischen Lage im Herzen Europas und an der Schnittstelle zwischen ehemals Ost und West ein über- ragendes Interesse an der Stärkung und Einbindung in die multilateralen Strukturen. Die Vereinten Nationen sind ein wichtiger Pfeiler dieser Strukturen, in regionaler wie in globaler Hinsicht. Denn die politische Bedeutung Deutschlands liegt in den VN. Ein weiterer Punkt, den wir gemeinsam dringend vo- rantreiben müssen, ist auch die Verstärkung deutschen Personals in verantwortlichen Positionen der VN, die un- seren Beiträgen angemessen ist. Es kann doch nicht sein, dass unser ehemaliger Kollege Klaus Töpfer nach wie vor der einzige deutsche Vertreter im Range eines USG ist. Hier ist von der Bundesregierung eine kontinuierliche und strategisch langfristige Personalpolitik zu entwickeln, die diesen Missstand beseitigt. Nebenbei bemerkt kann man von der Bundesregierung erwarten, dass diese die Arbeit von UNEP-Exekutivdirektor Töpfer mehr unterstützt, nicht zuletzt im Hinblick auf sein Engagement als Deut- scher; gerade wo Umweltpolitik doch ein wesentliches Kernelement der Politik der Bundesregierung sein soll. Es ließen sich noch viele Punkte aus dem Antrag be- trachten, dies kann ich jedoch aus Zeitgründen nicht ma- chen. Ich möchte jedoch abschließend feststellen, dass Sie einen guten Antrag eingebracht haben und stimme des- halb namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Überweisung des Antrages in die entsprechenden Fach- ausschüsse. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns ange- sichts der Wichtigkeit der vor uns liegenden Aufgaben in Sachen UN uns zusammensetzen und diesen Antrag zu ei- nem gemeinsamen interfraktionellen Antrag gestalten. Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht erst seit 1989 hat die veränderte weltpolitische Aus- gangslage dazu geführt, dass neue Anforderungen an die Vereinten Nationen gestellt werden. Viele politische Ak- teure suchen nach Orientierung, wie in einer durcheinan- der geratenen Weltordnung sowohl Friedenssicherung als auch wirtschaftlicher Ausgleich und der Erhalt der natür- lichen Lebensgrundlagen gewährleistet werden können. Die Zahl der Friedenssicherungsmissionen der Verein- ten Nationen ist in der letzten Dekade stark angestiegen und die VN mussten bitterste Erfahrungen mit dem Scheitern ihrer Missionen machen: ich nenne nur Soma- lia, Ruanda und Srebrenica. In Fragen der Sicherheitspolitik hat es für die VN seit ihrer Gründung 1945 massive historische Verschiebungen gegeben. Zunächst bestand das entscheidende Gebot in einer Verhinderung weiterer Angriffskriege, die mit der Gefahr eines direkten Waffengangs der Großmächte ge- geneinander verbunden waren. Weltweit zu einer mög- lichst geordneten Entkolonialisierung beizutragen, war die zweite große Zielsetzung. Heute ist abzusehen, dass eine Tendenz zur militä- rischen Zuspitzung von innerstaatlichen Konflikten be- stehen bleiben wird. Die heutigen Einsätze haben nicht mehr viel mit den Blauhelmeinsätzen der Vergangenheit gemeinsam. „Während sich die traditionelle Friedens- sicherung hauptsächlich auf die Überwachung von Waf- fenruhen konzentriert hat, sehen die komplexen Friedens- einsätze heute ganz anders aus“ – so der Generalsekretär in seinem Milleniumsbericht. Heute müssen die VN Not- hilfe gewähren, ehemalige Kämpfer demobilisieren, Mi- nen räumen, Wahlen organisieren und abhalten und teil- weise „exekutive“ Aufgaben wahrnehmen. Dafür brauchen sie die entsprechenden Mittel und das notwendige Personal. Es ist erfreulich, dass das Auswär- tige Amt seine Bemühungen fortsetzt, Mitarbeiter für sol- che Einsätze zu schulen und die Lehrgänge dafür nun auch für Teilnehmer aus anderen Ländern geöffnet hat. Wir wünschen dem Auswärtigen Amt viel Erfolg beim Aufbau eines Pools, um schnell auf erprobte Kräfte zurückgreifen zu können. Die konkreten und realistischen Empfehlungen für er- forderliche Reformen für Friedenseinsätze der Vereinten Nationen, die von der Expertengruppe um Herrn Brahimi abgegeben wurden, verdienen unsere volle Unterstüt- zung. Der Brahimi-Bericht weist auf die Notwendigkeit hin, dass die Blauhelme in der Lage sein müssen, sich selbst und andere Teile der Mission und deren Mandat Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12507 (C) (D) (A) (B) verteidigen zu können. Er stellt fest, dass die Prinzipien von Unparteilichkeit und Konsens nicht länger zur Dul- dung massiver Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermorde führen dürfen. Wir wollen die möglichst ra- sche Umsetzung dieser Empfehlungen. Auch der Anspruch, sich Friedenseinsätzen zu verwei- gern, wenn sie finanziell und materiell nicht ausreichend ausgestaltet werden, ist hilfreich, um weitere Misserfolge zu verhindern. Außerdem stellen sich der Weltöffentlich- keit die Dringlichkeit und Legitimität dieser Einsätze dann in anderer Weise dar. Um ein friedvolles Zusammenleben langfristig zu ga- rantieren bzw. wieder zu installieren, muss es nach einem Konflikt zur Konfliktbearbeitung und -bereinigung kom- men können. Deshalb ist es auch so wichtig, die rasche Aufnahme der Arbeit des internationalen Strafgerichtsho- fes zu ermöglichen. Meiner Ansicht nach braucht die Auseinandersetzung mit dem Erbe totalitärer Regime und bewaffneter Kon- flikte auch eine Dimension der Schuldbewältigung. Las- sen Sie mich ein Papier der Deutschen Bischofskonferenz zitieren, in welchem auf die Bedeutung der Konfliktnach- sorge als Teil einer Konfliktvorbeugung hingewiesen wird. Dort heißt es: „Es gibt keinen Frieden ohne Versöh- nung und keine Versöhnung ohne Wahrheit und Gerech- tigkeit.“ Die Nachricht, dass der serbische Präsident Kostunica der Errichtung einer Niederlassung des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Belgrad zugestimmt hat und die Ankündigung, nach dem Vorbild Südafrikas eine Wahrheitskommission einzusetzen, sind notwendige Schritte, um die Verbrechen der jüngsten Vergangenheit aufzuarbeiten, damit auch im ehemaligen Jugoslawien die Wahrheit der Versöhnung und der Gerechtigkeit einen Weg bahnen kann. Der Ruf nach Reformen ist so alt wie die VN selbst. Reformvorschläge gibt es zuhauf. Die Frage ist, ob wir den Stapeln von Reformplänen weitere akademische Pa- piere hinzufügen wollen? Insbesondere zum Sicherheits- rat gibt es mehr oder weniger ideale Papierlösungen, aber wenig Bewegung in der Sache. Kritik am Weltsicher- heitsrat gibt es zuhauf und sie ist berechtigt. Wir können dem Bundeskanzler und dem Außenminister nur zu- stimmen, wenn sie beide betonen, dass der Sicherheitsrat effizienter und repräsentativer werden muss. Dass ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat auch – wie es die stellver- tretende Generalsekretärin der Vereinten Nationen, Louise Frèchette, auf dem Forum „Globale Fragen“ des Auswärtigen Amtes gesagt hat – „more burden than honour“, also mehr Last als Ehre bedeutet, dürfte hier im Hause allen klar sein. Aber es heißt auch, bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen und die eigenen Kompe- tenzen voll einzubringen. Die vordringlichsten Gründungsziele der Organisation der Vereinten Nationen sind Freiheit von Furcht und Frei- heit von Not. Freiheit von Furcht: Das heißt für uns auch, dass wir uns weiterhin für den Ausbau internationaler Rüstungskontrollregime einsetzen werden. Ebenso wich- tig ist es, darauf hinzuwirken, dass in den ärmeren Län- dern die exzessive Anhäufung von Kleinwaffen gestoppt wird. Freiheit von Not auf der anderen Seite bedeutet in ers- ter Linie die Verbesserung von sozio-ökonomischen Le- bensgrundlagen; noch greifbarer heißt das: Armuts- bekämpfung. Im Milleniumsbericht werden konkrete Ziele im Kampf gegen Hunger und Unterdrückung ge- nannt. So soll bis zum Jahr 2015 der Anteil der Welt- bevölkerung, der von weniger als einem Dollar täglich lebt, halbiert werden, ebenso wie der Anteil an Menschen, der keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Die größten Erfolge, die in den letzten Jahrzehnten auf diesem Gebiet erzielt wurden, sind sicherlich die Halbierung der Säuglingssterblichkeitsraten, die Erhöhung des An- teils der Kinder in Primarschulen und die Steigerung der Lebenserwartung in den Entwicklungsländern. Aber auf diesem Weg müssen wir weitere Schritte unternehmen. Gerade die Industrieländer sind in der Pflicht, die Ärms- ten der Armen zu unterstützen und die von Deutschland initiierte Kölner Schuldeninitiative ist ein wichtiger Mei- lenstein auf diesem Weg. Weitere Marksteine sollten weit- gehende zoll- und quotenfreie Zugänge zu den Weltmärk- ten für die am wenigsten entwickelten Länder und eine Erleichterung der Nutzung von neuester Informations- und Kommunikationstechnologie sein. Freiheit von Not und Furcht gibt es nur auf der Grund- lage des Erhalts und Schutzes unserer natürlichen Um- welt. Die Schaffung einer ökologisch bestandsfähigen Zukunft ist unsere gemeinsame Aufgabe. Wenn heute schon etwa ein Drittel der Weltbevölkerung in Ländern lebt, die als von einer Wasserkrise bedroht gelten, dürfen wir keine Mühe scheuen, den Umweltbelangen endlich den Stellenwert zu verschaffen, der ihrer Bedeutung ge- recht wird. Die Bilanz des Milleniumsgipfels macht Mut. Zwar wird es auf der Ebene der Vereinten Nationen keine insti- tutionelle Revolution geben, aber noch nie waren so viele so sehr von ihrer Alternativlosigkeit überzeugt wie heute. Tun wir das Unsere dazu, dass den vielen Reden mög- lichst viele konkrete Schritte folgen. Birgit Homburger (F.D.P.): Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass die Koalitionsfraktionen die Bundesregie- rung auffordern, das deutsche Engagement im Rahmen der Vereinten Nationen zu verstärken. Dies ist auch bitter nötig, da die rot-grüne Außenpolitik im ersten Amtsjahr viel UNO-politisches Porzellan zerschlagen hat. Ohne Not verkündete Außenminister Fischer der staunenden Weltöffentlichkeit, dass Deutschland kein vorrangiges In- teresse an einem Sitz im Sicherheitsrat habe und machte damit die kontinuierlichen Bemühungen der lange Zeit unter liberaler Verantwortung stehenden deutschen UN- Diplomatie zunichte. Ein Verweis auf die halbherzige Äußerung des Bundeskanzlers, dass Deutschland bereit sei, mehr „Verantwortung für Frieden und internationale Sicherheit zu übernehmen“, reicht nicht aus. Was fehlt, ist eine klare Aufforderung an die Bundesregierung, daraus Konsequenzen zu ziehen. Es ist äußerst bedauerlich, dass der vorliegende Antrag in dieser Frage nur vage formu- liert wurde. Stattdessen betont der Antrag ausführlich die sozial- politischen und entwicklungspolitischen Funktionen von WTO, IWF und Weltbank und fordert sogar ihre ver- stärkte Anbindung an das System der Vereinten Nationen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 200012508 (C) (D) (A) (B) Aus liberaler Sicht ist es aber gerade die Unabhängigkeit der Bretton-Woods-Institutionen, die dafür sorgt, dass diese wichtigen Instrumente zur Stabilisierung der inter- nationalen Finanzmärkte und zur Finanzierung nachhalti- ger Entwicklungsprojekte ihre Aufgaben effizient wahr- nehmen. Ebenso wäre es falsch, die WTO zu einem Instrument der Nord-Süd-Ausgleichspolitik zu machen. Hierfür sind im Rahmen der multilateralen und bilatera- len Entwicklungshilfe eine Fülle von anderen Instrumen- ten vorhanden, die gestärkt werden müssen. So ist es unverständlich, wenn im Antrag für ein stär- keres Engagement im Bereich Entwicklung und Umwelt plädiert wird, die gleichen Fraktionen aber präzedenzlose Kürzungen im deutschen Entwicklungshilfeetat beschlie- ßen. Einerseits wird eine stärkere Rolle für den UNHCR gefordert, andererseits werden aber bei den deutschen Beiträgen für den UNHCR wie auch für UNICEF und UNRWA circa 10 Prozent eingespart. Vollkommen igno- riert wird die Initiative von Generalsekretär Kofi Annan, im Sinne des „Global Compact“ gemeinsam mit multina- tionalen Unternehmen nach Lösungen für Entwicklungs- probleme zu suchen und Verhaltenskodizes zu erarbeiten. Schließlich soll der Deutsche Bundestag mit dem An- trag begrüßen, dass die Bundesregierung den Vereinten Nationen ein ziviles und militärisches Stand-by-Angebot unterbreitet hat. Auch für uns sind die notwendige Straf- fung und Verbesserung der Effizienz von UNO-Friedens- missionen im Sinne des Brahimi-Reports wichtige Anlie- gen. Jedoch ist es schon ausgesprochen fragwürdig, wenn der Bundesverteidigungsminister in New York, um eini- ger schneller Schlagzeilen willen, einen ungedeckten Scheck ausstellt. Ungedeckt deswegen, weil erstens die Erfüllung der derzeitigen internationalen Verpflichtungen die Bundeswehr schon jetzt vor enorme Schwierigkeiten stellt und der Verteidigungsminister hier nicht leichtfertig die Übernahme zusätzlicher Aufgaben ankündigen kann, ohne die Mittel zu haben. Zweitens legt sich Deutschland mit einer derartigen Zusicherung Verpflichtungen auf, die einer vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundesta- ges bedürfen. Es ist schon bemerkenswert, wie die Regie- rungskoalition immer nur Maßnahmen der jetzigen Bun- desregierung abnickt, während die gleichen Fraktionen von der alten Bundesregierung immer die vorherige Zu- stimmung des Parlamentes gefordert haben. Aufgrund der erwähnten Punkte wird die F.D.P.-Bundestagsfraktion dem hier vorliegenden Antrag nicht zustimmen können. Wolfgang Gehrcke (PDS): Der grundlegende Unter- schied zwischen der politischen Konzeption der Regie- rungsparteien und der PDS gegenüber den Vereinten Na- tionen besteht darin: SPD und Grüne zerbrechen sich den Kopf darüber, wie der deutsche Einfluss in der UNO ge- stärkt werden kann, die PDS denkt darüber nach, wie die UNO gerade gegenüber den Groß- und Weltmächten mehr Einfluss gewinnen kann. Dies gipfelt darin, dass die Bundesregierung ihre Kraft einsetzt, um für Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erzielen, während es meine Fraktion für die universellen An- sprüche der Vereinten Nationen wichtiger findet, wenn ein demokratisches Land aus Afrika, Lateinamerika oder Asien einen solchen Platz einnimmt. Aus meiner ganz persönlichen Sicht wäre es von einer hohen politischen Symbolik, wenn Deutschland ein Land wie Südafrika oder Vietnam – so diese dazu bereit wären – vorschlüge. Beide Länder sind ein Ausdruck für das Ende der Kolonialzeit. Sie haben große Opfer gebracht, um ihre Unabhängigkeit zu erreichen und sind einen Weg der Ver- söhnung und des Neubeginns gegangen. Die deutschen Beiträge in der UNO sollten sich auf den zivilen Bereich konzentrieren. Der UNO militärisches Gerät und deutsche Soldaten zur Verfügung zu stellen, wie dies der Verteidigungsminister ohne Debatte im Parlament getan hat, spricht nicht nur von einer Missach- tung des Bundestages, sondern gibt auch über die irrige Auffassung der Regierung Auskunft, dass die Weltmacht- rolle Deutschlands auch militärisch unterstrichen werden soll. Für ein Land mit der deutschen Geschichte ist es wahr- haft wichtig, die Vereinten Nationen zu stärken, aber die Mitgliedsländer der UNO würden es verstehen, wenn das nicht gerade „deutsches Militär“ heißen muss. Ziviles En- gagement und militärische Zurückhaltung – das ent- spricht dem Platz Deutschlands. Klärungsbedürftig hingegen ist, wie es Deutschland mit dem Gewaltmonopol der UNO hält. Die Ergebnisse des Washingtoner NATO-Gipfels lassen – wie Sie wissen – eine Selbstmandatierung der NATO zu. Dem hat Deutsch- land zugestimmt. Dies ist ein klarer Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen. Wenn die Bundesrepublik ihr Verhältnis zu den Vereinten Nationen verbessern will – und das sollte sie –, ist ein wichtiger Schritt dazu eben die Wiederherstellung des Gewaltmonopols der UNO. Das hieße, die Ergebnisse des Washingtoner Gipfels da- hin gehend zu revidieren. Deutschland soll konstruktive Beiträge zur Umsetzung der Beschlüsse des Millenium- Gipfels leisten und sich an den Debatten zu einer gründli- chen UNO-Reform beteiligen. Die PDS-Fraktion wird Ih- nen ihre diesbezüglichen Vorschläge vorlegen. Eine Bitte zum Schluss: Ich bitte die Bundesregierung auf der morgigen Sitzung der Vollversammlung der UN sich für eine Aufhebung der Blockade gegen Kuba einzu- setzen, und auch der Resolution, in der dies gefordert wird, zuzustimmen. An SPD und GRÜNE gewandt: Las- sen Sie Ihren freundlichen Worten zu Kuba freundliche Taten folgen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 129. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 8. November 2000 12509 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hansjörg Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine
    Damen und Herren! Nachdem jahrelang Schwanger-
    schaftsabbrüche in Deutschland ausnahmslos chirurgisch
    durchgeführt wurden, bietet sich seit mittlerweile einem
    Jahr die Möglichkeit zum medikamentösen Abbruch. Die
    Erfahrungen mit dieser Methode sind in der Bundesrepu-
    blik genau wie in anderen Ländern, in denen diese Me-
    thode angewandt wird, hervorragend. Der Abbruch mit
    Mifegyne ist eine schonende, von den betroffenen Frauen
    höchst akzeptierte Methode. Die Erfahrungen zeigen,
    dass die physische, vor allem aber auch die psychische
    Belastung deutlich geringer ist. Es kann festgestellt wer-

    den: Der Schwangerschaftsabbruch mit Mifegyne ist eine
    schonende, sichere und das Leid der betroffenen Frauen
    begrenzende Methode.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Trotzdem stößt diese schonende Art des Schwanger-
    schaftsabbruchs bei den durchführenden Ärzten vor allen
    Dingen wegen der ungerechten Honorierung auf wenig
    Gegenliebe. Die Folge ist, dass die Mehrzahl der Schwan-
    gerschaftsabbrüche immer noch operativ geschieht. Das
    dürfte nach wie vor in mehr als 95 Prozent der Fälle so
    sein, wenn die statistischen Zahlen stimmen; Herr Parr,
    das kann ich hier nicht untersuchen.

    Mifegyne verstaubt in den Regalen der Vertreiber-
    firma. Die Firma hat angekündigt, sich bis zum Ende des
    Jahres aus dem Vertrieb zurückzuziehen, zum einen, weil
    sich die Umsatzerwartungen nicht erfüllt haben, zum an-
    deren, weil sich der Vertrieb nach ihren Angaben defizitär
    gestaltet. Das ist eine innerbetriebliche Entscheidung der
    Firma, die ich hier nicht kommentieren möchte.

    Einen Gewinn zu erwirtschaften scheint für mich bei
    einem adäquaten Umsatz durchaus realistisch. Denn es ist
    festzuhalten: Der Verkaufspreis von Mifegyne schwankt
    in Europa zwischen 130 und 170 DM. Man könnte des-
    wegen von einem Firmenabgabepreis von etwa 100 DM
    ausgehen. In Deutschland wird das Präparat zurzeit mit
    154 DM vergütet. Ich persönlich gehe deswegen davon
    aus, dass die französische Herstellerfirma Exelgyne wohl
    keine Schwierigkeiten haben wird, einen neuen Vertreiber
    für den deutschen Markt zu finden. Die Firma Exelgyne
    hat bereits angekündigt, dass sie innerhalb der nächsten
    Wochen einen neuen Vertreiber vorstellen wird. Wo liegt
    also das Problem? Theoretisch könnte der Vertrieb auch
    aus anderen Mitgliedstaaten erfolgen, wenn die entspre-
    chenden deutschen Regelungen eingehalten würden. Das
    würde zwar die Überwachung verkomplizieren, aber es
    wäre durchaus legal und möglich.

    Die im Entwurf der F.D.P. vorgesehene Alternative bie-
    tet keine Vereinfachung und birgt die Gefahr einer neuer-
    lichen Verteuerung des Medikaments. Vorgeschlagen
    wird ein anderer Vertriebsweg. Ähnlich wie bei der An-
    gabe von Medikamenten nach dem Betäubungsmittelge-
    setz würde ein besonderes Rezept die Abgabe in Apothe-
    ken erfordern. Wäre das eine Vereinfachung? – Ich glaube
    nicht. Zumindest die Dokumentation des Vertriebs würde
    sich nicht vereinfachen. Auch für die Wahrung der Ano-
    nymität der Frau sehe ich zusätzliche Probleme. Sie haben
    darauf hingewiesen.

    Sicher ist: Es würden höhere Kosten entstehen. So
    muss man auf jeden Fall mit Aufschlägen für die Mehr-
    wertsteuer und für die Kosten des Großhandels und der
    Apotheken rechnen. Dies würde den Abgabepreis, jedoch
    nicht den Gewinn der Firma erhöhen. Hinzu kommt, dass
    der jetzige Vertriebsweg durch die Direktabgabe sicherer
    erscheint. Die Entstehung eines Schwarzmarktes ist bei
    dem bisherigen Weg mit hoher Wahrscheinlichkeit ausge-
    schlossen.

    Was können wir stattdessen tun, um die existierenden
    Probleme zu lösen? – Wir können dafür sorgen, dass die




    Christa Nickels

    12475


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Hindernisse für den Einsatz von Mifegyne aus dem Weg
    geräumt werden. Hindernisse sind zum einen Details des
    Vertriebsweges und zum anderen die nicht angemessene
    Bezahlung der ärztlichen Leistung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es ist angebracht, über eine Verfeinerung des Ver-
    triebsweges nachzudenken. Bisher darf nur eine sehr be-
    grenzte Packungszahl geliefert werden. Das können wir
    ändern. Denkbar wäre, dass die prospektive Jahresmenge
    an die zugelassenen Ärzte ausgeliefert und dann im ein-
    zelnen Fall nachrezeptiert wird. Diese mögliche Praxis
    setzt den logistischen Aufwand herab und senkt damit ent-
    scheidend die Vertriebskosten, ohne zulasten der Sicher-
    heit des Vertriebsweges zu gehen. Damit bliebe auch der
    Preis des Präparates in vernünftigen Grenzen. Sie sehen,
    dieses Problem ist recht einfach zu lösen und rechtfertigt
    auf keinen Fall einen Gesetzentwurf, der nur komplizier-
    ter macht, was einfach funktioniert.


    (Detlef Parr [F.D.P.]: Außer unserem Gesetzentwurf liegt nichts auf dem Tisch!)


    – Genau zu diesem Gesetzentwurf spreche ich.
    Das zweite und weitaus gravierendere Problem ist die

    Honorierung der ärztlichen Leistung. Das darf man
    nicht herabwürdigen; denn ich muss sagen: Die Leistung
    der Ärzte, die bisher Abbrüche durchgeführt haben, ist
    sehr positiv zu sehen. Die Vorleistungen, die gemacht
    werden, um einen OP vorzuhalten, müssen ebenfalls ge-
    sehen werden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die ausführenden Mediziner führen an, dass Leistung
    und Entgelt nicht in einem korrekten Verhältnis zueinan-
    der stünden. Der zeitliche, räumliche und personelle Auf-
    wand werde nicht entsprechend honoriert. Der zeitliche
    Aufwand ist in der Tat recht hoch, was in der notwendi-
    gen und lang andauernden intensiven Überwachung der
    Patientinnen sowohl nach Einnahme von Mifegyne selbst
    als auch zwei Tage später nach der Einnahme von Pros-
    taglandinen begründet ist. Die Ausstattung der Praxen
    muss der besonderen Situation gerecht werden. Weiterhin
    ergeben sich besondere Anforderungen an das notwen-
    dige Fachpersonal. Sieht man von der Bereitstellung eines
    Operationssaals und der Anästhesie ab, ist der Aufwand
    für medikamentöse und chirurgische Abbrüche durchaus
    vergleichbar. Gleichwohl werden sie unterschiedlich ho-
    noriert.

    Eine Lösung könnte in der verbesserten Vergütung der
    Überwachungszeit liegen. Die empfohlene Dauer dieser
    Überwachung von vier Stunden nach der Einnahme der
    Prostaglandine wird derzeit überhaupt nicht vergütet.
    Dies könnte ein Ansatz für die weitere Diskussion sein.

    Der Ansatz der F.D.P. eignet sich nicht dazu, die ange-
    sprochenen Probleme zu lösen. Er bietet keinen korrekten
    Ansatz zur Verbesserung der Honorarsituation. Es ist
    keine Lösung, dass – so wie es Ihr Antrag vorsieht – die
    rechtlich geduldeten Abbrüche im Rahmen der Fristenlö-
    sung durch die Bundesländer besser vergütet werden sol-

    len als die medizinisch indizierten Abbrüche. Dies kann
    nicht gewünscht sein und tritt als Lösung deutlich zu kurz.

    Die bei der Verwendung von Mifegyne aufgetretenen
    Probleme sind für meine Begriffe nicht dazu geeignet,
    längst geschlagene Schlachten erneut zu schlagen; dazu
    sind die Gemeinsamkeit in diesem Haus zu groß und die
    Differenzen zu gering.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Detlef Parr [F.D.P.] – Albert Deß [CDU/CSU]: So groß sind sie auch wieder nicht! Es handelt sich um die Tötung menschlichen Lebens! Es ist makaber, was hier diskutiert wird!)


    – Herr Kollege, die Diskussion haben wir vor Monaten
    und Jahren geführt. Sie hier bei jedem Moment wieder an-
    zuführen macht Ihre Meinung nicht bedeutend besser.

    Es geht hier um den praxisnahen Einsatz einer guten
    Methode und um deren Bezahlung im Interesse der be-
    troffenen Frauen – um sonst nichts.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Anke Eymer von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Anke Eymer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen
    und Kolleginnen! Es kann heute nicht Sinn dieser Debatte
    sein – das war es bisher auch nicht –, die Auseinanderset-
    zungen über den Schwangerschaftsabbruch erneut hier im
    Bundestag zu führen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


    Denn die Grundsatzentscheidung ist gefallen. Gemein-
    sam haben wir festgestellt, dass es Aufgabe der Politik ist,
    ungeborenes Leben zu schützen. Nicht eine scheinbare
    Erleichterung des Schwangerschaftsabbruchs ist Inhalt
    der politischen Auseinandersetzung. Vielmehr müssen die
    Konzepte zum Schutz des entstehenden Lebens und zur
    Förderung von Eltern und Kindern weiter ausgebaut wer-
    den.

    Wir dürfen uns durch diese Diskussion um ein Mittel
    zum Schwangerschaftsabbruch nicht von unserem ge-
    meinsamen Anliegen ablenken lassen, schwangeren
    Frauen in Konfliktsituationen Hilfe anzubieten, um sie für
    das ungeborene Leben zu gewinnen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Hat die Frau jedoch nach gesetzlich vorgeschriebener
    Beratung die Entscheidung getroffen, die Schwanger-
    schaft abzubrechen, dann ist die Anwendung von Mi-
    fegyne nicht die angeblich schonendere Methode. Denn
    es muss darauf hingewiesen werden, dass seine Anwen-
    dung nach bisherigen Erkenntnissen zu zahlreichen




    Dr. Hansjörg Schäfer
    12476


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    erheblichen gesundheitlichen Risiken und schweren psy-
    chischen Folgen für die Frau führen kann.


    (Dr. Hansjörg Schäfer [SPD]: Woher wissen Sie das? Wer sagt denn das? Sie haben keine Ahnung! Das ist eine falsche Behauptung!)


    Ich halte den Versuch, zu suggerieren, dass diese Methode
    ein sanfter Schwangerschaftsabbruch sei, für verantwor-
    tungslos.


    (Dr. Hansjörg Schäfer [SPD]: Haben Sie jemals mit einer betroffenen Frau darüber geredet?)


    – Herr Kollege, warten Sie doch erst einmal ab, was ich
    weiter zu sagen habe.

    Das Hormonpräparat Mifegyne ist – soweit wir wis-
    sen – keinesfalls unproblematisch. In Frankreich ist die
    Anwendung von Mifegyne auf Frauen unter 35 Jahren
    eingeschränkt. Sie müssen zusätzlich eine stabile Ge-
    samtverfassung aufweisen und dürfen keine Raucherin-
    nen sein. Nicht umsonst wird eine umfassende ärztliche
    Betreuung bei einem Abbruch mittels Mifegyne für not-
    wendig gehalten. Neben Mifegyne müssen Wehen auslö-
    sende Mittel verabreicht werden; in manchen Fällen ist
    zusätzlich ein chirurgischer Schwangerschaftsabbruch
    notwendig.

    Es können – ich habe nicht gesagt: müssen – auch Ne-
    benwirkungen wie starke Blutverluste, Schmerzen und
    Übelkeit auftreten. Keinesfalls darf unterschätzt werden,
    dass ein Abbruch durch Mifegyne erhebliche psychische
    Belastungen für die Frauen mit sich bringen kann, da die
    Frauen nicht nur die Entscheidung über den Schwanger-
    schaftsabbruch treffen, sondern den Abbruch selber vor-
    nehmen.

    Problematisch ist der Einsatz von Mifegyne insbeson-
    dere vor dem Hintergrund der Pflichtberatung. Da das
    Präparat nur bis zur siebten Woche eingesetzt werden
    darf, entsteht hinsichtlich der Entscheidung in einem
    Schwangerschaftskonfliktfall ein hoher zeitlicher Druck.
    Die Zielsetzung der Pflichtberatung, nämlich zum Leben
    zu beraten, gerät in ernsthafte Gefahr, da der Zeitdruck ei-
    nen sorgfältigen und zeitintensiven Beratungsprozess ver-
    hindern kann. Das bedeutet, dass die Anwendung von Mi-
    fegyne besonders intensiver ärztlicher Beratung und
    Unterstützung bedarf.

    Es gibt auch Hinweise für die Vermutung, dass die
    psychische Belastung bei einem Abbruch mit Mifegyne
    für manche Frauen größer ist als bei einem chirurgischen
    Eingriff, weil die Frau durch die Einnahme der Pillen den
    Schwangerschaftsabbruch selbst auslöst und den Vorgang
    über mehrere Tage hinweg bewusst an sich erlebt. Dabei
    übernimmt die Frau eine aktive Rolle; stärkere Schuldge-
    fühle könnten die Folge sein. Auch von daher ist eine hel-
    fende Begleitung durch den Arzt notwendig und geboten.

    Aus all diesen Gründen ist es nicht verständlich, dass
    diese Methode des Schwangerschaftsabbruchs finanziell
    anders abgegolten wird als der chirurgische Schwanger-
    schaftsabbruch,


    (Dr. Hansjörg Schäfer [SPD]: Wer schlägt denn das vor?)


    zumal für eine Reihe von Frauen der Abbruch mittels Mi-
    fegyne der schonendere sein kann. Von daher kann es
    nicht Aufgabe des Bundesgesetzgebers sein, die Vergü-
    tung der Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Kran-
    kenversicherung an sich zu ziehen.


    (Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gar nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt! In der gesetzlichen Krankenversicherung ist geregelt, dass es nicht bezahlt wird!)


    Aber die gesetzliche Krankenversicherung bleibt aufge-
    fordert, die Anpassung vorzunehmen.


    (Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wer hat Ihnen denn die Rede geschrieben?)


    Auch die Länder haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit
    die Aufgabe, diesen Frauen die Möglichkeit zu geben, den
    für sie schonendsten Weg eines von ihnen gewünschten
    Schwangerschaftsabbruchs zu wählen und diesen dann
    auch finanziell zu tragen.

    Über den Vertriebsweg muss in den Ausschussbera-
    tungen weiter diskutiert werden. Dabei muss es oberstes
    Ziel sein, dass eine missbräuchliche Nutzung von Mi-
    fegyne ausgeschlossen ist.


    (Detlef Parr [F.D.P.]: Wie bei jedem anderen Betäubungsmittel auch!)


    Wir wollen den Frauen helfen, die sich nach ausführli-
    cher Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch ent-
    scheiden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)